28 PASSAU Samstag, 22. September 2012 ASTA Nummer 220 „Beton hat einen schlechteren Ruf als er verdient“ Was aber unabhängig von einem Konzerthaus zum Beispiel auch mit gehobener oder ErlebnisGastronomie möglich wäre... Donath: „Freilich, auch.“ Höber-Caspari: „Das könnte man ja jederzeit auch kombinieren. Auch als Kongress- oder Tagungsraum, den es so in Passau ja auch nicht gibt. Wir haben nicht mehr so viele städtebaulich einzigartige Stellen in der Stadt wie diese. Das sollte man als Eigentümer, Investor oder Gesellschafter sehen. Das dort oben multifunktional tagsüber und auch abends zu nutzen, ist eine nicht wiederkehrende große Chance, die man nicht vertun sollte − auch im Sinne der Gesellschaft und Gemeinschaft.“ Das Architekturforum Passau e.V. versteht sich als Interessengemeinschaft, Korrektiv und kollegiales Kollektiv, wenn es vor allem um lokale Baukultur geht. In der kommenden Woche feiert die Plattform ihr 15-jähriges Bestehen. Im „Passauer Gespräch“ äußert sich das Vorstands-Trio Albert Köberl, Philipp Donath und Ingrid Höber-Caspari über vorzeigenswerte Passauer Architektur, Neue-Mitte-Bauten, erstrebenswerte Bauvorhaben und Kripperl-Projekte, die Passau weiterbringen. „Bauen am Wasser ist ein wichtiges Thema“ Köberl: „Der Winterhafen wäre auch so eine einzigartige Stelle. Es gibt in San Sebastian (Spanien) ein Konzerthaus − ein stilisierter Kristall, der förmlich aus dem Meer kommt. Eine ähnliche Chance bietet sich an der Spitze des Winterhafens − gläsern, wie ein Kristall aus der Donau heraus. Man kann viel mit dem Alleinstellungsmerkmal Dreiflüssestadt und Wasser spielen. In die ehemaligen Hochspeicher, die es leider nicht mehr gibt, hätte man Hotels integrieren können. Das alles hätte dort unter dem Begriff ,Leben am Wasser‘ eine ganz besondere Note erhalten können. Die Dreiflüssestadt ist weltbekannt, aber wir leben zu wenig am und mit dem Wasser.“ Von Christian Karl Frage an die Profis: Im Passauer Barockjahr sind die vielbewunderten alten Bauten in aller Munde. Gibt es Ihrer Ansicht nach schöne moderne Innenstadt-Bauten? Albert Köberl: „Da fällt mir schon was ein. Zum Beispiel der Neubau des Landratsamts gegenüber vom Dom. Ein Gebäude aus den Achtziger Jahren − aber ein Baudenkmal und ein Klassiker, der gut in den Kontext passt, einen zeitgemäßen Bau darstellt und selbstbewusst dasteht. Dieses Gebäude kann man auch nach 30 Jahren immer noch gut anschauen. Ein anderes Gebäude, das mir persönlich gut gefällt, ist der FauserBau der Uni, direkt gegenüber vom Nikolakloster − ein zeitloses Gebäude, das elegant die typische Passauer Bauweise aufnimmt und ins Neue interpretiert.“ Philipp Donath: „Oder auch das Rechenzentrum an der Uni − überhaupt große Teile des ganzen Uni-Komplex’.“ Ingrid Höber-Caspari: „Wenn man nicht nur an große Bauten denkt, ist zum Beispiel auch die Scheune in der Innstadt ein sehr gekonnter Umbau und ein schöner Veranstaltungsort, der in historische Umgebung eingeplant ist. In Passau mit seiner vielen historischen Substanz ist vieles sensibler zu sehen, wenn man es zeitgemäß neu umsetzen will.“ „KVV-Turm könnte drei Geschosse mehr haben“ Köberl: „So eine Situation entsteht ja gerade auch am Bonhoeffer-Platz mit dem Neubau des Evangelischen Zentrums durch unseren Kollegen Walter Schwetz. Das wird aus städtebaulicher Sicht eine sehr interessante Geschichte. Die Weiterführung von vorhandenem Bestand mit modernen zeitgemäßen Mitteln − auch wenn es wegen Sichtbetons durchaus umstritten ist. Wir werden dort im kommenden Frühjahr auch mal eine Begehung machen und dazu vielleicht auch die Öffentlichkeit einladen, damit sie Details und Hintergründe erfährt.