Inhalt Impressum Leitartikel..............................................................................04 BUDDHISTISCHE MONATSBLÄTTER (BM) Magala-Sutta und Dhammapada Vers 383 Übersetzung: ArminDao Ketterer.............................................05 Geburtstagsgedanken Gedicht von Annette Poerschke ...............................................07 Die Geschichte vom Gazellenkönig Nigrodha NDR-Vortrag von Dr. Alfred Weil............................................08 Shiro San Holger Korin Stienen ...............................................................12 Sind westliche Buddhisten tolerant? Ulrich Beck ...............................................................................15 Entzücken Gedicht von Ulrich Jüdes .........................................................18 Meditation im Stehen Ajahn Cittapala .........................................................................19 Purple Rhododendrons Gedicht von Bhante Sujiva........................................................21 Übertragung ins Deutsche: Jan van Wurstemberger................24 Eine Reise zur Mahabodhi Society Gustav Büttner ..........................................................................27 Berichte und Anliegen des Vorstandes Gedenken an Karin Stegemann Anke Bennholdt-Thomsen..........................................................33 Nachruf auf Karin Stegemann Wolfgang Krohn ......................35 Nachruf auf Erika Rüschmann Helga Jähne.............................35 Urnenbeisetzung Reimar Fitzlaff Wolfgang Krohn ..................36 Vorläufiger Geschäftsbericht der BGH W.K.............................40 Achtsamkeits kongress in Hamburg Holger Korin Stienen ...............................................................41 Sati-Seminar mit Ajahn Cittapala Silke Krohn .........................43 Jahreshauptversammlung der DBU 2011W.K...........................44 DBU: „Ethikcharta“ und „Ethikrat“ geplant, Kurzbericht ArminDao Ketterer....................................................................45 Leserbrief Jürgen Dahlström......................................................................46 Buchrezensionen My oky o-ni: Lebendiger Buddhismus Ulrich Beck................................................................................ 47 Jutta Besser: Zusammen ist man nicht allein. W. J. .................48 Begriffsreihen Aus den Lehrreden des Buddha Zusammengestellt von René Meier W. J................................... 48 Programm ...........................................................................50 Herausgeberin und Versand: Buddhistische GesellschaftHamburg e.V. Beisserstr. 23, 22337 Hamburg Tel. 040-6313696 Fax 040-51902323 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.bghh.de Sprechzeiten: Di und Do 16-18 Uhr Redaktion: Dr.Wiebke Jensen. Die Autoren sind für ihre Beiträge selbst verantwortlich. Der Inhalt muss nicht mit der Meinung der Redaktion und der Herausgeberin übereinstimmen. Dies gilt auch für stilistische Besonderheiten. Wir behalten uns jedoch vor, eingegangene Beiträge redaktionell zu bearbeiten. Redaktionsschluss für Heft 1.2012 ist der 31. Oktober 2011. Die BM erscheinen im Januar, Mai und September. Sie werden auf Wunsch auch gern per E-Mail zugestellt. Dann erscheinen die Fotos farbig und wir sparen das Porto. Bei Interesse bitten wir um entsprechende Mitteilung. Der Bezug der BM ist gratis, doch steuerlich absetzbare Geldzuwendungen sind willkommen. Druck: Druckerei Dietrich, E-Mail [email protected] Beitrag für Mitgliedschaft in der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V.: € 100.- jährlich. Auf Antrag ist Ermäßigung möglich. Hamburger Sparkasse, Kontonummer 1243 121058, BLZ 200 505 50, IBAN: DE61 2005 0550 1243 121058 BIC: HASPDEHHXXX Die BGH ist nach dem letzten Freistellungsbescheid des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer 17/402/09910 wegen Förderung religiöser Zwecke als gemeinnützig anerkannt und nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes von der Körperschaftsteuer befreit. 3 Liebe Leserinnen und Leser! Schon wieder neigt sich ein Jahr seinem Ende zu und mahnt uns, des Lebensendes zu gedenken. Aber wie? Vor Jahren sagte der im Sterben liegende Mann einer engen Freundin meiner kurz zuvor an Krebs verstorbenen Mutter (Anneliese) zu seiner Frau: „Anneliese ruft mich“. Im ersten Halbjahr 2011 verließen uns das langjährige Mitglied Dr. Reimar Fitzlaff und Karin Stegemann, die sich um die BGH in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens sehr verdient gemacht hat, sowie Erika Rüschmann aus dem Lehrredenkreis. Karin Stegemann soll beim Abschiednehmen von ihrer Familie geäußert haben „Nun weiß ich ja, dass es gar nicht schlimm ist“ und spielte damit, wie ihr jüngerer Sohn meinte, wohl auf eine kurz zuvor erlebte Nahtoderfahrung an. Ebenso wie Karin Stegemann hatte sich auch Reimar Fitzlaff eine bescheidene Abschiedsfeier ohne Trauerkleidung gewünscht. Die Erschienenen sollten sich nach der Urnenbeisetzung zu einem fröhlichen Gedankenaustausch zusammenfinden. Freundin Erika wusste genau um ihr Ende und wer sie kannte, sieht sie im Geiste auf einem guten Wege weiterwandeln. C.G. Jung schrieb: „Im Grunde genommen bin ich … nie mehr ganz vom Eindruck losgekommen, dass das ‚Leben’ ein Existenzausschnitt (Hervorhebung durch die Redaktion) sei, welcher sich in einem hierfür bereitgestellten dreidimensionalen Weltsystem abspielt…“ (siehe „Erinnerungen, Träume, Gedanken“, zitiert nach Ital, Gerta, Auf dem Weg zu Satori, Weilheim 1971, S 219). Wie sich nach der von uns in den BM 2.2011 weitergeleiteten Anfrage eines großen Hamburger Krankenhauses gezeigt hat, scheint die Bereitschaft, Sterbebegleitung zu leisten, nicht gering zu sein. Vielleicht verbirgt sich dahinter neben dem Wunsch zu helfen auch ein vitales Interesse an der Thematik „Sterben und was dann kommt“. Sehr zu danken ist Kai Jacobsen dafür, dass er vor nun bald vier Jahren durch seine große Spende und seinen persönlichen Arbeitseinsatz den Erhalt des Hauses Nr. 25 und die Einrichtung des viel genutzten Mönchszimmers ermöglicht hat. Der BGH geht es gut. Die Vorstandsarbeit durch W. Krohn und W. Jensen ist bis zur nächsten Mitgliederversammlung im März 2012 sowohl rechtlich als auch praktisch gesichert. Dennoch benötigen wir bis zu diesem Zeitpunkt dringend Unterstützung in verschiedenen Arbeitsbereichen, siehe Geschäftsbericht. Wir sind zuversichtlich, dass wir die Frage des Vorsitzes der BGH bald in befriedigender Weise werden lösen können. Wir sind Volker Köpcke dankbar, dass er drei Jahre lang als erster Vorsitzender unserem Verein vorgestanden hat und uns auch jetzt immer wieder sowohl im rechtlichen Bereich, als auch bei praktischen Aufgaben unterstützt. Verein während einer besonders schwierigen Zeit geleitet hat. Allen, denen unsere Arbeit am Herzen liegt, wünschen wir Freude an dieser Ausgabe unserer Zeitschrift und einen gesegneten Jahresausklang. Wiebke Jensen 4 Die Lehrrede vom Heil (Magala-Sutta) SUTTA-NIPĀTA Sn II.4. Vers 258-269 Diese Lehrrede bietet einen kurz gefassten Überblick über die wirklichen und höchsten heilbringenden, also zum Ende von dukkha führenden Eigenschaften, Verhaltensweisen und Wirkungen. In einer Übersetzung aus dem Pāi von ArminDao Ketterer. So ist das von mir Gehörte. – Zu einer Zeit weilte der Erhabene in Sāvatthi, im Siegerforst im Park des Armenspeisers (Anāthapiika). Da näherte sich in der zu Ende gehenden Nacht eine gewisse Gottheit, den ganzen Siegerforst außergewöhnlich erstrahlen lassend, dem Erhabenen; sich genähert und den Erhabenen ehrerbietig gegrüßt habend, blieb sie seitlich stehen. Seitlich stehen geblieben, richtete die Gottheit an den Erhabenen diese Strophe: 258 (DIE GOTTHEIT) „Zahlreiche Götter und Menschen haben über Heilsdinge nachgedacht; Wohlergehen erwartend, verkünde Du das Heilbringende!“ 259 (DER ERHABENE) „Keine Widmung dem Törichten, Widmung dem Verständigen; Verehrung dem Verehrungswürdigen, das ist das Heilbringende. 260 An geeignetem Ort wohnen, in früherer Existenz Verdienste vollbracht; Selbst nun mit trefflichem Streben, das ist das Heilbringende. 261 Reichhaltige Wahrheit und Fertigkeit, die (Ordens-)Disziplin gut geübt; Glänzend gesprochene Worte, das ist das Heilbringende. 262 Unterstützung für Mutter und Vater, Fürsorge für Sohn und Frau; Passende Beschäftigung, das ist das Heilbringende. 263 Freigebigkeit und lehrgemäßes Leben, Fürsorge für die Verwandtschaft; Untadelige Handlungen, das ist das Heilbringende. 264 5 Abstehen und Enthalten von Schlechtem, bei berauschendem Getränk Selbstbeherrschung; Wachsamkeit in Bezug auf die Erscheinungen, das ist das Heilbringende. 265 Achtung und Demut, Zufriedenheit und Dankbarkeit; Zur rechten Zeit das Hören der Lehre, das ist das Heilbringende. 266 Geduldige Nachsicht und freundliche Rede, Wanderasketen erkennendes Sehen; Zur rechten Zeit ein Lehrgespräch, das ist das Heilbringende. 267 Asketische M äßigung und nichtsinnlich-entsagende Lebensweise, erkennendes Sehen der Edlen Wahrheit; Eigene Verwirklichung von Nibbāna, das ist das Heilbringende. 268 Von Erscheinungen der Welt berührt, wird die Gemütsneigung nicht erschüttert; In Kummerlosigkeit, Unbeflecktheit und friedvoller Ruhe, das ist das Heilbringende. 269 Die solches getan haben, sind überall unbezwungen; Sie gehen überall ins Wohlbefinden, dies ist für sie das Heilbringende.“ Die Lehrrede vom Heil, die vierte, ist zu Ende. Dhammapāda Ve rs 383 In einer Übersetzung aus dem Pāḷi von ArminDao Ketterer. Schneide ab den Strom* mit Tapferkeit, Gib die Sinneslüste auf, heiliger M ann; Den Untergang der Zusammensetzungsaktivität erkannt habend, Kennst du das Nichtgemachte**, heiliger M ann. * Strom der Triebe, des Begehrens. ** Nichtgemachtes ist gleichbedeutend mit Nibbāna. 6 Geburtstagsgedanken von Annette Poerschke Wie viele Leben sind wohl vergangen, im Auf und Ab, in Glück und Bangen? Wie viele Male ward ein ıIch„ erstrebt, wie viele Leben schon gelebt? Wie oft mit Furcht dem Tod ins Aug' geblickt, im Weiterwerdenwollen tief verstrickt? Doch nun dies Leben, diese Geburt, da ward erblickt im Fluss die Furt. Gehört hab ich des Erwachten Wort, da ward erkannt der Friedensort. Wo kein Wunscheswille mehr entsteht, nichts mehr aufsteigt, nichts vergeht. Wo keine Gestaltung mehr begehrt, wo keine Wollung mehr verzehrt. Welch größ'ren Schatz kann einer finden, als den Weg, alles Begehren zu überwinden? Mit tiefster Dankbarkeit sei der Erhabene gepriesen, der den Wesen diesen Weg gewiesen. Mit jubelnd Freude kann ich solche sehn, die als Asketen im Orden in der Übung stehn. Voll Freude und Dankbarkeit kann ich auch an jene denken, die mir die edle Freundschaft schenken. Größ'ren Reichtum kann es für mich nirgends geben, so ist dies bislang mein bestes Leben. So ist in diesem Leben der größte Wunsch mir schon erfüllt, der Freiheit Antlitz ist nicht mehr verhüllt. 