S c h l a g l i c h t e r 2 010 : r a d i o - o n k o l o g i e Molekulare Bildgebung mittels PET-CT: neue Potentiale Michael Schmückinga, Bernd Klaeserb,Thomas Krauseb, Daniel M. Aebersolda Inselspital, Universität Bern a Universitätsklinik für Radio-Onkologie b Universitätsklinik Nuklearmedizin Michael Schmücking Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag haben. Die Geschichte der Strahlentherapie der letzten 110 Jahre war geprägt durch eine immerwährende technologische Weiterentwicklung mit einem zentralen Ziel: die laufende Erweiterung des therapeutischen Fensters. Durch eine immer präzisere Anpassung der Dosisverteilung an das Tumorvolumen soll einerseits die am Tumor selbst applizierte Strahlendosis optimiert und andererseits eine immer bessere Schonung von nicht-involvierten Körperanteilen erreicht werden. Auf dem Weg zu diesem Ziel ist man unterdessen so weit vorangekommen, dass die Strahlentherapie im Gleichschritt zu Fortschritten in der medikamentösen Krebstherapie und chirurgischen Technik nicht nur eine tragende Säule in der Krebsbehandlung geworden und geblieben ist, sondern weltweit von Jahr zu Jahr immer häufiger eingesetzt wird. Die technische Entwicklung in der Radio-Onkologie schreitet rasant voran: Sowohl fortgeschrittene Photonentechniken wie die intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT, Rotationstechniken) und die stereotaktische Hochpräzisionsbestrahlung als auch die Partikeltherapie mit Protonen erobern immer weitere Gebiete der klinischen Anwendung. Dank innovativer Technologie kann mit immer grösserer Präzision die Dosisdeposition im Körper optimiert werden. Kaum Schritt mit der Entwicklungsgeschwindigkeit der Applikationstechnik konnte allerdings das exakte Wissen darum halten, wo wir überhaupt bestrahlen müssen und wo nicht, worauf wir also guten Gewissens den Photonenstrahl lenken oder nicht lenken müssen: Je präziser die Dosisdeposition ist, desto genauer sollten auch Ziele und Schongebiete der perkutanen Radiotherapie definiert werden, da ansonsten das volle Potential der nun verfügbaren Bestrahlungspräzision gar nicht ausgeschöpft werden kann. Das mag banal klingen, ist aber in der Praxis mit vielen Unwägbarkeiten verbunden: Wo beginnt ein Tumor und wo hört er auf? Was ist peritumorale Begleitreaktion, und was ist Invasionsfront? Welche Lymphknoten sind ab welcher Grösse mit welcher Wahrscheinlichkeit tumorbefallen? Welche Lymphknotenareale darf man bewusst schonen, um im Bereich des makroskopischen Tumorbefundes dafür umso mehr Dosis einstrahlen zu können und die lokale Kontrolle zu erhöhen? Diese Wissenslücken hängen nur partiell damit zusammen, dass wir für viele Fragen der Zielvolumendefinition keine randomisierten Studienresultate haben. Vielmehr treten die Unschärfe und Limiten konventioneller, morphologisch basierter bildgebender Verfahren immer klarer zu Tage: Welche Struktur entspricht mit welcher Wahrscheinlichkeit Tumormanifestation, und welche ist mit welcher Wahr- scheinlichkeit tumorfrei? Eines der Verfahren, die gegenüber der rein morphologischen Diagnostik für sich in Anspruch nehmen, zur Beantwortung dieser Fragen beizutragen, ist die molekulare Bildgebung mittels PET bzw. PET-CT. Die PET-CT, insbesondere mit dem 18F-markierten Glukosederivat Fluordeoxyglukose (FDG), hat sich im vergangenen Jahrzehnt als diagnostischer Goldstandard im Staging zahlreicher maligner Tumoren etabliert. Die Einführung dieser gleichermassen sensitiven wie spezifischen Untersuchung hat einen nachhaltigen positiven Effekt auf die Behandlung von Tumorpatienten. Wenn mit höherer Sensitivität Fernmetastasen diagnostiziert werden, können bei Patienten in einer dokumentiert palliativen Therapiesituation aufwendige radikale und dann unnötig belastende Therapiemassnahmen, wie diese in einer kurativen Therapiesituation indiziert wären, vermieden werden. Andererseits kann bei sichererem Ausschluss einer ausgedehnten systemischen Tumorerkrankung mit besserem Rationale der radikale Therapieversuch unternommen werden. Dieser letztere Aspekt spielt insbesondere bei Therapiekonzepten eine Rolle, bei denen eine potentiell kontrollierbare Oligometastasierung vorliegt. Hier kommt es im Einzelfall – nach vorgängiger Lagebeurteilung durch die PET-CT – in Frage, solitäre Metastasen durch Chirurgie oder stereotaktische Radiochirurgie zu eliminieren. Der klinische Benefit solch radikaler Metastasentherapiekonzepte ist Gegenstand laufender klinischer Studien. Der Einfluss der zusätzlich durch die PET-CT gewonnenen diagnostischen Information auf das Patientenmanagement ist bereits in einer Vielzahl von Publikationen beschrieben worden. Neben dieser Rolle in der Selektion von Patienten für ein kuratives versus palliatives Therapiekonzept kommt für die PET-CT in der RadioOnkologie eine weitere Verwendung dazu: Die PET-CT hilft, die strahlentherapeutischen