Kalligraphie und Religion Eine Untersuchung zum Verhältnis zwischen Schrift und Glauben Maturarbeit von M.Irina Zindel Gymnasium Oberwil, Klasse 3LMR Betreut von Irina Bossart April 2009 -1- Abbildung Titelblatt: Basmallah eines Strausses Dō – Der Weg Unziale -2- „ All ancient systems, however, hold one idea in common: writing is divine, inherently holy, with powers to teach the highest mysteries; writing is the speech of the gods, the ideal form of beauty.” -3- Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................ 4 1 Vorwort..................................................................................................................... 6 2 Einleitung................................................................................................................. 7 3 Kalligraphie kurz vorgestellt.................................................................................... 9 4 Allgemeines zur Schrift.......................................................................................... 11 5 4.1 Entstehung der Schrift ................................................................................. 11 4.2 Entwicklung der Schrift ............................................................................... 12 4.3 Funktion der Schrift in der Gesellschaft .................................................... 13 4.4 Grundlegende Unterschiede der ausgewählten Schriften......................... 14 Christliche Kalligraphie......................................................................................... 15 5.1 Schriftgeschichte in Europa......................................................................... 15 5.2 Schriftenvielfalt in Europa........................................................................... 18 5.2.1 Die Unziale ............................................................................................. 18 5.2.2 Das Initial................................................................................................ 20 6 5.3 Arbeitsmaterialien und Schreibhaltung ..................................................... 21 5.4 Schriftbild und Ornamentierung ................................................................ 22 Die islamische Kalligraphie................................................................................... 24 6.1 Einführung und historischer Abriss ........................................................... 24 6.2 Schrift, Koran und Architektur .................................................................. 25 6.3 Aufbau der arabischen Schrift .................................................................... 27 6.4 Schriftenvielfalt............................................................................................. 27 6.4.1 Kufi ......................................................................................................... 28 6.4.2 Weitere Schriftstile ................................................................................. 30 7 6.5 Der Schreiber und seine Werkzeuge........................................................... 31 6.6 Schrift und Ornament .................................................................................. 34 6.7 Islamische Kalligraphie heute...................................................................... 36 Die Buddhistische Kalligraphie............................................................................. 37 7.1 Schriftgeschichte ........................................................................................... 37 7.2 Zen-Kalligraphie (Zensho)........................................................................... 39 7.2.1 Zen-Buddhismus..................................................................................... 39 7.2.2 Zensho/Bokuseki ........................................................................................ 40 7.2.3 Die vier Schätze des Gelehrten – Pinsel, Tusche, Reibstein, Papier ...... 41 7.2.4 Zen-Kalligraphie in der Praxis................................................................ 43 8 Kalligraphie - ihr religiöser, meditativer, spiritueller Aspekt .............................. 46 8.1 Christliche Kalligraphie ............................................................................... 47 8.2 Islamische Kalligraphie................................................................................ 48 -4- 8.3 9 Buddhistische Kalligraphie.......................................................................... 51 Vergleich ................................................................................................................ 52 10 Schlusswort ........................................................................................................ 59 11 Bibliographie...................................................................................................... 60 11.1 Fachliteratur.................................................................................................. 60 11.2 Internetquellen .............................................................................................. 63 11.3 Zeitung ........................................................................................................... 63 11.4 Abbildungsverzeichnis.................................................................................. 64 12 Glossar................................................................................................................ 65 13 Selbständigkeitserklärung ................................................................................. 66 14 Anhang ............................................................................................................... 67 14.1 E-Mail-Verkehr mit A. Haenggi.................................................................. 67 -5- 1 Vorwort Die Wahl des Themas für die Maturarbeit war ein sehr langwieriger, schwieriger Prozess. Das Einzige, was für mich feststand, war, dass ich eine praktische, handwerkliche Arbeit, ohne viel Bücherlesen (v.a. nicht fremdsprachige) in Angriff nehmen wollte. Alle meine entsprechenden Ideen stellten sich dann aber als unbrauchbar oder zu wenig spezifisch heraus oder waren schlichtweg vergessen. Nun packte ich – gemeinsam mit der Hilfe meiner Betreuerin Irina Bossart - diese Entscheidung der Themenwahl erneut mit vielen Gesprächen, Mind-Maps und Ideen an. Daraus entwickelte sich das Thema der vorliegenden Arbeit. Seit längerer Zeit habe ich eine Vorliebe für schöne Schriften. Fasziniert von der Ästhetik hauptsächlich der arabischen, chinesischen und japanischen Schriftzeichen, wurde mir bewusst, dass sich meine Arbeit mit der Kalligraphie befassen könnte. Die Frage, in welchem Zusammenhang die Religion mit der Kalligraphie steht, ergab sich während eines Gesprächs. Dadurch, dass ich mehr über diesen Bezug erfahren wollte, formulierte ich sehr vage einen ersten Versuch einer Fragestellung. In mehreren Maturarbeits-Gesprächen versuchten Frau Bossart und ich, beide des Themas unkundig, unsere Vorstellungen und Fragen uns gegenseitig zu vermitteln. Die erste Fassung der Fragestellung beinhaltete noch einen praktischen Teil der Maturarbeit und meine Absicht war es, mich auf die arabische, chinesische und christlich-mittelalterliche Kalligraphie zu konzentrieren. Nachdem ich mich jedoch gründlich in das Thema eingelesen und Vorträge besucht hatte, wurde mir bewusst, dass ich meinen Fokus auf die buddhistische, die islamische und die christlich-mittelalterliche Kalligraphie stellen musste, um den Bezug zur jeweiligen Religion herstellen zu können. Auf den praktischen Teil musste ich schliesslich verzichten, weil das für mich in Frage kommende Angebot an Kalligraphie-Kursen sich auf einen Wochenend-Kurs beschränkte, den ich dann aus gesundheitlichen Gründen nicht besuchen konnte. Meine Maturarbeit wurde eine theoretische Arbeit, mit viel Bücherlesen, insbesondere englischer und französischer Bücher... An dieser Stelle möchte ich Irina Bossart dafür danken, dass sie mir mit Rat und Tat zur Seite stand und mich über all die Monate hin unterstützte. Auch möchte ich meinen Dank an Frau A. Haenggi aussprechen, die mir hilfreiche Auskünfte über das Ausführen von Kalligraphien gab und mir einen Einblick in die Praxis verschaffte. -6- 2 Einleitung Diese Maturarbeit möchte einerseits Einblick in die Kunst des Schönen Schreibens, der Kalligraphie verschaffen mit Hilfe ausgewählter, repräsentativer Beispiele und andererseits ihren möglichen Bezug zur jeweiligen Religion untersuchen. Als Grundlage zum Thema der Kalligraphie werden wesentliche Informationen zu Schrift, Schriftentwicklung und ihre Bedeutung in der Gesellschaft gegeben. Weltgeschichtlich gesehen ist die Schrift als Trägerin dreier Weltreligionen von besonderer Wichtigkeit. Nachfolgend wird die christliche, die islamische und die buddhistische Kalligraphie vorgestellt, in ihre gesellschaftlichen und historischen Zusammenhänge gebracht und anschliessend werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den verschiedenen Traditionen verglichen. Aufgrund der enormen Vielfalt an verschiedenen Kalligraphie-Stilen in allen drei geographischen Räumen, wird jeweils exemplarisch ein aussagekräftiges Beispiel dargestellt. In der Annahme, dass die Religionen des Christentums, des Islam und des Buddhismus hinreichend bekannt sind, werden in dieser Arbeit keine grundlegenden Informationen dazu gegeben. Untersucht wird auch, inwiefern der Schreibprozess Ausdruck religiösen Handelns ist. Des Weiteren wird die Frage erörtert, wie sich der Glaube in seinem Inhalt und seiner Form im Ausdruck der Kalligraphie widerspiegelt oder umgekehrt gefragt, was eine Kalligraphie über den Glauben in Inhalt und Form aussagt. Vorweg: Darüber liess sich keine einschlägige Literatur finden, sodass ich mich entschloss, zu diesen Fragen eigene Gedanken zu wagen. Hierbei muss erwähnt werden, dass der in dieser Abhandlung zentrale Begriff Religion weiter gefasst wird. Er umfasst nicht nur die „gewissenhafte Beobachtung des religiösen Kults“, sondern auch die Verbindung zu einem „sinngebenden Jenseits“1 (in Form von Glauben) und den überweltlichen und meditativen Aspekt (z.B. Mystizismus*), welcher in allen Kulturen in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden ist. Es wird u.a. auch die Wirkung, welche das fertige Werk auf den Betrachter ausübt, nicht ausser Acht gelassen. Kalligraphie ist immer auch kultureller Ausdruck und Kultur ist immer stark geprägt von der jeweiligen Religion. Zwischen den Themen Kalligraphie, Religion und Philosophie bestehen zahlreiche Verbindungen. Die hier vorliegende Maturarbeit beschränkt sich auf die christliche, die islamische und buddhistische Kalligraphie und ihren jeweiligen Bezug zur Religion. Zusammenfassend kann man sagen, dass diese Arbeit das Verhältnis zwischen der Kalligraphie, der Religion, dem Schreibakt und dem Produkt untersucht. 1 Zit. nach Brockhaus (1984), Band 18, 118f. * Die mit einem Asterisk gekennzeichneten Begriffe sind im Glossar erläutert. -7- Diese Abhandlung möchte einen Überblick über die drei ausgewählten Kalligraphien verschaffen, interthematische Bezüge herstellen und verzichtet bewusst auf die detaillierte Behandlung einzelner Werke. Die notwenigen Informationen wurden hauptsächlich aus der deutschen, französischen und englischen Fachliteratur zusammengestellt und durch Zeitungsartikel, Vorträge und Informationen aus dem Internet ergänzt. Das Lesen eines fachlich fundierten Romans über eine islamische Kalligraphin ermöglichte einen weiteren Zugang zum Thema. So konnten in die wissenschaftlichen Informationen persönliche Erfahrungen einer kalligraphischen Künstlerin eingeflochten werden. Dies war umso wertvoller, als ich keine praktische Erfahrung sammeln konnte. Das Kapitel über den Vergleich zwischen den Kalligraphien und ihren jeweiligen Bezug zur Religion unterscheidet sich insofern von der restlichen Arbeit, als dass es zwar auch auf wissenschaftlich fundiertem Wissen basiert, jedoch aus dem Lesen errungenen Eindrücke wiedergibt und nicht in allen Einzelheiten exakt wissenschaftlich belegt werden kann. Da dieses Kapitel Bezug nimmt auf die zuvor untersuchten religiösen und kalligraphischen Informationen, lassen sich Überschneidungen und Wiederholungen kaum vermeiden. Angefügt werden müssen noch kleine Anmerkungen zum Text. Einerseits sind die Quellen, auf welchen der Abschnitt hauptsächlich basiert, jeweils am Ende des Abschnittes vermerkt, und andererseits bedeutet die in den Fussnoten notierte Abkürzung ‚ff.’, dass Informationen von der angegeben Seite bis zum Ende des jeweiligen Kapitels im zitierten Buch benutzt wurden. Das Ziel diese Maturarbeit ist, zum einen kalligraphisch oder ästhetisch Interessierten fächerübergreifendes Wissen zu vermitteln und zum anderen Religionskundigen Zugang zu einer weiteren, bis anhin eventuell unbekannte Facette des Fachs zu verschaffen. -8- 3 Kalligraphie kurz vorgestellt (grch: kalos (καλοσ) = schön; graphein (γραφειν) = schreiben)2 „Kalligrafie ist Gestaltung mit Schrift; ist bildgewordene Sprache.“3 Unter dem Begriff Kalligraphie versteht man die Kunst des schönen Schreibens oder die Schönschrift selbst4. Im Gegensatz zu den Gebrauchsschriften stehen hier die ästhetischen sowie die religiösen Aspekte im Vordergrund5. Das Wort „Kalligraphie“ beinhaltet jedoch nicht nur die reich ausgeschmückten, verschnörkelten mittelalterliche Manuskripte, wie in Europa oftmals als erstes assoziiert wird, sondern auch eine Vielfalt an verschiedenen islamischen und asiatischen Kalligraphien, in welchen der Schwerpunkt darauf liegt „möglichst gleichförmig und regelmässig, eben ’schön’ zu schreiben“6. In den abendländischen Kulturen wird die Kalligraphie als eigenständige Kunst angesehen, welche gleichwertig neben der Malerei und der Grafik existiert.7 Auch in den ostasiatischen Traditionen ist das kalligraphische Schreiben eine „Kunstübung von fast unbegrenzter Variations- und Ausdrucksfähigkeit, die gleichwertig neben der Malerei besteht“8. So ist es naheliegend, diese Schriftzeichen nicht nur als Bedeutungsträger, sondern auch als abstrakte Kunst zu bezeichnen, wobei die perfekte, ästhetische Ausgewogenheit wichtiger ist, als die Lesbarkeit der Zeichen.9 In der Kalligraphie sind zwei unterschiedliche Arten von ‚Bedeutungsvermittlung’ grundlegend; einerseits die offensichtliche Bedeutung des Inhalts eines Wortes und andererseits die Bedeutung der Ästhetik, des Ausdrucks, den das Schriftbild vermitteln kann.10 Ein wichtiger Aspekt des kalligraphischen Schreibens ist auch die Selbstentwicklung; ein Kalligraph sollte nicht bloss sklavischer Imitator sein, sondern auch seine eigenen inneren Anlagen ausbilden und weiterentwickeln.11 Die Kalligraphie umfasst nämlich wesentlich mehr, als bloss die mechanische Beherrschung des schönen Schreibens. Verlangt wird eine richtige geistige Ausrichtung, die Schulung des Wissens und des Auges, als auch die Beherrschung der Gestaltungstechniken.12 Sie nimmt in Gebieten wie z.B. im arabisch-islamischen Raum, in welchen es verboten ist lebende Wesen direkt abzubilden, einen sehr hohen Stellenwert ein, da nur mit Hilfe dieser 2 Vgl. Pott (2005), 9. Zit. aus Pott (2005), 20. 4 Vgl. Brockhaus (1984), Band 11, 131. 5 Vgl. Brockhaus (1984), Band 19, 291. 6 Zit. nach Klopfenstein (1992), 7. 7 Vgl. Kunze (1992), 279. 8 Zit. nach Klopfenstein (1992), 7. 9 Vgl. Klopfenstein (1992), 8. 10 Vgl. Kunze (1992), 34. 11 Vgl. Fong (1996), 60. 12 Vgl. Kunze (1992), 225. 3 -9- kalligraphischen Zeichen das Göttliche ausgedrückt werden kann.13 Auch in China und Japan wird der Kalligraphie eine deutlich höhere Wertschätzung entgegengebracht, als z.B. im Europa. Somit ist es nicht verwunderlich, dass sie im Islam, in China und Japan heutzutage am höchsten entwickelt ist14. Kalligraphie ist „die Poesie der Schrift“15 13 Vgl. Haarmann (2002), 71 Vgl. Brockhaus (2005), Band 5, 3007. 15 Zit. nach Kunze (1992), 284. 14 - 10 - 4 Allgemeines zur Schrift Schrift Definition Schrift: „durch Zeichnen, Malen, Kerben, Ritzen, auch mit eigenen Schreibwerkzeugen [...], erzeugtes graph. Zeichensystem als Kommunikationsmittel, das sprachl. Mitteilungen aus der Hörbarkeit in die Sichtbarkeit umsetzt und dauernd verfügbar macht.“16 Die Vielfalt der Schriften und Schriftsysteme, die sich im Laufe der Geschichte entwickelten, ist enorm gross.17 In allen Erdteilen unterlagen bzw. unterliegen die schriftlichen Kommunikationsmöglichkeiten einem langen und individuellen Prozess. Dessen Resultat unterscheidet sich erheblich in Form, Aussehen, kulturellem Hintergrund, Schreib- bzw. Leserichtung, Gebrauchsmöglichkeiten und ihrem jeweiligen Stellenwert in der Gesellschaft. Folgendes Kapitel möchte einen Einblick in ausgewählte „Schrifträume“18 dieser Erde verschaffen.19 4.1 Entstehung der Schrift Lange hielt man die Runenzeichen als die erste existierende Schrift überhaupt. Aufgrund der Funde von Tontäfelchen aus der Zeit um 3200 a.c. stiess man jedoch auf die noch älteren Schriften Mesopotamiens und Ägyptens. Neuste Erkenntnisse ergaben sogar, dass sowohl in Ägypten als auch in Europa noch ältere Schriftbelege vorhanden sind. Die ältesten Schriftdokumente – nach heutigem Wissenstand – stammen aus der Zeit um 5300 a.c. aus Südosteuropa.20 Den ersten schriftlichen Zeugnissen vorangegangen war die mündliche Tradition, welche einem ständigen Wandel ausgesetzt war, was zu einer Sinnveränderung führen konnte. Damit man von einer eigentlichen Schrift sprechen kann, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. Zum einen müssen auf irgend eine beliebige Art Zeichen angebracht werden, sei es durch Kratzen, Malen oder Ritzen, zum anderen müssen diese Zeichen mit einer Bedeutung oder einem Inhalt versehen werden und somit den Zweck einer Mitteilung erfüllen. In den Vorstufen zur Schrift ist typischerweise immer nur eine der beiden Merkmale vorhanden. In der 16 Zit. aus Brockhaus (1984), 287. Die genaue Anzahl der Schriften ist unbekannt. Zur Fülle der verschiedenen Schriften vergleiche Faulmann (1989). 