Optimierung der Kundenansprache und Kampagnenzielgruppen im

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Optimierung der Kundenansprache und
Kampagnenzielgruppen im Kampagnen-Management
Hajo Hippner, Wolfgang Leußer, Denise Rühl, Klaus D. Wilde
Lehrstuhl für ABWL und Wirtschaftsinformatik
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Auf der Schanz 49
85057 Ingolstadt
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Abstract: Das Kampagnen-Management steuert die Kundenansprache im
Unternehmen mittels zielgruppenspezifischer Kampagnen. Gegenwärtig sind drei
Generationen des Kampagnen-Managements in der Praxis zu finden, die sich in
der Kundenselektion für konkurrierende Kampagnen unterscheiden. Alle drei
Generationen des Kampagnen-Managements weisen jedoch Verbesserungspotentiale auf. So werden Kunden durch unabhängig voneinander geplante
Kampagnen oft zu stark penetriert oder durch zeitlich vorgelagerte Kampagnen für
attraktivere zukünftige Kampagnen blockiert.
In diesem Beitrag wird ein neuer Ansatz des Kampagnen-Managements
vorgestellt, der die Verbesserungspotentiale der existierenden Ansätze aufgreift.
Den Schwerpunkt dieses Ansatzes bildet die simultane Planung von Kunden- und
Kampagnenkontakten. Unter Beachtung der bereits in Planung befindlichen,
zukünftigen Kampagnen
sowie aller kunden- und kampagnenbezogener
Restriktionen wird die Wirkung über alle Kunden und Kampagnen maximiert.
Für diesen Ansatz wird ein lineares Optimierungsmodell und eine darauf
aufbauende Lösungsheuristik vorgestellt, die eine Implementierung des Ansatzes
ermöglichen. Es wird gezeigt, dass die simultane Planung der neuen vierten
Generation den drei bisherigen Generationen des Kampagnen-Managements
überlegen ist.
1 Kundenkommunikation im CRM
Die Mehrheit der großen Unternehmen hat die Kundenbearbeitung an den Leitsätzen des
Customer Relationship Managements (CRM) ausgerichtet [Hi06]. Ein zentraler
Grundgedanke liegt hierbei in der umfassenden, integrierten und synchronisierten
Durchführung und Abstimmung der kundenbezogenen Marketing-, Vertriebs- und
Serviceprozesse. Die Integration aller kundenorientierter Geschäftsprozesse ist
erforderlich, um eine einheitliche Sicht auf den Kunden zu erlangen und zudem ein
ganzheitliches und koordiniertes Auftreten gegenüber dem Kunden sicherzustellen
[WHE04]
Ein großer Teil der Kundenansprache erfolgt in großen Business-to-Consumer-Märkten
über zielgruppenspezifische Kampagnen, die spezifische Inhalte über vorgegebene
Kanäle an geeignete Zielgruppen herantragen sollen. Kampagnen werden dabei als
geplante und zielgerichtete Aktivitäten der Dialogkommunikation eines Unternehmens
verstanden, die zum Aufbau und Erhalt langfristiger und profitabler Kundenbeziehungen
eingesetzt werden [WEH05]. Für eine Vielzahl zielgruppenspezifischer Kampagnen
steht dabei ein breites Kundenspektrum mit unterschiedlichen kampagnenspezifischen
Reaktionserwartungen gegenüber.
Im Kampagnen-Management kommt damit der Zuordnung der Kunden zur Zielgruppe
einer bestimmten Kampagne, beziehungsweise der Auswahl einer Kampagne als
nächster Dialogkontakt für einen bestimmten Kunden (Kunden-Kampagnen-Allokation),
eine zentrale Bedeutung zu.
Im Folgenden wird ein simultaner Planungsansatz für das Kampagnen-Management zur
optimalen Kunden-Kampagnen-Allokation entwickelt, der eine deutliche Verbesserung
gegenüber den bisher praktizierten Planungsansätzen verspricht.
