Steirische Klimaschutzstrategie Eine jüngst veröffentlichte Zwischenbilanz der Österreichischen Hagelversicherung hat auch für das Jahr 2005 eine weitere Zunahme der witterungsbedingten Schäden in Österreich festgestellt. Wenn auch die Steiermark in diesem Jahr – zumindest bis zur letzten Woche – davon geringer betroffen war, ist die Entwicklung offensichtlich: der Klimawandel ist unübersehbar und unbestreitbar. Es ist schon eine fatale Entwicklung, dass sich die Öffentlichkeit mittlerweile sichtlich an Meldungen wie Murenabgänge, Überschwemmungen von Verkehrswegen und Starkregenfällen zu gewöhnen scheint. Innerhalb der Klimawissenschaft gibt es heute die einhellige Überzeugung, dass das 21. Jahrhundert eine Erwärmung in bisher unbekanntem Ausmaß bringen wird. Die Szenarien reichen von zwei bis fünf Grad Erwärmung im globalen Durchschnitt. Im Vergleich dazu hat die Erderwärmung zwischen 1860 und 2000 gerade einmal um 0,6 Grad zugenommen. Pointiert gesagt: Das 21. Jahrhundert wird die klimatische Zeche des Zeitalters der fossilen Energiewirtschaft bezahlen. Die Hinweise sind eindeutig: • Von den zehn größten in Europa gemessenen Hochwasserereignissen fallen neun in die letzten zwanzig Jahre. • Die europäischen Sommer 1994 bis 2003 waren die wärmsten der vergangenen 500 Jahre. • Seit Ende der 60er Jahre hat die winterliche Schneebedeckung um 10 Prozent abgenommen. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Häufigkeit von Dürreereignissen. • Pro Grad Erwärmung wächst die Baumgrenze um 180 m nach oben. Die Herausforderung Klimawandel kann nur global gelöst werden, zudem hat das Klima ein „langes Gedächtnis“. Gewisse Entwicklungen, beispielsweise die Veränderungen in den polaren Zonen, haben eine „Reaktionszeit“ von mehreren Jahrhunderten. Das alles heißt aber auch, dass jeder an seinem Ort seine Verantwortung rasch und nachhaltig wahrzunehmen hat. Landesrat Johann Seitinger: „Klimastrategien haben zwei Ebenen zu berücksichtigen, zum einen ist auf die bereits eingetretenen Veränderungen zu reagieren und zum anderen müssen Maßnahmen zur Verlangsamung und zur Umkehr des Klimawandels gesetzt werden. Die steirische Klimaschutzstrategie trägt beiden Erfordernissen Rechnung und hat konkrete Maßnahmen gesetzt“. Konkrete aktuelle Maßnahmen: • Anhebung des Fördervolumens für Solaranlagen um 150%; bei der AEVG wurde erst vor kurzem die größte mitteleuropäische Solarfläche vertraglich vereinbart. • Mehr als 150 Biomasse-Nahwärmeversorgungsanlagen („Holz-Contracting“) wurden bereits errichtet, Tendenz steigend; schon heute werden auf diese Weise jährlich 2,5 Millionen Liter Heizöl extraleicht eingespart. • Biogasoffensive; allein die Biogasanlage der Energieagentur JudenburgKnittelfeld-Murau (von BM Josef Pröll mit dem „Energieprofi 2004“ ausgezeichnet) spart jährlich 4000 Tonnen CO2 ein. • Die Steiermark ist seit vielen Jahren Spitzenreiter bei den Biotreibstoffen. Die Firma SEEG in Mureck produziert jährlich 4000 Tonnen Biodiesel. Mit Herbst 2005 sind 5% Biotreibstoffe verbindlich beizumischen. • Die neue Deponieverordnung hat nicht nur das ökologische Problem „Abfall“ zur ökonomischen Chance „Wertstoff“ werden lassen, sie hat auch die Gasbelastung in diesem Bereich um zwei Drittel reduziert. • Im Bereich der Wohnbauförderung ist in den letzten Jahren ein völliger Paradigmenwechsel erzielt worden. Die Förderung ist an die Nutzung erneuerbarer Energieträger gekoppelt. Weitere Schwerpunkte gelten unter anderem der thermischen Sanierung sowie der Kesseltauschaktion. • Mit dem „Wassernetzwerk Steiermark“ wird eine langfristige Versorgung der gesamten Steiermark mit sauberem und leistbaren Trinkwasser sichergestellt. • Landwirtschaftliche Förderprogramme wie ÖPUL (Österreichisches Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft) oder AZ (Ausgleichszulage für Bergbauern) sichern die Boden-, Luft und Wasserqualität, verhindern eine weitere Bodenversiegelung und erhalten zugleich auch die klimapolitisch eminent wichtige Almbewirtschaftung. Zudem wird in Zusammenarbeit mit der Kammer für Land- und Forstwirtschaft die Ausbringung hitze- und trockenheitsbeständigerer Nutzpflanzen erprobt. • Das neue Schutzwaldprogramm ist eine unmittelbare Reaktion auf die steigende Bedrohung durch Unwetterschäden im alpinen Bereich. • 85 steirische Gemeinden sind bereits „Klimabündnis-Gemeinden“, und