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PASSAU
Samstag, 22. September 2012
ASTA
Nummer 220
„Beton hat einen schlechteren Ruf als er verdient“
Was aber unabhängig von einem
Konzerthaus zum Beispiel auch
mit gehobener oder ErlebnisGastronomie möglich wäre...
Donath: „Freilich, auch.“
Höber-Caspari: „Das könnte
man ja jederzeit auch kombinieren. Auch als Kongress- oder Tagungsraum, den es so in Passau ja
auch nicht gibt. Wir haben nicht
mehr so viele städtebaulich einzigartige Stellen in der Stadt wie diese.
Das sollte man als Eigentümer, Investor oder Gesellschafter sehen.
Das dort oben multifunktional
tagsüber und auch abends zu nutzen, ist eine nicht wiederkehrende
große Chance, die man nicht vertun sollte − auch im Sinne der Gesellschaft und Gemeinschaft.“
Das Architekturforum
Passau e.V. versteht
sich als Interessengemeinschaft,
Korrektiv und
kollegiales Kollektiv,
wenn es vor allem um
lokale Baukultur geht.
In der kommenden
Woche feiert die
Plattform ihr
15-jähriges Bestehen.
Im „Passauer
Gespräch“ äußert sich
das Vorstands-Trio
Albert Köberl, Philipp
Donath und Ingrid
Höber-Caspari über
vorzeigenswerte
Passauer Architektur,
Neue-Mitte-Bauten,
erstrebenswerte
Bauvorhaben und
Kripperl-Projekte, die
Passau weiterbringen.
„Bauen am Wasser ist
ein wichtiges Thema“
Köberl: „Der Winterhafen wäre
auch so eine einzigartige Stelle. Es
gibt in San Sebastian (Spanien) ein
Konzerthaus − ein stilisierter Kristall, der förmlich aus dem Meer
kommt. Eine ähnliche Chance bietet sich an der Spitze des Winterhafens − gläsern, wie ein Kristall aus
der Donau heraus. Man kann viel
mit dem Alleinstellungsmerkmal
Dreiflüssestadt und Wasser spielen. In die ehemaligen Hochspeicher, die es leider nicht mehr gibt,
hätte man Hotels integrieren können. Das alles hätte dort unter dem
Begriff ,Leben am Wasser‘ eine
ganz besondere Note erhalten
können. Die Dreiflüssestadt ist
weltbekannt, aber wir leben zu wenig am und mit dem Wasser.“
Von Christian Karl
Frage an die Profis: Im Passauer
Barockjahr sind die vielbewunderten alten Bauten in aller
Munde. Gibt es Ihrer Ansicht
nach schöne moderne Innenstadt-Bauten?
Albert Köberl: „Da fällt mir
schon was ein. Zum Beispiel der
Neubau des Landratsamts gegenüber vom Dom. Ein Gebäude aus
den Achtziger Jahren − aber ein
Baudenkmal und ein Klassiker,
der gut in den Kontext passt, einen
zeitgemäßen Bau darstellt und
selbstbewusst dasteht. Dieses Gebäude kann man auch nach 30 Jahren immer noch gut anschauen.
Ein anderes Gebäude, das mir persönlich gut gefällt, ist der FauserBau der Uni, direkt gegenüber vom
Nikolakloster − ein zeitloses Gebäude, das elegant die typische
Passauer Bauweise aufnimmt und
ins Neue interpretiert.“
Philipp Donath: „Oder auch
das Rechenzentrum an der Uni −
überhaupt große Teile des ganzen
Uni-Komplex’.“
Ingrid Höber-Caspari: „Wenn
man nicht nur an große Bauten
denkt, ist zum Beispiel auch die
Scheune in der Innstadt ein sehr
gekonnter Umbau und ein schöner
Veranstaltungsort, der in historische Umgebung eingeplant ist. In
Passau mit seiner vielen historischen Substanz ist vieles sensibler
zu sehen, wenn man es zeitgemäß
neu umsetzen will.“
„KVV-Turm könnte drei
Geschosse mehr haben“
Köberl: „So eine Situation entsteht ja gerade auch am Bonhoeffer-Platz mit dem Neubau des
Evangelischen Zentrums durch
unseren Kollegen Walter Schwetz.
Das wird aus städtebaulicher Sicht
eine sehr interessante Geschichte.