2 Kampagnen-Management in der Praxis
Die Aufgabe des Kampagnen-Managements liegt darin, dem richtigen Kunden, das
richtige Informations- und Leistungsangebot im richtigen Kommunikationsstil über den
richtigen Kommunikationskanal zum richtigen Zeitpunkt zu vermitteln. Ziel ist es, unter
Berücksichtigung der gegebenen Ressourcen, die Erfolgsleistungen des Kunden bzw.
des Kundenstamms zu maximieren [HRW06; SLZ06; RS89]. Durch die Koordination
von Kunden und Kampagnen greift das Kampagnen-Management die zuvor
beschriebene Allokationsproblematik auf. Dabei ist neben den Planungsdimensionen
Kunde und Kampagne auch die Dimension Zeit zu beachten.
Aktuell lassen sich in der Praxis drei unterschiedliche Generationen des KampagnenManagements identifizieren, die in Abhängigkeit von ihrer Evolutionsstufe die zuvor
genannte Zielsetzung in unterschiedlichem Maße erfüllen. Diese werden nachfolgend
knapp dargestellt.
2.1 Zielgruppenplanung im Kampagnen-Management
Die 1. Generation des Kampagnen-Managements kann als ein kampagnenspezifisches
Zielgruppen-Management aufgefasst werden, das in den Händen unabhängig agierender
Kampagnenmanager liegt. Diese selektieren, entsprechend ihrer kampagnenspezifischen
Ziele unabhängig voneinander, die für ihre jeweilige Kampagne geeignetste Zielgruppe
[BL00]. Die fehlende Koordination zwischen diesen Zielgruppen führt zu einem
überhöhten Werbedruck und nachfolgend zu Reaktanz und Verärgerung bei TopKunden, die für viele Kampagnen attraktiv sind.
Das Kampagnen-Management wurde deshalb in der 2. Generation um ein KollisionsManagement ergänzt. Durch die Festlegung von Sperrzeiten zwischen den
Kampagnenkontakten eines Kunden wird der Werbedruck nach oben begrenzt und damit
indirekt auch eine breitere Streuung der Kampagnenkontakte bei „normalen“ Kunden
erreicht [Do05]. Allerdings kommt es durch die nach wie vor unkoordinierte Planung der
einzelnen Kampagnen immer noch vor, dass ein Kunde in eine Kampagne einbezogen
wird, obwohl eine andere, zeitgleich laufende Kampagne vorteilhafter wäre.
In der 3. Generation des Kampagnen-Managements wird deshalb der Fokus von einer
kampagnenorientierten hin zu einer kundenorientierten Kontaktplanung verschoben.
Nicht mehr Kunden werden einzelnen Kampagnen zugeordnet, sondern für jeden
Kunden wird nach Ablauf der Sperrzeit das beste Angebot aus dem Portfolio der aktuell
laufenden Kampagnen ausgewählt (Konzept der Next Best Activity [Be03]).
2.2 Kritische Würdigung der bestehenden Ansätze
Die skizzierten Generationen des Kampagnen-Managements unterscheiden sich sowohl
hinsichtlich ihres Zeitbezugs als auch bezüglich ihres zentralen Selektionskriteriums.
Hinsichtlich ihres Zeitbezugs stellen sich die 1. und 2. Generation rein
vergangenheitsorientiert dar. Die Auswahl der Kunden basiert, neben der aus der
Kundenhistorie abgeleiteten Attraktivität der Kunden für die Kampagne, alleine auf der
Kundenansprache in der Vergangenheit (Sperrzeiten). Die 3. Generation des
Kampagnen-Managements verschiebt dagegen den zeitlichen Fokus auf die Gegenwart
und bezieht alle aktuell laufenden Kampagnen als Alternativen in die Auswahl der
nächsten Kundenansprache ein [BL00]. Allen drei Ansätzen ist gemein, dass ihr
Zeithorizont zukünftige Kampagnen nicht in die Betrachtung einschließt. Kunden
werden für eine aktuelle Kampagne eingeplant, auch wenn innerhalb der daraus
resultierenden Sperrzeit andere Kampagnen eine höhere Wirkung erzielen können.