“ Höber-Caspari: „Beton hat leider immer noch einen schlechteren Ruf als er verdient. Dem Material wird subjektiv und oft voreingenommen eine gewisse Ästhetik abgesprochen. Nicht nur konstruktiv ist er Schlüssel zu manchem leicht und schwerelos erscheinenden Baukörper. Auch seine Möglichkeit zur Oberflächengestaltung sind vielfältig und interessant. Bei einer gekonnter Verwendung können sehr atmosphärische Räumlichkeiten entstehen.“ Köberl: „Auch vor 350 Jahren haben sich die Leute ja auch für was Neues geöffnet und waren aufgeschlossen gegenüber einer neu- Bauen gemeinsam in Passau an einem Interessen-Kollektiv in Sachen Baukultur: Das Vorstandstrio des Architekturforums Passau e.V. mit 1. Vorsitzendem Albert Köberl (rechts) sowie den stellvertretenden Vorsitzenden Ingrid Höber-Caspari und Philipp Donath. − Foto: Karl en Architektur. Sonst könnten wir nicht dieser Tage 350 Jahre Barockstadt feiern und die Stadt wäre großteils gotisch geblieben.“ Aber auch ein verheerender Brand spielte mit, dass Gotik verschwand und Barock entstand... (Allgemeines Lächeln). Sie haben bei vorzeigenswerten modernen Bauten Beispiele genannt, die großteils schon wieder älter sind. Wie steht es um die Bauten der umstrittenen Neuen Mitte? Gerade bei der Stadtgalerie und deren bunte LochblechFassade hat man ja versucht, die kleinteilige Fassadenstruktur der Passauer Innenstadt-Häuser abzubilden... Donath: „Zumindest ein interessanter Ansatz, um einen derart großen Baukörper an so einer Stelle zu integrieren.“ Köberl: „Ich sag jetzt mal meine ganz persönliche Meinung. Dass man so ein Einkaufszentrum wie das von ECE innerstädtisch integriert, finde ich gut. Es wäre für die Innenstadt schlecht gewesen, wenn so was am Stadtrand entstanden und das Zentrum ausgeblutet wäre. An seiner Rückseite ist das Ding halt in seiner ganzen Dimension sichtbar − leider. Ansonsten aber kommt das Center nicht so dominant raus. Das fällt vorne an den Fassaden nur an ein paar Stellen auf. Am großen Eingangsbereich am Ludwigsplatz vielleicht − ein Rüssel, der alles aufsaugt. Auch das denkmalgeschützte Gebäude (altes Resch-Haus) ist vielleicht etwas unsensibel integriert und wird ziemlich erdrückt. Aber es ist leicht, Kritik zu üben. Schwieriger ist es, es selber besser zu machen.“ Höber-Caspari: „Das im Verhältnis kleine Haus wird von der massiven Kubatur schwer an den Rand gedrängt. Eine stärkere Zäsur zwischen Alt und Neu hätte gut getan. Der Entwurfsgedanke, die Maßstäblichkeit Passaus historischer Altstadthäuser in der uns vorliegenden strukturierten, farblich differenzierten Metallfassade zu übertragen, ist jedoch ein sehr guter Ansatz.“ Köberl: „Vielleicht auch was zum Turm − und wieder meine ganz persönliche Meinung und nicht die des Architekturforums: Wenn ich einen Turm bauen will, dann bau ich auch einen Turm − ich finde, er ist zu niedrig. Er könnte ruhig zwei, besser noch drei Geschosse mehr haben. Auch die Fassade ist mir zu streng gerastert.“ „Kristall-Konzerthaus im Winterhafen“ Donath: „Freilich kann man jetzt viel kritisieren bei diesem Riesen-Umbruch in dieser Dimension. Aber es ist sicher nicht ganz einfach, so viel Baumasse in solch einem Bereich unterzubringen. Was dann im Detail gemacht werden kann, hängt von vielen Betei- ligten und Faktoren ab. Aber das Verfahren mit dem Gestaltungsbeirat ist ja ordentlich abgelaufen. Grundsätzlich ist es eine gute Entwicklung, dass das alles dort passiert und die Stadt aufgewertet wird und das Leben pulsiert.“ Apropos Neue Mitte: Was sollte Ihrer Ansicht nach in der Nachbarschaft zum Beispiel auf dem Löwenbrauerei-Areal entstehen − was ist tabu, was wäre erstrebenswert, was täte Not? Köberl: „Ich fände es ganz schön, wenn man dort oben ein Konzerthaus macht. Und zwar so gestaltet, dass einem die AltstadtKulisse zu Füßen liegt.