Dirk Halm Der Islam als Diskursfeld Dirk Halm Der Islam als Diskursfeld Bilder des Islams in Deutschland 2. Auflage Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 2. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frank Engelhardt VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16156-3 Inhalt Einleitung ............................................................................................................ 7 1 Problemstellung ....................................................................................... 11 2 Konzept: Der Islam als Diskursfeld .................................................... 19 3 Forschungsstand ...................................................................................... 25 4 5 3.1 Der deutsche Islamdiskurs seit 2001 ......................................... 25 3.2 Vertretung der Muslime durch die Verbände ......................... 33 3.3 Forschungsdesiderate .................................................................. 37 Vorgehensweise ....................................................................................... 41 4.1 Ablauf der Erhebung und Auswertung.................................... 41 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 Ergebnis der Fokusgruppen ....................................................... 43 Christlich-islamischer Dialog ..................................................... 43 Integrationspolitik........................................................................ 44 Muslimische Verbände................................................................ 46 Ergebnisse ................................................................................................. 49 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 Christlich-islamischer Dialog ..................................................... 49 Quantitative Entwicklung des Dialogs ..................................... 49 Dialogthemen................................................................................ 53 Dialoghaltungen ........................................................................... 57 Organisatorische Fragen ............................................................. 65 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 Integrationspolitik........................................................................ 67 Integration des Islams als politische Aufgabe ......................... 67 Wahrnehmung der Muslime als politische Akteure............... 73 Strategien ....................................................................................... 79 6 Inhalt 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 6 7 Muslimische Verbände................................................................ 85 Entwicklung der (organisierten) Religiosität ........................... 85 Veränderung des Tätigkeitsspektrums..................................... 91 Lobbying der Verbände............................................................... 92 Die islamischen Verbände in der Öffentlichkeit...................... 95 Konflikte und Islamfeindlichkeit ............................................... 98 Konstruktion des Islams in Deutschland durch den Diskurs ...... 101 6.1 Islambilder der Akteure ............................................................ 101 6.2 Interreligiöser Dialog................................................................. 102 6.3 Integrationspolitik...................................................................... 105 6.4 Muslimische Verbände.............................................................. 109 Szenarien einer zukünftigen (Des-)Integration des Islams in Deutschland ............................................................................................ 113 7.1 Verbindung mit anderen öffentlichen Diskursen ................. 113 7.2 „Kampf der Kulturen“............................................................... 113 7.3 „Euro-Islam“ und Integrationsperspektive der Muslime.... 117 7.4 Parallelgesellschaft..................................................................... 