7 Die Geschichte vom Gazellenkönig Nigrodha von Dr. Alfred Weil Vortrag im NDR Info, Sendereihe Religionsgemeinschaften – Buddhisten, am Sonntag, dem 17.07.2011, 07.15 bis 07.30 Uhr Gelesen von Ursula Luhn und Kornelia Paltins Eine alte indische Geschichte, Jataka 12, erzählt, dass der Buddha in einem seiner früheren Leben im Reiche des Königs Brahmadatta als Gazelle geboren wurde. Als er aus dem Mutterschoß kam, leuchtete er wie Gold, seine Augen funkelten, seine Hörner hatten die Farbe von Silber und sein Mund die roter Gewänder. Das prächtige Tier lebte zusammen mit fünfhundert anderen Gazellen in einem großen Wald, und für alle war er der geachtete und verehrte Gazellenkönig Nigrodha. Ganz in der Nähe des Rudels hielt sich noch eine andere fünfhundertköpfige Gazellenherde auf, an deren Spitze der ebenfalls goldglänzende Sakha stand. König Brahmadatta nun war geradezu auf die Jagd versessen. An seinem Hof gab es keine M ahlzeit ohne Fleisch. Ohne jede Rücksicht rief er jeden Tag einige seiner Untertanen zusammen, damit sie mit ihm auf die Pirsch gingen. Den Leuten war das jedoch auf die Dauer zu zeitraubend, und sie überlegten: „Lasst uns doch das Wild mit besonders wohlschmeckendem Futter und frischem, klarem Wasser in den königlichen Park locken. Dann verschließen wir das Tor, die Tiere können nicht mehr entkommen, und der König mag sich ihrer nach Lust und Laune bedienen.“ Bald war der Plan in die Tat umgesetzt, beide Herden gefangen und der Herrscher in seinem Palast über die neue Situation informiert. Der ging alsbald freudig in seinen Park und erblickte zuallererst die beiden goldfarbenen Gazellen, die er sofort unter seinen besonderen Schutz stellte. Ihnen sollte nichts geschehen. Von nun an erlegte Brahmadatta entweder selbst eines der Tiere oder er beauftragte seinen Koch. Jedes M al aufs Neue stürzten die Gazellen in Panik davon, wenn sie einen M enschen mit Pfeil und Bogen herankommen sahen, und nicht selten zogen sie sich böse Verletzungen zu. M anche starben sogar bei ihrer wilden Flucht. Als der Bodhisatta dessen gewahr wurde, rief er Sakha, den Anführer der anderen Herde, zu sich und machte ihm folgenden Vorschlag: „M ein Lieber, wir leben in schlimmen Zeiten, die einigen unserer Schwestern und Brüder das Leben kosten und allen anderen Angst und Schrecken bringen. Wie wäre es, wenn sich jeden Morgen eines von uns freiwillig zum Opfer 8 brächte? Wer das sein wird, mag das Los bestimmen, und abwechselnd soll es eines aus deiner und aus meiner Schar sein. Der Unglückselige begibt sich an einen vereinbarten Ort und übergibt sich dem König.“ „So werden wir es machen“, antwortete Sakha. „Wenn auch viele sterben müssen, können wir auf diese Weise unnötigen Schmerz vermeiden.“ Nachdem auch Brahmadatta sein Einverständnis gegeben hatte, verfuhr man so, wie die beiden Gazellenkönige verabredet hatten. Eines Tages nun traf das Los eine schwangere Gazelle aus der Herde Sakhas. Sie war über die Maßen betrübt und wandte sich traurig an Sakha: „M ein Herr, in meinem Leib wächst ein Junges heran. Wenn ich nun mein Haupt auf den Opferblock lege, werden zwei von uns sterben müssen. Lass doch für dieses Mal das Los an mir vorüber gehen. Ich bitte dich darum, um meines Kindes willen.“ Sakha aber schüttelte den Kopf: „Ich kann dir nicht helfen. Du weißt, was du zu tun hast, also gehe und erfülle deine Pflicht.“ In ihrer Not ging die werdende Gazellenmutter zu dem Gazellenkönig Nigrodha und klagte auch ihm ihr Leid. Der überlegte nicht lange und erwiderte: „Gehe du zurück in das Gehölz, du sollst frei sein. Ich selbst werde heute dem König als Speise dienen.“ Woraufhin er sich umgehend an den vereinbarten Ort begab, wo der Koch schon etwas ungeduldig wartete. Der aber wollte seinen Augen nicht trauen. ‚Hat Brahmadatta dem Gazellenkönig nicht seinen Schutz angeboten? Hat er nicht für dessen Leben gebürgt? Wie kommt es denn, dass jetzt Nigrodha selbst am Opferplatz erscheint?’, fragte er sich. Schleunigst machte der verwirrte Koch kehrt und berichtete dem König von dem merkwürdigen Geschehen. Ungläubig und kopfschüttelnd bestieg Brahmadatta seinen Wagen und preschte in den nahe gelegenen Park. Er wollte sich selbst ein Bild machen. Dort angekommen, sprach er: „Lieber Nigrodha, du weißt, dass ich dir meinen persönlichen Schutz gewährt habe. Du hast den Tod nicht zu fürchten, warum also finde ich dich an dieser Stelle?“ Der Bodhisatta sah ihn an und antwortete: „Brahmadatta, heute kam eine trächtige Gazelle zu mir und bat um ihres Jungen willen um Schonung. Sie flehte: ‚Lass das Los für dieses Mal an mir vorüber gehen, sonst wird es auch meine Leibesfrucht treffen.’ Ich aber will nicht das Leid des Todes einem andern aufbürden, und das ist der Grund, warum ich hier warte. Ich bin gerne bereit, mein Leben für das ihre und das des Jungen hinzugeben. Tue also, was dir beliebt.“ Der König hielt einen Moment inne und sagte schließlich: „Bester Gazellenkönig, am Königshof, ja in meinem ganzen Reich ist mir noch nie jemand begegnet wie du. Deine Freundlichkeit und dein Mitempfinden ha9 ben mich besiegt. Du kannst aufstehen und wieder zu deiner Herde zurückkehren. Dir und jener Muttergazelle gewähre ich die Freiheit.“ „Wenn wir beide gerettet sind, was soll dann aber mit unseren Schwestern und Brüdern hier im Park geschehen, oh König?“, entgegnete der Bodhisatta. Auch sie wollen leben und nicht sterben. – „Auch den übrigen soll von nun an nichts mehr geschehen, das verspreche ich.“ – „Und was ist mit all den anderen Gazellen in Wald und Flur?“ – „Sie sollen ein Leben frei vor Furcht und ohne Sorge führen“, so der König. – „Und die übrigen Vierfüßler, die Vögel in der Luft, die Fische im Wasser? Wie wird es ihnen ergehen?“ – „Ganz ebenso, von mir haben sie nichts mehr zu befürchten.“ Auf diese Weise erreichte der Gazellenkönig Nigrodha, dass am Königshof nie mehr gejagt und alles Leben geschont wurde. M ehr noch. Tief beeindruckt von dem M itgefühl des außergewöhnlichen Tieres wurde Brahmadatta auch für die Weisheit aus Nigrodhas Mund empfänglich. Und dieser riet ihm: „Wandle einen heilsamen Weg, mein König. Wenn du für deine Familie und deine Untertanen ein Vorbild bist und die Regeln von Sitte und Anstand niemals übertrittst, wenn du stets friedfertig bleibst und keinem etwas zuleide tust, dann wirst du nach deinem Tod in himmlischer Welt wiedererscheinen.“ Mit Freude nahm der König diese Ratschläge an und beherzigte sie. Noch für einige Zeit blieb der Gazellenkönig in Brahmadattas Park, um den König weiter zu belehren, ihn zu inspirieren und ermutigen, in seinem Bemühen nicht nachzulassen. Danach verschwand er mit seiner Herde für immer. Jatakas, sogenannte Wiedergeburtsgeschichten wie die eben gehörte, sind in der buddhistischen Tradition sehr beliebt. Nicht nur bei Kindern. Sie machen den Zuhörer auf lebendige und anschauliche Weise mit den herausragenden Eigenschaften vertraut, die sich der werdende Buddha im Laufe seiner vielen vergangenen Leben erwarb. Oft sind – wie der Gazellenkönig Nigrodha – Tiere die Hauptakteure. Diese Geschichten lehren, ohne belehrend zu sein, sie geben Ratschläge, aber ohne erhobenen Zeigefinger. Was aber macht Nigrodha wahrhaft königlich, was unterscheidet ihn von allen anderen? In den Handlungen des edlen Tieres werden ein großes Herz und ein klarer Geist sichtbar. Es besitzt Eigenschaften, die ein Buddha in besonderer Weise verkörpert: Güte, Mitempfinden und Weisheit. Güte hat, anders als es in unserer Gesellschaft zunehmend Mode wird, nicht nur das eigene Interesse im Auge. Sie handelt nicht egozentriert und 10 nächstenblind, sondern sie nimmt das Wohl aller in den Blick und setzt sich dafür ein. Und das Wohl aller meint auch das Wohl aller. Sich um den eigenen Partner zu kümmern, für die eigene Familie etwas zu erreichen oder für das eigene Land da zu sein, ist kein ganz außergewöhnliches Kunststück. Aber Wohlwollen ohne Ausnahmen und Einschränkungen zu entfalten, schon. Deshalb gilt das in unserer Geschichte für jedes einzelne Tier – auch aus dem fremden Rudel. Und wie der Fortgang der Geschichte zeigt, ist davon selbst der fleischhungrige und unbarmherzige Brahmadatta nicht ausgenommen, den die Gazellen eigentlich als ihren Todfeind betrachten müssten. Mitempfinden heißt, den anderen in seiner Notsituation zu sehen und sich nicht abzuwenden, sondern die helfende Hand zu reichen. Mitempfinden heißt, jemanden in einer schwierigen Lage zu unterstützen, auch wenn damit ein persönlicher Nachteil verbunden ist. Nigrodha ist sogar bereit, sein Leben zu opfern. Ihm ist das möglich, weil er längst keinen Unterschied mehr macht zwischen Ich und Du. Denn unterschiedslos alle Wesen wollen Schmerz vermeiden und alle streben sie nach Glück und Zufriedenheit. Wer hätte da ein größeres und wer ein geringeres Anrecht? Nigrodha kann seiner Herde so gut voranstehen, weil er seine eigenen Wünsche ohne Bedenken zurückstellt. Sein eigenes Glück ist ihm nicht wichtiger als das von jedem anderen in seinem Gefolge. Der goldene Glanz, den er um sich verbreitet, ist also nicht nur äußerlich; er gründet in dem Strahlen seines reinen Herzens. Doch zu dem Mitempfinden des Gazellenkönigs kommt eine weitere Eigenschaft hinzu: seine tiefe Weisheit. Zum Fliegen braucht man bekanntlich zwei Flügel, und so bezeichnen Buddhisten M itempfinden und Weisheit gelegentlich als die beiden Schwingen, die auf die Insel der Freiheit tragen. Wo Einsicht fehlt, kommt niemand ans Ziel. Weisheit ist aber mehr als intellektuelles Wissen oder Resultat einer intensiven akademischen Bildung. Weisheit ist die Fähigkeit, das Leben in seiner Tiefe zu verstehen und intuitiv auch die verborgenen Seiten der Wirklichkeit zu erfassen. Nigrodha weiß, dass persönliches Glück nicht auf Kosten anderer gedeihen kann. Er weiß, dass es nur aus wechselseitiger Fürsorge erwächst, wo der eine für den anderen einsteht, weil jeder dem Grunde nach mit seinem Nächsten eins ist. Einen anderen zu verletzen oder zu töten, heißt sich selbst weh zu tun oder umzubringen. Ein M itwesen zu schonen, ist dagegen der beste Schutz auch für einen selbst. Ethisches Verhalten und eine wohl11 wollende Geisteshaltung können nicht eingefordert oder erzwungen werden, sie erwachsen zwangsläufig und haben Bestand, wo tiefe Einsicht sie trägt. Der Gazellenkönig kann Brahmadatta gar nicht als seinen Gegner betrachten, er ist für ihn nicht weniger ein der Hilfe bedürftiges M itwesen als die verzweifelte trächtige Gazelle. Aus seinem Wissen kann sich Nigrodha darauf verlassen, dass Mitempfinden am Ende sogar Gewalt und Rücksichtslosigkeit besiegt, und er behält Recht. Und weil Weisheit nicht nur das vor Augen Liegende sieht, kann der Gazellenkönig seinem gelehrigen menschlichen Schüler sogar eine gute ferne Zukunft versprechen. Einwandfreies Verhalten und ein friedfertiger Geist zeitigen positive Folgen nicht nur im Hier und Jetzt, sondern auch jenseits des Todes. Wer ein Engel in Menschengestalt ist, kann nur in himmlischer Welt wiedererscheinen. Wir verabschieden uns mit dem Gruß „Mögen „Mögen alle Wesen glücklich sein und Frieden finden.“ finden.“ Shiro San von Holger Korin Stienen, Mai 2011 Es begab sich zu jener Zeit, als fast die ganze Welt in schrecklichen Kriegen unterzugehen drohte. Das aber ist noch gar nicht so lange her. Ein Vater, Soldat, schrieb an sein noch ungeborenes Kind: „An mein Kind, dem ich nie begegnet bin – das Schicksal hat verhindert, dass wir uns kennen lernen. Denn ich bin bald, nachdem du empfangen wurdest, dorthin gekommen, von wo es kein Zurück mehr gibt. Aber ich möchte nicht, dass du traurig bist. Ich werde immer an deiner Seite sein. Wenn du dich einsam fühlst, schaue zur Sonne durch deine halb geschlossenen Wimpern hinauf und du wirst mich in den Regenbogenfarben erkennen. Von dort irgendwoher schaue ich zu, wie du größer und größer wirst. Beschütze und unterstütze deine Mutter. Aber das Wichtigste ist, bis zu seinem Lebensende nie aufzugeben. Dein kurzes Leben zu leben, hier und jetzt, als wäre es endlos. Du wirst es verstehen….