Themen und Ablauf • Psychisch kranke Eltern – ein Tabu? • Zahlen und Fakten – zum Nachdenken! • Belastungen von Kindern psychisch kranker Eltern Psychisch kranke Eltern • Psychische Gesundheit der betroffenen Kinder – Ressourcen und Risiken Populärmedizinischer Vortrag • Spezifische Probleme bei ausgewählten Krankheitsbildern 29. Oktober 2014 • Prävention und Intervention bei psychisch kranken Eltern und ihren Kindern Dr. med. Conrad Frey mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 2 Psychisch kranke Eltern – ein Tabu? Psychische Erkrankungen sind häufig ...und doch ein Thema mit hoher Relevanz! Warum? • Jährlich erkranken etwa 30% der europäischen Bevölkerung an einer psychischen Erkrankungen (Jacobi et. al., 2014). • Entwicklung und Psychische Gesundheit der Kinder • Struktur, Dynamik sowie Klima in den betroffenen Familien • Transgenerationelle Weitergabe von gesundheitlichen Risiken • Dabei sollte rund ein Viertel der Erkrankten unbedingt fachgerecht behandelt werden • Bei ca. der Hälfte der Betroffenen zeigen sich psychische Auffälligkeiten schon in der Kindheit oder Jugend • Gesellschaftlichen Kosten im Sozial- und Gesundheitswesen (Kessler et al., 2005) Fazit: Trotz grosser Bedeutung findet das Thema in Fachwelt und Öffentlichkeit nur spärliche Resonanz / Ressourcen. Warum? u.a. Scham, Stigma und Angst der Betroffenen, keine Lobby, ungenügende Finanzierung (z.B. Prävention), Lücken in der Behandlung (Spezialisierung vs. Vernetzung) • Chronische psychische Störungen erhöhen das Risiko von zusätzlichen körperlichen Krankheiten (Mortalität ) – Stress mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå , Soziale Belastungen, Lebensführung, Medikamente mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 3 4 Psychische Störungen in Europa (Wittchen et al. 2011) Eltern mit psychischen Störungen Zwangserkrankungen • In der stationären Erwachsenenpsychiatrie ist rund jeder dritte Patient Mutter oder Vater von mindestens einem unmündigen Kind. Tendenz steigend wegen verbesserten Behandlungen! Essstörungen Cannabis-Abhängigkeit Psychotische Störungen (Wiegand-Grefe et al., 2011). Persönlichkeitsstörungen Posttraumatische Störungen • Dennoch findet die Situation der betroffenen Kinder in der Behandlungsplanung oft nur ungenügend Beachtung («die Kinder gehen vergessen…») Verhaltensstörungen Alkohol-Abhängigkeit Somatoforme Störungen • In den Kinder- und jugendpsychiatrischen Institutionen leben bis zur Hälfte der betreuten Kinder bei mindestens einem psychisch erkrankten Elternteil ADHS Demenz Depressionen (Lenz, Mattejat & Remschmidt, 2008). Schlafstörungen Angststörungen (total) 0 mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 2 4 6 8 10 12 14 Betroffene (Prävalenz in %) im Zeitraum von 1 Jahr mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 5 6 Kinder von psychisch kranken Eltern Kinder von psychisch kranken Eltern (2) • Kinder von psychisch kranken Eltern (alle Diagnosen) haben gegenüber der Gesamtbevölkerung eine 3 bis 7-fach erhöhte Rate von psychischen Auffälligkeiten (Wiegand-Grefe et al., 2009). • Sind beide Eltern psychisch krank, steigt das Risiko für (kindlichen) psychischen Auffälligkeiten nochmals deutlich an • Wird das Kind später die gleiche psychische Störung entwickeln wie der Vater / die Mutter? eine häufige geäusserte Sorge (Stichwort «Vererbung») • Das spezifische Krankheitsrisiko ist je nach der psychischen Störung unterschiedlich ausgeprägt (Lenz, Mattejat & Remschmidt, 2008). • Die Ursachen psychischer Erkrankungen sind vielfältig. Die genetische Belastung erklärt nur einen Teil der Gründe neuro-behaviorales Modell • Bei Kindern mit Störungen des Sozialverhaltens ist der Anteil der Eltern mit psychischen Störungen besonders hoch. Fazit: Kinder beobachten, denken, fühlen, reagieren… sie leben intensiv mit