03/2011 Inhalt - Buddhistische Gesellschaft Hamburg

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Inhalt
Impressum
Leitartikel..............................................................................04
BUDDHISTISCHE
MONATSBLÄTTER (BM)
Magala-Sutta und Dhammapada Vers 383
Übersetzung: ArminDao Ketterer.............................................05
Geburtstagsgedanken
Gedicht von Annette Poerschke ...............................................07
Die Geschichte vom Gazellenkönig Nigrodha
NDR-Vortrag von Dr. Alfred Weil............................................08
Shiro San
Holger Korin Stienen ...............................................................12
Sind westliche Buddhisten tolerant?
Ulrich Beck ...............................................................................15
Entzücken
Gedicht von Ulrich Jüdes .........................................................18
Meditation im Stehen
Ajahn Cittapala .........................................................................19
Purple Rhododendrons
Gedicht von Bhante Sujiva........................................................21
Übertragung ins Deutsche: Jan van Wurstemberger................24
Eine Reise zur Mahabodhi Society
Gustav Büttner ..........................................................................27
Berichte und Anliegen des Vorstandes
Gedenken an Karin Stegemann
Anke Bennholdt-Thomsen..........................................................33
Nachruf auf Karin Stegemann Wolfgang Krohn ......................35
Nachruf auf Erika Rüschmann Helga Jähne.............................35
Urnenbeisetzung Reimar Fitzlaff Wolfgang Krohn ..................36
Vorläufiger Geschäftsbericht der BGH W.K.............................40
Achtsamkeits kongress in Hamburg
Holger Korin Stienen ...............................................................41
Sati-Seminar mit Ajahn Cittapala Silke Krohn .........................43
Jahreshauptversammlung der DBU 2011W.K...........................44
DBU: „Ethikcharta“ und „Ethikrat“ geplant, Kurzbericht
ArminDao Ketterer....................................................................45
Leserbrief
Jürgen Dahlström......................................................................46
Buchrezensionen
My oky o-ni: Lebendiger Buddhismus
Ulrich Beck................................................................................ 47
Jutta Besser: Zusammen ist man nicht allein. W. J. .................48
Begriffsreihen Aus den Lehrreden des Buddha
Zusammengestellt von René Meier W. J................................... 48
Programm ...........................................................................50
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Redaktion: Dr.Wiebke Jensen.
Die Autoren sind für ihre Beiträge selbst
verantwortlich. Der Inhalt muss nicht mit
der Meinung der Redaktion und der
Herausgeberin übereinstimmen. Dies gilt
auch für stilistische Besonderheiten. Wir
behalten uns jedoch vor, eingegangene
Beiträge redaktionell zu bearbeiten.
Redaktionsschluss für Heft 1.2012 ist der 31.
Oktober 2011.
Die BM erscheinen im Januar, Mai und
September. Sie werden auf Wunsch auch
gern per E-Mail zugestellt. Dann erscheinen die Fotos farbig und wir sparen das
Porto. Bei Interesse bitten wir um entsprechende Mitteilung.
Der Bezug der BM ist gratis, doch
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Die BGH ist nach dem letzten
Freistellungsbescheid des Finanzamts
Hamburg-Nord, Steuernummer
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religiöser Zwecke als gemeinnützig
anerkannt und nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des
Körperschaftsteuergesetzes von der
Körperschaftsteuer befreit.
3
Liebe Leserinnen und Leser!
Schon wieder neigt sich ein Jahr seinem Ende zu und mahnt uns, des Lebensendes
zu gedenken. Aber wie? Vor Jahren sagte der im Sterben liegende Mann einer engen Freundin meiner kurz zuvor an Krebs verstorbenen Mutter (Anneliese) zu seiner Frau: „Anneliese ruft mich“. Im ersten Halbjahr 2011 verließen uns das langjährige Mitglied Dr. Reimar Fitzlaff und Karin Stegemann, die sich um die BGH in
den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens sehr verdient gemacht hat, sowie Erika
Rüschmann aus dem Lehrredenkreis. Karin Stegemann soll beim Abschiednehmen
von ihrer Familie geäußert haben „Nun weiß ich ja, dass es gar nicht schlimm ist“
und spielte damit, wie ihr jüngerer Sohn meinte, wohl auf eine kurz zuvor erlebte
Nahtoderfahrung an. Ebenso wie Karin Stegemann hatte sich auch Reimar Fitzlaff
eine bescheidene Abschiedsfeier ohne Trauerkleidung gewünscht. Die Erschienenen sollten sich nach der Urnenbeisetzung zu einem fröhlichen Gedankenaustausch
zusammenfinden. Freundin Erika wusste genau um ihr Ende und wer sie kannte,
sieht sie im Geiste auf einem guten Wege weiterwandeln. C.G. Jung schrieb: „Im
Grunde genommen bin ich … nie mehr ganz vom Eindruck losgekommen, dass das
‚Leben’ ein Existenzausschnitt (Hervorhebung durch die Redaktion) sei, welcher
sich in einem hierfür bereitgestellten dreidimensionalen Weltsystem abspielt…“
(siehe „Erinnerungen, Träume, Gedanken“, zitiert nach Ital, Gerta, Auf dem Weg
zu Satori, Weilheim 1971, S 219).
Wie sich nach der von uns in den BM 2.2011 weitergeleiteten Anfrage eines
großen Hamburger Krankenhauses gezeigt hat, scheint die Bereitschaft, Sterbebegleitung zu leisten, nicht gering zu sein. Vielleicht verbirgt sich dahinter neben dem
Wunsch zu helfen auch ein vitales Interesse an der Thematik „Sterben und was
dann kommt“.
Sehr zu danken ist Kai Jacobsen dafür, dass er vor nun bald vier Jahren durch
seine große Spende und seinen persönlichen Arbeitseinsatz den Erhalt des Hauses
Nr. 25 und die Einrichtung des viel genutzten Mönchszimmers ermöglicht hat.
Der BGH geht es gut. Die Vorstandsarbeit durch W. Krohn und W. Jensen ist
bis zur nächsten Mitgliederversammlung im März 2012 sowohl rechtlich als auch
praktisch gesichert. Dennoch benötigen wir bis zu diesem Zeitpunkt dringend Unterstützung in verschiedenen Arbeitsbereichen, siehe Geschäftsbericht. Wir sind
zuversichtlich, dass wir die Frage des Vorsitzes der BGH bald in befriedigender
Weise werden lösen können. Wir sind Volker Köpcke dankbar, dass er drei Jahre
lang als erster Vorsitzender unserem Verein vorgestanden hat und uns auch jetzt
immer wieder sowohl im rechtlichen Bereich, als auch bei praktischen Aufgaben
unterstützt. Verein während einer besonders schwierigen Zeit geleitet hat.
Allen, denen unsere Arbeit am Herzen liegt, wünschen wir Freude an dieser
Ausgabe unserer Zeitschrift und einen gesegneten Jahresausklang.
Wiebke Jensen
4
Die Lehrrede vom Heil (Magala-Sutta)
SUTTA-NIPĀTA Sn II.4. Vers 258-269
Diese Lehrrede bietet einen kurz gefassten Überblick über die wirklichen
und höchsten heilbringenden, also zum Ende von dukkha führenden Eigenschaften, Verhaltensweisen und Wirkungen.
In einer Übersetzung aus dem Pāi von ArminDao Ketterer.
So ist das von mir Gehörte. – Zu einer Zeit weilte der Erhabene in Sāvatthi,
im Siegerforst im Park des Armenspeisers (Anāthapiika). Da näherte sich
in der zu Ende gehenden Nacht eine gewisse Gottheit, den ganzen Siegerforst außergewöhnlich erstrahlen lassend, dem Erhabenen; sich genähert und
den Erhabenen ehrerbietig gegrüßt habend, blieb sie seitlich stehen. Seitlich
stehen geblieben, richtete die Gottheit an den Erhabenen diese Strophe:
258 (DIE GOTTHEIT)
„Zahlreiche Götter und Menschen haben über Heilsdinge nachgedacht;
Wohlergehen erwartend, verkünde Du das Heilbringende!“
259 (DER ERHABENE)
„Keine Widmung dem Törichten, Widmung dem Verständigen;
Verehrung dem Verehrungswürdigen, das ist das Heilbringende.
260
An geeignetem Ort wohnen, in früherer Existenz Verdienste vollbracht;
Selbst nun mit trefflichem Streben, das ist das Heilbringende.
261
Reichhaltige Wahrheit und Fertigkeit, die (Ordens-)Disziplin gut geübt;
Glänzend gesprochene Worte, das ist das Heilbringende.
262
Unterstützung für Mutter und Vater, Fürsorge für Sohn und Frau;
Passende Beschäftigung, das ist das Heilbringende.
263
Freigebigkeit und lehrgemäßes Leben, Fürsorge für die Verwandtschaft;
Untadelige Handlungen, das ist das Heilbringende.
264
5
Abstehen und Enthalten von Schlechtem, bei berauschendem Getränk
Selbstbeherrschung;
Wachsamkeit in Bezug auf die Erscheinungen, das ist das Heilbringende.
265
Achtung und Demut, Zufriedenheit und Dankbarkeit;
Zur rechten Zeit das Hören der Lehre, das ist das Heilbringende.
266
Geduldige Nachsicht und freundliche Rede, Wanderasketen erkennendes
Sehen;
Zur rechten Zeit ein Lehrgespräch, das ist das Heilbringende.
267
Asketische M äßigung und nichtsinnlich-entsagende Lebensweise, erkennendes Sehen der Edlen Wahrheit;
Eigene Verwirklichung von Nibbāna, das ist das Heilbringende.
268
Von Erscheinungen der Welt berührt, wird die Gemütsneigung nicht erschüttert;
In Kummerlosigkeit, Unbeflecktheit und friedvoller Ruhe, das ist das Heilbringende.
269
Die solches getan haben, sind überall unbezwungen;
Sie gehen überall ins Wohlbefinden, dies ist für sie das Heilbringende.“
Die Lehrrede vom Heil, die vierte, ist zu Ende.
Dhammapāda Ve rs 383
In einer Übersetzung aus dem Pāḷi von ArminDao Ketterer.
Schneide ab den Strom* mit Tapferkeit,
Gib die Sinneslüste auf, heiliger M ann;
Den Untergang der Zusammensetzungsaktivität erkannt habend,
Kennst du das Nichtgemachte**, heiliger M ann.
* Strom der Triebe, des Begehrens.
** Nichtgemachtes ist gleichbedeutend mit Nibbāna.
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Geburtstagsgedanken
von Annette Poerschke
Wie viele Leben sind wohl vergangen,
im Auf und Ab, in Glück und Bangen?
Wie viele Male ward ein ıIch„ erstrebt,
wie viele Leben schon gelebt?
Wie oft mit Furcht dem Tod ins Aug' geblickt,
im Weiterwerdenwollen tief verstrickt?
Doch nun dies Leben, diese Geburt,
da ward erblickt im Fluss die Furt.
Gehört hab ich des Erwachten Wort,
da ward erkannt der Friedensort.
Wo kein Wunscheswille mehr entsteht,
nichts mehr aufsteigt, nichts vergeht.
Wo keine Gestaltung mehr begehrt,
wo keine Wollung mehr verzehrt.
Welch größ'ren Schatz kann einer finden,
als den Weg, alles Begehren zu überwinden?
Mit tiefster Dankbarkeit sei der Erhabene gepriesen,
der den Wesen diesen Weg gewiesen.
Mit jubelnd Freude kann ich solche sehn,
die als Asketen im Orden in der Übung stehn.
Voll Freude und Dankbarkeit kann ich auch an jene denken,
die mir die edle Freundschaft schenken.
Größ'ren Reichtum kann es für mich nirgends geben,
so ist dies bislang mein bestes Leben.
So ist in diesem Leben der größte Wunsch mir schon erfüllt,
der Freiheit Antlitz ist nicht mehr verhüllt.
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Die Geschichte vom Gazellenkönig Nigrodha
von Dr. Alfred Weil
Vortrag im NDR Info, Sendereihe Religionsgemeinschaften –
Buddhisten, am Sonntag, dem 17.07.2011, 07.15 bis 07.30 Uhr
Gelesen von Ursula Luhn und Kornelia Paltins
Eine alte indische Geschichte, Jataka 12, erzählt, dass der Buddha in einem
seiner früheren Leben im Reiche des Königs Brahmadatta als Gazelle geboren wurde. Als er aus dem Mutterschoß kam, leuchtete er wie Gold, seine
Augen funkelten, seine Hörner hatten die Farbe von Silber und sein Mund
die roter Gewänder. Das prächtige Tier lebte zusammen mit fünfhundert
anderen Gazellen in einem großen Wald, und für alle war er der geachtete
und verehrte Gazellenkönig Nigrodha. Ganz in der Nähe des Rudels hielt
sich noch eine andere fünfhundertköpfige Gazellenherde auf, an deren Spitze der ebenfalls goldglänzende Sakha stand.
König Brahmadatta nun war geradezu auf die Jagd versessen. An seinem Hof gab es keine M ahlzeit ohne Fleisch. Ohne jede Rücksicht rief er
jeden Tag einige seiner Untertanen zusammen, damit sie mit ihm auf die
Pirsch gingen. Den Leuten war das jedoch auf die Dauer zu zeitraubend,
und sie überlegten: „Lasst uns doch das Wild mit besonders wohlschmeckendem Futter und frischem, klarem Wasser in den königlichen Park locken. Dann verschließen wir das Tor, die Tiere können nicht mehr entkommen, und der König mag sich ihrer nach Lust und Laune bedienen.“ Bald
war der Plan in die Tat umgesetzt, beide Herden gefangen und der Herrscher
in seinem Palast über die neue Situation informiert.