“ Kurz darauf jener unsägliche August. Hiroshima. Shiro war immer noch im Bauch seiner traurigen, tapferen, jungen Mutter. Der Röntgenblitz aus der Ferne durchfuhr ihren Körper. Und nach einigen Tagen M arsch aus der Region, unter abertausenden von Versehrten, Verbrannten und Verstrahlten, brachte sie auf einem kleinen Gehöft einen Jungen zur Welt, Shi12 ro. Shiro bedeutet weiß. Er war blass, klein, aber gesund. Sie konnte ihn nicht einmal stillen, so schwach war ihr Körper. Sie wurde immer kränker und starb nach kurzer Zeit elendiglich an der Strahlenkrankheit. Aber das Kind war, wie durch ein Wunder, gesund. Nicht einmal einen Brief konnte sie ihm hinterlassen. Keinen Hinweis auf Verwandte. Im Katastrophengebiet herrschte großes Durcheinander. Die Frau wurde von gänzlich Unbekannten auf freiem Feld eingeäschert Auf dem kleinen Friedhof hinter einem alten Holztempel, wo sich die Grabsteine stapelten, führte der Priester eine Trauerfeier für die Frau durch, eine von vielen in jenen Tagen: „Die Welt ist völlig rein und voller Licht, das leuchtend das Universum umfasst. Wenn wir unsere Welt betrachten, scheint sie der Stoff von Träumen zu sein. Wir wünschen, wenn wir uns vor Buddha, der Lehre und der buddhistischen Gemeinde verneigen, dass wir dieses Leuchten erkennen mögen. Demutsvoll kommen wir in diesem Tempel zusammen.“ Shiro wurde in einen anderen Tempel gebracht und dann in einen weiteren am Japanischen M eer, wo auch andere Waisen lebten und mit dem Abt und der Haushälterin wie in einer Familie auf dem Berg inmitten des Zedernwaldes aufwuchsen. Damals gab es noch das Reisfeld am Hang und viele giftige Oyboshi-Schlangen. Das Leben war hart, fast alles zum Leben musste die kleine Gemeinschaft selber erzeugen. Das Dorf im nahen Tal war arm, aber die Kinder wuchsen glücklich auf, tollten und tobten herum und lernten das Leben im Zen-Geist kennen, frühes Aufstehen, Meditation, Rezitationen, Arbeit in Haus und Garten, auf dem Friedhof nebenan oder das Schleppen schwerer Reissäcke den Hang hinauf, wenn jemand diese gespendet hatte. Sie planschten im Quellwasser, das bis heute den Tempel versorgt, und schnickten kleine Steinchen zu den Koys im Teich, suchten die Eier im Hühnerstall oder vertrieben die Hornissen mit Räucherwerk. Aber schließlich blieb, nachdem sie die Schule verlassen hatten, nur eines der Kinder im Tempel, Shiro. Er hatte das Zen-Leben verinnerlicht und sich für den spirituellen Weg entschieden, worüber der Abt sehr glücklich war. Er fand in ihm seinen Nachfolger. So wurde Shiro in das große Ausbildungskloster Eiheiji geschickt und war einer von vielen hundert Novizen und Mönchen. Heute leitet er den vierhundert Jahre alten Tempel, in dem er aufwuchs, und bildet selber Nonnen und Mönche aus. Nur manchen Schülern zeigt er die M alereien auf den Innenseiten mittelalterlicher Schränke. Jetzt ist er alt geworden, aber unermüdlich. Er arbeitet wie ein junger Mensch, kümmert sich um viele bemitleidenswerte Personen im Dorf, geht auf Bettelgänge, leitet Zeremonien und macht jede zweite Woche durchgängig vom M orgengrauen bis in die Nacht 13 hinein Zazen und Kinhin, Sitzen und Gehen in Stille; manche früheren Jahre nach dem Tod des Meisters ganz alleine. Seine Lehrreden bestehen oft aus Geschichten aus dem wahren Leben, die er herzergreifend in schlichter Sprache erzählt. Ein M ensch des theoretischen Buddhismus’ ist er nie geworden und zudem ist er arm geblieben. Zuletzt ist das jahrhundertealte Eingangstor zum Tempelbezirk eingestürzt. Das muss so bleiben, bis vielleicht einmal jemand ein neues spendet. Beklagt hat er sich noch nie und ruht einfach nur in sich. Wenn man ihm begegnet, spürt man Glück und wie aus einem elterlichen Instinkt möchte man das Kind gerne – noch einmal – „adoptieren“. Aus einer Lehrrede von Shirosama Roshi, eine wahre Begebenheit: „Ein Junge kommt zu einem Tischlermeister in die Lehre. Nach einiger Zeit versucht die Ehefrau des Handwerksmeisters, den Jungen zu verführen, der jedoch die Versuche der Frau ablehnt. Daraufhin berichtet sie ihrem M ann, dass der Lehrling sie vergewaltigen wollte. Es kommt zu einem Streit, der Lehrherr schlägt den Jungen, der sich schließlich wehrt. Der Lehrherr stürzt und bricht sich das Genick. Der Junge wird verhaftet und kommt lange Jahre ins Gefängnis. Dort wird er im Laufe der Zeit zu einem ernsthaften Buddhisten. Als er entlassen wird, lebt er zunächst in einem Kloster, kehrt aber nach vielen Jahren in sein Heimatdorf zurück. Der Lehrherr und dessen Frau sind gestorben, aber der Sohn, den er noch kennen gelernt hat, lebt und führt die Werkstatt. Er wirft sich vor ihm nieder und bittet um Verzeihung. Der frühere Freund hört ihn an und erfährt vom Hintergrund der Geschichte. Beide wollen etwas Gutes für die Menschen tun und bauen daraufhin eine Brücke über den Fluss, die das Dorf mit den Städten und Gemeinden der Umgebung verbindet“. Ja, so versöhnlich und friedvoll kann das Leben, besonders im Geiste Buddhas, sein. Nach langen Recherchen, und vielleicht durch karmische Umstände, gelangte kürzlich der Brief von Shiro Sans Vater in meine Hände. Ich habe ihn dieser Tage an ihn geschickt. Als wir beiden das letzte M al zusammen am M eer saßen, waren wir glücklich und gerührt und ohne ernsthafte Vorahnung, sogar beim Blick durch das alte Fernglas hinaus auf die Halbinsel, wo in der Ferne aus hinter Hügeln verborgenen Kühltürmen über dem Wald hoch in den Himmel Dampf aufstieg. 14 Sind westliche Buddhisten tole rant? Erfahrungen eines Übenden auf dem Zen Weg von Ulrich Beck Die obige Frage mag seltsam anmuten, werden doch Buddhisten gemeinhin für friedliche und tolerante M enschen gehalten. Zahlreiche ThailandUrlauber hatten schon Gelegenheit, diese angenehmen Charakterzüge persönlich zu erfahren, und auch die Bildberichte aus dem von der schrecklichen Katastrophe heimgesuchten Japan zeigen in der Bevölkerung des Inselstaates eine auffallend gering ausgeprägte Aggressionstendenz der Regierung und dem betreffenden Unternehmen gegenüber, die Ausdruck der buddhistischen Prägung dieses Landes sein dürfte. Sind diese Friedfertigkeit und Toleranz auch bei westlichen Buddhisten zu erkennen? Wenn echte Toleranz vorhanden wäre, müsste sie auch im interreligiösen Umgang miteinander zu finden sein. An dieser Stelle taucht sogleich eine weitere Frage auf. Wer unter uns westlichen Buddhisten hat wirklich die Berechtigung, sich als einen solchen zu betrachten und auszugeben? Hat doch allein aufgrund des Zeitfaktors, nämlich. der vergleichsweise kurzen Präsenz bei uns im Westen diese Religion noch keine tiefen Wurzeln schlagen können. Zwar gab es in Deutschland schon mit Schopenhauer, der seine Vorstellungen durch den Buddhismus bestätigt sah, und Nietzsche (man kann ihn wohl kaum als dem Christentum gegenüber toleranten Philosophen bezeichnen) schon „frühe“ Sympathisanten, aber ob sie wirklich eine tiefgehende Kenntnis der Lehren besaßen oder jemals „praktiziert“ hatten, muss offen bleiben. Im Übrigen fühlte sich auch Richard Wagner zeitweilig zum Buddhismus hingezogen und plante eine romantische buddhistische Oper mit einer Liebesgeschichte Ānandas als Kernpunkt der Handlung. Wie wir wissen, gab es schon im frühen 20. Jahrhundert deutsche Ausgaben der Lehrreden, aber von einer Verbreitung buddhistischen Gedankengutes konnte zunächst noch nicht die Rede sein. Für mich war beispielsweise Georg Grimms Hauptwerk aus dem Jahre 1957 „Die Lehre des Buddho“ bedeutsam, da es eine gut strukturierte Übersicht 1957 „Die Lehre des Buddho“ bedeutsam, da es eine gut strukturierte Übersicht aufwies, nach der man wirklich „lernen“ konnte. Erst viel später begann ich zu begreifen, dass die Praxis mit der Ausübung der Lehre das Entscheidende ist. Die Zahl praktizierender Buddhisten hat wohl innerhalb der letzten fünfzig Jahre kontinuierlich zugenommen, und die Popularität einiger buddhistischer Lehrer wie des Dalai Lama ist bemerkenswert groß. Dennoch bleibt die Frage offen, wer wirklich ein echter praktizierender 15 Buddhist ist. Bekanntlich sind die Kenntnis oder das Verständnis der Lehren noch keine stichhaltigen Kriterien, welche die Bezeichnung „Buddhist“ rechtfertigen, da der Praxis im Buddhismus eine überragende Rolle zukommt. Sicherlich hat jeder unter uns Buddhisten (ich wage es, mich so zu titulieren) schon Erfahrungen gemacht, welche das oben angesprochene Toleranzkonzept in Frage stellen. Hierüber möchte ich aus eigener Erfahrung berichten. Ein erst ganz kurz zurückliegendes Erlebnis stieß mich (beinahe gewaltsam!) darauf, über Toleranz von bekennenden Buddhisten gegenüber unterschiedlichen buddhistischen Traditionen und anderen Religionen nachzudenken. Gemeinsam mit einer Zen-Freundin hatte ich ein Buch über Lehrgeschichten aus Nördlicher und Südlicher Tradition des Buddhismus mit Kommentaren unserer gemeinsamen Lehrerin, der Ehrw. Myokyo-ni (Dr. Irmgard Schlögl) aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt und zur Publikation an einen Verleger geschickt, der vorwiegend Theravāda-Texte herausbringt. Zunächst zeigte er sich sehr interessiert, beinahe sogar begeistert, und wollte das Werk herausbringen. Die Autorin, eine international (besonders in England und Japan) bekannte Zen-Meisterin hat bei ihrer Darstellung der Lehren häufig auf Parallelen mit anderen Religionen, vorwiegend mit dem Christentum, hingewiesen, um westlichen Lesern mit christlich geprägtem kulturellen Hintergrund das Verständnis zu erleichtern. Gelegentlich wurden auch daoistische Vorstellungen erwähnt. Dies schien dem Herausgeber jedoch sehr suspekt und nicht vertretbar zu sein. Schließlich müsse man sich doch einer ausschließlich buddhistischen Nomenklatur bedienen. Sein Unbehagen schlug dann sogar in Aggression um, so dass er die Autorin als eine „Nicht-Versteherin der Buddha-Lehre“ bezeichnete und die Herausgabe des Buches definitiv ablehnte. Vergleichbare Erfahrungen machte ich auch bei Zen-Buddhisten, die sich dem Christentum gegenüber mehr als ablehnend und abwertend äußerten. In der Gruppe eines Zen-Kreises, welcher ich mich in den achtziger Jahren vorübergehend angeschlossen hatte, attackierte der „Leiter“ das Christentum nach jeder gemeinsamen Sitzung, wobei er die Überlegenheit „unserer“ Religion, nämlich des Buddhismus’, herauszustellen versuchte. Kann man sich selbst mit einer derartig intoleranten engstirnigen Haltung wirklich wohl fühlen? Ich fühlte mich jedenfalls keineswegs wohl und suchte mein „Heil“ bei einer anderen Zen-Gruppe. Auch hier war leider von religiöser Toleranz nichts zu spüren: hier war es sogar verpönt, sich frohe Weihnachten oder Ostern zu wünschen. Nach einem Jahr Probezeit sollte man sich um die vollwertige M itgliedschaft in der Gruppe bewerben. Die 16 Voraussetzung allerdings sei, dass man seinen Austritt aus einer der christlichen Kirchen unter Beweis stellte. Es musste ein amtliches Schreiben als Bestätigung über den Austritt aus der Kirche vorgelegt werden. Nun, dieses Verfahren führte dazu, mich nochmals neu zu orientieren, und diesmal war es der große Glücksfall, von der oben erwähnten Lehrerin und Autorin mehrer Bücher als Schüler angenommen zu werden. Später, als einmaliger Gast in einer von einem asiatischen Meister geleiteten Zen-Gruppe, wurde ich Zeuge, wie der M eister abfällige Bemerkungen über den Theravāda-Buddhismus hervorbrachte und die Überlegenheit der Zen-Schule pries. „Intoleranz gibt es also nicht nur bei westlichen Buddhisten“, dachte ich im Stillen. Nun könnte man denken, es sei doch nur menschlich, die eigene religiöse Tradition anzupreisen und sie höher als andere zu stellen. Die Geschichte wimmelt ja nur von solchen Beispielen und den sich daraus ergebenden erschreckenden Folgen. Wir sehen also schon aus diesen selbst erlebten wenigen Erfahrungen, dass religiöse Toleranz keineswegs überall in buddhistischen Kreisen anzutreffen ist. In der folgenden Zusammenfassung möchte ich mich an den Vier Edlen Wahrheiten orientieren: E r s t e n s lässt sich sagen, dass Intoleranz eigenes und anderen zugefügtes L e i d e n ist. Dies wirkt einengend und lässt keine menschliche Wärme und Herzlichkeit aufkommen. Z w e i t e n s stellt sich die Frage nach der Ursache dieses Leidens. Sie liegt unter anderem darin, dass die Verwurzelung in der ursprünglichen oder angenommenen Religion (hier ist von Buddhismus die Rede) nicht tiefgehend genug ist. Die Folge sind uneingestandene Selbstzweifel und Unsicherheit, sodass die „andere“ Religion oder Tradition „kompensatorisch“ abgelehnt, schlimmstenfalls sogar verteufelt werden muss. Bedeutsam für eine wirklich tiefe Verwurzelung im Buddhismus sind natürlich auch karmische Beziehungen die vorhanden sein müssen. D r i t t e n s gibt es eine Heilung dieses Leidens. V i e r t e n s ist die Heilung dieses Leidens in dem Edlen Achtfachen Pfad formuliert, wobei besonders eine entsagende, hasslose und friedliche Gesinnung kultiviert werden muss. Mögen wir uns alle darum zu unserem gegenseitigen Wohl bemühen! 