Jedem der Seine

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3. Berliner Kolloquium Junge Religionsphilosophie, 10. bis 12. September 2009
Jedem der Seine? Kritische Anmerkungen zu Ulrich Becks „Eigenem Gott“
Dietrich Schotte, Marburg
1. Einleitung
Der Titel „Kulturkritik der Religion“ ist offensichtlich mehrdeutig. Versteht man
ihn als genitivus subiectivus, dann meint er eine Kulturkritik aus der Perspektive
der Religion. In unserem Fall wäre die Kritik der säkularisierten Moderne als
Diktatur der Beliebigkeit, als schleichende Entsolidarisierung der Gesellschaft,
o.ä. sicherlich ein gutes Beispiel, der Extremfall dieser Kritik wäre der
Fundamentalismus. Oder man liest den Titel als genitivus obiectivus, so dass er
etwa Kulturkritik als Religionskritik meint; ein Beispiel wäre eine Kulturkritik,
die auf der Grundlage säkularer Prinzipien die Probleme der Moderne, etwa in
Integrationsfragen, auf ‚Restbestände der Vormoderne’ in Form religiöser Ideen
und Weltanschaaungen zurückführt. Im Extremfall gelangt man zum so
genannten „Neuen Atheismus“.
Beide Beispiele zeigen, dass es zumindest im Falle unserer modernen Kultur
naheliegt, von einem Spannungsverhältnis zwischen dieser Kultur und der
Religion auszugehen und es wird dem Unbeteiligten nahegelegt, sich für eine
der beiden Seiten zu entscheiden.
Unbestritten werden diese Positionen von nicht wenigen vertreten, zumeist sogar
sehr aggressiv. Ebenso unbestritten existieren im Kontrast zu ihnen aber
Vorschläge, Ansätze und Plädoyers, die nicht nur eine Vermittlung zwischen
Religion und Moderne als möglich behaupten, sondern sogar von einem
Verhältnis wechselseitiger Ergänzung ausgehen. [event. Verweis Ref Vortag]
Eine solche Alternative zum Lagerdenken ist auch Ulrich Becks Konzeption des
„Eigenen Gottes“, die ich hier kurz referieren und kritisieren will. Sie ist nicht
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nur von Interesse, weil sie aus einer soziologisch-agnostischen Theorie der
Moderne heraus entworfen wird (obwohl sie dies prima facie vor dem Verdacht
der Apologetik in Schutz nimmt); sondern sie zeigt meines Erachtens
mustergültig eine bestimmte Art, Religion zu denken, indem die Unterscheidung
von individuell-subjektivem Glauben und allgemein-objektivem Ritus, also von
Religiosität und Religion, so gedeutet wird, dass beide unabhängig voneinander
sind. Ich will in der Auseinandersetzung mit Becks Entwurf zeigen, dass eine
solche Unterscheidung weder dem Phänomen Religion gerecht wird noch eine
Grundlage für die Vermittlung von Religion und Moderne darstellt.
2. Religiosität ohne Religion: Der „eigene Gott“
Beck gewinnt seine Konzeption wesentlich in Auseinandersetzung mit dem
Phänomen
des
Fundamentalismus
und
vor
dem
Hintergrund
seiner
Individualisierungsthese. Letztere besagt, dass die Moderne sich dadurch
auszeichnet, dass soziale Bindungen jeglicher Art (von der Familie bis zum
Staat) ihre Bedeutung verlieren und die Menschen sich nicht mehr an ihnen
orientieren, sondern sich statt dessen mehr und mehr auf die Durchsetzung ihrer
eigenen Interessen konzentrieren. Sofern soziale Bindungen und Institutionen
überhaupt noch existieren und Bedeutung haben, erhalten sie diese dadurch, dass
sie den sie unterstützenden Individuen helfen, ihre partikularen Interessen
durchzusetzen.
Es ist nun durchaus plausibel, wenn Beck den Fundamentalismus als Reaktion
auf diese Entwicklung rekonstruiert und feststellt, dass er seine Aggressivität in
erster Linie der Wahrnehmung dieser Moderne als existentieller Bedrohung der
Religion
verdankt.