und sind dadurch subjektiv stark belastet!! mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 7 8 Belastungen der Kinder • Allgemeine Belastungen spezifische Belastungen – Art und Verlauf der elterlichen Erkrankungen • Sorgen um die psychisch erkrankten Eltern – Suiziddrohungen, dramatische Spitaleinweisung, Spannungen zwischen den Eltern • Verlust der verlässlichen Strukturen im Alltag – aufgezwungener sozialer Rückzug, Einbezug in Wahnsystem, Vernachlässigung bei Sucht – Übernahme von zu grosser Verantwortung Verwischung von Rollen und Grenzen («Parentifizierung») – Eingeschränkte Erziehungskompetenzen der Eltern mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 9 Belastungen der Kinder (2) 10 Psychisch gesund – Psychisch krank • Fehlendes oder nicht dem Alter angemessenes Wissen um die psychische Erkrankung und deren Auswirkungen • Psychische Erkrankung werden bagatellisiert oder verschwiegen und es besteht oft ein (unausgesprochenes) Kommunikationsverbot «Gar nicht krank ist auch nicht gesund» – Tabus auf verschiedenen Ebenen: Fühlen, Wissen, Sprechen (Karl Valentin) • Damit (wechselseitig) verbunden findet eine Ausdünnung der sozialen Unterstützung statt Fazit: Die unterschiedlichen Belastungen und Eindrücke führen zu komplexen Gefühlslagen: Angst, Trauer, Ärger, Wut etc. mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 11 (nach Haas, 2012) 12 Entwicklung und Psychische Gesundheit Umwelt, Soziales Kind Allg. Lebenssituation Wohnverhältnisse Schule und Bildung Migration Soziale Ressourcen Alter, Geschlecht Genetik, Biologie Pers. Ressourcen Beziehung, Bindung Trennung, Trauma Bindungstheorie Eltern Art und Verlauf der psych. Erkrankung Krankheitsbewältigung Persönlichkeit Bindungsstil John Bowlby 1907-1990 Mary Ainsworth 1913-1999 Die Bindungstheorie befasst sich mit den frühen Einflüssen auf die emotionale Entwicklung eines Kindes (Mutter Säugling). Familiäre Krankheitsbewältigung Familiendynamik / Elternbeziehung / Soziale Kontakte Erziehungskompetenzen der Eltern Sie versucht die Entstehung und Veränderung von starken gefühlsmässigen Bindungen zwischen Individuen im gesamten menschlichen Lebenslauf zu erklären. «Bindung» stellt nur ein Teil des komplexen System von Beziehungen dar Kindliche Entwicklung und Psychische Gesundheit Brisch, 2009 mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 13 14 Bindungstheorie: Vom sicheren Hafen… • Das motivationale Bindungssystem (Mutter Säugling) ist genetisch verankert, wird hormonell unterstützt (Oxytocin) und stellt das Überleben des Säuglings sicher. • Die Bindungsqualität wird von der «Feinfühligkeit» der Bezugsperson mitgeprägt • Im ersten Lebensjahr bildet das Kind eine Hierarchie von wichtigen Bezugspersonen (Trennungsangst, Fremden etc.) • Für jede Bezugsperson werden «innere «Arbeitsmodelle» entwickelt. Damit wird das Verhalten bei Bedrohung zunehmend stabil geregeln (Angst Sucht Nähe zur Mutter). • Die Stabilität wird durch Verluste oder Traumata gefährdet. mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå Jörg Hess, 1996 Brisch, 2009 mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 15 16 … zur neugierigen Erkundung der Welt • Parallel zum Wunsch nach Bindung (= sicherer Hafen) entsteht beim Säugling das scheinbar gegensätzliche Bedürfnis seine Umgebung neugierig zu erkunden. • Die Regulation von Nähe und Distanz geschieht wechselseitig. Dabei wird die Selbststeuerung des Kindes von einer «feinfühligen» Bindungsperson leichter akzeptiert. • Im Verlauf der weiteren (gesunden) Entwicklung wird die Balance zwischen Bindungswünschen und neugieriger Erkundung zunehmend partnerschaftlich ausgehandelt («zielkorrigierte Partnerschaft»). • Eine sichere Bindungsqualität hat eine Schutzfunktion im weiteren Entwicklungsverlauf («psychische Stabilität») Brisch, 2009 mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 17 Jörg Hess, 1996 18 «Feinfühligkeit» der Bezugsperson • «Feinfühligkeit» und Empathie (Mitgefühl) tragen wesentlich zu einer guten Bindungsqualität bei • «Feinfühligkeit» – Signale des Kindes aufmerksam wahrnehmen, richtig deuten, rechtzeitig und angemessen reagieren. – Explorationsbedürfnis altersangemessen Rechnung tragen • «Feinfühligkeit» und Empathie sind erworben und erlernt («Spiegelneuronen» und «Lernen am Modell ») • Erfahrungen in der Familie sowie gesellschaftliche Normen und Werte spielen eine wichtige Rolle Jörg Hess, 1996 Brisch, 2009 mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 19 20 Klassifikation der Bindungsqualität • Sicher gebundene Kinder – Deutliches, stabiles Bindungsverhalten. Suchen Schutz und reagieren freudig bei Rückkehr • Unsicher - vermeidend gebundene Kinder – Wenig Protest nach Trennung, kaum Bindungsverhalten. Suchen wenig Trost oder Körperkontakt. (scheinbar keinen Stress!) • Unsicher - ambivalent gebundene Kinder – Reagieren auf Trennung heftig und können dann kaum beruhigt werden. Reagieren ambivalent auf Köperkontakt und Trost. • Unsicher desorganisiertes Bindungsmuster (zusätzlich, wechselnd) – Risikokinder: nach Verlust, Trauma, Beziehungsabbrüchen etc. Jörg Hess, 1996 mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 21 22 Resilienz in der Technik Fazit: Bindung und psychisch kranke Eltern Die Bindungsqualität des Kindes wird durch eine psychische Erkrankung der Eltern beeinträchtigt. Insbesondere wenn die Krankheit früh auftritt und der gesunde Elternteil - oder andere Bezugspersonen nicht kompensatorisch mit Feinfühligkeit und Kontinuität zur Verfügung stehen. Moderne Werkstoffe •Biegsam •Stabil •Leitfähig mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 23 24 Resilienz in der Psychologie Resilienz als Lebenshaltung Unter Resilienz oder psychischer Robustheit versteht man die Fähigkeit eines Menschen, erfolgreich mit belastenden Situationen umzugehen und diese zu bewältigen. Wer keinen Sinn im Leben sieht, ist nicht nur unglücklich, sondern kaum lebensfähig Belastungen sind z.B. Krankheiten, Misserfolge, Notlagen, Traumata, Bedrohungen. Inmitten der Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten. (nach American Psychiatric Association) Beachte: Resilienz wird erst bedeutungsvoll unter Belastung (Analogie zum biegsamen Werkstoff)! Albert Einstein mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 25 26 Resilienz: Persönliche Schutzfaktoren Resilienz: Soziale Schutzfaktoren • Fähigkeit, realistische Pläne zu tätigen und diese Schritt für Schritt auszuführen • Aufbau eines positiven, vertraulichen Bildes von sich selbst und anderen • Gute Problemlösefertigkeiten • Gute Kommunikations- und soziale Interaktionsfähigkeiten • «Einfaches» Temperament – robust, aktiv, kontaktfreudig • Eine sichere Bindung an primäre Bezugspersonen, welche unterstützend, verlässlich, «feinfühlig» und empathisch sind • Ein tragendes Familienklima, welches offen und flexibel auf Veränderungen reagieren kann • Psychisch gesunde Eltern • Eine ausreichende soziale Unterstützung durch Vertrauenspersonen (sowie bei Jugendlichen durch die Gleichaltrigen) • Eine Erziehung die klar, strukturiert und wertschätzend ist sowie fördert und fordert – angemessene Bewältigung starker Gefühle und Impulse • Intelligenz (?) (in Anlehnung an Juen, 2005) mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 27 28 Erziehungskompetenz Komponenten der Erziehungskompetenz Erziehungskompetenz umfasst die Fähigkeit und Fertigkeit, die kognitive, emotionale, soziale und körperliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu fördern und zu unterstützen. • Beziehungsfähigkeit Erziehende begegnen Heranwachsenden mit Wertschätzung, fördern ihre Eigenständigkeit und soziale Verantwortung. • Fähigkeit