17 Entzücken Entzückend wahrlich sind die Wälder, wo sich die die Menge nicht erfreut, denn diese bringt den Götzen Gelder, weil sie die Sinnesruhe scheut. Wie auf der Wiese so im Wald, auf der HöhÊ und in der WeitÊ Entzücken zeiget sich, sobald der Weise zur Sammlung ist bereit. (nach Dhammapāda VII, 98-99) © Ulrich Jüdes M ettā Vihāra, 10.06.05 18 Meditation im Stehen (Ajahn Cittapala, Vesak 2011) Im Satipa--hāna-Sutta (M 10) erwähnt der Buddha bei der Betrachtung des Körpers ausdrücklich vier verschiedene Körperhaltungen, das Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen: „Wiederum, ihr Bhikkhus, versteht ein Bhikkhu beim Gehen: ,Ich gehe;’ beim Stehen versteht er: ,Ich stehe;’ beim Sitzen versteht er: ,Ich sitze;’ beim Liegen versteht er: ,Ich liege;’ oder er versteht, in welcher Stellung sich sein Körper auch immer befindet.” (Kay Zumwinkels Übersetzung, S. 156) Meditationsanweisungen werden meistens für die Meditation im Sitzen gegeben. Und in einigen Traditionen gibt es auch die Praxis der Gehmeditation, die im Wechsel mit dem Sitzen geübt wird, was die meisten von uns als Wohltat für Knie, Kreislauf und Wachheit erleben. Weniger bekannt sind Anweisungen für die Meditation im Stehen und Liegen. Nachdem ich beim Wochenend-Retreat in der BGH im Mai zum Thema Sati das Meditieren im Stehen und Liegen vorgestellt hatte, bin ich gebeten worden, das noch einmal schriftlich zu wiederholen. Meditation im Stehen Am besten stellt man sich auf festen Boden, die Füße flach am Boden, entweder hüftweit auseinander (das ist bequem und verleiht Standfestigkeit), oder eng zusammen (was wenig Standfestigkeit verleiht, dafür aber fortwährend körperliche Wachheit verlangt, kleine ausgleichende Bewegungen, um die Balance zu halten). Die Beine sind gestreckt, die Knie weich, der Beckenboden ganz leicht nach vorn gezogen, sodass der untere Rücken entspannt ist. Die Arme hängen locker an den Seiten, die Schultern gehen etwas nach hinten und sind entspannt, das Kinn wird ganz leicht eingezogen. Zu Beginn kann man das Gewicht ein paar M al leicht von links nach rechts und dann von hinten nach vorn verlagern, um ein gutes Gefühl für ein entspanntes Gleichgewicht, eine lebendige innere M itte, zu finden. Dann kann man mit der Aufmerksamkeit langsam vom Steißbein aus die Wirbelsäule hochgehen, bis zum obersten Halswirbel, auf dem der Schädel ruht. Wenn wir vielleicht ein bis zwei M inuten sanft in diesen Bereich hinein atmen, kann sich die Anspannung lösen, die sich oft dort und auch ums Kieferge19 lenk gesammelt hat. Das mag auch dazu führen, dass das Atmen unwillkürlich tiefer wird und der Nacken sich löst und von innen her streckt. Es empfiehlt sich, bei längerem Stehen die Aufmerksamkeit mit dem Ausatmen immer mal wieder die Wirbelsäule hinunter und bis in die Fersen zu leiten und dabei alles Gewicht, alle Anspannung in den Boden abzugeben; und danach die Aufmerksamkeit mit dem Einatmen wieder aufsteigen zu lassen. Das unterstützt eine natürliche Energiebewegung im Körper, die einem Ermüden entgegenwirkt. Eine solche weiche, wache Achtsamkeit auf den Körper ist weniger ein „Tun“ als ein fortwährendes Registrieren, wie der Körper sich von innen her zu entspannen und aufzurichten beginnt, sobald wir unser oft unbewusstes Festhalten aufgeben. Langsam kann sich ein transparentes GanzkörperEmpfinden einstellen, bei dem das feine Zusammenspiel von Atem und Körperbewegung und auch verschiedene energetische Vorgänge wahrgenommen werden können. Solange man sich noch nicht an längeres Stehen gewöhnt hat, ist es vielleicht gut, die Stehmeditation auf 15 M inuten zu beschränken. Wem die aufsteigende Energie unangenehm werden sollte, möchte sich vielleicht hinsetzen. Wer will, kann das Stehen langsam auf 60 Minuten ausdehnen und im Wechsel mit Sitzen und Gehen üben. Erstaunlicherweise führt eine längere Stehmeditation normalerweise nicht zu Müdigkeit, sondern zu zunehmender Energie und Wachheit. Daher wird sie besonders dann empfohlen, wenn man zu Müdigkeit und Unkonzentriertheit neigt, z. B. nach dem Essen oder abends. Der zweite Teil der Anleitung, „Meditation im Liegen“, von Ajahn Cittapala ist für Heft 1.2012 vorgesehen. Die Redaktion 20 Purple Rhododendrons Do you know how I felt? I felt that I had come home ⁄ You'll find my grave At the end of a long row Among endless long rows Of purple rhododendrons. You'll not find grief there Just life resigned to eternal silence. You'll also not find heaven, For heaven knows nothing of Death or its beauty, However, you may find a perplexing emptiness And that only rarely, In the hearts of dark mystics, Who have found their hiding in the shadows At the ends of those long rows Of purple rhododendrons. Lives forgotten by the millions, Memories exhumed only when someone kneels, Head bowed towards the deceased left behind, Even when the future beckons him to go on, At that eventual other end, the dead past awaits. If you be sad, don't! Leave behind your sorrows as you tread step by step along these pavements that wind between littered gravestones. If you feel angry, Recollect Death's redressings, Consider how he comes and puts an end to life's insanities ⁄ This garden of Death is a reminder of that forgiveness, So forgive, 21 Forgive all those inhumane atrocities committed in the name of justice. Then bury Those bomb-blasted days as one does, Those over rotten corpses Into the earth of a forgiving Garden, As those rhododendrons Bloody red, if you would have them Fall, turn brown, then black, Then again as invisible latent possibilities. After that, you can walk happily Pass those fallen soldiers and policemen, Firemen , murdered children, unborn foetuses, and victims of the holocaust, Exulted, filled with compassion Along waters and streams Memories, recollections and dreams flow saturated, swim with ducks. Nature consoles, nature uplifts the heart Nature is also Death and also life. Happy are they who have found their final repose Underneath shady trees Repaying Nature what they owed by the few grams of their own elements. Nearby rises the tomb of Linné, Descendant of a most respected botanist A past director of one of the largest cemeteries in the world Who must have understood Nature's spirituality. And thus he tended to these rhododendrons And thus endless long rows of purple rhododendrons. 22 It's somewhere here At the farthest end where lies my love, And at another charming corner lies yours. Blissful it is when the pains of life Have been laid to rest, It's here at the end of a long row Among endless long rows Of purple rhododendrons, It's here where time stops, Here where they never died, Here where we never lived. 30- M ay- 2011 Ohlsdorf Friedhof, Hamburg; Foto: Bhante Sujiva Purpurne Rhododendren 23 Ins Deutsche übertragen von Jan van Wurstemberger Wisst Ihr, wie ich mich gefühlt habe Unter endlosen langen Reihen Purpurner Rhododendren? Ihr werdet dort keinen Kummer finden Nur Leben, das zu ewiger Stille zurückgetreten ist. Auch den Himmel werdet ihr nicht finden, Denn der Himmel weiß nichts vom Tod oder von dessen Schönheit, Ihr könntet jedoch eine verwirrende Leere antreffen Und dies, auch nur selten, In den Herzen dunkler Mystiker, Die ihr Versteck In den Schatten gefunden haben Am Ende dieser langen Reihen Purpurner Rhododendren. Von den Millionen vergessener Leben, Erinnerungen, die nur dann exhumiert werden, Wenn sich jemand niederkniet, Den Kopf dem hinterlassenen Verstorbenen zugeneigt, Und selbst, wenn die Zukunft ihm zum Weitergehen zuwinkt, Am letztendlichen anderen Ende, wartet die tote Vergangenheit. Solltet Ihr traurig sein, seid es nicht. Lasst Eure Trauer hinter Euch Derweil Ihr Schritt für Schritt diesen Pflastersteinen entlang schreitet, Die sich durch dahin gestreute Grabsteine winden. Solltet ihr Euch ärgern, Dann erinnert Euch an die Wiedergutmachungen des Todes, 24 Berücksichtigt, dass er kommt und allem Wahnsinn des Lebens ein Ende bereitet. Also vergebt, Vergebt all diese unmenschlichen Grässlichkeiten, Die im Namen der Gerechtigkeit begangen wurden. Dann begrabt Diese von Bomben zersprengten Tage, Wie man verwesende Leichen begräbt – In die Erde eines vergebenden Gartens. Sowie diese Rhododendren, Blutrot, wie ihr sie euch herbeiwünschen würdet, Dann jedoch abfallen und braun werden und dann schwarz, Und dann wieder zu unsichtbaren latenten Möglichkeiten. Danach könnt ihr glücklich gehen Vorbei an gefallenen Soldaten und Polizisten, An Feuerwehrleuten, ermordeten Kindern und ungeborenen Föten, Und an Opfern des Holocaust. Frohlockend, erfüllt von Mitgefühl. Memoiren, Erinnerungen und Träume Fließen durchtränkt entlang Gewässern und Bächen, Schwimmen mit Enten. Natur tröstet, Natur erhebt das Herz Natur ist auch Tod und auch Leben. Glücklich jene, die ihre letzte Stätte gefunden haben Unter schattigen Bäumen, Der Natur zurückzahlend, was sie ihr schuldeten – Mit den paar Gramm ihrer eigenen Elemente. 25 In der Nähe erhebt sich das Grab Linnés, Nachkomme eines überaus angesehenen Botanikers, Er selber ein vergangener Direktor eines der größten Friedhöfe Der Welt. Er muss die Spiritualität der Natur verstanden haben, Und deshalb hat er diese Rhododendren gepflegt, Und somit: endlos lange Reihen purpurner Rhododendren. Irgendwo hier, Am entferntesten Ende, Liegt meine Liebe. Und an einer anderen bezaubernden Ecke liegt die Deine. Glückseligkeit ist, wenn die Schmerzen des Lebens Zur Ruhe gelegt wurden. Hier, am Ende einer langen Reihe Unter endlosen langen Reihen Purpurner Rhododendren, Hier hört die Zeit auf, Hier, wo sie niemals gestorben sind, Hier, wo wir niemals gelebt haben. ****** Anlässlich seines ersten Wochenendseminars in unserem Zentrum, das von über 25 Teilnehmenden besucht wurde, lernte Bhante Sujiva in Begleitung seines – ausgezeichneten – Übersetzers Jan van Wurstemberger und einiger aktiver BGH-M itglieder auf einem ausgedehnten Spaziergang den ihm bis dahin noch unbekannten, berühmten und weltgrößten Ohlsdorfer Friedhof kennen. Dass ihm nicht zuviel versprochen worden war, zeigte sich an seiner Begeisterung, die ihn zu dem vorstehenden Gedicht inspirierte. Wir freuen uns, dass Bhante Sujiva sein Kommen zu einem weiteren Seminar für Ostern 2012 (4. bis 9. April) zugesagt hat. Das Foto mit den purpurnen Rhododendren wurde von Bhante Sujiva selbst aufgenommen . 