Der ging alsbald freudig in seinen Park und erblickte zuallererst die beiden
goldfarbenen Gazellen, die er sofort unter seinen besonderen Schutz stellte.
Ihnen sollte nichts geschehen. Von nun an erlegte Brahmadatta entweder
selbst eines der Tiere oder er beauftragte seinen Koch. Jedes M al aufs Neue
stürzten die Gazellen in Panik davon, wenn sie einen M enschen mit Pfeil
und Bogen herankommen sahen, und nicht selten zogen sie sich böse Verletzungen zu. M anche starben sogar bei ihrer wilden Flucht.
Als der Bodhisatta dessen gewahr wurde, rief er Sakha, den Anführer
der anderen Herde, zu sich und machte ihm folgenden Vorschlag: „M ein
Lieber, wir leben in schlimmen Zeiten, die einigen unserer Schwestern und
Brüder das Leben kosten und allen anderen Angst und Schrecken bringen.
Wie wäre es, wenn sich jeden Morgen eines von uns freiwillig zum Opfer
8
brächte? Wer das sein wird, mag das Los bestimmen, und abwechselnd soll
es eines aus deiner und aus meiner Schar sein. Der Unglückselige begibt
sich an einen vereinbarten Ort und übergibt sich dem König.“ „So werden
wir es machen“, antwortete Sakha. „Wenn auch viele sterben müssen, können wir auf diese Weise unnötigen Schmerz vermeiden.“
Nachdem auch Brahmadatta sein Einverständnis gegeben hatte, verfuhr
man so, wie die beiden Gazellenkönige verabredet hatten.
Eines Tages nun traf das Los eine schwangere Gazelle aus der Herde
Sakhas. Sie war über die Maßen betrübt und wandte sich traurig an Sakha:
„M ein Herr, in meinem Leib wächst ein Junges heran. Wenn ich nun mein
Haupt auf den Opferblock lege, werden zwei von uns sterben müssen. Lass
doch für dieses Mal das Los an mir vorüber gehen. Ich bitte dich darum, um
meines Kindes willen.“ Sakha aber schüttelte den Kopf: „Ich kann dir nicht
helfen. Du weißt, was du zu tun hast, also gehe und erfülle deine Pflicht.“
In ihrer Not ging die werdende Gazellenmutter zu dem Gazellenkönig
Nigrodha und klagte auch ihm ihr Leid. Der überlegte nicht lange und erwiderte: „Gehe du zurück in das Gehölz, du sollst frei sein. Ich selbst werde
heute dem König als Speise dienen.“ Woraufhin er sich umgehend an den
vereinbarten Ort begab, wo der Koch schon etwas ungeduldig wartete.
Der aber wollte seinen Augen nicht trauen. ‚Hat Brahmadatta dem Gazellenkönig nicht seinen Schutz angeboten? Hat er nicht für dessen Leben gebürgt? Wie kommt es denn, dass jetzt Nigrodha selbst am Opferplatz erscheint?’, fragte er sich. Schleunigst machte der verwirrte Koch kehrt und
berichtete dem König von dem merkwürdigen Geschehen. Ungläubig und
kopfschüttelnd bestieg Brahmadatta seinen Wagen und preschte in den nahe
gelegenen Park. Er wollte sich selbst ein Bild machen.
Dort angekommen, sprach er: „Lieber Nigrodha, du weißt, dass ich dir
meinen persönlichen Schutz gewährt habe. Du hast den Tod nicht zu fürchten, warum also finde ich dich an dieser Stelle?“ Der Bodhisatta sah ihn an
und antwortete: „Brahmadatta, heute kam eine trächtige Gazelle zu mir und
bat um ihres Jungen willen um Schonung. Sie flehte: ‚Lass das Los für dieses Mal an mir vorüber gehen, sonst wird es auch meine Leibesfrucht treffen.’ Ich aber will nicht das Leid des Todes einem andern aufbürden, und
das ist der Grund, warum ich hier warte. Ich bin gerne bereit, mein Leben
für das ihre und das des Jungen hinzugeben. Tue also, was dir beliebt.“
Der König hielt einen Moment inne und sagte schließlich: „Bester Gazellenkönig, am Königshof, ja in meinem ganzen Reich ist mir noch nie
jemand begegnet wie du. Deine Freundlichkeit und dein Mitempfinden ha9
ben mich besiegt. Du kannst aufstehen und wieder zu deiner Herde zurückkehren. Dir und jener Muttergazelle gewähre ich die Freiheit.“
„Wenn wir beide gerettet sind, was soll dann aber mit unseren Schwestern
und Brüdern hier im Park geschehen, oh König?“, entgegnete der Bodhisatta. Auch sie wollen leben und nicht sterben. – „Auch den übrigen soll von
nun an nichts mehr geschehen, das verspreche ich.“ – „Und was ist mit all
den anderen Gazellen in Wald und Flur?“ – „Sie sollen ein Leben frei vor
Furcht und ohne Sorge führen“, so der König. – „Und die übrigen Vierfüßler, die Vögel in der Luft, die Fische im Wasser? Wie wird es ihnen ergehen?“ – „Ganz ebenso, von mir haben sie nichts mehr zu befürchten.“
Auf diese Weise erreichte der Gazellenkönig Nigrodha, dass am Königshof
nie mehr gejagt und alles Leben geschont wurde. M ehr noch. Tief beeindruckt von dem M itgefühl des außergewöhnlichen Tieres wurde Brahmadatta auch für die Weisheit aus Nigrodhas Mund empfänglich. Und dieser riet
ihm: „Wandle einen heilsamen Weg, mein König. Wenn du für deine Familie und deine Untertanen ein Vorbild bist und die Regeln von Sitte und Anstand niemals übertrittst, wenn du stets friedfertig bleibst und keinem etwas
zuleide tust, dann wirst du nach deinem Tod in himmlischer Welt wiedererscheinen.“ Mit Freude nahm der König diese Ratschläge an und beherzigte
sie.
Noch für einige Zeit blieb der Gazellenkönig in Brahmadattas Park, um
den König weiter zu belehren, ihn zu inspirieren und ermutigen, in seinem
Bemühen nicht nachzulassen. Danach verschwand er mit seiner Herde für
immer.
Jatakas, sogenannte Wiedergeburtsgeschichten wie die eben gehörte,
sind in der buddhistischen Tradition sehr beliebt. Nicht nur bei Kindern. Sie
machen den Zuhörer auf lebendige und anschauliche Weise mit den herausragenden Eigenschaften vertraut, die sich der werdende Buddha im Laufe
seiner vielen vergangenen Leben erwarb. Oft sind – wie der Gazellenkönig
Nigrodha – Tiere die Hauptakteure. Diese Geschichten lehren, ohne belehrend zu sein, sie geben Ratschläge, aber ohne erhobenen Zeigefinger.
Was aber macht Nigrodha wahrhaft königlich, was unterscheidet ihn
von allen anderen?
In den Handlungen des edlen Tieres werden ein großes Herz und ein
klarer Geist sichtbar. Es besitzt Eigenschaften, die ein Buddha in besonderer
Weise verkörpert: Güte, Mitempfinden und Weisheit.
Güte hat, anders als es in unserer Gesellschaft zunehmend Mode wird,
nicht nur das eigene Interesse im Auge. Sie handelt nicht egozentriert und
10
nächstenblind, sondern sie nimmt das Wohl aller in den Blick und setzt sich
dafür ein. Und das Wohl aller meint auch das Wohl aller. Sich um den eigenen Partner zu kümmern, für die eigene Familie etwas zu erreichen oder für
das eigene Land da zu sein, ist kein ganz außergewöhnliches Kunststück.
Aber Wohlwollen ohne Ausnahmen und Einschränkungen zu entfalten,
schon. Deshalb gilt das in unserer Geschichte für jedes einzelne Tier – auch
aus dem fremden Rudel. Und wie der Fortgang der Geschichte zeigt, ist
davon selbst der fleischhungrige und unbarmherzige Brahmadatta nicht ausgenommen, den die Gazellen eigentlich als ihren Todfeind betrachten müssten.
Mitempfinden heißt, den anderen in seiner Notsituation zu sehen und
sich nicht abzuwenden, sondern die helfende Hand zu reichen. Mitempfinden heißt, jemanden in einer schwierigen Lage zu unterstützen, auch wenn
damit ein persönlicher Nachteil verbunden ist. Nigrodha ist sogar bereit,
sein Leben zu opfern. Ihm ist das möglich, weil er längst keinen Unterschied mehr macht zwischen Ich und Du. Denn unterschiedslos alle Wesen
wollen Schmerz vermeiden und alle streben sie nach Glück und Zufriedenheit. Wer hätte da ein größeres und wer ein geringeres Anrecht? Nigrodha
kann seiner Herde so gut voranstehen, weil er seine eigenen Wünsche ohne
Bedenken zurückstellt. Sein eigenes Glück ist ihm nicht wichtiger als das
von jedem anderen in seinem Gefolge. Der goldene Glanz, den er um sich
verbreitet, ist also nicht nur äußerlich; er gründet in dem Strahlen seines
reinen Herzens.
Doch zu dem Mitempfinden des Gazellenkönigs kommt eine weitere
Eigenschaft hinzu: seine tiefe Weisheit. Zum Fliegen braucht man bekanntlich zwei Flügel, und so bezeichnen Buddhisten M itempfinden und Weisheit
gelegentlich als die beiden Schwingen, die auf die Insel der Freiheit tragen.
Wo Einsicht fehlt, kommt niemand ans Ziel.
Weisheit ist aber mehr als intellektuelles Wissen oder Resultat einer intensiven akademischen Bildung. Weisheit ist die Fähigkeit, das Leben in
seiner Tiefe zu verstehen und intuitiv auch die verborgenen Seiten der Wirklichkeit zu erfassen.
Nigrodha weiß, dass persönliches Glück nicht auf Kosten anderer gedeihen kann. Er weiß, dass es nur aus wechselseitiger Fürsorge erwächst,
wo der eine für den anderen einsteht, weil jeder dem Grunde nach mit seinem Nächsten eins ist. Einen anderen zu verletzen oder zu töten, heißt sich
selbst weh zu tun oder umzubringen. Ein M itwesen zu schonen, ist dagegen
der beste Schutz auch für einen selbst. Ethisches Verhalten und eine wohl11
wollende Geisteshaltung können nicht eingefordert oder erzwungen werden,
sie erwachsen zwangsläufig und haben Bestand, wo tiefe Einsicht sie trägt.
Der Gazellenkönig kann Brahmadatta gar nicht als seinen Gegner betrachten, er ist für ihn nicht weniger ein der Hilfe bedürftiges M itwesen als
die verzweifelte trächtige Gazelle. Aus seinem Wissen kann sich Nigrodha
darauf verlassen, dass Mitempfinden am Ende sogar Gewalt und Rücksichtslosigkeit besiegt, und er behält Recht. Und weil Weisheit nicht nur das
vor Augen Liegende sieht, kann der Gazellenkönig seinem gelehrigen
menschlichen Schüler sogar eine gute ferne Zukunft versprechen. Einwandfreies Verhalten und ein friedfertiger Geist zeitigen positive Folgen nicht
nur im Hier und Jetzt, sondern auch jenseits des Todes. Wer ein Engel in
Menschengestalt ist, kann nur in himmlischer Welt wiedererscheinen.
Wir verabschieden uns mit dem Gruß
„Mögen
„Mögen alle Wesen glücklich sein und Frieden finden.“
finden.“
Shiro San
von Holger Korin Stienen, Mai 2011
Es begab sich zu jener Zeit, als fast die ganze Welt in schrecklichen Kriegen
unterzugehen drohte. Das aber ist noch gar nicht so lange her. Ein Vater,
Soldat, schrieb an sein noch ungeborenes Kind: „An mein Kind, dem ich nie
begegnet bin – das Schicksal hat verhindert, dass wir uns kennen lernen.
Denn ich bin bald, nachdem du empfangen wurdest, dorthin gekommen, von
wo es kein Zurück mehr gibt. Aber ich möchte nicht, dass du traurig bist.
Ich werde immer an deiner Seite sein. Wenn du dich einsam fühlst, schaue
zur Sonne durch deine halb geschlossenen Wimpern hinauf und du wirst
mich in den Regenbogenfarben erkennen. Von dort irgendwoher schaue ich
zu, wie du größer und größer wirst. Beschütze und unterstütze deine Mutter.
Aber das Wichtigste ist, bis zu seinem Lebensende nie aufzugeben. Dein
kurzes Leben zu leben, hier und jetzt, als wäre es endlos. Du wirst es verstehen….“
Kurz darauf jener unsägliche August. Hiroshima. Shiro war immer
noch im Bauch seiner traurigen, tapferen, jungen Mutter. Der Röntgenblitz
aus der Ferne durchfuhr ihren Körper. Und nach einigen Tagen M arsch aus
der Region, unter abertausenden von Versehrten, Verbrannten und Verstrahlten, brachte sie auf einem kleinen Gehöft einen Jungen zur Welt, Shi12
ro. Shiro bedeutet weiß. Er war blass, klein, aber gesund. Sie konnte ihn
nicht einmal stillen, so schwach war ihr Körper. Sie wurde immer kränker
und starb nach kurzer Zeit elendiglich an der Strahlenkrankheit. Aber das
Kind war, wie durch ein Wunder, gesund. Nicht einmal einen Brief konnte
sie ihm hinterlassen. Keinen Hinweis auf Verwandte. Im Katastrophengebiet herrschte großes Durcheinander. Die Frau wurde von gänzlich Unbekannten auf freiem Feld eingeäschert Auf dem kleinen Friedhof hinter einem alten Holztempel, wo sich die Grabsteine stapelten, führte der Priester
eine Trauerfeier für die Frau durch, eine von vielen in jenen Tagen: „Die
Welt ist völlig rein und voller Licht, das leuchtend das Universum umfasst.