“ Donath: „Es gab da ja vor Jahren schon ganz tolle Entwürfe, die sogar in Universitäten vorgestellt wurden. Die Idee ist ja auch naheliegend: Dass man dort oben eine öffentliche Nutzung hinbekommt, die die Kulisse der Stadt nutzt und einen ganz neuen Blick auf die Stadt ermöglicht.“ INFOS ZUM VEREIN UND ZUR 15-JAHR-FEIER D as Architekturforum Passau e.V. setzt sich laut eigener Philosophie zum Ziel, „zeitgemäßen und zukunftsorientierten Städtebau sowie qualitätsvolle Architektur in der Region zu fördern. Zur Weiterentwicklung der allgemeinen Baukultur möchte der Verein durch Vorträge, Ausstellungen, Diskussionen und Öffentlichkeitsarbeit in den Medien informieren, zur Bewusststeinsund Meinungsbildung anregen und den Stellenwert intensiver Planungsprozesse zu erhöhen“. Mit diesem Ziel sollen die aktuell rund 170 Mitglieder des Vereins und alle am Städtebau und an der Architektur Interessierte zusammengeführt werden. Am kommenden Freitag, 28. September, feiert der Verein ab 19 Uhr unter dem Motto „Architektur − Begegnungen“ sein 15-jähriges Bestehen. Im Redoutensaal sind u.a. Landrat Franz Meyer und OB Jürgen Dupper ebenso als Redner vorgesehen wie Hans Dörr, Vizepräsident der bayerischen Architektenkammer. In kurzen Vorträgen greifen Gerhard Matzig (Architekturkritiker der Süddeutschen Zeitung), Prof. Dr. Dietrich Erben (TU München), Andreas Sobeck (Mitglied Deutscher Werkbund), Peter Baumgardt (EW-Intendant) und Prof. Dr. Ruth Berktold (yes architecture München) architekturspezifische Themen auf. Moderiert wird der von Musik, Tanz und Malerei gerahmte Abend von Alexander Kain (stv. PNP-Chefredakteur). − ck Was sollte überhaupt in Passau architektonisch vorangetrieben werden? Sind Türme oder Hochhäuser in der Innenstadt irgendwann mal weniger umstritten als zuletzt z.B. beim KVV-Turm? Köberl: „Einen Turm oder ein Hochhaus baue ich üblicherweise dort, wo ich vom Platz her begrenzt bin. Ansonsten ist ein Hochhaus ein eher unwirtschaftlicher Bau, weil ich im Verhältnis von Nutzfläche zu Verkehrsfläche − zum Beispiel für Lift, Nottreppen, Treppen − wenig profitiere.“ Donath: „Die Beschäftigung mit Bauen am Wasser finde ich ein sehr wichtiges Thema. Da könnte man schon gut ansetzen.“ Köberl: „Und wir brauchen auch mal ein hochwertiges besonderes Hotel. Es gäbe in der Altstadt durchaus mehrere Möglichkeiten, so was Nichtalltägliches und Spannendes auch in bestehenden Gebäuden − zum Beispiel das Amtsgericht, das alte Hauptzollamt an der Hängebrücke − zu schaffen. Das kann für die Stadt auch unheimlich effektiv sein.“ Höber-Caspari: „Vieles an Ideen, zum Beispiel auch am Inn mit Pontons in den Fluss hinein, darf in Passau nicht gemacht werden. Aber so was kann man auch ganz sensibel gestalten. Wasser hat eine unheimliche Kraft und Anziehungskraft − und wir haben drei Flüsse!“ Themawechsel und hin zum Architekturforum Passau, das in der kommenden Woche 15 Jahre Bestehen feiert: Warum braucht Passau das Architekturforum? Donath: „Jede Stadt braucht Architekturforen, die die Bedeutung der Bauten und der Umwelt ins Bewusstsein rufen und auch in einer gewissen öffentlichen Art und Weise behandeln. Auch um es Laien zugänglich zu machen und auch unter Kollegen zu diskutieren.“ Vielleicht auch, um der Öffentlichkeit was zu erklären, was auf den ersten Blick nicht ganz nachvollziehbar erscheint, was da hochgezogen wird? Köberl: „Das Wort Baukultur sagt es ja schon: Jede Stadt braucht entsprechende Einrichtungen, die diese Art von Kultur vertreten und vielleicht auch vermitteln. Baukultur geht uns alle an.