INSTALLATIONSTECHNIK Isolierter Blitzschutz für Objekte der Blitzschutzklasse II Die Dachebene von Gebäudekomplexen wird oft als Installationsebene für Klima-, Lüftungs- und Sendeanlagen genutzt. Daher sind isoliert aufgebaute Blitzschutzsysteme aus der Blitzschutzpraxis nicht mehr wegzudenken. Durch ausgefeilte Planung der Gesamtanlage und Installations-Know-how der Blitzschutzsetzer können isoliert aufgebaute Blitzschutzsysteme funktional und vor allem auch wirtschaftlich umgesetzt werden. Benjamin Echtermann Bei der Konzeption einer Blitzschutzanlage muss der ausfüh- kann eine Blitzschutzanlage mittels der VdS-Richtlinie 2010 rende Planer Vorschriften und Regelwerke berücksichtigen. Tabelle 3 [2] auch ohne Kenntnis der Details und Risikofak- Um die Sicherheit in öffentlichen Gebäuden zu gewährleisten, toren einer Blitzschutzklasse zugeordnet werden. fordern die Bauordnungen der Länder sowie die gesetzlichen und behördlichen Vorschriften und Ausführungsrichtlinien Blitzschutzanlagen für diese Gebäude. Darunter fallen zum Beispiel Hochhäuser, Krankenhäuser, Schulen wie auch Verkaufsstätten mit mehr als 2 000 m². Die DIN EN 62305 (VDE 0185-305) [1] teilt Blitzschutz­ anlagen in vier Blitzschutzklassen ein. Um eine Blitzschutzanlage anhand dieser Norm einer Blitzschutzklasse zuzuordnen, müssen Detailkenntnisse der Anlage und daraus resultierende Risikofaktoren bekannt sein. Nur im Einzelfall 2 building & automation I Heft 1-2 – 2011 Autor: Dipl.-Ing. (FH) Benjamin Echtermann ist als Produktmanager Transienten- und Blitzschutz-Systeme für die Obo Bettermann GmbH und Co. KG in Menden tätig. INSTALLATIONSTECHNIK von 100 kA ausgelegt, Blitzschutzanäußere Leitschicht schwach leitfähiger Mantel lagen der Klasse II für 150 kA und die 35 mm2 Kupferleiter innere Leitschicht Isolierung Klasse I für 200 kA (Wellenform 10/350). Konventionell aufgebaute Blitzschutzsysteme Bei konventionell aufgebauten Blitzschutzsystemen werden die Blitz- Leitungsaufbau des Iscon-Systems Gebäude mit einem geringen Gefährdungspegel, wie Wohn- und Bürohäuser, werden mit der Blitzschutzklasse III oder IV geplant und errichtet. Besteht eine höhere Gefährdung, soll das Gebäude mit einem Blitzschutzsystem (LPS, lightning protection system) der Klasse II oder I ausgerüstet werden. Von der Schutzklasse des LPS sind Eigenschaften, wie Blitzkennwerte, Blitzkugelradien sowie Trennungsabstände, abhängig. Die Scheitelwerte des ersten Stoßstroms spielen hier die größte Rolle. Blitzschutz- Das Iscon-System hat bei Belastungsprüfungen seine anlagen der Klasse III und IV sind für maximale Stoßströme Leistungsfähigkeit bewiesen building & automation I Heft 1-2 – 2011 3 INSTALLATIONSTECHNIK schutzbauteile durch eine schnelle wird auf Abstand zu der Gebäude- Stromaufteilung selbst bei Blitz- struktur gebracht, um so einen direk- schutzklasse I nur mit maximal 100 kA ten elektrischen Überschlag zu ver- belastet. Da sich der Blitzstrom an meiden. Verhindern die gestalteri- Kreuzungsstellen in alle Richtungen schen Möglichkeiten das Einhalten aufteilt, reduziert sich der in den ein- des Trennungsabstands, ist es nicht zelnen Ableitungspfaden fließende möglich, den Blitzstrom auf möglichst Blitzstrom. Auch bei Installa­tionen der viele Ableitungen zu verteilen. Tren- 160 kA 120 Channel 1 100 Strom 80 60 40 20 0 –20 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 Zeit 1,2 1,4 1,6 ms 2 Das Diagramm zeigt die Prüfsequenz mit 150 kA Blitzschutzklasse I wird der erste nungsabstand und Stromscheitelwer- Blitzstoßstrom von maximal 200 kA te können nicht immer eingehalten schnell geteilt. Danach fließt nur der werden, sodass spezielle Systeme mit maximal