Energie Brauerei erzeugt mit MTU Onsite Energy-Brennstoffzelle klimafreundlich Strom und Wärme Braustoffzelle Über eine Million Bierflaschen verlassen die Bierbrauerei Erdinger täglich. MTU Report 02/09 I 19 1 «Bier zu brauen ist ein sehr energieintensives Geschäft. Daher sind wir ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, Energie effizienter zu nutzen und uns unabhängiger von fossilen Energieträgern zu machen. » Peter Liebert, Geschäftsführer Technik der Privatbrauerei Erdinger Es klirrt, rattert und scheppert. Flaschen, soweit das Auge sieht, große braune Flaschen. In einer Halle, die größer ist als ein Fußballfeld, schießen sie wie Formel-1-Wagen über mehrstöckige Förderbänder. Eigentlich gleicht es einem Wunder, dass kaum Scherben auf dem Boden liegen. Über 85.000 Liter Bier werden hier in Spitzenzeiten pro Stunde abgefüllt. In der Luft liegt ein malziger, würziger und leicht süßlicher aromatischer Duft. „Der typische Brauerei-Geruch“, schwärmt Rainer Kansy. Seit sieben Jahren verantwortet er die Betriebstechnik bei Erdinger. Sein vorrangiges Anliegen: Die Produktivität ohne Kompromisse in der Qualität zu steigern, dabei immer weniger Energie zu benötigen und die Brauerei zudem unabhängiger von fossilen Energieträgern zu machen. Klimafreundliche Energie mit HotModule. Ein großer Schritt auf diesem Weg ist die Anschaffung einer Brennstoffzelle der Marke MTU Onsite Energy. Majestätisch steht sie in einem extra für sie erbauten Glashaus. „Do drauf san ma ganz sche stoiz“, so der Brauingenieur mit typisch bayerischem Akzent. Aber was hat denn Bier brauen, bei dem es in erster Linie auf die richtige Zusammensetzung von Wasser, Gerste und Hopfen ankommt, mit einer Brennstoffzelle zu tun? Bei genauerem Hinsehen sehr viel. Denn neben Bier gibt es in einer Brauerei noch eine weitere Flüssigkeit, ohne die das Brauen gar nicht möglich wäre: Wasser. Etwa 500.000 Kubikmeter werden jährlich für den Brauprozess und für die Reinigung der Brauanlagen und -geräte benötigt. Das entstehende Abwasser wird in einer hauseigenen anaeroben Vorklärung aufbereitet. Dabei entsteht Biogas, das sich mit einem Methananteil von 85 Prozent hervorragend als Brenngas für eine Brennstoffzelle eignet. Diese wandelt die Energie des Gases in einem elektrochemischen Prozess direkt in Strom und Wärme um. Das Wirkungsprinzip 2 3 MEMO Malz, Hopfen, Wasser und Hefe – Weizenbier, das nach dem bayerischen Reinheitsgebot gebraut ist, enthält ausschließlich diese Zutaten. Die bayerische Brauerei Erdinger Weißbräu setzt da noch einen drauf: Auch die Energie in der Brauerei ist rein. Eine Brennstoffzelle der Marke MTU Onsite Energy erzeugt so umweltfreundlich Strom und Wärme, dass dabei keine gesundheitsschädlichen Emissionen verursacht werden. Funktionsweise des HotModules Der elektrochemische Prozess im HotModule beruht auf einer Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff, die Strom und Wärme freisetzt. Methan (in diesem Fall aus Biogas) und Wasserdampf werden der Anode zugeführt. Hieraus entsteht durch eine katalytische Reaktion Wasserstoff. Dieser reagiert anschließend mit den Karbonationen des Elektrolyten zu Wasser und Kohlendioxid. Dabei werden Elektronen auf der Anodenseite freigesetzt und fließen über einen Verbraucher (beispielsweise das öffentliche Stromnetz) zur Kathode. Auf der Kathodenseite reagieren Kohlendioxid und Luftsauerstoff mit den aus der Anodenreaktion freigesetzten Elektronen zu Karbonationen. Diese wandern schließlich durch den Elektrolyten zur Anode. Damit schließt sich der elektrochemische Kreislauf. 1 Mit einem HotModule der Marke MTU Onsite Energy erzeugt die Brauerei Erdinger klimafreundlich Strom und Wärme. 2 Bevor das Biogas in der Brennstoffzelle als Brennstoff verwendet werden kann, muss es gereinigt werden. Denn es enthält zu viele schädliche Verunreinigungen, wie zum Beispiel Schwefelwasserstoff, die die Brennstoffzelle zerstören können. Hierzu liefert MTU Onsite Energy eine spezielle Biogasreinigungsanlage. 