Wenn wir unsere Welt betrachten, scheint sie der Stoff von Träumen zu
sein. Wir wünschen, wenn wir uns vor Buddha, der Lehre und der buddhistischen Gemeinde verneigen, dass wir dieses Leuchten erkennen mögen.
Demutsvoll kommen wir in diesem Tempel zusammen.“
Shiro wurde in einen anderen Tempel gebracht und dann in einen weiteren am Japanischen M eer, wo auch andere Waisen lebten und mit dem Abt
und der Haushälterin wie in einer Familie auf dem Berg inmitten des Zedernwaldes aufwuchsen. Damals gab es noch das Reisfeld am Hang und
viele giftige Oyboshi-Schlangen. Das Leben war hart, fast alles zum Leben
musste die kleine Gemeinschaft selber erzeugen. Das Dorf im nahen Tal
war arm, aber die Kinder wuchsen glücklich auf, tollten und tobten herum
und lernten das Leben im Zen-Geist kennen, frühes Aufstehen, Meditation,
Rezitationen, Arbeit in Haus und Garten, auf dem Friedhof nebenan oder
das Schleppen schwerer Reissäcke den Hang hinauf, wenn jemand diese
gespendet hatte. Sie planschten im Quellwasser, das bis heute den Tempel
versorgt, und schnickten kleine Steinchen zu den Koys im Teich, suchten
die Eier im Hühnerstall oder vertrieben die Hornissen mit Räucherwerk.
Aber schließlich blieb, nachdem sie die Schule verlassen hatten, nur eines
der Kinder im Tempel, Shiro. Er hatte das Zen-Leben verinnerlicht und sich
für den spirituellen Weg entschieden, worüber der Abt sehr glücklich war.
Er fand in ihm seinen Nachfolger.
So wurde Shiro in das große Ausbildungskloster Eiheiji geschickt und
war einer von vielen hundert Novizen und Mönchen. Heute leitet er den
vierhundert Jahre alten Tempel, in dem er aufwuchs, und bildet selber Nonnen und Mönche aus. Nur manchen Schülern zeigt er die M alereien auf den
Innenseiten mittelalterlicher Schränke. Jetzt ist er alt geworden, aber unermüdlich. Er arbeitet wie ein junger Mensch, kümmert sich um viele bemitleidenswerte Personen im Dorf, geht auf Bettelgänge, leitet Zeremonien und
macht jede zweite Woche durchgängig vom M orgengrauen bis in die Nacht
13
hinein Zazen und Kinhin, Sitzen und Gehen in Stille; manche früheren Jahre
nach dem Tod des Meisters ganz alleine. Seine Lehrreden bestehen oft aus
Geschichten aus dem wahren Leben, die er herzergreifend in schlichter
Sprache erzählt. Ein M ensch des theoretischen Buddhismus’ ist er nie geworden und zudem ist er arm geblieben. Zuletzt ist das jahrhundertealte
Eingangstor zum Tempelbezirk eingestürzt. Das muss so bleiben, bis vielleicht einmal jemand ein neues spendet. Beklagt hat er sich noch nie und
ruht einfach nur in sich. Wenn man ihm begegnet, spürt man Glück und wie
aus einem elterlichen Instinkt möchte man das Kind gerne – noch einmal –
„adoptieren“.
Aus einer Lehrrede von Shirosama Roshi, eine wahre Begebenheit:
„Ein Junge kommt zu einem Tischlermeister in die Lehre. Nach einiger Zeit
versucht die Ehefrau des Handwerksmeisters, den Jungen zu verführen, der
jedoch die Versuche der Frau ablehnt. Daraufhin berichtet sie ihrem M ann,
dass der Lehrling sie vergewaltigen wollte. Es kommt zu einem Streit, der
Lehrherr schlägt den Jungen, der sich schließlich wehrt. Der Lehrherr stürzt
und bricht sich das Genick. Der Junge wird verhaftet und kommt lange Jahre ins Gefängnis. Dort wird er im Laufe der Zeit zu einem ernsthaften
Buddhisten. Als er entlassen wird, lebt er zunächst in einem Kloster, kehrt
aber nach vielen Jahren in sein Heimatdorf zurück. Der Lehrherr und dessen
Frau sind gestorben, aber der Sohn, den er noch kennen gelernt hat, lebt und
führt die Werkstatt. Er wirft sich vor ihm nieder und bittet um Verzeihung.
Der frühere Freund hört ihn an und erfährt vom Hintergrund der Geschichte.
Beide wollen etwas Gutes für die Menschen tun und bauen daraufhin eine
Brücke über den Fluss, die das Dorf mit den Städten und Gemeinden der
Umgebung verbindet“. Ja, so versöhnlich und friedvoll kann das Leben,
besonders im Geiste Buddhas, sein.
Nach langen Recherchen, und vielleicht durch karmische Umstände,
gelangte kürzlich der Brief von Shiro Sans Vater in meine Hände. Ich habe
ihn dieser Tage an ihn geschickt. Als wir beiden das letzte M al zusammen
am M eer saßen, waren wir glücklich und gerührt und ohne ernsthafte Vorahnung, sogar beim Blick durch das alte Fernglas hinaus auf die Halbinsel,
wo in der Ferne aus hinter Hügeln verborgenen Kühltürmen über dem Wald
hoch in den Himmel Dampf aufstieg.
14
Sind westliche Buddhisten tole rant?
Erfahrungen eines Übenden auf dem Zen Weg
von Ulrich Beck
Die obige Frage mag seltsam anmuten, werden doch Buddhisten gemeinhin
für friedliche und tolerante M enschen gehalten. Zahlreiche ThailandUrlauber hatten schon Gelegenheit, diese angenehmen Charakterzüge persönlich zu erfahren, und auch die Bildberichte aus dem von der schrecklichen Katastrophe heimgesuchten Japan zeigen in der Bevölkerung des Inselstaates eine auffallend gering ausgeprägte Aggressionstendenz der Regierung und dem betreffenden Unternehmen gegenüber, die Ausdruck der
buddhistischen Prägung dieses Landes sein dürfte.
Sind diese Friedfertigkeit und Toleranz auch bei westlichen Buddhisten
zu erkennen? Wenn echte Toleranz vorhanden wäre, müsste sie auch im
interreligiösen Umgang miteinander zu finden sein. An dieser Stelle taucht
sogleich eine weitere Frage auf. Wer unter uns westlichen Buddhisten hat
wirklich die Berechtigung, sich als einen solchen zu betrachten und auszugeben? Hat doch allein aufgrund des Zeitfaktors, nämlich. der vergleichsweise kurzen Präsenz bei uns im Westen diese Religion noch keine
tiefen Wurzeln schlagen können. Zwar gab es in Deutschland schon mit
Schopenhauer, der seine Vorstellungen durch den Buddhismus bestätigt sah,
und Nietzsche (man kann ihn wohl kaum als dem Christentum gegenüber
toleranten Philosophen bezeichnen) schon „frühe“ Sympathisanten, aber ob
sie wirklich eine tiefgehende Kenntnis der Lehren besaßen oder jemals
„praktiziert“ hatten, muss offen bleiben. Im Übrigen fühlte sich auch Richard Wagner zeitweilig zum Buddhismus hingezogen und plante eine romantische buddhistische Oper mit einer Liebesgeschichte Ānandas als
Kernpunkt der Handlung. Wie wir wissen, gab es schon im frühen 20. Jahrhundert deutsche Ausgaben der Lehrreden, aber von einer Verbreitung
buddhistischen Gedankengutes konnte zunächst noch nicht die Rede sein.
Für mich war beispielsweise Georg Grimms Hauptwerk aus dem Jahre
1957 „Die Lehre des Buddho“ bedeutsam, da es eine gut strukturierte Übersicht
1957 „Die Lehre des Buddho“ bedeutsam, da es eine gut strukturierte Übersicht aufwies, nach der man wirklich „lernen“ konnte. Erst viel später begann ich zu begreifen, dass die Praxis mit der Ausübung der Lehre das Entscheidende ist. Die Zahl praktizierender Buddhisten hat wohl innerhalb der
letzten fünfzig Jahre kontinuierlich zugenommen, und die Popularität einiger buddhistischer Lehrer wie des Dalai Lama ist bemerkenswert groß.
Dennoch bleibt die Frage offen, wer wirklich ein echter praktizierender
15
Buddhist ist. Bekanntlich sind die Kenntnis oder das Verständnis der Lehren
noch keine stichhaltigen Kriterien, welche die Bezeichnung „Buddhist“
rechtfertigen, da der Praxis im Buddhismus eine überragende Rolle zukommt. Sicherlich hat jeder unter uns Buddhisten (ich wage es, mich so zu
titulieren) schon Erfahrungen gemacht, welche das oben angesprochene
Toleranzkonzept in Frage stellen. Hierüber möchte ich aus eigener Erfahrung berichten.
Ein erst ganz kurz zurückliegendes Erlebnis stieß mich (beinahe gewaltsam!) darauf, über Toleranz von bekennenden Buddhisten gegenüber
unterschiedlichen buddhistischen Traditionen und anderen Religionen nachzudenken. Gemeinsam mit einer Zen-Freundin hatte ich ein Buch über
Lehrgeschichten aus Nördlicher und Südlicher Tradition des Buddhismus
mit Kommentaren unserer gemeinsamen Lehrerin, der Ehrw. Myokyo-ni
(Dr. Irmgard Schlögl) aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt und zur
Publikation an einen Verleger geschickt, der vorwiegend Theravāda-Texte
herausbringt. Zunächst zeigte er sich sehr interessiert, beinahe sogar begeistert, und wollte das Werk herausbringen. Die Autorin, eine international
(besonders in England und Japan) bekannte Zen-Meisterin hat bei ihrer Darstellung der Lehren häufig auf Parallelen mit anderen Religionen, vorwiegend mit dem Christentum, hingewiesen, um westlichen Lesern mit christlich geprägtem kulturellen Hintergrund das Verständnis zu erleichtern. Gelegentlich wurden auch daoistische Vorstellungen erwähnt. Dies schien dem
Herausgeber jedoch sehr suspekt und nicht vertretbar zu sein. Schließlich
müsse man sich doch einer ausschließlich buddhistischen Nomenklatur bedienen. Sein Unbehagen schlug dann sogar in Aggression um, so dass er die
Autorin als eine „Nicht-Versteherin der Buddha-Lehre“ bezeichnete und die
Herausgabe des Buches definitiv ablehnte.
Vergleichbare Erfahrungen machte ich auch bei Zen-Buddhisten, die
sich dem Christentum gegenüber mehr als ablehnend und abwertend äußerten. In der Gruppe eines Zen-Kreises, welcher ich mich in den achtziger
Jahren vorübergehend angeschlossen hatte, attackierte der „Leiter“ das
Christentum nach jeder gemeinsamen Sitzung, wobei er die Überlegenheit
„unserer“ Religion, nämlich des Buddhismus’, herauszustellen versuchte.
Kann man sich selbst mit einer derartig intoleranten engstirnigen Haltung
wirklich wohl fühlen? Ich fühlte mich jedenfalls keineswegs wohl und suchte mein „Heil“ bei einer anderen Zen-Gruppe. Auch hier war leider von
religiöser Toleranz nichts zu spüren: hier war es sogar verpönt, sich frohe
Weihnachten oder Ostern zu wünschen. Nach einem Jahr Probezeit sollte
man sich um die vollwertige M itgliedschaft in der Gruppe bewerben. Die
16
Voraussetzung allerdings sei, dass man seinen Austritt aus einer der christlichen Kirchen unter Beweis stellte. Es musste ein amtliches Schreiben als
Bestätigung über den Austritt aus der Kirche vorgelegt werden. Nun, dieses
Verfahren führte dazu, mich nochmals neu zu orientieren, und diesmal war
es der große Glücksfall, von der oben erwähnten Lehrerin und Autorin mehrer Bücher als Schüler angenommen zu werden.
Später, als einmaliger Gast in einer von einem asiatischen Meister geleiteten Zen-Gruppe, wurde ich Zeuge, wie der M eister abfällige Bemerkungen über den Theravāda-Buddhismus hervorbrachte und die Überlegenheit der Zen-Schule pries. „Intoleranz gibt es also nicht nur bei westlichen
Buddhisten“, dachte ich im Stillen. Nun könnte man denken, es sei doch nur
menschlich, die eigene religiöse Tradition anzupreisen und sie höher als
andere zu stellen. Die Geschichte wimmelt ja nur von solchen Beispielen
und den sich daraus ergebenden erschreckenden Folgen. Wir sehen also
schon aus diesen selbst erlebten wenigen Erfahrungen, dass religiöse Toleranz keineswegs überall in buddhistischen Kreisen anzutreffen ist.
In der folgenden Zusammenfassung möchte ich mich an den Vier Edlen
Wahrheiten orientieren:
E r s t e n s lässt sich sagen, dass Intoleranz eigenes und anderen zugefügtes L e i d e n ist. Dies wirkt einengend und lässt keine menschliche
Wärme und Herzlichkeit aufkommen.
Z w e i t e n s stellt sich die Frage nach der Ursache dieses Leidens. Sie
liegt unter anderem darin, dass die Verwurzelung in der ursprünglichen oder
angenommenen Religion (hier ist von Buddhismus die Rede) nicht tiefgehend genug ist. Die Folge sind uneingestandene Selbstzweifel und Unsicherheit, sodass die „andere“ Religion oder Tradition „kompensatorisch“
abgelehnt, schlimmstenfalls sogar verteufelt werden muss. Bedeutsam für
eine wirklich tiefe Verwurzelung im Buddhismus sind natürlich auch karmische Beziehungen die vorhanden sein müssen.