122 7.5 Bedeutungsverlust von Religion.............................................. 125 Literatur ........................................................................................................... 129 Quellen ............................................................................................................ 133 Verzeichnis der Interviews .......................................................................... 135 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................... 137 Anhang: Interviewleitfäden ........................................................................ 139 Einleitung Mit bis zu 3,5 Mio. Menschen in Deutschland, die familiäre Wurzeln in islamisch geprägten Ländern haben, ist es eigentlich erstaunlich, dass sich die Frage der Integration des Islams in die deutsche Gesellschaft erst relativ spät, vermehrt seit der Mitte der 1990er Jahre, stellte. Die Integration der Muslime wurde damit erst in einem Moment – zunächst in den Kommunen und in den Ländern – zum Thema, als die Muslime im Zuge der Verfestigung ihrer Aufenthalte in Deutschland und der häufigeren Aufgabe zuvor weit verbreiteter Rückkehrillusionen begannen, auch durch die Errichtung repräsentativer Moscheebauten, stärker öffentlich sichtbar zu werden und sich erste juristische Auseinandersetzungen um das Recht zur Erteilung von Religionsunterricht, Kopftuch im öffentlichen Dienst, Schächten u. Ä. anzubahnen begannen. Diese verzögerte Beachtung der Islamfrage hat sicherlich auch damit zu tun, dass Deutschland sich erst sehr verspätet und zaghaft überhaupt als Einwanderungsland zu begreifen begann und erst seit 2005 überhaupt eine Integrationspolitik auf Bundesebene in Kraft ist (das lang umstrittene „Zuwanderungsgesetz“)1, womit in Politik und Öffentlichkeit das Bewusstsein dafür, dass die gesellschaftliche Integration mit Blick auf zugewanderte Gruppen spezifische Anforderungen stellen kann, erst eine breitere Verankerung fand, die ihren Ausgangspunkt in der „Green-Card“Diskussion und der daraufhin eingerichteten Zuwanderungskommission ab dem Jahr 2000 genommen hatte.2 Auf Länderebene war der Islam, etwa 1 2 Siehe zu einer Würdigung der Zuwanderungspolitik seit 2000 Schönwälder, Karen: Kleine Schritte, verpasste Gelegenheiten, neue Konflikte. Zuwanderungsgesetz und Migrationspolitik. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 10/2004, S. 1205-1214. Siehe hierzu den Bericht der Unabhängigen Kommission „Zuwanderung“: Zuwanderung gestalten – Integration fördern. Berlin 2001. 8 Einleitung im Zuge der Auseinandersetzungen um die Anerkennung muslimischer Gruppen als Religionsgemeinschaften und die Erteilung von Religionsunterricht, schon länger Thema, ohne dass lange Zeit aber eine systematische Befassung der Landespolitik daraus gefolgt zu sein schien. Auch wenn der 11. September 2001 bei näherer Betrachtung in Deutschland kein Wendepunkt im Zusammenleben von „Deutschen“ und Muslimen gewesen ist: Denn speziell die Angst vor dem Islam ist weit vor diesem Datum etabliert, obwohl diese Tatsache in den Hintergrund getreten ist – die Terroranschläge und ihre Folgen haben den Diskurs um die Integration des Islams dennoch maßgeblich verändert. Zwar existierte das Wissen um die Notwendigkeit der Integration des Islams schon davor und ebenso auch in erheblichem Umfang die Ablehnung des Islams als terroristische und kulturelle Bedrohung – der 11. September und die auf ihn folgenden Anti-Terror-Kriege haben der Auseinandersetzung aber einen bis heute wirkenden Impuls gegeben und die Religion als herausragende Kategorie in einem ohnedies intensivierten Integrationsdiskurs etabliert. Der Islam ist überdies ein wichtiges Element weiterer Debatten abseits des Integrationsdiskurses im engere Sinne, sei es die Zukunft der Säkularisierung, der „Kampf der Kulturen“, die Entstehung von „Parallelgesellschaften“ oder die Entwicklung eines europäischen Islams. Die vorliegende Studie analysiert auf der Grundlage von Experteninterviews den aktuellen Diskurs um die Integration des Islams in die deutsche Gesellschaft. Unter Rückgriff auf Werner Schiffauers schon 1997 vorgeschlagenes