Denn
‚Religion’
meint
Beck
zufolge
‚Glaubensgemeinschaft’, d.h. eine soziale Praxis, die durch Institutionen wie
klerikale Strukturen, Dogmen, Kodizes, Riten und allgemein verbindliche
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Symbole strukturiert und vor allem integriert ist. Sie ist also selbst eine Form
sozialer Bindung und setzt diese wesentlich voraus. Mehr noch: Indem sie, etwa
im Falle der Monotheismen, davon ausgeht, dass es nur einen Gott gibt und dass
dieser unmissverständliche Vorgaben für das Leben der Menschen gemacht hat,
beansprucht sie absolute Geltung für ihre Institutionen.
Der Fundamentalismus definiert Religiosität demzufolge über die Zugehörigkeit
zu einer solchen Glaubensgemeinschaft und damit ist die Moderne, die jegliche
Art von Bindungen an Gemeinschaften im Kern angreift und sogar dem
individuellen Nutzenkalkül unterstellt, aus seiner Sicht das Grundübel. Denn
infolge der Modernisierung bilden sich alle Arten von Synkretismen und
Häresien im Wortsinne, also Privatmeinungen in Religionsdingen, welche die
Einheit und Einheitlichkeit der Glaubensgemeinschaft Schritt für Schritt
auflösen. Daher die vorhin angeführte Opposition zwischen Moderne und
Religion: Entweder Individuum oder Teil eines großen Ganzen, entweder
Moderne oder Religion.
Der Fundamentalismus macht nach Beck genau denselben Fehler wie der
sogenannte Neue Atheismus, wenn er Religiosität an die Zugehörigkeit zu einer
Religion im Sinne einer Glaubensgemeinschaft bindet. Hiergegen macht Beck
geltend, dass man zwar derart von Religion „als Substantiv“ sprechen könne,
dass man aber darüber nicht vergessen dürfe, dass es auch eine sinnvolle
Redeweise von Religion „als Adjektiv“ gebe – nämlich im Sinne von „religiös“.
Dies bezeichnet nun Beck zufolge nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Religion, sondern lediglich eine bestimmte, existentiell bedeutsame Perspektive
auf die Welt und den Menschen sub specie divinitatis. Entscheidend ist der
Glaube an die Existenz einer Sphäre der Transzendenz, die von der Sphäre der
Immanenz, unserer Welt, unterschieden wird und diese bedingt. Ob es sich dabei
um das Nirwana, den Olymp oder um die heilige Dreifaltigkeit handelt, ist
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ebenso belanglos wie die Frage, ob der Gläubige regelmäßig an den Riten einer
Gemeinschaft teilnimmt, die sich für eine dieser Alternativen entschieden hat.
Konzentriert man sich also auf die Religion „als Adjektiv“, so wird eine Form
religiösen Lebens möglich, die Beck als „Religion des eigenen Gottes“
bezeichnet. Denn die Welt sub specie divinitatis zu betrachten bedeutet dann
lediglich, irgendeine Form von Beziehung zur Transzendenz zu entwickeln und
zu praktizieren. Dass man diese Religiosität dann analog zum Kleidungsstil oder
zur politischen Meinung den individuellen Bedürfnissen anpasst, ist aus Becks
Perspektive kein zu kritisierender Fall von ‚Baukastenspiritualität’, sondern
schlicht die adäquat moderne Form religiösen Lebens. Sie hat ihm zufolge vor
allem einen Vorteil: Sie ist individualistisch und damit non- oder sogar
antiklerikal, weil sie jede Art institutioneller Bervormundung in Religionsdingen
ablehnt und ablehnen muss; und dadurch ist sie nach Beck auch weder
missionarisch noch intolerant, weil Religion als Religiosität notwendig
Privatsache im Sinne der individuellen Angelegenheit ist.
