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Alter(n) bewegt
Gabriele Kleiner (Hrsg.)
Alter(n) bewegt
Perspektiven der Sozialen Arbeit
auf Lebenslagen und Lebenswelten
Herausgeberin
Gabriele Kleiner
Darmstadt, Deutschland
ISBN 978-3-531-17870-7
DOI 10.1007/978-3-531-94258-2
ISBN 978-3-531-94258-2 (eBook)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de
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1 Altersbilder und deren Wirkung
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Vorwort
Das vorliegende Buch wurde angeregt durch die Verleihung des Förderpreises an
Johanna Hildebrandt für deren Diplomarbeit an der Evangelischen Hochschule
Darmstadt im Jahr 2009 zum Thema „Lebenslagen und Lebenswelten alter Menschen. Konsequenzen für die Lebensweltorientierung in der Sozialen Arbeit.“
Dieser Förderpreis wird jährlich von der Evangelischen Hochschulgesellschaft
für besonders herausragende Abschlussarbeiten verliehen. Als Lehrende an der
Evanglischen Hochschule mit dem bisherigen Schwerpunkt Soziale Gerontologie
habe ich in den vergangenen Jahren viele Abschlussarbeiten betreut, die sich mit
unterschiedlichen Perspektiven auf das Alter(n) beschäftigten und es stellt sich
immer wieder die Frage: Sollten herausragende Arbeiten „nur“ für den Studienabschluss und die Hochschulbibliothek angefertigt worden sein oder sollten diese
nicht den Zugang zu einer breiteren Fachöffentlichkeit finden? Eine erste Abklärung mit den Verfasserinnen einiger sehr guter Arbeiten ergab Interesse an einem
gemeinsamen Buchprojekt, für das ich auch aus dem Kreis interessierter Kolleginnen die Sozialgerontologinnen Marita Blitzko-Hoener und Petra Engel gewinnen konnte. In diesem Prozess ist ein Buch entstanden, welches unterschiedliche Perspektiven des demographischen Wandels aufgreift und die Bedeutung
Sozialer (Alten-)Arbeit mit einer Fokussierung auf Lebenslagen und Lebenswelten im Alter thematisiert.
Altersbilder und die soziale Konstruktion des Alters wurden als Themen des
aktuellen Sechsten Berichtes der Bundesregierung zur Lage der älteren Generation (vgl. BMFSFJ 2010) gewählt. Mit dem Blick auf Partizipation und soziale
Gerechtigkeit kommt diesem Thema die Funktion einer einführenden theoretischen Rahmung zu.
Alter(n) ist weiblich1; nicht nur, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung
haben und damit einen höheren Anteil in der älteren Bevölkerung ausmachen,
sondern auch unter Berücksichtigung des Geschlechts als sozialer Kategorie ist das
Thema „Frauen im Alter“ für die Soziale (Alten-)Arbeit von großer Bedeutung.
1
Dass das Thema Alter(n) und Geschlecht in dem vorliegenden Buch den meisten Raum einnimmt, wurde von der Projektgruppe, die ausschießlich aus Frauen bestand, einvernehmlich
befürwortet. Es fiel den Autorinnen auch nicht schwer, sich für die durchgängige Anwendung
des großen „I“ zu entscheiden.
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Vorwort
Insbesondere auch auf dem Hintergrund, dass Lebenslagen, Problemkonstellationen und Bewältigungsstrategien eine geschlechtstypische Ausprägung aufweisen.
Das Thema Migration und Alter gewinnt aufgrund der Tatsache, dass viele
Arbeitsmigranten- und migrantinnen im Alter nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren bzw. sich mit einem Pendeln zwischen beiden Ländern teilweise gut
arrangieren, zunehmend an Bedeutung. Daher ist es notwendig, sich mit interkultureller und kultursensibler Altenhilfe, aber auch mit der Diskussion um Diversity intensiver zu beschäftigen und diese Diskussionen vor allen Dingen für die
Handlungsperspektive in der Sozialen (Alten-)Arbeit nutzbar zu machen.