18 Begriff übernommen von Kiening (2008). 19 Für weiterführende Informationen zur Entwicklung nicht erwähnter Schrifträume vergleiche Haarmann (2002). 20 Diese neusten Forschungen revidieren die bisher allgemein anerkannte These „Ex oriente lux“ (‚Licht aus dem Osten’) und setzen an ihre Stelle das gegensätzliche „Ex occidente lux“ (‚Licht aus dem Westen’), welches somit den Beginn des Schriftgebrauchs ins Abendland verlagert. Trotzdem darf die wichtige Beeinflussung durch Afrika und Asien nicht vergessen werden, jedoch erfolgte diese erst später, im 2. Jahrtausend a.c.. Vgl. Haarmann (2002), 9, 114. 17 - 11 - Gegenstandsschrift21 ist nur der sinngebende Aspekt vertreten, bei der sogenannten ‚zeichnerischen Vorstufe’ nur der darstellende. Ein wichtiger Aspekt für die Entwicklung der Schrift war sicherlich der magisch-religiöse, wobei jedoch diskutiert wird, wie wichtig sein Einfluss war.22 Man kann allerdings mit Sicherheit davon ausgehen, dass niemals die Schrift nur zur Bewahrung von Informationen diente, sondern immer einen kreativen und ästhetischen Aspekt beinhaltete. In Kulturen, in welchen diese Ästhetik sehr ausgeprägt ist, hat sich Schreiben zu einer eigenen Kunstform entwickelt. Im arabisch-islamischen Raum oder auch in China und Japan ist die Kunst der Kalligraphie immer noch sehr angesehen, ziemlich weit verbreitet und gilt beispielsweise in Ostasien als „selbstverständliche Komponente ihrer traditionsreichen Schriftkultur und ihres kulturellen Gedächtnisses“23.24 4.2 Entwicklung der Schrift Die ersten Schriftzeichen waren bildliche Darstellungen. Der Nachteil dieser anfangs benutzten Piktographie25 war, dass die bildliche Aufzeichnung nie mit dem sprachlichen Ausdruck genau in Übereinstimmung gebracht werden konnte, da dem Zeichner stets ein gewisser Spielraum bei der Gestaltung zur Verfügung stand. Dies bedeutet, dass den Gegenständen keine eindeutigen, selbstständigen Zeichen zugeordnet wurden.26 Deswegen wurde diese Piktographie zunehmend eingeschränkt, reduziert, bzw. in Einzelheiten zerlegt. Ein weiterer Grund zu dieser Wandlung war wohl die verstärkte Gewichtung auf die Genauigkeit der Darstellung; diese war besonders wichtig bei religiösen oder historischen Aufzeichnungen, welche möglichst unverändert an die nächste Generation weitergegeben werden sollten. Diese Aufgabe wurde in alten Zeiten im Allgemeinen vom Priesterstand übernommen. Es ist anzunehmen, dass es ursprünglich nicht eine allzu grosse Anzahl Zeichen gab, da die meisten Abbildungen religiösen bzw. historischen Inhalts waren und noch nicht für die Vielfalt des alltäglichen Lebens genutzt wurden. Die Schriften unterliegen einem ständigen Wandel zu einer einfacheren Form, oder einer Beschränkung vieler Zeichen auf eines, dem geeignetsten. Damit u.a. abstraktere Begriffe mit Schrift erfasst werden konnten, wandelte sich die Schrift 21 z.B. Knotenschrift, Kerbzahlen Vgl. Brockhaus (2005), Band 8, 5599. Ob der Schrift ursprünglich nur dieser Aspekt des Magisch-Religiösen zugrunde lag und sie sich später durch Zweckwandel zu einem Mitteilungsmittel wandelte, oder ob es zu Beginn der Spieltrieb war, der den Menschen zum Zeichnen bzw. Schreiben bewegte, bleibt offen. Vgl. Jensen (1969), 17. 23 zit. nach Haarmann (2002), 71. 24 Vgl. Haarmann (2002), 7ff., 71; Jensen (1969), 17. 25 auch Ideenschrift oder Inhaltsschrift genannt; eine Art Bilderschrift. Vgl. Jensen (1969), 33, 43ff. 26 Als Beispiel möge man sich vorstellen, dass zwei Zeichner den Auftrag des Zeichnens eines Hundes erhalten. Der eine gezeichnete Hund ist gross und dick, der andere klein und schlank. Obgleich beide denselben Auftrag aufzeichneten, sind zwei völlig unterschiedliche Resultate hervorgegangen – und die Frage, ob der Hund lang- oder kurzhaarig ist, bleibt dabei immer noch unklar. 22 - 12 - von einer Wort-Bildschrift27 zu einer Wort-Lautschrift. Dies erfolgte durch die Phonetisierung, welche die Bilder von der Schrift trennte. Diese „Verlagerung des Zeichenwertes vom optischen auf das akustische Gebiet“28 stellt den bedeutungsvollsten Schritt der Schriftentwicklung dar. Mit der Zeit entwickelte sich die Schrift über die Silbenschrift29 weiter zur Einzellautschrift bzw. Buchstabenschrift, weil die Grundlagen der reinen Silbenschrift relativ komplex sind. Einerseits dürfen nicht übermässig viele verschiedene Silben vorkommen, andererseits sind Konsonantenhäufungen unpraktisch. Dieser letzte Entwicklungsschritt hat sich nicht in allen Kulturen vollzogen.30 Allerdings können die Schriften oftmals nicht eindeutig eingeteilt werden, da die Übergänge fliessend sind, wie beispielsweise die Keilschrift, welche eine gemischte Wort-/Silbenschrift war.31 Die Vielfalt der verschieden beschreibbaren Materialien, die für das Erstellen von Schrift benutzt wurden, ist immens. Sie reicht von Stein, Keramik, Ton, verschiedenen Metallen, Knochen und Elfenbein über Papyrus, Holz, Rinde, Palmblätter und Leder zu Pergament, verschiedenen Textilien und schliesslich zu Papier; wobei auch der Gebrauch von Papier in jüngster Zeit den digitalen Technologien den Vorrang lässt.32 Schrift bzw. das Schreib- und Lesevermögen war in den ursprünglichen Zivilisationen der religiösen und politischen Elite der Gesellschaft vorbehalten.33 4.3 Funktion der Schrift in der Gesellschaft Viele archäologische Funde lassen darauf schliessen, dass der Schriftgebrauch und die Religion in Alteuropa in sehr engem Zusammenhang standen. Die Schrift galt als religiöses Medium, welches oftmals bei Ritualen und religiösen Zeremonien angewendet wurde, wie z.B. Weiheinschriften. Es war ein „Instrument der Priesterschaft, der Spezialisten“34 zur Kontrolle der korrekten Durchführung der Riten. Auch in Altchina war der Schriftgebrauch anfänglich nur für das Orakelwesen, von dem nur der Kaiser und Angehörige der Herrscherfamilie profitierte, vorgesehen. Diese herausragende Bedeutung kam der Schrift zu, da sie als viel beständiger und kraftvoller angesehen wurde als das gesprochene Wort. Bis heute hat die Schrift in der Kultur der Chinesen einen besonderen Status inne, der nicht nur den praktischen Nutzen, sondern auch 27 ein Bild drückt ein ganzes Wort aus; z.B. die Schriften der Eskimo und Indianer und die ursprüngliche Formen der chinesischen und altägyptischen Schrift. Vgl. Brockhaus (1984), Band 19, 287ff. 28 Vgl. Jensen (1969), 45. 29 Jedes Schriftzeichen gibt eine ganze Silbe wieder; z.B. japanische Schrift. 30 Diese aufgezeigte Schriftentwicklung bildet nur ein Raster, wobei jede Schrift ihre eigene Ausprägung hat. 31 Vgl. Brockhaus (1984), Band 19, 287ff.; Jensen (1969), 33, 43ff. 32 Vgl. Haarmann (2002), 57-70; auch für weiterführende Informationen zu den jeweiligen Beschreibstoffen. 33 Vgl. Haarmann (2002), 17f. 34 zit. nach Haarmann (2002), 22. - 13 - einen magischen Aspekt vertritt. Ebenso war im altislamischen Raum die Kalligraphie, abgesehen vom religiösen Aspekt, eine aristokratische Kunst. In jeder Dynastie wurde ein spezieller künstlerischer Stil entwickelt, dessen Ziel die Festigung der Legitimation und der politischen Machtansprüche war.35 Aus heutiger Sicht weiss man, dass Schrift und staatliche Ordnung nicht zwingend aneinander gebunden sind, in der Regel Hochkulturen aber nicht ohne Schrift existierten.36 4.4 Grundlegende Grundlegende Unterschiede der ausgewählten Schriften Die drei ausgewählten Schriften sind in grundlegender Hinsicht verschieden. Einerseits ist auf den ersten Blick sichtbar, dass unterschiedliche Schreib- und Leserichtungen Tradition sind, andererseits unterscheiden sie sich auch in ihrem Aufbau.37 Anders als die uns bekannte Schreib- bzw. Leserichtung der christlichen Schriften, sind sowohl einige asiatische Schriften, als auch die islamischen anders angeordnet. Bei den chinesischen und japanischen Schriften wird in Spalten von oben nach unten geschrieben, wobei die Spalten von rechts nach links angeordnet sind. Noch eine weitere Variante bietet die islamische Schrift, welche sich von rechts nach links entwickelt, oben an der Seite beginnend. Die christliche Schrift ist eine Buchstabenschrift, aus Konsonanten und Vokalen bestehend. Die Islamische setzt sich auch aus Buchstaben zusammen, ist jedoch eine Konsonantenschrift mit Vokalzeichen.38 Im asiatischen Raum sind ganz unterschiedlich aufgebaute Schriften vorhanden. Die untersuchte buddhistische Schrift ist eine Zeichenschrift; es werden Bedeutungszeichen verwendet. 35 Vgl. Khatibi/Sijelmassi (1996), 186. Vgl. Haarmann (2002), 17f., 21ff. 37 Zu den religiösen, meditativen, spirituellen Unterschieden vergleiche Kapitel 9 38 Ausführlichere Informationen dazu folgen im Kapitel 6.3 36 - 14 - 5 Christliche Kalligraphie 5.1 Schriftgeschichte in Europa Grundlage aller abendländischen Schriften sind die griechischen Alphabete, die auch von den Etruskern verwendet wurden. Das etruskische Alphabet wiederum übte einen grossen Einfluss auf die lateinische Sprache bzw. Schrift aus. Durch die Verbreitung der römischen Kirche wurde die lateinische Schrift auf weiten Teilen der Erde populär, wobei sich in der Ostkirche die Kyrilliza durchsetzte und diese die osteuropäischen Schriften beeinflusste.39 In der Antike war Schrift sehr verbreitet. Aufgrund des allgemeinen Reichtums der Gesellschaft, konnten sich viele Menschen eine gute Ausbildung leisten und somit lesen und schreiben, was zu einem sozial hohen Bildungsstand führte. Der Beruf der Schreiber und Kopisten wurde häufig ausgeübt, wobei auch der Privatsekretär, oft Sklave eines wohlhabenden Herrn, der die ihm diktierten Briefe und literarischen Werke niederschrieb, ein weit verbreiteter Beruf war. Bis zum Zerfall des römischen Reiches galten die lateinische Sprache und somit auch die römische Schriftkultur in weiten Teilen Europas als Zeichen einer überlegenen Zivilisation. Nach einer turbulenten Zeit – Untergang des römischen Reiches, Erklärung des Christentums als Staatsreligion – ging die bisherige Schriftkultur beinahe ganz verloren. Es existierten nur noch wenige Schreiber und Latein wurde zunehmend eine Sprache, die nur von einer Elite verstanden wurde. Dadurch sank das allgemeine Bildungsniveau, das einfache Volk stütze sich zunehmend auf die Vorschriften der Kirche, was der Bibel ein enormes Gewicht verlieh. Wegen des Verbots und der „Massenvernichtung“ der antiken Bücher gewannen die biblischen Schriften und somit auch die Schreibkundigen an Bedeutung und Ansehen.40 Schrift war im christlichen Mittelalter etwas Geheimnisvolles. Sie beinhaltete Mysteriöses, war in Latein geschrieben, einer Sprache, die ausser Mönchen wenigen Abb.: 1 Mittelalterliche Buchmalerei; Die heiligen drei Könige zugänglich und somit verschlüsselt blieb. Sie beschäftigte sich mit Unerklärlichem, Göttlichem. Schrift oder das 39 Spezifische Informationen zu behandelten Schriften siehe im jeweiligen Kapitel. Vgl. Brockhaus (1984), Band 19, 288f. 40 Vgl. Kunze (1992), 29-40; auch für weiterführende Informationen zur Schrift in der Geschichte/Schriftgeschichte. - 15 - Vermögen Schreiben zu können stellte im Mittelalter41 Macht oder auch Reichtum dar. Die Schriftstücke, vorwiegend Bibeln, waren reich geschmückt; kostbare Materialien wurden verwendet. Diese grosse Bedeutung kommt der Schrift bzw. der Kalligraphie wohl zu, wegen der Bestimmung der Heiligen Schrift, welche einerseits göttliche Offenbarung und somit für alle Gläubigen von grosser Wichtigkeit ist, andererseits wegen ihrer Rolle, die sie in der Liturgie* innehat. Daher sind die Bibelhandschriften die prächtigsten und prunkvollsten Kalligraphien, in welche enorm viel Zeit zur Herstellung investiert wurde. Denn in der christlichen Kalligraphie war es nicht nur wichtig, die Bibel korrekt abzuschreiben und den Inhalt bzw. die Informationen zu vermitteln, sondern auch den Leser durch die Ästhetik auf einer anderen, ‚höheren’ Ebene zu berühren. Dank der grossen Nachfrage an Bibeln, erlebte die westliche Kalligraphie im Hochmittelalter ihre Blütezeit.42 Der Beruf „Schreiber“, bzw. „Kalligraph“ wurde von spezialisierten Mönchen in Schreibstuben, sogenannten Skriptorien, ausgeführt. Diese Skriptorien befanden sich im Innern der Klostermauern, meist in einem befestigten Turm oder an den Kreuzgang angrenzend. Das Verfassen einer Bibel war eine sehr zeitaufwendige und angesehene Tätigkeit, welche in den Klöstern stark gefördert wurde. Das Kopieren einer einzigen Bibel konnte je nach Aufwand ein Lebenswerk für einen Mönch bedeuten. In grösseren Klöstern wurde, um die Effizienz zu fördern, eine Arbeitsteilung vollzogen. Je nach Begabung des Mönches, übernahm er eine andere Aufgabe. Zu Beginn Abb.: 2 Mittelalterliches Skriptorium verfasste der Kalligraph den Text und fügte kleine Vermerke als Anweisungen für den nachfolgenden Illuminator, der die Miniaturen* und Verzierungen anbrachte, hinzu.43 Den Anfang eines Tagewerks bildete ein kurzes Gebet. Nach der Abfassung der Manuskripte wurden diese von älteren Mönchen Korrektur gelesen, um Fehler, die nachher weiterkopiert werden könnten, zu vermeiden. Einwandfrei kopierte Bibeln hatten einen immensen Wert. Aufgrund der intensiven Christianisierung und der zahlreichen Klostergründungen vergrösserte sich die Nachfrage an Bibeln und religiösen Manuskripten erheblich. Deshalb wurden im 8.Jahrhundert in Klöstern auch Nicht-Mönche zu Ausbildung aufgenommen und private 41 oder auch heute noch in gewissen Kulturkreisen. Vgl. Kunze (1992), 29-40 ; Glaser (2008), 129ff.; http://de.wikipedia.org/wiki/Westliche_Kalligrafie (14.01.09). 43 Vgl. Kunze (1992), 259. 42 - 16 - Skriptorien eröffnet. Diese Laien-Schreiber gewannen durch die Wandlung der klösterlichen Schulen zu Universitäten im 12. und 13.Jahrhundert zunehmend an Bedeutung. Es fand im Bereich der Bildung eine Verlagerung von der kirchlichen zur profanen Wissensvermittlung statt. Problematisch war nun, dass mit der Quantität an neuen Büchern die Qualität abnahm. Zudem verlor die Kalligraphie dadurch ihr kontemplatives Verhältnis zur Schrift. Diese Verlagerung zur Profanisierung bewirkte im Schrifttum eine gewaltige Veränderung. Durch den erhöhten Bedarf an Büchern musste die Effektivität gesteigert und somit flüssiger geschrieben werden; die Buchstaben mussten kleiner und enger geschrieben werden, damit das Buch für den Transport handlicher war.44 Zeit und Materialkosten konnten dadurch eingespart werden.45 Durch die der Erfindung des Buchdrucks von Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die zuvor bedeutungsvolle Kalligraphie zunehmend an den Rand gedrängt.46 Nun wurde die Schrift in ihre zuvor kaum getrennten Aspekte von Form und Inhalt geteilt. Die Typographie hatte den Informationsaspekt im Vordergrund, während sich die Kalligraphie vorwiegend auf das Gestalterische, Dekorative konzentrierte. Durch diese Wandlung verlor die Kalligraphie das Ansehen als Universalkunst, welche einst die bedeutendste Grundlage gebildet hatte zur Erschaffung eines Buches – dem wichtigsten Kulturgut. Mittlerweile wurden die Kalligraphen meist nur noch zum Anbringen von Verzierungen wie Initiale, Seitenverzierungen oder Bilder in den gedruckten Büchern engagiert, was immer noch den aufwändigsten Teil der Herstellung der Bücher darstellte.47 Jedoch geriet die Kalligraphie durch diese zunehmende Einschränkung der Verwendung allmählich in Vergessenheit. Zur Zeit des Humanismus verlor die Kirche an Bedeutung, dadurch, dass sie nicht mehr das Monopol über Schriften besass.48 Man griff wieder zu den antiken Texten, welche die Schriften im Humanismus beeinflussten.49 Erst im 19. und 20. Jahrhundert kam die Kunst des „Schönen Schreibens“ erneut auf und wurde einer breiteren Bevölkerungsschicht zugänglich gemacht.50 Heutzutage ist es eine Kunst, die oftmals im Stillen gepflegt wird, aus persönlichem Interesse und zur Entspannung von den täglichen Belastungen. Die Kalligraphie kann auch als 44 Vgl. Kunze (1992), 78. Vgl. Drogin (1980), 7ff.; Goede (1989), 40 ; Kunze (1992), 29-40. 46 Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Kalligraphen einen festen Status in der Gesellschaft einnahmen und es deshalb für die Drucker zu Beginn schwierig war, sich in der Wirtschaft zu etablieren. Deswegen wurden eine Zeit lang noch die handgeschriebenen Bibeln den gedruckten vorgezogen. Vgl. Kunze (1992), 111ff. 47 Solche Drucke, welche vor dem Jahre 1501 entstanden, werden Inkunabeln (Wiegendrucke) genannt. Für weiterführende Informationen zu den Inkunabeln vergleiche Kunze (1992), 113f. und Pott (2005), 22. 48 Kunze (1992),40ff.; auch für weiterführende Informationen zu Humanismus und Schrift. 49 Vgl. Kunze (1992), 29-40, 111ff. 50 Wichtige Persönlichkeiten zur Wiederbelebung der Kalligraphie waren William Morris (*1834 Walthamstow; †1896 London) und Edward Johnston (*1872 San José, Uruguay; †1944 Sussex). Für weiterführende Informationen zu ihnen, dem Wiederaufkommen der Schrift und der Schriftentwicklung bis heute vergleiche Kunze (1992), 121ff.; Vgl. Brockhaus (1984), Band 15, 18. 45 - 17 - meditatives Mittel mit therapeutischen Wirkungen eingesetzt werden.51 Sie wird jedoch oftmals freier gestaltet und hält sich nicht mehr an die vorgegebenen Strukturen, sondern erhebt mehr den Anspruch einer Komposition von künstlerischem Wert, bei der die Ästhetik klar dem Informationsgehalt vorgezogen wird. Es werden hauptsächlich Bilder verfasst, bei denen kalligraphische Formen als gestalterisches Hilfsmittel beigezogen werden.52 5.2 Schriftenvielfalt Schriftenvielfalt in Europa Im Mittelalter war die Vielfalt an verschiedenen, kalligraphischen Schriften beachtlich gross. Sie reicht unter anderen von der Antiqua über die Fraktur zu den Karolinger Minuskeln, wobei die Unziale die bedeutendste war. Erwähnen sollte man allerdings auch die reich geschmückte Initiale, welche jeweils den Anfang einer Seite bzw. eines Kapitels verzieren. 