Konzept des Islams als Diskursfeld zeigt der Text, wie unterschiedliche Akteure bestimmte Bilder des Islams in der Öffentlichkeit etablieren, um damit Positionen zu stützen und Interessen zu vertreten. Auf dieser Grundlage werden die Perspektiven diskutiert, die der deutsche Islam unter den herausgearbeiteten diskursiven Bedingungen hat. Die Fähigkeit zur Etablierung eines bestimmten Islambildes im öffentlichen Diskurs ist eine Machtfrage, ebenso wie die Durchsetzung von Leitbildern, wie eine in Deutschland rechtlich und gesellschaftlich voll integrierte muslimischen Community aussehen sollte. Die Funktion der vorliegenden Studie ist entsprechend, diese Machtverhältnisse und ihre Manifestation im Diskurs zu beschreiben und damit eine Grundlage da- Einleitung 9 für zu schaffen, das selbstreflexive Potential des deutschen Islamdiskurses zu stärken. Wie die Studie zeigen wird, partizipieren zahlreiche Akteure am Diskurs um die Integration des Islams aus Interessenlagen heraus, die nur mittelbar oder auch überhaupt nicht auf die gleichberechtigte Teilhabe der Muslime in Deutschland zielen. Die Identifikation solcher Diskursstrategien und -taktiken ist ein erster Schritt zur Emanzipation des Islamdiskurses von Ressourcenkonkurrenzen sowie sicherheitspolitischen und anderen Überlegungen. Weiterhin gibt die vorliegende Analyse Hinweise darauf, in welche Richtung ein Zusammenleben mit dem Islam zukünftig überhaupt realistischerweise gedacht werden kann, also was mit Blick auf die Interessen der Akteure durchsetzbar scheint. Die vorliegende Studie entstand durch Förderung der Fritz Thyssen Stiftung in den Jahren 2006 und 2007. 1 Problemstellung3 Die Verbindung der Themen Islam und Zuwandererintegration ist in Migrationsforschung und Politik ein relativ junges Phänomen, was damit zu tun hat, dass einerseits muslimische Zuwanderer erst verspätet in den europäischen Aufnahmegesellschaften endgültig sesshaft und in ihrer Religiosität auch sichtbar wurden, andererseits im Nachkriegseuropa Religion als gesellschaftspolitische Kategorie mehr und mehr an Bedeutung verloren hatte4 und somit die Sensibilität für einen möglichen Zusammenhang von Religion und gesellschaftlicher (Des)integration nur wenig ausgeprägt war. Seit dem 11. September 2001 scheint die Integrationspolitik in Deutschland nun aber im Gegenteil immer stärker von der Aufgabenstellung einer Integration des Islams dominiert zu werden. Augenscheinlich belegt wird diese These durch die Einberufung einer „Deutschen Islamkonferenz“ durch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, erstmalig am 27. September 2006, sowie durch die explizite Erwähnung, des „Dialogs mit dem Islam“ als „Bestandteil von Integrationspolitik und politischer Bildung“ im Vertrag über die Große Koalition von CDU/CSU und SPD 20055. Religion ist also nun doch zu einer wichtigen Kategorie von Integrationspolitik geworden. 3 4 5 Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit beschränkt sich der vorliegende Text auf die Verwendung der männlichen Form bei der Rede von Individuen und Gruppen. Die weiblichen Individuen und Gruppen sind dabei immer mit gemeint. Tiesler, Nina Clara: Europäisierung des Islam und Islamisierung der Debatten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 26/27 2007, S.24-32. Gemeinsam für Deutschland – Mit Mut und Menschlichkeit. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005, S. 117. 12 1 Problemstellung In der Folge gewinnt auch der „Dialog der Religionen“ an gesellschaftspolitischer Relevanz, indem Religion als wieder integrationsrelevante Kategorie erscheint und unterschiedliche Positionen einzelner Religionsgemeinschaften deshalb wieder öffentliche Aufmerksamkeit finden. Levent Tezcan diagnostiziert: Diese Verknüpfung von gesellschaftspolitischen und religiösen Themen war im CID [christlich-islamischen Dialog, Anmerkung D. H.] von Anfang an präsent. […] Es fehlte jedoch die gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Diese wurde ihm erst zuteil, als der Islam und die Muslime in vielerlei Hinsicht als Sicherheitsrisiko auftauchten. Inzwischen scheint sich die Rede