Physikalische und physiologische Grundlagen der

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© 2003
Schattauer GmbH
Physikalische und physiologische Grundlagen
der transkraniellen Magnetstimulation
T. Kammer 1, A. Thielscher 2
1
Abteilung Neurobiologie, Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, Tübingen
2
Abteilung Psychiatrie III, Universität Ulm
Schlüsselwörter
Keywords
Stimulationspuls, monophasisch, biphasisch, Rundspule,
Doppelspule, induzierte Feldverteilung, Nervenmodell,
transkranielle Magnetstimulation
Stimulation pulse, monophasic, biphasic, round coil,
double coil, induced fields, nerve model, transcranial
magnetic stimulation
Zusammenfassung
Summary
Der Beitrag liefert einen Überblick über die technischen,
biophysikalischen und physiologischen Grundlagen der
transkraniellen Magnetstimulation (TMS). Ausgehend
von der Technik eines Stimulators und des Wirkungsprinzips der TMS werden der zeitliche Verlauf eines Stimulationspulses sowie die räumliche Verteilung der im Kopf
induzierten Felder dargestellt. Auf der Grundlage von
Schwellenmessungen werden Umrechnungsfaktoren für
verschiedene gängige Stimulatorkonfigurationen angegeben. Anschließend wird auf die Vergleichbarkeit von
technischen Parametern zwischen Kernspinresonanztomographie und TMS eingegangen. Zum Schluss sind
kurz mögliche technische Weiterentwicklungen dargestellt.
We present an overview on the technical, biophysical,
and physiological fundamentals of transcranial magnetic
stimulation (TMS). Starting with the stimulator technique and the active principle of TMS we illustrate the
time course of a stimulation pulse and the spatial distribution of the induced fields. Based on threshold measurements transformation factors are given that allow the
comparison of stimulation intensities using different
stimulators. We discuss the comparability of technical
parameters known from magnetic resonance imaging
and TMS. Finally, we give an brief overview on putative
further developments.
The physical and physiological fundamentals of
transcranial magnetic stimulation
Nervenheilkunde 2003; 22: 168-76
S
eit der Einführung durch Barker et al.
(1) erfreut sich die transkranielle
Magnetstimulation (TMS) einer zunehmenden Beachtung in der Erforschung,
Diagnostik und Therapie des zentralen
Nervensystems. Im Folgenden werden
relevante physikalische, physiologische und
technische Grundlagen der TMS dargestellt, die die Stimulation des zentralen
Nervensystems ermöglichen. ((Aus Platzgründen gekürzt)) Die vorliegende Arbeit
beschränkt sich dabei auf die Wirkung eines einzelnen, zeitlich isolierten Magnetpulses. Die Wirkung von paired-pulse TMS,
also zweier zeitlich nah aufeinander folgender Pulse (18), und von repetitiver TMS,
also von Puls-Salven, die mit 1-50 Hz appliziert werden und deren Ziel es ist, Eigenschaften kortikaler Netzwerke zu modulieren (4, 24), werden nicht behandelt.
Physikalische und technische
Grundlagen
Wirkungsprinzip
Die Magnetstimulation beruht auf dem
Prinzip der elektromagnetischen Induktion. Ein starker Strompuls fließt durch
eine Spule und erzeugt dabei ein starkes,
transientes Magnetfeld. Dieses Feld induziert ein elektrisches Feld, welches mit
zunehmender Entfernung von der Spule
schwächer wird. Durch das elektrische Feld
wird an Zellmembranen eine Potenzialdifferenz hervorgerufen, die im Kortex zu
einer Hyper- und Depolarisierung von
Neuronen führt. Dabei wird allgemein angenommen, dass das elektrische Feld am
stärksten auf die Axone und Axonhügel
der kortikalen Neuronen wirkt (19).
Für die Erregung von Axonen ist die
Größe und Richtung des elektrischen Feldes entscheidend. Dabei spielt es keine
Rolle, ob das Feld durch elektromagnetische Induktion oder direkt über Elektroden appliziert wird. Allerdings unterscheidet sich elektrische Stimulation von Magnetstimulation in der Geometrie, also der
Richtung der applizierten elektrischen Felder. Ein weiterer, wesentlicher Unterschied
liegt in den Nebenwirkungen des Energietransfers. Magnetfelder durchdringen auch
nicht-leitende Strukturen wie Knochen
ohne wesentliche Abschwächung. Bei direkter Stromapplikation über Elektroden
führt der hohe Ohmsche Widerstand des
Knochens und der Haut zu einem erheblichen Spannungsabfall und macht daher
hohe Stimulationsintensitäten erforderlich
(21). Diese wiederum führen zur Mitstimulation von sensorischen Nervenendigungen
im Kontaktbereich der Elektroden, die
sehr schmerzhaft ist. Magnetstimulation ist
weniger invasiv. Die Spule muss lediglich
über den zu stimulierenden Bereich gehalten werden. Hautpräparation und Ankleben von Elektroden entfallen. Als Nachteil
für die Magnetstimulation gegenüber elektrischer Stimulation ist die aufwendige und
schwere, schlecht transportable GeräteNervenheilkunde 4/2003
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Kammer, Thielscher
technik zu nennen, die wesentlich kostspieliger ist als ein elektrischer Reizgenerator.