5.2.1 Die Unziale Die Unziale53 ist ursprünglich eine Majuskelschrift*, welche sich in den ersten Jahrhunderten p.c. entwickelt hatte. Sie war stark beeinflusst von frühen griechischen Schriften und der römischen Majuskelkursive und hatte ihre Ursprünge im römisch-lateinischen Raum, was der Unziale ihre fachlich korrekte Bezeichnung gab, nämlich Lateinische Unziale, bzw. Römische Unziale. Gemäss einer anderen Quelle54 entstand die Unziale im nordafrikanischen Raum, wo sich die christliche Kirche bereits im 3. Jahrhundert – in Rom erst zu Beginn des 4. Jahrhunderts – etablierte. Die Schreiber suchten nach einer geeigneten prunkvollen lateinischen Schrift, die der Wichtigkeit ihrer neuen Religion angepasst war. Da jedoch viele Schriftstücke abgefasst wurden, mussten sie möglichst flüssig geschrieben werden können. Da es mit einer Schreibfeder leichter fällt runde statt gerade Formen Abb.: 3 Die Unziale zu ziehen, passten sie die ursprüngliche römischlateinische Schrift an diese Kriterien an, indem sie die eleganten Rundungen der griechischen Schrift integrierten. Als später in Rom die christliche Religion übernommen wurde, übernahmen die römischen Schreiber auch die Unziale. Durch die Christianisierung verbreitete sich allmählich die Unziale in ganz Europa. 51 Vgl. Kunze (1992), 128. Vgl. Kunze (1992), 29-40. 53 lat. uncia: bedeutet der zwölfte Teil eines Pfundes oder Fusses. Zit. nach Goede (1989), 33. 54 Vgl. Drogin (1980), 93. 52 - 18 - Die Unziale bildete sich seit dem 4. Jahrhundert bis ins 9. Jahrhundert „zu einer formalen Buchschrift für besonders prachtvolle Kodizes55“56 aus. Jedoch wurde sie später auch reich verziert als Initiale verwendet. Insbesondere in kostbaren liturgischen Pergament-Handschriften wurde die Unziale angewandt. Als Schrift der ersten Christen und später der Mönche erfuhr die Unziale ihre Blütezeit im 5. Jahrhundert, wobei sie, wie bereits erwähnt, hauptsächlich für kirchliche Texte benutzt wurde. Sie wurde bis ins 10. Jahrhundert angewandt, existierte jedoch auch bei den Karolinger Minuskeln57 weiter als Titelschrift oder um die ersten Linien des Kapitels zu schreiben. Des Weiteren bildete die Unziale eine wichtige Grundlage für die gotischen Grossbuchstaben, sowie auch für die Initiale.58 Beeinflussungen und Veränderungen erfuhr die Unziale, wie viele andere Schriften, in den Skriptorien. Diese Umgestaltungen betrafen hauptsächlich die Art die Feder zu halten, da durch eine kleine Veränderung das Schriftbild erheblich beeinflusst werden kann. Im 5. Jahrhundert erfuhr die Unziale erneut eine Wandlung, wobei sich unter anderem die sogenannte Römische Halbunziale herausbildete, welche vorwiegend in den Klöstern der britischen Abb.: 4 Bibelausschnitt geschrieben in Unziale Inseln beliebt war59. Die Majuskeln transformierten sich nun zu Minuskeln60, welche unseren Kleinbuchstaben stark ähneln. Sie zeichnet sich u.a. aus durch die markanten, keulenartigen Ober- und Unterlängen. Später wurde sie jedoch von den Karolinger Minuskeln abgelöst. Beide Kalligraphien werden mit einer Breit- oder Bandzugfeder61 geschrieben, welche sich durch eine breite, waagrechte oder leicht abgeschrägte, Federkante auszeichnet.62 Die Unziale hat in der Schriftkunst eine besondere Stellung eingenommen. Seit dem 4. Jahrhundert wurde sie für anspruchsvolle, meist religiöse Zwecke eingesetzt und war für das Verfassen von banalen Texten beinahe undenkbar. Diesen besonderen Rang hatte sie u.a. sicherlich wegen ihres überaus ästhetischen Schriftbilds erlangt. Die Betonung von Rundungen 55 auch Kodex oder Codex genannt; im Buchwesen: „Buchform der Spätantike und des MA. Mit Handschriften auf Papyrus- bzw. Pergamentblättern zw. Zwei Holzdeckeln, die mit Leder und Metal überzogen sein können.“ Zit. aus Brockhaus (2005), 3230. 56 zit. nach (2005), 64. 57 (auch Carolina genannt) Eine um die Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert entstandene Schrift, welche aus der Verschmelzung regionaler Halbunzial-Schriften, der Römischen Minuskel und der Römischen Kursive hervorgegangen war. Sie wurde aufgrund einer Reform Karls des Grossen eingeführt zur Vereinheitlichung und Erneuerung des Schrift- und Buchwesens, da bis dahin selbst gut ausgebildete Personen grosse Schwierigkeiten hatten, die Schriften, bzw. Kalligraphien aus anderen Regionen zu entziffern. Nie zuvor gab es eine solch umfassende Schriftreform in Europa. Vgl. Pott (2005), 68. 58 Vgl. Goede (1989), 33; auch für weiterführende Informationen zum Schriftbild. 59 Vgl. Goede (1989), 37. 60 Minuskel hat zwei Bedeutungen: 1. Kleinbuchstabe; 2. bezeichnet im Schriftwesen eine Schriftart, welche im Gegensatz zu den Majuskeln unterschiedlich lange Ober- und Unterlängen aufweist und somit das Schriftbild erheblich verändert. Vgl. Brockhaus (2005), 4079. 61 Vgl. dazu Kapitel 5.3. 62 Vgl. Schenk (1989), 58 und Pott (2005), 18. - 19 - und das breitlaufende Schriftbild mit deutlichem Zeilenabstand verliehen der Unziale eine stark „ornamentale Wirkung“63. „L’Onciale est une écriture d’allure majestueuse, voire pompeuse.“64 Obwohl im vorangegangen Text erwähnt wurde, dass die Unziale eine Majuskelschrift ist, muss man diese Aussage relativieren. Denn obschon die Buchstaben unseren Grossbuchstaben stark ähneln und sie teilweise sogar als die letzte Schrift der Geschichte, welche nur aus Grossbuchstaben besteht, bezeichnet wird, werden die Buchstaben den Vorschriften des Zweilinien-Systems, welche Grundlage für die Majuskeln sind, nicht gerecht, wegen ihren langen Ober- und Unterhälsen.65 In der Unziale werden alle Buchstaben gleich gross geschrieben und es sind keine Abstände zwischen den Wörtern vorhanden. Kurze Unterbrüche im Text werden mit einem Punkt auf halber Höhe gekennzeichnet, ein grösserer Unterbruch mit einem Doppelpunkt mit oder ohne Gedankenstrich.66 Der Anfang eines Satzes, eines Paragraphen oder eines Kapitels wird durch eine einzelne Letter, eine vergrösserte, ausgeschmückte Unziale oder ein Initial67, geschmückt.68 5.2.2 Das Initial Das vom lateinischen „initium“ stammende Wort, bedeutet Anfang. So ist es selbsterklärend, dass das Initial zu Beginn einer Seite oder eines Kapitels steht. Durch seine oftmals überproportionale Grösse und den reichen Verzierungen kann es die ganze Seite schmücken. Die unterschiedlichen Grössen der Initiale gliederten den Text. So kennzeichnet z.B. ein kleineres Initial den Beginn eines Verses, ein grösseres den eines Psalms. Wegen den in das Initial integrierten Bildern und Ornamenten kann es einerseits als höchste kalligraphische Kunst oder aber als Gemälde schlechthin angesehen werden. An diesen Kunstwerken erkennt man besonders gut, dass die Schrift ursprünglich von Bildern abstammt und Abb.: 5 Inital P der ästhetische Wert für die Kalligraphie 63 zit. nach Pott (2005), 64. „Die Unziale ist eine Schrift mit einem majestätischen, ja sogar pompösen Aussehen“. Vgl. Sabard et all. (1995), 24. Vgl. Pott (2005), 64ff.; Sabard et all. (1995), 23ff. 65 Vgl. Goede (1989), 35. 66 Vgl. Drogin (1980), 96; auch für weiterführende Informationen zur Interpunktion der Unziale. 67 Vgl. späteres Kapitel 5.2.2. 68 Vgl. Pott (2005), 64, 92. 64 - 20 - immer noch grundlegend ist. Obwohl für den Betrachter die Ästhetik von Interesse ist, ist trotzdem der Informationsgehalt von grosser Bedeutung, da er fundamental wichtig ist als Bestandteil des Textinhaltes. Durch die Gestaltung des Initials kann der künstlerische Aspekt und die Kreativität des Künstlers gut dargestellt werden. Das Initial kann von verschiedenen Schriften inspiriert, bzw. beeinflusst werden, die persönliche Handschrift spielt eine grössere Rolle. Dies machte jedes Exemplar der Bibel auch nach Erfindung des Buchdruckes, als meist nur noch diese Initiale von Kalligraphen verfasst wurden, zu einem Unikat. Der Auftraggeber einer Bibel konnte anhand eines Musterbuches das gewünschte Initial frei auszuwählen. Ebenso waren die Möglichkeiten ein solches Initial zu kreieren sehr vielfältig existierte; es konnte u.a. geschrieben, gezeichnet, konstruiert, gemalt, illustriert, gedruckt, geprägt oder gestanzt sein. Nur die talentierten Kalligraphen beherrschten die Kunst des Erstellens einer Initiale; es fand eine Arbeitsteilung statt zwischen dem Kalligraphen, der für den Text zuständig war und demjenigen, der die aufwändigen Buchstaben gestaltete. Zur Zeit der Gotik war die Verwendung der Initiale sehr populär und auch heutzutage werden meist die Initiale mit denjenigen aus der Zeit der Gotik assoziiert. Doch je nach Epoche veränderten sich die Initiale dem Stil der Zeit entsprechend.69 Abb.: 6 Initial Q 5.3 Arbeitsmaterialien und Schreibhaltung Wie bereits erwähnt, war für die Unziale hauptsächlich die Breitfeder, auch Bandzugfeder genannt, gebräuchlich, welche eine sehr kontrastreiche Strichstärke erzeugt. Dieser so genannte Wechselstrich weist senkrechte, waagrechte, schräge oder runde Striche auf, die in ihrer Strichbreite stark variieren. Die Feder kann aus vielen verschiedenen Materialien bestehen wie z.B. aus Holz, Rohr, Bambus, dem Kiel einer Vogelfeder oder seit den letzten Jahrhunderten auch aus Metall.70 Dazu wird eine schwarze Tinte verwendet; farbige wurde üblicherweise nur zurückhaltend eingesetzt, meist nur zum Herausheben von speziellen Textstellen, Überschriften oder aber für Initiale, damit sie als Ergänzung zur Schrift wirkte.71 Bei der Qualität der Tinten wurde möglichst darauf geachtet, dass diese lichtecht sind, sich also unter Lichteinfluss nicht verfärbten. Die Verwendung des Pinsels war weniger üblich mit Ausnahme des Malens der goldenen Schriftzügen und den Initiale. Der von Ägypten, Syrien und Mesopotamien importierte Papyrus war bis zu Beginn des Mittelalters der wichtigste Schriftträger im römisch-lateinischen Raum, der den Vorteil hatte, 69 Vgl. Goede (1989), 91ff.; Pott (2005), 92ff. Für weiterführende Informationen zur Vielfalt der Arbeitsmittel vergleiche Kunze (1992), 145ff. 71 Vgl. Kunze (1992), 266ff.; auch für weiterführende Informationen zur Farbe in kalligraphischen Werken. 70 - 21 - Tinten und Tuschen vor dem Ausfliessen zu hindern und so konnten präzise Arbeiten angefertigt werden. Im 2. Jahrhundert a.c. befahl Eumenes II.72 am Hof zu Pergamon wegen des Exportverbotes von Papyrus aus Ägypten, eine neue, den Papyrus ersetzende Schreibunterlage zu entwickeln. Daraus entstand das aus tierischer Haut hergestellte Pergament, der Vorläufer des Papiers. Pergament ist gegen Luftschadstoffe resistent, jedoch feuchtigkeitsempfindlich. Sowohl Papyrus wie auch Pergament wurden anfänglich in Rollenform aufbewahrt, bis schliesslich im 4. Jahrhundert das leicht faltbare Pergament gebunden und in Kodexform gebracht wurde. Für besonders wertvolle, bedeutungsvolle Texte wurde das Pergament purpurrot gefärbt und mit Gold- und Silbertinte beschrieben oder mit Blattgold verziert. Im 13. Jahrhundert übernahm das Papier73 die Rolle des Pergamentes und ist bis heute die gebräuchlichste Schreibunterlage. Ein weiteres unverzichtbares Hilfsmittel des Schreibers war das Messer, zum Schärfen der Feder und zum Wegkratzen von Schreibfehlern. Der christliche Kalligraph verfasst seine Arbeiten auf einem Stuhl am Tisch sitzend. Das Schreibpult, das im Mittelalter üblich war, verfügte über eine schräggestellte Schreibfläche, was mehrere Vorteile mit sich brachte.74 Einerseits erleichterte sie die Übersicht über den zu schreibenden Text, die Tinte floss nicht zu rasch aus der Feder und darüber hinaus verbesserte es die Haltung des Kalligraphen. Zwischen Pult und Papier wird als Schreibunterlage z.B. ein vegetabil gegerbtes Kalbsleder gelegt. Um ein gleichmässige Schrift gestalten zu können, schreibt der Kalligraph als 75 Lockerungsübungen vor seiner Arbeit mehrere Buchstaben. Obgleich sich in einer Schreibstube mehrere Mönche befanden, war das Schreiben eine einsame, stille Arbeit, bei der sich der Mönch tief in seine Arbeit und Texte vertiefen konnte.76 5.4 Schriftbild und Ornamentierung Das Schriftbild lebt – in jeder Schrift – auch vom inneren Rhythmus des Wortbildes. Durch die ständige Abwechslung zwischen Geraden und Kurven wird bewusst Monotonie vermieden und ein ansprechender Eindruck des Textbildes erzeugt.77 Für die Ästhetik ist nicht nur dieser innere Rhythmus von grosser Bedeutung, sondern auch der Schreibrhythmus. Denn wesentlich für ein gleichmässiges Schriftbild ist ein regelmässiger Takt. Gewisse Vorschriften zu 72 Eumenes II. Soter: „König von Pergamon (seit 197), * vor 221 v.Chr., † 159 v.Chr.; Verbündeter Roms. Unter ihm erlebte das Pergam. Reich seine grösste Blüte (u.a. Bau des Pergamonaltars).“ Zit. aus Brockhaus (2005), 1601. 73 Für weiterführende Informationen zur Papierherstellung vergleiche Schenk (1989), 35-38. 74 Für weiterführende Informationen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes vergleiche Goede (1989), 28. 75 Vgl. Drogin (1980), 12. 76 Vgl. Goede (1989), 1ff., 28; Kunze (1992), 145ff.; Schenk (1989), 30-35; http://de.wikipedia.org/wiki/Westliche_Kalligrafie (14.01.09). 77 Vgl. Kunze (1992), 67, 200. - 22 - Proportionen müssen – in jeder Schrift – eingehalten werden, um ein harmonisches Gesamtbild erzeugen zu können. Durch diese Eigenschaften versucht der Schreiber, den kalligraphischen Text für den Leser möglichst einfach erfassbar zu machen.78 Fand in der Antike eine klare Abgrenzung zwischen der Schrift und den Ornamentierungen statt, so änderte sich dies im Mittelalter und ornamentale Elemente wurden mit dem Geschriebenen verflochten. In der Kalligraphie kann sich die Ornamentik auf besondere Ausformungen einzelner Buchstaben und geometrische Muster beschränken oder auf ganze Bildkompositionen ausweiten. Teilweise wurden die Seiten auch mit zoomorphen* Darstellungen geschmückt. 79 Abb.: 7 Mittelalterliche Buchmalerei 78 79 Vgl. Kunze (1992), 182ff., 197. Vgl. Kunze (1992), 249, 255f. - 23 - 6 Die islamische Kalligraphie Kalligraphie „Le calligraphe tenant son roseau encré de noir et calligraphiant sur son papier blanc, détruit cet espace blanc, absolu, pour créer des formes et d’autres espaces.“ 80 6.1 Einführung und historischer Abriss Der Stellenwert, den das Buch im Islam innehält, ist äusserst bemerkenswert.81 Schon im 12. Jahrhundert überstieg die Zahl der Bücher im islamischen Kulturraum diejenige des westeuropäischen Raumes bei weitem. Zum Vergleich: eine Bibliothek in Westeuropa beinhaltete maximal fünfhundert Bücher, im Vatikan möglicherweise ein wenig mehr – in mehreren Städten des Orients existierten Bibliotheken oder auch Privatsammlungen mit mehr als 10.000 Exemplaren. Religion und Wissen nehmen im Islam eine sehr bedeutende Rolle ein, was folglich das Verfassen und Lesen von Büchern stark förderte.82 Die arabische Schrift und Kalligraphie existierten schon vor dem Aufkommen und der Verbreitung der islamischen Religion, erhielten aber durch den Koran erst ihre bedeutende Stellung; dieser blieb denn auch lange das einzige arabische Buch.83 Dieses „am häufigsten gelesene und abgeschriebene Buch der Islamischen Welt“84 durfte und darf nur in seiner Originalsprache überliefert bzw. verbreitet werden, da es für die Muslime die göttliche Offenbarung darstellt. Deshalb erstaunt es nicht, dass der Schreibakt des Kopierens an sich schon eine sakrale Handlung war und schon früh die wesentlichsten kalligraphischen Vorschriften festgesetzt worden waren.85 Aufgrund der Ausdehnung des arabischen Herrschaftsbereichs und des Übersetzungsverbotes verbreitete sich die arabische Sprache und Schrift schnell im ganzen islamischen Kulturkreis. Durch diese Dominanz der arabischen Sprache wurden sowohl die persischen Sprachen wie auch das Türkische in arabische Lettern 80 „Der Kalligraph, seine mit schwarzer Tinte gefüllte Schilfrohrfeder in der Hand haltend und in Schönschrift auf sein weisses Papier schreibend, zerstört diesen weissen, absoluten Raum um Formen und andere Räume zu erschaffen.“ Zit. aus Massoudy (1981), 55. 81 Dieses Kapitel ist oft auch im Präsens geschrieben, da die Kalligraphie auch heute noch im Islam eine grosse Bedeutung innehat. 82 Die frühe arabische Literatur setzt sich zusammen aus Aufzeichnungen mündlicher Überlieferungen, Übersetzungen fremdsprachiger Werke, Niederschriften des allgemeinen Wissens und literarischen Texten der frühislamischen Zeit. Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 36. Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 34ff.; Schimmel (1992), 3-20, 50. 83 Vgl. Haarmann (2002), 74 und Massoudy (1981), 57. 84 Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 34. 