13 Nase, Nasennebenhöhlen

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13.1 Sinusitis maxillaris
13
Nase, Nasennebenhöhlen
13.1 Sinusitis maxillaris
Grundlagen
▶ Definition: Akute oder chronische, bakterielle, pilz- oder allergisch bedingte, i. d. R.
von den Nasenhaupthöhlen oder vom Nasopharynx ausgehende, gelegentlich auch
dentogen fortgeleitete oder stauungsbedingte Entzündung der Kieferhöhlenschleimhaut, meist auch des Siebbeinzellsystems (z. B. Ethmoiditis anterior). Fast
immer gleichzeitige Rhinitis (Rhinosinusitis).
▶ Erregerspektrum: Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Branhamella/Moraxella catarrhalis, Anaerobier (bei akuter Entzündung), Staphylokokken, Streptokokken
(bei chronischem Verlauf), Viren, Pilze (Aspergillus).
▶ Begünstigende Faktoren:
• Kinder: Adenoide Vegetationen, enge nasale Anatomie (z. B. Breit-, Schiefnase),
Muschelhyperplasie, chronisch eitrige Rhinitis, Mukoviszidose, Schwimmbadbesuch.
• Erwachsene: Septumdeviation, Nasenpolypen, Concha bullosa (vgl. Abb. 11.13)
Muschelhyperplasie, Allergie, Pilzinfektion (Aspergillus), dentogene Infektion, Alveolarkammfistel nach Zahnextraktion, opportunistische Infektionen (z. B. AIDS,
S. 504), Analgetikaintoleranz, Antikörpermangelsyndrom, Tauchen.
▶ Symptomatik:
• Dumpfer bis pochender Wangen-/Oberkieferschmerz mit oder ohne Zahnschmerzen, vermehrt bei schnellem Vorbeugen oder Hüpfen auf einem Bein.
• Unterlidschwellung, eitrige Sekretion aus Nase oder Nasopharynx, Foetor.
• Subfebrile Temperaturen, Müdigkeit, Kopfschmerzen.
• Veränderte Stimmresonanz.
▶ Komplikationen:
• Chronische Pharyngitis, chronische Laryngitis, chronische Bronchitis (evtl. Bronchiektasen) im Sinne eines Syndroms deszendent.
• Fortleitung der Entzündung ins Ethmoid oder zur Orbita (Ethmoiditis S. 263, Orbitaphlegmone).
• Mukozele.
• Rhinogene Meningitis.
Diagnostik
▶ Notwendig:
• Palpation: Druckschmerzen über Wange, fazialer Kieferhöhlenwand (Fossa canina). Beklopfen der Prämolaren bewirkt Schmerzauslösung oder -verstärkung.
• Schmerzprovokation bei raschem Vornüberbeugen des Kopfes.
• HNO-Status.
• Endoskopie: Nase, Nasopharynx (oft Eiterstraße im mittleren Nasengang oder an
der Rachenhinterwand, geschwollene mittlere Muscheln).
▶ Im Einzelfall nützlich:
• Röntgen: Nasennebenhöhlen (Eiterspiegel [Abb. 13.1], Schleimhautschwellung,
Zyste, subtotale oder totale Verschattung, Verkalkungsstrukturen bei Aspergillusbefall).
• Abstrich: Erregernachweis, Resistenzbestimmung.
• Kieferhöhlenendoskopie: Bei Tumor- oder Mykoseverdacht.
• Sonografie: Kieferhöhlen (auch als Verlaufskontrolle).
• CT (axial und koronar): Nasennebenhöhlen (immer vor Operation, Abb. 13.2).
• Riechtest: Wenn anamnestisch begründet; vor Nasennebenhöhlenoperationen
aus forensischen Gründen.
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Nase, Nasennebenhöhlen
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Nase, Nasennebenhöhlen
13
Abb. 13.1 • Okzipitomentale Röntgenaufnahme der Nasennebenhöhlen mit Spiegelbildung in
der rechten Kieferhöhle (Pfeil). Beachte Aplasie (*) der linken Stirnhöhle (Normalbefund,
Vorkommen bei ca. 5 % aller Menschen).
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13.1 Sinusitis maxillaris
Abb. 13.2 • Koronares CT der Nasennebenhöhlen.
Einseitige, chronische Sinusitis maxillaris et ethmoidalis
links. Zusätzlich Vomersporn nach rechts (Pfeil).
• Labor: Differenzialblutbild, CRP, BSG, Immunglobuline (bei V. a. Antikörpermangelsyndrom).
• Allergietest: Prick-Test, nasaler Provokationstest, evtl. RAST (bei positiver Allergieanamnese).
• Interdisziplinäres Konsil: Zahnarzt, MKG-Chirurgie.
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13.1 Sinusitis maxillaris
Differenzialdiagnose
▶ Dentogene Ursache: Wurzelgranulom, -abszess, Alveolarkammfistel nach Zahnextraktion. Infizierte follikuläre oder radikuläre Kieferhöhlenzyste.
▶ Trigeminusneuralgie.
▶ Beschwerden nach Voroperation.
▶ Kieferhöhlenmukozele: Anamnestisch, meist Trauma oder Operation.
▶ Mykose: Aspergillus, Mukormykose (anamnestisch Diabetes mellitus, Immunsuppression, AIDS, vgl. S. 504). Röntgenologisch Totalverschattung mit fremdkörperähnlichen, sehr dichten, gelegentlich sternförmigen Einschlüssen.
▶ Opportunistische Infektionen der Kieferhöhlenschleimhaut (Tbc, Soor).
▶ Tumor der Kieferhöhle oder des Oberkiefers.
Therapie
▶ Konservative Therapie:
▶ Hinweis: NNH-Entzündungen beginnen i. d. R. als virale Rhinosinusitis. Eine soforti■
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ge Therapie mit Antibiotika ist deshalb meist nicht erforderlich bzw. im Hinblick
auf die möglichen Nebenwirkungen und die Resistenzentwicklung der Bakterien
kontraindiziert.
• Antibiotikum primär nur bei:
– Nachweislich eitriger Entzündung mit starken Beschwerden und/oder Fieber >
38 °C.
– Drohender oder eingetretener Komplikation (s. u.).
– Chronischen bronchopulmonalen Erkrankungen (z. B. Mukoviszidose).
– Eingeschränkter Immunabwehr (z. B. AIDS).
– Besonderen Risikofaktoren (z. B. Zustand nach Rhinobasisfraktur).
– Fehlender Besserung innerhalb 5 Tagen trotz abschwellender und antiphlogistischer Maßnahmen oder gar Zunahme der Beschwerden.
• Akute Sinusitis, akute Exazerbation einer chronischen Sinusitis:
– Abschwellender Nasenspray, z. B. Xylometazolin mehrmals täglich.
– Antiphlogistikum, z. B. Diclofenac, Ibuprofen.
– Evtl. Phytotherapeutikum, z. B. Myrtol, Cineol.
– Bei allergischer Diathese: Antihistaminika, z. B. Desloratadin (Aerius), Fexofenadin (Telfast).
– Ggf. Antibiotikum, je nach Schweregrad der Erkrankung und Resistenzlage der
Bakterien, z. B. Amoxicillin, Aminopenicillin + Betalaktamase-Inhibitor, Cephalosporine, Ciprofloxacin.
• Chronische Sinusitis:
– Antiphlogistische Therapie, z. B. Diclofenac, Ibuprofen.
– Ggf. Antibiotikum, z. B. Aminopenicillin + Betalaktamase-Inhibitor, Cephalosporine 2, Clindamycin (jeweils mind. über 3 Wochen).
– Evtl. Langzeitbehandlung (mind. 6–8 Wochen, niedrige Dosis) mit Makroliden,
z. B. Clarithromycin in Kombination mit Glukortikoiden.
– Bei Analgetika-Intoleranz evtl. adaptive Deaktivierung (s. S. 252).
• Sinusitis mit drohender oder manifester, orbitaler oder endokranieller Komplikation:
– Antiphlogistikum, z. B. Diclofenac, Ibuprofen.
– Immer sofort Antibiotikum, z. B. Aminopenicillin + Betalaktamase-Inhibitor, Cefotaxim, Piperacillin + Tazobactam, in schwersten Fällen evtl. Kombination mit
Aminoglykosid oder Fluorchinolon.
• Allergische Sinusitis:
– Topische Steroide, z. B. Fluticason (Flutide Nasal), Mometasonfuroat (Nasonex).
– Vgl. Therapie der Rhinitis allergica (S. 234).
• Aspergillus-Sinusitis:
– Antimykotikum lokal und ggf. systemisch nach mikrobiologischer Diagnostik,
z. B. Amphotericin B, Clotrimazol, Flucytosin.
▶ Cave: Überdosierung (besonders bei Amphotericin B), Nebenwirkungen!
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Nase, Nasennebenhöhlen
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Prognose
▶ Rezidive häufig, wenn entzündlich oder anatomisch bedingte Stauungsursachen
oder Drainagehindernisse sich nicht bleibend beseitigen lassen.
▶ Rezidive ebenfalls häufig bei Allergikern und „konstitutioneller“ Schleimhautschwäche.
13.2 Sinusitis ethmoidalis
Grundlagen
▶ Definition: Akute oder chronische viral, bakteriell oder allergisch bedingte, meist
von den Nasenhaupthöhlen oder vom Nasopharynx fortgeleitete oder stauungsbedingte Entzündung der Schleimhaut des Siebbeinlabyrinths (Ethmoiditis).
▶ Ursachen: Ähnlich wie bei Sinusitis maxillaris, z. B. Septumdeviation, Polyposis nasi.
▶ Erregerspektrum: Wie bei Sinusitis maxillaris (S. 260).
▶ Vorkommen:
• Akute Ethmoiditis überwiegend bei Kindern und Jugendlichen, chronische Siebbeinentzündung vorwiegend bei Erwachsenen. (Abb. 13.3).
• Isolierte Erkrankung insbesondere bei Kleinkindern mit fehlender Pneumatisation des Sinus maxillaris. Überwiegend jedoch in Kombination mit einer Kieferhöhlenentzündung oder – bei Beteiligung der übrigen Nebenhöhlen – im Rahmen
einer Pansinusitis.
▶ Symptomatik:
• Behinderte Nasenatmung mit Schnupfen und Hyposmie.
• Deutliches Krankheitsgefühl, reduzierter Allgemeinzustand, subfebrile oder erhöhte Temperatur.
Nase, Nasennebenhöhlen
▶ Operationsindikationen:
• Erfolglose konservative Therapie, chronische Sinusitis ohne/mit Asthma bronchiale oder „syndrome descendent“, jede Pilzinfektion, Kieferhöhlenpolypen, Polyposis nasi, Choanalpolyp.
• Orbitale und intrakranielle Komplikationen der Sinusitis (Notfall).
• Mukozele oder V. a. Neoplasie.
• Persistierende Alveolarkammfistel nach Zahnextraktion.
• Dentogene Sinusitis (Zahnsanierung!).
▶ Operative Prinzipien:
• Endonasale mikroskopisch/endoskopische Kieferhöhlenfensterung, Infundibulotomie oder Pansinusoperation (S. 547).