Prinzipieller technischer Aufbau von
Magnetstimulatoren und zeitlicher
Ablauf eines Magnetpulses
Der Magnetstimulator besteht im Wesentlichen aus einem Kondensator, der Stimulationsspule und einem elektronischen Schalter, dem sog. Thyristor (Abb. 1). Der Thyristor kann die Verbindung zwischen Kondensator und Spule schließen und somit
den Schwingkreis einschalten. Der Kondensator, der über ein Hochspannungsnetzteil auf bis zu 5000 V aufgeladen wurde, entlädt sich, die gespeicherte Ladung
fließt als Strom (mit bis zu 10000 A) durch
die Spule und baut dort ein transientes Magnetfeld auf. Dieses Magnetfeld bewirkt,
dass der Stromfluss anhält bis die gesamte
a
b
Abb. 1 Ersatzschaltbilder für a) biphasische und b)
monophasische Magnetstimulatoren. C : Kondensator
(100 mF), L : Stimulationsspule (15 mH), S : Schalter
(Leistungsthyristor), D : Diode, Rl: Innenwiderstand des
Schaltkreises, Rp: Leistungswiderstand. Der Schalter trennt
den Schwingkreis LCR nach einer Schwingungsperiode.
Während in a) der induzierte Strom aus der Spule in den
Kondensator zurückfließt und dort für den nächsten Stimulus zur Verfügung steht, wird er in b) über die Diode und
den Leistungswiderstand Rp dem Schwingkreis entzogen.
Nervenheilkunde 4/2003
Ladung in den Kondensator zurückgeflossen ist und dieser dann mit umgekehrter
Polarität wiederum komplett geladen ist.
Anschließend fließt die Ladung wieder in
die entgegengesetzte Richtung zurück, es
baut sich abermals ein Magnetfeld auf... Es
entsteht eine sinusförmige Schwingung, die
aufgrund der Verluste im Schwingkreis
gedämpft ist und langsam abklingt. Die
Frequenz der Schwingung wird bestimmt
durch die Kapazität des Kondensators
(etwa 100 F), die Induktivität der Spule
(etwa 15 H) und den Widerstand. Sie
beträgt bei herkömmlichen Stimulatoren
etwa 2000-4000 Hz, was einer Schwingungsdauer von 250-500 s entspricht. Die
gedämpfte, langsam schwächer werdende
Schwingung kann direkt zur Stimulation
eingesetzt werden (Fa. Cadwell). Bei den
meisten Geräten wird der Schwingkreis
jedoch nach dem Ablauf einer Periode
durch Öffnen des Schalters unterbrochen,
sodass ein biphasischer Stimulationspuls
resultiert (Abb. 1a und 2a).
Schließlich gibt es auch die Möglichkeit,
den Strom nicht zurück in den Kondensator fließen zu lassen, sondern nach einer
viertel Schwingung über eine Diode und
einen Lastwiderstand abzuleiten. Es resultiert ein so genannter monophasischer Puls
(Abb. 1b und 2d). Er hat gegenüber dem
biphasischen Puls den Vorteil, dass zur Depolarisation der Axone hauptsächlich die
schnelle Aufstrichphase in einer Richtung
beiträgt. Bei den biphasischen Pulsen führt
die schnelle Rückschwingung zu einer
Umladung der Membranen und somit zu
einem wirksamen Polaritätswechsel der
Stimulation. Es hat sich herausgestellt,
dass – wie später ausführlicher behandelt –
dies im Vergleich mit dem monophasischen
Puls ein effizienterer Weg ist, Axone zu
depolarisieren. Allerdings entstehen durch
den Polaritätswechsel komplexere und
schwerer zu interpretierende Effekte im
kortikalen Netzwerk. Ein wesentlicher
Grund in der Verwendung von biphasischen Pulsen liegt heute darin begründet,
dass ein großer Teil der Stimulationsenergie in den Kondensator zurückfließt und
so für den nächsten Stimulationspuls zur
Verfügung steht. So lassen sich technisch
leichter repetitive Stimulationsmuster mit
Pulssalven von 1-50 Hz realisieren.