Durch die Orientierung der Kunden-Kampagnen-Allokation entweder an der
Kampagnenperspektive (1. und 2. Generation) oder an der Kundenperspektive (3.
Generation) zeichnen sich alle drei Generationen des Kampagnen-Managements durch
eine eindimensionale Betrachtungsweise aus, die eine Gesamtoptimierung der KundenKampagnen-Allokation über alle Kunden und Kampagnen hinweg ausschließt. Die
eindimensionale Betrachtungsweise verhindert in Verbindung mit kundenbezogenen
(z. B. Sperrzeiten) und kampagnenbezogenen Restriktionen (z. B. Auflagenhöhe) eine
gesamtoptimale
Kunden-Kampagnen-Kombination.
So
findet
bei
einer
kampagnenorientierten Kontaktplanung die durch die ausgelösten Sperrzeiten
geschaffene Blockierung für konkurrierende Kampagnen keine Beachtung. Dagegen
führt eine kundenorientierte Kontaktplanung zwar zur Auswahl der attraktivsten
Kampagne für den jeweiligen Kunden, ohne jedoch zu beachten, dass die so
eingeplanten Kontakte, bei begrenzter Kampagnenauflage, bei anderen Kunden noch
bessere Wirkung zeigen könnten.
Dieses Problem lässt sich nur durch eine simultane Planung beider Dimensionen (Kunde
und Kampagne) lösen.
3
Simultane
Optimierung
Kampagnenzielgruppen unter
Kampagnen
von
Kundenansprache
und
Berücksichtigung nachfolgender
Ausgehend von den Überlegungen zur simultanen Betrachtung beider Dimensionen
wurde das Kampagnen-Management der 4. Generation entwickelt, das die Wirkung der
Kundenkontakte über alle Kunden und Kampagnen hinweg unter Einhaltung aller
Restriktionen optimiert.
3.1 Problemstruktur
Die Planung der Kundenkontakte erfolgt in der 4. Generation des KampagnenManagements über ein lineares Optimierungsmodell, das für realistische
Problemdimensionen mit einer Heuristik gelöst werden kann.
Die Problemstruktur wird dabei durch folgende Parameter beschrieben:
i=1…I
Kunden, i. d. R. 104 ≤ I ≤ 107
t = 1 … T Planungshorizont in Tagen, i. d. R. 30 ≤ T ≤ 180
j = 1 … J Kampagnen im Planungshorizont, i. d. R. 101 ≤ J ≤ 102
g = 1 … G Kampagnengruppen, i. d. R. 5 ≤ G ≤ 20
eij
Wirkung eines Kontakts der Kampagne j bei Kunde i
xijt
xijt = 1, wenn Kunde i in t mit Kampagne j kontaktiert wird,
sonst xijt = 0
Aj
Maximale Kontaktzahl in Kampagne j (Auflage)
Ki
Maximale Kontaktzahl bei Kunde i
B
Gesamtbudget für Kampagnen im Planungshorizont T
cj
Variable Kosten eines Kontakts der Kampagne j
Si0
Zeitliche Sperrfrist zwischen zwei Kontakten bei Kunde i
Sig
Zeitliche Sperrfrist zwischen zwei Kontakten bei Kunde i in der
Kampagnengruppe g
s0jt
s0jt = 1, wenn Periode t in der Laufzeit der Kampagne j liegt, sonst
s0jt = 0
sijt
sijt = 1, wenn Kunde i in t für Kampagne j grundsätzlich verfügbar ist,
sonst sijt = 0
M-
Menge aller Kunden-Kampagnen-Kombinationen (i, j), die a priori
gesperrt sind
M+
Menge der Kunden-Kampagnen-Kombinationen (i, j), die aus
übergeordneten Gründen stattfinden müssen
Jg
Menge aller Kampagnen des Typs g
Tabelle 1: Problemstruktur
Die einzelnen Parameter werden im nächsten Kapitel im Rahmen ihrer Verwendung im
linearen Optimierungsmodell näher erläutert.