85 Vgl. Carboni (1995), 86. - 24 - transkribiert. Dadurch bildete sich im ganzen islamischen Raum ein einheitliches Alphabet heraus.86 Im 13. Jahrhundert verringerten sich das Verbreitungsgebiet der arabischen Sprache und damit auch die Menge an neuen Manuskripten. Ausserdem wurden durch die christliche Kirche unzählige Bücher vernichtet. Obwohl im 17. Jahrhundert noch kalligraphische Bücher verfasst wurden, erlangten diese nicht mehr das frühere Niveau in ihrem künstlerischen Ausdruck. Die Verbreitung des Buchdruckes, ein Resultat des Kulturkontaktes durch Handel und Industrialisierung mit der westlichen, christlichen Welt, erlebte erst im 19. Jahrhundert im islamischen Raum seinen Aufschwung. Durch diese Erfindung stagnierte die Produktion arabisch-islamischer Manuskripte und folglich verringerte sich auch die Bedeutung der einfachen Schreiber; die Kalligraphie allerdings konnte ihren Status mehr oder weniger halten.87 6.2 Schrift, Koran und Architektur Vermutlich gehen die Anfänge der ersten Aufzeichnungen des Korans auf das 8. und teilweise auf das 7. Jahrhundert zurück, jedoch sind nur wenige schriftliche Zeugnisse aus jener Zeit erhalten. Anfänglich wurde die arabische Schrift nur für Koranabschriften benutzt. Der Islam gilt als erste Religion, bei welcher unterschieden wurde, zwischen denjenigen, welche befähigt waren, dem heiligen Charakter des Korans mit ihren Schriftkünsten gerecht zu werden, und jenen, die dieser Bestimmung nicht mächtig waren. Sowohl für den religiösen, als auch für den ästhetischen Aspekt war es von zentraler Wichtigkeit, dass der Koran in bestmöglicher, vollkommener Form kopiert wurde. Diese Tatsache löste die Entwicklung einer immensen Auswahl verschiedener Stilrichtungen der islamischen Kalligraphie aus, zudem leistete aber auch die bereits erwähnte Abneigung gegen jegliche Art figürlicher Darstellungen ihren Beitrag.88 Nachdem der Koran erstmals im 7. Jahrhundert niedergeschrieben worden war, kopierten unzählige Kalligraphen diese verbindlichen, heiligen Worte, welche wie bereits erwähnt so schön wie möglich kopiert wurden. Denn im Glauben der Muslime konnte man mit dem Kopieren des Korans himmlische Entlöhnung erlangen. Einst soll der Prophet auch Folgendes gesagt haben: „Wer den Basmallah-Vers gut schreibt, wird ohne Schwierigkeiten ins Paradies kommen“.89 Der Basmallah-Vers ist eine kurze Formel, die zu Beginn beinahe jeder Sure* steht und übersetzt bedeutet „Im "amen Allāhs, des Barmherzigen, des Mitleidvollen“90. 86 für weiterführende Informationen zu der Ausbreitung der arabischen Schrift siehe Akimuschkin et all. (1995), 57f. Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 34ff., 46ff.; Gosciniak (1991), 27ff.; Schimmel (1992), 3-20, 50. 88 Vgl. Haarmann (2002), 71. 89 Zit. nach NZZ, 27.05.2008, „Mit Schilfrohrfeder und Computer“. 90 “bi-ism Allāh al-Raḥmān al-Raḥῑm”; Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 53. Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 34ff.; Schimmel (1992), 3-20, 50. 87 - 25 - Die arabisch-islamische Kalligraphie erhielt besonders auch auf den Gebäuden als architektonische Verzierung einen grossen Stellenwert. Man trifft sie heute noch auf Elementen wie Bögen, Fenster, Türen u.ä. in Moscheen und anderen religiösen Gebäuden an. Diese Kalligraphien können gemalt oder geschnitzt werden und diese wirken als Einladung zur Meditation. Sie dienten und dienen als Vermittlungsmedium zwischen dem Menschen und dem Absoluten.91 Auf diese Weise konnte die Botschaft des Korans für alle Menschen zugänglich gemacht werden; nicht nur für die Gelehrten, wie es die Manuskripte bedingten, sondern sogar für Analphabeten, die von der Ästhetik und der monumentalen Grösse beeindruckt waren und dadurch die Botschaft Allahs erahnen konnten.92 Die grosse Moschee in Bursa in der Türkei beispielsweise ist geschmückt durch Kalligraphien, welche gigantische durch ihre Reinheit äusserst ausdrucksvoll sind.93 Die älteste kalligraphische Inschrift befindet sich in Jerusalem, in der AlAqsa Moschee, welche im Jahre 691 p.c. fertiggestellt wurde. Dargestellt in KufiSchrift ist ein Koran-Vers, der teilweise noch lesbar ist. Zu Beginn wurden nur an Friesen* an bedeutsamen Stellen der Moschee kalligraphische Inschriften angebracht, mit der Zeit wurden diese jedoch ein immer Abb.: 8 Gebetsnische in einer Moschee in Isfahan (Iran), Fries mit Kalligraphien wichtigerer Bestandteil der Ornamente und bedeckten ganze Wände, Decken und Säulen. Eine gleichmässige geometrische Form rahmte die eigentlichen Kalligraphien ein, welche sich meist ähnlich einem schmalen Band über mehrere Meter erstrecken konnten. Vorschriften über die Ausarbeitung, Ausführung und Anordnung der architektonischen Kalligraphie bildeten sich heraus. Da die Mohammedaner den Koran auswendig kannten, genügten wenige bekannte Zeichen und sie erkannten die dargestellte Textstelle. Dadurch wurde die Schrift ein heiliges Symbol.94 91 Vgl. Haarmann (2002), 74 und Massoudy (1981), 102. Vgl. Massoudy (1981), 33. 93 Diese Moschee namens Ulu Jami wurde zwischen 1394 und 1413 erbaut – nicht für den Sultan, sondern für das Volk. Vgl. Massoudy (1981), 144. 94 Vgl. Massoudy (1981), 153. 92 - 26 - Der Zweck dieser Gebäude ist es, Allāh und den Propheten Mohammed zu glorifizieren und durch die Pracht der Kalligraphien die ‚Imposanz’ des Gebäudes und gleichzeitig das Ansehen des Auftraggebers zu erhöhen. Im Laufe der Zeit wurden auch profane Gebäude mit Kalligraphien geschmückt, welche teilweise auch weltlichen Inhalts waren, wie z.B. Namen von Kalifen oder Gedenkinschriften für historische Ereignisse.95 6.3 Aufbau der arabischen Schrift Die arabische Schrift, hauptsächlich aus Konsonanten bestehend, wird waagrecht von rechts nach links geschrieben, ferner werden die Vokal- und diakritischen* Zeichen ober- und unterhalb der Schriftlinie notiert. Diese diakritischen Punkte dienen zur Unterscheidung ursprünglich gleich geschriebener Buchstaben. Z.B. kann das Zeichen ( ) دohne diakritische Zeichen B, T, Y, N und Th bedeuten. Fügt man anschliessend noch eines der drei kurzen Vokale oder ein anderes Zeichen hinzu, kann es sogar als BA, BI, BOU, TA, TI, TOU etc. gelesen werden. Damit die zum Islam konvertierten Menschen die Möglichkeit hatten, den Koran lesen zu können, musste durch diese Zeichen Klarheit geschaffen werden. Eine weitere besondere Eigenschaft der arabischen Schrift ist, dass 22 der 28 Buchstaben zusätzlich umgestaltet werden, je nach dem welche Position sie im Wort einnehmen – ob am Anfang, in der Mitte oder am Ende. Diese Besonderheiten der arabisch-islamischen Schrift erschweren sowohl dem Schreiber, als auch dem Leser die Arbeit erheblich und verlangen eine grosse Konzentration. Werden bestimmte Buchstaben oder Punkte übersehen, kann dies den ganzen Inhalt verändern. Teilweise werden jedoch bewusst Punkte zur Vereinfachung weggelassen, was jedoch zu verschiedenen Textauslegungen führen kann. Nur noch in Koranabschriften, Prachtexemplaren und Lehrbüchern wird eine komplette Schreibweise verwendet.96 6.4 Schriftenvielfalt Die arabische Schrift lässt sich in zwei Grundtypen unterteilen.97 Einerseite in die Monumentalschrift, andererseits in die Kursivschrift. Erstere traf man vorwiegend auf islamischen Inschriften und im Koran an, letztere wurde für alltägliche Schriftzwecke benutzt. Es entwickelte sich sowohl aus der Monumentalschrift eine Vielfalt von verschiedenen Schrifttypen, welche in ei 95 Vgl. Khatibi/Sijelmassi (1996), 194. Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 34ff.; Khatibi/Sijelmassi (1996),191ff.; Massoudy (1981), 144; Schimmel (1992), 320, 50. 96 Für weiterführende Informationen zu den diakritischen Zeichen vergleiche Khatibi/Sijelmassi (1996), 92f. Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 34ff., 56f.; Schimmel (1992), 3-20, 50. 97 Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 58ff.; auch für weiterführende Informationen zu den jeweiligen Schriftarten. - 27 - nem Überbegriff „Kufī“ genannt werden, als sich auch aus der Kursiven an die zwanzig weiteren Schriftarten bildeten. Kufi war der erste bedeutende Stil der arabischen Schrift, der für das Kopieren des Korans üblich war. Ihr Name erhielt sie nach der Stadt Kufa im Irak.98 6.4.1 Kufi Aufgrund ihrer Beeinflussung durch die Monumentalschrift ist die typische Kufi eher eckig aufgebaut und wird wie alle semitischen Schriften von rechts nach links geschrieben und hatte vorwiegend den Anspruch auf Ästhetik als auf Grammatik und Simplizität. So kann z.B. jeder der 28 Konsonanten aufgrund seiner Position innerhalb des Wortes das Aussehen ändern. Ihr Schriftbild fällt insbesondere durch den kurzen vertikalen und langen horizontalen Duktus, die Linienführung, auf.99 Erst im Laufe der Zeit kamen die diakritischen* Zeichen, welche in rot, grün oder Gold gezeichnet wurden, dazu.100 In der zweiten Hälfte des 8. Jahrhundert erreichte die Kufi-Schrift den Höhepunkt ihrer Vollkommenheit, wobei sie sich dem puristischen* Umfeld in ihrer strengen Form anpasste. Diese streng geometrische Kufi-Schrift wurde von den Kalligraphen für unzählige Variationen von „Allah“ und „Mohammed“ verwendet. Im Laufe der Zeit bis ins 12. Jahrhundert rückte zunehmend der ornamentale Aspekt in den Vordergrund. Neue geometrische Formen entwickelten sich und zunehmende Kombinationsmöglichkeiten von Verzierungen standen zur Weiterentwicklung Verfügung. dieses Aus der Schrifttyps entwickelten sich dann zwei verschiedene Schriftarten – die sogenannte westliche und Abb.: 9 Koranausschnitt in östlicher Kufi östliche Kufi. Das östliche Kufi in eleganter Form zeichnete sich durch ihre senkrechten Oberlängen und ihrer betont schrägen Richtung aus und verschaffte so dem Schriftbild eine lebhafte und dynamische Note. Es wird bis heute 98 Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 34ff., 58ff.; Schimmel (1992), 3-20, 50. Für weiterführende Informationen zu den verschiedenen Schriftarten vergleiche Gosciniak (1991), 28ff. 100 Zu den 28 Buchstaben des arabischen Alphabetes kann auch noch das Lam-Alif gezählt werden. Dies ist ein zusammengesetzter Buchstabe aus dem Lam ( ) دund dem Alif ( ) ا, der durch seine grosse Vielzahl an Variationen und Formen in der Kufi-Schrift eine ästhetisch sehr wichtige Rolle einnimmt. Vgl. Massoudy (1981), 114. Vgl. Gorsciniak (1991), 28ff.; Schimmel (1992), 3-20, 50. 99 - 28 - vorwiegend für Überschriften der einzelnen Koranabschnitte verwendet. Im Gegensatz zu diesem archaischen Stil steht das westliche Kufi, welches die vertikale Grundlinie durchbrach, kursive Form annahm und die scharfen Ecken der östlichen abrundete. Neue, noch mehr vereinfachte Kufi-Schriftformen fanden ihren Eingang in der Architektur schon im frühen Mittelalter, da die rechteckigen Backsteine und Ziegel einen idealen Untergrund für dieses Schriftbild formten. Seit dem 13. Jahrhundert ist die Kufi-Schrift nicht mehr sehr gebräuchlich und wird heutzutage meist nur noch in seiner rechteckigen Form für dekorative Inschriften und Koranüberschriften benutzt. Für moderne, kalligraphische Malerei ist Kufi aber immer noch eine sehr beliebte Grundlage.101 Wie bereits erwähnt, wurde die Kufi-Schrift hauptsächlich für das Kopieren des Korans, für religiöse Inschriften und allgemein wichtige Texte verwendet. Jedoch war sie wegen der vielen Kanten auch gut geeignet für Inschriften auf Stein, Holz, Keramik oder metallischen Gegenständen, wie z.B. Münzen. Die genau vorgegebenen Formen, welche für das Kopieren des Korans zwingend waren, erlebten auf Holz und Keramik eine ausserordentliche Flexibilität. So wurden z.B. die langen Vertikalen noch zusätzlich verlängert und endeten in ornamentalen Blütenranken oder es wurden die Zwischenräume zwischen hohen Buchstaben mit üppigen Dekorationen ausgeschmückt. Die Grösse der Lettern bzw. des Korans kann variieren. Jedoch sind die meisten Exemplare gross, da der Prophet Mohammed einst gesagt haben soll, dass die Lettern ausgedehnt niedergeschrieben werden sollten, um die vollkommene Majestät des Wort Gottes ausdrücken zu können. Trotzdem sind ausnehmend kleine Ausgaben vorhanden, die vermutlich den gelehrten Reisenden gedient hatten. Die ersten in Kufi geschriebenen Korane beinhalteten meist nur drei bis fünf Zeilen auf einer Seite, was zu sehr umfangreichen Werken führte, da der Koran 114 Kapitel beinhaltet. Aus diesem Grund unterteilte man ihn in dreissig Teile – für jeden Tag im Monat jeweils einen. Zu ihrer Aufbewahrung wurden mit Inschriften verzierte Holz- und Metallkisten angefertigt.102 101 102 Vgl. Gorsciniak (1991), 28ff.; Schimmel (1992), 3-20, 50. Vgl. Fussnote 101. - 29 - 6.4.2 Weitere Schriftstile Neben der Kufi-Schrift bestehen, abgesehen von den unzähligen Variationen und Schulen, noch vier andere Hauptstile der arabischen Kalligraphie.103 Die einfach und flüssig schreibbare, kursive "askhi-Schrift (auch "eschi oder "eskhi genannt), die häufig für die Überschrift von Suren* und für architektonische Arabesken* verwendet wurde, im 10/11. Jahrhundert die KufiSchrift verdrängte und die Grundlage für das heutzutage gebräuchliche Schrift-Arabisch bildet104; die elegante Ta’liq-Schrift, welche eine Weiterentwicklung der "askhi-Schrift darstellte und vorwiegend für profane Texte und Dichtkunst verwendet wurde; der im westislamischen Raum aufgekommene maghrebinisch-andalusische Stil, der sich aus dem archaischen Kufi entwickelt hatte und beeinflusst wurde durch die Vermischung der andalusischen und nordafrikanischen Stile; und zuletzt noch die Zoomorphe Schrift*, bei der Bilder aus kalligraphischen Schriftelementen – mit Hilfe aller Schrifttypen – gezeichnet und dadurch im bilderfeindlichen Islam gekonnt „lebendige“ Lettern integriert wurden. Allerdings ist es trotzdem verboten, solche verspielten Werke in Moscheen als anzubringen.105 Ausschmückung Dazu dienten ausschliesslich die bereits erwähnten geometrischen Schriftbilder, die auf ornamentale Weise „Allah“ und „Mohammed“ darstellen.106 Die Abb.: 10 Tughra des Sultans Süleyman der Grosse verschiedenen unterscheiden sich Stilrichtungen schon in kleinsten Rundungen. So ist z.B. der Punkt, der als Masseinheit der Proportionen, als diakritisches Zeichen*, als Zahl “eins“ oder auch als Interpunktionszeichen verwendet wird, in der "eskhi als Quadrat geschrieben, in der 103 Es muss jedoch beachtet werden, dass andere Quellen andere Einteilungen bevorzugen. So werden oftmals auch die Thoulthi-, die Riqa- und die Diwani-Schrift genannt. Es bildeten sich allmählich neue Style heraus wie z.B. der moderne Kufi-Stil oder der moderne Naskhi-Stil. Je nach Zweck und Region wird der eine oder andere Stil bevorzugt. Vgl. Massoudy (1981), 59-69. Für weiterführende Informationen zu den jeweiligen Schriftstilen vergleiche Khatibi/Sijelmassi (1996), 77-89, 96-99 und James (1988), 15. 104 Vgl. Brockhaus (2005), 3434. 105 Diese Abneigung im Islam Abbildungen gegenüber ist stark verankert, obwohl im Koran kein Verbot darüber existiert. Vgl. Massoudy (1981), 118. 106 Vgl. Gosciniak (1991), 28ff.; Massoudy (1981), 85; Schimmel (1992), 3-20, 50. - 30 - Kufi-Schrift jedoch rund. 107 Der Kalligraph versucht in seinen Kompositionen oder Schriften möglichst ein Gleichgewicht zwischen gefüllten und leeren Flächen zu bilden.108 Dabei stellt der Punkt in seiner Funktion als Verzierung ein wichtiges Hilfsmittel dar.109 Eine spezielle Komposition stellt die Tughra dar – ursprünglich die Unterschrift des Sultans, die vergleichbar mit einem Siegelabdruck ist. Die Grundstruktur aller Tughras bleibt gleich, während der Text, also der jeweilige Namen des Sultans ändert. So ähneln sich diese Signaturen stark und man kann oftmals erst beim ‚Entfalten’ der einzelnen Buchstaben die Unterschiede sehen. Der Text einer Tughra setzt sich aus dem Titel ‚Mahmud el-muzaffer daima’, was soviel bedeutet wie der ‚ewig siegreiche Khan’, sowie aus dem Namen des jeweiligen Sultans zusammen.110 Im Schriftbild nehmen Metrik und Geometrie einen hohen Stellenwert ein, was der Schrift zusätzlich einen ornamentalen Charakter verleiht. Durch Wiederholungen, unterschiedliche Anordnungen und Dehnungen kann im Schriftbild ein „musikalischer Rhythmus“111 erzeugt werden. Dehnungen beispielsweise bewirken Ruhe und Stille – Kontraktionen vermitteln Bewegung, stören die Ruhe. 112 Ohnehin wird die islamische Kalligraphie oftmals mit der Musik verglichen. Beide haben ihre festen Regeln, Systeme und präzisen Methoden und lassen dennoch dem Künstler Raum für eigene Kreativität. Bei beiden Künsten ist jedoch mehr als nur die Beherrschung dieser Grundlagen erforderlich. Sowohl ein Kalligraph als auch ein Musiker muss über eine gewisse Individualität und Genialität verfügen. 113 6.5 Der Schreiber und seine Werkzeuge Man vermutet, dass der soziale Status der einfachen Kopisten, die abschrieben ohne dem Anspruch des Verstehens gerecht zu werden, niedrig war. Jedoch ist anzunehmen, dass die Anerkennung grosser Kalligraphie-Meister in der Gesellschaft hoch war, ihre Arbeit als hochqualifiziert galt und sie gut bezahlt waren. Dieser Beruf war aufgrund der über Jahrhunderte kontinuierlichen, grossen Nachfrage an Büchern ziemlich beliebt, verlangte jedoch auch einige Eigenschaften, die der Schreiber beherrschen musste. Dazu zählte Bildung, Schnelligkeit, fehlerfreies Abschreiben und eine deutliche, sorgfältige Handschrift, die eine 107 Vgl. Massoudy (1981), 42, 44. Vgl. Massoudy (1981), 94. 109 Vgl. Fussnote 106. 110 Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 53ff. ; Carboni (1995), 86; Massoudy (1981), 24ff.; Schimmel (1992), 3-20, 50. 111 „un rythme musical“. Zit. nach Massoudy (1981), 85. 112 Vgl. Gosciniak (1991), 28ff.; Massoudy (1981), 85; Schimmel (1992), 3-20, 50. 113 Vgl. James (1988), 15. 108 - 31 - leichte Lesbarkeit ermöglichte. In späteren Zeiten gehörte es zur guten Erziehung eines noblen Herren, in der Kunst der Kalligraphie ausgebildet zu werden – in gewissen Familien kam dieses Privileg sogar den Damen zu.114 Die Schreiber arbeiteten gewöhnlich in Hof- oder Staatsbibliotheken, wo sie neben Koranabschriften auch weltliche Texte verfassten. Schreibstuben, wie sie in europäischen mittelalterlichen Klöstern üblich waren, kannte man in den Moscheen und Medresen* nicht.115 Als Beschreibstoffe dienten zu Beginn Pergament und Papyrus, welche jedoch im 10.