Abhängigkeit der Stimulation
von Pulsform, Stromrichtung
und Stimulatorenergie
Stimulation eines Axons
Das Axon einer Nervenzelle weist ein
Ruhepotenzial zwischen -50 und -70 mV
auf. Durch das vom TMS-Puls verursachte
elektrische Feld muss es auf etwa -30 bis -40
mV depolarisiert werden, um ein Aktionspotenzial auszulösen. Die elektrischen Eigenschaften eines Axons werden einerseits
durch die semipermeable Zellmembran bestimmt, die man sich als geladenen Kondensator mit parallelem Leckwiderstand
vorstellen kann. Dazu kommen Komponenten wie spannungsabhängige Kanäle
und Ionenpumpen, die einerseits das Ruhepotenzial aufrechterhalten, andererseits bei
hinreichender Depolarisation das Aktionspotenzial auslösen. Zur Depolarisation des
Axons ist eine Umladung der Zellmembran erforderlich. Es wird allgemein angenommen, dass das von außen angelegte
elektrische Feld vor allem in Richtung entlang des Axons wirkt; Feldkomponenten
senkrecht zum Axon können vernachlässigt werden, da sie ungleich größer sein
müssen, um das Axon zu depolarisieren
(22, 27). Interessant ist nun die Frage, wie
stark das eingebrachte elektrische Feld sein
muss und wie lang es anliegen muss, um eine überschwellige Antwort auszulösen. Das
von der TMS induzierte Feld ist proportional zur Änderung des magnetischen Feldes
(entspricht der Ableitung, Abb. 2b, e). Barker et al. (2) führten Messungen mit einem
Magnetstimulator durch, bei dem monophasische Pulsformen mit unterschiedlichen Aufstrichzeiten, also unterschiedlichen Frequenzen des Schwingkreises, erzeugt werden konnten. Bei schnelleren
Aufstrichzeiten wurde weniger gespeicherte Energie benötigt, um die Erregungsschwelle im Motorkortex zu erreichen als
bei langsameren Aufstrichzeiten. Dies bedeutet, dass ein Magnetstimulator mit
höherer Pulsfrequenz effizienter arbeitet.
Allerdings steigt mit kürzeren Aufstrichzeiten auch die zur Stimulation nötige Kondensatorspannung an, was teurere Kondensatoren notwendig macht. Bei kommerziellen Stimulatoren muss somit ein Kompro-
170/14
Physikalische und physiologische Grundlagen der TMS
miss zwischen Preis und Effizienz eingegangen werden.
Mit Hilfe der Messungen konnten Barker et al. (2) die Zeitkonstanten der kortikalen Axone abschätzen. Sie lag bei 150 µs,
einem Wert, der auch von Messungen mit
elektrischer Stimulation in vitro bekannt
ist. Die Schwingkreise der kommerziell
erhältlichen Stimulatoren erreichen Aufstrichzeiten von 60-125 µs.
a
d
b
e
c
f
Vergleich verschiedener Pulsformen:
Modellbetrachtungen
Neben der oben betrachteten monophasischen Pulsform kommen heute (z. B. bei
der repetitiven TMS) häufig biphasische
Pulse zum Einsatz. Die folgenden Modellbetrachtungen sollen die Unterschiede in
der Wirkungsweise dieser beiden Pulstypen
aufzeigen. Als erste Näherung lässt sich die
Zellmembran des Axons dazu als Kondensator mit einem parallel geschalteten Leckwiderstand vorstellen, wobei die aktiven
Komponenten (Kanäle und Ionenpumpen)
vernachlässigt werden. Dieser Kondensator
integriert (»summiert«) die Ladungen auf,
welche durch die von außen induzierte
Spannung verschoben werden, sodass das
Membranpotenzial bei einem monophasischen Stimulus den in Abbildung 2f gezeigten zeitlichen Verlauf aufweist. Das
Membranpotenzial hat bei monophasischer Stimulation somit ein einzelnes
Maximum zu Beginn des Stimulationspulses.
Bei biphasischer Stimulation zeigt das
Membranpotenzial 2 Extrema (Abb. 2c),
ein initiales Maximum (wie beim monophasischen Puls) gefolgt von einem ausgeprägten Minimum. Man kann zeigen, dass
das Minimum aufgrund der Membranzeitkonstanten von 150 ms immer stärker ist als
das initiale Maximum (bei den Berechnungen in Abb. 2c ist das Minimum z.B. 1,2fach
stärker) (32). Damit ist ein biphasischer
Puls vor allem durch das induzierte Potenzialminimum wirksam. Folglich benötigen
monophasische Stimulatoren im Vergleich
zu biphasischen höhere Intensitäten, um
die gleiche Wirkung zu erzielen. Bei den in
Abbildung 3 betrachteten Stimulatoren ist
dies beispielsweise eben eine 1,2fach höhere Intensität, wenn alle anderen Randbe-
Abb. 2 Pulsformen von biphasischen (a, c, e) und monophasischen (b, d, f) Stimulatoren. Oben (a, d) sind die Ströme in
der Spule gezeigt, in der Mitte (b, e) die im Gewebe induzierten elektrischen Felder und unten (c, f) das Membranpotenzial
eines Modellaxons. Die induzierten Felder im Gewebe (b, e) entsprechen der Ableitung des Spulenstroms. Die Aufstrichzeit ist
die Zeit, die der Strom in der Spule benötigt, um von 0 auf das Maximum anzusteigen (a, d). Nach dieser Zeit ändert sich die
Polarität des induzierten elektrischen Feldes (b, e). Das Membranpotenzial (c, f) ergibt sich (vereinfacht ausgedrückt) aus
dem Integral des induzierten elektrischen Feldes unter der Annahme einer Membranzeitkonstante von 150 ms. Der Betrag
des Potenzials ist beim biphasischen Puls (c) in der ersten (hier positiven) Halbwelle kleiner als in der zweiten (hier negativen) Halbwelle.
dingungen konstant gehalten werden. Des
Weiteren weist das induzierte elektrische
Feld beim biphasischen Stimulus zum Zeitpunkt des Potenzialminimums die entgegengesetzte Richtung im Vergleich zum initialen Maximum auf. Will man somit die
Wirkung von mono- und biphasischen Stimuluspulsen miteinander vergleichen, so
muss die initiale Stromrichtung des biphasischen Pulses entgegengesetzt zum monophasischen Puls sein (siehe »Vergleich verschiedener Pulsformen, Stromrichtungen
und Stimulatoren«).