Kontinuität und Stabilität zu vermitteln Sie können ihre Haltungen, das eigene Handeln und die Wechselwirkung von eigenem Verhalten und demjenigen der Heranwachsenden reflektieren. • Fähigkeit zur Grenzsetzung Sie sind in der Lage, neues Verhalten, angepasst an die Entwicklungsphase des Kindes, zu erlernen und im Alltag anzuwenden. Sie pflegen Netzwerke, die sie in ihrer Erziehungsaufgabe unterstützen. • Kommunikationsfähigkeit – Konsistenz im Erziehungsverhalten («voraussehbar») • Förderfähigkeit – Feinfühligkeit gegenüber den kindlichen Bedürfnissen; Eingehen auf das Kind («Perspektivenwechsel»), etc. • Vorbildfähigkeit • Fähigkeit zum Alltagsmanagement Schweizerischer Bund für Elternbildung, 2009 Petermann & Petermann, 2006; Haas et. al 2009 mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 29 30 Eltern mit einer Suchterkrankung Suchterkrankung: Belastungen der Kinder • Substanzgebundene Süchte (Alkohol, Medikamente, Heroin, Cannabis etc.) www.fosumos.ch • Pränatale Risiken und Belastungen • Verlust der verlässlichen, sicheren Strukturen im Alltag – Vernachlässigung, Arbeitslosigkeit, Beziehungsabbrüche – Mangelhafter Halt und Schutz bei ungünstigen äusseren Einflüssen (z.B. Suchtverhalten unter Jugendlichen) • Verhaltenssüchte (Spielsucht, Internetsucht, Sammelsucht etc.) www.spielsucht-radix.ch • Suchterkrankungen sind häufig und teuer. Alkohol z.B. gehört zu den fünf wichtigsten Krankheitsfaktoren, verursacht in der Schweiz 9% der gesamten Krankheitslast sowie soziale Kosten von ca. 6.5 Milliarden CHF (Forum Suchtmedizin Ostschweiz) mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå • Erhöhtes Risiko für Gewalt und Missbrauch • Eingeschränkte Erziehungskompetenzen, u.a. – – – – Fehlende Kontinuität und Stabilität in der Erziehung mangelhafte Förderfähigkeit Brüchiges, zwiespältiges Vorbild Einschränkungen im Alltagsmanagement mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 31 Suchterkrankung: Risiken der Kinder • Selbstwert, Selbstwirksamkeit und Lebenszufriedenheit resignierte Lebenseinstellung 32 Eltern mit einer schizophrene Störung , • Schwere psychiatrische Erkrankung mit charakteristischen Störungen von Denken und Wahrnehmung sowie einer inadäquaten oder verflachten Affektivität • Deutlich erhöhtes Risiko für eine Psychische Störungen – Externalisierende und affektive Verhaltensstörungen – Suchterkrankung (Alkohol, Drogen u.a.), Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen • Das Bewusstsein und die intellektuellen Fähigkeiten sind in der Regel nicht beeinträchtigt (später ev. kognitive Defizite) • Re-Inszenierung der belasteten familiären Beziehungsdynamik z.B. problematische Partnerwahl, verstrickte Beziehungen („Co-Abhängigkeit“) • Die Störung beeinträchtigt die Grundfunktionen, die dem normalen Menschen ein Gefühl von Individualität, Einzigartigkeit und Entscheidungsfreiheit geben. Die Betroffenen glauben oft, dass ihre innersten Gedanken, Gefühle und Handlungen anderen bekannt sind oder, dass andere daran teilhaben (Halluzination, Wahn) (nach ICD -10) mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå Marion Crane in „Psycho“ mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 33 Schizophrenie: Belastungen der Kinder 34 Schizophrenie: Risiken der Kinder • «Bizarres» Elternverhalten (Wiefel und Lehmkuhl, 2004) • Gehäuft (unspezifische) emotionale, soziale und psychosomatische Symptome – unvorhersehbar, wechselhaft, widersprüchlich, feindselig – Widersprüche auf den verschiedenen Kommunikationsebenen – Ängstlich, unsicher, verstimmt, sozialer Rückzug – Aufmerksamkeitsstörung ( beeinträchtiges Lernen) u.a. • «Verzerrte» Vorstellungen von ihrem Kind und seiner Entwicklung • Bindungsmuster: desorganisiert (unsicher, vermeidend, ambivalent) – Ängstlichkeit, unangemessene Überbehütung und Kontrolle – Einbezug