26 Eine Reise zur Mahabodhi Society Von Gustav Büttner Am 16. März 2011 traf Herr Gustav Büttner, langjähriger Schatzmeister der DBHV aus Darmstadt, mit weiteren Reisenden aus der Schweiz und aus Belgien in Bangalore/Indien ein. Es folgt sein von der BM-Redaktion bearbeiteter und leicht gekürzter Bericht: Bis zu den Feierlichkeiten zum 90. Geburtstag von Venerable Acharya Buddharakkhita (Bada Bhante), dem Gründer der Mahabodhi Society, Bangalore, und unserem Freund, dem großen Dhamma-Lehrer, haben wir uns regeneriert und ein bisschen in der prosperierenden indischen M illionenstadt Bangalore umgesehen. Am 19 und 20. M ärz fanden dann die Geburtstagsfeierlichkeiten in Anwesenheit vieler indischer und ausländischer Persönlichkeiten statt. Es war ein großes Ereignis, das von Bhante Ānanda organisiert und großartig inszeniert worden war. Eine Mönchsgruppe aus Sri Lanka rezitierte mit gekonnten Stimmen Pali-Texte. Am nächsten Tag fuhren wir von Bangalore mit dem Bus nach Mysore, besuchten das Internat Carla S tudents Home sowie das Studentenheim Mettaloka und übergaben dabei die Gastgeschenke an die „Boys“, wie sie allgemein genannt werden. Dort traf ich viele Freunde, die ich bei meinem ersten Besuch 1997 als Buben kennen gelernt hatte und die inzwischen erwachsene Männer geworden sind und zurzeit ein Studium oder eine Ausbildung absolvieren. Am 23. März ging es von Bangalore aus in Begleitung von Bhante Kassapa und Bhante Panyarakkhita mit dem Flugzeug in Richtung Nordosten nach Guwahati im indischen Teilstaat Assam, wo wir auch übernachteten. Am nächsten Tag flogen wir mit dem Helikopter weiter zu unserem ersten Zielort in Arunachal Pradesh (AP), nach Tawang, um dort das Altenheim „Mahabodhi Home for Elders“ zu besuchen. Während unseres Aufenthalts in Tawang vom 25. bis 27. M ärz waren wir in einem Gästehaus der M ahabodhi untergebracht, in dem wir auch verpflegt wurden. Ein Zusammenleben im Heim zwischen Alt und Jung wie dort wäre vielleicht auch in Deutschland empfehlenswert. Die beiden weit auseinander liegenden Generationen ergänzen sich ausgezeichnet. Wir erlebten, wie die M ädchen, soweit sie schon in der Lage dazu waren, den Alten etwas vorlasen oder ihnen das Rechnen beibrachten. Die Alten wieder27 um unterrichteten die M ädchen im Gartenbau, in Naturheilkunde und im Kochen einheimischer Speisen. Eine M itreisende, Sabine Heidemann, hatte von Zuhause abgelegte Brillen von einem Optiker mitgebracht und führte mit den alten Frauen und den M ädchen einen Sehtest durch. Dabei konnte sie bei zwei Frauen eine Sehschwäche feststellen und sie mit einer passenden Brille versorgen. Dadurch stieg die Lebensqualität der beiden alten Damen. Das Programm, das uns Bhante Panyarakkhita, der Projektleiter des „M ahabodhi Home for Elders“ bot, war in der dünnen Luft von Tawang körperlich sehr anstrengend. Der Ort liegt zirka 3500 Meter über dem M eeresspiegel. Die Höhe und die damit verbundene dünne Luft machten uns zu schaffen. In Tawang besichtigten wir hauptsächlich Naturdenkmäler, buddhistische Klöster und andere Sehenswürdigkeiten. Mit dem Wetter hatten wir Glück: Wenn es regnete, dann nur in der Nacht für kurze Zeit, sodass wir keine Gummistiefel brauchten. Bei einem unserer Ausflüge trafen wir zwei indische Soldaten aus Rajasthan (Sikhs) mit Vollbärten und Turbanen, die an einem Kontrollposten Wache hielten und uns zu einer Tasse Tee einluden. Unsere Gesprächsthemen waren die Natur- und Nuklearkatastrophe in Japan. AP ist ein sehr rückständiges und armes Gebiet. Eine Infrastruktur, wie wir sie kennen, ist nicht vorhanden. Der Lebensstandard der Menschen ist daher sehr niedrig. Ganz besonders betroffen davon sind die Kinder, weil es an gut ausgebildeten Lehrern und dadurch später an Verdienstmöglichkeiten fehlt. Lehrer aus den großen Städten möchten nicht in diesem rückständigen Gebiet arbeiten. AP ist auch ein soziales Notstandsgebiet, in dem es viel familiäre Gewalt und Alkoholismus gibt. Darunter haben besonders die Kinder zu leiden. Das hat die M ahabodhi veranlasst, in den besonders betroffenen Gebieten wie Tawang und Diyun soziale Stützpunkte einzurichten. AP ist zudem wegen der Auseinandersetzung zwischen Indien und China im Jahre 1964 militärisches Sperrgebiet. China beansprucht Tawang als Teil von Tibet. M an kann deshalb AP nur mit einer amtlichen Genehmigung bereisen. Diese hatte uns Bhante Ānanda besorgt. Auch mussten wir zweimal durch Assam, das öfters wegen der dortigen Separatisten gesperrt ist. Die Ankündigungen dieser Sperren erfolgen immer nur kurzfristig. Wir hatten aber jedes Mal Glück und konnten ohne Probleme Assam passieren. Der Abschied von den Mädchen und den alten Frauen in Tawang fiel uns nicht leicht. Wir hatten sie schon nach kurzer Zeit ins Herz geschlossen 28 und ich glaube, sie uns auch. Zum Abschluss führten uns die M ädchen ein Kulturprogramm mit einheimischen Tänzen vor. Von Tawang ging es am 28. M ärz wieder mit dem Helikopter nach Dibrugarh/Assam und von dort mit dem Auto nach Kaziranga, in dessen Nähe sich ein großer Nationalpark befindet, wo es wilde, frei lebende Tiger, Elefanten, Nashörner, Gazellen und manches kleine Getier gibt. Wir ritten am nächsten Tag auf Elefanten durch den Park. Leider konnten wir zu der Zeit keine Tiger beobachten. Wie man uns sagte, war die Tageszeit nicht günstig. Die Wildkatzen gehen nur am frühen Morgen oder am späten Abend auf die Jagd. Vielleicht hatten wir deswegen Glück!? Als Entschädigung trafen wir am Nachmittag vier große Elefanten mit einem Elefantenbaby, das von den Großen mit lautem Trompeten und angelegten Ohren beschützt wurde. Unser Jeep musste deswegen anhalten, weil uns sonst, wie der mit einem Gewehr ausgerüstete Wildhüter sagte, die Elefanten angriffen hätten und wir dann bestimmt den Kürzeren gezogen hätten. Begleitet wurden wir auf der Reise von Tawang nach Kaziranga und Diyun von Yogi, dem M anager des „Mahabodhi Home for Elders“ in Tawang. Auf halbem Weg nach Diyun kam uns dann noch Bhante Kassapa entgegen. Weil der Weg von Kaziranga nach Diyun sehr weit ist, übernachteten wir in einer kleinen Stadt, um am nächsten Tag unsere Fahrt nach Diyun fortzusetzen. Den Höhepunkt unserer Reise bildete nach meinem Empfinden das „Rita Girls Home“ in Diyun. Die Herzlichkeit, die uns dort, ob von den Mädchen oder den Verantwortlichen, entgegengebracht wurde, war überwältigend, Wenn wir unsere Zimmer verließen, war gleich ein Schwarm kleiner M ädchen um uns herum, die dann unsere Hände fassten und nicht mehr losließen. Unser tägliches Programm in Diyun war auch nicht weniger anstrengend als in Tawang, allerdings nicht wegen der dünnen Luft, sondern wegen der dort herrschenden feuchten Hitze. Wir mussten deshalb tagsüber öfter einmal die Kleidung wechseln. Diyun liegt in einem flachen Feuchtgebiet, in dem es viele Moskitos gibt, die Malaria übertragen. Moskitonetze sind deshalb unbedingt erforderlich. Auch in Diyun und Umgebung gab es viel zu sehen. Unter anderem waren wir in einem Dschungel mit tropischer Flora. Die Besuche bei den Familien der Kinder, soweit diese erreichbar in der Nähe von Diyun wohnten, waren auch sehr interessant, weil wir an Ort und Stelle sehen konnten, unter welchen Verhältnissen die Menschen in ihren Bambus- und Palmhüt29 ten leben. Die Gastfreundschaft kam aber deswegen nicht zu kurz. Sie servierten uns das Beste, was sie uns bieten konnten. Gefallen hat uns auch der wöchentlich stattfindende Markt in Diyun. Hier wird so alles angeboten, was in der Gegend produziert wird. Das sind hauptsächlich landwirtschaftliche Erzeugnisse: Reis, Gemüse, Pilze, Gewürze, geflochtene Körbe, gewebte Stoffe usw. Auch hier fand, wie in Tawang, zum Schluss unseres Aufenthaltes ein Kulturprogramm mit schönen Trachten und Tänzen statt, das uns sehr beeindruckte. Leider ging auch diese Zeit in Diyun viel zu schnell vorbei. Am 5. April mussten wir wieder packen und an die Weiterreise denken. Ich blieb noch zwei Tage in Diyun und führte mit Dillip und Kishor Patenschaftsgespräche, um dann die Rückreise über Dibrugarh und Kalkutta nach Bangalore anzutreten. Auf der Fahrt mit dem Auto von Diyun nach Dibrugarh, wo sich ein kleiner Flughafen befindet, kamen wir an vielen Teegärten, wie die Inder sie bezeichnen, vorbei. In Wirklichkeit sind es aber große, zusammenhängende Teeplantagen, die sich im Besitz von indischen „Teebaronen“ befinden. Geerntet werden die grünen Teeblätter von Tagelöhnerinnen, die für diese harte Arbeit nur einen Hungerlohn erhalten. Die restliche Zeit bis zum 15. April verbrachte ich in Bangalore und Mysore, um auch dort Patenschaftsangelegenheiten mit Bhante Dhammaloka und Vittho zu besprechen. Dhammaloka ist der Kassierer der Mahabodhi und Vittho, den bestimmt viele durch ihren Briefwechsel mit ihm kennen, ist der Patenkinderbetreuer. Beide machen ihre Arbeit ausgezeichnet und zu unserer vollsten Zufriedenheit. Im Namen aller Patenkinder soll ich mich bei euch auf das herzlichste bedanken und euch liebe Grüße übermitteln. Ich möchte zum Schluss noch erwähnen, dass alle Paten und Spender, die die M ahabodhi und ihre Projekte unterstützen, eine gute Wahl getroffen haben. Bedanken möchte ich mich auch bei Monica Thaddey aus der Schweiz, ohne deren großzügige Hilfe die M ahabodhi-Projekte nicht in diesem Umfang entstanden wären. Bei Interesse an einer P atenschaft möge man sich an folgende Adresse wenden: Mahabodhi Maitrimandala, 14, Kalidasa Road, Gandhinagar, Bangalore 560 009, Indien Folgende Fotos wurden uns freundlicher Weise von Herrn Gustav Büttner zur Verfügung gestellt 30 Ven. Acharya Buddharakkhita, Gründer der M ahabodhi Society Alt und Jung zusammen 31 in liebevollem M iteinander 32 Berichte und Anliegen des Vorstands Gedenken an Karin Stegemann Karin Stegemann, verw. Lehmann, wurde am 6. Juni 1919 in HamburgWinterhude geboren. Sie besuchte die Rudolf-Steiner-Schule in HamburgWandsbek und später ein M ädchengymnasium in Berlin. Religion, M alen, Eurhythmie und Rezitation waren ihre bevorzugten Fächer. Im Alter von siebzehn Jahren begegnete sie in Albert Schweitzers Buch Weltanschauung der indischen Denker zum ersten Mal dem Buddhismus, was sie veranlasste, sich einer entsprechend orientierten Gruppe in Berlin anzuschließen. Nach zweijähriger Lehrzeit im Gartenbau, motiviert durch ihre Naturverbundenheit, besuchte sie die Lilly Ackermann Schauspiel-Schule in Berlin und erhielt bald ihr erstes Engagement, und zwar am Bromberger Stadttheater im besetzten Polen, wo sie, wie in Posen und Krakau, 1940–1944 klassische Hauptrollen spielte. Dort lernte sie auch den Vater ihrer Söhne, den Schauspieler Heinz Lehmann kennen, der noch 1945 an der Front fiel. Im Nachkriegsdeutschland fand sie bei Verwandten in HamburgVolksdorf Unterkunft, bis sie 1952 mit Wilhelm A. Stegemann und den Kindern nach Wellingsbüttel in die Rehmkoppel 17 zog. Diese Lebens- und Arbeitsgemeinschaft ergab sich aus dem seit 1949 wiedererweckten Interesse am Buddhismus. Die Initiative des Freundeskreises, eine buddhistische Gesellschaft in Hamburg zu gründen, ging auf den Vorschlag eines Gastes, des singhalesichen Abtes des Vayirama-Klosters in Colombo, des Ehrw. Narada M ahathera zurück. 