Wohnwelten im Alter und die Gestaltung des sozialen Nahraumes sind
Themen, die in der Lebensgestaltung älterer Menschen im Zentrum stehen. Der
unbedingte Wunsch der meisten älter werdenden Menschen, am gewohnten Ort
alt werden zu können und in selbstbestimmten Wohnstrukturen zu leben, die die
Gestaltung eines autonomen Alltags garantieren, erfordert nicht nur neue Konzepte im Quartier. Erforderlich ist hierbei auch das Engagement der Träger von
Altenhilfeeinrichtungen und von Kommunen, sich von alten Strukturen zu verabschieden. Dabei stellt das Thema „Wohnen für Menschen mit Demenz“ eine
besondere Aufgabe dar.
Die Herausforderungen für die Soziale (Alten-)Arbeit stellen sich im Kontext der unterschiedlichen Themen sehr heterogen dar. Als verbindendes theoretisches Konstrukt wird neben dem Konzept der Lebensweltorientierung der Capability-Ansatz gewählt. Beide Orientierungen finden Eingang in den abschließenden Beitrag einer gemeinwesenorientierten Sozialen (Alten-)Arbeit, der wieder als abschließende Rahmung einzuordnen ist.
Ich danke den Autorinnen für ihr Engagement bei diesem Buchprojekt. Es
hat Spaß gemacht, mit ehemaligen Studentinnen in einen fachlichen Dialog zu
treten und sie nach dem Studienabschluss als Berufsrollenträgerinnen in den
unterschiedlichen Arbeitsfeldern zu erleben. Ein besonderer Dank gilt Melanie
Röhn, die die – mit einem solchen Projekt verbundene –„formatierende Kleinarbeit“ übernommen sowie Barbara Jordan, die die Korrekturarbeiten unterstützt
hat. Ich wünsche dem Buch LeserInnen, die sich für das Alter(n) interessieren
und für die Soziale Arbeit mit älteren und alten Menschen und ich hoffe, dass
sich LeserIinnen sowohl aus der Wissenschaft Sozialer Arbeit wie aus den Praxisfelderen der Sozialen (Alten-)Arbeit gleichmaßen für die einzelnen Themenbereiche interessieren.
Gabriele Kleiner
Darmstadt, im Herbst 2011
Inhaltsverzeichnis
7
Inhaltsverzeichnis
Einleitung.............................................................................................................. 9
I.
Die Konstruktion des Alter(n)s – zwischen Partizipation und
sozialer Ungleichheit ................................................................................ 13
Altersbilder und die soziale Konstruktion des Alters
Johanna Hildebrandt, Gabriele Kleiner ............................................................. 15
Alter(n) zwischen Partizipation und sozialer Ungleichheit
Gabriele Kleiner ................................................................................................. 23
II. Alter(n) und Geschlecht ........................................................................... 35
Geschlechtsspezifika Sozialer (Alten-)Arbeit
Petra Engel ......................................................................................................... 37
Lebensereignisse im Alter unter geschlechtsspezifischer Perspektive
Cornelia Fauser.................................................................................................. 79
Soziale Ungleichheit und Geschlecht – Zur Situation von Frauen im Alter
Marita Blitzko-Hoener, Marja Weiser .............................................................. 119
III. Alter(n) und Interkulturalität................................................................ 155
Alt werden in der Migration
Anna Läsker, Pinar Yortanli............................................................................. 157
Fremde Heimat „Pflegeheim“
Anna Läsker, Pinar Yortanli............................................................................. 169
IV. Wohnwelten im Alter.............................................................................. 193
Lebenswelt im Wohnkontext
Johanna Hildebrandt ........................................................................................ 195
Individuelle Wohnformen
Gerlinde Thomas .............................................................................................. 205
8
Inhaltsverzeichnis
Selbstbestimmt Wohnen mit Demenz
Melanie Röhn.................................................................................................... 229
V. Alter(n) und Soziale Arbeit .................................................................... 247
Lebensweltorientierte Soziale (Alten-)Arbeit
Johanna Hildebrandt ........................................................................................ 249
Sozialarbeit im Kontext Alten- und Pflegeheim
Johanna Hildebrandt ........................................................................................ 261
Gemeinwesenarbeit im demografischen Wandel – Verwirklichungschancen
und Ermöglichungsspielräume
Gabriele Kleiner ............................................................................................... 271
Autorinnen ...................................................................................................... 281
Einleitung
9
Einleitung
Die Konstruktion des Alter(n)s – Zwischen Partizipation und sozialer
Ungleichheit
Inwieweit alte Menschen an gesellschaftlich produzierten Ressourcen partizipieren können bzw. von ihnen ausgeschlossen werden, wird nicht zuletzt durch die
in einer Gesellschaft dominierenden Altersbilder mitbestimmt. Obwohl die Bilder vom Alter(n) widersprüchlich, verworren und oft falsch sind, exisitiert keine
Vielfältigkeit von Altersbildern. Im einführenden Beitrag von Gabriele Kleiner
und Johanna Hildebrandt „Altersbilder und die soziale Konstruktion des Alters“
wird die Wirkung von Alter(n)sbildern beschrieben und eine Annäherung an die
soziale Konstruktion des Alters vorgenommen.