des Kindes in das eigene Wahnsystem • Haben als Erwachsene ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für Schizophrenie (1% 13% LZP) • Eingeschränkte Fähigkeiten die (wirklichen) Bedürfnisse der Kinder wahrzunehmen Gefahr der Vernachlässigung mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 35 36 Eltern mit einer depressiven Störung Depression: Belastungen der Kinder • Verwirrende Gefühlslage und Beziehungsgestaltung – Ängstlichkeit, Unsicherheit, Verärgerung, Anspannung etc. Suizidgedanken Suizidale Handlungen Negative, pessimistische Zukunftsperspektiven • Eingeschränkte Erziehungskompetenz u.a. Selbstwertgefühl Verlust von Interesse / Freude Depressive Stimmung Schuldgefühle Ermüdbarkeit Gefühl der Wertlosigkeit – Beziehung und Kommunikation (Interaktion) „gebremst“ – Förderfähigkeit und Fähigkeit zu Grenzsetzung: gehemmt, inkonsequent – Alltagsmanagement erschwert (Erschöpfung, Antriebsmangel) Selbstvertrauen Appetit • Unsichere Bindung bei Kleinkinder (postnatale Depression) Konzentration – «anwesende Abwesenheit» bei schwerer Depression (Wiefel & Lehmkuhl, 2004) Aufmerksamkeit Schlafstörungen mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 37 38 Sonderfall «Bipolare affektive Störungen» Depression: Risiken der Kinder • Viele der durch depressive Eltern belasteten Kinder reagieren selber mit (unspezifischen) psychischen Auffälligkeiten wie Angststörungen oder Verhaltens- und Lernstörungen • Das spezifische Depressionsrisiko ist ebenfalls deutlich erhöht (Groen & Petermann, 2002) • Sind beide Eltern krank steigt das Erkrankungsrisiko zusätzlich • Im späteren Lebensverlauf (als Erwachsene) haben Kinder von depressiven Eltern ein ca. 3 mal häufiges Risiko für eine Depression (Weissmann et. al 2005) mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå ie . d en w z st f b ela lich u b rla n eb h Ve nge erh eic r e t t s u f f k a es lha an ch str se hw ers r h eh ec ssc rtn ds r w ung d Pa n e i D m un es im r nd ä St nde t us Ki eZ h c nis Ma mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 39 Eltern mit Persönlichkeitsstörungen 40 Trauma, Gewalt und Borderline-Störung • Verschiedenen Formen von Persönlichkeitsstörung – paranoid, dissozial, histrionisch, zwanghaft, ängstlich etc. • Häufig sog. emotional instabile Persönlichkeitsstörung – Impulsivität, Defizite in Planung / Steuerung, instabile Stimmung • Unterform „Borderline Typ“ – Identitätsstörung: Selbstbild, Persönliche Ziele und „innere Präferenzen“ (inkl. sexuelle Identität) – Intensive jedoch unbeständige (ambivalente) Beziehungen – Gefühle von „innerer Leere“ – Suiziddrohungen und selbstschädigendes Verhalten Ch. Schmahl, 2010 mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 41 42 Borderline-Störung: Risiken der Kinder Themen • Eingeschränkte Erziehungskompetenz in den meisten Komponenten Gefahr der Vernachlässigung • Psychisch kranke Eltern – ein Tabu? • Ungefestigte Identität, emotionale Instabilität, Impulsivität, Krisen etc. Unsicheres Bindungsverhalten • Belastungen von Kindern psychisch kranker Eltern • Wechselnde bzw. belastende Beziehungen Trauma, Gefahr von Missbrauch • Zahlen und Fakten – zum Nachdenken! • Psychische Gesundheit der betroffenen Kinder – Ressourcen und Risiken Verluste, – Exkurs 1: Bindungstheorie – Exkurs 2: Resilienz – Exkurs 3: Erziehungskompetenz Fazit: Die Kinder haben im Vergleich zu anderen Risikokindern eine hohe Rate von psychischen Auffälligkeiten (Sozialverhalten, ADHS, Essstörungen, Suchterkrankung etc.). Sie haben durch die erhöhte Gefährdung ein besonderes Schutzbedürfnis! mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå • Spezifische Probleme bei ausgewä ausgewählten Krankheitsbildern • Prävention und Intervention bei psychisch kranken Eltern und ihren Kindern mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 43 44 Wann ist die kindliche Entwicklung gefährdet? Prävention – Wichtige Voraussetzungen • Belastungen und Gefährdungen kennen, erkennen und anerkennen (= handeln), d.h.