-11. Jahrhundert durch das Papier verdrängt wurden. Das Papier wurde aus feinsten Fasern wie z.B. Baumwolle oder Seide hergestellt und anschliessend mit einem glatten Stein (Achat oder Jade) poliert.116 Zum Schreiben wurde und wird heute noch eine Rohrfeder mit gespreizter Spitze, die sogenannte qualam oder Kalem – vom griechischen kalamos (καλαµοσ, dt. Halm) – benutzt. Sie wird auch als mizbar ‚Schreibwerkzeug’ bezeichnet und geniesst eine hohe Wertschätzung ein. Es sind unzählige, detaillierte Abhandlungen über den korrekten Umgang und die Geheimnisse des richtigen Gebrauchs der Kalem vorhanden.117 Diese Feder wird unmittelbar vor der Anwendung schräg zugespitzt und mit einem kleinen Einschnitt versehen, damit ein regelmässiger Tintenfluss entsteht.118 Neben der Schilfrohrfeder werden heutzutage auch Metallfedern benutzt, obgleich diese in ihren Anwendungsmöglichkeiten eingeschränkter sind. Des Weiteren ist das Tintenfass bzw. ein längliches Kästchen mit dem ganzen Tintenzubehör, das dawāt, in der Feder und Tinte aufbewahrt werden, ein wichtiges Schreibutensil. Eine grosse Vielfalt an Tinten steht zur Verfügung, welche sich je nach Herkunft, Schwärze bzw. Farbe und Glanz unterscheiden, wobei jede mit grosser Sorgfalt, meist vom Kalligraphen persönlich, zubereitet wird.119 Die Tintensorten – hergestellt nach einer Vielzahl überlieferter, geheimer Rezepte – können grob in zwei Gruppen unterteilt werden. Zum einen in die eisenhaltigen Nusstinten, welche sich im Laufe der Zeit von Blauschwarz in Rotbraun verfärben und zum anderen die Tinten aus Russ, bei welchen die tiefschwarze Farbe unverändert erhalten bleibt und der Tusche sehr ähnelt. Seltener sind auch noch Tinten in verschiedenen Farbtönen (rote, gelbe, blaue und violette) gebräuchlich, doch im Allgemeinen wurden die Schriften mit braun oder schwarz gefärbter Tinte geschrieben.120 114 Früher nahm der Sultan stets seinen persönlichen Kalligraphen und Maler in seine Schlachten mit, der seinen Namen unsterblich machen sollte. Der Kalligraph des im Kampf besiegten Gegners stand nach der Schlacht dem Sieger zu. Vgl. Massoudy (1981), 153. 115 Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 34ff., 50; Schimmel (1992), 3-20, 50. 116 Vgl. James (1988), 17. 117 Vgl. Rodari (1988), 47. 118 Für weiterführende Informationen zur Feder und ihrer Herstellung vergleiche Massoudy (1981), 14-21. 119 Für weiterführende Informationen zu der Vielfalt der Tintesorten vergleiche Massoudy (1981), 28ff. 120 Für weiterführende dazu Informationen zum Schreibmaterial vergleiche Akimuschkin et all. (1995), 53ff.; Carboni (1995), 86. - 32 - Überdimensionierte Buchstaben werden mit Hilfe zweier Bleistifte, die an zwei Seiten eines Holzstücks befestigt werden, vorgeschrieben und anschliessend mit Pinsel und Tinte ausgefüllt.121 Als Vorbereitung des Schreibprozesses wird das Blatt anfangs mit einem klebrigen Präparat bestrichen, in einen Teesud eingetaucht und anschliessend mit einer Schutzschicht überzogen. Nachdem das Blatt trocken ist, wird es mit einem Feuerstein glattpoliert bis die Oberfläche seidenweich ist, liniert und schliesslich kann es beschriftet werden.122 Beim Verfassen der Kufi-Schrift muss der Kalligraph genauen Schreib-Vorgaben gerecht werden, was eine lange und schwierige Ausbildung voraussetzt. Eine grosse Bedeutung für eine schöne Schrift kommt dabei der Schreibhaltung zu. Auf dem Boden sitzend, kommt dabei die linke Hand mit dem zu beschreibenden Papier auf dem linken Knie zu liegen, während mit der rechten Hand geschrieben wird. Dadurch kann die Schrift abgerundet werden, da das Knie eine leicht nachgiebige Unterlage darstellt. Seltener wird auch auf einem niedrigen Tisch, am Boden sitzend geschrieben. Heutzutage haben einige Kalligraphen die Angewohnheit angenommen auf einem Stuhl am Tisch sitzend Kalligraphien zu verfassen. Die richtige Position der Hand ist Voraussetzung für ein gutes kalligraphisches Werk. Die Feder sollte nur mit drei Fingern fest und trotzdem biegsam, gelenkig gehalten werden. Der kleine Finger und der Aussenrist des Handgelenkes stützen sich leicht ab, wodurch sie der Hand Halt geben können. Während des Akts des Kalligraphierens sollte sich der Künstler mit dem Blick auf die Federspitze, mit dem Geist jedoch auf den Inhalt konzentrieren. Um sich auf die Schreibutensilien einzustimmen, zur Lockerung der Hand und zur geistigen Vorbereitung verfasst der Kalligraph zu Beginn einige Übungsarbeiten welche ihn in einen ruhigen, jedoch trotzdem sehr wachsamen Zustand versetzen sollen. Einige Kalligraphen unterbrechen ihre Arbeit mit dem Satz: „Je n’arrive pas à trouver mon Alif“123, wenn sie bei den Übungen nicht in die richtige Stimmungslage kommen oder sich im Umfeld nicht wohlfühlen und somit nicht die angestrebte Perfektion ihrer Arbeiten erreichen können. Das „Schöne Schreiben“ bedeutet für den Kalligraphen höchste Konzentration.124 Um die angestrebte Eleganz, Geschmeidigkeit und Kraft im Ausdruck zu erlangen und die Bewegung seiner Hand nicht zu stören, hält er den Atem an, mit dem Ziel, den Buchstaben in aller Freiheit 121 Vgl. Massoudy (1981), 22f. Vgl. Ghata (2007), 16. Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 53ff. ; Carboni (1995), 86; Schimmel (1992), 3-20, 50. 123 „Mir gelingt es nicht meinen Alif zu finden“, Alif ( =) اerster Buchstabe des arabischen Alphabets und Darstellung des Menschen. Zit aus Massoudy (1981), 27. 124 Vgl. Massoudy (1981), 55. 122 - 33 - atmen zu lassen. „[...] le calligraphe traditionnel imagine sa lettre d’origine divine et la veut parfaite.“125 Nach einer langen Zeit intensiven Studiums aller zur Kalligraphie gehörigen Künste wurde dem Schüler schließlich erlaubt, sein Werk zu signieren. Die ijāza (die Befugnis zu unterschreiben) entspricht sozusagen einem akademischen Titel.126 6.6 Schrift und Ornament Allgemein stehen dem Kalligraphen beim Verfassen von arabisch-islamischen Schriften viele Möglichkeiten für Verzierungen zur Verfügung. Um dem Schriftbild einen ornamentalen Charakter zu verleihen, können beispielsweise die Buchstaben verschieden gross geschrieben werden, speziell angeordnet sein oder sie können unterschiedlich stark in die Länge gezogen werden – je nach Tempo des Schreibflusses. Auch kann der Kalligraph teilweise zwischen unterschiedlichen Schreibformen für denselben Buchstaben wählen oder kleine Zeichen oder Akzente hinzufügen, um den Anspruch des angestrebten Schriftbilds erfüllen zu können.127 Beim Erstellen von Kompositionen verfasst der Kalligraph zunächst eine Grundstruktur, die er erst anschliessend mit diakritischen Zeichen*, Akzenten und ornamentalen Punkten ausschmückt.128 Die Kalligraphie an sich kann ornamental ausgeführt werden oder Kalligraphie und Ornament verbinden sich, wobei der Schriftinhalt sekundär wird. Bei diesen Verzierungen wird unterschieden in einerseits Pflanzen- und Tierornamente und andererseits in geometrische Muster, wobei zu den jeweiligen Ornamentierungen verschiedene, passende Schriften verwendet werden.129 Die Kufi-Schrift ergänzt ideal geometrische Ornamente, während für die pflanzlichen Dekorationen die Thoulthi –Schrift beigezogen wird.130 In Büchern wird nicht nur das Titelblatt oft reich verziert, sondern zum Teil auch die Kapitelüberschriften. Dazu dienen u.a. zum einen farbige Tinten, flüssiges Gold und Silber und zum anderen geometrische Muster oder auch vereinfachte Pflanzen- oder Tierornamente, sogenannte Arabesken. Diese Verzierungen wurden im frühen Mittelalter jedoch noch sehr bescheiden gehalten und kamen erst im Laufe der Zeit auf.131 125 „[...] der traditionelle Kalligraph stellt sich sein Zeichen in seinem göttlichen Ursprung vor und möchte es perfekt [wiedergeben]“. Zit. aus Massoudy (1981), 55. 126 Vgl. Fussnote 110. 127 Vgl. Massoudy (1981), 72. 128 Vgl. Massoudy (1981), 78. 129 Vgl. Massoudy (1981), 106. 130 Für weiterführende Informationen zur Geometrie und den Proportionen in der Kalligraphie vergleiche Khatibi/Sijelmassi (1996), 46-51). 131 Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 66. - 34 - Obwohl üblicherweise Texte mit Farben, Gold und Illustrationen verziert wurden, waren der Text an sich und die Schönheit der Schrift, der Kalligraphie das Wesentliche.132 Die Illustrationen und Miniaturen* spielten eine zweitrangige Rolle als visuelle Erläuterungen und hatten auf den Wert des Manuskriptes nur wenig Einfluss. „Als schönster Schmuck eines handgeschriebenen Buches galt die Schrift selbst, deren gekonnter Ausführung man grosse Bedeutung beimass.“133 Abb.: 11 Basmallah in Form eines Löwen Bei einer weiteren Art der Dekoration, die vor allem bei den Sufis* beliebt ist, werden die Buchstaben wie in einem Spiegel angeordnet – die Schriftzeichen auf der linken Seite des Bildes sind die Spiegelung der Buchstaben der rechten Seite. Der Inhalt dieser Werke sind religiöse Texte und haben meist einen sehr ausgeglichenen und ruhigen Ausdruck. Sie werden erstellt um die Wände der Gebäude der Sufis zu zieren.134 132 Vgl. Carboni (1995), 86. zit. aus Akimuschkin et all. (1995), 58. Vgl. Akimuschkin et all. (1995), 34ff., 53ff.; Carboni (1995), 86; Schimmel (1992), 3-20, 50. 134 Vgl. Massoudy (1981), 132. Vgl. Gosciniak (1991), 28ff.; Massoudy (1981), 85; Schimmel (1992), 3-20, 50. 133 - 35 - 6.7 Islamische Kalligraphie heute Bis auf den heutigen Tag spielt die Kalligraphie im islamischen Raum eine grosse Rolle. Sie ist überall präsent – kein Gebäude, sei es Café, Geschäft oder Werkstatt ist nicht geschmückt mit Kalligraphien, die einen religiösen Text, den Namen eines Heiligen oder ein Sprichwort zum Inhalt haben. Wertvolle Unikate bekannter Meister werden billige Massenware, sind schlecht gedruckt und für wenig Geld erhältlich. Die Werke traditioneller Kalligraphen spielen heutzutage jedoch nur noch eine marginale Rolle. Diese Kunst wird je länger je mehr vom Buchdruck verdrängt, der gewisse Schriftstile wie z.B. "askhi und Kufi ziemlich gut imitieren kann, wobei „la beauté et la souplesse“135 dabei verloren gehen. Für Auswanderer kann das Ausüben von islamischen Kalligraphien auch einen „Weg zurück zum kulturellen Erbe“ bedeuten, als „Brückenschlag zwischen West und Ost“.136 Die islamische Kalligraphie bringt heutzutage auch die verschiedenen Kulturen näher. Sie verbindet nichtmuslimische Kalligraphie-Interessierte mit muslimischen Kalligraphen und kann somit zu Kulturkontakt führen.137 135 „die Schönheit und die Geschmeidigkeit“. Zit. nach Massoudy (1981), 162. Zit. nach NZZ, 27.05.2008, „Mit Schilfrohrfeder und Computer“. 137 Vgl. NZZ, 27.05.2008, „Mit Schilfrohrfeder und Computer“. Vgl. Massoudy (1981), 153, 162. 136 - 36 - 7 Die Buddhistische Buddhistische Kalligraphie Wie bereits erwähnt gibt es auch im Buddhismus bzw. in der buddhistisch geprägten Kultur eine grosse Vielzahl verschiedener Schriften bzw. Kalligraphien. Deswegen wird in diesem Kapitel die Zen-Kalligraphie exemplarisch für die übrigen vorgestellt.138 7.1 Schriftgeschichte Die Schrift nahm schon bei den Konfuzianern* einen hohen Stellenwert ein und die Schreibkunst war mit einem hohen sozialen Status verbunden. Seit dem 2. Jahrhundert p.c. entwickelten sich Schrift und Schreibtechnik zügig weiter und zur selben Zeit wurden sie auch von taoistischen* Einflüssen geprägt. Das Lese- und Schreibvermögen blieb bis zur Tang-Zeit (618- 907 p.c.) hin in Asien ein Privileg der Elite. In diesen Kreisen war die Beherrschung der Kunst der Kalligraphie sehr angesehen. Zu dieser Zeit war die Kalligraphie kaum trennbar von der alltäglichen Schreibkunst, denn jede schriftliche Niederlegung wurde so ästhetisch und kunstvoll wie möglich verfasst. Auch der Inhalt wurde sehr sorgfältig ausgewählt oder kurz gesagt, die literarischen Abfassungen waren Kunstwerke.139 Die ursprünglich chinesische Kalligraphie, die im 14./15. Jahrhundert von der japanischen Kultur übernommen wurde und Shodô (‚schodō’) genannt wurde, bildete die Grundlage für die Zen-Kalligraphie.140 Shodô bedeutet übersetzt ‚Weg der Schrift’ und dadurch ist angedeutet, dass in der japanischen Kalligraphie der Lernprozess, die innere Ausrichtung und die Konzentration im Vordergrund stehen und nicht das eigentliche Resultat. Auch ist nicht in erster Linie die Schönheit, das Regelmässige und das Dekorative wichtig, sondern Shodô kann vielmehr als ‚Kunst der Pinselstriche und ihre Verteilung in der Fläche’ verstanden und als „Grundlage und Ausdruck einer abstrakten Kunstform“141 gesehen werden und wird heutzutage gleichrangig mit der Kunstmalerei gestellt.142 138 Neben der Zen-Kalligraphie gibt es im asiatischen Raum weitere Traditionen, die mit der Schrift und der Religion in enger Verbindung stehen, z.B. Shakyō (‚Schakiō’), das Kopieren der Sutren. Vgl. (1981), 97; auch für weiterführende Informationen zu Shakyō. 139 Vgl. Sakamoto (1998), 14f., 27; Stevens (1981), 134ff. 140 Für weiterführende Informationen zur Schriftentwicklung in China und Japan vergleiche Klopfenstein (1992), 7ff. 141 zit. nach Klopfenstein (1992), 8. 142 Für weiterführende Informationen vergleiche auch Kunze (1992), 281. - 37 - Eine gute kalligraphische Arbeit zeichnet sich aus durch Gleichgewicht, Harmonie, Ausdruckskraft und Lebhaftigkeit. Über die Zeit hinweg trennte sich die alltägliche Schrift vom Shodô je länger je mehr, wobei sich eigene, dem Zweck entsprechende Schriften herausbildeten. 143 Als schliesslich die Schrift einer breiteren Schicht zugänglich war, bildete sich daraus eine Bildungselite, welche die Schriftkunst bis zum 19. Jahrhundert stark beeinflusste. Parallel dazu bildete sich eine Traditionslinie von Künstlern, die eine unkonventionelle Schreibweise pflegten, welche eine „Wilde, Magische, Naturverbundene“144 Note hatte. Auch die ZenKalligraphie liess sich davon beeinflussen. 145 Auch heute noch ist die Kunst der Kalligraphie im asiatischen Raum ziemlich weit verbreitet. Sie bringt einen „meditativen Zug ins Leben“ und ermöglicht „ein Gegengewicht gegen die einseitig auf materiellen Nutzen und schnelle Ergebnisse ausgerichtete Wertvorstellungen der modernen Leistungsgesellschaft“.146 Viele der zeitgenössischen Kalligraphen haben neben der Schreibkunst auch Literatur, Philosophie und Kunstgeschichte studiert, was die enge Verbundenheit dieser Gattungen aufzeigt. Shodô wird nicht nur von beruflichen Meistern oder Hobbykalligraphen ausgeführt, sondern auch von Mönchen in Klöstern, wo sie, wie die Berufs- und Hobbykalligraphen an ‚Kalligraphie-Wettbewerben’ teilnehmen. Dabei ist jedoch nicht der äussere Erfolg das Ziel des Mönches, sondern das Training in Konzentration und Meditation und die schlichte Freude an der Sprache und Schriftkunst. Die Rolle, welche die japanische Schriftkunst in ihrer Kultur heutzutage noch innehat, ist bemerkenswert. Nahezu jede Familie hat als Einrichtungsgegenstand eine kalligraphische Arbeit in Form einer Bilderrolle oder einer Schriftrolle.147 Von allen traditionell japanischen Künsten148 kommt der Kalligraphie die grösste Bedeutung zu.149 Kalligraphie, als Zusammenspiel von Schreibkunst und Wortwahl ist „Training für Körper und Geist gleichermassen“150. 143 Vgl. Chang/Miller (1990), 33. Vgl. Stevens (1981), 134ff.; Klopfenstein (1992), 7ff. 144 zit. nach Klopfenstein (1992), 8. 145 Vgl. Fussnote 139. 146 beide zit. nach Klopfenstein (1992), 9. 147 Die bis heute erhaltenen kalligraphischen Werke sind oftmals solche Schriftrollen, genannt Kakejiku, die in der Teezeremonie eine zentrale Bedeutung einnahmen und immer noch einnehmen. Vgl. Stevens (1981), 173. 148 Vergleiche dazu die Fussnote 156. 149 Shodô, die teilweise auch als Volkskunst angesehen wird, ist sogar oftmals in den Schulen als Freifach angeboten. Für weiterführende Informationen zur enormen Gewichtung der Kalligraphie im heutigen Japan vergleiche Sakamoto (1998), 14. Vgl. Stevens (1981), 134ff.; Klopfenstein (1992), 7ff. ; Sakamoto (1998), 14f. 27. 150 Zit. nach Sakamoto (1998), 27 - 38 - 7.2 ZenZen-Kalligraphie (Zensho) 7.2.1 ZenZen-Buddhismus Der Zen-Buddhismus 151 ist eine im 6. Jahrhundert in China entstandene Schulrichtung des Mahayana152-Buddhismus, die stark vom Daoismus153 beeinflusst war. Begründer dieser Schule ist Bodhidharma154. Im 13. Jahrhundert gelangte Zen nach Japan, wo es eine neue Ausprägung erhielt. Der Kern der religiösen Praxis des Zen ist das Zazen155, eine Sitzmeditation bzw. sitzende Kontemplation, die Körper und Geist zur Ruhe bringen soll. Deshalb wird der ZenBuddhismus auch oftmals als Meditations-Buddhismus bezeichnet. Zazen möchte hauptsächlich die „Versenkung“, das Leben in der vollständigen „Hingabe an die Wahrheit“ erreichen, wobei jeder Zen-Schüler durch einen Zen-Meister unterstützt, angeleitet, zurechtgewiesen und körperlich gezüchtigt wird. Die Lebenspraxis und die Weisheiten standen in einer wechselseitigen Beziehung zu verschiedenen Kunstarten, unter anderem auch zur Kalligraphie.156 „Es [der Zen-Buddhismus, Anm. I.Z.] ist der Versuch, auf dem Weg der Selbsterfahrung zum Selbstverständnis und zu einem tieferen Verständnis aller Dinge zu kommen.“157 Abb.: 12 Zeichen der Zen-Kalligraphie: Enso jap., Umschrift von Sanskrit Dyāna „meditative Versenkung“. Mahayana: (Sanskrit: grosses Fahrzeug) Der Buddhismus darf grob, wenn auch nicht vollständig in folgende drei Hauptrichtungen eingeteilt werden, welche sich mit der Zeit herausgebildet haben: „Hinayana“ (das kleine Fahrzeug), „Mahayana“ (das grosse Fahrzeug), „Vajrayana“ (das diamantene Fahrzeug). Vgl. Brockhaus (2005), 3821; Trutwin (1998), 77. 153 Daoismus (Taoismus): „philosoph. Lehre und Religion in China. Der philosoph. D. ist eine im 4. und 3. Jh. v.Chr. entstandene Richtung der chines. Philosophie, [...]. Der religiöse D., eine weit in vorchristl. Zeit zurückreichende Religionsform mit Göttern und Geistern, Exorzismus und Wahrsagerei, besass spätestens seit dem 2. Jh. n.Chr. feste Kulturformen, Gemeinden und Mönchswesen, oft in Wettbewerb mit dem gleichzeitig aufkommenden Buddhismus.“ Zit. aus Brockhaus (2005), Band 2, 1089. 