• Bei kompliziertem Verlauf, ostitischen Knochenveränderungen, nach Voroperation oder bei Neoplasieverdacht: Endonasale oder osteoplastische transfaziale Eröffnung der Kieferhöhle (S. 547) oder individuelles, dem Krankheitsprozess und
seiner Ausdehnung angepasstes Operationsverfahren.
• Bei Mukozele endonasale endoskopisch/mikroskopische Marsupialisation, im
Einzelfall transfaziale Radikaloperation der Kieferhöhle.
• Bei aufgetriebener mittlerer Muschel (Concha bullosa): Zusätzlich Muschelteilresektion, bei Septumdeviation zusätzlich Septumplastik (S. 541).
• Die als „Kieferhöhlenfensterung“ bekannte endonasale Eröffnung der Kieferhöhle
im unteren Nasengang ist zugunsten eines „physiologischen“ Fensters im mittleren Nasengang, meist in Verbindung mit einer Infundibulotomie (Eröffnung des
vorderen Siebbeins), weitgehend verlassen worden.
▶ Ambulant/stationär:
• Kieferhöhlenendoskopie mit Probeexzision, Muschelkaustik sowie endonasale
mikroskopisch/endoskopische Kieferhöhlenfensterung ambulant möglich.
• Darüber hinausgehende Eingriffe stationär, zum Teil ambulant möglich.
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13.2 Sinusitis ethmoidalis
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13.2 Sinusitis ethmoidalis
a
b
c
Abb. 13.3 • Axiales CT der Nasennebenhöhlen. Vorwiegend
linksseitige chronische Sinusitis
ethmoidalis (a) und sphenoidalis
(b). A. carotis interna (c).
Abb. 13.4 • Komplikation bei Sinusitis ethmoidalis: Oberlidphlegmone, begleitendes
Unterlidödem.
• Stirnkopfschmerzen, peri- oder retroorbitale Schmerzen, Schmerzen in der Gegend der Nasenwurzel. Schmerzverstärkung bei raschem Vornüberbeugen oder
Hüpfen auf einem Bein.
▶ Komplikationen: Überleitung und Durchbruch der Entzündung in Richtung Orbita
und/oder vordere/mittlere Schädelgrube. Klinischer Befund bei Komplikation:
• Subperiostalabszess: Paranasale Rötung und Schwellung, u. U. mit Fluktuation bei
bevorstehendem oder erfolgtem Durchbruch.
• Mitbeteiligung der Periorbita: Oberlidödem (Abb. 13.4) und/oder Orbitalphlegmone mit Chemosis.
• Orbitabeteiligung: Protrusion und Seitwärtsverlagerung des Bulbus mit schmerzhafter Augenbewegung bei Durchbruch der Eiterung in die Orbita (Abb. 13.5 a, b).
• Sepsis: Intermittierendes Fieber mit Schüttelfrost und Benommenheit.
• Meningitis, epidurales Empyem, Sinus-cavernosus-Thrombose: Nackensteife mit
Eintrübung des Sensoriums (vgl. S. 221).
Diagnostik
▶ Notwendig:
• Inspektion: Paranasale Schwellung, Oberlidödem, Protrusion und Deviation des
Bulbus oculi, Allgemeinzustand des Patienten?
• Palpation: Medialer Lidwinkel.
• Nachweis/Ausschluss einer Diplopie: Der Patient folgt bei fixiertem Kopf mit den
Augen dem vorgehaltenen Finger des Untersuchers in vertikaler, horizontaler
und schräger Richtung (bei Oberlidschwellung ggf. Lid anheben).
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Nase, Nasennebenhöhlen
13
Abb. 13.5 • a, b Orbitaabszess. a Sinugener Orbitaabszess links mit periorbitaler Phlegmone. b
Retrobulbäre Eiteransammlung in der Orbitahöhle (Pfeil); beachte die Deviatio bulbi nach rechts
(Doppelpfeil).
• Schmerzprovokation (rasches Vornüberbeugen des Kopfes).
• HNO-Status.
• Endoskopie: Nase, Nasopharynx (oft nur wenig verschwollene Schleimhäute und
Muscheln, meist Eiterstraße im mittleren und oberen Nasengang. Häufig Septumdeviation und/oder Polyposis nasi).
• CT (koronar und axial): Nasennebenhöhlen (bei chronischer oder rezidivierender
Sinusitis ethmoidalis, bei Komplikation, immer vor Operation).
▶ Im Einzelfall nützlich:
• Abstrich: Bei sichtbarem freiem Eiter.
• Riechprüfung: Immer vor Operation.
• Allergietest: Prick-Test, nasaler Provokationstest, ggf. RAST (bei chronischer Ethmoiditis und anamnestischer Begründung).
• Interdisziplinäres Konsil: Ggf. Neurologe (s. Differenzialdiagnose), Ophthalmologie
bei orbitaler Komplikation immer vor Nasennebenhöhlenoperation, auch aus forensischen Gründen.
Differenzialdiagnose
▶
▶
▶
▶
▶
▶
▶
▶
▶
▶
Sinusitis frontalis, Sinusitis maxillaris, Sinusitis sphenoidalis (S. 269, 260, 272).
Invertiertes Papillom.
Orbitatumor.
Mukozele (S. 267), Meningoenzephalozele (vgl. Abb. 13.7).
Neoplasma.
Dentoalveoläre Ursache.
Temporomandibuläre Ursache.
Akuter Glaukomanfall (s. S. 270).
Arteriitis temporalis (s. S. 271).
Clusterkopfschmerz:
• Häufigste vaskuläre (histamininduzierte) Form des Gesichtsschmerzes. Männer
im mittleren Lebensalter öfter als Frauen betroffen.
• Symptomatik: Heftigste einseitige Schmerzattacken von ½–2 h Dauer in Schläfenund Stirn- sowie Orbita- und Oberkieferregion, nicht selten zu etwa stets dersel-
Nase, Nasennebenhöhlen
⇓
b
a
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13.2 Sinusitis ethmoidalis
265
13.2 Sinusitis ethmoidalis
ben Tageszeit. Außerdem Zeichen der Gefäßerweiterung auf der schmerzenden
Gesichtsseite (Rötung), Unterlidödem, Tränenträufeln, wässrige Nasensekretion.
Rhinoskopisch oft Kontakt der mittleren Nasenmuschel mit dem Septum, dann
Verschwinden des Schmerzes nach Abschwellen und Anästhesie des mittleren
Nasengangs.
• Therapie: Im Anfall Sumatriptan (6 mg subkutan), 5-minütiges Einatmen von reinem Sauerstoff (8 l/min). Verringerung der Anfallshäufigkeit evtl. durch Verapamil (individuell hohe Dosierung). Beseitigung einer hohen Septumdeviation ggf.
mit Teilresektion der mittleren Muschel.
▶ Charlin-Syndrom: Neuritis des N. nasociliaris (z. B. bei Siebbeinentzündung) mit einseitiger Rhinitis, Schmerzen im gleichseitigen Stirn-, Nasen- und Augenbereich. Beschwerden klingen nach Schleimhautoberflächenanästhesie des mittleren Nasengangs ab.
▶ Sluder-Neuralgie: Gesichtsneuralgie bei Entzündung des Ganglion pterygopalatinum mit Niesreiz, Schmerzen am inneren Lidwinkel, Augapfel, Nasenwurzel, Oberkiefer, Gaumen. Hypästhesie im Mund-Rachen-Bereich. Selten gleichseitige Gaumensegellähmung.
Therapie
▶ Konservative Therapie:
Antibiotikum bei primär eitriger Entzündung mit starken Beschwerden
oder wenn trotz topischer abschwellender und systemischer antiphlogistischer
Maßnahmen innerhalb von 5 Tagen keine Besserung oder eine Zunahme der Beschwerden eintritt. Vgl. Sinusitis maxillaris (s. S. 262).
• Soforttherapie bei akuter eitriger Ethmoiditis:
– Abschwellen und Absaugen des mittleren Nasengangs nach Aussprühen mit
z. B. Privin und gezielte hohe Einlage eines mit z. B. Privin oder Otriven befeuchteten Wattebauschs in den mittleren Nasengang. Entfernen der Einlage und Absaugen unter Verwendung eines Saugglases (z. B. Muck-Saugglas).
– Im Übrigen wie bei akuter Sinusitis maxillaris (S. 262).
• Begleitend zur Operation: Aminopenicillin + Betalaktamase-Inhibitor, pseudomonaswirksame Penicilline, ggf. mit Betalaktamase-Inhibitor, Cephalosporine der
3. Generation mit Pseudomonas-Wirkung, evtl. Metronidazol/Clindamycin i. v.
▶ Operationsindikationen:
• Sofortindikation: Jeder V. a. Überleitung der Entzündung in die Orbita, intrakranieller Durchbruch, Durchbruch nach außen.
• Bei erfolgloser konservativer Therapie, bei chronischer Ethmoiditis ohne/mit
Asthma bronchiale oder „syndrome descendent“.
• Stauungsethmoiditis bei Polyposis nasi.
• Tumorverdacht.
• Clusterkopfschmerz bei Septum-Muschel-Kontakt, wenn probatorische Schleimhautanästhesie erfolgreich (s. o.).
▶ Operative Prinzipien:
• I. d. R. endonasale mikroskopisch/endoskopische Operation, z. B. Infundibulotomie, Ethmoidektomie oder Pansinusoperation (S. 547), ggf. in Verbindung mit
Septumplastik und Muschelreduktion.
• Bei drohender oder eingetretener Komplikation: Je nach Befund chirurgischer Zugangsweg auch von außen erforderlich, z. B. bei Zustand nach mehrfacher Voroperation, bei Durchbruch ins Endokranium, bei intraorbitalem Abszess (Ophthalmoplegie).
• Bei Tumorverdacht: Zunächst endonasale Biopsie, weiteres Vorgehen je nach Histologie und Ausdehnung der Geschwulst.
• Bei Clusterkopfschmerz: Hohe Septumkorrektur, Reduktion der mittleren Nasenmuschel und Infundibulotomie.
▶ Hinweis:
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Nase, Nasennebenhöhlen
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Prognose
▶ Bei gleichzeitiger Ursachenbeseitigung (Septumdeviation, Concha bullosa, Polyposis
nasi, Allergiebehandlung etc.) oft dauerhafte Ausheilung.
13.3 Mukozelen
Grundlagen
▶ Definition: Zystenbildung mit Sekretstau in einer Nasennebenhöhle ohne Drainagemöglichkeit infolge narbiger Obliteration des Ostiums (aufgehobene Luftzufuhr).
▶ Ursachen: Nach Entzündung, Trauma, Operation, „spontan“.
▶ Symptomatik:
• Kieferhöhlenmukozele: Langsam zunehmende, meist schmerzlose Wangenschwellung. Verdrängung des Augapfels (Bulbushochstand), Vorwölbung der medialen
Kieferhöhlenwand nach druckbedingter Osteolyse des Knochens (Nasenatmungsbehinderung). Rezidivierende Rötung der Wangenhaut und Schmerzen bei Superinfektion der Zele möglich. Erstes Anzeichen einer Kieferhöhlenmukozele ist oft
ein zunehmend schlechter Sitz der Oberkieferzahnprothese wegen Gingivaschwellung und Vorwölbung der fazialen Kieferhöhlenwand.