3.2 Lineares Optimierungsmodell
Ziel der Planung im Kampagnen-Management der 4. Generation ist die zu erwartende
Wirkung der Kundenkontakte über alle Kunden, Kampagnen und den gesamten
Planungshorizont hinweg zu maximieren. Diese Wirkung (E) wird durch die in
Gleichung (1) dargestellte Zielfunktion beschrieben.
Max E = ∑∑∑eij • xijt
i
j
(1)
t
Im einfachsten Fall steht die Wirkungsgröße eij für die Responsewahrscheinlichkeit eines
Kontakts. Als Wirkungsgröße kann aber auch z. B. der marginale Umsatz-,
Deckungsbeitrags- oder CLV-Zuwachs verwendet werden, der durch den
Kundenkontakt zu erwarten ist. Die Wirkungsgröße eij wird innerhalb des
Planungshorizonts als konstant angenommen. Dies steht nicht im Widerspruch zu einem
degressiven oder S-förmigen Verlauf der Werbewirkungskurve [Jo95a; Jo95b; Ro96].
Es wird lediglich angenommen, dass sich die Steigung der Werbewirkungskurve (eij)
durch die Kontakte innerhalb des Planungshorizonts nicht verändert. Insbesondere bei
kürzeren Planungshorizonten in der Größenordnung von 30-60 Tagen erscheint diese
Annahme vertretbar.
Über eine Reihe von Nebenbedingungen, die im Folgenden vorgestellt werden, können
die typischen Rahmenbedingungen des Kampagnen-Managements abgebildet werden:
∑∑x
i
t
ijt
≤ Aj
∀j
(2)
Die Maximalauflage einer Kampagne kann bei Bedarf auf maximal Aj Kundenkontakte
begrenzt werden. Analog wäre die Festlegung einer Mindestauflage ebenfalls möglich.
∑∑x
j
ijt
∀i
≤ Ki
(3)
t
Zur Begrenzung des Werbedrucks kann für jeden Kunden i eine Maximalzahl von
Kundenkontakten Ki vorgegeben werden, die innerhalb des Planungshorizonts nicht
überschritten werden darf. Ki kann für alle Kunden i gleich sein oder z. B. nach
Kundensegmenten differenziert werden [Be06].
∑∑∑c
i
j
j
• xijt ≤ B
(4)
t
Die variablen Kosten cj der Kundenkontakte können auf ein Gesamtbudget B begrenzt
werden, das dem Kampagnen-Management zur Verfügung steht.
∑x
ijt
≤1
∀ i, j
(5)
t
Jeder Kunde i darf über den gesamten Planungszeitraum T nur höchstens einmal durch
eine Kampagne j kontaktiert werden. Mehrfachbelegungen (z. B. gleicher Katalog,
mehrfach an den gleichen Kunden) können dadurch ausgeschlossen werden.
xijt ≤ min (sojt , sijt )
(6)
Die Planung eines Kundenkontakts für Kunden i in Kampagne j in Periode t ist nur dann
zulässig, wenn Periode t innerhalb der Kampagnenlaufzeit der Kampagne j liegt (s0jt = 1)
und der Kunde i nicht durch Kundenkontakte vor Beginn des Planungszeitraums in
Periode t noch für Kampagne j gesperrt ist (sijt = 1).
Wird ein Kunde i kurz vor Beginn des Planungszeitraums kontaktiert, reicht die daraus
resultierende zeitliche Sperrfrist in die ersten Perioden des Planungszeitraums herein.