Abschließend noch einige Anmerkung:
Ob ein Axon bei einem in Abbildung 2c
und 2f dargestellten Maximum bzw. Minimum hyper- oder depolarisiert wird, hängt
letztendlich von der Richtung des elektrischen Feldes in Relation zum Axon ab.
Diese ist bei kortikalen Neuronen jedoch
unbekannt, sodass man nur den Summeneffekt über eine Vielzahl von Neuronen
betrachten kann und bei den obigen
Abschätzungen vernachlässigt, ob ein
Extremum positiv oder negativ ist. Weiterhin ist die stark vereinfachte Betrachtung
eines Axons als passive Membran zwar
nicht falsch, sie kann aber nur eine qualitative und keine quantitative Erklärung
geben.
Nervenheilkunde 4/2003
171/ 15
Kammer, Thielscher
Vergleich verschiedener Pulsformen,
Stromrichtungen und Stimulatoren:
experimentelle Ergebnisse
a
b
Abb. 3
Motorische Schwellen von
8 Versuchspersonen, gemessen mit verschiedenen
Stimulatoren (Magstim
und Medtronic-Dantec),
monophasischen (mono)
und biphasischen (bi) Pulsformen sowie den Stromrichtungen postero-anterior und antero-posterior,
bezogen auf den Motorkortex (Gyrus praecentralis). a) Mittelwerte der motorischen Schwellen, angegeben in Prozent der maximalen Ausgangsleistung
des jeweiligen Gerätes; b)
Mittelwerte der motorischen Schwellen, normiert
auf die Quadratwurzel der
gespeicherten Energie der
jeweiligen Stimulatoren.
Daten aus (15).
Tab. 1 Verhältnis der Ausgangsleistung verschiedener Magnetstimulatoren. Die Umrechnungsfaktoren stammen von Messungen der Motorschwelle (15). Die Berechnung der Stimulationsintensität eines Gerätes Ineu (in Prozent der Maximalleistung) von dem Prozentwert eines anderen Gerätes Ibekannt erfolgt mittels des Dreisatzes: Ineu = Ibekannt * Faktorneu /
Faktorbekannt.
Nervenheilkunde 4/2003
Viele Faktoren bestimmen die tatsächliche
Stimulationsstärke eines TMS-Gerätes. Zu
nennen sind die gespeicherte Energie, die
Parameter des Schwingkreises, aus denen
sich die Stimulationsfrequenz mit einer bestimmten Aufstrichgeschwindigkeit ergibt,
die Pulsform und schließlich die Geometrie
der Spule. Bisher gibt es keine Modelle, die
alle Faktoren berücksichtigen und in der
Lage sind, die physiologische kortikale
Antwort auf eine Magnetstimulation realistisch vorauszusagen. Daher ist eine pragmatische Möglichkeit zum Vergleich verschiedener Stimulatoren die vergleichende
Messung eines physiologischen Parameters. Hierzu wählten wir die motorische
Schwelle (MS) eines kleinen Handmuskels
in Ruhe bei fokaler Stimulation des kontralateralen Motorkortex (15). Zum Einsatz kamen die Stimulatoren Magstim 200
(monophasische Pulsform), Magstim rapid
(biphasische Pulsform) und MedtronicDantec Magpro (Pulsform umschaltbar
zwischen monophasisch und biphasisch).
Abbildung 3a zeigt die gemessenen motorischen Schwellen in Prozent der maximalen
Ausgangsleistung als Mittelwerte von 8
Versuchspersonen. Neben den genannten
Stimulatoren wurde zusätzlich die Stromrichtung im Gyrus praecentralis zwischen
postero-anterior (p-a) und antero-posterior (a-p) variiert. Betrachten wir zunächst
die monophasischen Pulse. Sie waren für
die Stromrichtung p-a niedriger als für a-p.
Ferner lagen die Schwellen mit dem Magstim 200 deutlich unter denen von Medtronic-Dantec. Ganz anders war das Muster
bei den biphasischen Pulsen. Hier war
die Stromrichtung a-p günstiger als p-a.
Außerdem lagen die Schwellen mit Medtronic-Dantec unter denen von Magstim
rapid.
Ein wesentlicher technischer Unterschied zwischen den verschiedenen Stimulatoren ist die Größe des verwendeten
Kondensators und die maximale Ladespannung. Aus diesen ergibt sich die maximal
gespeicherte Energie, die für die verschiedenen Geräte in Tabelle 1 angegeben ist.