• Stirnhöhlenmukozele (Abb. 13.6 a, b): Langsam zunehmende, schmerzlose, prallelastische Vorwölbung des Stirnhöhlenbodens im medialen Augenwinkel, gelegentlich auch der Stirnhöhlenvorderwand. Allmähliche Verdrängung des Augapfels nach vorn unten oder nach lateral (Protrusio bulbi). Wegen der sehr langsamen Progredienz der Bulbusdeviation häufig zunächst keine Diplopie.
▶ Komplikationen: Rezidivierende Entzündung mit schmerzhafter, rascher Schwellungszunahme sowie Rötung der Stirnhaut (Empyem), des Auges oder der Wange,
dann Doppelbildsehen. Intrakranieller Durchbruch, Meningitis.
Diagnostik
▶ Notwendig:
• Differenzierte Anamnese: Unfall, Operation, rezidivierende Entzündungen.
Nase, Nasennebenhöhlen
▶ Ambulant/stationär:
• Infundibulotomie ambulant möglich.
• Darüber hinausgehende Siebbeineingriffe und Operation bei Clusterkopfschmerz
stationär.
▶ Hinweis: Intensive, oft langfristige endoskopische Nachbehandlung erforderlich.
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13.3 Mukozelen
a
b
Abb. 13.6 • a, b Mukozele der rechten Stirnhöhle. a Klinisches Bild: Tiefstand des rechten Auges.
b Intraoperativer Befund.
267
Abb. 13.7 • Koronares CT der Nasennebenhöhlen. Posttraumatische Meningoenzephalozele bei linksseitigem Rhinobasisdefekt
(Pfeil). Herniation von Hirngewebe durch das
Siebbeinlabyrinth in die linke Nasenhaupthöhle.
• Inspektion: Bulbusposition und -motilität, Lidschwellung, Hautrötung.
• Palpation: Prall-elastische, evtl. schmerzhafte Vorwölbung der Stirnhöhlenvorderwand oder des medialen Lidwinkels bei Stirnhöhlen-/Siebbeinmukozele.
Prall-elastische Vorwölbung der fazialen Kieferhöhlenwand, von intraoral oder
von außen tastbar bei Kieferhöhlenmukozele.
• HNO-Status.
• Nasenendoskopie: Vorwölbung der medialen Kieferhöhlenwand bei Mukozele des
Sinus maxillaris.
• CT (koronar und axial): Immer vor Operation.
▶ Im Einzelfall nützlich:
• Interdisziplinäres Konsil: Ophthalmologie, Neurologie (bei intrakranieller Komplikation), evtl. Zahnarzt.
Differenzialdiagnose
▶ Desmoosteoblastom (dünne, intakte Knochenschale mit Basis am Alveolarkamm),
odontogene Tumoren.
▶ Nasennebenhöhlenmalignome (S. 285).
▶ Posttraumatische Meningoenzephalozele (Stirnhöhle und/oder Siebbein), Abb. 13.7.
Therapie
▶ Konservative Therapie: Keine, ggf. perioperativ Antibiotikum bei Empyem.
▶ Operationsindikationen: Jeder V. a. Mukozele im Nasennebenhöhlenbereich.
▶ Operative Prinzipien:
• Bei Kieferhöhlen- und medial gelegenen Stirnhöhlen- sowie Siebbeinmukozelen
meist endonasale endoskopische/mikroskopische Marsupialisation (S. 547) möglich.
• Bei Kieferhöhlenmukozele gelegentlich transfaziale, bei lateral gelegenen Stirnhöhlenmukozelen oft osteoplastische Operation von außen erforderlich (S. 553).
• Bei Malignomverdacht endonasale Biopsie, weiteres Vorgehen entsprechend Histologie und Ausdehnung des Tumors.
▶ Ambulant/stationär:
• Endonasale endoskopisch/mikroskopische Kieferhöhlenoperation und Eröffnung
des Siebbeins bzw. der Stirnhöhle ambulant möglich.
• Darüber hinausgehende Eingriffe stationär.
Prognose
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▶ Rezidive möglich.
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13.3 Mukozelen
Nase, Nasennebenhöhlen
13
Grundlagen
▶ Definition: Isolierte oder im Zusammenhang mit einer gleichzeitigen Siebbeinentzündung oder Pansinusitis auftretende akute oder chronische Entzündung einer
oder beider Stirnhöhlen (Abb. 13.8).
▶ Erregerspektrum: Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Viren. Bei
chronischem Verlauf (z. B. Pansinusitis) Erregerspektrum wie bei Sinusitis maxillaris (S. 260).
▶ Ursachen: Chronische Belüftungsstörung der Stirnhöhle (hohe Septumdeviation,
Polyposis nasi, Stirnhöhlenosteom), rhinogene Infekte, Schwimmbadbesuch (Badesinusitis), allergische Diathese.
▶ Vorkommen: In jedem Lebensalter, bei kleinen Kindern wegen noch mangelhaft
ausgebildeter Pneumatisation sehr selten.
▶ Symptomatik:
• Akute Sinusitis frontalis: Innerhalb weniger Stunden auftretende starke, stechende, pulsierende Schmerzen über der betroffenen Stirnseite und um das Auge herum. Zunahme bei Vornüberbeugen des Kopfes. Schleimig-eitriger Schnupfen (je
nach Drainagemöglichkeit), Hyposmie, Konjunktivitis.
• Chronische Sinusitis frontalis: Eher uncharakteristische Symptomatik mit dumpfem Spannungs- oder chronischem Halbseitenstirnkopfschmerz. Hyp- oder Kakosmie sowie (einseitige) schleimig-eitrige Nasensekretion (je nach Drainagemöglichkeit). Bei Mukozele s. S. 267.
▶ Komplikationen (Abb. 13.9): Entzündlich-osteolytische Durchwanderung der Stirnhöhlenvorder- und -hinterwand, des Stirnhöhlenbodens (Orbitadach):
• Oberlidödem/-abszess, Orbitalphlegmone.
• Stirnbeinosteomyelitis.
• Meningitis.
• Epidurales Empyem, Hirnabszess.
• Sinus-sagittalis-Thrombose.
• Mukozele (S. 267).
Diagnostik
▶ Notwendig:
• Inspektion: Lichtscheu, einseitige Konjunktivitis, Ödem der Stirnweichteile oder
des Oberlides, entzündlicher Exophthalmus (ggf. Doppelbildsehen).
• Palpation: Austrittspunkt des N. supraorbitalis und mediales Orbitadach. Beklopfen der Stirnhöhlenvorderwand. Schmerzprovokation: Patient den Oberkörper
rasch nach vorn beugen oder auf einem Bein hüpfen lassen.
Abb. 13.8 • Okzipitofrontale
Röntgenaufnahme der Nasennebenhöhlen mit Eiterspiegel in beiden Stirnhöhlen
(Pfeile).
Nase, Nasennebenhöhlen
13.4 Sinusitis frontalis
13
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13.4 Sinusitis frontalis
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Abb. 13.9 • Mögliche Ausbreitungswege (Komplikationen) der Sinusitis frontalis.
1 = Oberlidabszess, 2 = Stirnbeinosteomyelitis,
3 = Subperiostalabszess (Orbitadach),
4 = intraorbitaler Abszess, 5 = Hirnabszess.
• HNO-Status.
• Endoskopie: Nase, Nasopharynx (Schleim- oder Eiterstraße im mittleren Nasengang). Bei isolierter Erkrankung Schleimhaut- und Muschelschwellung nicht sehr
ausgeprägt.
• Röntgen: Nasennebenhöhlen (Eiterspiegel, Schleimhautschwellung, Abb. 13.8),
besser:
• CT (koronar und axial): Immer bei V. a. Komplikation, immer vor Operation.
▶ Im Einzelfall nützlich:
• Abstrich: Bei vorhandenem freiem Eiter.
• Knochenszintigrafie mit Technetium/SPECT: Bei V. a. Stirnbeinosteomyelitis.
• Labor: Differenzialblutbild, CRP, BSR.
• Allergietest: Prick-Test, nasaler Provokationstest, evtl. RAST (bei chronischer Sinusitis frontalis und anamnestischer Begründung).
• Interdisziplinäres Konsil: Ggf. Ophthalmologie, Neurologie (Liquordiagnostik bei
meningitischen Zeichen).
Differenzialdiagnose
▶ Ethmoiditis.
▶ Stirnhöhlenmukozele (Abb. 13.6, S. 267).
▶ Osteom im Stirnhöhleninfundibulum (langsam zunehmende, dumpfe Spannungskopfschmerzen). Keine Beschwerden, solange Stirnhöhleninfundibulum offen
(Abb. 13.10 a–d).
▶ Trigeminusneuralgie.
▶ Akuter Glaukomanfall: Innerhalb weniger Stunden sich entwickelnde Verhärtung
des Bulbus mit heftigen Schmerzen; weite, entrundete Pupille mit verlangsamtem
oder fehlendem Lichtreflex, Chemosis. Starke konjunktivale Gefäßinjektion („hochrotes Auge“).
▶ Charlin-Syndrom, Clusterkopfschmerz, Sluder-Neuralgie (S. 265).
▶ Migräne: Meist halbseitige, anfallsartig auftretende pochende, im oder in der Gegend des Auges beginnende Schmerzen, begleitet von Übelkeit und Erbrechen.
Prodromal oder gleichzeitig vorhanden sein können Änderungen der Gemütsverfassung, Flimmerskotom und andere neurologische Funktionsstörungen wie
Schwindel, selten Hemiparesen. Gehäuft familiäres Auftreten. Abgrenzung gegen
Clusterkopfschmerz (S. 265) oft schwierig.
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13.4 Sinusitis frontalis
Nase, Nasennebenhöhlen
13
a
d
c
Abb. 13.10 • a–d Osteom. a Koronares CT, symptomloses Osteom an der linken Stirnhöhlenhinterwand nahe dem Septum interfrontale gestielt ansetzend. b Axiales CT. c Intraoperativer
Befund bei Osteomresektion von außen (Pfeil). d Operationspräparat Osteom.
▶ Arteriitis temporalis (Riesenzellarteriitis): Autoimmunerkrankung, gekennzeichnet
durch einseitige Kopf- und Gesichtsschmerzen, verstärkt durch Husten, Kopfbewegungen oder Kauen. Druckdolente A. temporalis. In 15 % Beteiligung der A. ophthalmica. Diagnosesicherung durch Biopsie der A. temporalis. Langfristige Steroidtherapie erforderlich.
Therapie
▶ Konservative Therapie:
• Soforttherapie bei akuter eitriger Sinusitis frontalis:
– Abschwellen und Absaugen des mittleren Nasengangs nach Aussprühen mit
z. B. Privin und gezielte hohe Einlage eines mit z. B. Privin oder Otriven befeuchteten Wattebauschs in den mittleren Nasengang. Entfernen der Einlage und
Absaugen unter Verwendung eines Saugglases (z. B. Muck-Saugglas).
– Im Übrigen wie bei akuter Sinusitis maxillaris (S. 262).