Diese aus der Historie erwachsenden Sperrungen am Anfang des Planungszeitraums
werden durch die Kundenverfügbarkeit sijt abgebildet.
Eine Begrenzung der Laufzeit einer Kampagne auf einen Teil des Planungszeitraums
(z. B. von t = 3 bis t = 9) kann mit der Größe s0jt abgebildet werden.
∑
j ∈J g
t
∧
∑
t = max (1, t − Sig )
x ∧ ≤1
ij t
∀i , g , t
(7)
Die Größe Sig legt die Dauer der Sperrfrist zwischen zwei Kontakten bei Kunde i in der
Kampagnengruppe g fest. Damit können Sperrfristen zwischen zwei Kundenkontakten
innerhalb des Planungszeitraums differenziert für Kundengruppen mit unterschiedlichen
Informationspräferenzen, Kanäle mit unterschiedlichem Störpotential (z. B. E-Mail,
SMS, Telefon) oder Inhalte unterschiedlicher Aktualität (z. B. tagesaktuelle Angebote,
Newsletter, Gesamtkatalog) festgelegt werden. Ungleichung (7) stellt sicher, dass
Kundenkontakte mit Kunden i in der Kampagnengruppe g innerhalb des
Planungszeitraums nur unter Einhaltung der festgelegten Sperrfristen eingeplant werden
können. Durch die Definition einer generischen Kampagnengruppe 0, der alle
Kampagnen angehören, lassen sich alternativ oder ergänzend auch generelle Sperrfristen
festlegen.
∑x
ijt
=0
∀ (i, j ) ∈M
_
(8)
t
Kunden können ex ante für einzelne Kampagnen gesperrt werden. Ist ein Kunde z. B.
bereits vor Beginn der Planungsperiode mit einer bestimmten Kampagne kontaktiert
worden, kann eine nochmalige, identische Ansprache innerhalb der Planungsperiode
ausgeschlossen werden. Dies erfolgt dadurch, dass die entsprechende Kunde-KampagneKombination in die Menge M– aufgenommen wird.
∑x
ijt
=1
∀ (i, j ) ∈M +
(9)
t
Umgekehrt können in der Menge M+ alle Kontakte für einen bestimmten Kunden
hinterlegt werden, die aus übergeordneten Gründen in jedem Fall stattfinden müssen,
wie z. B. bei Rückrufaktionen.
xijt in{0,1}
(10)
Aus logischen Gründen können die Entscheidungsvariablen xijt nur die Werte 0 oder 1
annehmen.
4 Lösungsalgorithmen
Im Folgenden wird eine Bewertung des neuen Ansatzes im Vergleich zu den bisherigen
Generationen im Hinblick auf die Gesamtwirkung und Anwendbarkeit durchgeführt.
4.1 Datenbasis
Zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Optimierungsmodells wurde eine
realitätsnahe, simulierte Datenbasis konstruiert, welche sich an den typischen
Datenstrukturen einer Direktbank orientiert.
Insgesamt wurden I = 100.000 Kunden und J = 30 unterschiedliche Kampagnen
generiert. Um die Gegebenheiten im Kampagnen-Management einer Bank realitätsnah
zu erfassen, wurde eine Mischung von Kampagnen mit kurzer (1-3 Tage) und mittlerer
(4-15 Tage) Laufzeit sowie durchgängig verfügbaren Kampagnen zugrunde gelegt.
Zusätzlich wurden die einzelnen Kampagnen thematischen (z. B. Altersvorsorge,
Baufinanzierung, Geldanlage) und kanalspezifischen Kampagnengruppen zugeordnet.