vom interkulturellen und interreligiösen Dialog zu verselbstständigen. Neben den organisierten Dialogen der religiösen Akteure findet in der medialen Öffentlichkeit ein überbordender Diskurs statt, der nach sensationsträchtigen Gewaltakten wie den Terroranschlägen in Madrid und London oder dem Mord an Theo van Gogh erneut auflebte.6 In diesem Prozess scheint sich der interreligiöse Dialog von seinen eigentlichen inhaltlichen Schwerpunkten – nach allgemeinem Verständnis zuvorderst der Austausch über Glauben und religiöse Erfahrungen – zu emanzipieren und immer weiter in Richtung gesamtgesellschaftlicher Integrationsfragestellungen zu driften.7 Paradebeispiel für diese Entwicklung sind die Islamforen in Deutschland, die sich als eher hybride Projekte an der Schnittstelle von Integrationsdiskurs, interreligiösem und interkulturellem Dialog verstehen.8 Die gleiche Tendenz ist auch an den breit diskutierten Verlautbarungen der Evangelischen Kirche in Deutschland ablesbar, die im Abstand von sechs Jahren, 2000 und 2006, zwei Handrei6 7 8 Tezcan, Levent: Interreligiöser Dialog und politische Religionen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 28-29/2006, S. 28. Diese Entwicklung illustriert etwa die Themensetzung des Symposium „Religion und Integration“ des Annemarie-Schimmel-Forums am 28.2 und 1.3. in Berlin mit dem Panel „Die Rolle der Religionen bei der gemeinsamen Lösung von gesellschaftlichen Zukunftsaufgaben“. Siehe zur Programmatik der Islamforen die Einführungen von Jürgen Micksch und Yasar Bilgin in Micksch, Jürgen: Islamforen in Deutschland. Dialoge mit Muslimen. Frankfurt/Main 2005, S. 8-12. 1 Problemstellung 13 chungen zur Begegnung mit Muslimen veröffentlicht hat.9 Beschränkt sich die ältere Handreichung noch auf sehr konkrete Fragestellungen des interreligiösen Dialogs und des christlich-muslimischen Zusammenlebens, diskutiert das jüngere Papier auf breiterer Grundlage gesellschaftliche Integrationsaufgaben, die weit über Fragen des interreligiösen Zusammenlebens hinausgehen.10 Auch in den Verlautbarungen der katholischen Kirche zum interreligiösen Dialog ist eine solche Tendenz, aber in abgeschwächter Form und mit einer etwas anderen Schwerpunktsetzung, festzustellen,11 indem nämlich mit dem Thema Zuwandererintegration auch sehr dezidiert humanitäre Fragen der Migration verbunden werden – obwohl auch die neueren Verlautbarungen eher auf Abstand zur politischen Frage der gesellschaftlichen Integration bleiben und auch immer die Bedeutung des letztendlich theologischen, nicht primär gesellschaftspolitischen Charakters interreligiösen Dialogs betonen. Allerdings dürfte die Regensburger Vorlesung Benedikts XVI. ein neues Kapitel aufgeschlagen haben, da sie in ihrer theologisch geführten Auseinandersetzung mit dem Islam unmittelbare Anknüpfungspunkte an die politische Diskussion bietet. 9 10 11 EKD: Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland. Gestaltung der christlichen Begegnung mit Muslimen. Eine Handreichung. Hannover 2000; EKD: Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime in Deutschland. Eine Handreichung. Hannover 2006. So verzeichnet die Handreichung ein Kapitel „Religion, Migration und Integration“ mit den Unterpunkten „Zuwanderung und Leitbild Integration“, „,Multikulturelle Gesellschaft‘ in der Kontroverse“, „Integration und gesellschaftlicher Dialog“. Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Das Christentum und die Religionen. Arbeitshilfe Nr. 136, Bonn 1996; Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Christen und Muslime in Deutschland. Arbeitshilfe Nr. 172. Bonn 2003; Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Integration fördern – Zusammenleben gestalten. Wort der deutschen Bischöfe zur Integration von Migranten. Bonn 2004. Für das Dialogkonzept der katholischen Kirche außerdem bis heute maßgebend: Pontifical Council for Interreligious Dialogue: The Attitude of the Catholic Church towards the Followers of Other Religious traditions: Reflections on Dialogue and Mission. Rome 1984. Hier werden vier Schwerpunkte des interreligiösen Dialogs unterschieden: Leben, Handeln, theologischer Austausch und religiöse Erfahrung; siehe auch Kaulig, Ludger: Ebenen des christlich-islamischen Dialogs. Münster 2004. 