3. Die Bedeutung der Religion für die Religiosität
Becks Konzeption des „eigenen Gottes“ baut m. E. auf zwei durchaus nicht
unproblematischen Thesen auf: Erstens, dass eine Person zwar religiös sein
kann, dass aber Religion („als Substantiv“) für die Ausbildung und Formung
dieser Religiosität (Religion „als Adjektiv“) keine notwendige Bedingung
darstellt. Zweitens nimmt Beck an, dass die Individualisierung der Religion
einer Absolutsetzung religiöser Weltbilder und dem damit verbundenen Problem
von Intoleranz und Missionierung entgegenwirkt.
Beginnen wir mit der ersten These und formulieren sogleich eine Gegenthese:
Ohne die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft lässt sich Religiosität
gar nicht (individuell) entwickeln.
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Es ist nämlich gar nicht einzusehen, wie ein Mensch einen Blick auf die Welt
und sich selbst sub specie divinitatis entwickeln soll, ohne zuvor Teil einer
Gemeinschaft gewesen zu sein, die einen solchen Blick expliziert und
propagiert. Anders formuliert: Wie soll ich die Möglichkeit in Betracht ziehen
können, die Welt sei die Schöpfung Gottes, wenn ich nicht einmal mit
Menschen zu tun gehabt habe, die hiervon überzeugt sind und mir diese
Sichtweise mitteilen. Denn eine wesentliche Aufgabe religiöser Institutionen ist
neben der Explikation der zentralen Glaubensgehalte ihre Kommunikation,
sowohl innerhalb der Glaubensgemeinschaft als auch nach außen.
Die einzige, von der Religion unabhängige Grundlage für eine solche
Religiosität wäre so etwas wie ‚religiöse Erfahrung’. Aber auch religiöse
Erfahrungen liefern eine Grundlage für eine individuelle Religiosität nur dann,
wenn man Teil einer Glaubensgemeinschaft ist, was zwei Gründe hat: Erstens
wird sinnfälligerweise nur innerhalb von Religionen ein Konzept religiöser
Erfahrung entwickelt und daher bedarf es wiederum der Teilnahme an einer
religiösen Praxis, um Zugang zu dem entsprechenden Vokabular zu erlangen,
mit dem man religiöse Erfahrungen sinnvoll thematisieren kann. [Bsp. Kuh,
Gott, etc.] Zweitens liefert nur Religion „als Substantiv“ Maßstäbe, um religiöse
Erfahrungen von anderen zu unterscheiden, etwa von Halluzinationen, o.ä. Und
in beiden Fällen bedarf es der Einübung in die Praxis, weil sonst ein
kompetenter Umgang sowohl mit dem Vokabular als auch mit den Maßstäben
nicht möglich ist. Und die jeweiligen Institutionen dienen der Vermittlung genau
dieser Kompetenz, was die Anleitung durch bereits kompetente Personen, kurz:
Autoritäten, voraussetzt. [wie unterscheide ich Schizophrenie und Prophetie?]
Das Primat der Praxis gilt im Übrigen auch dann, wenn man die Quelle
göttlicher Offenbarung nicht mehr in der Privatoffenbarung, sondern in einer
Heiligen Schrift sieht. Es sei denn, man gehe davon aus, dass diese Schrift
entweder so eindeutig sei, dass man sie nicht missverstehen könne, oder dass
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jedem Leser das Verständnis unmittelbar eingegeben werde. Realistisch
betrachtet verhält es sich aber doch wohl so, dass man auch bestimmte
Kompetenzen gerade im Umgang mit heiligen Texten braucht, wenn man sich
ihre Botschaft erschließen möchte. Und das jenseits der Frage, woher man
eigentlich wissen soll, dass die Bibel die Heilige Schrift ist und nicht der Koran
oder Douglas Adams' The Deeper Meaning of Liff.
In jedem Falle ist die Entwicklung einer individuellen Religiosität also von der
Teilnahme an einer Religion im Sinne einer religiösen Praxis abhängig.
Individuelle Formen religiösen Lebens sind ohne institutionalisierte nicht
sinnvoll denk- oder erklärbar. Becks Annahme, dass man auch ohne Religion
religiös sein könne, gleicht dem Versuch, schwimmen zu gehen, ohne nass zu
werden.
