Stadt- und Straßenbäume im Klimawandel Institut für Forstbotanik und Forstzoologie Daniel Knopf, Ulrich Boock, Andreas Roloff Einführung Damit Stadtbäume auch zukünftig Klimakomfort, Lufthygiene und Äs- Der Wert unserer Stadt- und Straßenbäume ist unschätzbar. Neben vielen weiteren thetik gewährleisten können, sollte sich die Arten-(Sorten)- wichtigen Aufgaben regulieren sie z. B. das Mikroklima, spenden Schatten und werten wahl bzw. die Standortwahl an den kommenden stadtklimatischen Verhältnissen orientieren. das Stadtbild auf. Im Rahmen der Verstetigung der Jenaer Gleichwohl sind Stadt- und insbesondere Klimawandelanpassungsstra- Straßenbäume extremen Bedingungen (Bo- tegie (www.jenkas.de) erar- denverdichtung & -versiegelung, Stadtklima, beiten die Autoren ein Stadt- Luft- und Bodenschadstoffe, Streusalz, Kunst- daher baumkonzept, das licht u.v.m.) ausgesetzt, weshalb sie zumeist die Auswirkungen des kaum die Hälfte ihrer potenziellen Alters- Klimawandels als einen zen- spanne ausschöpfen. tralen Faktor berücksichtigt. Dabei wer- Durch die Auswirkungen des Klimawandels (z. B. zunehmende und intensivere Hitze- den die Standortbedingungen für Stadt- und und Trockenperioden, Zunahme von Extremereignissen) verschlechtern sich die Stand- Straßenbäume für den Zeitraum 2071-2100 ana- ortbedingungen unseres Stadtgrüns zusätzlich. Einige bewährte Baumarten lassen heute lysiert und unter Berücksichtigung gestalterischer & plane- bereits deutliche Probleme aufgrund der veränderten Verhältnisse erkennen. rischer Aspekte räumlich konkrete Baumartenempfehlungen hergeleitet. Methodik – Ableitung von Standorttypen • Analyse von für Stadtbäume relevanten Umweltfaktoren (Abb. oben rechts), wie z. B. Boden, Kaltluft, Verkehrsimmissionen, Versiegelung und klimatischer Einflussfaktoren wie Temperatur, Klimatische Wasserbilanz, Windgeschwindigkeit für die Klimanormalperiode 2071-2100 mittels Geografischem Informationssystem (GIS) • Überlagerung und Verschneidung der einzelnen Parameter (Abb. links) und Ableitung von Standortbedingungen (Standorttypen (Abb. rechts)) für Stadt- und Straßenbäume durch Clusteranalyse • Ermittlung und Visualisierung von Kenngrößen bzw. Charakteristika der einzelnen Standorttypen für Stadt- bzw. Straßenbäume Methodik – Baumartenempfehlungen • Zusammenstellung klimatisch geeigneter Baumarten auf Grundlage der Klima-Arten-Matrix für Stadtbäume (Abb. rechts) • Charakterisierung der einzelnen Baumarten (Hitze- und Trockenstresstoleranz, Winterhärte, Umgang mit Bodenverdichtung, Versiegelung und hohen pH-Werten, Streusalz-, Rauch- und Industriefestigkeit, Licht- und Bodenansprüche, Empfindlichkeit gegenüber Spätfrost und Staunässe, allergenes und invasives Potenzial, Wurzelbrut etc.) • Ableitung von Baumartenempfehlungen auf der Grundlage zukünftiger Standortbedingungen unter Abb.: Notenpaare der Klima-Arten-Matrix (KLAM): Abstufungen hinsichtlich Winterhärte und Trockenstresstoleranz. Berücksichtigung gestalterischer und planerischer Aspekte aus: Roloff, A.; Bonn, S. & Gillner, S. (2008): Konsequenzen des Klimawandels – Vorstellung der Klima-Arten-Matrix (KLAM) zur Auswahl geeigneter Baumarten. Stadt+Grün 57: 53-60. Ergebnisse Baumartenempfehlungen für Großsiedlungen in Plattenbauweise der 50er bis 80er Jahre - Raumtyp 3 - für die Jenaer Raumtypen und Stadtteile (siehe Karte Raumtypen): 3.1 Jena-Nord 