Die Weiterführung von vorhandenem Bestand mit modernen zeitgemäßen Mitteln − auch wenn es wegen Sichtbetons durchaus umstritten ist. Wir werden dort im kommenden Frühjahr auch mal eine
Begehung machen und dazu vielleicht auch die Öffentlichkeit einladen, damit sie Details und Hintergründe erfährt.“
Höber-Caspari: „Beton hat leider immer noch einen schlechteren Ruf als er verdient. Dem Material wird subjektiv und oft voreingenommen eine gewisse Ästhetik
abgesprochen. Nicht nur konstruktiv ist er Schlüssel zu manchem leicht und schwerelos erscheinenden Baukörper. Auch seine Möglichkeit zur Oberflächengestaltung sind vielfältig und interessant. Bei einer gekonnter
Verwendung können sehr atmosphärische Räumlichkeiten entstehen.“
Köberl: „Auch vor 350 Jahren
haben sich die Leute ja auch für
was Neues geöffnet und waren aufgeschlossen gegenüber einer neu-
Bauen gemeinsam in Passau an einem Interessen-Kollektiv in Sachen Baukultur: Das Vorstandstrio des
Architekturforums Passau e.V. mit 1. Vorsitzendem Albert Köberl (rechts) sowie den stellvertretenden Vorsitzenden Ingrid Höber-Caspari und Philipp Donath.
− Foto: Karl
en Architektur. Sonst könnten wir
nicht dieser Tage 350 Jahre Barockstadt feiern und die Stadt wäre
großteils gotisch geblieben.“
Aber auch ein verheerender
Brand spielte mit, dass Gotik
verschwand und Barock entstand...
(Allgemeines Lächeln).
Sie haben bei vorzeigenswerten
modernen Bauten Beispiele genannt, die großteils schon wieder älter sind. Wie steht es um die
Bauten der umstrittenen Neuen
Mitte? Gerade bei der Stadtgalerie und deren bunte LochblechFassade hat man ja versucht, die
kleinteilige
Fassadenstruktur
der Passauer Innenstadt-Häuser abzubilden...
Donath: „Zumindest ein interessanter Ansatz, um einen derart
großen Baukörper an so einer Stelle zu integrieren.“
Köberl: „Ich sag jetzt mal meine
ganz persönliche Meinung. Dass
man so ein Einkaufszentrum wie
das von ECE innerstädtisch integriert, finde ich gut. Es wäre für die
Innenstadt schlecht gewesen,
wenn so was am Stadtrand entstanden und das Zentrum ausgeblutet wäre. An seiner Rückseite ist
das Ding halt in seiner ganzen Dimension sichtbar − leider. Ansonsten aber kommt das Center nicht
so dominant raus. Das fällt vorne
an den Fassaden nur an ein paar
Stellen auf. Am großen Eingangsbereich am Ludwigsplatz vielleicht
− ein Rüssel, der alles aufsaugt.
Auch das denkmalgeschützte Gebäude (altes Resch-Haus) ist vielleicht etwas unsensibel integriert
und wird ziemlich erdrückt. Aber
es ist leicht, Kritik zu üben.
Schwieriger ist es, es selber besser
zu machen.“
Höber-Caspari: „Das im Verhältnis kleine Haus wird von der
massiven Kubatur schwer an den
Rand gedrängt. Eine stärkere Zäsur zwischen Alt und Neu hätte gut
getan. Der Entwurfsgedanke, die
Maßstäblichkeit Passaus historischer Altstadthäuser in der uns
vorliegenden strukturierten, farblich differenzierten Metallfassade
zu übertragen, ist jedoch ein sehr
guter Ansatz.“
Köberl: „Vielleicht auch was
zum Turm − und wieder meine
ganz persönliche Meinung und
nicht die des Architekturforums:
Wenn ich einen Turm bauen will,
dann bau ich auch einen Turm −
ich finde, er ist zu niedrig. Er könnte ruhig zwei, besser noch drei Geschosse mehr haben. Auch die Fassade ist mir zu streng gerastert.“
„Kristall-Konzerthaus
im Winterhafen“
Donath: „Freilich kann man
jetzt viel kritisieren bei diesem Riesen-Umbruch in dieser Dimension. Aber es ist sicher nicht ganz
einfach, so viel Baumasse in solch
einem Bereich unterzubringen.
Was dann im Detail gemacht werden kann, hängt von vielen Betei-
ligten und Faktoren ab. Aber das
Verfahren mit dem Gestaltungsbeirat ist ja ordentlich abgelaufen.
Grundsätzlich ist es eine gute Entwicklung, dass das alles dort passiert und die Stadt aufgewertet
wird und das Leben pulsiert.“
Apropos Neue Mitte: Was sollte
Ihrer Ansicht nach in der Nachbarschaft zum Beispiel auf dem
Löwenbrauerei-Areal entstehen
− was ist tabu, was wäre erstrebenswert, was täte Not?