154 Bodhidharma (jap. Daruma): (ca. 470 – 543), indischer buddhistischer Mönchsgelehrter. Vgl. Brockhaus (2005), Band 1, 668. 155 Zazen: jap: za = sitzen; zen = Ausgleich von Körper und Geist, Wirklichkeit und Wahrheit; Sitzende Position mit verschränkten Beinen. Vgl. Brockhaus (2005), 7234,7254. 156 weitere bekannte Bsp.: Bühnenkunst (Nō), Blumensteckkunst (Ikebana), Dichtkunst (Haiku), paradoxe Fragen (Koan), Kampfsportarten oder Bogenschiessen (Kyudō). Vgl. Brockhaus (2005), 7254. 157 Zit. aus Trutwin (1998), 95. Vgl. Brockhaus (2005), Band 10, 7234, 7254. 151 152 - 39 - 7.2.2 Zensho/Bokuseki Zen-Kalligraphie, „Bokuseki“ umfasst 158 im Kalligraphie oder auch üblicherweise oder moderner „Zensho“ genannt, Allgemeinen hauptsächlich die mittelalterlicher chinesischer und japanischer Zen-Priester. Zensho kann in verschiedene Teilbereiche klassifiziert werden, welche ein ZenMeister durch seine religiöse Ausbildung beherrschen lernte. Wichtig ist jedoch, dass man im Zen-Geist schreibt, denn dies ist die Voraussetzung für Zensho. Ein Ziel des Zensho ist die Erleuchtung durch die kalligraphische Praxis, welche jedoch nur sehr schwierig zu erlangen ist und nur durch mehrere Jahre langes physisches und spirituelles Üben. An der Fliessbewegung der Tinte erkennt man den Charakter und die Persönlichkeit des Kalligraphen und in welchem Ausmass er erleuchtet ist.159 In der vollständigen Erleuchtung „zerstört die Einheit von Kalligraphen, Pinsel, Tinte, und Papier alle relativen Dimensionen“160. Zen-Kalligraphie wird als Gemälde des Geistes verstanden; die Zen-Zeichen sind 161 lebendig. Die Geschichte der Zen-Kalligraphie ist gewiss verwandt mit der Entstehungsgeschichte des ZenBuddhismus, jedoch kann man annehmen, dass die Zen-Kalligraphie vor der Zen-Schule entstand. 520 p.c. gründete Bodhidharma in China eine buddhistische Schule für Meditation. Jedoch lebte z.B. der grosse Zen-Kalligraph Wang Xizhi ungefähr 200 Jahre vor Bodhidharma.162 Demnach ist es nicht zwingend, dass man dem Zen-Buddhismus angehören muss, um Zen-Kalligraphie ausüben zu können. Auch Abb.: 13 Zen-Kalligraphie 158 „Spuren von Tinte“, zit. nach Stevens (1981), 143 Vgl. Götze (1989), 10. 160 Vgl. Stevens (1981), 147 – „[…]the unity of calligrapher, brush, ink, and paper destroys all relative dimensions.“. 161 Vgl. Stevens (1981), 134ff. 162 Vgl. Brockhaus (1984), Band 24, 280. 159 - 40 - heutzutage gibt es noch manche Zen-Kalligraphen, welche keine Anhänger des ZenBuddhismus sind. Doch im Normalfall wird Zensho von Zen-Mönchen in China und Japan in Dōjōs (‚Dōschō’) 163 ausgeführt. Von den ersten Kalligraphen sind keine schriftlichen Zeugnisse vorhanden. 164 7.2.3 Die vier Schätze des Gelehrten – Pinsel, Tusche, Reibstein, Papier 165 Die Schreibutensilien sind die notwendige Hilfe, die ein asiatischer Kalligraph zum Verfassen seiner Kunstwerke braucht. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Beschaffenheiten können diese Materialien grossen Wert besitzen. Beispielsweise sind handgefertigte Exemplare eines Meisters oft äusserst kostbar.166 Pinsel „Kein Werkzeug ist so flexibel wie der Pinsel“167; ein Grund, der den Pinsel zu einem solch beliebten Schreibutensil macht. Heutzutage werden Pinsel aus Haarbüschel von u.a. Schaf, Wiesel, Hase und Dachs hergestellt, wobei die Kombination der Tierhaare für die Qualität des Pinsels massgeblich ist. Dazu werden die Haare hinten zusammengebunden und in Bambus oder Holz eingefasst. Für die Qualität eines guten Pinsels spricht, dass er im feuchten Zustand eine feine Spitze bildet, seine Biegsamkeit, Weichheit, Elastizität und seine Fähigkeit, flüssige Tusche aufzunehmen und wieder abzugeben. Damit Kalligraphen gewünschte Variationen ihrer Arbeiten erreichen können, besitzen sie eine Vielfalt an verschiedenen Pinselarten mit unterschiedlicher Grösse, Feinheit und Geschmeidigkeit.168 Tusche Aus dem Russ von verbranntem, harzreichem Kieferholz wird Tusche hergestellt, in Brikettformen gegossen, getrocknet und mehrere Jahre im Dunkeln gelagert. Auch bei der Tusche ist die Qualität wichtig, welche sich hauptsächlich durch die richtige Lagerdauer im Dunkeln auszeichnet. Die asiatischen Meister benutzen für ihre Arbeit sogenannte Tuschebriketts und nicht etwa flüssige Tusche, wie sie im Westen bekannt ist. Briketts sind im 163 Dōjō (jap. Do = Weg; Jo = (heiliger) Ort); Unter Dōjō versteht man dementsprechend den Ort, an dem man den Weg zur Weisheit übt bzw. erlernt. Dōjō werden z.B. die Buddhistischen Klöster , Kampfsportartschulen oder auch einfach Stätten der Meditation genannt. Vgl. http://www.chi-dojo.de/html/glossar.html, (04.01.09). 164 Vgl. Stevens (1981), 134ff.; Klopfenstein (1992), 7ff.; Sakamoto (1998), 14f. 27. 165 Werden auch „Die vier Schätze des Studienzimmers“ genannt. Vgl. Klopfenstein (1992), 56ff. 166 Für genauere Angaben und Geschichtliche Hintergründe des jeweiligen Materiels vergleiche Klopfenstein (1992), 56ff. Vgl. Klopfenstein (1992), 56ff.; Sakamoto (1998), 10f. 167 zit. aus Pott (2005), 19. 168 Vgl. Klopfenstein (1992), 56ff.; Sakamoto (1998), 10f. - 41 - Vergleich zu flüssiger Tusche einiges hochwertiger und können nach Belieben des Kalligraphen angerieben werden. Der Kalligraph kann durch die Menge der aufgenommenen Tusche unglaublich viele Nuancen der Farbe Schwarz erzeugen.169 Reibstein Der rechteckige oder rundliche Reibstein dient als Behälter zur Zubereitung der Tusche. Er ist meist aus Naturstein oder Schiefer hergestellt und umschliesst eine Vertiefung, in der das Tuschebrikett durch Zugabe von Wasser unmittelbar vor der Anwendung angerieben wird. Dies sollte mit ruhiger Hand, möglichst gleichmässig, ausgeübt werden, damit der Geist sich möglichst gut auf die bevorstehende Arbeit einstimmen kann. Diese innere Sammlung ist eine wesentliche Voraussetzung für konzentriertes Schreiben. Oftmals sind diese Reibsteine reichlich verziert und kostbar, da sie das widerstandsfähigste Schreibutensil des Kalligraphen darstellen und nicht mit der Zeit abgenützt werden. Jedoch misst sich der Wert eines Reibsteines auch an seiner Qualität in Bezug auf das Anreibevermögen einer guten Tusche, welche sich durch den idealen Härtegrad und die richtige Rauheit oder Glätte auszeichnet.170 Papier Für kalligraphischen Zwecke wird im asiatischen Raum nur hochwertiges, handgeschöpftes Papier aus Maulbeerbaumrinde als Rohstoffkomponente verwendet. Die Farbe des Papiers sollte neutral oder weisslich sein, damit die Tusche gut zur Geltung kommt. Die Weichheit des Papiers ist bezeichnend für die Saugfähigkeit, welche ziemlich gross sein sollte, damit es den zartesten bis stärksten Pinselstrich aushalten, bzw. auffangen kann.171 Schliesslich ist allerdings entscheidend, dass diese vier Grundmaterialien in idealer Form aufeinander abgestimmt sind bezüglich ihrer Qualität und dem Ziel, das der Kalligraph erreichen möchte. Nur wenn diese Abgleichung vollkommen ist, können gute, den Vorstellungen entsprechende Schriftstücke entstehen. Schreibutensilien mit guter Qualität in Europa zu finden. 169 Vgl. Götzre (1989), 9; Klopfenstein (1992), 56ff.; Sakamoto (1998), 10f. Vgl. Fussnote 168. 171 Vgl. Fussnote 168. 170 - 42 - Allerdings ist es schwierig, 7.2.4 ZenZen-Kalligraphie in der Praxis Der Schreibakt ist in einen Rahmen eingebettet, der genaue Vorschriften beinhaltet, der Schreibeakt selbst hat keine vorgeschriebene Standardprozedur. Folgende Vorgehensweise stellt eine Annäherung des Vorbereitungsaktes dar. Der Kalligraph beginnt seine Arbeit zur geistigen Vorbereitung mit einer Zazen-Meditation. Anschliessend wird eine Hülle zur Abdeckung des Bodens ausgebreitet, ein Stapel alter Zeitungen auf die linke Seite und ein grosses, leeres Blatt vor den Kalligraphen gelegt, welches mit zwei Gewichten an gegenüberliegenden Ecken am Boden befestigt wird. Auf der rechten Seite unten liegt ein Tintenstein und ein grosser Pinsel, rechts oben befindet sich die Kopiervorlage.172 Abb.: 14 Meister der Zen-Kalligraphie Ōmori Rōshi Um die bestmögliche Konzentration zu erlangen, sollte als Körperhaltung die japanische Sitzform, genannt „seiza“, angewendet werden, bei welcher man auf den Fersen sitzt. Eine andere Möglichkeit wäre, am Tisch stehend zu zeichnen; am wenigsten empfohlen wird jedoch am Tisch sitzend Zen-Kalligraphie auszuführen. Sind alle Vorbereitungen getroffen, verbeugt sich der Kalligraph in der Sitzstellung. Anschliessend hebt er den mit Tinte gefüllten Pinsel über den Kopf und spricht die Worte „in the world of mu“173 und atmet tief ein. Darauf folgend zeichnet er in einem Zug einen grossen diagonalen Strich über das Blatt von der linken, unteren Ecke nach rechts oben. Als Alternative 172 Vgl. Stevens (1981), 183ff. „in der Welt des Mu“; mu = dt. nichts, bzw. „Abwesenheit von etwas“. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Mu_Philosophie; (02.01.09). 173 - 43 - kann er zu Beginn das Zeichen „ichi“ schreiben, was „eins“ bedeutet, wobei die Hauptsache dieser Eröffnungsstriche ist, dass sie langsam und bedächtig geschrieben werden, als würde man mit einem schweren Schwert (gemeint ist hier allgemein ein Gewicht) zeichnen. Nach dieser Eröffnung, legt der Kalligraph ein neues Blatt vor sich hin, um mit der eigentlichen Schönschrift beginnen zu können. Der Kalligraph muss genauen Vorgaben zu Pinselstrich, Duktus und zum angestrebten Gleichgewicht innerhalb jedes Zeichens folgen. Die Zeichen sollen in einer rhythmischen Lebendigkeit geschrieben werden, jedes Zeichen – auch wenn es wiederholt wird – sollte Individualität ausdrücken. Ist ein neues Zeichen auf das Blatt gebracht, wird es ausgewechselt, damit nicht mehr als ein Zeichen auf einem Blatt ist, d.h. beim Zensho wird anders als z.B. beim Kopieren der Bibel oder des Korans, nicht ein gesamter Text kopiert, sondern ein in sich vollkommenes, einzelnes Zeichen. Dieses Zeichen muss nicht zwingend verständlich sein174, viel wichtiger dabei ist die ‚Reinheit’, die diese Werke ausdrücken. Abschliessend verbeugt sich der Kalligraph erneut tief, nachdem er beliebig viele Zeichen erschaffen hat. In der Zen-Kalligraphie ist es Tradition, dass die Übungsblätter vernichtet werden, verbrannt oder vergraben.175 Anfänger sollten sich mindestens während drei Jahren mit den Zeichen Ichi und Enso auseinandersetzen. Wie bereits erwähnt bedeutet Ichi „eins“ und ist ein waagrechter „Eröffnungsstrich“. Im Gegensatz dazu steht „Enso“ (jap. Kreis), das Symbol für Unendlichkeit und Endlosigkeit. Ob dieser Kreis rund ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle; es ist ein Zeichen, das Einfachheit und Tiefgang in sich vereint und deshalb häufig als visuelles Symbol für Zen verwendet wird. Einerseits scheint sich der Kalligraph an feste Vorlagen und Regeln beim Schreiben halten zu müssen, andererseits ist jedes Werk vom Ausdruck her derart unterschiedlich, dass dies auf eine ziemlich grosse Freiheit des individuellen Gestaltens schliessen lässt. Bei Zensho wird höchste Konzentration verlangt; jeder Strich sollte mit solchem Mut, Schwung, Fluidität und Achtsamkeit geschrieben werden, als wäre es der letzte des Lebens. Es wird auch als „shinken shobu“, „a fight to the finish“ 176, bezeichnet. Einige Zensho-Meister imitieren was sie zeichnen, z.B. das Brüllen eines Drachens.177 Hat ein Kalligraph seine Arbeit beendet, setzt er als Zeichen, dass er die Verantwortung für sein Werk übernimmt, den Signaturstempel unter seine Arbeit. Bis ein Künstler diesen Schritt bei einer Arbeit vollzieht, können mehrere Wochen vergehen.178 174 Zumindest nach Omōri Reshi, einem bekannten Zen-Meister. Vgl. Stevens (1981), 184. Aus der Literatur wird nicht ersichtlich, ob wirklich nur die Übungsblätter oder auch die fertigen Werke vernichtet werden. Einerseits fand man keine Werke früher Kalligraphen und andererseits wurden in späterer Zeit die Kunstwerke gesammelt. 176 zit. nach Stevens (1981), 184; “ein Kampf zum Ende”. 177 Vgl. Stevens (1981), 183ff., 188ff.; Willetts (1981), 185-190. 178 Vgl. Fussnote 168. 175 - 44 - Die Kunst des Zensho ist schwierig zu erlernen und braucht jahrelange Erfahrung, die auf der Grundlage des Kopierens kalligraphischer Schriften berühmter Meister basiert. Dabei wird der Kalligraph vertraut mit den verschiedenen Pinselarten, Tinten, Bewegungen und Techniken, die für das Kalligraphieren notwenig sind. Beherrscht er diese, darf er sich seinen eigenen Interpretationen hingeben. Zur Ausbildung gehört auch das Erlernen der ästhetischen Prinzipien und der kritischen Beurteilung, wie auch Kenntnisse über die künstlerischen Vorfahren des eigenen Meisters.179 179 Vgl. Chang/Miller (1990), 31; auch für weiterführende Informationen zur Ausbildung. Vgl. Fussnote 177. - 45 - 8 Kalligraphie - ihr religiöser, meditativer, spiritu spiritueller Aspekt In vielen mystischen Erzählungen wird behauptet, Schrift sei von den Göttern gegeben worden, dass „Schrift von ihrem Ursprung her aufgeladen sei mit heiliger Macht“180. In den alten Hochkulturen bildeten Religion und Schrift eine enge, machtvolle Einheit. Schrift war nur wenigen Eingeweihten zugänglich, deshalb haftete ihr etwas Geheimnisvolles an.181 Jedoch wurden nicht nur die Zeichen an sich, sondern auch die Schreibhandlung in magische, übernatürliche Zusammenhänge gebracht.182 „Das von berufener Hand Geschriebene ist in der Lage, den Willen Gottes oder der Heiligen zu beeinflussen, die bösen Mächte wie Teufel und Dämonen zu beschwören, zu bannen, zu bezwingen.“183 Der Zusammenhang zwischen der Kunst der Kalligraphie und der Religion bzw. dem Spirituellen ist in jedem untersuchten Schriftraum in seiner individuellen Ausprägung vorhanden. Sei es, dass Kalligraphie als meditatives Mittel angesehen wird, sei es, dass sie in erster Linie als Kunst des Kopierens der heiligen Schriften verstanden wird oder aber als direkter Ausdruck der göttlichen Worte, als Kopie des Raunen Allāhs.184 Wichtig zu erwähnen ist, dass sowohl im Buddhismus, als auch im Christentum und im Islam verschiedene Kalligraphien existieren, welche unterschiedliche Funktionen erfüllen. Es gibt eine Vielfalt an ‚profanen’ Kalligraphien, welche in keinem direkten Zusammenhang mit Religion, Meditation oder Spiritualität stehen, beispielsweise Kalligraphien für Institutionen und Ämter. Im Gegensatz dazu ist eine unglaubliche Auswahl an spezifischen Kalligraphien vorhanden, welche nur oder hauptsächlich für das Schreiben religiöser Texte verwendet werden oder wie in der Zen-Kalligraphie den Anspruch auf meditative Versenkung erfüllen. Folgendes Kapitel möchte nicht auf die ‚profanen’ Kalligraphien eingehen, sondern die Verbindung der in einem ‚heiligen’ Zusammenhang stehenden Kalligraphien mit der Religion, der Meditation und dem Spirituellen untersuchen. „Calligraphy was a high art, largely a sacred art, and doubtless an art that required untiring devotion, „soft“ character, and love.”185 180 Zit. nach Stein (2006), 107. Vgl. Stein (2006), 108. 182 Zur Beziehung Magie und Religion vergleiche Hartung (1993), 109ff. 183 Zit. aus Hartung (1993), 124. 184 „[...]das Raunen Allahs zu kopieren, [...]“. Zit. nach Ghata (2007), 22. 185 „ Die Kalligraphie war eine hohe Kunst, weitgehend eine heilige Kunst und zweifellos eine Kunst, welche eine unermüdliche Hingabe, eine „sanften“ Charakter und Liebe erforderte.“ Zit. aus Schimmel (1992), 55f. 181 - 46 - 8.1 Christliche Kalligraphie Kalligraphie und „die Gestaltung von Büchern allgemein standen zunächst im Dienst der Verbindung zum Überweltlichen in Gottesdienst und Andacht“186. Das Hauptgewicht der mittelalterlichen Schreibtätigkeit lag auf dem Kopieren der Bibeltexte, in zweiter Linie wurden jedoch u.a. auch Texte der Kirchenväter kopiert, christliche Dichtung und Philosophie niedergeschrieben.187 Augrund der zunehmenden Bedeutung, welche die biblischen Schriften im Mittelalter erlangten, wurden auch die Ansprüche an den einzelnen Schreiber grösser. Dabei sollte er mit grösster Achtsamkeit schreiben, damit unter keinen Umständen auch nur ein kleinstes Element durch Unaufmerksamkeit entweiht wurde. Jede einzelne Letter wurde als Kostbarkeit behandelt, wobei der Kalligraph mit grösster Ehrfurcht der Vorlage und dem zu beschreibenden Pergament entgegentrat. Dabei ist nicht nur der Inhalt des Geschriebenen, sondern auch die Darstellung, von besonderer Wichtigkeit. Sie musste den göttlichen Aspekt der Heilsverkündung erfüllen. In der benediktinischen Regel ‚ora et labora’ konnte der schreibende Mönch seine kopierten Bücher am Tage des Jüngsten Gerichts als gute Tat in die Waagschale legen.188 Die Beschäftigung mit Kalligraphie, bzw. mit dem Kopieren der heiligen Schrift war in den Tagesablauf, zwischen Gebeten, häufig einbezogen. Zu Beginn des Kopierens setzte der Mönch die Abkürzung einer Gebetsformel an die linke, obere Ecke des Blattes.189 Dadurch dass die Mönche die Kunst des Schreibens beherrschten, waren sie in den Augen der Bevölkerung Magier und wurden deshalb oft darum gebeten Amulette mit Schriftzeichen anzufertigen. Jeder Mensch nimmt im Alltag – bewusst oder unbewusst – je nach dem, was er kopiert oder schreibt, eine spezifische Haltung gegenüber dem zu Schreibenden ein, verwendet unterschiedliche, dem Zweck entsprechende Materialien und schreibt in einer angebrachten Schrift. Dies wird den mittelalterlichen Mönchen nicht anders ergangen sein. Der Respekt mit dem die Mönche der Bibel entgegentraten, wirkte sich wohl auch auf die Schreibhaltung aus. Durch die grosse Konzentration, die ein fehlerfreies, korrektes Schreiben verlangte, entstand ein kontemplatives Verhältnis des Kalligraphen zur Schrift. Möglicherweise wurde dies noch verstärkt hervorgerufen durch den ‚musikalischen Rhythmus’ in den ein guter Kalligraph beim gleichmässigen Abschreiben gelangte. Man könnte also sagen, dass der Mönch durch sein rhythmisches Schreiben in eine Art meditative Monotonie versank. 