1955 fanden sowohl die Geschäftsstelle, als auch die „M onatsblätter“ der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg in der Rehmkoppel unter der Ägide von Karin Stegemann ein Zuhause. Die Monatsblätter entwickelten sich zu einer Zeitschrift, die schließlich auch im Ausland Anklang fand und durch Toleranz gegenüber den verschiedenen buddhistischen Schulen gekennzeichnet war – eine für Karin Stegemann charakteristische Aufgeschlossenheit. Nach dem Tode von Wilhelm Stegemann 1968 kamen zu diesen Aufgaben und der mit ihnen verbundenen Korrespondenz noch die Organisation der Seminare und Sesshins hinzu, die Einladungen von Gästen aus aller Welt sowie – bis 1987 – die eigenen ZenMeditationskreise, deren Ausstrahlung bis heute währt. Anfangs fanden die Vorträge in dem Holzhaus statt, das aus einer – 1956 der Gesellschaft von dem Gönner Gustav Prietsch überlassenen – Baubude in Gemeinschaftsarbeit hergerichtet worden war. Zwischen 1959 und 1961 wurde für buddhistische Treffen und Tagungen das Haus Rissen 33 gemietet, bis der Wunsch nach einem „Haus der Stille“ 1961 zum Kauf und zur Ausrüstung des Hauses in Roseburg bei Büchen führte. Das parkartige Gelände mit Teichen und die durch eigene Rodung gewonnene sogenannte „M önchswiese“ dienten und dienen der M editation. Zu den von Karin Stegemann persönlich betreuten Gästen zählten – um einige zu nennen – außer dem Ehrw. Narada der Zen-Lehrer Fritz Hungerleider und Francois Viallet, der Sufi-M eister Pir Vilayat Khan, Lama Govinda, Li Gotami, Pater Hugo-Enonyma Lassalle, der M önch Ehrw. Nyanaponika aus Sri Lanka, der japanische Zen-Meister Nagaya Roshi, der sie bat, einen „Zen-Freundeskreis um Roshi Nagaya“ zu gründen (1972), und Dhiravamsa, dessen M editationsweise sie in den „Monatsblättern“ empfahl. Es war Pater Lassalle, der anregte, aus ihrem Zitatenschatz meditativer östlicher und westlicher Texte ein Buch zu machen, das zuerst 1984 und, nachdem es vergriffen war, noch einmal 1990 und 2001 erschien. Nach ihrem Abschied von der Arbeit für die Buddhistische Gesellschaft im Jahre1975 hat sich Karin Stegemann zwischen 1976 und 1987 auf acht Reisen zum Ashram Sri Ramana Maharshis aufgemacht, dessen Buch Gespräche sie schon 1960 stark beeindruckt hatte, um in der Nähe des den Indern heiligen Berges Arunachala zu meditieren. Ein Zitat von ihr selbst soll ihr Reiseziel zum Schluss veranschaulichen: ıAm frühen Morgen hatte der Arunachala immer eine kleine Wolkenkrone, während ihn später dieses unglaublich tiefe Blau umgab. Oft ging ich am Mittag, wenn die Straßen wegen der großen Hitze leer waren, auf den Berg und setzte mich in den Schatten eines Felsens, umgeben von bunten kleinen Schmetterlingen. [...] Gegen Abend, bei Sonnenuntergang, stiegen die alten Schüler und Devotees auf den Berg, um das immer wieder beeindruckende Erlebnis der untergehenden Sonne und das Farbenspektrum am Horizont andächtig in sich aufzunehmen. Dieses Einswerden mit dem Kosmos war eine meiner wesentlichsten Erfahrungen am Arunachala – die Voraussetzung dafür aber war die Entleerung geistiger Prozesse, die das wochenlange ÙSitzen eingeleitet hatte.„ Anke Bennholdt-Thomsen (Berlin) 34 Nachruf auf Karin Stegemann Unser Ehrenmitglied Karin Stegemann ist am 17.5.2011 friedlich in die Verwandlung eingegangen. Die Verstorbene hat durch ihre 20-jährige Tätigkeit in der Anfangszeit der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg e.V große Verdienste erworben. So war sie nicht nur von 1955-1975 Redakteurin der Buddhistischen Monatsblätter, auch die Geschäftsstelle war in Ihrer Wohnung in der Rehmkoppel untergebracht und wurde von ihr betreut. Sie organisierte die Seminare und führte regelmäßig pro Woche einen Za-ZenAbend bei sich zu Hause durch. Da 1971 das Holzhaus für die BGH unwiderruflich verloren gegangen war, brachte das Ehepaar Stegemann Lehrer und Lehrerinnen sowie Ordinierte bei sich in der Rehmkoppel unter, wenn diese von der Buddhistischen Gesellschaft eingeladen wurden. Der BGHVorstand dankt Karin Stegemann für ihre großen Leistungen für den Verein. Auch am Aufbau des „Hauses der Stille“ in Roseburg war sie, zusammen mit ihrem M ann, Wilhelm A. Stegemann, beteiligt. Das von ihr herausgegebene Buch „Warum aber werden wir nicht weise“ erfreut sich immer noch großer Beliebtheit. Es ist neu im Verlag Beyerlein & Steinschulte erschienen. Die Urnenbeisetzung fand am 4. Juni 2011 auf dem Ohlsdorfer Friedhof statt. Wolfgang Krohn Nachruf auf Erika Rüschmann Unsere liebe Freundin Erika Rüschmann ist ruhig eingeschlafen. Sie wäre am 26. Juli 77 Jahre alt geworden. Wir haben ihrer im Freundeskreis gedacht. Viele, viele Wegbegleiter waren von nah und weit hergekommen, um sich an „Usha“ zu erinnern. Usha war der Name, der ihr von dem indischen Bhante Gnanajagat gegeben worden war und „Morgenröte“ bedeutet. Von „ferne“ war auch das Ehepaar Ilse und Peter Karnotzki angereist. Mit diesen Freunden hatte Erika besonders engen Kontakt, Foto Volkmar Jähne 35 waren sie doch gemeinsam mit anderen Berliner Freunden zur Lehre gekommen. Usha hatte mit Peter telefonisch ihren Lebenslauf durchgesprochen und Peter hat diesen dann uns Gästen vorgelesen. Er fand außerdem noch sehr liebevolle Worte über das Wesen Erikas, denen alle Zuhörer von Herzen zustimmen konnten. Helga Jähne Urnenbeisetzung Reimar Fitzlaff im Ruhewald/Oberried-Schwarzwald Am 14.5.2011 fand die buddhistische Urnenbestattung unseres langjährigen Mitgliedes Reimar Fitzlaff auf dem Ruheberg der Gemeinde Oberried im Hochschwarzwald statt. Dieser Urnenfriedhof besteht seit 2006 und wird als Bergfriedhof der lokalen Bevölkerung genutzt. Er liegt ca. 1100 m hoch auf einer flach geneigten Bergkuppe. Es gibt keinen Grabschmuck und auch keine Grabpflege. Wie der Wald ganz natürlich wächst und sich entwickelt, sieht auch der Friedhof aus. Lediglich an einem Baum ist der Name des Verstorbenen zu lesen. Die Feier selbst fand im Freien statt. Hier nun ein kurzer Bericht über den Verlauf der Veranstaltung. Die Vita des Verstorbenen wird hier nicht noch einmal dargestellt. Wir wollen uns gemeinsam von Reimar Fitzlaff verabschieden, d.h. ihn spirituell mit einer inhaltlichen Darlegung begleiten. Die Lehre des Buddha als Stütze im Leben, eine Orientierungshilfe für den Verstorbenen und die Hinterbliebenen Es gibt ein Nichtgeborenes, Nichtgewordenes, Nichtgeschaffenes, Nichtaufgebautes. Wenn es dieses nicht gäbe, wäre ein Ausweg nicht möglich. Da es aber das Nichtgeborene…. gibt, ist ein Ausweg aus dem Geborenen…. erkennbar. (Udana VIII, 3) Reimar Fitzlaff hegte viele Jahre die Liebe zur Lehre des Buddha. Sie war ihm Zuflucht in guten wie in schlechten Zeiten. Was hat es mit der Buddhalehre auf sich? Sie stützt sich auf die Erkenntnis vom Leiden, von seiner Entstehung, Auflösung und dem Weg, der zur Auflösung des Leidens führt. Das Leiden überwiegt im Leben, Glück ist weniger anzutreffen. 36 Was ist Leiden? Geburt, Alter, Krankheit, Tod (körperlich), Sorge, Kummer, Jammer, Gram, Trübsal sind Leiden, von Lieben getrennt sein, mit Unlieben vereint sein ist Leiden (geistig). Kurz, die fünf Gruppen des Ergreifens sind Leiden. Wenn ein M ensch geboren wird, ist damit auch gleich sein Ende bestimmt (Tod), langes, kurzes Leben. Je nachdem kann er viel oder wenig bewirken. Krankheit trifft fast jeden irgendwann einmal im Leben. Was jung ist, muss auch altern (wie eine Blume nicht 360 Tage im Jahr blühen kann). Alt werden ist die Vorstufe des Todes, mit ihm endet das Leben. Der Körper stirbt (geht in die vier Elemente über). Der Geist wandert weiter und sucht nach neuem Dasein. Die Einheit von Körper und Geist besteht nicht mehr, für uns ist Reimar Fitzlaff nicht mehr erreichbar, weil wir ihn mit unseren 5 Sinnen nicht mehr wahrnehmen können. Was bedeutet für uns der Tod? Auf jeden Fall Veränderung, Zerfall der Körperform, anders werden, Auflösung, Zerstörung, Aufhören der Körperfunktionen. In der Regel fürchten die Wesen nichts mehr als den Tod. Der Tod ist Erlösung von körperlichem Schmerz. Warum gibt es Trauer oder Angst, wenn wir einen schmerzenden oder lebensunfähigen Körper besitzen? Beispiel: das alte und neue Gewand. Der Buddha hat die Wesen den Weg zur vollkommenen Befreiung (Versiegung des Durstes) gelehrt. Vielleicht mag Reimar Fitzlaff dieses Glück der Befreiung zuteil geworden sein, denn er hat viele Jahrzehnte praktiziert und wird mit Sicherheit großen Nutzen für seinen weiteren Weg davontragen. Er hat ein beträchtliches Alter erreicht, hat sein Leben gemeistert und sehr viele Verdienste angesammelt. Wir wollen uns mit Reimar freuen und nicht traurig sein. Bestimmt wird er in lichteren Sphären wiedergeboren werden. Wir wünschen dem Verstorbenen alles Gute für den weiteren Weg. Die Feier wurde von Wolfgang Krohn geleitet Der Verstorbene hatte in fürsorglicher Weise gewünscht, dass - statt Blumen - Spenden für die Buddhistische Gesellschaft Hamburg gegeben würden. So erhielten wir eine Zuwendung von € 840.--, für die wir sehr dankbar sind. 37 Welkes Blatt Jede Blüte will zur Frucht, Jeder Morgen Abend werden, Ewiges ist nicht auf Erden Erden Als der Wandel, als die Flucht. Auch der schönste Sommer will Einmal Herbst und Welke spüren. Halte, Blatt, geduldig still, Wenn der Wind dich will entführen. Spiel dein Spiel und wehr dich nicht, Laß es still geschehen. Laß vom Winde, der dich bricht bricht Dich nach Hause wehen. Hermann Hesse Aus: Hermann Hesse Lesebuch, Suhrkamp Taschenbuch S. 383 Foto Silke Krohn 38 Vorläufiger Geschäftsbericht der BGH • • • • • • • In der Zwischenzeit haben wir einen neuen Freistellungsbescheid, rückwirkend für die Jahre 2008, 2009, 2010, bekommen. Es gab keine Reklamationen vom zuständigen Finanzamt. Leider konnte die Amtsvakanz des 1. Vorsitzenden bis heute nicht besetzt werden. Wir bitten die Mitglieder erneut, dem Vorstand Kandidatenvorschläge zu unterbreiten. Bestimmt erinnern sich die Leser an das starke Gewitter im Juli 2011 in Hamburg. Viele Straßen und Keller standen unter Wasser. Leider waren auch wir davon betroffen. Im unteren M editationsraum des Hauses Nr. 23 ist durch die Sturzflut das Wasser durch die Fenster gedrungen. Es hat erhebliche Feuchtigkeitsschäden gegeben. 7 Personen waren mit dem Wasserschöpfen beschäftigt. Somit konnte Schlimmeres verhütet werden. Auch im Nachbarhaus Nr. 25 lief der Keller voll. Wir sind bemüht, die Feuchtigkeit so schnell wie möglich zu beseitigen. Wir werden eine ohnehin fällige Baumaßnahme für beide Häuser durchführen, weil es auch alte Feuchtigkeitsschäden in beiden Häusern zu beseitigen gibt. Ein fünf M eter langes Kellerstück (Heizungs- und Waschmaschinenraum) konnte für ca. € 5.500,– bereits im Juni/Juli 2011 saniert werden. Wir haben jetzt ein ehemals vermietetes Zimmer im 1. Stock (Nr.23) als Gästezimmer eingerichtet. Das Gästezimmer im 2. Stock wurde nach fast 20 Jahren für fast € 2000,– von Grund auf renoviert. Im Flurbereich müssen im nächsten Jahr weitere Maßnahmen durchgeführt werden. Trotz erhöhter Ausgaben in diesem Jahr bleibt der Verein mit seinen verfügbaren M itteln im Plus. Wie Sie dieser Ausgabe der BM entnehmen können, sind die Jahre 2011 und 2012, außer dem Ferienmonat Juli, mit Kursen ausgebucht. Wir benötigen dringend Hilfe u. a. im Bereich Immobilienverwaltung (Technik), Seminarbetreuung, Pflege des Mönchszimmers und der beiden Gästezimmer, Lieferung von Texten, vor allem Rezensionen, für die BM, und Bibliothek. Wolfgang Krohn 39 Achtsamkeitskongress in Hamburg Vom 18. – 22. August 2011 fand in der Universität Hamburg ein Achtsamkeitskongress statt. Es ging um das Thema „Achtsamkeit“ in ihren buddhistischen Wurzeln und ihre Anwendung insbesondere auch in der modernen westlichen Pädagogik, Psychologie und Medizin. 