4. Religion ohne Absolutheitsanspruch?
Nun könnte man aus Becks Perspektive sicherlich Folgendes erwidern: Es möge
ja sein, dass man eine individuelle Religiosität nur als Mitglied einer
Glaubensgemeinschaft entwickeln könne, gleichwohl sei diese Mitgliedschaft
nur eine Stufe der Entwickelung, an deren Ende eben der „eigene Gott“ stehen
müsse. Religiöse Institutionen wären dann so etwas wie Vorschulen oder
Geburtshelfer der Religiosität. Man tritt also (idealerweise) nicht so sehr in eine
Kirche ein, man geht vielmehr durch sie hindurch.
So ließe sich zumindest prima facie die zweite These halten, dass im Grunde
nichts für den Absolutheitsanspruch der Religionen spricht und damit der
„eigene Gott“ eben nicht der „eine“ sei. Der Gott der jeweiligen
Glaubensgemeinschaft ist dann so eine Art Schneiderpuppe, an der man für den
„eigenen“ Gott Maß nehmen kann.
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Nach Beck finden sich Fälle der Individualisierung bereits zahlreich in der
Moderne und sie gelingen immer dann, wenn Einzelne 'ihren' Glauben jenseits
von oder sogar in deutlicher Abgrenzung zu religiösen Institutionen entwickeln.
Ein Beispiel ist die bereits zuvor erwähnt 'Baukastenspiritualität', die sich ja
gerade dadurch auszeichnet, dass eine Person sich verschiedener Religionen
bedient und an verschiedenen Kulten teilnimmt. Ein anderes Beispiel findet sich,
so Beck, bei denjenigen, die sich zwar weiterhin zu einem der Monotheismen
bekennen, dies aber in deutlicher Abgrenzung zur jeweiligen Orthodoxie tun.
Aber was sagt diese Individualisierung bezüglich des Absolutheitsanspruches?
Man sollte erst einmal zwei Fälle unterscheiden: Den der „liberalen Ironikerin“
und den des Häretikers. Die „liberale Ironikerin“ ist eine Figur Richard Rortys,
die durchaus willens und in der Lage ist, eine individuelle Form religiösen
Lebens nach dem Muster einer Bauskastenspiritualität zu entwickeln, solange es
nur ihrer „Selbstschaffung“ dient. Allerdings handelt es sich hier lediglich
darum, religiöse Narrative genauso wie andere, belletristische etwa, zur
wunschgemäßen Beschreibung der eigenen Lebenswelt heranzuziehen. Es
handelt sich explizit nicht um eine Anerkennung irgend einer Form von
Transzendenzbeziehung. Die „liberale Ironikerin“ redet vielleicht gerne in
Psalmen, an Gott glauben tut sie nicht; und ist deswegen, denke ich, auch kein
ernstzunehmender Entwurf individueller Religiosität (sofern man zugibt, dass
Religion ohne eine ernstzunehmende Transzendenzbeziehung nicht auskommt,
was im Übrigen auch Beck tut).
Also kann es wenn, dann nur um den Häretiker gehen, also denjenigen, der sich
eine eigene Meinung über ‚die göttlichen Dinge’ erlaubt, aber dennoch an der
Eigenständigkeit und Unabhängigkeit Gottes festhält. In den Worten Becks:
„Also wünscht die Liebende nicht, den geliebten, eigenen Gott zu besitzen, wie
man eine Sache besitzt; sie sucht nach einem besonderen Typus von Aneignung.
Sie will die göttliche Freiheit als Freiheit besitzen.“ Beck spricht an dieser Stelle
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vom Gegenmodell als Versuch, „den eigenen Gott zum ‚Kuschelgott’ zu
erniedrigen“.[Beck 2008, S. 27.]
Es ist einsichtig, dass der Monotheismus der Prüfstein einer solchen Theorie ist.