Der Beitrag „Alter(n) zwischen Partizipation und sozialer Ungleichheit“
von Gabriele Kleiner nimmt die Auseinandersetzung mit der Kategorie Alter in
den Blick, die eine Besonderheit für die Theorie sozialer Ungleichheit(en) darstellt, da deren Konzepte konsequent in Bezug auf die Arbeitsgesellschaft entstanden sind. Einerseits bildet die gesellschaftliche Altersgliederung – also auch
die Ausgliederung aus dem Erwerbsleben – eine wichtige neue Disparitätslinie.
Andererseits ist der Eintritt in den Ruhestand auch als Chance für die Auflösung
bisheriger struktureller Ungleichheiten zu analysieren; in diesen Kontext werden
die Ergebnisse der Lebenslageforschung eingeordnet und diskutiert.
Altern und Geschlecht
Wenn auch in Theorie und Praxis des Alter(n)s lange der Eindruck eines Älterwerdens in Geschlechtslosigkeit erweckt wurde, gibt es für diese These viele
Gegenargumente, die Petra Engel in einem einführenden Beitrag „Geschlechtsspezifische Grundlagen Sozialer (Alten-)Arbeit“ beleuchtet. Zunächst wird ein
Blick auf geschlechtsspezifische Alter(n)sbilder mit daraus folgenden Erwartungen an die Lebensphase des Älterwerdens eingenommen. Zweitens sind die im
Vergleich zwischen Frauen und Männern sehr unterschiedlich strukturierten
sozialen Beziehungen wichtig. Einen besonders heiklen Differenzierungsbereich
stellt drittens jener der Körperlichkeit und Gesundheit im Alter dar. Zentral für
viele Lebensbereiche im Alter ist viertens die materielle Lage mit ihren großen
geschlechtsspezifischen Unterschieden. So lässt sich im Fazit tendenziell sagen,
G. Kleiner (Hrsg.), Alter(n) bewegt, DOI 10.1007/978-3-531-94258-2_1
© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
10
Einleitung
dass das Geschlecht mit zunehmendem Lebensalter eher eine zunehmende als
eine abnehmende Rolle spielt und Theoriebildung wie Praxis Sozialer Arbeit
dies verstärkt zur Kenntnis nehmen müssen.
Im zweiten Beitrag „Lebensereignisse im Alter unter geschlechtsspezifischer Perspektive“ bearbeitet Cornelia Fauser aufbauend auf den Beitrag von
Petra Engel Lebensereignisse im Alter unter geschlechtsspezifischer Perspektive.
Den Ausgangpunkt dieser Untersuchung bildet das Konzept der Lebenslage,
wonach gesellschaftliche Verhältnisse über den gesamten Lebenslauf hinweg
Handlungsräume geschlechtsspezifisch gestalten. Anschließend werden verschiedene Modelle zur Bewältigung bedeutsamer Lebensereignisse dargestellt
und das Thema am Beispiel der Verwitwung konkretisiert. Abschließend verweist Cornelia Fauser auf die Chancen einer lebenslaufbezogenen Sozialen (Alten-)Arbeit, die sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene
Männer und Frauen über den gesamten Lebenslauf hinweg befähigt, Handlungssowie Erfahrungsräume und damit verbunden Geschlechterrollen zu erweitern.
Im dritten Beitrag „Soziale Ungleichheit und Geschlecht – Zur Situation
von Frauen im Alter“ stellen Marita Blitzko-Hoener und Marja Weiser das Thema Soziale Ungleichheit mit einem kritischen Exkurs zur Geschlechtsblindheit
von Klassen- und Schichttheorien dar und arbeiten im Anschluss daran mit dem
Konzept der Lebenslage die spezifische Situation von Frauen im Alter heraus.