D r i t t e n s gibt es eine Heilung dieses Leidens.
V i e r t e n s ist die Heilung dieses Leidens in dem Edlen Achtfachen Pfad
formuliert, wobei besonders eine entsagende, hasslose und friedliche Gesinnung kultiviert werden muss.
Mögen wir uns alle darum zu unserem gegenseitigen Wohl bemühen!
17
Entzücken
Entzückend wahrlich
sind die Wälder,
wo sich die
die Menge nicht erfreut,
denn diese
bringt den Götzen Gelder,
weil sie
die Sinnesruhe scheut.
Wie auf der Wiese
so im Wald,
auf der HöhÊ
und in der WeitÊ
Entzücken
zeiget sich, sobald
der Weise
zur Sammlung ist bereit.
(nach Dhammapāda VII, 98-99)
© Ulrich Jüdes
M ettā Vihāra, 10.06.05
18
Meditation im Stehen
(Ajahn Cittapala, Vesak 2011)
Im Satipa--hāna-Sutta (M 10) erwähnt der Buddha bei der Betrachtung des
Körpers ausdrücklich vier verschiedene Körperhaltungen, das Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen:
„Wiederum, ihr Bhikkhus, versteht ein Bhikkhu beim Gehen: ,Ich gehe;’
beim Stehen versteht er: ,Ich stehe;’ beim Sitzen versteht er: ,Ich sitze;’
beim Liegen versteht er: ,Ich liege;’ oder er versteht, in welcher Stellung
sich sein Körper auch immer befindet.”
(Kay Zumwinkels Übersetzung, S. 156)
Meditationsanweisungen werden meistens für die Meditation im Sitzen gegeben. Und in einigen Traditionen gibt es auch die Praxis der Gehmeditation, die im Wechsel mit dem Sitzen geübt wird, was die meisten von uns als
Wohltat für Knie, Kreislauf und Wachheit erleben. Weniger bekannt sind
Anweisungen für die Meditation im Stehen und Liegen. Nachdem ich beim
Wochenend-Retreat in der BGH im Mai zum Thema Sati das Meditieren im
Stehen und Liegen vorgestellt hatte, bin ich gebeten worden, das noch einmal schriftlich zu wiederholen.
Meditation im Stehen
Am besten stellt man sich auf festen Boden, die Füße flach am Boden, entweder hüftweit auseinander (das ist bequem und verleiht Standfestigkeit),
oder eng zusammen (was wenig Standfestigkeit verleiht, dafür aber fortwährend körperliche Wachheit verlangt, kleine ausgleichende Bewegungen, um
die Balance zu halten). Die Beine sind gestreckt, die Knie weich, der Beckenboden ganz leicht nach vorn gezogen, sodass der untere Rücken entspannt ist. Die Arme hängen locker an den Seiten, die Schultern gehen etwas nach hinten und sind entspannt, das Kinn wird ganz leicht eingezogen.
Zu Beginn kann man das Gewicht ein paar M al leicht von links nach rechts
und dann von hinten nach vorn verlagern, um ein gutes Gefühl für ein entspanntes Gleichgewicht, eine lebendige innere M itte, zu finden. Dann kann
man mit der Aufmerksamkeit langsam vom Steißbein aus die Wirbelsäule
hochgehen, bis zum obersten Halswirbel, auf dem der Schädel ruht. Wenn
wir vielleicht ein bis zwei M inuten sanft in diesen Bereich hinein atmen,
kann sich die Anspannung lösen, die sich oft dort und auch ums Kieferge19
lenk gesammelt hat. Das mag auch dazu führen, dass das Atmen unwillkürlich tiefer wird und der Nacken sich löst und von innen her streckt.
Es empfiehlt sich, bei längerem Stehen die Aufmerksamkeit mit dem Ausatmen immer mal wieder die Wirbelsäule hinunter und bis in die Fersen zu
leiten und dabei alles Gewicht, alle Anspannung in den Boden abzugeben;
und danach die Aufmerksamkeit mit dem Einatmen wieder aufsteigen zu
lassen. Das unterstützt eine natürliche Energiebewegung im Körper, die
einem Ermüden entgegenwirkt.
Eine solche weiche, wache Achtsamkeit auf den Körper ist weniger ein
„Tun“ als ein fortwährendes Registrieren, wie der Körper sich von innen her
zu entspannen und aufzurichten beginnt, sobald wir unser oft unbewusstes
Festhalten aufgeben. Langsam kann sich ein transparentes GanzkörperEmpfinden einstellen, bei dem das feine Zusammenspiel von Atem und
Körperbewegung und auch verschiedene energetische Vorgänge wahrgenommen werden können.
Solange man sich noch nicht an längeres Stehen gewöhnt hat, ist es vielleicht gut, die Stehmeditation auf 15 M inuten zu beschränken. Wem die
aufsteigende Energie unangenehm werden sollte, möchte sich vielleicht
hinsetzen. Wer will, kann das Stehen langsam auf 60 Minuten ausdehnen
und im Wechsel mit Sitzen und Gehen üben. Erstaunlicherweise führt eine
längere Stehmeditation normalerweise nicht zu Müdigkeit, sondern zu zunehmender Energie und Wachheit. Daher wird sie besonders dann empfohlen, wenn man zu Müdigkeit und Unkonzentriertheit neigt, z. B. nach dem
Essen oder abends.
Der zweite Teil der Anleitung, „Meditation im Liegen“, von Ajahn Cittapala ist
für Heft 1.2012 vorgesehen. Die Redaktion
20
Purple Rhododendrons
Do you know how I felt?
I felt that I had come home ⁄
You'll find my grave
At the end of a long row
Among endless long rows
Of purple rhododendrons.
You'll not find grief there
Just life resigned to eternal silence.
You'll also not find heaven,
For heaven knows nothing of Death or its beauty,
However, you may find a perplexing emptiness
And that only rarely,
In the hearts of dark mystics,
Who have found their hiding
in the shadows
At the ends of those long rows
Of purple rhododendrons.
Lives forgotten by the millions,
Memories exhumed only when someone kneels,
Head bowed towards the deceased left behind,
Even when the future beckons him to go on,
At that eventual other end, the dead past awaits.
If you be sad, don't!
Leave behind your sorrows
as you tread step by step along these pavements
that wind between littered gravestones.
If you feel angry,
Recollect Death's redressings,
Consider how he comes and puts an end to life's insanities ⁄
This garden of Death is a reminder of that forgiveness,
So forgive,
21
Forgive all those inhumane atrocities
committed in the name of justice.
Then bury
Those bomb-blasted days as one does,
Those over rotten corpses
Into the earth of a forgiving Garden,
As those rhododendrons
Bloody red, if you would have them
Fall, turn brown, then black,
Then again as invisible latent possibilities.
After that, you can walk happily
Pass those fallen soldiers and policemen,
Firemen , murdered children, unborn foetuses,
and victims of the holocaust,
Exulted, filled with compassion
Along waters and streams
Memories, recollections and dreams
flow saturated, swim with ducks.
Nature consoles, nature uplifts the heart
Nature is also Death and also life.
Happy are they who have found their final repose
Underneath shady trees
Repaying Nature what they owed
by the few grams of their own elements.
Nearby rises the tomb of Linné,
Descendant of a most respected botanist
A past director of one of the largest cemeteries in the world
Who must have understood Nature's spirituality.
And thus he tended to these rhododendrons
And thus endless long rows of purple rhododendrons.
22
It's somewhere here
At the farthest end
where lies my love,
And at another charming corner lies yours.
Blissful it is when the pains of life
Have been laid to rest,
It's here at the end of a long row
Among endless long rows
Of purple rhododendrons,
It's here where time stops,
Here where they never died,
Here where we never lived.
30- M ay- 2011 Ohlsdorf Friedhof, Hamburg; Foto: Bhante Sujiva
Purpurne Rhododendren
23
Ins Deutsche übertragen von Jan van Wurstemberger
Wisst Ihr, wie ich mich gefühlt habe
Unter endlosen langen Reihen
Purpurner Rhododendren?
Ihr werdet dort keinen Kummer finden
Nur Leben, das zu ewiger Stille zurückgetreten ist.
Auch den Himmel werdet ihr nicht finden,
Denn der Himmel weiß nichts vom Tod oder von dessen Schönheit,
Ihr könntet jedoch eine verwirrende Leere antreffen
Und dies, auch nur selten,
In den Herzen dunkler Mystiker,
Die ihr Versteck
In den Schatten gefunden haben Am Ende dieser langen Reihen
Purpurner Rhododendren.
Von den Millionen vergessener Leben,
Erinnerungen, die nur dann exhumiert werden,
Wenn sich jemand niederkniet,
Den Kopf dem hinterlassenen Verstorbenen zugeneigt,
Und selbst, wenn die Zukunft ihm zum Weitergehen zuwinkt,
Am letztendlichen anderen Ende, wartet die tote Vergangenheit.
Solltet Ihr traurig sein, seid es nicht.
Lasst Eure Trauer hinter Euch
Derweil Ihr Schritt für Schritt diesen
Pflastersteinen entlang schreitet,
Die sich durch dahin gestreute Grabsteine winden.
Solltet ihr Euch ärgern,
Dann erinnert Euch an die Wiedergutmachungen des Todes,
24
Berücksichtigt, dass er kommt und allem Wahnsinn des Lebens
ein Ende bereitet.
Also vergebt,
Vergebt all diese unmenschlichen Grässlichkeiten,
Die im Namen der Gerechtigkeit begangen wurden.
Dann begrabt
Diese von Bomben zersprengten Tage,
Wie man verwesende Leichen begräbt –
In die Erde eines vergebenden Gartens.
Sowie diese Rhododendren,
Blutrot, wie ihr sie euch herbeiwünschen würdet,
Dann jedoch abfallen und braun werden und dann schwarz,
Und dann wieder zu unsichtbaren latenten Möglichkeiten.
Danach könnt ihr glücklich gehen
Vorbei an gefallenen Soldaten und Polizisten,
An Feuerwehrleuten, ermordeten Kindern und ungeborenen
Föten,
Und an Opfern des Holocaust.
Frohlockend, erfüllt von Mitgefühl.
Memoiren, Erinnerungen und Träume
Fließen durchtränkt entlang Gewässern und Bächen,
Schwimmen mit Enten.
Natur tröstet, Natur erhebt das Herz
Natur ist auch Tod und auch Leben.
Glücklich jene, die ihre letzte Stätte gefunden haben
Unter schattigen Bäumen,
Der Natur zurückzahlend, was sie ihr schuldeten –
Mit den paar Gramm ihrer eigenen Elemente.
25
In der Nähe erhebt sich das Grab Linnés,
Nachkomme eines überaus angesehenen Botanikers,
Er selber ein vergangener Direktor eines der größten
Friedhöfe Der Welt.
Er muss die Spiritualität der Natur verstanden haben,
Und deshalb hat er diese Rhododendren gepflegt,
Und somit: endlos lange Reihen purpurner Rhododendren.
Irgendwo hier,
Am entferntesten Ende,
Liegt meine Liebe.
Und an einer anderen bezaubernden Ecke liegt die Deine.
Glückseligkeit ist, wenn die Schmerzen des Lebens
Zur Ruhe gelegt wurden.
Hier, am Ende einer langen Reihe
Unter endlosen langen Reihen
Purpurner Rhododendren,
Hier hört die Zeit auf,
Hier, wo sie niemals gestorben sind,
Hier, wo wir niemals gelebt haben.
******
Anlässlich seines ersten Wochenendseminars in unserem Zentrum, das von
über 25 Teilnehmenden besucht wurde, lernte Bhante Sujiva in Begleitung
seines – ausgezeichneten – Übersetzers Jan van Wurstemberger und einiger
aktiver BGH-M itglieder auf einem ausgedehnten Spaziergang den ihm bis
dahin noch unbekannten, berühmten und weltgrößten Ohlsdorfer Friedhof
kennen. Dass ihm nicht zuviel versprochen worden war, zeigte sich an seiner
Begeisterung, die ihn zu dem vorstehenden Gedicht inspirierte.
Wir freuen uns, dass Bhante Sujiva sein Kommen zu einem weiteren
Seminar für Ostern 2012 (4. bis 9. April) zugesagt hat.
Das Foto mit den purpurnen Rhododendren wurde von Bhante Sujiva selbst aufgenommen .
26
Eine Reise zur Mahabodhi Society
Von Gustav Büttner
Am 16. März 2011 traf Herr Gustav Büttner, langjähriger Schatzmeister der DBHV aus Darmstadt, mit weiteren Reisenden aus der Schweiz und
aus Belgien in Bangalore/Indien ein. Es folgt sein von der BM-Redaktion
bearbeiteter und leicht gekürzter Bericht:
Bis zu den Feierlichkeiten zum 90. Geburtstag von Venerable Acharya Buddharakkhita (Bada Bhante), dem Gründer der Mahabodhi Society,
Bangalore, und unserem Freund, dem großen Dhamma-Lehrer, haben wir
uns regeneriert und ein bisschen in der prosperierenden indischen M illionenstadt Bangalore umgesehen.
Am 19 und 20. M ärz fanden dann die Geburtstagsfeierlichkeiten in
Anwesenheit vieler indischer und ausländischer Persönlichkeiten statt. Es
war ein großes Ereignis, das von Bhante Ānanda organisiert und großartig
inszeniert worden war. Eine Mönchsgruppe aus Sri Lanka rezitierte mit
gekonnten Stimmen Pali-Texte.