186 Zit. aus Glaser in Kiening (Hg.) (2008), 130. Vgl. Glaser (2008), 131. 188 Vgl. Herberichs/Wetzel (2008), 280. Vgl. Hartung (1993), 114ff., 119ff. 189 Vgl. Drogin (1980), 12. 187 - 47 - Wie bereits erwähnt galt im Mittelalter die Schrift als etwas Mysteriöses, Verschlüsseltes, welches nur wenigen Leuten zugänglich war. Die meisten mittelalterlichen Schriften waren religiösen und somit auch mysteriösen, unerklärlichen Inhalts und wurden in Latein verfasst. Nur wenige Menschen konnten damals Schreiben und Lesen– geschweige denn in lateinisch. 8.2 Islamische Kalligraphie Heilig war nicht nur der Inhalt des Korans, sondern auch der Koran selbst sollte in einer göttlichen Form wiedergegeben werden. Aus diesem Grund erlangte die Kalligraphie im islamischen Raum eine derart grosse Bedeutung. Die Kalligraphie war bereits zur Zeit des Propheten Mohammed eine heilige Kunst, denn in der ersten Erleuchtung Mohammeds wurde ihm verkündet, er solle « réciter au nom de votre Seigneur… 190 plume » . qui Die enseignait grundlegende par la Rolle, welche die Schrift einnimmt, leitet sich ab vom Glauben an den heiligen Koran als „parole littérale émanant de Dieu“191. Die Kalligraphie ist die Mutter aller Künste. Sie‚übersetzt’ das Unausdrückbare, das unvergleichliche Mysterium, welches die einzigartige Essenz Gottes darstellt – „[...], elle a reçu dès l’origine la mission sacrée de traduire l’Inexprimé, l’incomparable Mystère contenu dans l’essence unique de Dieu“.192 Abb.: 15 Schriftzeichen von Mohammed (aussen) und Ali (innen) Durch die Achtung, die der Kalligraphie entgegengebracht wird, ist es nicht verwunderlich, dass dem Kalem, der Feder, eine besondere Verehrung zukommt.193 Die Geheimnisse der Zubereitung der Tinte wurden sorgfältig gehütet und nur an eingeweihte Schüler weitergegeben. Die Kalligraphie wurde, gleich wie die Poesie und die Kenntnisse der Traditionen, seit der Zeit der Propheten nur über eine festgelegt Linie von Meistern gelehrt. Diese Linie geht zurück auf die Zeit des Propheten Mohammed und 190 „im Namen eures Herrn... der mit der Feder unterrichtete, ... rezitieren“ Sure 96, zit. nach James (1988), 13. „das buchstäbliche Wort, das von Gott ausgeht“ Zit. nach James (1988), 13. 192 „[...], sie erhielt vom Ursprung an den heiligen Auftrag, das Unausgesprochene, das Unvergleichliche Mysterium, das in der einzigartigen Essenz Gottes enthalten ist, auszudrücken.“ Zit. nach Rodari (1988), 47. 193 Vgl. Rodari (1988), 47. 191 - 48 - insbesondere zu seinem Schwiegersohn und vierten Nachfolger `Alῑ ibn Abῑ Ţālib, der auch einer der besten Kalligraphen je war. Bis zum heutigen Tag verweist ein guter Kalligraph auf eine direkte ‚Abstammungslinie’, die bis zu einem Meister aus dem 15. oder 16. Jahrhunderts zurückreicht.194 Wie auch im Christentum kopiert der islamische Kalligraph religiöse Wahrheiten, gibt Textstellen des Korans in kalligraphischen Elementen wieder. Die Kalligraphie versucht, den Koran in seiner vollen Pracht, dem Inhalt gleichwertig, wiederzugeben und sie erfüllt auch in dieser bilderfeindlichen Bedürfnisse – Kultur alle ornamentalen wie z.B. die Ausschmückung von architektonischen Gebäuden, Haus- und Wandschmuck. Die Kalligraphien an den Wänden von religiösen Gebäuden wie Moscheen dienen neben „Mein Gott hört nicht, sondern liest in den Arabesken“ (Ghata (2007), 102) ihrer ornamentalen Funktion auch als Einladung zu Meditation und zur Verherrlichung Allāhs. Der hohe Stellenwert des Wissens, des Buches und somit auch der Schrift in der islamischen Kultur wirkt sich positiv auf die Bedeutsamkeit der Kalligraphie aus. Ähnlich wie im Christentum ist das Kopieren des Korans an sich schon eine sakrale Handlung, da der Koran die heilige Grundlage dieser Religion ist. Die meisten islamischen, kalligraphischen Werke waren religiösen Inhalts insofern, als dass „Unsere Körper treten in Verbindung mit dem Göttlichen, vielleicht mit dem Tod selbst.“ (Ghata (2007), 124) wenn nicht der Koran an sich kopiert wurde, der Basmallah-Vers195 in einer seiner unzähligen kalligraphischen Varianten zum Ausdruck gebracht wurde. Die Grösse Allāhs kommt auch in der Schriftgrösse zum Ausdruck.196 Die Bedeutung der Schreibutensilien ist nicht zu unterschätzen, wie Yasmine Ghata in ihrem Roman „Die Nacht der Kalligraphen“ beschreibt: „[...]meine Werkzeuge [...], die mir zur verlängerten Hand, zu zugreifenden Fingern, zu treuen und gehorsamen Gefährten geworden waren, [...]“197. Auch betont sie, dass in allen Werkzeugen, den ‚Komplizen ihrer Kühnheit’, Leben stecke, die gemeinsam mit ihr einen ‚virtuosen Kampf’ der Buchstaben führen.198 Eine Eigentümlichkeit der islamischen Kalligraphen ist ihre Angewohnheit, dass sie nie auf feuchte 194 Vgl. James (1988), 13ff. Basmallah-Vers: vergleiche Kapitel 6.2. 196 Vgl. Stein (2006), 125. 197 zit. aus Ghata (2007), 8. 198 Vgl. Ghata (2007), 17. 195 - 49 - Tinte blasen, um den Trocknungsprozess zu beschleunigen, denn dies würde bedeuten, dass man die göttliche Präsenz vertreiben würde.199 Die besondere Relation, die den islamischen Kalligraphen mit dem Kalem*, dem Propheten und dem zu Schreibenden während des Schreibaktes verbindet, ist bemerkenswert. Dies erläutert Y. Ghata im folgenden Zitat passend: „[...]dann überliess ich meine Hand der Sprache des Propheten und dem kalem, [...]“200 Für das perfekte Verfassen kalligraphischer Werke muss die innere Ausrichtung stimmen, weshalb Einstimmungs- und Lockerungsübungen gemacht werden. Ein altes arabisches Sprichwort lautet: „Sie [...] befinden sich ausserhalb der Zeit, ausserhalb von sich selbst.“ (Ghata (2007), 124) „PURITY OF WRITING is purity of the soul“201. Das bedeutet in anderen Worten, dass der Kalligraph nicht ein sturer Kopist oder Verfasser von Schriften ist, sondern, dass er einen direkten Bezug zur Schrift und dem Schreibprozess hat, dass sich ein Teil des Kalligraphierens auf einer höheren, rational nicht erfassbaren Ebene abspielt. Der Kalligraph, der den Koran zu kopieren wünschte, musste in einem Zustand der rituellen Reinheit sein, da „nur der Gereinigte ihn [den Koran, Anm. I.Z.] berühren soll“202. J. Gatha beschreibt mehrmals einen Schreibzustand, der beinahe als Dialog zwischen der Kalligraphin und den Buchstaben angesehen werden kann. Die Religion scheint in der islamischen Kalligraphie besonders stark vertreten zu sein, was auch die bereits angesprochene Unterscheidung zwischen Kalligraphen, welche die göttliche Präsenz erfassen und in ihren kalligraphischen Werken zum Ausdruck bringen konnten, und denjenigen, welchen dies nicht gelang, verdeutlicht. Auch die himmlische Entlöhnung, die einem guten Kalligraphen bevorsteht, zeigt, dass die Kalligraphie nicht nur ein motorisches Schreiben ist, sondern in einem engen Zusammenhang steht, mit dem Überweltlichen, Göttlichen. Ein aussagekräftiges Beispiel für die heilige Kraft der Schrift kann auch darin gesehen werden, dass kurze Texte, wie einzelne Suren*, mehr oder weniger geschmückt, als rollenförmige Amulette verwendet wurden.203 199 Vgl. Ghata (2007), 14. Zit. nach Ghata (2007), 16. 201 Zit. aus Meier (1992), 3. 202 Koran, Sure 56:78. Vgl. Schimmel (1992), 20. 203 Vgl. Kaplony (2008), 228. 200 - 50 - 8.3 Buddhistische Kalligraphie Der religiös-meditative Inhalt beim Schreiben von kalligraphischen Schriften drückt sich von Innen her aus. Während die meisten anderen buddhistischen Kalligraphien präzis definierte Formen zur Grundlage haben, versucht die Zen-Kalligraphie die gleichen tiefen Wahrheiten in einfachen alltäglichen Zeichen auszudrücken. Das Schreiben im Zen-Geist ist viel wichtiger als sich in theoretischen Überlegungen und Mystizismus* zu verlieren. Der Zen-Kalligraph reduziert alle Zeichen zu einer möglichst einfachen Form, oder wie J. Stevens sagt: „Zen calligraphy is perfect simplicity“204. Die Kalligraphie im Zen-Buddhismus stellt eine spezielle Art der Meditation dar. Der Kalligraph drückt seinen inneren Zustand und seine Gefühlslage durch diese Zeichen aus. Die ganzen Vorbereitungen und Riten scheinen im Zensho eine sehr grosse Bedeutung zu haben. Die innere und äussere Haltung des Kalligraphen nimmt eine zentrale Rolle ein, was unter anderem sichtbar wird in der besonderen Vorbereitung des Reibsteins, welche zur inneren Sammlung dient.205 Obgleich das Resultat zügig vollbracht wird und einfach erlernbar zu sein scheint, sind mehrere Jahre intensiven Studiums Voraussetzung, um eine ausdrucksstarke kalligraphische Arbeit zu verfassen. Wie schon erwähnt ist ein wichtiges Ziel des Abb.: 16 Zeichen für Buddha Zensho die Erleuchtung durch die Ausübung der Kalligraphie. Da der kundige Betrachter den Grad der Erleuchtung wahrnehmen kann, darf man davon ausgehen, dass Werke von Meisterkalligraphen eine Wirkung im spirituellen Empfinden des Betrachters auslösen. Die Zen-Kalligraphie stellt einen sehr individuellen Weg der Meditation dar, weshalb nur wenig über die Beziehung des Kalligraphen zum Spirituellen schriftlich festgehalten wird. Die kalligraphischen Werke der Zen-Mönche werden auch als „genialisch-rauhe, oft wilde und magische Tuschespuren“206 bezeichnet. 204 „Zen Kalligraphie ist perfekte Schlichtheit“. Zit. aus Stevens (1981), 147. Vgl. Stevens (1981), 147. 205 Die Prozedur der Vorbereitung und inneren Sammlung ist im Kapitel 7.2.4 beschrieben. - 51 - 9 Vergleich In den Schriftreligionen besitzt „die Schrift als Medium der göttlichen Offenbarung“ eine „transzendente Dimension“.207 So hat die Bibel eine Doppelbedeutung, einerseits besteht sie aus heiligen Texten, andererseits ist sie selbst „sichtbares Zeugnis göttlicher Offenbarung“.208 Durch die schriftliche Niederlegung der heiligen Texte und Glaubensinhalte wurde über Zeit und Raum hinweg, eine religiöse Zusammengehörigkeit erschaffen.209 Kiening drückt es so aus, dass „[...] in der Schrift sich das Gotteswort manifestieren soll [...]“, und dass die Aufgabe der Kalligraphie darin bestehe, „[...] diese immer wieder aufs neue zu dynamisieren [...]“210. Anders ausgedrückt werden durch die Kalligraphie und die Ornamente die heiligen (christlichen) Schriften mit neuer Energie belebt.211 Es lässt sich vermuten, dass diese Aussage auch für die islamische Schrifttradition zutrifft. Eine grundlegende Verschiedenheit der Zen-Kalligraphie zur islamischen oder christlichen ist, dass sowohl der Islam, als auch das Christentum eine Schriftreligion sind und der Schwerpunkt ihrer kalligraphischen Werke auf dem Kopieren ihrer heiligen Büchern beruht – zumindest zu Beginn ihrer ‚Kalligraphie-Tradition’. Der Zen-Buddhismus hingegen hat weder ein Buch als Grundlage seiner spirituellen Glaubensrichtung, noch hat die Zen-Kalligraphie präzis definierte Formen zur Grundlage. Analog dazu versucht der Zen-Kalligraph die gleichen tiefen Wahrheiten in einfachen alltäglichen Zeichen auszudrücken. Eine zentrale Bedeutung nimmt dabei die Idee des Gleichgewichts ein, welche ganz allgemein eine Grundlage des fernöstlichen Denkens ist. Ziel ist es, jeden Buchstaben so zu gestalten, dass er sich im absoluten Gleichgewicht befindet.212 Allgemein kann man sagen, dass der christliche Kalligraph die kleinste Beziehung zu einem göttlichen oder spirituellen Medium hat. Zwar kopiert er göttliche Schrift und nimmt auch klar eine andere innere Haltung gegenüber den heiligen Texten an, jedoch ist er viel weniger verbunden mit dem Göttlichen, als der Zen-Kalligraph oder der islamische Kalligraph. Im Islam stehen der Kalligraph, seine Hand und die Schrift in einem ständigen Bezug zu Allāh. Wie bereits erwähnt ist „Gott führt meine Hand“ (Ghata (2007), 142) diese grosse Bedeutung, welche der Kalligraphie im Islam zukommt 206 Zit. nach Sakamoto (1998), 28 und nach Klopfenstein (1992), 9. Zit. nach Hediger (2008), 212. 208 Zit. nach Herberichs/Wetzel (2008), 277. 209 Vgl. Herberichs/Wetzel (2008), 281. 210 Beide Zitate zit. aus Kiening (2008), 44. 211 Dies lässt sich möglicherweise mit Neu-Interpretationen eines Musikstückes vergleichen. Je nach Musiker kann dasselbe Stück einen völlig neuen Charakter und Aussagekraft erhalten. 212 Für weiterführende Informationen zum Gleichgewicht der Zeichen vergleiche Willetts (1981), 187-189. 207 - 52 - nicht besonders verwunderlich in einer Religion, welche eine Abneigung gegen bildliche Darstellungen hat. So ‚ersetzen’ kalligraphische Arbeiten, welche vorwiegend den BasmallahVers213 zum Inhalt haben, die fehlenden Bilder und flechten gleichzeitig durch den heiligen Vers einen religiösen Aspekt ein. Durch die Abwesenheit der religiösen Malerei und Bildhauerei verdichteten sich die künstlerischen Ausdrucksformen des Religiösen in der Kalligraphie. Im Zen-Buddhismus nimmt die Kalligraphie als Bestandteil der meditativen Tradition eine wichtige Stellung ein und steht so in engem Zusammenhang mit dem religiös-spirituellen Leben. In der Zen-Kalligraphie fliesst sehr viel Energie und Persönliches in die Zeichen. Wesen und Gefühlszustand des Kalligraphen werden viel sichtbarer in der buddhistischen Kalligraphie; dies ist besonders auffallend im Vergleich zur Christlichen, in der sich der Kalligraph sehr streng an die vorgegebenen Strukturen halten muss. Auch in der arabisch-islamischen Kalligraphie stehen dem Kalligraphen viele Möglichkeiten zu Abänderungen und Verzierungen zur Verfügung. Während es in der christlichen Kalligraphie somit teilweise schwer fällt die Handschriften einzelner Kalligraphen auseinander zu halten, kann ein auch nur wenig geübtes Auge die unterschiedlichen Werke der islamischen und buddhistischen Kalligraphien einem Künstler Abb.: 17 Basmallah in Form eines Vogels zuordnen. Das könnte mit ein Grund dafür sein, dass die mittelalterlichen Schreiber der Christlichen Texte meist anonym waren und im Gegensatz dazu die Kalligraphen im buddhistischen und islamischen Raum mit Namen bekannte Künstler waren, deren Werke gezielt gesammelt wurden. Eine weitere Ursache für die Anonymität der christlichen Schreiber könnte auch in der Tatsache liegen, dass im Christentum die Mönche wohl für ihr persönliches Seelenheil im Kloster waren, Ziel und Zweck der Kirche aber nicht im Individuellen lag. In den Skriptorien stand nicht der meditative, religiöse Aspekt im Vordergrund, sondern vielmehr die Produktion, und in diesem Zusammenhang auch das Ansehen, der Einfluss und die Verbreitung der Kirche. 213 Basmallah-Vers: vergleiche Kapitel 6.2. - 53 - In der Zen-Kalligraphie hingegen ist die grundlegende Absicht eine andere. Sie wird nicht als Wissensvermittlung oder Überlieferung heiliger Texte verwendet, sondern dient als Meditationsmittel und als Hilfe zur inneren Weiterentwicklung. Demzufolge sind diese kalligraphischen Arbeiten in erster Linie nicht für Aussenstehende bzw. Betrachter bestimmt, was ein fundamentaler Unterschied zur christlichen, aber auch zur islamischen Kalligraphie darstellt. Die Wirkung des fertigen Produktes auf den Betrachter ist sowohl im Zen-Buddhismus, als auch im Islam deutlich stärker und nimmt eine zentralere Rolle ein, als im Christentum. Dies hängt möglicherweise auch mit dem oben genannten Grund zusammen, dass die Zen-Kalligraphen und die islamischen mehr Individualität in die Kalligraphie einfliessen liessen. Zusammenfassend und vereinfacht kann über das Verhältnis des Schreibaktes zum Produkt gesagt werden, dass die Gewichtung in den drei untersuchten Kalligraphien ziemlich unterschiedlich ist. Während in der christlichen Kalligraphie dem Produkt deutlich die grössere Bedeutung zukommt, ist in der Zen-Kalligraphie der Schreibakt zentraler. In der islamischen Kalligraphie ist der Schreibakt dem Produkt gleichwertig. So unterschiedlich die drei Kalligraphien sind, so verschieden ist auch die Schreibhaltung des jeweiligen Kalligraphen. Während der christliche Kalligraph auf einem Stuhl am Tisch sitzend schreibt, verfasst sowohl der islamische Kalligraph, als auch der Zen-Kalligraph seine Werke direkt auf dem Boden sitzend. Bei der Zen-Kalligraphie ist der Schreiber in der Seiza (‚sesa’)Haltung214 und schreibt auf das vor ihm am Boden liegende Blatt, nach einer ausführlichen, rituellen Vorbereitung. Anders sitzt der islamische Kalligraph mit gekreuzten Beinen am Boden und stützt die Schreibunterlage auf dem Knie ab, wobei viele islamischen Kalligraphen heutzutage die sitzende Haltung an einem Tisch bevorzugen.215 Die Schreibhaltung ist wesentlich um jegliche Verspannung im Körper während des Schreibens zu vermeiden. „Das Wort des Allerhöchsten ist nie gut genug geschrieben.“ (Ghata (2007), 60) „L’ennemi essentiel de l’art d’écrire est la lourdeur des traits.“216 In einem engem Zusammenhang mit dem Schreibfluss steht auch das bewusste Atmen; nachdem der Schreiber den Atmen kurz angehalten hat, lässt er die Buchstaben während des Ausatmens 217 entstehen. Zur Einstimmung verfasst der islamische Schreiber Übungsstücke – einerseits um die Hand zu lockern, andererseits um sich geistig vorzubereiten. Auch der christliche Kalligraph entspannt 214 Vgl. Kapitel 7.2.4. Vgl. Lalou (1995), 92. 216 „Der wesentlichste Feind der Schreibkunst ist die Schwere der Striche“. Zit. aus Lalou (1995), 93. 217 Vgl. Lalou (1995), 126. 