14 1 Problemstellung Politisch zeigte sich die Verschränkung der Themen Islam und Zuwandererintegration bisher wohl am deutlichsten im zur Jahreswende 2005/2006 vom Innenministerium Baden-Württembergs entwickelten „Muslim-Test“ im Einbürgerungsverfahren, der Einbürgerungswillige aus muslimischen Herkunftsländern exklusiv einer besonderen Prüfung ihrer Verfassungstreue unterziehen wollte (allerdings dann durch eine im Rahmen der Innenministerkonferenz der Länder verabschiedete, „entschärfte“ bundeseinheitliche Richtlinie ersetzt wurde).12 Es gibt damit eine offenbar sicherheitspolitische Motivation, den Islam in Deutschland zu thematisieren, wobei integrationspolitische Handlungsfelder – wie hier das Staatsbürgerschaftsrecht – berührt werden. Zugleich gibt die soziologische Forschung zu Migration und Integration in Deutschland seit 2001 vermehrt Anlass, in der integrationspolitischen Debatte speziell der Integration der Muslime besondere Beachtung zu schenken. So zeigen neuere Arbeiten zur Sozialintegration von Migranten in Deutschland, dass in den letzten Jahren zunehmende Desintegration einerseits mit Blick auf die Arbeitsmarktchancen und die Einkommenssituation von Migranten zu beklagen ist, anderseits aber auch die kulturelle Differenz von Muslimen zur Aufnahmegesellschaft insofern zu wachsen droht, als die Bedeutung der (anderen) Religion in der Selbst- und Fremdzuschreibung eine immer stärkere Betonung erfuhr.13 Gleichzeitig können neuere Daten der empirischen Sozialforschung als Belege für eine Verschlechterung des interreligiösen und interkulturellen Zusammenlebens in Deutschland herangezogen werden.14 Entsprechend 12 13 14 Der durch weite Teile von Politik und Öffentlichkeit abgelehnte, wenn nicht skandalisierte Vorstoß Baden-Württembergs kann in den Kontext ernsthafter (rechtswissenschaftlicher) Überlegungen zu den Grenzen der Religionsfreiheit in Deutschland gestellt werden, so von Zinser, Hartmut: Wehrhafte Religionsfreiheit und religiöser Verbraucherschutz. Grenzen der Religionsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland. In: Klinkhammer, Gritt/Tobias Frick (Hg.): Religionen und Recht. Eine interdisziplinäre Diskussion um die Integration von Religionen in demokratische Gesellschaften. Marburg 2002, S. 71-82. Siehe Halm, Dirk/Martina Sauer: Parallelgesellschaft und ethnische Schichtung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 1-2/2006, S. 18-24. So etwa die Umfrage des Instituts FORSA im Auftrag des Magazins „stern“ (veröffentlicht am 12.10.2006) unter Türkeistämmigen in Deutschland, die 45% der Befrag- 1 Problemstellung 15 gewinnt die Verständigung mit dem Islam zu Recht an Bedeutung für die Integration von Gesellschaft. Anders formuliert: Die Notwendigkeit der Integration des Islams folgt aus der Mutmaßung, dass nur die Pluralisierung, nicht aber der Funktionsverlust von Religion, anders als früher oft unterstellt, in westlichen Gesellschaften eine Konstante ist. Die Koalitionsregierung in Berlin bringt ihre Integrationspolitik auf die Formel des „Förderns und Forderns“15. Möglicherweise etabliert sie damit langsam eine Alternative zu einer jahrzehntelangen Politik, die sich im Spannungsfeld von Toleranz und Assimilierungsforderung bewegte und Fragen von Integration und Zuwanderung durch fragmentarische Gesetzgebung und Verordnungen zu regeln suchte und die nur in Ausnahmefällen auf Bundesebene stattfand. Man könnte argumentieren, dass im Zuge dieser Entwicklung die Muslime von im Sinne eines Fürsorgemodells zu versorgenden Individuen zu einer Gruppe werden könnten, die ihre politischen Interessen aktiv vertritt. Analog stellt die sozialwissenschaftliche Literatur schon seit den 1990er Jahren die wachsende Bereitschaft der islamischen Organisationen zur öffentlichen Artikulation ihrer Belange fest16 – und setzt große Hoffnungen in eine solche Entwicklung, wie etwa Claus Leggewie: Der Islam im Westen gehört in die Mitte der politischen Öffentlichkeit. Wer hierzulande in islamische Universitäten und Kirchen investiert, ist deshalb nicht geschichtsvergessen oder politisch naiv, sondern handelt in weiser Voraussicht und allemal zukunftsbewusster als alle konservativen Protektoren des christlichen Abendlandes.17 ––––––––––––––––––––––––––––––– 15 16 17 ten ausweist, die eine Verschlechterung im Zusammenleben zwischen Muslimen und Aufnahmegesellschaft in Deutschland sehen. 