Am nächsten Tag fuhren wir von Bangalore mit dem Bus nach Mysore,
besuchten das Internat Carla S tudents Home sowie das Studentenheim
Mettaloka und übergaben dabei die Gastgeschenke an die „Boys“, wie sie
allgemein genannt werden. Dort traf ich viele Freunde, die ich bei meinem
ersten Besuch 1997 als Buben kennen gelernt hatte und die inzwischen erwachsene Männer geworden sind und zurzeit ein Studium oder eine Ausbildung absolvieren.
Am 23. März ging es von Bangalore aus in Begleitung von Bhante
Kassapa und Bhante Panyarakkhita mit dem Flugzeug in Richtung Nordosten nach Guwahati im indischen Teilstaat Assam, wo wir auch übernachteten. Am nächsten Tag flogen wir mit dem Helikopter weiter zu unserem
ersten Zielort in Arunachal Pradesh (AP), nach Tawang, um dort das Altenheim „Mahabodhi Home for Elders“ zu besuchen.
Während unseres Aufenthalts in Tawang vom 25. bis 27. M ärz waren
wir in einem Gästehaus der M ahabodhi untergebracht, in dem wir auch verpflegt wurden. Ein Zusammenleben im Heim zwischen Alt und Jung wie
dort wäre vielleicht auch in Deutschland empfehlenswert. Die beiden weit
auseinander liegenden Generationen ergänzen sich ausgezeichnet. Wir erlebten, wie die M ädchen, soweit sie schon in der Lage dazu waren, den Alten etwas vorlasen oder ihnen das Rechnen beibrachten. Die Alten wieder27
um unterrichteten die M ädchen im Gartenbau, in Naturheilkunde und im
Kochen einheimischer Speisen.
Eine M itreisende, Sabine Heidemann, hatte von Zuhause abgelegte
Brillen von einem Optiker mitgebracht und führte mit den alten Frauen und
den M ädchen einen Sehtest durch. Dabei konnte sie bei zwei Frauen eine
Sehschwäche feststellen und sie mit einer passenden Brille versorgen. Dadurch stieg die Lebensqualität der beiden alten Damen.
Das Programm, das uns Bhante Panyarakkhita, der Projektleiter des
„M ahabodhi Home for Elders“ bot, war in der dünnen Luft von Tawang
körperlich sehr anstrengend. Der Ort liegt zirka 3500 Meter über dem M eeresspiegel. Die Höhe und die damit verbundene dünne Luft machten uns zu
schaffen.
In Tawang besichtigten wir hauptsächlich Naturdenkmäler, buddhistische Klöster und andere Sehenswürdigkeiten. Mit dem Wetter hatten wir
Glück: Wenn es regnete, dann nur in der Nacht für kurze Zeit, sodass wir
keine Gummistiefel brauchten.
Bei einem unserer Ausflüge trafen wir zwei indische Soldaten aus Rajasthan (Sikhs) mit Vollbärten und Turbanen, die an einem Kontrollposten
Wache hielten und uns zu einer Tasse Tee einluden. Unsere Gesprächsthemen waren die Natur- und Nuklearkatastrophe in Japan.
AP ist ein sehr rückständiges und armes Gebiet. Eine Infrastruktur, wie
wir sie kennen, ist nicht vorhanden. Der Lebensstandard der Menschen ist
daher sehr niedrig. Ganz besonders betroffen davon sind die Kinder, weil es
an gut ausgebildeten Lehrern und dadurch später an Verdienstmöglichkeiten
fehlt. Lehrer aus den großen Städten möchten nicht in diesem rückständigen
Gebiet arbeiten. AP ist auch ein soziales Notstandsgebiet, in dem es viel
familiäre Gewalt und Alkoholismus gibt. Darunter haben besonders die
Kinder zu leiden. Das hat die M ahabodhi veranlasst, in den besonders betroffenen Gebieten wie Tawang und Diyun soziale Stützpunkte einzurichten.
AP ist zudem wegen der Auseinandersetzung zwischen Indien und
China im Jahre 1964 militärisches Sperrgebiet. China beansprucht Tawang
als Teil von Tibet. M an kann deshalb AP nur mit einer amtlichen Genehmigung bereisen. Diese hatte uns Bhante Ānanda besorgt. Auch mussten wir
zweimal durch Assam, das öfters wegen der dortigen Separatisten gesperrt
ist. Die Ankündigungen dieser Sperren erfolgen immer nur kurzfristig. Wir
hatten aber jedes Mal Glück und konnten ohne Probleme Assam passieren.
Der Abschied von den Mädchen und den alten Frauen in Tawang fiel
uns nicht leicht. Wir hatten sie schon nach kurzer Zeit ins Herz geschlossen
28
und ich glaube, sie uns auch. Zum Abschluss führten uns die M ädchen ein
Kulturprogramm mit einheimischen Tänzen vor.
Von Tawang ging es am 28. M ärz wieder mit dem Helikopter nach
Dibrugarh/Assam und von dort mit dem Auto nach Kaziranga, in dessen
Nähe sich ein großer Nationalpark befindet, wo es wilde, frei lebende Tiger,
Elefanten, Nashörner, Gazellen und manches kleine Getier gibt.
Wir ritten am nächsten Tag auf Elefanten durch den Park. Leider konnten wir zu der Zeit keine Tiger beobachten. Wie man uns sagte, war die Tageszeit nicht günstig. Die Wildkatzen gehen nur am frühen Morgen oder am
späten Abend auf die Jagd. Vielleicht hatten wir deswegen Glück!?
Als Entschädigung trafen wir am Nachmittag vier große Elefanten mit einem Elefantenbaby, das von den Großen mit lautem Trompeten und angelegten
Ohren beschützt wurde. Unser Jeep musste deswegen anhalten, weil uns sonst,
wie der mit einem Gewehr ausgerüstete Wildhüter sagte, die Elefanten angriffen hätten und wir dann bestimmt den Kürzeren gezogen hätten.
Begleitet wurden wir auf der Reise von Tawang nach Kaziranga und
Diyun von Yogi, dem M anager des „Mahabodhi Home for Elders“ in
Tawang. Auf halbem Weg nach Diyun kam uns dann noch Bhante Kassapa
entgegen. Weil der Weg von Kaziranga nach Diyun sehr weit ist, übernachteten wir in einer kleinen Stadt, um am nächsten Tag unsere Fahrt nach
Diyun fortzusetzen.
Den Höhepunkt unserer Reise bildete nach meinem Empfinden das
„Rita Girls Home“ in Diyun. Die Herzlichkeit, die uns dort, ob von den
Mädchen oder den Verantwortlichen, entgegengebracht wurde, war überwältigend, Wenn wir unsere Zimmer verließen, war gleich ein Schwarm
kleiner M ädchen um uns herum, die dann unsere Hände fassten und nicht
mehr losließen.
Unser tägliches Programm in Diyun war auch nicht weniger anstrengend als in Tawang, allerdings nicht wegen der dünnen Luft, sondern wegen
der dort herrschenden feuchten Hitze. Wir mussten deshalb tagsüber öfter
einmal die Kleidung wechseln. Diyun liegt in einem flachen Feuchtgebiet,
in dem es viele Moskitos gibt, die Malaria übertragen. Moskitonetze sind
deshalb unbedingt erforderlich.
Auch in Diyun und Umgebung gab es viel zu sehen. Unter anderem
waren wir in einem Dschungel mit tropischer Flora. Die Besuche bei den
Familien der Kinder, soweit diese erreichbar in der Nähe von Diyun wohnten, waren auch sehr interessant, weil wir an Ort und Stelle sehen konnten,
unter welchen Verhältnissen die Menschen in ihren Bambus- und Palmhüt29
ten leben. Die Gastfreundschaft kam aber deswegen nicht zu kurz. Sie servierten uns das Beste, was sie uns bieten konnten.
Gefallen hat uns auch der wöchentlich stattfindende Markt in Diyun.
Hier wird so alles angeboten, was in der Gegend produziert wird. Das sind
hauptsächlich landwirtschaftliche Erzeugnisse: Reis, Gemüse, Pilze, Gewürze, geflochtene Körbe, gewebte Stoffe usw. Auch hier fand, wie in Tawang, zum Schluss unseres Aufenthaltes ein Kulturprogramm mit schönen
Trachten und Tänzen statt, das uns sehr beeindruckte.
Leider ging auch diese Zeit in Diyun viel zu schnell vorbei. Am 5. April mussten wir wieder packen und an die Weiterreise denken. Ich blieb noch
zwei Tage in Diyun und führte mit Dillip und Kishor Patenschaftsgespräche, um dann die Rückreise über Dibrugarh und Kalkutta nach Bangalore
anzutreten.
Auf der Fahrt mit dem Auto von Diyun nach Dibrugarh, wo sich ein
kleiner Flughafen befindet, kamen wir an vielen Teegärten, wie die Inder sie
bezeichnen, vorbei. In Wirklichkeit sind es aber große, zusammenhängende
Teeplantagen, die sich im Besitz von indischen „Teebaronen“ befinden.
Geerntet werden die grünen Teeblätter von Tagelöhnerinnen, die für diese
harte Arbeit nur einen Hungerlohn erhalten.
Die restliche Zeit bis zum 15. April verbrachte ich in Bangalore und
Mysore, um auch dort Patenschaftsangelegenheiten mit Bhante Dhammaloka und Vittho zu besprechen. Dhammaloka ist der Kassierer der Mahabodhi und Vittho, den bestimmt viele durch ihren Briefwechsel mit ihm
kennen, ist der Patenkinderbetreuer. Beide machen ihre Arbeit ausgezeichnet und zu unserer vollsten Zufriedenheit.
Im Namen aller Patenkinder soll ich mich bei euch auf das herzlichste
bedanken und euch liebe Grüße übermitteln. Ich möchte zum Schluss noch
erwähnen, dass alle Paten und Spender, die die M ahabodhi und ihre Projekte
unterstützen, eine gute Wahl getroffen haben.
Bedanken möchte ich mich auch bei Monica Thaddey aus der
Schweiz, ohne deren großzügige Hilfe die M ahabodhi-Projekte nicht in diesem Umfang entstanden wären.
Bei Interesse an einer P atenschaft möge man sich an folgende Adresse wenden:
Mahabodhi Maitrimandala, 14, Kalidasa Road, Gandhinagar, Bangalore 560 009, Indien
Folgende Fotos wurden uns freundlicher Weise von Herrn Gustav Büttner zur Verfügung gestellt
30
Ven. Acharya Buddharakkhita, Gründer der M ahabodhi Society
Alt und Jung zusammen
31
in liebevollem M iteinander
32
Berichte und Anliegen des Vorstands
Gedenken an Karin Stegemann
Karin Stegemann, verw. Lehmann, wurde am 6. Juni 1919 in HamburgWinterhude geboren. Sie besuchte die Rudolf-Steiner-Schule in HamburgWandsbek und später ein M ädchengymnasium in Berlin. Religion, M alen,
Eurhythmie und Rezitation waren ihre bevorzugten Fächer. Im Alter von
siebzehn Jahren begegnete sie in Albert Schweitzers Buch Weltanschauung
der indischen Denker zum ersten Mal dem Buddhismus, was sie veranlasste,
sich einer entsprechend orientierten Gruppe in Berlin anzuschließen. Nach
zweijähriger Lehrzeit im Gartenbau, motiviert durch ihre Naturverbundenheit, besuchte sie die Lilly Ackermann Schauspiel-Schule in Berlin und
erhielt bald ihr erstes Engagement, und zwar am Bromberger Stadttheater
im besetzten Polen, wo sie, wie in Posen und Krakau, 1940–1944 klassische
Hauptrollen spielte. Dort lernte sie auch den Vater ihrer Söhne, den Schauspieler Heinz Lehmann kennen, der noch 1945 an der Front fiel.
Im Nachkriegsdeutschland fand sie bei Verwandten in HamburgVolksdorf Unterkunft, bis sie 1952 mit Wilhelm A. Stegemann und den
Kindern nach Wellingsbüttel in die Rehmkoppel 17 zog. Diese Lebens- und
Arbeitsgemeinschaft ergab sich aus dem seit 1949 wiedererweckten Interesse am Buddhismus. Die Initiative des Freundeskreises, eine buddhistische
Gesellschaft in Hamburg zu gründen, ging auf den Vorschlag eines Gastes,
des singhalesichen Abtes des Vayirama-Klosters in Colombo, des Ehrw.
Narada M ahathera zurück. 1955 fanden sowohl die Geschäftsstelle, als auch
die „M onatsblätter“ der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg in der Rehmkoppel unter der Ägide von Karin Stegemann ein Zuhause. Die Monatsblätter entwickelten sich zu einer Zeitschrift, die schließlich auch im Ausland
Anklang fand und durch Toleranz gegenüber den verschiedenen buddhistischen Schulen gekennzeichnet war – eine für Karin Stegemann charakteristische Aufgeschlossenheit. Nach dem Tode von Wilhelm Stegemann 1968
kamen zu diesen Aufgaben und der mit ihnen verbundenen Korrespondenz
noch die Organisation der Seminare und Sesshins hinzu, die Einladungen
von Gästen aus aller Welt sowie – bis 1987 – die eigenen ZenMeditationskreise, deren Ausstrahlung bis heute währt.
Anfangs fanden die Vorträge in dem Holzhaus statt, das aus einer –
1956 der Gesellschaft von dem Gönner Gustav Prietsch überlassenen –
Baubude in Gemeinschaftsarbeit hergerichtet worden war. Zwischen 1959
und 1961 wurde für buddhistische Treffen und Tagungen das Haus Rissen
33
gemietet, bis der Wunsch nach einem „Haus der Stille“ 1961 zum Kauf und
zur Ausrüstung des Hauses in Roseburg bei Büchen führte. Das parkartige
Gelände mit Teichen und die durch eigene Rodung gewonnene sogenannte
„M önchswiese“ dienten und dienen der M editation.