Kampagnenspezifisch wurden die Maximalauflage (Aj), die variablen Kontaktkosten (cj)
sowie die Kampagnenlaufzeiten (s0jt) variiert. Der Planungshorizont wurde auf T = 90
Tage festgesetzt. Für diesen Zeitraum wurde ein Gesamtbudget B vorgegeben, das vom
Kampagnen-Management über alle Kampagnen hinweg einzuhalten war. Um einen
unrealistischen „Kaltstart“ der Kampagnen-Planung zu vermeiden, bei der alle Kunden
zu Beginn des Planungszeitraums für Kontakte zur Verfügung stehen, wurden auf
Kundenebene individuelle Kontakthistorien (sijt) aus vorgeschalteten Rechenläufen
generiert.
Für die Erstellung der Testdatenbasis wurden normalverteilte Zufallszahlen mit
branchentypischer Festlegung der Mittelwerte und Varianzen für die Wirkungsgrößen eij,
die kundenindividuellen Karenzzeiten Si0, die Karenzzeiten der Kampagnengruppen Sik
sowie die maximale Kontaktzahl je Kunde Ki erzeugt. Die Generierung der normal
verteilten Zufallszahlen erfolgte mittels der Box-Muller-Methode [BM58].
Die Wirkungen artverwandter Kampagnen zeigen in der Realität oft mehr oder weniger
starke Korrelationen [WK00]. Dies wurde in der simulierten Datenbasis durch
Verwendung korrelierter Zufallszahlen für die Wirkung artverwandter Kampagnen
abgebildet.
4.2 Ergebnisse der Optimierungsrechnung
Auf der simulierten Datenbasis wurden Optimierungsläufe durchgeführt und deren
Ergebnisse anhand der durchschnittlichen Wirkung pro Kunde den Ergebnissen eines
Kampagnen-Managements der 2. und 3. Generation gegenübergestellt. Ein Vergleich mit
der 1. Generation des Kampagnen-Managements liefert keine sinnvollen Ergebnisse, da
dort Top-Kunden beliebig oft kontaktiert werden können, ohne dass die aus dem
extremen Werbedruck resultierenden Negativeffekte auf der Grundlage der simulierten
Datenbasis abgebildet werden könnten.
Abbildung 1 belegt, dass sich die Ergebnisse über die Generationen des KampagnenManagements hinweg durchgängig verbessern. Auffallend ist die enorme
Ergebnisverbesserung von mehr als 50 % beim Übergang der 2. auf die 4. Generation
und nahezu 33 % beim Übergang von der 3. auf die 4. Generation des KampagnenManagements. Zumindest unter den Gegebenheiten der simulierten Datenbasis ist das
Optimierungsmodell den aktuell praktizierten Ansätzen im Kampagnen-Management
klar überlegen.
152%
Generation
4. Generation
114%
3. Generation
Wirkung pro Kunde im
Vergleich zur 2. Generation des
Kampagnen-Managements
100%
2. Generation
90
100
110
120
130
140
150
160 %
Abbildung 1: Ergebnisvergleich bei der 2. bis 4. Generation des Kampagnen-Managements
Diese Ergebnisverbesserung geht allerdings mit einem enormen Berechnungsaufwand
einher. Abbildung 2 zeigt den mit wachsender Kundenzahl exponentiell anwachsenden
Rechenzeitbedarf zur Lösung des Optimierungsproblems auf einer gut ausgestatteten
Windows-Workstation, mit der Software ILOG OPL Development Studio 5.1. Die
Optimierungsrechnung ist damit bei den in der Praxis anzutreffenden Kundenzahlen
(104 ≤ I ≤ 107) selbst unter Einsatz leistungsfähigerer Computersysteme kein realistischer
Lösungsansatz. In dem in Abbildung 1 dargestellten Vergleich der Optimierungslösung
mit den Ansätzen des Kampagnen-Managements der 2. und 3. Generation stützt sich die
Optimierungslösung der 4. Generation deshalb auch nur auf eine maßstabsgetreu
reduzierte Datenbasis von lediglich 800 Kunden. Die Ergebnisse der jeweils mit einer
Datenbasis von 50.000 Kunden durchgeführten Optimierungsläufe der 2. und 3.