Köberl: „Ich fände es ganz
schön, wenn man dort oben ein
Konzerthaus macht. Und zwar so
gestaltet, dass einem die AltstadtKulisse zu Füßen liegt.“
Donath: „Es gab da ja vor Jahren
schon ganz tolle Entwürfe, die sogar in Universitäten vorgestellt
wurden. Die Idee ist ja auch naheliegend: Dass man dort oben eine
öffentliche Nutzung hinbekommt,
die die Kulisse der Stadt nutzt und
einen ganz neuen Blick auf die
Stadt ermöglicht.“
INFOS ZUM VEREIN UND ZUR 15-JAHR-FEIER
D
as Architekturforum Passau
e.V. setzt sich laut eigener
Philosophie zum Ziel, „zeitgemäßen und zukunftsorientierten
Städtebau sowie qualitätsvolle
Architektur in der Region zu fördern. Zur Weiterentwicklung der
allgemeinen Baukultur möchte
der Verein durch Vorträge, Ausstellungen, Diskussionen und Öffentlichkeitsarbeit in den Medien
informieren, zur Bewusststeinsund Meinungsbildung anregen
und den Stellenwert intensiver
Planungsprozesse zu erhöhen“.
Mit diesem Ziel sollen die aktuell
rund 170 Mitglieder des Vereins
und alle am Städtebau und an der
Architektur Interessierte zusammengeführt werden.
Am kommenden Freitag, 28.
September, feiert der Verein ab 19
Uhr unter dem Motto „Architektur − Begegnungen“ sein 15-jähriges Bestehen. Im Redoutensaal
sind u.a. Landrat Franz Meyer
und OB Jürgen Dupper ebenso
als Redner vorgesehen wie Hans
Dörr, Vizepräsident der bayerischen Architektenkammer. In
kurzen Vorträgen greifen Gerhard Matzig (Architekturkritiker
der Süddeutschen Zeitung), Prof.
Dr. Dietrich Erben (TU München), Andreas Sobeck (Mitglied
Deutscher Werkbund), Peter
Baumgardt (EW-Intendant) und
Prof. Dr. Ruth Berktold (yes architecture München) architekturspezifische Themen auf. Moderiert wird der von Musik, Tanz
und Malerei gerahmte Abend von
Alexander Kain (stv. PNP-Chefredakteur).
− ck
Was sollte überhaupt in Passau
architektonisch vorangetrieben
werden? Sind Türme oder Hochhäuser in der Innenstadt irgendwann mal weniger umstritten als
zuletzt z.B. beim KVV-Turm?
Köberl: „Einen Turm oder ein
Hochhaus baue ich üblicherweise
dort, wo ich vom Platz her begrenzt bin. Ansonsten ist ein
Hochhaus ein eher unwirtschaftlicher Bau, weil ich im Verhältnis
von Nutzfläche zu Verkehrsfläche
− zum Beispiel für Lift, Nottreppen, Treppen − wenig profitiere.“
Donath: „Die Beschäftigung mit
Bauen am Wasser finde ich ein sehr
wichtiges Thema. Da könnte man
schon gut ansetzen.“
Köberl: „Und wir brauchen
auch mal ein hochwertiges besonderes Hotel. Es gäbe in der Altstadt
durchaus mehrere Möglichkeiten,
so was Nichtalltägliches und Spannendes auch in bestehenden Gebäuden − zum Beispiel das Amtsgericht, das alte Hauptzollamt an
der Hängebrücke − zu schaffen.
Das kann für die Stadt auch unheimlich effektiv sein.“
Höber-Caspari: „Vieles an Ideen, zum Beispiel auch am Inn mit
Pontons in den Fluss hinein, darf
in Passau nicht gemacht werden.
Aber so was kann man auch ganz
sensibel gestalten. Wasser hat eine
unheimliche Kraft und Anziehungskraft − und wir haben drei
Flüsse!“
Themawechsel und hin zum Architekturforum Passau, das in
der kommenden Woche 15 Jahre
Bestehen feiert: Warum braucht
Passau das Architekturforum?
Donath: „Jede Stadt braucht Architekturforen, die die Bedeutung
der Bauten und der Umwelt ins Bewusstsein rufen und auch in einer
gewissen öffentlichen Art und Weise behandeln. Auch um es Laien
zugänglich zu machen und auch
unter Kollegen zu diskutieren.“
Vielleicht auch, um der Öffentlichkeit was zu erklären, was auf
den ersten Blick nicht ganz
nachvollziehbar erscheint, was
da hochgezogen wird?