Zu den von Karin Stegemann persönlich betreuten Gästen zählten – um
einige zu nennen – außer dem Ehrw. Narada der Zen-Lehrer Fritz Hungerleider und Francois Viallet, der Sufi-M eister Pir Vilayat Khan, Lama Govinda, Li Gotami, Pater Hugo-Enonyma Lassalle, der M önch Ehrw. Nyanaponika aus Sri Lanka, der japanische Zen-Meister Nagaya Roshi, der sie bat,
einen „Zen-Freundeskreis um Roshi Nagaya“ zu gründen (1972), und Dhiravamsa, dessen M editationsweise sie in den „Monatsblättern“ empfahl. Es
war Pater Lassalle, der anregte, aus ihrem Zitatenschatz meditativer östlicher und westlicher Texte ein Buch zu machen, das zuerst 1984 und, nachdem es vergriffen war, noch einmal 1990 und 2001 erschien.
Nach ihrem Abschied von der Arbeit für die Buddhistische Gesellschaft im
Jahre1975 hat sich Karin Stegemann zwischen 1976 und 1987 auf acht Reisen zum Ashram Sri Ramana Maharshis aufgemacht, dessen Buch Gespräche sie schon 1960 stark beeindruckt hatte, um in der Nähe des den Indern
heiligen Berges Arunachala zu meditieren. Ein Zitat von ihr selbst soll ihr
Reiseziel zum Schluss veranschaulichen:
ıAm frühen Morgen hatte der Arunachala immer eine kleine
Wolkenkrone, während ihn später dieses unglaublich tiefe Blau
umgab. Oft ging ich am Mittag, wenn die Straßen wegen der
großen Hitze leer waren, auf den Berg und setzte mich in den
Schatten eines Felsens, umgeben von bunten kleinen Schmetterlingen. [...] Gegen Abend, bei Sonnenuntergang, stiegen die
alten Schüler und Devotees auf den Berg, um das immer wieder beeindruckende Erlebnis der untergehenden Sonne und
das Farbenspektrum am Horizont andächtig in sich aufzunehmen. Dieses Einswerden mit dem Kosmos war eine meiner wesentlichsten Erfahrungen am Arunachala – die Voraussetzung
dafür aber war die Entleerung geistiger Prozesse, die das wochenlange ÙSitzen eingeleitet hatte.„
Anke Bennholdt-Thomsen (Berlin)
34
Nachruf auf Karin Stegemann
Unser Ehrenmitglied Karin Stegemann ist am 17.5.2011 friedlich in die
Verwandlung eingegangen. Die Verstorbene hat durch ihre 20-jährige Tätigkeit in der Anfangszeit der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V
große Verdienste erworben. So war sie nicht nur von 1955-1975 Redakteurin der Buddhistischen Monatsblätter, auch die Geschäftsstelle war in Ihrer
Wohnung in der Rehmkoppel untergebracht und wurde von ihr betreut. Sie
organisierte die Seminare und führte regelmäßig pro Woche einen Za-ZenAbend bei sich zu Hause durch. Da 1971 das Holzhaus für die BGH unwiderruflich verloren gegangen war, brachte das Ehepaar Stegemann Lehrer
und Lehrerinnen sowie Ordinierte bei sich in der Rehmkoppel unter, wenn
diese von der Buddhistischen Gesellschaft eingeladen wurden. Der BGHVorstand dankt Karin Stegemann für ihre großen Leistungen für den Verein.
Auch am Aufbau des „Hauses der Stille“ in Roseburg war sie, zusammen
mit ihrem M ann, Wilhelm A. Stegemann, beteiligt. Das von ihr herausgegebene Buch „Warum aber werden wir nicht weise“ erfreut sich immer noch
großer Beliebtheit. Es ist neu im Verlag Beyerlein & Steinschulte erschienen.
Die Urnenbeisetzung fand am 4. Juni 2011 auf dem Ohlsdorfer Friedhof statt.
Wolfgang Krohn
Nachruf auf Erika Rüschmann
Unsere liebe Freundin Erika Rüschmann ist
ruhig eingeschlafen. Sie wäre am 26. Juli 77
Jahre alt geworden.
Wir haben ihrer im Freundeskreis
gedacht. Viele, viele Wegbegleiter waren
von nah und weit hergekommen, um sich an
„Usha“ zu erinnern. Usha war der Name,
der ihr von dem indischen Bhante
Gnanajagat gegeben worden war und „Morgenröte“ bedeutet.
Von „ferne“ war auch das Ehepaar Ilse
und Peter Karnotzki angereist. Mit diesen
Freunden hatte Erika besonders engen Kontakt,
Foto Volkmar Jähne
35
waren sie doch gemeinsam mit anderen Berliner Freunden zur Lehre gekommen. Usha hatte mit Peter telefonisch ihren Lebenslauf durchgesprochen und Peter hat diesen dann uns Gästen vorgelesen. Er fand außerdem
noch sehr liebevolle Worte über das Wesen Erikas, denen alle Zuhörer von
Herzen zustimmen konnten.
Helga Jähne
Urnenbeisetzung Reimar Fitzlaff
im Ruhewald/Oberried-Schwarzwald
Am 14.5.2011 fand die buddhistische Urnenbestattung unseres langjährigen
Mitgliedes Reimar Fitzlaff auf dem Ruheberg der Gemeinde Oberried im
Hochschwarzwald statt. Dieser Urnenfriedhof besteht seit 2006 und wird als
Bergfriedhof der lokalen Bevölkerung genutzt. Er liegt ca. 1100 m hoch auf
einer flach geneigten Bergkuppe. Es gibt keinen Grabschmuck und auch
keine Grabpflege. Wie der Wald ganz natürlich wächst und sich entwickelt,
sieht auch der Friedhof aus. Lediglich an einem Baum ist der Name des
Verstorbenen zu lesen. Die Feier selbst fand im Freien statt. Hier nun ein
kurzer Bericht über den Verlauf der Veranstaltung. Die Vita des Verstorbenen wird hier nicht noch einmal dargestellt.
Wir wollen uns gemeinsam von Reimar Fitzlaff verabschieden, d.h. ihn
spirituell mit einer inhaltlichen Darlegung begleiten.
Die Lehre des Buddha als Stütze im Leben, eine Orientierungshilfe für
den Verstorbenen und die Hinterbliebenen
Es gibt ein Nichtgeborenes, Nichtgewordenes, Nichtgeschaffenes,
Nichtaufgebautes. Wenn es dieses nicht gäbe, wäre ein Ausweg nicht möglich. Da es aber das Nichtgeborene…. gibt, ist ein Ausweg aus dem Geborenen…. erkennbar. (Udana VIII, 3)
Reimar Fitzlaff hegte viele Jahre die Liebe zur Lehre des Buddha. Sie
war ihm Zuflucht in guten wie in schlechten Zeiten.
Was hat es mit der Buddhalehre auf sich?
Sie stützt sich auf die Erkenntnis vom Leiden, von seiner Entstehung, Auflösung und dem Weg, der zur Auflösung des Leidens führt. Das Leiden überwiegt im Leben, Glück ist weniger anzutreffen.
36
Was ist Leiden? Geburt, Alter, Krankheit, Tod (körperlich),
Sorge, Kummer, Jammer, Gram, Trübsal sind Leiden, von Lieben getrennt
sein, mit Unlieben vereint sein ist Leiden (geistig).
Kurz, die fünf Gruppen des Ergreifens sind Leiden.
Wenn ein M ensch geboren wird, ist damit auch gleich sein Ende bestimmt (Tod), langes, kurzes Leben. Je nachdem kann er viel oder wenig
bewirken. Krankheit trifft fast jeden irgendwann einmal im Leben.
Was jung ist, muss auch altern (wie eine Blume nicht 360 Tage im Jahr blühen kann). Alt werden ist die Vorstufe des Todes, mit ihm endet das Leben.
Der Körper stirbt (geht in die vier Elemente über). Der Geist wandert
weiter und sucht nach neuem Dasein. Die Einheit von Körper und Geist
besteht nicht mehr, für uns ist Reimar Fitzlaff nicht mehr erreichbar, weil
wir ihn mit unseren 5 Sinnen nicht mehr wahrnehmen können. Was bedeutet
für uns der Tod? Auf jeden Fall Veränderung, Zerfall der Körperform, anders werden, Auflösung, Zerstörung, Aufhören der Körperfunktionen.
In der Regel fürchten die Wesen nichts mehr als den Tod. Der Tod ist
Erlösung von körperlichem Schmerz. Warum gibt es Trauer oder Angst,
wenn wir einen schmerzenden oder lebensunfähigen Körper besitzen? Beispiel: das alte und neue Gewand. Der Buddha hat die Wesen den Weg zur
vollkommenen Befreiung (Versiegung des Durstes) gelehrt.
Vielleicht mag Reimar Fitzlaff dieses Glück der Befreiung zuteil geworden sein, denn er hat viele Jahrzehnte praktiziert und wird mit Sicherheit
großen Nutzen für seinen weiteren Weg davontragen. Er hat ein beträchtliches Alter erreicht, hat sein Leben gemeistert und sehr viele Verdienste angesammelt. Wir wollen uns mit Reimar freuen und nicht traurig sein. Bestimmt wird er in lichteren Sphären wiedergeboren werden. Wir wünschen
dem Verstorbenen alles Gute für den weiteren Weg.
Die Feier wurde von Wolfgang Krohn geleitet
Der Verstorbene hatte in fürsorglicher Weise gewünscht, dass - statt Blumen - Spenden für die Buddhistische Gesellschaft Hamburg gegeben würden. So erhielten wir eine Zuwendung von € 840.--, für die wir sehr dankbar
sind.
37
Welkes Blatt
Jede Blüte will zur Frucht,
Jeder Morgen Abend werden,
Ewiges ist nicht auf Erden
Erden
Als der Wandel, als die Flucht.
Auch der schönste Sommer will
Einmal Herbst und Welke spüren.
Halte, Blatt, geduldig still,
Wenn der Wind dich will entführen.
Spiel dein Spiel und wehr dich nicht,
Laß es still geschehen.
Laß vom Winde, der dich bricht
bricht
Dich nach Hause wehen.
Hermann Hesse
Aus: Hermann Hesse Lesebuch, Suhrkamp Taschenbuch S. 383
Foto Silke Krohn
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Vorläufiger Geschäftsbericht der BGH
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In der Zwischenzeit haben wir einen neuen Freistellungsbescheid,
rückwirkend für die Jahre 2008, 2009, 2010, bekommen. Es gab
keine Reklamationen vom zuständigen Finanzamt.
Leider konnte die Amtsvakanz des 1. Vorsitzenden bis heute nicht
besetzt werden. Wir bitten die Mitglieder erneut, dem Vorstand
Kandidatenvorschläge zu unterbreiten.
Bestimmt erinnern sich die Leser an das starke Gewitter im Juli
2011 in Hamburg. Viele Straßen und Keller standen unter Wasser.
Leider waren auch wir davon betroffen. Im unteren M editationsraum des Hauses Nr. 23 ist durch die Sturzflut das Wasser durch die
Fenster gedrungen. Es hat erhebliche Feuchtigkeitsschäden gegeben.
7 Personen waren mit dem Wasserschöpfen beschäftigt. Somit
konnte Schlimmeres verhütet werden. Auch im Nachbarhaus Nr. 25
lief der Keller voll. Wir sind bemüht, die Feuchtigkeit so schnell wie
möglich zu beseitigen. Wir werden eine ohnehin fällige Baumaßnahme für beide Häuser durchführen, weil es auch alte Feuchtigkeitsschäden in beiden Häusern zu beseitigen gibt. Ein fünf M eter
langes Kellerstück (Heizungs- und Waschmaschinenraum) konnte
für ca. € 5.500,– bereits im Juni/Juli 2011 saniert werden.
Wir haben jetzt ein ehemals vermietetes Zimmer im 1. Stock (Nr.23)
als Gästezimmer eingerichtet. Das Gästezimmer im 2. Stock wurde
nach fast 20 Jahren für fast € 2000,– von Grund auf renoviert. Im
Flurbereich müssen im nächsten Jahr weitere Maßnahmen durchgeführt werden.
Trotz erhöhter Ausgaben in diesem Jahr bleibt der Verein mit seinen
verfügbaren M itteln im Plus.
Wie Sie dieser Ausgabe der BM entnehmen können, sind die Jahre
2011 und 2012, außer dem Ferienmonat Juli, mit Kursen ausgebucht.
Wir benötigen dringend Hilfe u. a. im Bereich Immobilienverwaltung (Technik), Seminarbetreuung, Pflege des Mönchszimmers und
der beiden Gästezimmer, Lieferung von Texten, vor allem Rezensionen, für die BM, und Bibliothek.
Wolfgang Krohn
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Achtsamkeitskongress in Hamburg
Vom 18. – 22. August 2011 fand in der Universität Hamburg ein Achtsamkeitskongress statt. Es ging um das Thema „Achtsamkeit“ in ihren buddhistischen Wurzeln und ihre Anwendung insbesondere auch in der modernen westlichen Pädagogik, Psychologie und Medizin. 40 Referenten aus 8 Ländern Europas, Asiens und den USA hielten zumeist ausgesprochen anspruchs- und
gehaltvolle Vorträge und leiteten zahlreiche Workshops. Die Veranstalter waren das Tibetische Zentrum Hamburg und das Zentrum für Buddhismuskunde
der Universität Hamburg. Insgesamt 1600 Personen haben an der Veranstaltung
teilgenommen, die zum Abschluss im Audimax mit einer Diskussion zwischen
dem Dalai Lama und vier buddhistischen und nicht buddhistischen Wissenschaftlern ihren synoptischen und Perspektiven weisenden Höhepunkt fand.