3 Hans Schey misst bei der Inbetriebnahme die Gaszusammensetzung in der Brennstoffzelle. MTU Report 02/09 I 21 Energie Das Sudhaus ist das Herzstück der Brauerei. Hier wird durch Maischen von Gersten- und Weizenmalz die Würze produziert. Über Rohrleitungen fließt das Bier durch die Brauerei. Sie müssen regelmäßig gereinigt werden – mit heißem Wasser, das mit der Abluft der Brennstoffzelle erhitzt wird. ist denkbar einfach: Wasserstoff und Sauerstoff reagieren auf elektrochemischem Wege miteinander und setzen elektrische und thermische Energie frei. Dabei besticht das HotModule durch seinen hohen elektrischen Wirkungsgrad von fast 50 Prozent. Der Gesamtwirkungsgrad der Anlage liegt sogar bei etwa 90 Prozent. Das heißt: Von der eingesetzten Energie können bis zu 90 Prozent als Strom und Wärme genutzt werden. Das ist mehr als doppelt so viel als in herkömmlichen Kohlekraftwerken. Auch beim Thema Emissionen überzeugt die Brennstoffzelle. Die gesundheitsschädlichen Schadstoffemissionen sind vernachlässigbar gering. Stick- und Schwefeloxide sind nicht nachweisbar und die CO-Emissionen sind gegenüber motorischen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen etwa um den Faktor zehn geringer. Daher spricht man auch nicht von Abgas, sondern von Abluft. Und in dieser sieht Rainer Kansy nicht nur wegen der geringen Schadstoffemissionen ein großes Plus. Auch die Temperatur dieser Luft ist mit 400 Grad Celsius beeindruckend hoch. Erdinger Weißbräu nutzt sie in einem Abluftwärmetauscher zum Heizen von Brauereigebäuden oder zum Erhitzen von Wasser. Hier schließt sich der Kreislauf. „Mit dieser Anlage können wir fast die gesamte Energie wieder nutzen“, erklärt Rainer Kansy und fasst den Prozess zusammen. „Bei der Reinigung des Wassers entsteht Biogas. Damit betreiben wir die Brennstoffzelle, mit der wir Strom erzeugen und mit deren Abluft wir einige Gebäude heizen und wieder neues Wasser erhitzen.“ Wie präsent Wasser überall in der Brauerei ist, wird bei einem Gang durch die riesigen Hallen deutlich. Nur ein Bruchteil wird für den eigentlichen Brauprozess benötigt. Mit dem Großteil 22 I MTU Report 02/09 der 500.000 Kubikmeter Wasser reinigt die Brauerei alle Materialien, die mit dem Bier in Berührung kommen. Denn gründliche Reinigung und Desinfektion sind die obersten Gebote der Erdinger Braumeister, denn bei der Qualität gehen sie keinen Kompromiss ein. Im Sudhaus entsteht die Würze des Bieres. Der Brauprozess beginnt im Sudhaus, dem Herzstück der Brauerei. Hier stehen riesige Maischpfannen aus Edelstahl, die aussehen wie auf dem Kopf stehende silberne Trichter. Was in ihrem Inneren passiert, erkennt man nur durch ein tellergroßes Bullauge: Gersten- und Weizenmalz werden gemaischt. Dabei entsteht Würze, die im so genannten Abläuterbottich von den Rainer Kansy ist seit sieben Jahren Leiter Betriebstechnik der Brauerei Erdinger Weißbräu. Sein ganzer Stolz ist die Brennstoffzelle der Marke MTU Onsite Energy. MEMO Zurückgeschaut Bereits 1988 begann am Standort Ottobrunn bei München die Forschung an Hochtemperatur-Brennstoffzellen des Typs MCFC, bei dem der Ionenaustausch zwischen Wasserstoff und Sauerstoff in einer geschmolzenen Karbonatmasse aus Kalium und Lithium stattfindet – dem Elektrolyt. Seit 1997 beweist das HotModule als dezentrale Energieversorgung täglich seine Praxistauglichkeit, hocheffizient und emissionsfrei. Heute werden von MTU Onsite Energy Fuel Cell Systems Leistungen von rund 250 und 350 Kilowatt elektrisch und 170 beziehungsweise 250 Kilowatt ther misch realisiert. Dieses Angebot soll auf Basis standardisierter Baugruppen künftig auf Systeme im Leistungsbereich von 250 Kilowatt bis zwei Megawatt ausgedehnt werden. Deutsches Bier – der REINE Genuss In Deutschland ist mittlerweile seit über 800 Jahren das Bier brauen gesetzlich geregelt. Im Jahr 1165 wurde erstmals eine Strafe für den Ausschank von „schlechtem“ Bier erlassen. Über 300 Jahre später, im Jahr 1487, erließ Herzog Albrecht IV. eine Verordnung, die zunächst nur für den Raum München galt und die den Bierpreis einheitlich regelte: „Die Maß Winterbier solle ein Pfennig, die Maß Sommerbier zwei Pfennige kosten“. Weiterhin hatte jeder Brauer einen so genannten Brau-Eid zu leisten, wonach er zum Brauen von Bier nur Gerste, Hopfen und Wasser und keinerlei andere Zutaten verwenden durfte. 