40 Referenten aus 8 Ländern Europas, Asiens und den USA hielten zumeist ausgesprochen anspruchs- und gehaltvolle Vorträge und leiteten zahlreiche Workshops. Die Veranstalter waren das Tibetische Zentrum Hamburg und das Zentrum für Buddhismuskunde der Universität Hamburg. Insgesamt 1600 Personen haben an der Veranstaltung teilgenommen, die zum Abschluss im Audimax mit einer Diskussion zwischen dem Dalai Lama und vier buddhistischen und nicht buddhistischen Wissenschaftlern ihren synoptischen und Perspektiven weisenden Höhepunkt fand. Die Grundlagen der Achtsamkeit im frühen Buddhismus wurden insbesondere von Bhikkhu Anālayo aufgezeigt („wenn der Mönch geht, dann weiß er, dass er geht, wenn der Mönch liegt, dann weiß er, dass er liegt…“) als die ständige Präsenzübung im Hier und Jetzt. Anālayo wird am 9. Oktober in einer gemeinsamen Veranstaltung der BGH und des Zentrums für Buddhismuskunde einen Vortrag mit anschließendem Gespräch anbieten, dessen Besuch jedem zu empfehlen ist. Christof Spitz, der Übersetzer des Dalai Lama und Geschäftsführer des Tibetischen Zentrums, stellte Texte des frühen indischen Mahāyānabuddhismus’ (Santideva, Vasubandhu, Asanga) zu dem Thema vor, insbesondere im Kontext der systematischen Philosophie des Abidhamma. Im Besonderen ging es um das durch Meditation und Erkenntnis erreichbare Setzen neuer, heilsamer Geistesfaktoren. Beeindruckend war der Block Achtsamkeit und Pädagogik. Die Ehrwürdige Dhammananda, emeritierte Professorin, Äbtissin eines Frauenklosters in Thailand, eine der ersten 28 voll ordinierten Nonnen des Landes, Autorin und Übersetzerin von über 70 Büchern, beeindruckte mit einer die Praxis betonenden Präsentation. Neben der täglichen gemeinsamen Sitz- und Gehmeditation betrifft dies auch die gemeinsame Essenszeremonie, den gemeinsamen Bettelgang, die Arbeit im Kloster und Garten, wo eigenes Obst und Gemüse erzeugt wird. Dieses bricht in hohem Maße mit der Theravāda-Tradition der Mönche, die keine Arbeiten ausführen und auch die Gemeinsamkeit nicht in diesem Maße betonen. Auch kam der Spaß nicht zu kurz: „Weißt du, wohin genau du deine Schuhe ins Schuhbord gestellt hast?“ Achtsamkeit stärkt auch die Aufmerksamkeit im Alltag. Unter den folgenden Forschungsbeiträgen fiel besonders einer auf, der auch die Praxis in den 40 Mittelpunkt stellte. Vera Kaltwasser ist Lehrerin an einer Frankfurter Schule. Sie übt mit allen Schülern ihrer Mittelstufenklassen regelmäßig kleine Blöcke Meditation im Unterricht. Sie hat aufgezeigt, wie lange man die Schulleitung, die Eltern und die Kinder selbst überzeugen muss, und welche monatelangen Vorübungen nötig sind, um Erfolg zu haben. Hierüber hat sie zwei Bücher geschrieben. Verschiedene Arbeitsgruppen an Deutschen Universitäten beschäftigen sich mit Auswertungen dieser und vergleichbarer Übungen auf das Gewaltverhalten, soziale Kompetenz, Stressreduktion und ethisches Verhalten der Schüler. Interessant war, dass von allen Referenten gesagt wurde, man könne von Jugendlichen unter 16 Jahren keinen Zugang zu längerer, regelmäßiger Meditation erwarten. Da in der gesamten Diskussion die Bedeutung weg von einer nur kognitiven Erziehung hin zu einer ganzheitlichen Pädagogik auch außerhalb spiritueller Bezugspunkte gefordert wurde, fällt mir ein, dass es, gerade auch in Deutschland, den Ansatz einer Humanistischen Erziehung gab, die sich besonders an altgriechischen Idealen orientierte. Diese wurde fast gänzlich dem Primat der „harten“ Fächer und kapitalistischen Betrachtungsweisen geopfert (die u.a. zu weltweiten Wirtschaftskrisen alleine aufgrund von Spekulationen führten und einem technischen Fortschrittswahn frönen). Wo ist das „Wahre, Schöne und Gute“ in unserer Gesellschaft geblieben? Der alte humanistische Ansatz, gepaart mit asiatischer Weisheit und Kenntnissen über Natur und Umwelt, würde uns vielleicht ein Stück weiter bringen und könnte auch gesellschaftsfähig werden. Sehr interessant war auch der Vortrag von Prof. H. Dauber, der sich auf den Pädagogen J. Korczak bezog, nach dem jedes Kind ein Recht hat, nicht bevormundet, sondern begleitet zu werden, sich Fehler erlauben zu können (experimentieren zu dürfen) und ein Recht auf den eigenen Körper bis hin zum eigenen Tod haben müsse. Der Dalai Lama zeigte sich als extremer Verfechter von Achtsamkeitstraining an Schulen. Er sieht hier auch einen gesellschaftlichen Beitrag zur Stärkung von Demokratie und Gemeinschaftssinn. Jede Religion und philosophische Ethik beinhalte hierfür ausreichende Elemente. Die „interne Polizei“ durch Betrachtung des eigenen Geistes und Herzens zu stärken, habe Priorität. Die Achtsamkeitsübung als Grundlage für ethisches Verhalten sei ständig und nicht nur sporadisch zu üben und gesellschaftlich zu verankern. Dann würde es allen Gesellschaften besser gehen und es könnten Gemeinsamkeiten entstehen. Er hob hier die Gründung der EU als Prozess des Kollektiven Nachdenkens hervor, die ehemalige Feinde verbündet habe, aber auch den, trotz aller Hindernisse, demokratischen und friedvollen Geist in Indien und die Solidarität in der buddhistisch (und konfuzianisch) stark beeinflussten Gesellschaft Japans nach der jüngsten Katastrophe. Holger Korin Stienen 41 Sati-Seminar mit Ajahn Cittapala Vom 6. bis 8. M ai war Ajahn Cittapala zu Gast in der BGH und leitete ein Meditationsseminar zum Thema Sati. Hier eine kurze Zusammenfassung von einigen Punkten, die angesprochen wurden. Sati kann übersetzt werden mit Achtsamkeit, Gewahrsein, Eingedenksein, Besinnung, sich ins Gedächtnis rufen, Erinnerung. Sati ist sowohl eine der 5 Fähigkeiten, auf Pali „indriya“ genannt, nämlich: Vertrauen, Willenskraft, Achtsamkeit, Sammlung, Wissen oder Einsicht. Und sati ist auch eines der 7 Erleuchtungsglieder: Achtsamkeit, Lehrergründung, Willenskraft, Verzückung, Gestilltheit, Sammlung und Gleichmut. Die Erleuchtungsglieder werden so genannt, weil sie zur Erleuchtung führen und daran erkennt man schon, wie wichtig sati ist. Aber sati ist auch erforderlich, um die Tugendregeln (auf Pali sīla) zu halten (nicht töten, nicht stehlen, kein sexuelles Fehlverhalten begehen, nicht lügen, keine berauschenden Mittel benutzen). Allein das Halten der sīlas sorgt für eine viel ruhigere Grundlage für unseren Geist, die wir wiederum benötigen, um erfolgreich meditieren zu können. Achtsamkeit hilft uns nicht nur, Dinge, die wir anfangen, auch zu Ende zu bringen, sondern sie hilft uns auch herauszubekommen, was wir jetzt genau benötigen, um unsere M editationspraxis zu verfeinern. Achtsamkeit bedeutet sowohl auf einen Punkt (z.B. auf den Atem) gerichtet zu sein, als auch eine weite Achtsamkeit auf das, was im Moment ist, ohne dass wir uns darin verlieren. Es ist sehr hilfreich, auch im Alltag eine offene weite Achtsamkeit zu entwickeln, weil das Gehirn damit viel mehr Informationen aufnimmt, die uns später zur Verfügung stehen, um bewusst heilsam unser Leben zu gestalten und damit die ganze Welt zu beeinflussen. Mit zunehmender Achtsamkeit steigert sich auch unser Erinnerungsvermögen, was Ausdruck findet in einer Art strahlender Präsenz, die Sister Cittapala bei einem Mönch in Burma selbst erleben konnte. Dieser Mönch wusste den gesamten Pali-Kanon auswendig, was zu Zeiten des Buddha keine Seltenheit war. Das, was Achtsamkeit anstrengend macht, sind unsere Erwartungen und Beurteilungen davon. Also seien wir uns dessen bewusst, wenn diese wieder einmal auftauchen, und gehen wir liebevoll mit uns selbst um, wenn wir gerade mal wieder abschweifen. Wir brauchen Geistesklarheit, um zu erkennen, wovon sich der Geist wegtragen lässt. Deshalb ist es erforderlich, ihn besser kennen zu lernen. M an trifft sich selbst in der Meditation und kann dann erkennen, wo man sich identifiziert, bewertend reagiert, statt loszulassen, denn durch das Loslassen wird der Geist klarer. Gute M editati42 on ist, wenn man lernt, den abschweifenden Geist immer wieder zurückzubringen, um ihn damit zu stärken, damit er so weit geschult ist, dass er in allen Situationen ruhig bleiben kann. Solange wir uns selbst täuschen, gibt es keinen Ausweg und um genau diese Täuschung aufzulösen, benötigen wir sati, erst sati führt zur Durchschauung. Wir meditieren, um uns kennen zu lernen und nicht, um etwas zu erreichen oder um vor der Welt davonzulaufen. Weisheit tritt auf, wo man nicht glaubt, was man denkt, sondern sich erkennt und auch erkennt, woher diese Gedanken kommen, wo man die Natur der Gedanken versteht und nicht daran festhält. Die Gedanken kommen und gehen und verändern sich. Das Zurücktreten ermöglicht dem Blick, das zu erkennen, was wirklich ist, und das Leben nicht so persönlich zu nehmen. Eine hilfreiche Frage kann immer sein „Wer wäre ich ohne diese Gedanken?“ oder auch die Frage „Bringt mich das weiter?“ Silke Krohn Jahreshauptversammlung der Deutschen Buddhistischen Union e.V. 2011 Zur diesjährigen Mitgliederversammlung der DBU (29.04. bis 1.5.2011) trafen sich die Vertreter von ca. vierzig M itgliedsvereinen im Rigpa-Zentrum in Berlin. Am Samstagvormittag wurden viele Dinge ausgesprochen, die einiges an Konfliktpotenzial enthielten und für allerlei Aufregung unter den amtierenden Ratsmitgliedern sorgten. Durch die konstruktive Mitarbeit aller stimmberechtigten Mitgliedsgemeinschaften konnten jedoch neue Perspektiven entwickelt werden. So wird in diesem Jahr eine Klausurtagung, bestehend aus den Vertretern der Mitgliedsgemeinschaften, organisiert werden. Zweck dieser Veranstaltung wird es sein, dem Rat der DBU mit Sach- und Fachkenntnissen zur Seite zu stehen. Die angestrebte Körperschaft muss neu überdacht werden, da sich die Situation verändert hat. Der Rat berichtete noch einmal über die Vorzüge der Körperschaft. Die Bestrebungen, diese zu erhalten, sollen nicht aufgegeben werden. Die Pagode Vien Giac in Hannover und die Pagode Phat Hue haben ihre Anträge auf M itgliedschaft in der DBU zurückgezogen Der vorgelegte Kassenbericht war aufschlussreich und transparent. Der Haushaltsplan 2011 wurde angenommen. Acht Workshops fanden am Sonnabend und Sonntag statt. Die Themen lauteten: Dharma u. Gesellschaft, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Unterrichsmaterial für Schulen, Buddhismus Aktuell, Dharma und Umwelt, Frau und Buddhismus, Vertrieb BA, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. 