Die Grundlagen der Achtsamkeit im frühen Buddhismus wurden insbesondere von Bhikkhu Anālayo aufgezeigt („wenn der Mönch geht, dann weiß
er, dass er geht, wenn der Mönch liegt, dann weiß er, dass er liegt…“) als die
ständige Präsenzübung im Hier und Jetzt. Anālayo wird am 9. Oktober in
einer gemeinsamen Veranstaltung der BGH und des Zentrums für Buddhismuskunde einen Vortrag mit anschließendem Gespräch anbieten, dessen Besuch jedem zu empfehlen ist.
Christof Spitz, der Übersetzer des Dalai Lama und Geschäftsführer des Tibetischen Zentrums, stellte Texte des frühen indischen Mahāyānabuddhismus’
(Santideva, Vasubandhu, Asanga) zu dem Thema vor, insbesondere im Kontext
der systematischen Philosophie des Abidhamma. Im Besonderen ging es um
das durch Meditation und Erkenntnis erreichbare Setzen neuer, heilsamer Geistesfaktoren.
Beeindruckend war der Block Achtsamkeit und Pädagogik. Die Ehrwürdige Dhammananda, emeritierte Professorin, Äbtissin eines Frauenklosters in
Thailand, eine der ersten 28 voll ordinierten Nonnen des Landes, Autorin und
Übersetzerin von über 70 Büchern, beeindruckte mit einer die Praxis betonenden Präsentation. Neben der täglichen gemeinsamen Sitz- und Gehmeditation
betrifft dies auch die gemeinsame Essenszeremonie, den gemeinsamen Bettelgang, die Arbeit im Kloster und Garten, wo eigenes Obst und Gemüse erzeugt
wird. Dieses bricht in hohem Maße mit der Theravāda-Tradition der Mönche,
die keine Arbeiten ausführen und auch die Gemeinsamkeit nicht in diesem Maße betonen. Auch kam der Spaß nicht zu kurz: „Weißt du, wohin genau du deine Schuhe ins Schuhbord gestellt hast?“
Achtsamkeit stärkt auch die Aufmerksamkeit im Alltag. Unter den folgenden Forschungsbeiträgen fiel besonders einer auf, der auch die Praxis in den
40
Mittelpunkt stellte. Vera Kaltwasser ist Lehrerin an einer Frankfurter Schule.
Sie übt mit allen Schülern ihrer Mittelstufenklassen regelmäßig kleine Blöcke
Meditation im Unterricht. Sie hat aufgezeigt, wie lange man die Schulleitung,
die Eltern und die Kinder selbst überzeugen muss, und welche monatelangen
Vorübungen nötig sind, um Erfolg zu haben. Hierüber hat sie zwei Bücher geschrieben. Verschiedene Arbeitsgruppen an Deutschen Universitäten beschäftigen sich mit Auswertungen dieser und vergleichbarer Übungen auf das Gewaltverhalten, soziale Kompetenz, Stressreduktion und ethisches Verhalten der
Schüler. Interessant war, dass von allen Referenten gesagt wurde, man könne
von Jugendlichen unter 16 Jahren keinen Zugang zu längerer, regelmäßiger
Meditation erwarten. Da in der gesamten Diskussion die Bedeutung weg von
einer nur kognitiven Erziehung hin zu einer ganzheitlichen Pädagogik auch
außerhalb spiritueller Bezugspunkte gefordert wurde, fällt mir ein, dass es, gerade auch in Deutschland, den Ansatz einer Humanistischen Erziehung gab, die
sich besonders an altgriechischen Idealen orientierte. Diese wurde fast gänzlich
dem Primat der „harten“ Fächer und kapitalistischen Betrachtungsweisen geopfert (die u.a. zu weltweiten Wirtschaftskrisen alleine aufgrund von Spekulationen führten und einem technischen Fortschrittswahn frönen). Wo ist das „Wahre, Schöne und Gute“ in unserer Gesellschaft geblieben? Der alte humanistische
Ansatz, gepaart mit asiatischer Weisheit und Kenntnissen über Natur und Umwelt, würde uns vielleicht ein Stück weiter bringen und könnte auch gesellschaftsfähig werden. Sehr interessant war auch der Vortrag von Prof. H. Dauber, der sich auf den Pädagogen J. Korczak bezog, nach dem jedes Kind ein
Recht hat, nicht bevormundet, sondern begleitet zu werden, sich Fehler erlauben zu können (experimentieren zu dürfen) und ein Recht auf den eigenen Körper bis hin zum eigenen Tod haben müsse.
Der Dalai Lama zeigte sich als extremer Verfechter von Achtsamkeitstraining an Schulen. Er sieht hier auch einen gesellschaftlichen Beitrag zur Stärkung von Demokratie und Gemeinschaftssinn. Jede Religion und philosophische Ethik beinhalte hierfür ausreichende Elemente. Die „interne Polizei“ durch
Betrachtung des eigenen Geistes und Herzens zu stärken, habe Priorität. Die
Achtsamkeitsübung als Grundlage für ethisches Verhalten sei ständig und nicht
nur sporadisch zu üben und gesellschaftlich zu verankern. Dann würde es allen
Gesellschaften besser gehen und es könnten Gemeinsamkeiten entstehen. Er
hob hier die Gründung der EU als Prozess des Kollektiven Nachdenkens hervor, die ehemalige Feinde verbündet habe, aber auch den, trotz aller Hindernisse, demokratischen und friedvollen Geist in Indien und die Solidarität in der
buddhistisch (und konfuzianisch) stark beeinflussten Gesellschaft Japans nach
der jüngsten Katastrophe.
Holger Korin Stienen
41
Sati-Seminar mit Ajahn Cittapala
Vom 6. bis 8. M ai war Ajahn Cittapala zu Gast in der BGH und leitete ein
Meditationsseminar zum Thema Sati. Hier eine kurze Zusammenfassung
von einigen Punkten, die angesprochen wurden.
Sati kann übersetzt werden mit Achtsamkeit, Gewahrsein, Eingedenksein, Besinnung, sich ins Gedächtnis rufen, Erinnerung. Sati ist sowohl eine
der 5 Fähigkeiten, auf Pali „indriya“ genannt, nämlich: Vertrauen, Willenskraft, Achtsamkeit, Sammlung, Wissen oder Einsicht. Und sati ist auch eines der 7 Erleuchtungsglieder: Achtsamkeit, Lehrergründung, Willenskraft,
Verzückung, Gestilltheit, Sammlung und Gleichmut. Die Erleuchtungsglieder werden so genannt, weil sie zur Erleuchtung führen und daran erkennt
man schon, wie wichtig sati ist. Aber sati ist auch erforderlich, um die Tugendregeln (auf Pali sīla) zu halten (nicht töten, nicht stehlen, kein sexuelles
Fehlverhalten begehen, nicht lügen, keine berauschenden Mittel benutzen).
Allein das Halten der sīlas sorgt für eine viel ruhigere Grundlage für unseren Geist, die wir wiederum benötigen, um erfolgreich meditieren zu können.
Achtsamkeit hilft uns nicht nur, Dinge, die wir anfangen, auch zu Ende
zu bringen, sondern sie hilft uns auch herauszubekommen, was wir jetzt
genau benötigen, um unsere M editationspraxis zu verfeinern. Achtsamkeit
bedeutet sowohl auf einen Punkt (z.B. auf den Atem) gerichtet zu sein, als
auch eine weite Achtsamkeit auf das, was im Moment ist, ohne dass wir uns
darin verlieren. Es ist sehr hilfreich, auch im Alltag eine offene weite Achtsamkeit zu entwickeln, weil das Gehirn damit viel mehr Informationen aufnimmt, die uns später zur Verfügung stehen, um bewusst heilsam unser Leben zu gestalten und damit die ganze Welt zu beeinflussen. Mit zunehmender Achtsamkeit steigert sich auch unser Erinnerungsvermögen, was Ausdruck findet in einer Art strahlender Präsenz, die Sister Cittapala bei einem
Mönch in Burma selbst erleben konnte. Dieser Mönch wusste den gesamten
Pali-Kanon auswendig, was zu Zeiten des Buddha keine Seltenheit war.
Das, was Achtsamkeit anstrengend macht, sind unsere Erwartungen
und Beurteilungen davon. Also seien wir uns dessen bewusst, wenn diese
wieder einmal auftauchen, und gehen wir liebevoll mit uns selbst um, wenn
wir gerade mal wieder abschweifen. Wir brauchen Geistesklarheit, um zu
erkennen, wovon sich der Geist wegtragen lässt. Deshalb ist es erforderlich,
ihn besser kennen zu lernen. M an trifft sich selbst in der Meditation und
kann dann erkennen, wo man sich identifiziert, bewertend reagiert, statt
loszulassen, denn durch das Loslassen wird der Geist klarer. Gute M editati42
on ist, wenn man lernt, den abschweifenden Geist immer wieder zurückzubringen, um ihn damit zu stärken, damit er so weit geschult ist, dass er in
allen Situationen ruhig bleiben kann. Solange wir uns selbst täuschen, gibt
es keinen Ausweg und um genau diese Täuschung aufzulösen, benötigen
wir sati, erst sati führt zur Durchschauung. Wir meditieren, um uns kennen
zu lernen und nicht, um etwas zu erreichen oder um vor der Welt davonzulaufen. Weisheit tritt auf, wo man nicht glaubt, was man denkt, sondern sich
erkennt und auch erkennt, woher diese Gedanken kommen, wo man die
Natur der Gedanken versteht und nicht daran festhält. Die Gedanken kommen und gehen und verändern sich. Das Zurücktreten ermöglicht dem Blick,
das zu erkennen, was wirklich ist, und das Leben nicht so persönlich zu
nehmen. Eine hilfreiche Frage kann immer sein „Wer wäre ich ohne diese
Gedanken?“ oder auch die Frage „Bringt mich das weiter?“
Silke Krohn
Jahreshauptversammlung der
Deutschen Buddhistischen Union e.V. 2011
Zur diesjährigen Mitgliederversammlung der DBU (29.04. bis 1.5.2011) trafen
sich die Vertreter von ca. vierzig M itgliedsvereinen im Rigpa-Zentrum in Berlin.
Am Samstagvormittag wurden viele Dinge ausgesprochen, die einiges an Konfliktpotenzial enthielten und für allerlei Aufregung unter den amtierenden Ratsmitgliedern sorgten. Durch die konstruktive Mitarbeit aller stimmberechtigten
Mitgliedsgemeinschaften konnten jedoch neue Perspektiven entwickelt werden.
So wird in diesem Jahr eine Klausurtagung, bestehend aus den Vertretern der
Mitgliedsgemeinschaften, organisiert werden. Zweck dieser Veranstaltung wird
es sein, dem Rat der DBU mit Sach- und Fachkenntnissen zur Seite zu stehen.
Die angestrebte Körperschaft muss neu überdacht werden, da sich die
Situation verändert hat. Der Rat berichtete noch einmal über die Vorzüge der
Körperschaft. Die Bestrebungen, diese zu erhalten, sollen nicht aufgegeben werden.
Die Pagode Vien Giac in Hannover und die Pagode Phat Hue haben ihre Anträge auf M itgliedschaft in der DBU zurückgezogen
Der vorgelegte Kassenbericht war aufschlussreich und transparent. Der
Haushaltsplan 2011 wurde angenommen.
Acht Workshops fanden am Sonnabend und Sonntag statt. Die Themen
lauteten: Dharma u. Gesellschaft, Körperschaft des öffentlichen Rechts,
Unterrichsmaterial für Schulen, Buddhismus Aktuell, Dharma und Umwelt,
Frau und Buddhismus, Vertrieb BA, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
43
Wahl des neuen Rates: 11 M itglieder wurden gewählt.
Breiten Raum nahmen die Themen „M issbrauch“ und „Werte und Wege“ ein. Auch in buddhistischen Zentren gibt es sexuelles Fehlverhalten von
Lehrern. Bekannt gewordenes Übertreten der Regeln (sīla) muss unbedingt
unterbunden und den Opfern geholfen werden. Die Überlegung wäre, eine
traditionsübergreifende Institution in der DBU zu schaffen, die solche Tatbestände erfasst und Maßnahmen ergreift.
Um Konflikte, die in der Vergangenheit unter den Ratsmitgliedern entstanden sind, zukünftig zu vermeiden, soll ein für die einzelnen Ratsmitglieder verbindlicher Kodex erarbeitet werden. Im Arbeitskreis wurden
hierzu folgende Stichworte erarbeitet: Achtsamkeit, Offenheit, Motivation,
Mitgefühl, selbstloses Arbeiten, rechte Rede und rechtes Handeln. Die Arbeitsgruppe soll mit den Ergebnissen die Ratsmitglieder unmittelbar unterstützen. Nachdem die vorgenannten Arbeitskreise ihre Arbeit beendet hatten, schloss die Veranstaltung einvernehmlich und harmonisch.
Wolfgang Krohn
DBU: „Ethikcharta“ und „Ethikrat“ geplant
Immer wieder auftretende Fälle von psychischem, finanziellem, politischem
und sexuellem M issbrauch in spirituellen, auch buddhistischen Gruppen und
Einrichtungen erfordern einen reinigenden und schützenden Umgang damit.
Hiermit befasste sich ein Workshop bei der Mitgliederversammlung (MV)
der DBU – Deutschen Buddhistischen Union vom 29.04. bis 01.05.2011.