• Stirnbeinosteomyelitis: Bei knochenszintigrafisch nachgewiesener Osteomyelitis
Aminopenicillin plus Betalaktamase-Inhibitor, Isoxazolylpenicillin ± Cephalosporin der 2. Generation, Clindamycin. Bei Pseudomonas: Ciprofloxacin. Bei schwersten Formen Kombination mit Aminoglykosid oder Fluorchinolon (bei Pseudomonas: Cefepim, Levofloxacin). Therapiedauer: mind. 4 Wochen, Szintigrafie-Kontrolle!
▶ Operationsindikationen:
• Sofortindikation: Jeder V. a. eine Ausbreitung der Entzündung durch die Stirnhöhlenvorderwand (Subperiostalabszess), den Stirnhöhlenboden (Orbitaphlegmone,
Nase, Nasennebenhöhlen
b
13
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13.4 Sinusitis frontalis
271
13.5 Sinusitis sphenoidalis
Exophthalmus) oder die Stirnhöhlenhinterwand (Meningitis), Hirnabszess (vgl.
Abb. 13.9).
• Therapieresistente Sinusitis frontalis mit röntgenologisch persistierendem Eiterspiegel oder Totalverschattung.
• Konservativ nicht auszuheilende Stirnbeinosteomyelitis.
• Stirnhöhlenmukozele (S. 267).
• Stirnhöhlenosteom bei entsprechenden Beschwerden.
▶ Operative Prinzipien:
• Bei persistierendem Eiterspiegel und isolierter Erkrankung der Stirnhöhle endonasale endoskopisch/mikroskopische vordere Ethmoidektomie und Erweiterung
des Stirnhöhlenostiums (S. 547), evtl. Beck-Bohrung (Anlage eines Bohrloches in
der Stirnhöhlenvorderwand und Spülung des Sinus von außen über ein Drainageröhrchen, S. 552).
• Bei Miterkrankung weiterer Nasennebenhöhlen (Pansinusitis) i. d. R. endonasale
endoskopisch/mikroskopische NNH-Sanierung (S. 549).
• Bei Komplikation und Rezidivneigung ggf. operative (osteoplastische) Eröffnung
der Stirnhöhle von außen erforderlich, ggf. unter Einbeziehung der übrigen Nebenhöhlen. Ggf. Einlage eines Platzhalters (z. B. Silikonröhrchen).
• In jedem Fall Beseitigung der ursächlichen Belüftungs- oder Abflusshindernisse,
z. B. durch Septumplastik, Polypektomie und/oder Teilresektion der mittleren
Muschel.
• Bei Stirnhöhlenosteom überwiegend osteoplastische Operation von außen (vgl.
Abb. 13.10).
▶ Ambulant/stationär: Beck-Bohrung im Einzelfall ambulant möglich. Alle darüber hinausgehenden Stirnhöhleneingriffe stationär.
Hinweis
▶ Das Infundibulum der Stirnhöhle ist die „Problemzone“ der Nebenhöhlenchirurgie.
Daran haben auch die modernen endoskopischen/mikroskopischen Operationstechniken nicht allzu viel ändern können. Verschiedene, z. T. beschichtete Platzhalter sind in Erprobung.
Prognose
▶ Bei Elimination der Ursache befriedigend.
▶ Rezidive bei ausschließlich konservativer Therapie häufig.
▶ Spätkomplikationen nach Operation: Narbige Infundibulumstenose, Stirnhöhlenmukozele.
13.5 Sinusitis sphenoidalis
Grundlagen
▶ Synonym: Sphenoiditis.
▶ Definition: Akute oder chronische bakterielle, selten allergisch bedingte Entzündung einer oder beider Keilbeinhöhlen, namentlich bei postentzündlich engem
oder durch eine Siebbeinerkrankung (Polyposis) verlegtem natürlichem Ostium.
▶ Erregerspektrum: Wie Sinusitis maxillaris (S. 260).
▶ Vorkommen: Die Sinusitis sphenoidalis als eigenständige Erkrankung ist nicht selten, wird jedoch selten als solche erkannt. Überwiegend tritt sie allerdings in Kombination mit anderen entzündlichen Nebenhöhlenerkrankungen auf. Oft einseitig
(vgl. Abb. 13.3, S. 264).
▶ Symptomatik:
• Kaum Infektzeichen, gelegentlich subfebrile Temperaturen.
272
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Nase, Nasennebenhöhlen
13
Diagnostik
▶ Notwendig:
• Palpation: Klopfen mit dem Handballen auf die Schädelmitte löst Schmerzen in
der Tiefe des Kopfes aus.
• HNO-Status.
• Endoskopie: Nase, Nasopharynx, Eiterstraße aus dem Siebbeinbereich oder am
Rachendach. Ggf. hohe Septumdeviation, Siebbeinentzündung, Polypen. Oft nur
(einseitige) Muschelhyperplasie oder kein eindeutig pathologischer Befund.
• CT (koronar und axial): Im Zweifelsfall immer (im Röntgenbild keine sichere Diagnose möglich), immer vor Operation, insbesondere zur sicheren präoperativen
Identifikation der A. carotis interna und des N. opticus (Abb. 13.11 a, b).
▶ Im Einzelfall nützlich:
• Abstrich: Aus Nasopharynx (wenn freier Eiter vorhanden).
• Labor: Differenzialblutbild, CRP, BSG.
• Knochenszintigramm: Bei V. a. Osteomyelitis.
• Allergietest: Prick-Test, nasaler Provokationstest, evtl. RAST (bei chronischer
Sphenoiditis und anamnestischer Begründung).
• Interdisziplinäres Konsil: Bei Komplikation (z. B. Neurologie, Neurochirurgie).
a
Nase, Nasennebenhöhlen
• Dumpfe, druckartige, teilweise starke Schmerzen im Bereich beider Schläfen, im
Scheitelbereich, in der Schädelmitte oder ins Hinterhaupt projiziert. Schmerzprovokation durch Pressen, rasches Vornüberbeugen oder Hüpfen auf einem Bein.
Gelegentlich zusätzlich retrookuläre Schmerzausstrahlung.
• Chronische (eitrige) Schleimsekretion über den Nasopharynx in den Rachen. Typischer Patientenhinweis: „Mir läuft ständig zäher Schleim in den Hals, ohne dass
ich Schnupfen habe.“
▶ Komplikationen: Intrakranielle Fortleitung:
• Meningitis, Hirnabszess, Sinus-cavernosus-Thrombose.
• Osteomyelitis der Schädelbasis.
• Bei Kombination mit Ethmoiditis weitere Komplikationen (S. 263).
13
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13.5 Sinusitis sphenoidalis
b
Abb. 13.11 • a, b Axiales CT durch die Keilbeinhöhlenebene. a Beidseitige Darstellung der A.
carotis interna (Pfeile). b Besonderheit: Beide Nn. optici verlaufen frei durch die Keilbeinhöhle
(Pfeile). Hohes Operationsrisiko!
273
13.6 Orbitabodenfraktur (Blow-out-Fraktur)
Differenzialdiagnose
▶
▶
▶
▶
▶
▶
Keilbeinmukozele.
Chronische Entzündung im hinteren Siebbeinbereich, Pansinusitis.
Charlin-Syndrom (S. 266).
Augenschmerzen bei Fehlsichtigkeit, Glaukom (S. 270).
Hypophysentumor.
Keilbeinflügelmeningeom.
Therapie
▶ Konservative Therapie:
• Soforttherapie bei akuter eitriger Sinusitis sphenoidalis:
– Abschwellen und Absaugen des mittleren Nasengangs nach Aussprühen mit
z. B. Privin und gezielte hohe Einlage eines mit z. B. Privin oder Otriven befeuchteten Wattebauschs in den mittleren Nasengang und in den oberen Abschnitt
der Nasenhaupthöhle. Nach 10 min Einlage entfernen und unter Verwendung
eines Saugglases (z. B. Muck-Saugglas) absaugen.
– Im Übrigen wie bei akuter Sinusitis maxillaris (S. 262).
• Osteomyelitis der Schädelbasis: Antibiotische Therapie wie Otitis externa necroticans sive maligna (S. 123), evtl. hyperbare Sauerstofftherapie.
▶ Operationsindikationen:
• Erfolglose konservative Therapie.
• Persistierende Beschwerden, die nach Ausschluss anderer Ursachen auf eine isolierte Keilbeinhöhlenentzündung zurückzuführen sind.
• Knochenszintigrafisch erkennbare Aktivität im Keilbeinbereich (Osteomyelitis).
• Drohende oder eingetretene Komplikationen (s. S. 263).
▶ Operative Prinzipien:
• Endonasale endoskopisch/mikroskopische Erweiterung des Keilbeinhöhlenostiums, Entlastung des Empyems und Extraktion der verdickten Schleimhaut
(S. 547), ggf. nach Ausräumung des Siebbeins.
• Bei Sinusitis sphenoidalis im Zusammenhang mit Ethmoiditis oder Pansinusitis:
Endonasale/mikroskopische Sanierung der Nebenhöhlen.
▶ Ambulant/stationär: Keilbeinhöhleneingriffe immer stationär.
Hinweis
▶ Intensive, oft langfristige endoskopisch kontrollierte Nachbehandlung erforderlich
(vgl. S. 547).
Prognose
▶ Bei korrekter Indikationsstellung und gleichzeitiger Ursachenbeseitigung gut.
▶ Bei Osteomyelitis und Komplikationen u. U. langwieriger Krankheitsverlauf.
13.6 Orbitabodenfraktur (Blow-out-Fraktur)
Grundlagen
▶ Definition: Fraktur des Orbitabodens mit Absinken von Orbitainhalt in das Kieferhöhlenlumen infolge stumpfer Gewalteinwirkung in axialer Richtung gegen den
Bulbus oculi, gelegentlich mit Fraktur des Jochbeins oder des Infraorbitalrandes (Canalis n. infraorbitalis) kombiniert.
▶ Ursache: Rohheitsdelikte, Sport- und Verkehrsunfälle (Abb. 13.12 u. Abb. 13.13).
▶ Symptomatik: Klassische Symptomtrias (Abb. 13.14), jedoch häufig zu Beginn Fehlen jeglicher Symptomatik!
• Enophthalmus.
274
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Nase, Nasennebenhöhlen
13
Nase, Nasennebenhöhlen
13
Abb. 13.12 • Verlagerung der Bulbusachse infolge Einbruch des Orbitabodens („Explosionstrauma“ der Augenhöhle). Orbitale Fetthernie mit disloziertem Knochenstück hängt in die
Kieferhöhle.
Abb. 13.13 • Koronares CT der Nasennebenhöhlen: Orbitabodenfraktur rechts mit
Knochenfragmenten in den durchhängenden
Orbitaweichteilen (Pfeil).
• Doppelbildsehen: Gelegentlich erst spät auftretend, wenn orbitale Fetthernie infarziert ist und den Bulbus partiell narbig fixiert.
• Sensibilitätsstörungen N. V2, begleitet von Lidhämatom und Chemosis.
▶ Komplikation: Verletzung des M. rectus inferior. Bleibende Sensibilitätsstörung N.