“ Höber-Caspari: „Baukultur hat die größte sichtbare Wirkung. Der frühere Bundespräsident Johannes Rau hat mal gesagt: Bilder kann man abhängen, ein Buch kann man zuschlagen, Musik kann man abschalten − an einem Gebäude aber kann man nicht vorbeigehen, ohne es zu sehen. Von dieser Aussage ist jede Stadt und ist jeder Bürger betroffen. Und dazu tragen wir im Architekturforum auch etwas bei. Wir sind in Passau das drittstärkste Architekturforum in Bayern und haben bei uns unter 170 Mitgliedern Architektur-Interessierte, Handwerker und eben auch gut ein Drittel Architekten. Wir holen fast jedes Monat Referenten für Vorträge. Wir machen Hausbegehungen. Wir haben Kino-Beiträge, die sich mit moderner Architektur beschäftigen. Wir machen Exkursionen, wo wir uns viel Neues anschauen. Demnächst zum Beispiel nach Slowenien.“ Was sind die größten Errungenschaften bis dato? Donath: „Es sollte halt nicht darum gehen, dass man sich nur einmal in seinem Leben mit Architektur beschäftigt − nämlich dann, wenn man selbst ein Haus baut. Wir wollen für das Thema sensibilisieren, wollen ein Grundinteresse für seine Umwelt und den Ort Passau fördern und dass man sich entspannt damit beschäftigen kann. In Passau gibt es auch keine Architektur-Fakultät, deswegen machen halt wir das über unseren Verein. Eine Plattform, auf der man sich austauschen kann.“ Köberl: „Auch um zu zeigen, wie es anderswo läuft. Was machen andere Städte? Was wird dort gebaut?“ Höber-Caspari: „Wir sind durchaus stolz, dass wir in den letzten Jahren mit viel ehrenamtlichem Engagement und wachsender Professionalität viel aufgebaut haben und zum drittstärksten Architekturforum Bayerns avanciert sind. Wir werden von der bayrischen Architektenkammer und Sponsoren unterstützt und versuchen ein abwechslungsreiches Programm zu gestalten, das nicht nur an Mitglieder, sondern an alle Architektur-Interessierte gerichtet ist. Zu stadtentwicklungspolitischen Themen holen wir ab und zu Referenten. Zum Beispiel zum neuen Passauer Lichtkonzept. Wir wollen Stadtratsthemen und Stadtentwicklung auch mal öffentlicher machen und Denkanstöße in der Öffentlichkeit schaffen. Eines unserer jüngeren Projekte war Architektur für Kinder, wo in Kindergärten und Grundschulen Architektur nahegebracht wird. Oder das Thema Architektur-Tourismus, wo wir mit Hoteliers und Gastronomen diskutierten, wie man dies für Passau nutzen könnte. Wir arbeiten mit Museen zusammen, unter anderem mit dem Museum Moderner Kunst, und geben gemeinsam auch mal ein Buch heraus.“ Auch mal Debatte über Bauen ohne Architekten Köberl: „Oder wir haben mal drei Bauherren eingeladen. Zwei haben mit Architekten gebaut, einer ohne. Und die haben über ihre Erfahrungen berichtet − sehr interessant.“ Was sind die größeren Vorhaben und Ziele in naher Zukunft? Köberl: „Mich beschäftigt oft die Frage: Wie bringt man mehr Entscheidungsträger und Politiker zu unseren Veranstaltungen? Wir bieten eigentlich viel − und das schon seit 15 Jahren. Und das größere nahe Vorhaben ist jetzt freilich unsere 15-Jahr-Feier. Mit Hilfe von Sponsoren haben wir da, glaub ich, ein Programm für einen schönen Abend zusammengestellt.“ Ein nahes Vorhaben ist wohl sicherlich auch wieder der sympathische Wettbewerb in der Weihnachtszeit, bei dem Mitglieder Weihnachtskrippen entwerfen und dabei für einen wohltätigen Zweck − zum Beispiel einen Streetbus für Jugendliche − gesammelt wird.... Köberl: „Es wird sicher wieder eine große Weihnachtsfeier geben. Aber das Motto dafür und Aktionen wissen wir noch nicht. Es müssen nicht immer Kripperl sein. Wir haben auch schon mal Christbaumschmuck aus Baumaterialien entworfen. Einen damit geschmückten Christbaum hat eine Passauer Baustoff-Firma gekauft. Der Erlös wurde dem Kinderschutzbund gespendet. Überhaupt: In den letzten Jahren kamen da durchaus beträchtliche Einnahmen für wohltätige Zwecke in Passau zustande. Für heuer sind wir aber noch in der Planung, ist ja noch ein bisserl Zeit.“