Zielvolumina genauer zu definieren. Für eine beachtliche Zahl von Tumoren wurden bereits Daten zu diesem Thema veröffentlicht [1]. In der Folge seien einige der wichtigsten Resultate und aktuellen Fragestellungen, die in Studien erarbeitet werden, zusammengefasst: Nichtkleinzelliges Lungenkarzinom Studienresultate lassen darauf schliessen, dass PETnegative Lymphknotenareale nicht bestrahlt werden müssen: Bei Verzicht auf die elektive Bestrahlung PETnegativer mediastinaler Lymphknoten ist das RezidivSchweiz Med Forum 2011;11(3):46–47 46 S c h l a g l i c h t e r 2 010 : r a d i o - o n k o l o g i e risiko an dieser Stelle minimal. Durch diesen Verzicht resultieren relevante Verkleinerungen des Zielvolumens, was positiv genutzt werden kann, um eine Dosissteigerung der tatsächlich befallenen Tumoranteile zu realisieren. Eine höhere lokoregionäre Kontrollerate kann die Folge sein. Primäre Hirntumoren Bei primären Hirntumoren wie Meningeomen und niedriggradigen Gliomen stellt die Aminosäure-PET (11C-Methionin-PET oder 18F-FET-PET) derzeit die beste Wahl für die Unterstützung der Strahlentherapieplanung dar. Neben der exakteren Tumorvolumenbestimmung ermöglicht diese Untersuchung auch, Tumorareale zu identifizieren, welche allenfalls eine höhere Dosis benötigen. Der Evidenznachweis, dass dadurch ein fassbarer klinischer Benefit resultiert, steht allerdings noch aus. Ösophagus-Karzinom Beim Ösophaguskarzinom liegt der wesentliche Vorteil der FDG-PET in der Detektion von unerkannten Lymphknotenmetastasen und somit in der Optimierung der Patientenselektion. Im Gegensatz zum Nichtkleinzelligen Bronchuskarzinom ist aber hier die Sensitivität deutlich geringer, was den Verzicht auf elektive Bestrahlungsvolumina kritisch macht. Morbus Hodgkin Beim Morbus Hodgkin ist die FDG-PET unterdessen essentiell für die Definition des Zielvolumens bei «Involved-field»-Bestrahlung. Zudem kann sie zu einem reduzierten Strahlenvolumen bei gleichzeitig vermindertem Risko des «geographic miss», also des Verfehlens der Hauptrisikoareale, führen. Neuerdings werden Konzepte erarbeitet, die den Schritt von der «Involvedfield»- zur «Involved-node»-Bestrahlung wagen: Die Bestrahlung soll nur noch die direkt betroffenen Lymphknoten erfassen und nicht mehr ganze Lymphknotenareale. Zervixkarzinom Die bedeutendste Rolle der FDG-PET bei der Behandlung des fortgeschrittenen Zervixkarzinoms liegt in der Detektion von tumorbefallenen pelvinen und paraaortalen Lymphknoten: Bei Lymphknotenbefall wird meist auf eine operative Resektion verzichtet zugunsten einer kombinierten Radiochemotherapie. In der Strahlentherapieplanung wird durch die FDG-PET die Definition derjenigen Lymphknoten erleichtert, welche wie der Primärtumor eine möglichst hohe Dosis erhalten sollten. Andere Regionen können geschont oder mit geringerer Dosis belegt werden, was die intestinale Toxizität erheblich zu reduzieren vermag. Abbildung 1 Darstellung eines tumorbefallenen parapharyngealen Lymphknotens in der FDG-PET mit entsprechender Berücksichtigung in der Bestrahlungsplanung (Dosisaufsättigung, Bilder rechts). Hals-Nasen-Ohren-Karzinome So dringend notwendig für HNO-Tumore eine valide Bildgebung zur Beurteilung des Tumorbefalls auch nicht pathologisch vergrösserter zervikaler Lymphknoten ist, so kritisch sind die bisher publizierten Resultate der FDG-PET in diesem Zusammenhang zu werten: Die moderate Sensitivität und Spezifität der PET-CT im Vergleich zur Histopathologie zwingen uns, die FDG-PET nur mit grosser Vorsicht für die Bestrahlungsplanung einzusetzen. Sie ist dennoch für Lymphknotenregionen von erheblicher Bedeutung, welche für den Chirurgen im Rahmen der «Neck Dissection» nur schlecht oder unter Inkaufnahme eines operativen Risikos erreichbar sind, z.B. die parapharyngealen oder epipharyngealen Lymphknoten (Abb. 1 x). Fazit Die PET-CT birgt ein erhebliches Potential, um die Früchte der präziseren Dosisapplikation heutiger Bestrahlungstechnologien ernten zu helfen. Allerdings ist der Weg auch ein gefährlicher: Es lauern verschiedene Fallstricke an unterschiedlichen Stellen der PET-Bildentstehung und -Interpretation, die uns um diese Früchte bringen können. Die Weiterentwicklung der PET-CTTechnologie als solcher, wie z.B. der Einsatz neuer hochauflösender Geräte mit Time-of-Flight-Technologie und neuer PET-Tracer, mag dazu beitragen, bessere Resultate zu erzielen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist aber vor allem auch die Pflege einer engen Zusammenarbeit von Nuklearmedizin und Radio-Onkologie. Korrespondenz: Prof. Daniel M. Aebersold Direktor Radio-Onkologie Inselspital Universität Bern Freiburgstrasse CH-3010 Bern [email protected] Literatur 1 Lammering G, De Ruysscher D, von Baardwijk A, et al. The use of FDG-PET to target tumors by radiotherapy. Strahlenther Onkol. 2010;186:417–81. Schweiz Med Forum 2011;11(3):46–47 47