1493 erging von Herzog Georg dem Reichen von Bayern-Landshut ein Erlass, der 1516 auf ganz Bayern ausgedehnt wurde. Dieser ist bekannt als das Bayerische Reinheitsgebot. Wie der Brau-Eid schreibt er den Brauern vor, dass keinem Bier etwas anderes zugesetzt werden darf als Gerste, Hopfen und Wasser. Bis heute sind die Vorschriften des Reinheitsgebotes mit geringfügigen Änderungen im Deutschen Biersteuergesetz enthalten. Energie «Eine Brauerei ist ein ideales » Einsatzgebiet für eine Brennstoffzelle. Rainer Kansy, Hauptabteilungsleiter Betriebstechnik bei Erdinger Weißbräu Strahlend rot sind die Bierkisten erst wieder nach der Reinigung mit heißem Wasser. 1 2.000 Kästen Bier werden jede Stunde gefüllt. 2 Bevor die Kisten in den Handel gelangen, werden sie mit heißem Wasser gereinigt. 3 In einem mit der 400 Grad heißen Abluft der Brennstoffzelle exakt klimatisierten Hochregallager lagern gleichzeitig bis zu 15 Millionen Flaschen Erdinger Weißbier. Spelzen des Malzes getrennt und in die Würzpfanne weitergeleitet wird. Hier wird sie zusammen mit Hopfen gekocht und zur Würze eingedampft. Die Würze wird dann zum EiweißAbscheiden in einen Setzbottich gegeben. Von dort aus fließt sie direkt in den Gärkeller. Das alles beherrschende Element bei diesem Prozess: Wasser und Wasserdampf. Mit heißem Wasserdampf wird die richtige Temperatur zum Kochen der Maische erzeugt. Und die Maischpfannen müssen regelmäßig gereinigt werden – mit heißem Wasser. Aus gelöstem Malzzucker wird Bier. Ein paar Meter weiter ist der Gärkeller. Ihn darf nur betreten, wer sich zuvor die Schuhe auf einer mit Desinfektionsmittel getränkten Schuhmatte gesäubert hat. Der Fußboden ist blassgelb, alles ist steril, auffällig ist nur der starke Biergeruch. Zu sehen sind lediglich die Öffnungen der liegenden Gärtanks. In diesen verwandelt die obergärige Hefe den Malzzucker der Stammwürze in rund einer Woche zu Alkohol und Gärungskohlensäure. Nachdem das Bier in einem weiteren Schritt im Filterkeller von allen unedlen Trübstoffen befreit worden ist, fließt es über Rohrleitungen zur Abfüllanlage. Nicht nur das klassische Erdinger Weißbier macht sich auf diesen Weg, sondern auch die Sorten Erdinger Alkoholfrei, Erdinger Dunkel, Erdinger Kristall, Erdinger Pikantus, Erdinger Leicht, Erdinger Schneeweiße, Erdinger Urweiße und Erdinger Champ. All diese Sorten werden nicht zeitgleich, sondern je nach Bedarf nacheinander gebraut. Und was ist nach jedem Wechsel der Biersorte obligatorisch? Die Reinigung der Tanks und der Leitungen mit heißem Wasser – erhitzt mit der Abluft der Brennstoffzelle. 24 I MTU Report 02/09 HotModule temperiert Hochregallager. In der Abfüllanlage geht es laut und vor allem schnell zu. Flaschen, überall Flaschen. Sie werden gereinigt, unter Gegendruck gefüllt, verschlossen, verkorkt, etikettiert und in Kästen verpackt. Bis zu 150.000 Flaschen Bier verlassen stündlich die Halle. Über eine unterirdische Verbindung werden sie in das Hochregallager gefahren, in dem das Bier drei bis vier Wochen reift. Denn vor der Abfüllung ist den Flaschen noch frische Würze und Reinzuchthefe zugeführt worden. Im Hochregallager reift das Weißbier in den Flaschen ähnlich dem Champagner-Verfahren und entwickelt seinen charakteristischen Geschmack. Die Temperatur dort ist exakt festgelegt. „15 bis 20 Grad Celsius“, einen genaueren Wert möchte der Leiter Betriebstechnik nicht nennen. „Brauereigeheimnis“, erklärt er mit einem schelmischen Grinsen. Und er fügt hinzu, dass auch hier wieder die Brennstoffzelle ins Spiel kommt. „Die Wärmeenergie der Brennstoffzelle gelangt in einen Wärmespeicher und wir können sie je nach Bedarf für die Erwärmung des Wassers oder eben zum Temperieren unseres Hochregallagers nutzen.” Beim Bier brauen kommt es also nicht nur auf die richtige Zusammensetzung von Wasser, Hopfen und Gerste an. Energieeffizienz ist auch hier ein wichtiges Schlagwort – und da kommt die Brennstoffzelle ins Spiel. Lucie Dammann Ihre Fragen beantwortet: René Meise [email protected] Tel. +49 89 2030042-669 1 2 3