215 - 54 - seine Hand durch Übungen, von einer geistigen Vorbereitung ist jedoch nicht die Rede. Verständlicherweise werden für diese drei sehr unterschiedlichen Schriften auch verschiedene, dem Zweck entsprechende Materialien benutzt, wobei je nach Stil der Schrift die Vielfalt der Materialien auch wieder enorm gross ist. Christliche Mönche beklagen sich oftmals über die mühevolle, langwierige Arbeit des Abschreibens. Ab und zu sind diesbezügliche Vermerke mit Klagen über das beschwerliche Schreiben an den Rändern oder unterhalb des Textes anzutreffen. Beispielsweise schreibt ein Kopist des 14. Jahrhunderts, nachdem er sein Werk beendet hatte: „[...] longissima, prolixissima, et tediosissima scribenti; Deo gratias, Deo gratias et iterum Deos gratias.”218 Etwas Vergleichbares kann man weder in der Zen-Kalligraphie, noch in der islamischen Kalligraphie finden. Sowohl in der islamischen Tradition der Schönschreibekunst, als auch in der christlichen wird Kalligraphie in Verbindung gebracht mit Musik, meist aufgrund der Rhythmik des Schreibens. So ist es naheliegend, dass der Kalligraph, ähnlich einem Musiker, in eine Art Trance bzw. Meditation fallen kann, hervorgerufen durch den Rhythmus, die Ästhetik in der Schrift bzw. in der Musik und durch die Verschmelzung des Künstlers mit dem Instrument. Auch der buddhistische Kalligraph erreicht durch die rhythmischen Bewegungen seines Pinsels eine geistige Einheit in seiner Kalligraphie wie der Musiker mit seiner Musik.219 Wie auch andere Kunstarten, z.B. die Malerei, kann die Kalligraphie als Produkt oder Spiegelbild des Inneren, des Eigenlebens verstanden werden. Ein chinesisches Sprichwort bringt dies zum Ausdruck: „Calligraphy is the picture of the mind.“220 Obgleich diese Ausprägung bzw. Einfliessung der Gefühlslage unterschiedlich stark erfolgte, ist sie in allen drei Kalligraphien vorhanden. Auch die Beziehung der Schriftzeichen an sich zur Abb.: 18 Schüssel mit KufiKalligraphie Ornamentierung ist in den ausgewählten Kalligraphien unterschiedlich. In der Zen-Kalligraphie ist das Zeichen selbst Dekoration. Die Zeichen sind schlicht gehalten, keine zusätzlichen Verzierungen werden angebracht. In der christlichen Kalligraphie werden die Buchstaben an sich zwar nicht 218 „[...], sehr lange, sehr langatmig und für den Schreiber sehr mühselig; Gott sei Dank, Gott sei Dank und wiederum Gott sei Dank.“ Zit. aus Drogin (1980), 12. 219 Vgl. Chang/Miller (1990), 30. 220 Vgl. Stevens (1981), 133. - 55 - für ornamentale Zwecke umgeformt, jedoch schmücken Ranken und bildliche Darstellungen die Schrift. Hingegen werden in der islamischen Kalligraphie die Zeichen zu ornamentalen Zwecken verändert – die Buchstaben selbst werden zum Ornament. - 56 - Im Vergleich der untersuchten Schriften erlangte die islamische Kalligraphie wohl die grösste Ausbreitung. Im Laufe der Zeit war sie nicht mehr nur in Texten oder auf Gebäuden vertreten, sondern auch auf Gegenständen des täglichen Gebrauchs, wie z.B. Schüsseln, Tellern oder Vasen. Somit war die Kalligraphie für jedermann sichtbar, was ihr dadurch erneut eine grosse Bedeutung zuschrieb wodurch ihre Bedeutung noch einmal gestärkt wurde. Dies lässt sich auch daher erklären, dass der Islam eine Religion ist, die im Alltag aller Muslime sehr präsent ist. Ein interessanter Unterschied zur christlichen Kalligraphie, welche nur für Texte, vorwiegend heilige, verwendet wurde und somit nur ausgewählten Leuten zugänglich war. Die Frage, ob das Aussehen der kalligraphischen Zeichen an sich eine Aussage über die dazugehörige Religion zulasse, kann nicht beantwortet werden, da bisher diese Relation ununtersucht blieb. Die Kalligraphen bzw. die Fachliteratur gehen nicht darauf ein, was vielleicht damit zusammenhängt, dass sie sich in der Regel nur mit Schriften aus einem Kulturraum befassen. Jedoch lassen sich Vermutungen aufstellen: Die buddhistischen Zeichen, welche als Einzelzeichen eine ästhetische und zugleich religiös-spirituelle Wahrheit ausdrücken, sind geschwungen, kraftvoll, fliessend, rund und stehen in sich im Gleichgewicht. Entsprechend sind diese Aspekte auch im Zen-Buddhismus bzw. in den Zen-Buddhisten erkennbar. Die im Zentrum des Zen stehende Meditation vermittelt innere Kraft und führt zu einem ‚seelischem Gleichgewicht’. Ähnlich wie die Zeichen strahlen Zen-Buddhisten auch oftmals eine außergewöhnliche Lebenskraft und Lebendigkeit aus. Die islamischen Zeichen hingegen sind verschlungener, ineinanderfliessend, allumfassend, sehr komplex und oftmals riesig dargestellt. Die Kalligraphie – vorwiegend die auf Gebäuden – neigt zudem dazu, den gesamten Raum, der ihr zur Verfügung steht, zu erfüllen. Auch hier lässt sich eine Parallele zur Religion, dem Islam ziehen: Allāh ist im islamischen Alltag der Allmächtige, der Grosse, der mit seiner Präsenz alles durchdringt. Das mittelalterliche Christentum, schliesslich, ist inhaltlich an eindeutige, im Neuen Testament festgelegten Vorgaben gebunden, deren Einhaltung durch strenge hierarchische Kirchenstrukturen gewährleistet wird. Dementsprechend sind die christlichen Buchstaben in sich selber klar strukturiert, und ebenso innerhalb der Satzstruktur nach strengen Regeln eingeordnet. Ihre Formen sind kantig und geradlinig. Auch die Dekorationen müssen genau vorgegebenen Anweisungen folgen, für individuelle Kreativität bleibt dabei wenig Platz. - 57 - Heutzutage ist die islamische Kalligraphie immer noch eine sehr verbreitete Kunst. Im Gegensatz dazu wird die christliche Kalligraphie nur noch von Liebhabern der Schönschrift gepflegt oder als stress-befreiendes Mittel eingesetzt. Sie wird im Allgemeinen derzeit viel freier gestaltet. Dieser unterschiedliche Stellenwert der Kalligraphie im islamischen und christlichen Raum hängt womöglich auch mit der gegenwärtigen, unterschiedlichen Präsenz der Religionen in den Kulturen zusammen. Auch in Asien ist die Kalligraphie noch weit verbreitet, beispielsweise beim Neujahrsfest.221 Im Unterschied zu früher sind es nun v.a. Frauen, die diese Kunst ausüben. Eine moderne Kalligraphin gibt ein schönes Beispiel dafür, wie Kalligraphie angewendet wird: heute Abb.: 19 Moderne Kalligraphie ‚nonverbal’ von Gottfried Pott “Well, calligraphy is not the only, but one of my hobbies. But it is for me, the best way to “fly away” from everyday triviality. Through the concentration, I can think more clearly and thus easily know what’s important in life.”222 221 Vgl. Interview A. Haenggi Kapitel 14.1. „Kalligraphie ist nicht die einzige, aber eine meiner Freizeitbeschäftigungen. Aber es ist für mich der beste Weg um „wegzufliegen“ aus der täglichen Gehaltlosigkeit. Durch die Konzentration kann ich klarer denken und so einfacher erkennen was im Leben wichtig ist.“ Zit. aus Interview A. Haenggi Kapitel 14.1. 222 - 58 - 10 Schlusswort Kalligraphie und Religion stehen in einer engen Beziehung zueinander. In allen drei untersuchten Kalligraphien – so unterschiedlich sie in vielerlei Hinsicht sind – stellt das Verfassen von Kalligraphien nicht blosses Abschreiben dar, sondern wird mit einer meditativen, religiösen Versenkung in Zusammenhang gebracht. Dieser Bezug ist in der islamischen Kalligraphie besonders ausgeprägt. Einerseits drücken Kalligraphien aus dem arabischen Kulturraum meist einen religiösen Inhalt aus, andererseits betonen islamischen Kalligraphen, dass Allāh beim Kalligraphieren präsent sei, und dass die Schreiber während des Schreibaktes im richtigen inneren Gefühlszustand sein müssen. Die Kalligraphie nimmt auch einen wichtigen Stellenwert in der Schmückung von religiösen Gebäuden ein und ist somit auch im Alltag präsent. Im Zen-Buddhismus gilt Kalligraphie als Weg der Meditation und Ziel ist es, die Erleuchtung durch die kalligraphische Praxis zu erlangen. Dadurch ist die grosse Bedeutung, die ihr – v.a. im meditativen Bezug – zukommt, selbsterklärend. In der christlich-mittelalterlichen Kalligraphie ist der religiöse Bezug deutlich geringer. Der Schreibakt war weniger bedeutend als das Ergebnis. Und trotzdem unterscheidet sich die Kalligraphie deutlich von der alltäglichen Schrifttradition. Zum einen wurden diese vorgestellten Kalligraphien nicht für profane Texte verwendet, und zum anderen gelangten die Kalligraphen durch die hohe Konzentration teilweise auch in einen meditativen Zustand. Auch heutzutage noch kommt der Kunst der Kalligraphie eine grosse Bedeutung zu und ist vielerorts anzutreffen; auf Gebäuden im islamischen Raum oder als stressabbauende Kurse in Europa – in Asien war die Kalligraphie bis vor wenigen Jahren sogar noch Pflichtfach an den Schulen.223 Durch die Ästhetik der islamischen und asiatischen Zeichen und der Tatsache, dass ich diese Zeichen nicht verstehe und sie somit für mich etwas Geheimnisvolles in sich trugen, faszinierten mich die asiatischen und islamischen Kalligraphien seit Beginn sehr. Die christliche Kalligraphie hingegen hatte einen langweiligen Beigeschmack des Bekannten. Als ich mich jedoch genauer mit ihr befasste, entdeckte ich ihren speziellen Reiz und durch mein erworbenes Wissen über die Schriftgeschichte in Europa, eröffnete sich mir einen neuen Zugang zu ihr. Trotz anfänglichen Bedenkens faszinierte mich die Kalligraphie immer wieder aufs Neue durch ihre Vielfältigkeit, ihre Ästhetik und ihren tieferen Sinn. In einem nächsten Schritt habe ich die Absicht einen Kalligraphie-Kurs zu besuchen, um die erforschten Aspekte auch praktisch zu erfahren. 223 Vgl. Interview A. Haenggi Kapitel 14.1. - 59 - 11 Bibliographie 11.1 Fachliteratur Akimuschkin et all. 1995 Akimuschkin Oleg F., Chalidow Anas B., Rezwan Efim A. Der Triumph des Schreibrohrs, in: Petrosjan Juri A. (Hg.). Von Bagdad bis Isfahan. Buchmalerei und Schriftkunst des Vorderen Orients (8.-18. Jh.) aus dem Insitut für Orientalistik, St. Petersburg. Lugano 1995. Brockhaus 1984 Brockhaus F. A. Der Grosse Brockhaus. Wiesbaden 1984. Brockhaus 2005 Brockhaus F. A. Der Brockhaus. In zehn Bänden. Leipzig 2005. Carboni 1995 Carboni Stefano. Die arabischen Handschriften, in: Petrosjan Juri A. (Hg.). Von Bagdad bis Isfahan. Buchmalerei und Schriftkunst des Vorderen Orients (8.-18. Jh.) aus dem Insitut für Orientalistik, St. Petersburg. Lugano 1995. Chang/Miller 1990 Chang Léon Long-Yien and Miller Peter. Chinese Calligraphy. 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Abb.: 6 http://www.skriptorium.at/catalog/index.php?manufacturers _id=13&sort=2a&page=2 (03.04.09). Abb.: 7 http://www.planet-wissen.de/pw/showdocument ,,,,,,,,,,,,,,,,,,,B4ACD91C0A025D35E034080009B14B8F,,,.html (02.04.09). Abb.: 8 Schimmel Annemarie. Islamic Calligraphy. New York 1992. S. 31. Abb.: 9 Schimmel Annemarie. Islamic Calligraphy. New York 1992. S. 10. Abb.: 10 Schimmel Annemarie. Islamic Calligraphy. New York 1992. S. 53. Abb.: 11 Massoudy Hassan. Calligraphie arabe vivante. Paris 1981. S. 118. Abb.: 12 http://www.musethno.uzh.ch/de/ausstellungen/2003/kalligraphie/ presseunterlagen/ presseunterlagen.html (03.04.09). Abb.: 13 Stevens John. Sacred Calligraphy of the East. Colorado 1981. S. 178. Abb.: 14 Stevens John. Sacred Calligraphy of the East. Colorado 1981. S. 186. Abb.: 15 Massoudy Hassan. Calligraphie arabe vivante. Paris 1981. S. 107. Abb.: 16 Stevens John. Sacred Calligraphy of the East. Colorado 1981. S. 198. Abb.: 17 Massoudy Hassan. Calligraphie arabe vivante. Paris 1981. S. 121. Abb.: 18 Schimmel Annemarie. Islamic Calligraphy. New York 1992. S. 8. Abb.: 19 Pott Gottfried. Kalligrafie. Erste Hilfe und Schrift-Training mit MusterAlphabeten. Mainz 2005. S.88. Abb.: 20 http://www.schriften-lernen.de/Schrift/Arab/Arab9a.htm (04.04.09). - 64 - 12 Glossar Arabeske: stilisiertes Blattrankenornament in der islamischen Kunst. Diakritisches Zeichen: Zeichen über, unter oder innerhalb eines Buchstabens zur weiteren Unterscheidung bes. von Buchstaben in Alphabetschriften und von Lautsymbolen in Lautschriften, z.B. Betonungszeichen, Trema. Fries: in der Baukunst ein bandartiger Streifen zur Gliederung und zum Schmuck einer Wandfläche. Kalem: Rohrfeder mit gespreizter Spitze (siehe Kapitel 6.5). Konfuzianismus: die auf Konfuzius zurückgehende, neben dem Daoismus und dem Buddhismus die einflussreichste philosophische Richtung in China und Ost-Asien. Liturgie: Im christlichen Sprachgebrauch die Bezeichnung für Form und Inhalt der gottesdienstlichen Feier. Majuskel(-schrift): Grossbuchstaben (-schrift). Medresen: die traditionelle islamische Hochschule. Miniatur: Bildschmuck in Handschriften, davon abgeleitet auch kleines, oft medaillonförmiges Bild auf Gebrauchs- und Ziergegenständen. Minuskel(-schrift): Kleinbuchstaben (-schrift). Mystizismus: Bezeichnung für eine geistige Haltung, welche die Möglichkeit von Wunderbarem und Geheimnisvollem betont. Purismus: Streben nach Reinheit, Echtheit, Authentizität; strikte Reinheit der Motive. Skriptorium: Schreibstube in mittelalterlichen Klöstern, in der handgeschriebene Bücher hergestellt wurden. Sufi Anhänger des Sufismus. Der Sufismus ist eine Asketischmystische Richtung des Islam, welcher eine Verinnerlichung des Islam erstrebt. Sure: Abschnitt des Korans. Zoomorph: Die Gestalt eines Tieres aufweisend. Alle Definitionen stützen sich auf Brockhaus (2005) und Brockhaus (1984). - 65 - 13 Selbständigkeitserklärung „Ich erkläre hiermit, dass ich diese Arbeit selbständig durchgeführt und keine anderen als die angegebenen Quellen, Hilfsmittel und Hilfspersonen beigezogen habe. Alle Textstellen in der Arbeit, die wörtlich oder sinngemäss aus Quellen entnommen wurden, habe ich als solche gekennzeichnet.“ Datum: Unterschrift: …………………… …………………… - 66 - 14 Anhang 14.1 EE-MailMail-Verkehr Verkehr mit A. Haenggi Liebe Frau Haenggi Ich weiss nicht, ob Sie Sich noch an mich erinnern können. Ich besuchte Sie einmal im Papiermuseum und erzählte Ihnen von meiner Maturarbeit, welche ich über Kalligraphie verfasse. Wir hatten einen kurzen E-Mail-Kontakt, in welchem Sie sich dazu bereit erklärt hatten, mir einige Fragen zu beantworten. Wir verabredeten, dass ich mich im neuen Jahr erneut melden würde, da ich dann in das Thema eingearbeitet sein würde und meine Fragen präzise formulieren könnte. Nun wollte ich, falls Sie immer noch einverstanden sind, auf das Angebot zurückkommen. Vorausschicken muss ich jedoch noch, dass ich mein Thema ein wenig abänderte und nicht mehr über die chinesische Kalligraphie schreibe, sondern über die ZenKalligraphie. Auch wenn Ihnen diese vielleicht nicht bekannt ist (?), wäre ich dennoch froh um ihre Antworten, die mir sehr hilfreich wären. Fragen: • • • • • Ist Ihnen in Ihrer Kalligraphie einen Bezug zur Religion, Spirituellem, Meditativem bekannt? Hatten Sie selbst einmal eine besondere Erfahrung mit Kalligraphie gemacht (z.B., dass Sie durch die Konzentration in einen meditativen Zustand kamen)? Ist Ihnen die Zen-Kalligraphie bekannt oder gar vertraut? Wenn ja, wissen Sie etwas über die Zen-Kalligraphie heutzutage, ihre Verbreitung und ihren Stellenwert in der Gesellschaft? Welchen Stellenwert allgemein hat die Kalligraphie heutzutage in Asien? In welchen Bereichen trifft man sie noch an? Lernen noch viele die Kunst der Kalligraphie, oder sind es nur noch wenige Interessierte? Was macht für Sie die Kunst der Kalligraphie einzigartig? Weshalb betreiben Sie dieses Hobby? Abschliessend hätte ich noch eine persönliche Frage. Im Papiermuseum durfte ich ja einige Photos von Ihnen während des Schreibens aufnehmen. Dürfte ich diese teilweise in meine Arbeit integrieren? Ich wäre froh um eine baldige Antwort, damit ich Ihre Informationen möglichst gut in meiner Arbeit verwerten kann. Herzlichen Dank im Voraus für Ihre Mühe. Mit freundlichen Grüssen Irina Zindel - 67 - Dear Irina, Sorry for the late answer. I have been extremely busy these days. It is easier for me to write in English and I hope you don’t mind. I have heard of Zen calligraphy, but I do not know much about it. Zen is for me a synonym of Buddhism. I am a catholic. I really don’t know if I am able to help you with my limited knowledge and experience. I just try my best. Fragen: Answer - ·Ist Ihnen in Ihrer Kalligraphie einen Bezug zur Religion, Spirituellem, Meditativem bekannt? Yes. Calligraphy for me is way of meditation. Very often when I write texts from Bible and when I concentrate on writing, I feel that I am closer to God. - ·Hatten Sie selbst einmal eine besondere Erfahrung mit Kalligraphie gemacht (z.B., dass Sie durch die Konzentration in einen meditativen Zustand kamen)? Yes. - ·Ist Ihnen die Zen-Kalligraphie bekannt oder gar vertraut? Wenn ja, wissen Sie etwas über die Zen-Kalligraphie heutzutage, ihre Verbreitung und ihren Stellenwert in der Gesellschaft? I have heard of Zen Calligraphy, but do not know much about it. Sorry! (Maybe you can find some information online.) - ·Welchen Stellenwert allgemein hat die Kalligraphie heutzutage in Asien? In welchen Bereichen trifft man sie noch an? Lernen noch viele die Kunst der Kalligraphie, oder sind es nur noch wenige Interessierte? As far as I know, in China, Taiwan, Hong Kong, and Japan, Calligraphy is a wellappreciated art. And at least in the Chinese society, calligraphy is alive and it is everywhere. For example, during the Chinese New Year, you can see New Year springcouplet stands on the street. But it is a pity that children nowadays are not learning calligraphy in primary school any more. When I was a child, calligraphy is a compulsory course. We had calligraphy three times a week. Now it is only one of the extracurricular activities, which takes place once a week. - ·Was macht für Sie die Kunst der Kalligraphie einzigartig? Weshalb betreiben Sie dieses Hobby? Well, calligraphy is not the only, but one of my hobbies. But it is for me, the best way to “fly away” from everyday triviality. Through the concentration, I can think more clearly and thus easily know what’s important in life. H.C. Angela Haenggi-Yu www.wretch.cc/blog/ahaenggi - 68 - „Die Schriftzeichen bewirken viel mehr als nur die Übermittlung von Bedeutungen; Kalligraphie ist Seismograph der inneren Welten und Gefühle. Das Faszinierende an der Kalligraphie sind die Vielschichtigkeit und die momentane Stimmung und Spontaneität dieser Kunst, welche die Kräfte des Geistes und des Körpers herausfordern und im Bild sichtbar werden lassen.“ - 69 - - 70 -