V2.
Diagnostik
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13.6 Orbitabodenfraktur (Blow-out-Fraktur)
▶ Notwendig:
• Genaue Dokumentation des Unfallhergangs (forensische Gründe).
• Inspektion: Enophthalmus. Hinweis auf Jochbeinfraktur: Erschwerte und
schmerzhafte Mundöffnung.
• Palpation: Infraorbitalrand von medial nach lateral (Stufenbildung), Siebbeinregion (Knistern, Luftemphysem), Jochbein.
• Prüfung der Bulbusmotilität: Doppelbildsehen beim Blick nach oben. Passive Motilitätsprüfung nach Lokalanästhesie: Hemmung der Bulbusrotation nach kranial.
• Sensibilitätsprüfung: Versorgungsgebiet N. infraorbitalis im Seitenvergleich.
• HNO-Status.
275
a
b
Abb. 13.14 • a, b Blow-out-Fraktur mit Enophthalmus. a Klinisches Bild. Aufgehobene
Bulbusmotilität beim Blick nach oben, mit periokulärem Weichteilhämatom. b Koronares CT: In
die Kieferhöhle abgesunkener Orbitainhalt und ausgebrochenes Knochenfragment des Orbitabodens (Pfeil); Hämatosinus und Fraktur der medialen Sinuswand (Doppelpfeil).
• CT (koronar und axial): Nasennebenhöhlen (Weichteilhernie, typischerweise
trichterförmig in die Kieferhöhle hineinragend, Knochenfragmente, Hämatosinus), vgl. Abb. 13.13.
• Interdisziplinäres Konsil: Ophthalmologie.
Therapie und Prognose
▶ Konservative Therapie: Bei Fehlen von Symptomen sowie bei radiologisch erwiesenermaßen nicht dislozierter Fraktur ohne Hernie: Schnäuzverbot. Antiphlogistikum. Abschwellende Nasentropfen, z. B. Xylometazolin. Evtl. Antibiotikum, z. B.
Aminopenicillin.
▶ Operationsindikationen:
• Jede orbitale Hernie in die Kieferhöhle mit oder ohne Einschränkung der Bulbusbeweglichkeit.
• Doppelbildsehen, Sensibilitätsstörungen, ggf. Kieferklemme.
▶ Operative Prinzipien:
• Frakturrevision von außen, ggf. mit endonasaler Erweiterung des natürlichen
Kieferhöhlenostiums (S. 547).
• Bei ausgedehnter kleinfragmentiger, jedoch reponierbarer Zertrümmerung des
Orbitabodens transmaxilläre Weichteil- und Knochenreposition und Stabilisierung mittels Ballonkatheter.
• Dekompression des N. infraorbitalis (ggf. transmaxillärer Zugang).
▶ Ambulant/stationär: Operative Versorgung stationär.
▶ Prognose: Bei frühzeitiger Operation gut. Gelegentlich langfristig Diplopie, dann
Sehschultraining erforderlich. Bei zusätzlicher medialer Jochbeinfraktur mit Quetschung des N. infraorbitalis oft lang anhaltende Hyp-/Anästhesie der Gesichtshälfte
und/oder hartnäckige Neuralgie trotz Dekompression des Nervs.
276
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13.6 Orbitabodenfraktur (Blow-out-Fraktur)
Nase, Nasennebenhöhlen
13
Grundlagen
▶ Definition: Laterale Mittelgesichtsfrakturen nach direkter Gewalteinwirkung (Rohheitsdelikte, Sport- und Verkehrsunfälle).
▶ Frakturformen: Isolierte Jochbogen-Impressionsfrakturen. Kombinierte Jochbeinfrakturen (Frakturstellen: Processus maxillaris, temporalis und frontosphenoidalis).
▶ Symptomatik:
• Jochbogen-Impressionsfrakturen: Trichterförmige Einziehung der Weichteile über
dem Jochbogen (Abb. 13.15).
• Kombinierte Jochbeinfrakturen: Schmerzen beim Kauen, Behinderung der Mundöffnung, Pseudoenophthalmus, Doppelbildsehen, Sensibilitätsstörungen (N. V2).
Diagnostik
▶ Notwendig:
• Genaue Dokumentation des Unfallhergangs (forensische Gründe), ggf. Fremdanamnese.
• Inspektion: Trichterförmige Einziehung über dem Jochbogen, abgeflachte Wangenkontur, Pseudoenophthalmus, Unterlidhämatom.
• Palpation: Orales Einführen des Zeigefingers zum Tuber maxillare und bimanuelles Betasten des Jochbogens (Stufenbildung, Motilität). Abtasten des lateralen Orbitarandes und des Infraorbitalrandes.
• Prüfung der Bulbusmotilität: Subjektiv Doppelbildsehen beim Blick nach oben
(passive Motilitätsprüfung nach Lokalanästhesie: Hemmung der Bulbusrotation
nach kranial).
• Sensibilitätsprüfung: N. V2 im Seitenvergleich.
• HNO-Status.
• CT (koronar und axial): Hirn- und Gesichtsschädel (Abb. 13.15).
▶ Im Einzelfall nützlich:
• Fotodokumentation der äußeren Verletzungsfolgen (forensische Gründe).
• Interdisziplinäres Konsil: Ophthalmologie, ggf. MKG-Chirurgie.
Abb. 13.15 • Axiales CT Gesichtsschädel.
Impressionsfraktur des rechten Jochbogens
(Pfeil). Gleichzeitig besteht eine KieferhöhlenVorderwandfraktur (Doppelpfeil).
Nase, Nasennebenhöhlen
13.7 Jochbogen-/Jochbein-Frakturen
13
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13.7 Jochbogen-/Jochbein-Frakturen
277
13.8 Mittelgesichtsfrakturen
Therapie und Prognose
▶ Konservative Therapie: Bei nicht dislozierter Fraktur, präoperativ und begleitend
zur Operation: Antiphlogistikum; Kühlung.
▶ Operationsindikationen: Dislozierte Frakturen (Vermeidung von Spätfolgen).
▶ Operative Prinzipien:
• Isolierte Impressionsfraktur: Reposition von intraoral mit Redressment-Instrument oder Hautschnitt über Fraktur, Reposition mit einem gebogenen Haken und
Miniplattenosteosynthese oder Verdrahtung.
• Kombinierte Fraktur: Reposition und Plattenosteosynthesen an mind. 2 der 3
Frakturstellen über gezielte Hautschnitte von außen.
▶ Ambulant/stationär: Operative Versorgung stationär.
▶ Prognose: I. d. R. folgenlose Ausheilung.
13.8 Mittelgesichtsfrakturen
Grundlagen
▶ Definition: Zentrale Mittelgesichtsfrakturen, teilweise unter Beteiligung der Frontobasis (Le Fort II, III), nach direkter Gewalteinwirkung (Rohheitsdelikte, Sport- und
Verkehrsunfälle). Häufig kombiniert mit Schädel-Hirn-Traumen.
▶ Frakturformen, Einteilung (Abb. 13.16):
• Le Fort I: Horizontale Absprengung der Gaumenplatte und des Processus alveolaris. Frakturlinie zieht in die Apertura piriformis und durch den Boden der Kieferhöhle nach dorsal in das untere Drittel der Flügelfortsätze des Keilbeins. Gelegentlich zusätzlich Sagittalfraktur des Oberkiefers („S“ in Abb. 13.16).
• Le Fort II: Nasenpyramidenfraktur. Frakturlinie durch das Os nasale, Os lacrimale
und den Processus frontalis maxillae, durch die Fissura orbitalis inferior und den
Processus zygomaticus maxillae (Trennung des Jochbeins vom Oberkiefer), nach
dorsal durch den Processus pterygoideus.
• Le Fort III: Fraktur verläuft durch Os nasale, Orbita, Ethmoid, Processus frontalis
zygomaticus, Sutura temporozygomatica nach dorsal durch den Processus pterygoideus (vollständige Absprengung des gesamten Mittelgesichts). Oft kombiniert
mit frontobasalen Frakturen.
▶ Symptomatik: Meist polytraumatisierte Patienten mit Verletzungen im Gesichtsund Schädelbereich: Oft heftige Blutung aus Nase, Nasopharynx und Mund bzw. Ra-
278
Abb. 13.16 • Fraktureinteilung nach Le Fort
I–III.
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Nase, Nasennebenhöhlen
13
Diagnostik
▶ Notwendig:
• Genaue Dokumentation des Unfallhergangs, ggf. Fremdanamnese.
• Inspektion: Äußere Verletzungen, Schleimhautriss im Bereich des Oberkiefer-Alveolarkammes, Kieferklemme, Gesichtsasymmetrie, Brillenhämatom, Epistaxis,
Rhinoliquorrhö, Sensorium, Pupillenstatus.
• Palpation (stets bimanuell): Frakturstufen, Krepitation, federnde oder verschiebliche (mobile) Alveolarkamm- oder Oberkieferanteile (Schubladenphänomen).
• Funktionsprüfungen: Oft schwierig oder unmöglich, aus forensischen Gründen jedoch bedeutsam: Mund passiv öffnen und schließen (Okklusion, dissoziierter
Biss), Visuskontrolle (Kugelschreiber, Finger erkennen und benennen lassen),
grobe Hörprüfung (Stimmgabel, Hörweite), grobe Gleichgewichtsuntersuchung
(Frenzel-Brille), Sensibilitätsprüfung N. V und Funktionsprüfung N. VII, orientierender Riechtest (S. 44).
• HNO-Status.
• CT (koronar und axial): Hirn- und Gesichtsschädel.
• Interdisziplinäres Konsil: Ophthalmologie, Neurochirurgie, MKG-Chirurgie, Unfallchirurgie.
▶ Im Einzelfall nützlich:
• Genaue Fotodokumentation der äußerlich sichtbaren Verletzungsfolgen.
• MRT: Schädel (Kontusionsherd, Blutung).
• Bei Rhinoliquorrhö: Vgl. S. 283.
• Bei V. a. Rhinoliquorrhö: Immunologischer Nachweis von Beta-Trace-Protein
(Prostaglandin-D-Synthetase), bei Patienten mit Niereninsuffizienz oder bakterieller Meningitis Bestimmung des β2-Transferrins (sehr aufwendig, aber beste
Methode). Siehe auch S. 283!
Therapie
▶ Sofortmaßnahmen:
• Sicherstellung der Vitalfunktionen: Atmung, Hirndruck, Blutstillung, Kreislaufstabilisierung (vgl. auch ABCD-Regel, S. 241).
• Vorgehen: Bei Polytrauma entscheidet der Anästhesist über den Zeitpunkt für
weitere interdisziplinäre chirurgische Aktivitäten. Die Reihenfolge der operativen
Versorgung bei schweren Schädel-Hirn-Gesichts-Traumen ist: Neurochirurg –
HNO-Arzt und/oder Ophthalmologe – MKG-Chirurg.
▶ Konservative Therapie: Begleitend zur Operation:
• Hirnödemprophylaxe, z. B. Fortecortin (initial 40–100 mg i. v., anschließend 4–
8 mg i. v. in 2- bis 4-stündlichen Abständen).