43 Wahl des neuen Rates: 11 M itglieder wurden gewählt. Breiten Raum nahmen die Themen „M issbrauch“ und „Werte und Wege“ ein. Auch in buddhistischen Zentren gibt es sexuelles Fehlverhalten von Lehrern. Bekannt gewordenes Übertreten der Regeln (sīla) muss unbedingt unterbunden und den Opfern geholfen werden. Die Überlegung wäre, eine traditionsübergreifende Institution in der DBU zu schaffen, die solche Tatbestände erfasst und Maßnahmen ergreift. Um Konflikte, die in der Vergangenheit unter den Ratsmitgliedern entstanden sind, zukünftig zu vermeiden, soll ein für die einzelnen Ratsmitglieder verbindlicher Kodex erarbeitet werden. Im Arbeitskreis wurden hierzu folgende Stichworte erarbeitet: Achtsamkeit, Offenheit, Motivation, Mitgefühl, selbstloses Arbeiten, rechte Rede und rechtes Handeln. Die Arbeitsgruppe soll mit den Ergebnissen die Ratsmitglieder unmittelbar unterstützen. Nachdem die vorgenannten Arbeitskreise ihre Arbeit beendet hatten, schloss die Veranstaltung einvernehmlich und harmonisch. Wolfgang Krohn DBU: „Ethikcharta“ und „Ethikrat“ geplant Immer wieder auftretende Fälle von psychischem, finanziellem, politischem und sexuellem M issbrauch in spirituellen, auch buddhistischen Gruppen und Einrichtungen erfordern einen reinigenden und schützenden Umgang damit. Hiermit befasste sich ein Workshop bei der Mitgliederversammlung (MV) der DBU – Deutschen Buddhistischen Union vom 29.04. bis 01.05.2011. Nicht zuletzt die Erfahrung von negativen M edien- und PolitikReaktionen auf „Sekten und Gurus“ führte laut Johannes Litsch in der DBU zu der Haltung, dass es nicht im Eigeninteresse sei, wenn der Staat das buddhistische Angebot überprüft. Das kann nur dadurch wirksam verhindert werden, dass diese Aufgabe selbstverantwortlich übernommen wird. Dies erfordert eine interne Qualitätskontrolle oder zumindest einen Kreis von Personen, der sich für auftretende Fehlentwicklungen und M issbrauchsfälle bei Laien und Ordinierten zuständig fühlt und Ansprechpartner, Berater, Vertrauensleute, Aufklärer zur Verfügung stellt. Durch ähnliche Entwicklungen und öffentliche Skandale in den USA und England ist es dort bereits in einigen buddhistischen Gemeinschaften und Einrichtungen zur Aufstellung von Ethikchartas und Ethikräten gekommen, die sehr gut als Vorbilder und Vorlagen dienen könnten. In Deutschland führte schon vor längerem einerseits die Problematik und andererseits die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und bei den Kir44 chen und ihren Sektenbeauftragten der DBU-M itgliedschaft als Qualitätssiegel für buddhistische Gruppen zu verschärften DBUAufnahmebedingungen und einem längeren DBU-Aufnahmeverfahren. Es galt, diesem Vertrauen in die DBU auch selber entgegenzukommen und nach innen Rechnung zu tragen. Dabei hat die DBU Tenzin Peljor viel zu verdanken. Die gemeinsamen Bemühungen mündeten in der Erstellung der Broschüre „Heilsame und unheilsame Strukturen von Gruppen“. Leider kam es in den nachfolgenden Jahren zu keiner Weiterentwicklung. Erst verschiedene neuerliche Ereignisse haben dem Thema wieder Aufmerksamkeit gegeben und einen Handlungsbedarf aufgezeigt. Sowohl die Notwendigkeit der Erstellung einer „Ethikcharta“ auf der Grundlage des „Bekenntnisses“ auch als eine Art „Qualitätskontrolle“ wird von allen Workshop-Teilnehmenden bestätigt und mitgetragen. Noch sind die bereits vorhandenen „Ethikcodes“ überwiegend traditionsgebunden. Vorlagen aus den unterschiedlichen Traditionen sollen gesammelt und zur Ausarbeitung einer allgemeingültigen „Ethikcharta“ der DBU dienen. Der Workshop zum Thema „Ethik“ gab die inhaltlichen Empfehlungen an die M V weiter. Es soll eine Arbeitsgruppe geben, die alle Aspekte aufgreift und vertieft. Ein „Ethik-Rat“ der DBU soll gebildet werden. Von Seiten der DBU-Geschäftsstelle steht Jürgen Gräf gern als Kontaktperson für Anfragen und anfallende Arbeiten zur Verfügung: [email protected] ArminDao Ketterer Leserbrief: Das im letzten Heft auf Seite 15 veröffentlichte Gedicht stammt aus dem Schindjin-mej (Stempel des Glaubens) von dem dritten Patriarchen Szôszan (etwa 529 bis 606). Es wurde also nicht von Dr. Ulrich Beck verfasst, sondern von ihm ins Deutsche übertragen. Grundlage hierfür war „On Faith in the Heart,“ von der Ehrw. Myokyo-ni. Und: „Jeder Tag ein guter Tag“, der Titel des letzten Vortrags von Dr. Alfred Weil im NDR Info, BM 2.2011. S. 8 ff., ist eigentlich ein Kôan, zu finden z. B. in der Kôan-Sammlung „Niederschrift von der Smaragdenen Felswand“ (Bi-Yän-Lu). – Zum Kôan ist zu sagen, dass es sich einer verstandesmäßigen Deutung und/oder einer logischen Exegese grundsätzlich entzieht. Bei allem inhaltlichen Einverständnis mit dem im obigen Vortrag Dargestellten ist doch die Überschrift „Jeder Tag ein guter Tag“ irreführend, 45 weil sie die Verwechselung mit eben jenem Kôan nahelegt, das mit dem im Vortrag Ausgeführten nichts zu tun hat. Vgl.: BI-YÄN-Lu – Niederschrift von der Smaragdenen Felswand, I. Band, verdeutscht und erläutert von Wilhelm Gundert, Carl Hanser Verlag München 1977, S. 147. Oder in Kurzform: Ummon, der eine bedeutende Zen-Schul e begründete, spricht von der Erleuchtung des Satori, dem Erlebnis der Absoluten Gegenwart: „Ich werde dich nicht über die Tage fragen, die dem fünfzehnten des Monats vorangegangen sind. Ich möchte aber ein Wort hören über das, was diesem fünfzehnten Tag folgen wird.“ So sprechend gab er sein „Wort“. „Tag für Tag ist guter Tag.“ Aus: „Den Mond kann man nicht stehl en – Beispielhafte Zen-Geschi chten aus t ausend Jahren“ Im O.W. Barth-Programm bei Scherz. * „Nicht auf den Finger blicken, der zum Mond zeigt, sondern auf den Mond.“ Jürgen Dahlström Buchrezensionen Myokyo-ni Irmgard S chlögl: Lebendiger Buddhismus (Titel des englischen Originals Living Buddhism 2000) 97 Seiten. Angkor Verlag 2011, ISBN 978-3-936018-69-1. Die Ehrwürdige Myokyo-ni (1921-2007) war eine Lehrerin in der Zen Rinzai Tradition und studierte zwölf Jahre lang im Kloster Daitokuji in Japan unter den Meistern Oda Sesso und Sojun Kannun, denen dieses Buch gewidmet ist. Bei ihrer Rückkehr nach England im Jahre1972 gründete sie das Zen Centre Shobo-an in London, wo sie die nächsten 35 Jahre mit Lehren verbrachte. Das vorliegende Buch wurde als Einleitung und Führer für ihre Schüler und ein allgemeines Publikum konzipiert. Sein T itel ist bedeutsam: „Buddhismus“ , weil es die buddhistischen Lehren behandelt, die allen Schulen gemeinsam sind, und „lebendig“ , weil diese Lehren erst wirklich relevant werden, wenn sie in die Praxis umgesetzt werden, in der täglichen Runde ihren Ausdruck finden, mit anderen Worten, wenn sie gelebt werden. 46 Die Absicht des Buches ist es, dem Leser eine Grundlage über die wichtigsten Lehren zu verschaffen und zu zeigen, wie alle buddhistischen Lehren und Übungen miteinander verknüpft sind. Das Buch beginnt mit dem Leben des Buddha, wobei eine Analogie mit dem inneren T rainingsweg eines jeden, der diesen Weg gehen will, aufgezeigt wird. Die weiteren sechs Kapitel geben jeweils einen Überblick über die Ha uptlehren, Praktiken und Meditation. Die Darlegung der T hemen ist klar und deutlich ohne gehobene wissenschaftliche Erklärungen ausgeführt. Sie nimmt immer Bezug auf die ge wöhnliche menschliche Erfahrung und die praktische Anwendung im täglichen Leben. Ulrich Beck Jutta Besser: Zusammen ist man nicht allein Alternative Wohnprojekte für Jung und Alt M it einem Vorwort von Henning Scherf. Verlag Patmos, M annheim 2010, 184 Seiten, ISBN 978-3-491-40157-0 Wer mit anderen Menschen zusammen wohnen möchte, findet hier wertvolle Anregungen und Informationen, was bei der Verwirklichung dieses Wunsches zu beachten ist. Verschiedene Projekte, vorwiegend in Hamburg und im norddeutschen Raum, darunter auch der vom Zen-Buddhismus geprägte Lebensgarten Steyerberg, werden vorgestellt. Wiebke Jensen BERIFFS REIHEN Aus den Lehrreden des Buddha Zusammengestellt von René M eier, Haus der Besinnung Dicken, Schweiz 2011, 56 Seiten, zu beziehen bei der Buddhistischen Gesellschaft M ünchen e.V. und beim Buddhistischen Kloster Bodhi Vihara, Freising Nicht nur Neulingen, sondern auch seit längerem sich mit der Lehre Befassenden kann dieses Heft zu einer wahren Kostbarkeit werden, wenn es darum geht, sich in der Vielzahl der gehörten und gelesenen Reihen zurechtzufinden. Besonders wertvoll sind die Hinweise a uf die entsprechenden Lehrreden. Von buddhistischen Wörterbüchern, deren es mehrere gibt, unterscheidet sich dieser Wegweiser durch die inhaltliche Systematik. Geradezu begeisternd ist das zweifache Inhaltsverzeichnis, „angereiht“ von S. 2 bis 54 und „gruppiert“ nach Themen. Entsprechendes wäre zu wünschen, um sich in den im Pali Kanon enthaltenen Meditationsanleitungen zurechtzufinden. Danke, lieber René Meier, und – vielleicht ? – auf ein Neues! Wiebke Jensen 47 Wolfgang Seifert gibt seit vielen Jahren Kurse in der BGH. Das nächste Wochenendseminar findet statt von Freitag 21. bis S onntag 23. Oktober 2011. Freitag 19 bis 22 Uhr Sonnabend 9 bis 20 Uhr Sonntag 9 bis 16 Uhr Thema: „Der S chlüssel zur Freiheit liegt in dir“ Bitte in der BGH anmelden Das Foto wurde uns von Wolfgang Seifert freundlicher Weise zur Verfügung gestellt . Siehe auch das in „Ursache und Wirkung“ U&W 74 Winter 2010/11, S. 36 ff. erschienene Interview von Dr. Paul Köppler mit Wolfgang Seifert. 48 Programm Sa 24. – So 25.9: Seminar der koreanischen Gruppe mit dem Ehrw. Hyon Gak Sunim Sutra-Belehrung und intensive Meditation. Sprache koreanisch ohne Übersetzung Sa 10-17., So 9-17 Uhr So 9.10.: Vortrag von Bhante Anālayo in der Uni. Siehe Umschlag S. 2 Fr 21. – So 23.10.: Seminar mit Wolfgang Seifert. Der Schlüssel zur Freiheit liegt in dir Fr 19-22, Sa 9-20, So 9-16 Uhr Fr 28. – So 30.10: Zen-Kreis Hamburg e.V., Sesshin mit Rei Ko Sensei (Michael Sabaß), Beginn Fr 18.30 Uhr, Ende So 9.30 Uhr; Anmeldung unter: [email protected] Sa 5.– So 6.11.: Seminar der koreanischen Gruppe mit dem Ehrw. Hyon Gak Sunim. Sutra-Belehrung und intensive Meditation. Sprache koreanisch ohne Übersetzung Sa 10-17., So 9-17 Uhr Fr 18. – So 20.11.: Meditationsseminar mit der Ehrw. Ajahn Cittapala. Weiter auf der Spur von Sati: gegenwärtiges Gewahrsein und Wissen Fr 19-21, Sa 9-18, So 9-16 Uhr So 4.12., 9.30-17.30 Uhr: Achtsamkeitstag in der Tradition von Thich Nhat Hanh. Mettā. Info bei Anne Dörte Tel. 040 - 60566622, bitte nicht nachmittags. E-Mail: [email protected] 49 Vorschau auf das Programm 2012 So 8.1., 7.15 – 7.30 Uhr NDR Info: Vortrag über ein buddhistisches Thema Sa 21.1., 19 Uhr: Zazenkai mit Oryoki, H. Korin Stienen und N. Rindô Hämmerle Sa 28.-So. 29.1.: Workshop mit Jiun Roshi Fr 3. – So 5.2.: Sesshin Zen-Kreis Hamburg e.V. So 12.2., 9.30-17 Uhr: Achtsamkeitstag in der Tradition von Thich Nhat Hanh Sa 3. – So 4.3.: „Was ist eigentlich Karma?“ – VipassanāMeditationskurs mit Dr. Paul Köppler So 11.3., 14 Uhr: Mitgliederversammlung Mi 4. – Mo (Ostern) 8.4.: Seminar mit Bhante Suji va (Mittwoch und Donnerstag jeweils Abendvortrag) Fr 13. – So 15.4.: Seminar mit Wolfgang Seifert. Fr 27. – So 29.4.: Seminar mit Bettina Romhardt So 13.5., 10-17 Uhr: Seminar mit Dr. Alfred Weil -- Der Welt ein Freund sein. – Die buddhistische Praxis von Mettā Do 17.5., 10-17 (Himmelfahrt): Vesakfeier der BGH Fr 18. – So 20.5.: Seminar mit Ajahn Cittapala So 3.6., 9.30-17 Uhr: Achtsamkeitstag in der Tradition von Thich Nhat Hanh Fr 13.– So. 15.7.: Seminar mit Bhante Dhammadi pa So 19.7., 7.15 – 7.30 Uhr: NDR Info:siehe 8.1. Fr 3. – So 5.8.: Sesshin Zen-Kreis Hamburg e.V., So 12.8., 9.30-17 Uhr: Achtsamkeitstag in der Tradition von Thich Nhat Hanh. Fr 14. – Sa 15.9.: Seminar mit Akincano (Marc Weber) Sa 6. – So 7. 10.:Vortrag und Seminartag mit Bhante Seelawansa Fr 30.11 – So 2.12.: Zen-Kreis Hamburg e.V., Sesshin So 9.12., 9.30-17 Uhr: Achtsamkeitstag in der Tradition von Thich Nhat Hanh. 50