Die im Gewebe induzierten Feldstärken
172/18
Physikalische und physiologische Grundlagen der TMS
sind im Wesentlichen proportional zur
Quadratwurzel der gespeicherten Energie
(2). Normiert man die gemessenen Schwellenwerte (in Prozent der max. Ausgangsleistung der Geräte) auf die maximal applizierbare Feldstärke, so zeigt sich ein konsistentes Bild in der Abhängigkeit der Pulsform und Stromrichtung auf die motorische
Schwelle (Abb. 3b). Biphasische Pulse sind
effizienter als monophasische, die Stromrichtung p-a ist für monophasische Pulse
günstiger, während für biphasische Pulse
a-p vorzuziehen ist. Für alle Schwellenmessungen gilt, dass, bezogen auf die zur Verfügung stehende Energie, der Stimulator
von Medtronic-Dantec effizienter arbeitet
als die beiden Stimulatoren von Magstim.
Modellrechnungen zeigen, dass dies
hauptsächlich an den unterschiedlichen
Spulengeometrien liegt (32, siehe »Feldgeometrie und Stimulationsort«).
Die vorgestellten Messungen ermöglichen das Umrechnen von (relativen) Stimulationsintensitäten eines Gerätes in die
eines anderen Gerätes. Die Umrechnungsfaktoren sind in Tabelle 1 angegeben. Der
physiologische Hintergrund für die unterschiedliche Effizienz der Pulsformen und
Stromrichtungen ist noch nicht vollständig
verstanden. Es gibt Hinweise, dass im kortikalen Netzwerk mit den verschiedenen
Stromrichtungen unterschiedliche neuronale Populationen erregt werden (29). Als
Ursache lässt sich eine Anisotropie in der
Orientierung von Axonen in den kortikalen Schichten vermuten, die noch nicht charakterisiert worden ist. Den Effizienzvorteil der biphasischen Stimuli gegenüber
den monophasischen kann hingegen bereits das einfache passive Nervenmodell
näherungsweise erklären, wenngleich z. B.
eine initiale Hyperpolarisierung von Natriumkanälen als weiterer beim biphasischen
Stimulus wichtiger Faktor diskutiert wird
(10).
Unterschiede in der Erregbarkeit abhängig von der applizierten Stromrichtung
wurden auch für andere kortikale Areale
nachgewiesen. Für den visuellen Kortex
konnten wir bezüglich der Phosphenschwelle zeigen, dass latero-mediale Ströme gegenüber medio-lateralen Strömen im
Vorteil sind (14). Im präfrontalen Kortex
fanden Hill et al. (9) für eine Gedächtnis-
aufgabe ebenfalls eine Richtungspräferenz
der induzierten Ströme.
Feldgeometrie und Stimulationsort
Zurzeit werden vorrangig 2 verschiedene
Spulentypen zur TMS eingesetzt, die einfache Rundspule und die fokalere Doppelspule, auch Schmetterlingsspule oder »figure-of-eight«-Spule genannt. Wie im Röntgenbild zu sehen ist (Abb. 4a), sind die
Windungen des Leiters bei der einfachen
Rundspule spiralförmig in einer Ebene angeordnet.
Misst man die induzierte elektrische
Feldstärke in einer Fläche mit bestimmtem
Abstand zur Rundspule (z.B. 1 cm,Abb. 5a),
so liegt das Maximum nicht genau in der
Mitte der Spule, sondern in einem Kreis
über den Spulenwindungen. Durch den Intensitätsabfall nach innen und außen ergibt
sich ein trogförmiger Feldstärkeverlauf.
Der induzierte Strom hat genau die entgegengesetzte Richtung zum in der Spule
fließenden Strom. Unabhängig von der gewählten Spulenausrichtung und -verkippung verlaufen die im Kopf induzierten
Ströme und das elektrische Feld dabei immer parallel zur Kortexoberfläche. Bewirkt
wird dies durch die Grenzschichten zwischen gut leitendem Liquor und schlechter
leitendem Knochen sowie zwischen Knochen und nicht leitender Luft. An diesen
Grenzschichten sammeln sich Ladungen
und erzeugen ebenfalls ein elektrisches
a
b
Abb. 4
Röntgenbilder der Stimulationsspulen: a) Rundspule Medtronic-Dantec,
b) fokale Spule Magstim,
c) fokale Spule Medtronic-Dantec. Die Spulenwindungen der fokalen
Magstim-Spule liegen nebeneinander in einer Ebene. Bei der fokalen Spule
von Medtronic-Dantec
überlappen sich die beiden Windungen. Zusätzlich sind sie im Winkel von
140° zueinander geknickt.
c
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Kammer, Thielscher
a
b
Abb. 5
Verteilung der elektrischen Feldstärke a) einer
Rundspule, b) einer fokalen Doppelspule. Es wird
der Betrag des Vektorpotenzials in Luft in einem
Abstand von 1 cm über
einer einfachen oder doppelten Leiterschleife dargestellt. Während die xund y-Achse die Fläche
aufspannen, in der die
Spule sich befindet, stellt
die z-Achse nach oben
keine Raumebene dar,
sondern bildet die Feldstärke ab.