Generation wurden auf eine vergleichbare Basis normiert.
Optimierungszeit in
Sekunden
Zahl der
Kunden
200
400
600
800
1000
Abbildung 2: Laufzeitverhalten einer globalen Simultanoptimierung der 4. Generation
Um das vielversprechende Potential des Kampagnen-Managements der 4. Generation
praktisch zu nutzen, ist bei realistischen Problemdimensionen der Einsatz hoch
performanter Lösungsheuristiken erforderlich. Im Folgenden wird eine derartige
Lösungsheuristik vorgestellt.
4.3 Lösungsheuristik
Im ersten Schritt der in Abbildung 3 dargestellten Lösungsheuristik werden alle
zulässigen Kunde-Kampagne-Kombinationen nach den Wirkungsgrößen eij in
absteigender Reihenfolge geordnet.
Im zweiten Schritt werden die Kunde-Kampagne-Kombinationen beginnend beim
größten
eij-Wert
sukzessive
auf
die
Einhaltung
periodenunabhängiger
Nebenbedingungen (Einhaltung der Maximalkontaktzahl Ki, der Maximalauflage Aj und
des Budgets B) überprüft. Führt die Einplanung der jeweils betrachteten Kombination
zur Verletzung einer Nebenbedingung, so wird diese verworfen und die nächstbeste
Kunde-Kampagne-Kombination geprüft.
Wird eine Kunde-Kampagne-Kombination im zweiten Schritt nicht verworfen, wird im
dritten Schritt für alle in Frage kommenden Perioden die Einhaltung aller
periodenabhängigen Nebenbedingungen überprüft (Kundenverfügbarkeit sijt, Sperrzeiten
durch bereits eingeplante Kunde-Kampagne-Kombinationen). Wird dabei keine Periode
gefunden, für welche die Kunde-Kampagne-Kombination ohne Verstoß gegen
Nebenbedingungen eingeplant werden kann, wird diese verworfen, andernfalls wird sie
für die frühestmögliche Periode eingeplant.
Schritt 1: Schleife über alle verfügbaren Kunde-KampagneKombinationen absteigend sortiert nach Wirkungsgröße eij
Schritt 2: Test der periodenunabhängigen Nebenbedingungen
nicht
bestanden
bestanden
Schritt 3: Schleife über alle möglichen Perioden t
der gewählten Kampagne j für einen
Kunden i
Schritt 4: Test der periodenabhängigen Nebenbedingungen
nicht
bestanden
bestanden
Schritt 5:Einplanung der
Kampagne j für Kunden
i für Periode t: xijt = 1
Abbildung 3: Schematische Prozessdarstellung der Globalheuristik
Der Prozess wird nun mit der nächstbesten Kunde-Kampagne-Kombination fortgesetzt
und endet, wenn alle Kombinationen aus der im ersten Schritt erzeugten geordneten
Liste verworfen oder eingeplant sind.
4.4 Ergebnisse der Lösungsheuristik
Erwartungsgemäß sind die Ergebnisse der Lösungsheuristik etwas schlechter als bei der
Optimierungsrechnung. Die Vorteile der 4. Generation des Kampagnen-Managements
gegenüber den früheren Generationen bleiben jedoch zum überwiegenden Teil erhalten
(Abbildung 4).
152%
4. Generation
Generation
147%
Heuristik 4. Generation
114%
3. Generation
Vergleich der 2./3./4.
Generation des KampagnenManagements mit der
Heuristik der 4. Generation
100%
2. Generation
90
100
110
120
130
140
150
160 %
Abbildung 4: Ergebnisvergleich bei der 2. bis 4. Generation des KampagnenManagements und der Lösungsheuristik
Demgegenüber steht bei der Lösungsheuristik ein mit wachsender Kundenzahl lediglich
proportionaler Anstieg der Rechenzeit, so dass realistische Kundenzahlen bereits mit der
im Test eingesetzten Windows-Workstation bewältigt werden können (Abbildung 5).