Mit der Thematisierung von Gleichstellungspolitik und dem Konzept des Gender
Mainstreaming werden abschließend Handlungsoptionen für die Soziale Arbeit
entwickelt.
Alter(n) und Interkulturalität
Ein Blick auf die aktuelle Altersstruktur der Bevölkerung mit Migrationshintergrund lässt die zunehmende Bedeutung des Themas „Alter(n) in der Fremde“
erkennen. Interkulturalität stellt sowohl in theoretischen Arbeiten als auch für die
Praxis Sozialer Arbeit ein zukunftsweisendes Thema dar. Im Beitrag „Alt werden in der Migration“ werden von Anna Läsker und Pinar Yortanli die historischen, rechtlichen und soziologischen Entwicklungen und Dimensionen von
Alter(n) und Migration dargestellt. Weiterhin führen die Autorinnen in das Thema Interkulturalität in der Sozialen Arbeit ein.
Im zweiten Beitrag von Anna Läsker und Pinar Yortanli „Fremde Heimat
‚Pflegeheim’“ findet eine Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit migrationsspezifischer Dienstleistungen statt. Formuliert werden konzeptionelle Erfordernisse für eine stärkere interkulturelle Öffnung bestehender wie auch neuer
Angebote. Es folgt die Darstellung der Ergebnisse einer vergleichenden Untersuchung migrationsspezifischer Konzepte in zwei verschiedenen Einrichtungsfor-
Einleitung
11
men. Aus den anschließenden Interpretationen der Ergebnisse werden beispielhaft Erfordernisse für die Praxis Sozialer (Alten-)Arbeit formuliert.
Wohnwelten im Alter
Der demografische Wandel macht die Bedeutung des Themas „Wohnwelten im
Alter“ unübersehbar: Während in Deutschland die Anzahl jüngerer Menschen
kontinuierlich abnimmt, wird bis 2030 jede/r vierte BundesbürgerIn über 65
Jahre alt und insbesondere wird die Anzahl der Hochaltrigen angewachsen sein.
Demzufolge hat sich das Wohnangebot der Zukunft verstärkt auf die Bedarfe
und Bedürfnisse älterer bzw. alter Menschen einzustellen.
Der einleitende Beitrag von Johanna Hildebrandt „Lebenswelt im Wohnkontext“ nimmt die Lebenswelten alter Menschen bezüglich der Schwerpunkte Wohnen im Alter, Selbständiges Wohnen und kognitive Kompetenz in den Blick. Fokussiert wird dabei auf die Auswirkungen der spezifischen Wohnsituation für das
Wohlbefinden der Betroffenen und ihre gesellschaftlichen Teilhabechancen.
Im Beitrag von Gerlinde Thomas „Individuelle Wohnformen“ wird zunächst
vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Deutschland ein Überblick über traditionelle und neue Wohnformen im Alter gegeben. Sicherlich ermöglichen dabei auch traditionelle Wohnformen, wie z.B. eine Einzelwohnung,
ein selbstbestimmtes Leben für ältere Menschen, wenn rechtzeitig auf eine altengerechte Ausstattung geachtet wird. Im Zentrum des Beitrags aber stehen vor
allem gemeinschaftliche Wohnformen unter dem Aspekt von Individualität und
Selbstbestimmung im Alter. Der Beitrag zeigt, dass das Leben in einer Wohngemeinschaft keineswegs unproblematisch ist, jedoch unter dem Aspekt von Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit eine attraktive und über Jahre hinweg beständige Wohnform sein kann, wenn sichergestellt ist, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen, z.B. die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme externer Dienstleistungen, vorhanden sind.