Feld, welches die radial zur Kortexoberfläche verlaufenden Komponenten des
Spulenfeldes aufhebt (7).
Es wird allgemein angenommen, dass
kortikales Gewebe durch einen TMS-Puls
desto stärker erregt wird, je stärker das
dort induzierte elektrische Feld ist. Die Stimulation tritt damit am ehesten an der Stelle des kortikalen Feldmaximums auf (13,
33). Die Berechnung der Feldverteilung im
Kopf zeigt, dass bei einer Rundspule die
stärksten Ströme entlang eines Ringes parNervenheilkunde 4/2003
allel zur Spulenwindung fließen. Diese wenig fokale Eigenschaft wird zur Stimulation
der motorischen Hirnrinde genutzt. Positioniert man die Rundspule direkt auf dem
Vertex, so werden motorische Areale beider Hemisphären depolarisiert und man
kann motorische Leitungszeiten zu beiden
Armen bestimmen.
Eine deutlich fokalere Stimulation ermöglicht die Doppelspule. Sie besteht aus
2 nebeneinander gerückten, einfachen
Spulen, die gegenläufig vom Strom durch-
flossen werden (Abb. 4b, c). Dadurch
summieren sich in der Mitte die trogförmigen Feldanteile zu einer Art Zapfen auf
(Abb. 5b). Die Standard-Doppelspulen der
Firma Medtronic-Dantec unterscheidet
sich von der der Firma Magstim dadurch,
dass sich die Windungen der beiden Spulenwicklungen in der Mitte überlappen und
dass die beiden Wicklungen zueinander in
einem Winkel von 140° gekippt sind (Abb.
4c). Dies führt zu einer Zunahme der Feldstärke bei gleichzeitiger geringer Abnahme
der Fokalität (32). Die Feldstärkenzunahme spiegelt sich in einer höheren Effizienz
wider (Abb. 3b). Bezüglich der Unterschiede in der Fokalität gibt es bisher keine
systematischen Untersuchungen.
Einen elementaren Einfluss auf die
Größe der induzierten Feldstärke hat der
Abstand des kortikalen Gewebes zur Spule. Die Intensität fällt etwa quadratisch mit
der Entfernung zur Spule ab (Abb. 6a, b).
Dies führt dazu, dass die charakteristischen
Feldstärkeunterschiede, die auf die Spulengeometrie zurückzuführen sind, zunehmend verwischen (Abb. 6c).
Generell gilt, dass eine größere Eindringtiefe mit stärkeren Stimulationsimpulsen oder mit größeren Spulen erreicht
werden kann. Dies bedeutet allerdings
immer, dass näher zur Spule liegende
Bereiche ebenfalls stärkeren Feldgradienten ausgesetzt sind. Leider ist bei der TMS
eine Fokussierung von Feldern in der Tiefe
prinzipiell nicht möglich, mit welcher
Kombination aus Spulen auch immer (7).
Im Gegensatz zur Strahlentherapie, bei
der Strahlenquellen aus verschiedenen
Richtungen an einem Punkt fokussiert
werden können, würde eine Verteilung von
mehreren Spulen immer zu hohen Feldstärken direkt unter den Spulen und zu
einer geringeren Feldstärke im Fokus
führen.
Vergleich TMS und Kernspintomographie: die »Tesla-Legende«
Die applizierte Stimulationsstärke wird bei
den kommerziell verfügbaren Magnetstimulatoren über einen Regler eingestellt,
der in Prozent der maximalen Stimulati-
174/20
Physikalische und physiologische Grundlagen der TMS
onsstärke skaliert ist. Dieser Prozentwert
wird in den meisten TMS-Arbeiten auch direkt für die eingesetzten Stimulationsstärken berichtet (Abb. 3a). Da sich die Geräte
verschiedener Hersteller aber in ihrer Leistungsfähigkeit unterscheiden (Tabelle 1),
liefert dieser Prozentwert keine direkte
Angaben zur tatsächlich applizierten Stimulationsintensität. Um Stimulationsparameter vergleichbar zu machen, geben daher viele Autoren die maximale Magnetfeldstärke in Tesla an, die das Gerät mit der
verwendeten Spule erzeugen kann. Leider
lässt diese Angabe auch keinen Vergleich
zwischen verschiedenen Geräten zu, da weder die Aufstrichgeschwindigkeit des Stimulationspulses noch die Spulengeometrie
erfasst wird. Zusätzlich suggeriert die Angabe von beispielsweise 1,9 Tesla (maximale Feldstärke von Medtronic-Dantec Doppelspule MC-B70, nach Herstellerangabe),
dass die Applikation von TMS vergleichbar
sei mit der Exposition von Probanden in
der Kernspintomographie mit einer Feldstärke von ebenfalls 1,5-3 Tesla, wie sie bei
den zurzeit eingesetzten Scannern üblich
ist. Hierbei wird übersehen, dass es sich bei
der Kernspintomographie zunächst um ein
stationäres Magnetfeld handelt, während
die TMS nur funktioniert, da ein transientes, also sich änderndes Magnetfeld appliziert wird. Um die Stimulationsstärke eines
TMS-Pulses zu beschreiben, ist daher zumindest die Angabe der stärksten Änderung des Magnetfeldes dB/dt nötig, da sich
das induzierte elektrische Feld proportional zu diesem Gradienten verhält. So lässt
sich auch ein Vergleich mit der Kernspintomographie wiederherstellen.