Dazu wurde eine simulierte Datenbasis mit 700.000 Kunden entsprechend der unter 4.1
beschriebenen Vorgehensweise generiert.
250
Laufzeit in Minuten
200
150
100
50
0
0
100.000
200.000
300.000
400.000
500.000
600.000
700.000
Anzahl der Kunden
Abbildung 5: Laufzeitverhalten für Globalheuristik
5 Fazit
Das vorgestellte Kampagnen-Management der 4. Generation ist unter den
Rahmenbedingungen der simulierten Datenbasis allen früheren Ansätzen des
Kampagnen-Managements gegenüber deutlich überlegen. Auch wenn die lineare
Optimierungsrechnung den realen Problemdimensionen nicht gewachsen ist, erlaubt die
dargestellte Lösungsheuristik die praktische Anwendung für nahezu jede reale
Problemdimension bei nur geringem Verlust an Ergebnisqualität. Der Datenbedarf des
vorgeschlagenen Ansatzes geht dabei nicht über den des Kampagnen-Managements der
3. Generation hinaus, das in der Praxis bereits vielfach zum Einsatz kommt.
Bei Entwicklung und Test des Optimierungsmodells und der Lösungsheuristik wurden
einige Aspekte weiterführenden Forschungsbedarfs deutlich:
-
-
-
-
Die Tests wurden auf einem simulierten Datensatz ausgeführt. Zur weiteren
Modellevaluation ist ein Ergebnisvergleich anhand von Realdaten aus der Praxis
erforderlich.
Die Rahmenbedingungen des simulierten Datensatzes bilden ein sehr spezielles, an
den Gegebenheiten einer Branche orientiertes Anwendungs-Szenario. Im Rahmen
systematischer Sensitivitäts-Analysen ist zu prüfen, wie weit die gefundenen
Ergebnisse auch in anderen Anwendungs-Szenarien reproduzierbar sind und welche
Faktoren für die Ergebnisunterschiede zwischen dem Kampagnen-Management der
2., 3. und 4. Generation ausschlaggebend sind. Eine erste Sensitivitätsanalyse zeigte
beispielsweise, dass insbesondere die Kosten für die Kontakte der Kampagnen
beachtlichen Einfluss auf die Ergebnisse haben können, wenn die Varianz der Kosten
zwischen den Kampagnen sehr hoch ist.
Zur praktischen Anwendung des Kampagnen-Managements der 4. Generation ist es
erforderlich, die entwickelte Lösungsheuristik technisch in die bestehenden CRMSysteme und organisatorisch in einen rollierenden Planungsprozess zu integrieren. In
diesem rollierenden Planungsprozess kann z. B. in einer wöchentlichen (täglichen)
Neuplanung mit einem Planungshorizont von 90 Tagen die optimale KundenKampagnen-Allokation für die bevorstehende Woche (den nächsten Tag) unter
Berücksichtigung der bereits bekannten Kampagnenplanungen für die nächsten drei
Monate ermittelt und an die operativen IT-Systeme zur Ausführung übergeben
werden.
Zur Optimierung der Heuristik ist weiterführende Forschung erforderlich.
Mehrstufige Kampagnen gewinnen in der Praxis zunehmend an Bedeutung und
können im vorliegenden Modell nur unter einschränkenden Bedingungen abgebildet
werden. Planungsmodell und Lösungsheuristik bedürfen diesbezüglich noch der
Erweiterung.
Dies gilt auch für die verbesserte Berücksichtigung nichtlinearer Werbereaktionen.
Dazu muss die Annahme konstanter Wirkungsgrößen eij zugunsten einer
Abhängigkeit von der Kontakthistorie innerhalb des Planungszeitraums aufgegeben
werden.
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