Der Beitrag von Melanie Röhn „Selbstbesimmt Wohnen mit Demenz“ setzt
an der subjektiven Sicht von Menschen mit Demenz an. Die Unterstützung und
Begleitung von Menschen mit Demenz wird zu einer immer größeren Herausforderung. In der häuslichen Pflege durch Angehörige, in traditionellen teilstationären und stationären Versorgungsstrukturen wie auch bei neuen Angeboten,
zum Beispiel ambulant betreuten Wohngemeinschaften und Hausgemeinschaften, ist das Thema „Demenz“ hochaktuell. Vor dem Hintergrund der aktuellen
demografischen Entwicklungen, der Zunahme des Anteils der hochaltrigen Menschen und dem damit verbundenen Anstieg von Menschen mit Demenz, sind
neue Handlungsoptionen gefordert. In dem Beitrag wird die ambulant betreute
12
Einleitung
Wohngemeinschaft und die Hausgemeinschaft als Wohnform sowie die sich
daraus ergebenen Möglichkeiten zur Selbstbestimmung für Menschen mit Demenz vorgestellt.
Alter(n) und Soziale Arbeit
Im ersten Beitrag „Lebensweltorientierte Soziale (Alten-)Arbeit“ widmet sich
Johanna Hildebrandt zunächst dem Theorieverständnis bzw. dem Theorie- und
Praxisverhältnis in der Sozialen Arbeit. Daran anknüpfend wird der Bereich der
Sozialen (Alten-)Arbeit vorgestellt, seine Entwicklung und Differenzierung skizziert sowie die perspektivischen Herausforderungen benannt, die sich in diesem
Arbeitsfeld unter besonderer Berücksichtigung des Ansatzes der Lebensweltorientierung aufzeigen.
Beginnend mit der Analyse der Lebenswelt „Alten- und Pflegeheim“ und
der Situation ihrer Bewohner und Bewohnerinnen benennt Johanna Hildebrandt
in dem Folgebeitrag „Sozialarbeit im Kontext Alten- und Pflegeheim“ die Bedeutung einer lebensweltorientierten Abschiedskultur im Heimkontext und dokumentiert, welche Rolle die Profession der Sozialen Arbeit dabei einnehmen
kann.
In dem abschließenden Beitrag „Die Bedeutung einer gemeinwesenorientierten Perspektive im demografischen Wandel – Verwirklichungschancen und
Ermöglichungsspielräume“ beschreibt Gabriele Kleiner aktuelle Entwicklungslinien Sozialer Arbeit im demografischen Wandel und formuliert mögliche Perspektiven. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob die Schaffung von Verwirklichungschancen und Ermöglichungsspielräumen durch das Arbeitsprinzip „Gemeinwesenarbeit“ den Herausforderungen des demografischen Wandels gerecht
werden kann. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob mit dieser grundlegenden
Orientierung Selbstbestimmung und Autonomie im Alter gestärkt sowie Teilhabe und Partizipation älterer Menschen realisiert werden können.
I.
Die Konstruktion des Alter(n)s – zwischen Partizipation und sozialer Ungleichheit
I. Die Konstruktion des Alter(n)s – zwischen
Partizipation und sozialer Ungleichheit
13
Altersbilder und die soziale Konstruktion des Alters
15
Altersbilder und die soziale Konstruktion des Alters
Johanna Hildebrandt, Gabriele Kleiner
Alter(n) ist Thema geworden. Die Bilder, die sich Menschen vom Altwerden und
Altsein machen sind vielfältig und widersprüchlich, oft auch verworren und
falsch (vgl. Amann/Kolland 2008: 9). Und dennoch existiert keine Vielfältigkeit
von Altersbildern.
„Es gibt keine aging studies. Das Alter wird von Jungen beschrieben, die unter Alter
nur Hilfebedürftigkeit verstehen können.“ (Saake 2006: 10)
1
Altersbilder und deren Wirkung
Im Sechsten Bericht zur Lage der älteren Generation (BMfFSFJ 2010) sind Altersbilder definiert
„als individuelle und gesellschaftliche Vorstellungen vom Alter (Zustand des Altseins), vom Altern (Prozess des Älterwerdens) oder von älteren Menschen (die soziale Gruppe älterer Personen.“ (ebd.: 27)
Altersbilder sind bildhaft vereinfachte Vorstellungen, Informationen und Meinungen über alte Menschen, die sich in einer Kultur zu einer bestimmten Zeit
vorfinden und die sich meist auf alle Lebensbereiche beziehen (vgl. Backes/
Clemens 2003: 58). Dabei kann es sich um Selbstbilder oder Fremdbilder handeln und die unterschiedlichsten Inhalte und Bezugsebenen betreffen.