• Antibiotische Abschirmung, z. B. Aminopenicillin + Betalaktamase-Inhibitor.
• Ggf. abschwellende Nasentropfen, z. B. Otriven, Privin.
• Tetanusprophylaxe.
• Mund- und Nasenhygiene, Schnäuzverbot.
▶ Operationsindikationen:
• Sofortindikation: Zunehmender Visusverlust (Blutung oder Fraktur im Foramen
opticum), progrediente orbitale Hämatome, intrakranielle Blutung etc.
• Frakturen der Rhinobasis mit persistierender Liquorrhö.
• Alle dislozierten, mobilen offenen oder geschlossenen Mittelgesichtsfrakturen.
• Durch Tamponade nicht stillbare Blutungen (S. 535).
▶ Operative Prinzipien: Je nach Dringlichkeit:
Nase, Nasennebenhöhlen
chen. Rhinoliquorrhö bei frontobasalen Frakturen. Kieferklemme. Brillenhämatom,
Doppelbilder. Anosmie.
▶ Komplikationen: Mitbeteiligung der Schädelbasis und/oder des Gehirns: Rhinoliquorrhö (S. 283). Läsion des N. opticus (Le Fort II/III). Abriss der Fila olfactoria
(Anosmie). Aneurysma der A. carotis interna.
13
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13.8 Mittelgesichtsfrakturen
279
13.9 Frontobasale Frakturen (Rhinobasis)
• Blutstillung durch Unterbindung der A. maxillaris, A. ethmoidalis anterior oder
posterior, A. carotis externa, u. U. Embolisation.
• Bei Orbitaspitzenfraktur mit Gefahr der Erblindung sofortige transethmoidale
Dekompression des N. opticus.
• Bei persistierender Liquorrhö Rhinobasisrevision mit Duraplastik.
• Frakturbehandlung: Reposition der mobilen Mittelgesichtsanteile und Stabilisierung (Plattenosteosynthese), ggf. in Zusammenarbeit mit dem MKG-Chirurgen.
Wiederherstellung der Okklusion.
▶ Ambulant/stationär: Alle operativen Eingriffe stationär.
▶ Hinweis: Da Mittelgesichtsfrakturen interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern,
sollten sie möglichst an dementsprechend ausgestatteten Zentren behandelt werden.
Prognose
▶
▶
▶
▶
Abhängig von der Ausdehnung begleitender Verletzungen.
Spätere Mukozelenbildung möglich.
Evtl. bleibende Sensibilitätsstörungen (N. V).
Trotz korrekter Erstversorgung gelegentlich spätere Korrekturoperationen (Nase)
erforderlich.
13.9 Frontobasale Frakturen (Rhinobasis)
Grundlagen
▶ Definition: Frakturen der Rhinobasis betreffen immer Teile des Nasennebenhöhlensystems (Stirnhöhlenhinterwand, Lamina cribrosa, Siebbeindach und Keilbeinhöhle) und/oder das Orbitadach. Häufig zusammen mit Mittelgesichtsfrakturen.
▶ Frakturformen, Einteilung (Abb. 13.17):
• Escher I: Ausgedehnte hohe frontobasale Fraktur mit Zertrümmerung des Stirnbeins (Abb. 13.18).
• Escher II: Lokalisierte mittlere frontobasale Fraktur.
• Escher III: Abscherung und Impression des Gesichtsschädels von bzw. in Richtung
der Rhinobasis (tiefe Fraktur).
• Escher IV: Lateroorbitale, frontobasale Fraktur mit Beteiligung des Orbitadaches.
▶ Ursachen: Verkehrs- und Arbeitsunfälle, Sportverletzungen, Schuss- und Pfählungverletzungen, Rohheitsdelikte.
▶ Symptomatik:
• Brillen- oder Monokelhämatom (Blutung an der Innenseite des Oberlides hinter
dem Tarsus), Emphysem der Lider (Siebbeinfraktur).
• Blutung aus Nase und Nasopharynx, Liquorabfluss aus der Nase (sicheres Zeichen
einer Rhinobasisfraktur). Riechstörungen (Abriss oder Zerrung der Fila olfactoria).
▶ Komplikationen:
• Protrusio bulbi mit Visusverlust infolge Kompression des Sehnervs und Überdehnung der A. ophthalmica durch Hämatom der Orbitaspitze.
• Karotisblutung bei Keilbeinhöhlenfraktur.
• Rhinoliquorrhö (S. 283), Pneumatozephalus und Pneumatozele (Abb. 13.19).
• Anosmie.
• Meningitis. Hirnabszess.
• Meningoenzephalozele (vgl. Abb. 13.7 S. 268).
Diagnostik
▶ Notwendig:
• Genaue Dokumentation des Unfallhergangs (forensische Gründe), ggf. Fremdanamnese.
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Nase, Nasennebenhöhlen
13
Nase, Nasennebenhöhlen
13
Abb. 13.17 • Einteilung frontobasaler Frakturen nach Escher.
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13.9 Frontobasale Frakturen (Rhinobasis)
Abb. 13.18 • Axiales CT des Schädels. Stirnhöhlenimpressionsfraktur (Escher I).
• Inspektion: Monokel- oder Brillenhämatom, Gesichtsasymmetrie (Nase), Nasenbluten, Rhinoliquorrhö, Sensorium.
• Palpation (bimanuell): Frakturstufen (Nasenwurzel, Stirnhöhlenvorderwand, Orbitadach), Luftemphysem.
• Funktionsprüfungen: Durchführung oft schwierig bis unmöglich, aus forensischen
Gründen jedoch bedeutsam: Visuskontrolle (Finger des Untersuchers oder ande281
Abb. 13.19 • Seitliche Röntgenaufnahme
des Schädels. Posttraumatischer Pneumozephalus (Pfeil).
ren Gegenstand vom Patienten in unterschiedlicher Entfernung fixieren und benennen lassen), grobe Hörprüfung (Stimmgabel, Hörweite), orientierende Gleichgewichtsprüfung (Frenzel-Brille), Funktion der Nn. V, VII, orientierender Riechtest (S. 44).
• HNO-Status: Blutung, Rhinoliquorrhö (gelegentlich nur an Rachenhinterwand
sichtbar).
• CT (koronar und axial): Hirn- und Gesichtsschädel (Frakturverlauf, intrakranielle
Luftansammlung = sicheres Zeichen eines Duraeinrisses, subdurale, subarachnoidale Blutung und/oder intraventrikuläre Pneumatozele beachten!).
• Liquornachweis: Verdächtig sind charakteristische Flecken auf dem Kopfkissen
und ein positiver Glucostix-Test. Beweisend: Immunologischer Nachweis von Beta-Trace-Protein (Prostaglandin-D-Synthetase), bei Patienten mit Niereninsuffizienz oder bakterieller Meningitis Bestimmung des β2-Transferrins (sehr aufwendig, aber beste Methode). Einzelheiten s. S. 283.
• Riech- und Schmeckprüfung (S. 44, 53): Obligatorisch wiederholt nach jedem
Schädeltrauma, auch wenn orientierende Riechprüfung zunächst normal ausfällt.
• Interdisziplinäres Konsil: Ophthalmologie, Neurologie.
▶ Im Einzelfall nützlich:
• Genaue Fotodokumentation der äußerlich sichtbaren Verletzungsfolgen (forensische Gründe).
• MRT: Schädel (Kontusionsherd, Blutung).
Therapie
▶ Sofortmaßnahmen:
• Sicherstellung der Vitalfunktionen: Atmung, Hirndruck, Blutstillung, Kreislaufstabilisierung (vgl. auch ABCD-Regel, S. 241).
• Ggf. Planung des weiteren Vorgehens zusammen mit Anästhesisten, Neurochirurgen und Ophthalmologen.
▶ Konservative Therapie: Begleitend zur Operation:
• Antibiotische Abschirmung mit liquorgängigem Antibiotikum, z. B. Cephalosporine der 3. Generation, Sulfonamide, Co-trimoxazol.
• Hirnödemprophylaxe, z. B. Fortecortin (initial 40–100 mg i. v., anschließend 4–
8 mg i. v. in 2- bis 4-stündlichen Abständen).
• Ggf. abschwellende Nasentropfen, z. B. Xylometazolin.
• Tetanusprophylaxe.
• Mund- und Nasenhygiene, Schnäuzverbot.
▶ Hinweis: Alleinige konservative Therapie bei Fraktur der Rhinobasis nur, wenn:
■
• Keine Liquorrhö.
• Röntgenologisch nachgewiesene nicht klaffende Fraktur (Fissur).
• Keine Begleitverletzungen (Nase, Orbita, Dura).
282
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13.9 Frontobasale Frakturen (Rhinobasis)
Nase, Nasennebenhöhlen
13
• 4 Wochen nach dem Trauma CT-Nachweis eines unauffälligen, belüfteten NNHSystems!
▶ Operationsindikationen:
• I. d. R. jede Rhinobasisfraktur, insbesondere mit Durazerreißung (Stirnhöhlenhinterwand, Siebbeindach, Abb. 13.20), Liquorfluss oder Pneumatozele.
• Offene Hirnverletzung, Meningitis.
• Trümmerfrakturen im Bereich der Nasennebenhöhlen und der Orbita.
• Ödem oder Blutung in der Orbitaspitze mit Gefahr der Erblindung (Sofortindikation).
• Impressionsfrakturen im Stirnhöhlenbereich.
▶ Operative Prinzipien:
• Osteoplastische Stirnhöhlentrepanation (Exploration der Stirnhöhle bei isolierten
Hinterwandbrüchen).
• Rekonstruktion des Nasengerüsts (S. 538), der Stirnhöhlenvorderwand.
• Transethmoidale Orbitaspitzendekompression, bevorzugt endonasal endoskopisch/mikroskopisch.
• Bei akuter Blutung mit Protrusio bulbi als sofortige Notfallmaßnahme: Laterale
Kanthotomie.
• Extrakraniell-extradurale oder intrakraniell-extradurale Revision der Rhinobasis
mit Aufsuchen der Fraktur und des Hirnhautdefekts, Versorgung mit z. B. TachoComb und zusätzlichem Galeaperiostlappen sowie Drainage der entsprechenden
Nebenhöhle zur Nase.
▶ Ambulant/stationär: Alle operativen Eingriffe stationär.
Prognose
▶ Im Wesentlichen abhängig von den Begleitverletzungen.
13.10 Rhinoliquorrhö
Grundlagen
Nase, Nasennebenhöhlen
Abb. 13.20 • Beidseitige Rhinobasisfraktur
mit disloziertem Einbruch des Siebbeindaches – Lamina cribrosa rechts (Pfeil), ebenso
Fraktur links (Doppelpfeil). Klinisch Rhinoliquorrhö, bleibende Anosmie.
13
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13.10 Rhinoliquorrhö
▶ Definition: Abfluss von Liquor cerebrospinalis über eine offene Verbindung zwischen Subarachnoidalraum und Nasenneben- oder Nasenhaupthöhle (z. B. Siebbeindach, vordere Schädelbasis, Lamina cribrosa).
▶ Häufigste Ursachen:
• Traumatisch: Fraktur im Bereich der Rhinobasis (Siebbeindach, Keilbeinhöhlendach/-wand, Lamina cribrosa, Abb. 13.20).