Die Bildgebung dort beruht auf der Applikation von so genannten Gradienten, also ebenfalls plötzlichen Änderungen des
elektromagnetischen Feldes. Diese Gradienten regen die Atome an und führen dazu,
dass diese ein schwaches elektromagnetisches Signal außenden, welches Rückschlüsse auf die Anordnung der Atome
zulässt und so zu einem Bild führt. Übersteigen diese Gradienten eine bestimmte
Stärke, so werden, genauso wie bei der
TMS, in den Geweben elektrische Felder
induziert, die Neurone depolarisieren können. So kann es beispielsweise zu Muskelzuckungen kommen. Da diese Nebenwir-
a
b
Abb. 6
Abnahme der elektrischen
Feldstärke mit zunehmender Entfernung von
der Spule. a) relative Abnahme des Maximums
(normiert auf die Feldstärke bei 1 cm Abstand;
b) relative Abnahme, dargestellt in den Ebenen mit
1-3 cm Abstand; c) Veränderung des Feldprofils
und damit der Fokalität
der Spule in den 3 ausgewählten Ebenen. Das jeweilige Feldmaximum ist
auf 1 (rot) normiert. Innerhalb der gestrichelten
Linie ist die Feldstärke >
70% der maximalen Feldstärke.
c
kung nicht nur unerwünscht, sondern potenziell gesundheitsschädigend ist, gibt es
für die Kernspintomographie Gradientengrenzwerte. Diese liegen momentan bei 20
T/s für Pulslängen über 120 µs. Für kürzere
Pulslängen sind stärkere Gradienten zugelassen, z.B. 200 T/s für eine Pulslänge von
12 µs (11). Höhere Gradienten (500 T/s für
Pulslängen über 120 µs, 5000 T/s für eine
Pulslänge von 12 µs) dürfen verwendet
werden, wenn der Untersucher sich ständig
vergewissert, dass der Proband keinerlei
Muskel- oder Hautstimulation erlebt (IEC
safety standard, first controlled mode, [11]).
Die Gradienten, die eine Magnetstimulationsspule erreicht, sind maximal 35000 T/s
Nervenheilkunde 4/2003
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Kammer, Thielscher
(Medtronic-Dantec-Doppelspule). Dieser
Gradientenwert wird mit einem Abstand
von 2 mm von der Spulenoberfläche
erreicht. Misst man mit 20 mm Abstand,
so findet man nur noch einen maximalen
Gradienten von 13000 T/s. Dabei ist anzumerken, dass auch die Änderung des
magnetischen Feldes dB/dt nur eine grobe
Abschätzung ermöglicht.
Letztendlich ist bei der TMS und der
Kernspintomographie allein die Stärke und
Dauer des induzierten elektrischen Feldes
ausschlaggebend. Beispielsweise erlaubt
bei der TMS nur die Betrachtung des elektrischen Feldes die Bestimmung des wahrscheinlichen kortikalen Stimulationsortes.
Auch bei der Kernspintomographie gibt es
Bestrebungen, die Gradientengrenzwerte
durch die Betrachtung des elektrischen
Feldes genauer einzugrenzen (31). Die
Schwierigkeit dabei ist jedoch, dass das
elektrische Feld zwar proportional zur Änderung des magnetischen Feldes ist, es sich
aufgrund der sehr komplizierten Leitfähigkeitsverteilung im Kopf bzw. im Körper
aber nur näherungsweise durch vereinfachende Modelle beschreiben lässt. Bei der
TMS wird dazu oft angenommen, dass der
Kopf durch eine homogene Kugel approximierbar ist, was meist auch zu relativ guten
Ergebnissen führt (12, 30, 33); bei der Kernspintomographie wird beispielsweise der
Körper des Patienten durch einen homogenen Zylinder abgeschätzt (26, 31). Die Entwicklung von Modellen zur Feldberechnung, die auf der einen Seite die Realität
besser beschreiben und auf der anderen
Seite von ihrer benötigten Rechenzeit beschränkt und einfach handhabbar sind, ist
sicherlich eine sinnvolle zukünftige Erweiterung, sowohl bei der TMS als auch der
Kernspintomographie.