zulässige Strom nach Klasse isolierten Ableitungen Verwendung H: 100 kA. Durch die Aufteilung des finden müssen. elektrischen Stroms reduziert sich der Trennungsabstand zu metallenen und elektrischen Dachaufbauten. Kann der nach DIN EN 62305 (VDE 0185-305) [1] berechnete Tren- 4 building & automation I Heft 1-2 – 2011 Blitzschutz mittels isolierter Ableitung nungsabstand nicht eingehalten wer- Isolierte Ableitungen werden speziell den, besteht die Gefahr eines Über- für den äußeren Blitzschutz angebo- schlags zwischen Fangeinrichtung, ten. Planung und Installation werden Ableitung und zu schützendem Ob- in der DIN EN 62305-3 (VDE 0185- jekt. 305-3) [3] und zusätzlich in speziellen Um den erforderlichen Trennungsab- Installationsanweisungen beschrie­ stand auch bei komplexen und hoch- ben. Anwendungsfälle und Installa­ gefährdeten Dachaufbauten einzu- tionsgewohnheiten unterscheiden halten, werden isoliert aufgebaute sich häufig. Typischerweise wird der Blitzschutzsysteme eingesetzt. Die Blitzstrom, mittels einer isolierten Fang- sowie Ableitungseinrichtung Ableitung, ohne Unterbrechung von INSTALLATIONSTECHNIK der Fangeinrichtung bis zum Erdungssystem oder Stromaufteilungspunkt geführt. Fangeinrichtungen müssen am Einspeisepunkt sowie am Anschluss und im Verlauf der isolierten Ableitung für die abzuleitenden Ströme ausgelegt sein. Blitzschutzsysteme der Blitzschutzklasse III und IV sind unproblematisch, da lediglich Blitzströme von maximal 100 kA abzuleiten sind. Blitzschutzsysteme der Blitzschutzklasse II für besonders gefährdete Gebäude, wie Krankenhäuser, Gewerbe- und Industriebetriebe mit erhöhter Brandgefahr und Silos, müssen hingegen Blitzströme von 150 kA beherrschen. Daher werden nicht nur hohe Anforderungen an die Leitung, sondern auch an die Systemkomponenten gestellt. Die Blitzschutzbauteile-Norm DIN EN 50164-1 (VDE 0185201) [4] beschreibt nur Anforderungen für Blitzschutzsystem-Komponenten bis zu einem Stoßstrom von bis zu 100 kA (Klasse H). Daher gilt es hier, sich an die Maximalwerte von Blitzstromparametern der DIN EN 62305-1 (VDE 0185-305-1) Tabelle 5 [5] anzulehnen. Verbinder und Anschlusselemente, die mit 150 kA Blitzstrom geprüft wurden und die Anforderungen in Anlehnung an die Bauteileprüfungen erfüllen, können ohne Bedenken unter Berücksichtigung der Montagehinweise eingesetzt werden. Das Iscon-System von Obo Bettermann erfüllt diese Anforderungen und ist für die Blitzschutzklasse II geeignet. Der Vorteil einer für 150 kA ausgelegten Ableitungseinrichtung liegt darin, dass nur eine Ableitung ausreicht, um den Blitzstrom sicher zur Erde zu führen. Alternativ kann auch eine zweite isolierte Ableitung von der Fangeinrichtung ausgehend geführt werden. In diesem Fall teilt sich der Blitzstrom auf und der maximale Scheitelwert von 50 kA bis 100 kA wird nicht überschritten. Auf die kostspielige Verlegung einer zweiten isolierten Ableitung kann bei ausgewiesenem Systemzubehör jedoch verzichtet werden. Literatur [1]DIN EN 62305 (VDE 0185-305) Blitzschutz. Berlin ∙ Offenbach: VDE VERLAG [2]VdS 2010:2002-07 Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz, Absatz 3, Tabelle 3. VdS Schadenverhütung GmbH, Köln: www.vds.de [3]DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3) :2010-6 Blitzschutz –Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen. Berlin ∙ Offenbach: VDE VERLAG [4]DIN EN 50164-1 (VDE 0185-201):2009-03 Blitzschutzbauteile – Teil 1: Anforderungen an Verbindungsbauteile. Berlin ∙ Offenbach: VDE VERLAG [5] DIN EN 62305-1 (VDE 0185-305-1):2006-10 Blitzschutz – Teil 1: Allgemeine Grundsätze. Berlin ∙ Offenbach: VDE VERLAG www.obo.de building & automation I Heft 1-2 – 2011 5