Medizin & Markt ADHS Therapie-Optionen auch bei Erwachsenen Eine Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) bei Erwachsenen gehört in Deutschland noch nicht lange zum diagnostischen und therapeutischen Spektrum in der neurologischen und psychiatrischen Praxis. Das Krankheitsbild wird häufig nicht als solches erkannt. Erst in den letzten Jahren wird zunehmend wahrgenommen, dass bei mindestens 50 % der betroffenen Kinder und Jugendlichen klinisch relevante Symptome der ADHS auch im Erwachsenenalter fortbestehen und behandlungsbedürftig bleiben. In einem Praxis-Workshop1 dienten typische Kasuistiken einem interaktiven, thematisch breit gefächerten Erfahrungsaustausch. Ist die Diagnose gestellt, und leidet der Betroffene unter erheblichen Beeinträchtigungen, gelte als Mittel der 1. Wahl eine Therapie mit dem ZNS-Stimulans Methyl- phenidat (MPH)2, erklärte Dr. Hans-Ulrich Röver, Eppingen. Seiner Erfahrung nach ermöglicht die seit 4 Jahren verfügbare und in ihrer Wirksamkeit gut belegte medikamentöse Therapie mit MPH im Rahmen einer multimodalen Therapie eine effektive Symptomkontrolle bei Erwachsenen mit ADHS. Nach einer Titrationsphase, in der die Dosis wöchentlich um 10 mg erhöht wird, danach mit einer durchschnittlichen Dosis von 50 bis 60 mg / d verabreicht, sei das Präparat auch sehr gut verträglich, betonte Röver. Gegenanzeigen und Interaktionen berücksichtigen Vor Therapiebeginn sind eventuelle ­Gegenanzeigen, v. a. im Herz-KreislaufBereich, abzuklären, entsprechende ­Voruntersuchungen (Puls, Blutdruck, EKG, Labor) vorzunehmen und über mögliche anfängliche Nebenwirkungen aufzuklä- Depression Neues Antidepressivum für ein breites Spektrum an Patienten im Handel Seit Mai 2015 ist das Antidepressivum Vortioxetin1 im Handel. Es kann eingeschränkte kognitive Funktionen im Rahmen depressiver Episoden bessern und die allgemeine Funktionsfähigkeit sowie die Lebensqualität fördern. Das spezielle Rezeptorprofil von Vortioxetin scheint sich außerdem in ein vorteilhaftes Verträglichkeitsprofil übersetzen zu lassen, sodass auch ältere Patienten behandelt werden können. Dies berichteten Psychiater auf dem Einführungspressegespräch2 in München. „Mehr als ⅔ der depressiven Patienten erfahren keine Remission“, berichtete Prof. Friedel M. Reischies, Berlin, „und erst recht keine anhaltende“. Dem Therapieziel einer „vollständigen Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit“ kann Vortioxetin dienen. Es wirkt multimodal, d. h. über mehrere Wirkmechanismen und -targets, so Prof. Hans-Peter Volz, ­ Werneck. Es hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin (5-HT) durch Blockade des Serotonintransporters (SERT) und wirkt direkt auf verschiedene Subtypen des 5-HT-Rezeptors, die nachgeschaltete Neurotransmittersysteme modulieren. Die Studienlage erläuterte Prof. Tillman Krüger, Hannover. In einer Doppelblindstudie3 an 429 Personen verringerten ­5 und 10 mg / d Vortioxetin die depressiven Symptome gegenüber Placebo nach 6 Wochen auf der Montgomery-ÅsbergDepression-Rating-Skala um mehr als 20 Punkte. Zudem nahmen in beiden Vortioxetin-Armen auch Angstsymptome ab. Auch bei Älteren wirksam und sicher In der „Elderly Study“4 (Durchschnittsalter 70,6 Jahre) waren sowohl 5 mg / d Vortioxetin als auch Duloxetin (60 mg / d) gegenüber Placebo in der 6. und 8. Woche deutlich stärker antidepressiv wirksam. Beide zeigten sich gegenüber Placebo auch im verbalen Lernen und Erinnerungsvermögen überlegen. Vortioxetin wurde auch von diesen älteren Patienten ren. Wichtige, bei der ADHS-Therapie zu berücksichtigende spezielle Aspekte sind häufig auftretende psychisch bedingte Komorbiditäten oder Suchterkran­kungen und damit zusammenhängend die Frage nach Interaktionen bei gleichzeitiger Behandlung. Grundsätzlich gelte, zuerst die klinisch im Vordergrund stehende Erkrankung zu behandeln und über notwendige Komedikationen im Einzelfall zu entscheiden, erläuterte Dr. Bernhard Kis, Göttingen. Mit der Verordnungsfähigkeit von MPH für Erwachsene wurde in Deutschland eine Versorgungslücke geschlossen. In Kombination mit psychotherapeutischen oder anderen nicht medikamentösen Verfahren kann die Pharmakotherapie einen wesentlichen Beitrag leisten, die Alltagsbeeinträchtigungen der Patienten auszugleichen. Elke Klug, Berlin 1 Praxis-Workshop „ADHS im Dialog“, Berlin, ­Februar 2015, Veranstalter: Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG 2 Medikinet® adult, Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn gut vertragen. Nur Übelkeit war häufiger als unter Placebo (≥ 5 %). Sicherheit und Verträglichkeit Aufgrund seines spezifischen Rezeptorprofils, erläuterte Krüger, besitze Vortioxetin ein vorteilhaftes Verträglichkeitsprofil. Studien zufolge ist es weitgehend gewichtsneutral, sediert nicht und stört den Schlaf nicht. Sexuelle Dysfunktionen – neben Sedierung einer der häufigsten Therapieabbruchgründe – haben eine geringe Inzidenz. Nach einer Pressemitteilung (Lundbeck GmbH) 1 Brintellix®, Lundbeck GmbH, Hamburg Einführungspressekonferenz Brintellix®; München, April 2015; Veranstalter: Lundbeck GmbH 3 Alvarez E et al. Int J Neuropsychopharmacol 2012; 15: 589 – 600 4 Katona C et al. Int Clin Psychopharmacol 2012; 27: 215 – 223 2 Nach Angaben der Industrie Fortschr FortschrNeurol NeurolPsychiatr Psychiatr2015; 2015;83 83 Fort. Neuro M&M-6-15.indd 362 08.06.2015 17:04:05 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 362