Im Falle polytheistischer Religionen scheint die Entscheidung für einen Gott
und
gegen
andere,
etwa
als
Schutzpatron,
sowieso
nahezu
unumgänglich.[trotzdem: Gesamtmodell muss akzeptiert werden; siehe 'Mithras'
bzw. Sokrates] Aber im Monotheismus steht die Sache bekanntlich anders und
Beck ist sicherlich zuzustimmen, dass religiöse antimoderne Kritik in erster
Linie aus monotheistischen Religion erwächst. Also: Ist ein individualistischer
Christ, Jude oder Moslem notwendigerweise nicht intolerant und missionarisch?
Wohl kaum. Selbst wenn man ‚seinen Gott’ jenseits der offiziellen Institutionen
sucht und findet und anbetet, so bleibt dennoch der Anspruch, dass er der
alleinige Gott sein muss. Gerade die Gottesbilder von Intellektuellen, Theologen
und Philosophen, die ja nicht selten denkbar weit von der Orthodoxie entfernt
und durchaus individuell sind, erheben in der Regel den Anspruch, die einzig
'denkbare' Alternative zu sein.
Solange sich hinter der Religiosität eine existentielle und praktisch eingeholte
Bedeutung verbirgt (und nicht eine intellektuelle Feierabendübung), solange
wird dieser Anspruch bestehen bleiben. Wiederum gilt: Wenn es eine Sphäre der
Transzendenz gibt, so ist sie auf eine bestimmte Weise beschaffen und wenn
diese Beschaffenheit unsere Existenz als Menschen in dieser Welt bestimmt –
dann ist nicht recht ersichtlich, wie man gleichzeitig annehmen könnte, dass es
ja auch 'ganz anders' sein könnte, weil ja andere ganz anders damit umgehen.
Die wechselseitige Akzeptanz individueller Sinnstiftung gelingt nur unter der
Prämisse, dass sie autonom und nicht unter Rückgriff auf eine vorgegebene und
daher anzuerkennende Instanz geschieht. Letzteres ist aber der Kern der
Religion, nicht nur der monotheistischen.
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5. Religion, Moderne und die „Kulturkritik der Religion“
Das alles bedeutet freilich nicht, dass sofort mit dem Schwert missioniert
werden muss. Es legt aber nahe, dass Religionen immer in jeder Kultur, die
nicht durch eine Religion dominiert wird, ein „Stachel“ sein werden. Womit
freilich nicht gesagt ist, dass aus der Perspektive der Religion nicht richtige und
notwendige Kritik an der jeweiligen Kultur formuliert werden kann. [obwohl
dann zu schauen wäre, ob nur die Religion in der Lage ist, diese Kritik zu
formulieren, oder ob sie nicht auch aus der jeweiligen Kultur selbst entwickelt
werden kann]
Aber das Entweder-Oder bleibt bestehen ebenso wie die Notwendigkeit
kollektiver Formen religiösen Lebens und beides folgt aus der für jede Religion
konstitutiven Unterscheidung von Transzendenz und Immanenz. Anders gesagt:
Solange wir glauben, dass es etwas Göttliches ‚jenseits’ der Welt gibt, kommen
wir um ernsthafte Diskussionen über die Beschaffenheit desselben und die sich
daraus ergebenden Folgerungen für unser Leben nicht herum. Und auch nicht
um die hieraus entstehenden Glaubensgemeinschaften und Institutionen, samt
deren politischer Eigendynamik und den sich daraus ergebenden Konflikten.
Das Konzept des „eigenen Gottes“ und ihm artverwandte Entwürfe religiösen
Lebens erscheinen demgegenüber als eine Art Intellektuellenreligion, die
offensiv gegen dasjenige polemisieren, was sie immer schon voraussetzen: Die
Religion, „als Substantiv“. Und – Hand auf's Herz – wenn der „eigene Gott“ so
oder so auf unsere Bedürfnisse zurechtgestutzt wird oder werden soll – sollte
man sich nicht vielleicht überlegen, lieber ganz auf ihn zu verzichten und vom
„Jedem der seine“ lieber zum „as you like it“ überzugehen!?!
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