verstehen sich als Vorreiter für konkreten Klimaschutz vor Ort. „Klimapolitik beginnt in den Köpfen der Menschen. Sie ist eine Langzeitstrategie und hat zugleich höchste Dringlichkeit. Es geht vor allem darum, deutlich zu machen, dass Klimaschutz nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch ein ökonomische Chance und ein soziale Verpflichtung darstellt“, so Seitinger Wer beispielsweise am 27. April 2005 im Lagerhaus Gleinstätten seinen Energievorrat für den kommende Winter eingekauft hat, musste für eine Kilowattstunde 5,79 Cent (für Heizöl) oder 3,25 Cent (für Pellets) bezahlen. Öl ist somit bereits um 78 Prozent teurer. Hier ist weder die höhere Umweltbelastung (Transport, CO2-Belastung), noch die bei erneuerbaren Energieträgern weitaus günstigere regionale Wertschöpfung mitberechnet. Dazu kommen ein potentiell höheres Lieferrisiko aus politisch unsicheren Regionen sowie die Chancen eines Know-how-Transfers für moderne Kesselheizungen aus der Steiermark. Ein durchschnittlicher steirischer Haushalt erspart sich mit Pellets gegenüber Heizöl jährlich rund 1.000 Euro an Heizkosten. Erneuerbare Energie ist längst nicht mehr nur für Privathaushalte interessant. Eine vor wenigen Wochen von IV-Präsident Veit Sorger losgetretenen Diskussion um den vermeintlich wirtschaftsfeindlichen Ökostrom hat bemerkenswerte Berechnungen zur Folge gehabt. So hat sich der Marktpreis für Strom aus Öl. Gas und Kohl seit 2003 nahezu verdoppelt und die gesetzlich fixierten Kosten für Ökostrom bereits überschritten. Am 12. Juli 2005 hat „Normalstrom“ im Großhandel 4,785 Cent/KWh gekostet, „Ökostrom“ war dagegen bereits um 4,5 Cent/KWh zu erhalten. Der steirische Kammeramtsdirektor und Präsident des Österreichischen Biomasse-Verbandes Heinz Kopetz hat berechnet, dass zwischen 1997 bis 2003 in Österreich die Öl- und Gasheizungen um 200.000 Einheiten gestiegen sind. Allein für diese Haushalte ergeben sich daher Mehrkosten aus der jetzigen Energiepreisverteuerung von 75 Millionen Euro gegenüber 2000. Daher hat allein die Entwicklung der letzten 6 Jahre zu einem indirekten Verlust von 750 Arbeitsplätzen geführt. Nimmt man an, dass in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts im Durchschnitt die Öl- und Gaspreise bei 65 Cent je Liter liegen, so bedeutet das Mehrausgaben der privaten Haushalte für den Wärmesektor von rund 1.344 Millionen Euro gegenüber der Situation Anfang dieses Jahrzehnts. Dadurch werden dann etwa 14.000 Arbeitsplätze verloren gehen, weil die Haushalte verstärkt ihre Einnahmen nicht für den allgemeinen Konsum, sondern für die Bezahlung der Energierechnungen ausgeben. Für die unmittelbare Zukunft ist eine Reihe von Maßnahmen von größter Dringlichkeit. Dazu gehören unter anderem. • eine Raumordnung, die einer fortschreitenden Bodenversiegelung und Zersiedelung einen Riegel vorschiebt; • der Ausbau des öffentlichen Verkehrs („Intelligente Mobilität“); • eine Bestandsaufnahme der Möglichkeiten des Ausbaus der Wasserkraft (Kraftwerksoptimierung); • eine konsequente Energiepolitik, die Maßnahmen zum Klimaschutz Priorität einräumt. • eine Ökologische Steuerreform; • Investieren in regionalwirtschaftliche Kreisläufe; • Kostenwahrheit im Verkehr. • Zeitraum 2006 bis 2010: Ziel: 60.000 Holzheizungen neu installiert werden Positive Auswirkungen bei Umstieg von Öl- oder Gasheizungen auf 60.000 Holzheizungen: • Wer mit Holz heizt, erspart sich a im Jahr 918 Euro an Brennstoffkosten im Vergleich zu Heizöl. • Wenn, wie angestrebt, 60.000 Haushalte von Öl auf Holz umstellen, dann ersparen sich diese 60.000 Haushalte pro Jahr rund 55 Millionen Euro an Brennstoffkosten. • Durch die Installation von 60.000 modernen Holzheizungen im Zeitraum 2006 bis 2011 könnten insgesamt 3.100 heimische Dauerarbeitsplätze geschaffen werden. • Senkung der CO2-Emissionen von 426.000 Tonnen • Mehr Sicherheit in der Energieversorgung Landesrat Johann Seitinger: „Um den forcierten Einbau von modernen Holzheizungen mit all den positiven Auswirkungen realisieren zu können, fordere ich vom Wirtschaftsministerium ein mehrjähriges Investitionsprogramm. Im Rahmen dieses Programms soll die Installation von modernen Holzheizungen mit einer Investitionsförderung von 40 % der Nettoinvestitionskosten unterstützt werden. Dafür würden für die Steiermark innerhalb von sechs Jahren rund 240 Millionen Euro benötigt werden.