… • Die Risikoeinschätzung berücksichtigt die aktuelle Situation, der bisherige Verlauf (Prozess), die psychosoziale Situation der Familie bzw. des Kindes sowie kindliche und elterliche Ressourcen und Belastungen • die Kinder in der Behandlung des erkrankten Elternteils als Angehörige bzw. die psychisch erkrankten Patienten als Eltern wahrnehmen • Je früher Unterstützung und Hilfe einsetzen, desto eher kann dem Auftreten oder der Verfestigung einer Störung und ihren Spätfolgen vorgebeugt werden • Die einzelnen Komponenten beeinflussen sich wechselseitig, können sich aufschaukeln bzw. abmildern • Checklisten sind zur Risikoeinschätzung hilfreich (Blum 2012) Grundsatz Kinder von psychisch kranken Eltern haben dann gute Entwicklungschancen, wenn Eltern, Angehörige und Fachleute lernen, in sinnvoller und angemessener Weise mit der Erkrankung umzugehen, und wenn sich die Patienten und ihre Kinder auf tragfähige Beziehung stützen können (Mattejat & Lisofsky, 2004, Blum 2012) • Risikofaktoren beeinflussen (Eltern, Kinder) • Psychosoziale Belastungsfaktoren reduzieren • Ressourcen fördern und aktivieren (Familie, Netzwerke) mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 45 46 Beispiele für eine hohe Risikoeinschätzung Beispiele „Ressourcen fördern“ • Mit der Erkrankung geht ein Ausfall der Alltagsversorgung des Kindes einher. • Förderung der familiären Kommunikation – Erlernen konstruktiver Kommunikationsfertigkeiten wie z.B. Gesprächsregeln oder Rückmeldungen geben – Regelmässiger Austausch, z.B. Familienkonferenz • Das Kind hat den Verlust oder die Trennung von wichtigen Bezugspersonen erlebt (Tod, Scheidung, Einweisung in ein Heim) • Die Krankheit wird verleugnet (keine Krankheitseinsicht) oder in der Familie wird nicht offen über die Krankheit geredet • Die Beziehung des Kindes zum gesunden Elternteil ist nicht tragfähig und vermittelt keine Sicherheit und Kontinuität. • Es sind beide Elternteile des Kindes erkrankt. • Seitens des Kindergartens, der Schule oder vom Arbeitsplatz wurde von Auffälligkeiten wie sozialem Rückzug, Abbruch von Kontakten, Leistungsabfall berichtet. mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå • Förderung sozialer Ressourcen / sozialer Unterstützung – Netzwerkanalyse („wer weiss alles von deinen Problemen, an wen könntest du dich wenden, mit wem kannst du reden“?) – Netzwerkkonferenz („Es können alle kommen, die zu einer Lösung betragen können und wollen“) Selbstorganisation – Interdisziplinäre Helfersitzungen Koordination durch professionelle Helfer (freiwillig vs. angeordnet, z.B. durch KESB) mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 47 48 Angehörigenarbeit Psychoedukation • Wenn möglich in Anwesenheit der ganzen Familie – Transparenz, Verbindlichkeit, Teilhabe • Ausgangspunkt ist das persönliche Erleben der Kindes – Informationsbedürfnis, Fragen • Informationen dem Alter und der Entwicklung angemessen – Offen und ehrlich, ohne Details oder Versprechungen – nur so viel wie emotional verarbeitet werden kann • Das Kind sollten von der psychischen Erkrankung erfahren – Auswirkungen, Behandlung, Veränderungen für das Kind im Alltag oder in der Familie • Informationen zu Krankheitsursachen (inkl. „Schuldfrage“), Prognose, Verlauf, etc. (optional) mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 49 Selbsthilfegruppen für Kinder nach Suizid 50 Psychoedukation - Bilderbücher mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 51 52 [email protected] Psychoedukation - Bilderbücher Handout: www.ksow.ch Danke fü für die Aufmerksamkeit! Fragen? mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 53 Flugaufnahme Georg Gerster 54