• Iatrogen: Nach endonasaler Siebbeinoperation.
• Spontan: z. B. Involution der Hypophyse.
• Tumor.
283
13.10 Rhinoliquorrhö
▶ Symptomatik: Meist einseitige, wässrige Rhinitis; gelegentlich schwallartiger, klarer
Flüssigkeitsaustritt aus einer Nasenseite beim Vornüberbeugen, bei Bauchpresse.
Rezidivierende Kopfschmerzen.
▶ Komplikationen: Rezidivierende Meningitiden, Meningoenzephalitis.
Diagnostik
▶ Notwendig:
• HNO-Status.
• Ohrmikroskopie (Erguss?).
• Endoskopie: Nase, Nasopharynx.
• Provokation der Rhinoliquorrhö: Queckenstedt-Versuch, Bauchpresse, Oberkörpertieflage.
▶ Liquornachweis:
• Orientierend:
– Charakteristischer Fleck auf dem Kopfkissen: Zentral leicht rötlich, gegen die
Peripherie hin gelblich bis wasserklar.
– Bestimmung des Glukosegehalts mit z. B. Glucostix: Glukosegehalt des Liquors
normalerweise halb so hoch wie im Blut und doppelt so hoch wie im Nasensekret.
• Qualitativ:
– Sammeln des wässrigen Sekrets und laborchemische Bestimmung des Glukosegehalts (50 % des Blutzuckers) und des Proteingehalts (max. 2 g/l).
– Bestimmung des β2-Transferrins, sehr aufwendig, aber beste Methode bei Patienten mit Niereninsuffizienz oder bakterieller Meningitis.
– Immunologischer Nachweis von Beta-Trace-Protein (Prostaglandin-D-Synthetase), derzeit im Hinblick auf die Kosten-Nutzen-Relation gebräuchlichstes Verfahren!
• Technisches Spektrum zur Topodiagnostik:
– Natives Dünnschicht-CT der Schädelbasis.
– Dünnschicht-CT der Schädelbasis nach intrathekaler Applikation eines nicht ionischen Kontrastmittels.
– Intrathekale Applikation eines Radiopharmakons (z. B. 111Indium-DTPA) und
Szintigrafie.
– MRT-Zisternografie (kein Kontrastmittel erforderlich).
– Intrathekale Applikation (Lumbalpunktion) von Fluoreszein und UV-Licht-Endoskopie der Nase zur Seitenlokalisation und/oder Identifizierung der Liquorquelle, derzeit gebräuchlichstes Verfahren!
▶ Im Einzelfall nützlich:
• Interdisziplinäres Konsil: Entsprechend etwaiger Begleitverletzungen, z. B. Neurochirurg, Ophthalmologe, MKG-Chirurg.
Differenzialdiagnose
▶ Seröser Erguss einer Kieferhöhle, Zyste einer Kieferhöhle (Auslaufen beim Vornüberbeugen des Kopfes).
▶ Allergische Rhinitis (233).
Therapie
▶ Konservative Therapie: Begleitend zur Operation:
• Abschwellende Nasensprays, z. B. Xylometazolin-Spray.
• Antibiotische Abdeckung mit z. B. Aminopenicillin + Betalaktamase-Inhibitor, Sulfonamiden.
▶ Operationsindikation: Jede spontane und jede persistierende, traumatische oder
iatrogene Rhinoliquorrhö.
▶ Operationszeitpunkt: Baldmöglichst nach Diagnosestellung (Gefahr der Meningitis).
284
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Nase, Nasennebenhöhlen
13
Prognose
▶ Gut, gelegentlich Rezidive, dann Nachoperation notwendig.
13.11 Maligne Tumoren von Nase und
Nasennebenhöhlen
Grundlagen
▶ Häufigkeit, Epidemiologie: Knapp 1 % aller bösartigen Tumoren bzw. 3–5 % aller Malignome im HNO-Bereich entstehen im Naseninneren oder in den Nasennebenhöhlen. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen.
▶ Vorkommen: Karzinome bevorzugt im 6. und 7. Lebensjahrzehnt, Sarkome häufig
bei jüngeren Patienten, dentogene Kiefermalignome auch bei Kindern und Jugendlichen.
▶ Ätiologie:
• Allgemeine exogene Noxen:
– Tabakrauch, Schnupftabak, Alkohol.
– Alimentär (z. B. Nitrosamine über Nahrungsaufnahme von Nitriten und Nitraten).
– Evtl. chronische Entzündungen im Sinne eines „promoting factor“.
• Gewerbliche Noxen (Berufskrebs):
– Stäube (z. B. Hartholz, Textilien, Lederindustrie).
– Dämpfe und Gase (z. B. Schweiß- und Lötarbeiten, Farben, Lacke, Lösungsmittel, organische Dämpfe, Schneidöle, Dieselabgase).
– Radioisotope.
– Organische und anorganische Reagenzien (z. B. Nickel, Chromate, Arsen, Pestizide, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Dioxine, Petrochemie).
• Endogene Faktoren: Genetische und insbesondere ethnische (höchste Inzidenz in
Japan) Prädisposition. Lebensalter.
▶ Histologie:
• Karzinome (90 %): Plattenepithelkarzinom 60 %, anaplastisches Karzinom 10 %,
Transitionalzellkarzinom 7 %, Adenokarzinom 8–14 %. Adenoidzystisches Karzinom 5 %.
• Adenokarzinom vom intestinalen Typ gilt als Berufskrankheit (BK-Nr.: 4203) in
holzverarbeitenden Berufen (Hartholz: Eiche und Buche). Besonders Möbel- und
Kunsttischler betroffen (Risiko 140-mal höher als bei nicht holzverarbeitenden
Berufen).
• Maligne Lymphome, malignes Melanom und Ästhesioneuroblastom (jeweils 4 %).
Nase, Nasennebenhöhlen
▶ Operative Prinzipien:
• Darstellung der Rhinobasis (Stirnhöhlenhinterwand, Siebbeindach, Keilbeinhöhle, Lamina cribrosa) endonasal mikroskopisch/endoskopisch oder von außen je
nach Größe und Lokalisation des Defekts.
• Defektdeckung, z. B. durch Einschwenken eines gestielten Galeaperiostlappens,
mit TachoComb oder Septum- bzw. Muschelschleimhaut. Verklebung mit Fibrinkleber, Abdecken mit Gelatineschwammstückchen und mehrtägiges Antamponieren.
• Ggf. intrakranielle Versorgung durch Neurochirurgen bei gleichzeitigem epiduralen Hämatom, bei starker Zertrümmerung der Rhinobasis, bei Liquorrhörezidiv
(en) nach vorgängiger extrabasaler Operation, evtl. bei Keilbeinhöhlenfraktur.
Nachteil des neurochirurgischen Zugangsweges: Häufig postoperative Anosmie.
▶ Ambulant/stationär:
• Diagnostik ambulant oder stationär.
• Jede Operation wegen Rhinoliquorrhö stationär.
13
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13.11 Maligne Tumoren von Nase und Nasennebenhöhlen
285
13.11 Maligne Tumoren von Nase und Nasennebenhöhlen
a
b
Abb. 13.21 • a, b Plattenepithelkarzinom der linken Stirnhöhle. a Klinisches Bild bei Durchbruch
des Tumors durch die Stirnhöhlenvorderwand. b Im axialen CT erkennt man zusätzlich den
Tumordurchbruch ins Endokranium.
Abb. 13.22 • Koronares CT: Destruierend
wachsendes Plattenepithelkarzinom der linken Kieferhöhle mit Einbruch in die Orbita
(Pfeil) und in die Wangenweichteile (*).
• Solitäres Plasmozytom (2 %).
• Metastasen, Sarkome und maligne odontogene Geschwülste.
▶ Lokalisation: Ursprung bevorzugt Siebbeinregion und Kieferhöhle, seltener in Keilbein- oder Stirnhöhle (Abb. 13.21 a, b). Adenokarzinome (mittlere Muschel, Siebbein) gehäuft bei Holzarbeitern (s. o.).
▶ Symptomatik: Die Geschwülste wachsen lange Zeit ohne auffällige Symptomatik! In
fortgeschrittenen Stadien:
• Einseitig behinderte Nasenatmung, eitrig-fötide Rhinorrhö, rezidivierendes Nasenbluten, Hyposmie, Anosmie.
• Sichtbare Auftreibung des Oberkiefers oder der paranasalen Region, Rötung der
bedeckenden Haut.
• Motilitätsstörung und Protrusio bulbi bei Destruktion des Orbitatrichters (Doppelbildsehen, Abb. 13.22).
• Schmerzen/Druckgefühl bei Entzündung wegen Abflussstauung, Infiltration der
umgebenden Weichteile oder Befall der Dura.
• Bei Nerveninfiltration (Fossa pterygopalatina, Schädelbasis) Neuralgien, Parästhesien, Sensibilitätsstörungen.
• Kieferklemme (Infiltration der Fossa pterygopalatina).
Diagnostik
▶ Notwendig:
• Differenzierte Anamnese, auch Familienanamnese (Disposition), Berufsanamnese
(Exposition).
• Inspektion: Gesichtsasymmetrie, Weichteilschwellung, Hautrötung, Tränenträufeln, ggf. Foetor.
286
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Nase, Nasennebenhöhlen
13
Differenzialdiagnose
▶
▶
▶
▶
▶
▶
Mukozele (S. 267).
Invertiertes Papillom (Siebbein, laterale Nasenwand).
Hämangioperizytom (Siebbein, Stirnhöhle).
Meningiom (Keilbeinhöhle).
Enzephalozele (Siebbein), s. Abb. 13.7.
Nasopharynx-Neoplasma (S. 294).
Therapie
▶ Konservative Therapie:
• Maligne Lymphome: Chemo- und/oder Strahlentherapie (vgl. S. 447).
• Karzinome:
– Prä- oder postoperative Bestrahlung mit 60–70 Gy.
– Bei Inoperabilität oder Operationsverweigerung: Radiotherapie mit 50–70 Gy,
evtl. Radiochemotherapie, evtl. Anti-EGFR (Cetuximab) als Adjuvans.
▶ Operationsindikationen:
• Jedes im Hinblick auf Allgemeinzustand und Tumorausdehnung operable epitheliale oder mesenchymale Neoplasma der Nasennebenhöhlen, wenn der resultierende Resektionsdefekt eine für den Betroffenen akzeptable funktionelle und ästhetische Rekonstruktion bzw. epithetische und prothetische Versorgung erlaubt
und sich ohne oder mit zusätzlicher Radio- bzw. Chemotherapie eine sinnvolle
Lebensverlängerung oder Verbesserung der Lebensqualität erreichen lässt.
• Limitierende Faktoren sind u. a. Fernmetastasen, Einwachsen des Tumors in das
Endokranium oder diffuse Ausbreitung in den retromaxillären Raum.
▶ Operative Prinzipien:
• Ab T2: Oberkieferteil- bzw. -totalresektion (Abb. 13.23 a–c) mit oder ohne Exenteratio orbitae. Bei zusätzlicher Resektion von Teilen der Schädelbasis interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Neurochirurgen.