3.2 „Tümplingviertel“ (Jena-Ost) 3.3 Winzerla 3.4 Neulobeda (Lobeda-West/-Ost) Stadtteile mit jeweils ca. 30 Höhe (m) Stadtteil Eignung als Verwendung Straßenbaum Art und geeignete Sorten, Acer platanoides L. (Spitz-Ahorn) 20 – 30 alle konkurrenzfähig mit jedweder gut geeignet Unterbepflanzung Acer x zoeschense Pax (Zoeschener Ahorn) Ailanthus altissima (Mill.) Swingle (Drüsiger Götterbaum) Alnus cordata (Loisel.) Desf. (Herzblättrige Erle) 4 – 6 (8) 25 3.3, 3.4 nicht in der Umgebung von Magerrasen pflanzen, salztolerant, Wurzelbrut Nebenstraßen geeignet m. E. Belaubung bis in den November, bis 15 alle spätfrostgefährdet – nicht in Kaltluftstaugebieten verwenden, hohe Stickoxid- u. Ozonabsorption 20 – 30 Celtis australis L. (Südlicher Zürgelbaum) 15 – 20 Fraxinus ornus L. (Blumen-Esche) Kleinbaum, Lichtraumprofil schwer einzuhalten geeignet an in stark versiegelten Bereichen, invasive Art – Catalpa speciosa (Warder ex Barney) Engelm. (Prächtiger Trompetenbaum) Corylus colurna L. (Baum-Hasel) alle 15 – 18 (20) bis 15 Ginkgo biloba L. (Ginkgo) 15 – 20 Gleditsia triacanthos L. (Amerikanische Gleditschie) 10 – 25 Liquidambar styraciflura L. (Amerik. Amberbaum) 10 – 20 (35) (30) (30) alle alle alle 3.1, 3.2, spätfrostgefährdet – nicht in Kaltluftstaugebieten verwenden benötigt lockeren, durchlässigen Boden, i. d. Jugend frostempfindlich feinstaubbindend, lärmmindernd, mäßiges allergenes Potenzial spätfrostgefährdet – nicht in Kaltluftstaugebieten 3.3 verwenden, Blühaspekt, Duft 3.2 Sorten und Selektionen (männl.) beachten alle feinstaubbindend, auffällige Herbstfärbung und Fruchtschmuck, dornenlose Sorten beachten geeignet m. E. gut geeignet geeignet an Nebenstraßen gut geeignet gut geeignet gut geeignet geeignet m. E. benötigt frischen, nicht zu kalkhaltigen Boden 3.2 (Chlorosegefahr), in d. Jugend frostempfindlich, auffällige Herbstfärbung Länge/ Ausrichtung: ca. 0,8 km / Nord-Süd wesentliche “Siedlungskörper”, Standorttypen: “Nebenstraßen innerorts” Stadtteile: auch Altstadt, Stadterweiterung geschlossene Bauweise/ 1.1, 2A.1 gut geeignet geeigneten, bewährten und ergänzenden Baumarten (Abb. links) • Steckbriefe relevante für planungs- Modellstraßenräu- me mit jeweiliger Straßenraumanalyse und Baumar- ca. zukünftig 30, Schwedische Mehlbeere (Sorbus intermedia (Ehrh.) Pers.) geeignete, Höhe: bis 15 m Krone: regelmäßig eiförmig bis kugelig Blätter: 6 – 10 cm lang, länglich bis eirund, gelappt, oberseits glänzend grün, unterseits graufilzig behaart Baumarten (Abb. rechts) Blüten: südl. Abschnitt mit Blick R. Johannisfriedhof nördl. Abschnitt, Villengärten nördl. Abschnitt mit Blick R. Stadtzentrum Defizite: o Überwärmungsraum Potenziale: o Straßenraum im südlichen Teil für Einordnung mindestens einer durchgehenden Baumreihe geeignet o deutliche Zunahme von Trockenheit in der Vegetationsperiode o insgesamt gute „Durchgrünung“ aufgrund angrenzender Gärten und des Johannisfriedhofes mit altem Baumbestand o hohe Streusalzbelastung o gehört im südlichen Teil zum Denkmalensemble Kernstadt o sehr kleine Baumscheiben bei Bestandsbäumen auf der Ostseite o angrenzende Denkmalobjekte Botanischer Garten, Johannisfriedhof, Studentenhaus mit Mensa offene Bauweise, Straßenbreite mit Fußwegen im südl. Teil ca. 12 m, im nördl. Teil ca. 8 m, im südl. Straßenraum: Teil angrenzender Baumbestand (Johannisfriedhof, Kliniksgelände, botanischer