Köberl: „Das Wort Baukultur
sagt es ja schon: Jede Stadt braucht
entsprechende Einrichtungen, die
diese Art von Kultur vertreten und
vielleicht auch vermitteln. Baukultur geht uns alle an.“
Höber-Caspari: „Baukultur hat
die größte sichtbare Wirkung. Der
frühere Bundespräsident Johannes
Rau hat mal gesagt: Bilder kann
man abhängen, ein Buch kann
man zuschlagen, Musik kann man
abschalten − an einem Gebäude
aber kann man nicht vorbeigehen,
ohne es zu sehen. Von dieser Aussage ist jede Stadt und ist jeder Bürger betroffen. Und dazu tragen wir
im Architekturforum auch etwas
bei. Wir sind in Passau das drittstärkste Architekturforum in Bayern und haben bei uns unter 170
Mitgliedern Architektur-Interessierte, Handwerker und eben auch
gut ein Drittel Architekten. Wir holen fast jedes Monat Referenten für
Vorträge. Wir machen Hausbegehungen. Wir haben Kino-Beiträge,
die sich mit moderner Architektur
beschäftigen. Wir machen Exkursionen, wo wir uns viel Neues anschauen. Demnächst zum Beispiel
nach Slowenien.“
Was sind die größten Errungenschaften bis dato?
Donath: „Es sollte halt nicht
darum gehen, dass man sich nur
einmal in seinem Leben mit Architektur beschäftigt − nämlich dann,
wenn man selbst ein Haus baut.
Wir wollen für das Thema sensibilisieren, wollen ein Grundinteresse für seine Umwelt und den Ort
Passau fördern und dass man sich
entspannt damit beschäftigen
kann. In Passau gibt es auch keine
Architektur-Fakultät, deswegen
machen halt wir das über unseren
Verein. Eine Plattform, auf der
man sich austauschen kann.“
Köberl: „Auch um zu zeigen,
wie es anderswo läuft. Was machen andere Städte? Was wird dort
gebaut?“
Höber-Caspari:
„Wir
sind
durchaus stolz, dass wir in den
letzten Jahren mit viel ehrenamtlichem Engagement und wachsender Professionalität viel aufgebaut
haben und zum drittstärksten Architekturforum Bayerns avanciert
sind. Wir werden von der bayrischen Architektenkammer und
Sponsoren unterstützt und versuchen ein abwechslungsreiches
Programm zu gestalten, das nicht
nur an Mitglieder, sondern an alle
Architektur-Interessierte gerichtet
ist. Zu stadtentwicklungspolitischen Themen holen wir ab und zu
Referenten. Zum Beispiel zum
neuen Passauer Lichtkonzept. Wir
wollen
Stadtratsthemen
und
Stadtentwicklung auch mal öffentlicher machen und Denkanstöße
in der Öffentlichkeit schaffen. Eines unserer jüngeren Projekte war
Architektur für Kinder, wo in Kindergärten und Grundschulen Architektur nahegebracht wird. Oder
das Thema Architektur-Tourismus,
wo wir mit Hoteliers und Gastronomen diskutierten, wie man dies
für Passau nutzen könnte. Wir arbeiten mit Museen zusammen, unter anderem mit dem Museum Moderner Kunst, und geben gemeinsam auch mal ein Buch heraus.“
Auch mal Debatte über
Bauen ohne Architekten
Köberl: „Oder wir haben mal
drei Bauherren eingeladen. Zwei
haben mit Architekten gebaut, einer ohne. Und die haben über ihre
Erfahrungen berichtet − sehr interessant.“
Was sind die größeren Vorhaben
und Ziele in naher Zukunft?
Köberl: „Mich beschäftigt oft die
Frage: Wie bringt man mehr Entscheidungsträger und Politiker zu
unseren Veranstaltungen? Wir bieten eigentlich viel − und das schon
seit 15 Jahren. Und das größere nahe Vorhaben ist jetzt freilich unsere 15-Jahr-Feier. Mit Hilfe von
Sponsoren haben wir da, glaub ich,
ein Programm für einen schönen
Abend zusammengestellt.“
Ein nahes Vorhaben ist wohl sicherlich auch wieder der sympathische Wettbewerb in der Weihnachtszeit, bei dem Mitglieder
Weihnachtskrippen entwerfen
und dabei für einen wohltätigen
Zweck − zum Beispiel einen
Streetbus für Jugendliche − gesammelt wird....
Köberl: „Es wird sicher wieder
eine große Weihnachtsfeier geben.
Aber das Motto dafür und Aktionen wissen wir noch nicht. Es müssen nicht immer Kripperl sein. Wir
haben auch schon mal Christbaumschmuck aus Baumaterialien
entworfen. Einen damit geschmückten Christbaum hat eine
Passauer Baustoff-Firma gekauft.
Der Erlös wurde dem Kinderschutzbund gespendet. Überhaupt: In den letzten Jahren kamen
da durchaus beträchtliche Einnahmen für wohltätige Zwecke in Passau zustande. Für heuer sind wir
aber noch in der Planung, ist ja
noch ein bisserl Zeit.“
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