Nicht zuletzt die Erfahrung von negativen M edien- und PolitikReaktionen auf „Sekten und Gurus“ führte laut Johannes Litsch in der DBU
zu der Haltung, dass es nicht im Eigeninteresse sei, wenn der Staat das
buddhistische Angebot überprüft. Das kann nur dadurch wirksam verhindert
werden, dass diese Aufgabe selbstverantwortlich übernommen wird. Dies
erfordert eine interne Qualitätskontrolle oder zumindest einen Kreis von
Personen, der sich für auftretende Fehlentwicklungen und M issbrauchsfälle
bei Laien und Ordinierten zuständig fühlt und Ansprechpartner, Berater,
Vertrauensleute, Aufklärer zur Verfügung stellt. Durch ähnliche Entwicklungen und öffentliche Skandale in den USA und England ist es dort bereits
in einigen buddhistischen Gemeinschaften und Einrichtungen zur Aufstellung von Ethikchartas und Ethikräten gekommen, die sehr gut als Vorbilder
und Vorlagen dienen könnten.
In Deutschland führte schon vor längerem einerseits die Problematik
und andererseits die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und bei den Kir44
chen und ihren Sektenbeauftragten der DBU-M itgliedschaft als Qualitätssiegel
für
buddhistische
Gruppen zu
verschärften DBUAufnahmebedingungen und einem längeren DBU-Aufnahmeverfahren. Es
galt, diesem Vertrauen in die DBU auch selber entgegenzukommen und
nach innen Rechnung zu tragen. Dabei hat die DBU Tenzin Peljor viel zu
verdanken. Die gemeinsamen Bemühungen mündeten in der Erstellung der
Broschüre „Heilsame und unheilsame Strukturen von Gruppen“.
Leider kam es in den nachfolgenden Jahren zu keiner Weiterentwicklung. Erst verschiedene neuerliche Ereignisse haben dem Thema wieder
Aufmerksamkeit gegeben und einen Handlungsbedarf aufgezeigt.
Sowohl die Notwendigkeit der Erstellung einer „Ethikcharta“ auf der
Grundlage des „Bekenntnisses“ auch als eine Art „Qualitätskontrolle“ wird
von allen Workshop-Teilnehmenden bestätigt und mitgetragen. Noch sind
die bereits vorhandenen „Ethikcodes“ überwiegend traditionsgebunden.
Vorlagen aus den unterschiedlichen Traditionen sollen gesammelt und zur
Ausarbeitung einer allgemeingültigen „Ethikcharta“ der DBU dienen.
Der Workshop zum Thema „Ethik“ gab die inhaltlichen Empfehlungen
an die M V weiter. Es soll eine Arbeitsgruppe geben, die alle Aspekte aufgreift und vertieft. Ein „Ethik-Rat“ der DBU soll gebildet werden.
Von Seiten der DBU-Geschäftsstelle steht Jürgen Gräf gern als Kontaktperson für Anfragen und anfallende Arbeiten zur Verfügung: [email protected]
ArminDao Ketterer
Leserbrief:
Das im letzten Heft auf Seite 15 veröffentlichte Gedicht stammt aus dem
Schindjin-mej (Stempel des Glaubens) von dem dritten Patriarchen Szôszan (etwa 529 bis 606). Es wurde also nicht von Dr. Ulrich Beck verfasst, sondern
von ihm ins Deutsche übertragen. Grundlage hierfür war „On Faith in the
Heart,“ von der Ehrw. Myokyo-ni.
Und:
„Jeder Tag ein guter Tag“, der Titel des letzten Vortrags von Dr. Alfred
Weil im NDR Info, BM 2.2011. S. 8 ff., ist eigentlich ein Kôan, zu finden z.
B. in der Kôan-Sammlung „Niederschrift von der Smaragdenen Felswand“
(Bi-Yän-Lu). – Zum Kôan ist zu sagen, dass es sich einer verstandesmäßigen Deutung und/oder einer logischen Exegese grundsätzlich entzieht.
Bei allem inhaltlichen Einverständnis mit dem im obigen Vortrag Dargestellten ist doch die Überschrift „Jeder Tag ein guter Tag“ irreführend,
45
weil sie die Verwechselung mit eben jenem Kôan nahelegt, das mit dem im
Vortrag Ausgeführten nichts zu tun hat.
Vgl.: BI-YÄN-Lu – Niederschrift von der Smaragdenen Felswand, I.
Band, verdeutscht und erläutert von Wilhelm Gundert, Carl Hanser Verlag
München 1977, S. 147.
Oder in Kurzform:
Ummon, der eine bedeutende Zen-Schul e begründete, spricht von der
Erleuchtung des Satori, dem Erlebnis der Absoluten Gegenwart:
„Ich werde dich nicht über die Tage fragen, die dem fünfzehnten des Monats vorangegangen sind. Ich möchte aber ein Wort hören über das, was diesem fünfzehnten Tag folgen wird.“
So sprechend gab er sein „Wort“.
„Tag für Tag ist guter Tag.“
Aus: „Den Mond kann man nicht stehl en – Beispielhafte Zen-Geschi chten aus t ausend
Jahren“ Im O.W. Barth-Programm bei Scherz.
*
„Nicht auf den Finger blicken, der zum Mond zeigt, sondern auf den Mond.“
Jürgen Dahlström
Buchrezensionen
Myokyo-ni Irmgard S chlögl: Lebendiger Buddhismus (Titel des englischen Originals Living Buddhism 2000) 97 Seiten. Angkor Verlag
2011, ISBN 978-3-936018-69-1.
Die Ehrwürdige Myokyo-ni (1921-2007) war eine Lehrerin in der Zen Rinzai
Tradition und studierte zwölf Jahre lang im Kloster Daitokuji in Japan unter
den Meistern Oda Sesso und Sojun Kannun, denen dieses Buch gewidmet ist.
Bei ihrer Rückkehr nach England im Jahre1972 gründete sie das Zen Centre
Shobo-an in London, wo sie die nächsten 35 Jahre mit Lehren verbrachte.
Das vorliegende Buch wurde als Einleitung und Führer für ihre Schüler
und ein allgemeines Publikum konzipiert. Sein T itel ist bedeutsam: „Buddhismus“ , weil es die buddhistischen Lehren behandelt, die allen Schulen gemeinsam sind, und „lebendig“ , weil diese Lehren erst wirklich relevant werden,
wenn sie in die Praxis umgesetzt werden, in der täglichen Runde ihren Ausdruck finden, mit anderen Worten, wenn sie gelebt werden.
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Die Absicht des Buches ist es, dem Leser eine Grundlage über die wichtigsten Lehren zu verschaffen und zu zeigen, wie alle buddhistischen Lehren
und Übungen miteinander verknüpft sind. Das Buch beginnt mit dem Leben
des Buddha, wobei eine Analogie mit dem inneren T rainingsweg eines jeden,
der diesen Weg gehen will, aufgezeigt wird. Die weiteren sechs Kapitel geben
jeweils einen Überblick über die Ha uptlehren, Praktiken und Meditation. Die
Darlegung der T hemen ist klar und deutlich ohne gehobene wissenschaftliche
Erklärungen ausgeführt. Sie nimmt immer Bezug auf die ge wöhnliche menschliche Erfahrung und die praktische Anwendung im täglichen Leben.
Ulrich Beck
Jutta Besser: Zusammen ist man nicht allein Alternative Wohnprojekte für Jung und Alt M it einem Vorwort von Henning Scherf.
Verlag Patmos, M annheim 2010, 184 Seiten, ISBN 978-3-491-40157-0
Wer mit anderen Menschen zusammen wohnen möchte, findet hier wertvolle
Anregungen und Informationen, was bei der Verwirklichung dieses Wunsches
zu beachten ist. Verschiedene Projekte, vorwiegend in Hamburg und im norddeutschen Raum, darunter auch der vom Zen-Buddhismus geprägte Lebensgarten Steyerberg, werden vorgestellt.
Wiebke Jensen
BERIFFS REIHEN Aus den Lehrreden des Buddha
Zusammengestellt von René M eier, Haus der Besinnung Dicken,
Schweiz 2011, 56 Seiten, zu beziehen bei der Buddhistischen Gesellschaft M ünchen e.V. und beim Buddhistischen Kloster Bodhi Vihara,
Freising
Nicht nur Neulingen, sondern auch seit längerem sich mit der Lehre Befassenden kann dieses Heft zu einer wahren Kostbarkeit werden, wenn es darum geht,
sich in der Vielzahl der gehörten und gelesenen Reihen zurechtzufinden. Besonders wertvoll sind die Hinweise a uf die entsprechenden Lehrreden. Von
buddhistischen Wörterbüchern, deren es mehrere gibt, unterscheidet sich dieser
Wegweiser durch die inhaltliche Systematik. Geradezu begeisternd ist das
zweifache Inhaltsverzeichnis, „angereiht“ von S. 2 bis 54 und „gruppiert“ nach
Themen. Entsprechendes wäre zu wünschen, um sich in den im Pali Kanon
enthaltenen Meditationsanleitungen zurechtzufinden. Danke, lieber René Meier,
und – vielleicht ? – auf ein Neues!
Wiebke Jensen
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Wolfgang Seifert gibt seit vielen Jahren Kurse in der BGH.
Das nächste Wochenendseminar findet statt von
Freitag 21. bis S onntag 23. Oktober 2011.
Freitag 19 bis 22 Uhr
Sonnabend 9 bis 20 Uhr
Sonntag 9 bis 16 Uhr
Thema: „Der S chlüssel zur Freiheit liegt in dir“
Bitte in der BGH anmelden
Das Foto wurde uns von Wolfgang Seifert freundlicher Weise zur Verfügung gestellt .
Siehe auch das in „Ursache und Wirkung“ U&W 74 Winter 2010/11,
S. 36 ff. erschienene Interview von Dr. Paul Köppler mit Wolfgang Seifert.
48
Programm
Sa 24. – So 25.9: Seminar der koreanischen Gruppe mit dem
Ehrw. Hyon Gak Sunim Sutra-Belehrung und intensive
Meditation. Sprache koreanisch ohne Übersetzung
Sa 10-17., So 9-17 Uhr
So 9.10.: Vortrag von Bhante Anālayo in der Uni. Siehe
Umschlag S. 2
Fr 21. – So 23.10.: Seminar mit Wolfgang Seifert. Der Schlüssel
zur Freiheit liegt in dir
Fr 19-22, Sa 9-20, So 9-16 Uhr
Fr 28. – So 30.10: Zen-Kreis Hamburg e.V., Sesshin mit
Rei Ko Sensei (Michael Sabaß), Beginn Fr 18.30 Uhr,
Ende So 9.30 Uhr; Anmeldung unter: [email protected]
Sa 5.– So 6.11.: Seminar der koreanischen Gruppe mit dem Ehrw.
Hyon Gak Sunim. Sutra-Belehrung und intensive Meditation.
Sprache koreanisch ohne Übersetzung
Sa 10-17., So 9-17 Uhr
Fr 18. – So 20.11.: Meditationsseminar mit der Ehrw. Ajahn
Cittapala. Weiter auf der Spur von Sati: gegenwärtiges
Gewahrsein und Wissen
Fr 19-21, Sa 9-18, So 9-16 Uhr
So 4.12., 9.30-17.30 Uhr: Achtsamkeitstag in der Tradition von
Thich Nhat Hanh. Mettā.
Info bei Anne Dörte Tel. 040 - 60566622, bitte nicht nachmittags.
E-Mail: [email protected]
49
Vorschau auf das Programm 2012
So 8.1., 7.15 – 7.30 Uhr NDR Info: Vortrag über ein buddhistisches Thema
Sa 21.1., 19 Uhr: Zazenkai mit Oryoki,
H. Korin Stienen und N. Rindô Hämmerle
Sa 28.-So. 29.1.: Workshop mit Jiun Roshi
Fr 3. – So 5.2.: Sesshin Zen-Kreis Hamburg e.V.
So 12.2., 9.30-17 Uhr: Achtsamkeitstag in der Tradition von Thich
Nhat Hanh
Sa 3. – So 4.3.: „Was ist eigentlich Karma?“ – VipassanāMeditationskurs mit Dr. Paul Köppler
So 11.3., 14 Uhr: Mitgliederversammlung
Mi 4. – Mo (Ostern) 8.4.: Seminar mit Bhante Suji va (Mittwoch
und Donnerstag jeweils Abendvortrag)
Fr 13. – So 15.4.: Seminar mit Wolfgang Seifert.
Fr 27. – So 29.4.: Seminar mit Bettina Romhardt
So 13.5., 10-17 Uhr: Seminar mit Dr. Alfred Weil -- Der Welt ein
Freund sein. – Die buddhistische Praxis von Mettā
Do 17.5., 10-17 (Himmelfahrt): Vesakfeier der BGH
Fr 18. – So 20.5.: Seminar mit Ajahn Cittapala
So 3.6., 9.30-17 Uhr: Achtsamkeitstag in der Tradition von Thich
Nhat Hanh
Fr 13.– So. 15.7.: Seminar mit Bhante Dhammadi pa
So 19.7., 7.15 – 7.30 Uhr: NDR Info:siehe 8.1.
Fr 3. – So 5.8.: Sesshin Zen-Kreis Hamburg e.V.,
So 12.8., 9.30-17 Uhr: Achtsamkeitstag in der Tradition von Thich
Nhat Hanh.
Fr 14. – Sa 15.9.: Seminar mit Akincano (Marc Weber)
Sa 6. – So 7. 10.:Vortrag und Seminartag mit Bhante
Seelawansa
Fr 30.11 – So 2.12.: Zen-Kreis Hamburg e.V., Sesshin
So 9.12., 9.30-17 Uhr: Achtsamkeitstag in der Tradition von Thich
Nhat Hanh.
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