Garten), im weiteren Verlauf angrenzend Villengärten mit altem Baumbestand im Südlichen Teil stellenweise beidseitig Tilia platyphyllos, mittelalt, sowie einzelne Nachpflanzungen, Baumbestand: auf der Ostseite 3 Acer platanoides, zwei ältere, ein nachgepflanztes Exemplar. Die Nachpflanzungen weisen eine geringe Vitalität auf. • Empfehlungslisten für Sträucher & Unterpflanzungen Erhalt, Ergänzung, ggf. Ersatz der Bestandsbäume o Im Zuge einer Erneuerung und Neuordnung des Straßenraumes wird im südlichen Teil (bis Abzweig Kritzegraben) die Einordnung einer durchgehenden Baumreihe, ggf. auch eine Allee empfohlen Baumart (Stadtteil 1.1): Linde (entsprechend der Bestandssituation), als Art jedoch Tilia cordata in einer geeigneten o Sorte mit kompakter Krone, aufgrund der guten Eignung als Straßenbaum und der Toleranz bei seitlichem Schattendruck (alternativ: Ostrya carpinifolia, Ulmus pumila) im nördlichen Teil ist aufgrund des engen Straßenraumes und der angrenzenden, gut mit Bäumen begrünten Vorgärten und Gärten eine Straßenbaumpflanzung nicht empfehlenswert ca. 1 cm breit, eiförmig bis kugelig, orangerot bis rot, gelbfleischig, bis Okt./ Nov. am Baum haftend Verbreitung: Natürlicher Lebensraum: Nord-, Zentral- und Mitteleuropa – nicht einheimisch Artenreiche Wälder und Gehölzgruppen Eigenschaften: • umfangreiches Kartenwerk zu den Klima- und Stand- ortparametern • Auswertung des Baumka- tasters hinsichtlich der klimatischen Eignung Autoren: Daniel Knopf: Thüringer Institut für Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Leutragraben 1, 07743 Jena; [email protected] Ulrich Boock: Freier Garten- und Landschaftsarchitekt, Stadtrodaer Str. 60, 07747 Jena; [email protected] Andreas Roloff: TU Dresden – Institut für Forstbotanik und Forstzoologie, Pienner Str. 7, 01737 Tharandt; [email protected] o trockentolerant o toleriert Versiegelung und Bodenverdichtung o rauch- und industriefest, salzempfindlich o Bienenweide und Vogelnährgehölz o kalkliebend o Blütenschmuck, Duft, Fruchtschmuck o Baum mit großer Standortamplitude o hoher Lichtbedarf o winterhart (WHZ 5a) und spätfrosttolerant o sehr windfest Eignung als Straßenbaum: Baumartenempfehlung und Hinweise zur Bepflanzung: o Mai – Juni, ca. 1 cm breit, weiß, in bis zu 10 cm breiten, reich verzweigten und behaarten Trugdolden Früchte: o tenempfehlungen (Abb. Mitte) für bewährte und ergänzende klimatisch wie gestalterisch Hinweise zur Honigtauabsonderung berücksichtigen, • Steckbriefe Philosophenweg Raumtypen/ bewährte, zu empfehlende Arten: Baumart • Baumartenempfehlungslisten Stadtklimatisch ist Sorbus intermedia bestens für die Verwendung im Straßenraum geeignet. Die Art hat ein großes Anpassungspotenzial an die meisten Böden, toleriert Bepflasterung und Bodenverdichtung und Trockenzeiten werden i. d. R. schadlos überstanden. Beachtet werden sollte der wärme- und lichtliebende Charakter der Pflanze; auf Streusalz reagiert sie empfindlich. Die Schwedische Mehlbeere ist ein sehr robuster Baum mit regelmäßigem Habitus sowie augenfälligem Blühund Fruchtaspekt. Der Fruchtfall kann mitunter als störend im Straßenraum empfunden werden. Als Alternative zur Art empfiehlt sich die Sorte ‘Brouwers‘ mit weitgehender Feuerbrandresistenz. Auftraggeber: Stadt Jena - FB Stadtentwicklung & Stadtplanung Am Anger 26, 07743 Jena www.jena.de, www.jenkas.de