Diese Bilder beinhalten Ansichten über Gesundheit und Krankheit im Alter,
Vorstellungen über Autonomie und Abhängigkeiten, Kompetenzen und Defizite,
über Freiräume, Gelassenheit und Weisheit, aber auch Befürchtungen über materielle Einbußen und Gedanken über Sterben und Tod. Ihnen immanent sind darüber hinaus normative Vorstellungen über Rechte und Pflichten alter Menschen
in der Gesellschaft. Altersbilder umfassen also nicht nur beschreibende und erklärende Aussagen über das Alter(n), sondern auch wertende und normative
Elemente. Als solche sind sie soziale Konstruktionen, die im Wechselspiel zwischen Individuum und Gesellschaft entstehen und sich in einem permanenten
Wandlungsprozess befinden. Dabei beeinflussen nicht nur die alten Menschen
z.B. durch ihren Lebensstil die Entstehung und Veränderung von Altersbildern,
G. Kleiner (Hrsg.), Alter(n) bewegt, DOI 10.1007/978-3-531-94258-2_2
© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
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Johanna Hildebrandt, Gabriele Kleiner
sondern die Altersbilder selbst prägen auf individueller und gesellschaftlicher
Ebene die Wahrnehmung und Beurteilung von Menschen, die Gestaltung von
sozialen Interaktionen mit ihnen sowie die Erwartungen an den eigenen Alternsprozess und die persönliche Lebenssituation im Alter (vgl. BMSFSJ 2001: 64).
Die Qualität der Altersbilder, mit denen alte Menschen sich identifizieren,
entscheidet mit darüber, inwieweit sie ihre individuellen Ressourcen im Leben
nutzen. Altersbilder, die positive Aspekte des Alter(n)s hervorheben, können
Handlungsspielräume für alte Menschen eröffnen und ermutigend dazu beitragen, dass ein persönlich zufriedenstellendes Engagement in selbst gewählten
sozialen Rollen möglich und von anderen anerkannt wird. Des Weiteren erhöhen
Altersbilder, die die ‚Chancen des Alters’ betonen, die Wahrscheinlichkeit, dass
objektiv bestehende Handlungsspielräume individuell erkannt und für eine Verwirklichung von persönlich bedeutsamen Anliegen und Bedürfnissen genutzt
werden. Umgekehrt können Altersbilder, die negative Aspekte des Alter(n)s
betonen, dazu beitragen, dass mögliche Handlungsspielräume nicht genutzt werden bzw. im ungünstigsten Fall auf Dauer verloren gehen. Altersbilder im Sinne
von Etikettierungen können dazu beitragen, dass ein alter Mensch die Aussagen
eines Altersstereotyps, z.B. Altsein bedeute schwach, inkompetent und/oder
isoliert zu sein, so für sich annimmt, dass diese Fremdetikettierung als ‚alter
Mensch’ zur Übernahme genau dieser Eigenschaften führt.
Bei der Beschäftigung mit Fragen des Alters ist es daher wichtig, die verwendeten Altersbilder kritisch zu reflektieren, auch vor der Fragestellung, ob die
subjektiv vertretenen Altersbilder die Verschiedenartigkeit des Alters widerspiegelt oder ob sie lediglich eine Facette des Alters generalisieren. Göckenjan formuliert dazu treffend:
„Dass Alter auch alte Leute meint, etwa 70jährige, 90jährige, Pflegebedürftige,
Stadtstreicher, bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, ist richtig, aber
belanglos, wenn über Alter geredet wird. Der Altersdiskurs thematisiert nicht Vielfalt und Differenziertheit von Lebensformen und sozialen Milieus, auch nicht einzelnes, sondern Gemeinsamkeiten. Alter kennt keine Stände, keine Klassen, keine
Geschlechterdifferenzierung. … “ (Göckenjan 2000: 25)
Problematisch wird die Verwendung von Altersbildern, wenn Generalisierungen
dazu führen, den Handlungsspielraum von Menschen einzuschränken. Derart eng
geführte Altersbilder sind tendenziell anfällig für Instrumentalisierungen zur
Durchsetzung von Interessen. So erweist sich beispielsweise der gegenwärtige
Diskurs über die Finanzierung von Sozialleistungen in einer demographisch
alternden Gesellschaft als
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