Erste Modelle für die TMS existieren
bereits. Sie berücksichtigen die Leitfähigkeitsverteilung im Kopf bei der Feldberechnung mit Hilfe der Finite-ElementeMethode (3, 16, 17). Dabei wird jedoch
oftmals nicht das induzierte elektrische
Feld, sondern die induzierte Stromdichte
dargestellt. Eines der Hauptergebnisse ist
oftmals, dass die Stromdichte auch noch in
tief liegenden Ventrikeln vergleichsweise
hoch ist (20). Da Liquor im Vergleich zur
grauen und weißen Substanz eine sehr gute
Nervenheilkunde 4/2003
Leitfähigkeit besitzt, ist dies wenig verwunderlich. Bedeutung für die TMS hat dies
allerdings kaum. Zur Nervenerregung ist
allein die Potenzialdifferenz über die
Nervenmembran hinweg ausschlaggebend,
und damit das elektrische Feld, nicht die
Stromdichte (13, 22, 27). Bei zukünftigen
Darstellungen sollte somit zum elektrischen Feld übergegangen werden, wobei
dann zu erwarten ist, dass dieses in den
Ventrikeln und den angrenzenden Strukturen deutlich geringer ist als an der Kortexoberfläche.
Stand der Entwicklung und mögliche
Weiterentwicklungen der TMS
Die neuesten Stimulatortypen, die auf dem
Markt erhältlich sind, bieten eine hohe Flexibilität in der Wahl der Stimulationsparameter wie Stromrichtung, Pulsform, Repetitionsrate (bis zu 100 Hz) und ihrer Ansteuerbarkeit durch externe Geräte. Die
Technik der TMS kann damit als weitgehend ausgereift angesehen werden.
Probleme bereiten nach wie vor die Erwärmung der Spule, insbesondere bei längerer
repetitiver Stimulation und die damit
verbundene Sicherheitsabschaltung des
Stimulators. Neben aufwendigen aktiven
Kühlsystemen (Wasserkühlung [24], Ölkühlung [23, 34]) könnten verbesserte
Spulenkonstruktionen mit niedrigerer
ohmscher Verlustleistung (25) und erhöhter Effizienz Abhilfe schaffen. Beispielsweise induziert die Medtronic-DantecDoppelspule bereits heute durch ihre überlappende Bauweise eine höhere maximale
Feldstärke bei gleichem maximalen Spulenstrom wie die Doppelspule von Magstim. Die Fokalität der beiden Spulen ist
dabei fast identisch (32). Auch eine Erniedrigung der Pulsdauer führt zu einer
Senkung der zur Stimulation notwendigen
Energie. Davey und Epstein (6) berechneten, dass eine von energetischer Sicht her
optimale Stimulation erst mit Schwingkreisen mit 10 kHz erreicht wird (im Vergleich
zu den heute üblichen 3000-5000 Hz). Die
Stimulationsfrequenz wird nach oben
jedoch durch die Anforderungen an die
Bauteile wie Kondensator oder Thyristor
begrenzt, sodass in dieser Hinsicht auch bei
zukünftigen Stimulatoren ein Kompromiss
eingegangen werden muss.
Eine weitere Möglichkeit der Weiterentwicklung besteht in einer Erhöhung der
Fokalität der Spulen, um noch gezielter eng
umgrenzte kortikale Areale stimulieren zu
können. Von Roth und Mitarbeitern wurde
1994 bereits der Prototyp einer 4-leaf-coil,
also einer Spule mit 4 Windungen, einem
4-blättrigen Kleeblatt gleich, vorgestellt
(28). Durchgesetzt hat sich dieser Spulentyp bis heute allerdings nicht. Zum einen
liegt das sicherlich an der Notwendigkeit,
Navigationsgeräte einsetzen zu müssen
(8, 15), um die höhere Fokalität auch
nutzen zu können. Zum anderen ist nur für
wenige Einsatzzwecke wie z.B. Motormapping (5, 33) eine möglichst hohe Fokalität von Nutzen. Bei den meisten heutigen
Anwendungen wie etwa Depressionsbehandlung, visueller Extinktion oder Beeinflussung des Arbeitsgedächtnisses ist nur
eine sehr grobe räumliche Eingrenzung des
interessanten kortikalen Zielgebietes möglich. Der Einsatz sehr fokaler Spulen macht
deswegen in vielen Fällen bisher keinen
Sinn.
Vergleicht man die bisher vorhandenen
Modelle zur Erklärung der zeitlichen und
räumlichen Wirkung eines Stimulationspulses auf kortikale Netzwerke mit der in
der Realität vorhandenen Komplexität, so
scheint die TMS weniger durch ihre technischen Möglichkeiten begrenzt. Vielmehr
hindert das momentan nur in Ansätzen
vorhandene Verständnis über die nach
einem Stimulationspuls ablaufenden physiologischen Vorgänge. Dies gilt in besonderem Maße für die Applikation repetitver
TMS. Ein gezielterer Einsatz der TMS
sowohl in Diagnostik als auch in Therapie
erfordert daher weniger eine Weiterentwicklung der Technik, als vor allem eine
Aufklärung der grundlegenden biophysikalischen und physiologischen Zusammenhänge.
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Korrespondenzadresse:
Dr. med. Thomas Kammer
Abt. Kognitive Neurologie, Neurologische Univ.-Klinik
Hoppe-Seyler-Str. 3, 72076 Tübingen
Tel 0 70 71 / 29 -80 46 9
Fax 0 70 71 / 29 -52 57
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Nervenheilkunde 4/2003
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