• Neck Dissection bei Halslymphknotenmetastasen.
Nase, Nasennebenhöhlen
• Palpation: Gesichts- und Stirnweichteile bzw. der unterliegenden knöchernen
Strukturen, Vestibulum oris (faziale Kieferhöhlenwand), Hartgaumen, Alveolarkamm (Zahnlockerung). Regionale Lymphknoten (Parotis, horizontaler Unterkieferast, Hals, ggf. auch nuchal).
• Funktionsprüfung: Kaudale Hirnnerven, insbesondere Nn. oculomotorius, trigeminus.
• HNO-Status: Auf Kieferklemme, Deviation des Unterkiefers, Zahnstatus achten.
• Endoskopie: Nase, Nasopharynx (Blutspuren, Eiter, „Polypen“, Muschelauftreibung).
• Riechprüfung.
• Sonografie: Parotis, Halsweichteile (regionale Metastasen).
• Röntgen: Thorax (Ausschluss Fernmetastasen).
• CT (koronar und axial): Nasennebenhöhlen (Orbitaeinbruch, Schädelbasisdestruktion).
• Biopsie: Endonasal oder transmaxillär bei jeder suspekten Läsion der Schleimhaut oder bei geringstem Verdacht (je zur Hälfte in Formalin fixiert und als Nativpräparat zur Pathologie geben).
• Interdisziplinäres Konsil: Innere Medizin (z. B. Sonografie Abdomen, CT Thorax,
Staging bei Lymphom), Ophthalmologie, ggf. MKG-Chirurgie, evtl. Neurochirurgie.
▶ Im Einzelfall nützlich:
• CT/MRT: Hals (regionale Metastasen).
• PET-CT.
• Panendoskopie: Ausschluss eines synchronen Zweitkarzinoms (sehr selten).
13
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13.11 Maligne Tumoren von Nase und Nasennebenhöhlen
287
Abb. 13.23 • a–c Oberkieferteilresektion bzw. -totalresektion. a Oberkieferteilresektion. b
Totalresektion. c Totalresektion mit Ausräumung der Orbita.
• Defektrekonstruktion durch Gewebetransfer ohne/mit Knochen, gefäßgestieltes
oder freies gefäßanastomosiertes Transplantat.
• Prothetische und/oder epithetische Defektversorgung.
▶ Ambulant/stationär:
• Biopsie ambulant möglich. Cave: Oft starke Blutung.
• Alle operativen Eingriffe stationär.
Prognose
▶ Je nach Histologie und Lokalisation des Tumors (je näher an der Schädelbasis, desto
ungünstiger die Prognose).
▶ Mittlere 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit 30 % für Plattenepithelkarzinom,
für Weichteil- oder Knochensarkom niedriger.
▶ Bei Plasmozytom 70 % Heilungsrate nach chirurgischer und nachfolgender Radiotherapie.
13.12 TNM-Klassifikation Kieferhöhle, Siebbeinzellen
Tab. 13.1 • TNM-Klassifikation für Tumoren der Kieferhöhle.
T – Tumor
288
TX
nicht beurteilbar
T0
kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
T1
Tumor auf die antrale Schleimhaut begrenzt ohne Arrosion oder Destruktion des
Knochens
T2
Tumor mit Arrosion oder Destruktion des Knochens (ausgenommen die posteriore
Wand) einschließlich Ausdehnung auf harten Gaumen und/oder mittleren Nasengang
T3
Tumor infiltriert eine der folgenden Strukturen: Knochen der dorsalen Wand der
Kieferhöhle, Subkutangewebe, Boden oder mediale Wand der Orbita, Fossa
pterygopalatina, Sinus ethmoidalis
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13.12 TNM-Klassifikation Kieferhöhle, Siebbeinzellen
Nase, Nasennebenhöhlen
13
T4
a
Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Inhalt der vorderen
Orbita, Wangenhaut, Processus pterygoideus, Fossa infratemporalis, Lamina cribrosa,
Keilbeinhöhle, Stirnhöhle
b
Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Orbitaspitze, Dura,
Gehirn, mittlere Schädelgrube, Hirnnerven ausgenommen den maxillären Ast des N.
trigeminus (V2), Nasopharynx, Clivus
N – regionäre Lymphknoten (hier Halslymphknoten, LK = Lymphknoten)
NX
nicht beurteilbar
N0
keine LK-Metastasen
Metastase(n) ≤ 3 cm in solitärem ipsilateralem LK
N1
N2
a
Metastase > 3 cm und ≤ 6 cm in solitärem ipsilateralem LK
b
Metastasen ≤ 6 cm in multiplen ipsilateralen LK
c
Metastasen ≤ 6 cm in bilateralen oder kontralateralen LK
N3
Metastase(n) > 6 cm in LK
• in der Mittellinie gelegene LK gelten als ipsilateral
• bei selektiver Neck Dissection: Histologische Untersuchung i. d. R. von ≥ 6 LK
• bei radikaler oder modifiziert-radikaler Neck Dissection: Histologische Untersuchung i. d. R. von
≥ 10 LK
M – Metastasen
MX
nicht beurteilbar
M0
keine
M1
Fernmetastasen
Tab. 13.2 • TNM-Klassifikation für Tumoren der Nasenhaupthöhle und der Siebbeinzellen.
T – Tumor
TX
nicht beurteilbar
T0
kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
T1
Tumor auf einen Unterbezirk der Nasenhaupthöhle oder Siebbeinzellen beschränkt,
mit oder ohne Arrosion des Knochens
T2
Tumor in 2 Unterbezirken eines Bezirks oder Ausbreitung auf einen Nachbarbezirk
innerhalb des Nasen-Siebbeinzellen-Areals, mit oder ohne Arrosion des Knochens
T3
Tumor breitet sich in die mediale Orbita oder den Orbitaboden oder in Kieferhöhle,
harten Gaumen oder Lamina cribrosa aus
T4
a
Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Inhalt der vorderen
Orbita, Haut von Nase oder Wange, minimale Ausbreitung in vordere Schädelgrube,
Processus pterygoideus, Keilbeinhöhle oder Stirnhöhle
b
Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Orbitaspitze, Dura,
Gehirn, mittlere Schädelgrube, Hirnnerven ausgenommen den maxillären Ast des N.
trigeminus (V2), Nasopharynx, Clivus
Nase, Nasennebenhöhlen
Tab. 13.1 • Fortsetzung
13
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13.12 TNM-Klassifikation Kieferhöhle, Siebbeinzellen
289
13.13 Trigeminusneuralgie
Tab. 13.2 • Fortsetzung
N – regionäre Lymphknoten (hier Halslymphknoten, LK = Lymphknoten)
NX
nicht beurteilbar
N0
keine LK-Metastasen
Metastase(n) ≤ 3 cm in solitärem ipsilateralem LK
N1
N2
a
Metastase > 3 cm und ≤6 cm in solitärem ipsilateralem LK
b
Metastasen ≤6 cm in multiplen ipsilateralen LK
c
Metastasen ≤6 cm in bilateralen oder kontralateralen LK
N3
Metastase(n) > 6 cm in LK
• in der Mittellinie gelegene LK gelten als ipsilateral
• bei selektiver Neck Dissection: Histologische Untersuchung i. d. R. von ≥ 6 LK
• bei radikaler oder modifiziert-radikaler Neck Dissection: Histologische Untersuchung i. d. R. von
≥ 10 LK
M – Metastasen
MX
nicht beurteilbar
M0
keine
M1
Fernmetastasen
Tab. 13.3 • Stadiengruppierung für Tumore der Nasenhaupthöhle und Nasennebenhöhlen.
Stadium 0
Tis
N0
M0
Stadium I
T1
N0
M0
Stadium II
T2
N0
M0
Stadium III
T 1, T 2
N1
M0
T3
N0, N1
M0
T 1, T 2, T 3
N2
M0
T 4a
N0, N1, N2
M0
Stadium IV A
Stadium IV B
Stadium IV C
T 4b
jedes N
M0
jedes T
N3
M0
jedes T
jedes N
M1
13.13 Trigeminusneuralgie
Grundlagen
290
▶ Definition: Siehe bei Symptomatik.
▶ Ursachen: Meist idiopathisch, oft jedoch unbekannt:
• Gesichtsschädelfrakturen, NNH-Operationen oder -Entzündungen, nach Herpeszoster-Infektion, NNH-Malignome, dentogen.
• Druck eines von der A. basilaris abgehenden Gefäßes, meist der A. cerebelli anterior superior auf den Nervenstamm.
• Internistische (z. B. Diabetes mellitus) und neurologische (z. B. Hirntumor, Multiple Sklerose) Erkrankungen.
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Nase, Nasennebenhöhlen
13
Diagnostik
▶ Notwendig:
• Differenzierte Anamnese: Trauma, Operation, Virusinfektion.
• Palpation: Trigeminusaustrittspunkte, Sensibilität. Suche nach Triggerzonen (z. B.
Zahn, Oberkante des horizontalen Unterkieferastes, Kiefergelenkregion).
• HNO-Status.
• Endoskopie: Nase, Nasopharynx.
• CT (koronar und axial): Nasennebenhöhlen (immer vor OP), Foramen infraorbitale.
• Interdisziplinäres Konsil: Innere Medizin, Neurologie, Zahnarzt.
▶ Im Einzelfall nützlich:
• Serologie: Virustiter (Herpes zoster).
• (Angio-)MRT/digitale Subtraktionsangiografie: Hirnstamm- und Ponsregion.
Differenzialdiagnose
▶ Tumoren des Naseninneren und der Nasennebenhöhlen, des retromaxillären Raumes (z. B. Trigeminusneurinom). Kiefergelenkarthrose, HWS-Syndrom. Charlin-Syndrom (S. 266). Dentogene Ursache (Oberkiefer).
Therapie und Prognose
▶ Konservative Therapie: Carbamazepin (individuelle Dosierung), evtl. Pregabalin
(cave: Nebenwirkungen). Bei herpetischer Ätiologie Virostatika (S. 168).
▶ Operationsindikation: Erfolglose medikamentöse Behandlung (ca. 20 %).
▶ Operative Prinzipien: Entsprechend fassbarer Ursachen. Ansonsten: Thermokoagulation des Ganglion Gasseri (umstritten). Separierung z. B. der A. cerebelli anterior
superior vom Trigeminusstamm (neurochirurgischer Eingriff nach Janetta).
▶ Prognose: Unberechenbar, spontanes Abklingen der Attacken möglich.
Nase, Nasennebenhöhlen
• Häufig Triggermechanismen, z. B. Kauen, Gähnen, Kalt- oder Warmreiz.
▶ Vorkommen: Überwiegend höheres Lebensalter, Frauen häufiger betroffen als Männer.
▶ Symptomatik: In unterschiedlichen Abständen auftretende, blitzartige, kurz dauernde stechende Schmerzen in einer Gesichtshälfte, bevorzugt 2. und 3. Trigeminusast. Gleichzeitige Kontraktur der mimischen Muskulatur möglich (sog. Tic douloureux).
▶ Komplikationen: Depression, Suizidgefahr.
13
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13.13 Trigeminusneuralgie
291
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