60% der Befragten empfinden die USA als „Feind“. So die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer anlässlich des „Integrationsgipfels“ am 13.06.2006 im Deutschlandfunk. Vgl. Kreile, Renate: Der politische Islam in Deutschland. In: Gegenwartskunde 2/1999, S. 179. Leggewie, Claus: Alhambra – Der Islam im Westen. Reinbek 1993, S. 195 (zitiert nach Kreile, Renate: Der politische Islam in Deutschland. In: Gegenwartskunde 2/1999, S. 189-190). 16 1 Problemstellung Im Abstand von mehr als einem Jahrzehnt scheint die Euphorie dieses Zitats nur noch sehr bedingt nachvollziehbar, gestalten sich doch viele Auseinandersetzungen um die Partizipation von Muslimen äußerst konfrontativ: Sei es mit Blick auf den politischen und juristischen Streit um das Kopftuch für Lehrerinnen, islamische Schlachtvorschriften oder den gesamten Bereich „kulturell“ oder politisch motivierten abweichenden Verhaltens (Ehrenmorde, Zwangsheiraten, islamistisch motivierter Terrorismus usw.), was von der Aufnahmegesellschaft – und teilweise auch von Stimmen aus der muslimischen Community selbst18 – dazu genutzt wird, die Möglichkeit der Integration des Islams in die westliche Gesellschaft generell in Frage zu stellen – wie etwa beim schon erwähnten baden-württembergischen „Muslim-Test“ zumindest implizit geschehen. Die Auseinandersetzungen um das Verhältnis von Religion und Meinungsfreiheit im Zuge des Karikaturenstreits seien hier als weitere Debatte genannt, die aber ebenfalls eher dagegen spricht, dass sich der Islam ohne massive Konflikte in der „Mitte der politischen Öffentlichkeit“ in Deutschland, wie Leggewie es formuliert, in absehbarer Zeit wiederfinden wird.19 Hinzu kommt, dass eine Asymmetrie im Dialog der Mehrheitsgesellschaft mit den Muslimen nach wie vor besteht. Auch wenn mit der Schaffung eines Koordinierungsrates großer muslimischer Verbände erstmalig ein Ansprechpartner im Entstehen begriffen sein könnte, der in der Mehrheitsgesellschaft als Vertretung der Muslime Ak18 19 So etwa durch die Bewegung der „Ex-Muslime“. Der „Spiegel“ vom 26.03.2006 thematisiert in seiner Titelgeschichte „Mekka Deutschland – Die stille Islamisierung“ anlässlich des Urteils in einem Frankfurter Scheidungsverfahren, in dem Gewalt in der Ehe mit Blick auf das muslimische Bekenntnis der Klägerin nicht als besondere unzumutbare Härte anerkannt worden war, insbesondere justische Konflikte um das Recht auf Religionsfreiheit. Die zwar zugespitzte Darstellung bietet einen guten Überblick über die juristischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre, von der Verpflichtung muslimischer Schülerinnen zur Teilnahme am Schwimmunterricht bis zu Verneinung der Verteidigung der Ehre als niederen Beweggrund in Mordverfahren. Dessen ungeachtet misst die europäische Öffentlichkeit beim Verhältnis von Meinungsfreiheit und Religion mit zweierlei Maß; siehe hierzu Jäger, Siegfried: Der Karikaturenstreit im „Rechts-Mitte-Links“-Diskurs deutscher Printmedien. In: Jäger, Siegfried/Dirk Halm (Hg.): Mediale Barrieren. Rassismus als Integrationshindernis. Münster 2007, S. 55-60. 1 Problemstellung 17 zeptanz findet – die Diskursmacht der Islamvertreter wird auch dann noch weit hinter derjenigen aufnahmegesellschaftlicher Akteure zurückbleiben. Bis zur Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist es noch ein weiter Weg, und damit auch zur Erfüllung der Anforderungen, die sich aus dem deutschen Staatskirchenrecht ergeben. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass der starke Rechfertigungsdruck auf die Muslime vor dem Hintergrund islamistisch motivierten Terrorismus den Islam in Deutschland eher noch weiter heterogenisiert haben könnte.20 Aufgaben wie die Etablierung eines nach dem GG anerkannten Trägers islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen oder die Etablierung islamischer Sozialverbände bleiben damit bisher unerledigt. Die Deutsche Islamkonferenz, deren Startschuss mit dem Islamgipfel bei Bundsinnenminister Wolfgang Schäuble im September 2006 fiel, soll sich neben Fragen der Sozialintegration auch den oben genannten Strukturproblemen widmen.21 Sie stellt sich dieser Aufgabe unter den oben umrissenen, äußerst komplizierten Voraussetzungen. Es wird zukünftig in Deutschland darum gehen, die Muslime im säkularen Staat zu positionieren. Und hier gilt es, wie Heiner Bielefeldt ausführt, ein weit verbreitetes Missverständnis zu vermeiden: Die Säkularisierung des Islams bedeutet nicht, dass er zukünftig nicht als gesellschaftspolitischer Akteur wirken sollte – Säkularisierung ist nicht zu verwechseln mit einem Monopol des Staates auf das Politische.22 Damit ist nicht zu erwarten, dass ein säkularer Islam gleichbedeutend mit der Lösung aller möglichen gesellschaftlichen Konflikte ist, die sich aus dem Zusammenleben unterschiedlicher Religionen, Kulturen und Wertvorstellungen ergeben. Im Gegenteil hätte der Islam in viel größerem Maße die Legitimität, seine Positionen im politischen Diskurs gleichberechtigt zu vertreten. Offizielle Verlautbarungen muslimsicher Gemeinschaften in Deutschland betonen in den letzten Jahren das Primat des säkularen Staates ge20 21 22 Vgl. Halm, Dirk/Marina Liakova/Zeliha Yetik: Zur Wahrnehmung des Islams und der Muslime in der deutschen Öffentlichkeit 2000-2005. In: Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik 5-6/2006, S. 205-206. Vgl. Newsletter Migration und Bevölkerung 9/2006. Vgl. Bielefeldt, Heiner: Muslime im säkularen Rechtsstaat. Integrationschancen durch Religionsfreiheit. Bielefeld 2003, S. 41. 18 1 Problemstellung genüber der Scharia explizit, womit diese Legitimität mehr und mehr zu erlangen gesucht wird.23 Die Rechtsordnung der Bundesrepublik sollte damit für die Mehrzahl der (organisierten) Muslime in Deutschland nicht mehr in Frage stehen, womit trotzdem die Frage nicht erledigt sein wird, inwiefern islamische Rechtsvorstellungen mit der Rechtsordnung der Bundesrepublik kompatibel sind oder zukünftig kompatibel gemacht werden können. Matthias Rohe beschreibt diese Herausforderung wie folgt: [Die Integration des Islams] kann nur gelingen, wenn sorgfältig zwischen dem Islam als Religion und seiner politisierten Form durch Extremisten unterschieden wird […] Zu lösen bleibt die Frage, welcher Weg zwischen unzulässiger staatlicher Definition religiöser Inhalte einerseits und schrankenloser Selbstdefinition durch Einzelne andererseits einzuschlagen ist. Abstrakte Formeln müssen erst noch entwickelt werden. Die primäre Aufgabe des Rechts besteht zunächst in der Lösung konkreter Einzelfragen, wie z.B. die Etablierung eines islamischen Religionsunterrichts […] Gleichzeitig bieten sich vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten im Rahmen des dispositiven Bürgerlichen Rechts. Am Ende der Entwicklung ist eine rechtliche und gesellschaftliche „Normalität“ des Islam in Deutschland zu erhoffen.24 Ob diese Entwicklung so eintritt hängt – übertragen auf die Begriffsbildung der vorliegenden Arbeit – davon ab, mit welchen Positionen und Diskursstrategien sich Muslime und Aufnahmegesellschaft im Zuge der fortschreitenden Integration des Islams in Deutschland, idealer Weise verstanden als immer stärkere gesellschaftspolitische Partizipation, begegnen werden. Der vorliegende Text gibt auf der Grundlage von Gesprächen mit den Akteuren eine empirisch fundierte Antwort. Zumindest in mittelfristiger Perspektive nährt die Studie eher Zweifel – jedenfalls an der Möglichkeit gleichberechtigter Partizipation, eventuell aber auch an der zu erwatenden „Normalität“. 23 24 Siehe das Informationsblatt „Scharia als Glaubensweg von Muslimen“ des Deutschen Islamforums aus dem Jahr 2006 und die „Islamische Charta“ des Zentralrats der Muslime in Deutschland aus dem Jahr 2003. Rohe, Mathias: Islam und deutsches Recht. In: Zeitschrift für Türkeistudien 1/2000, S. 7-26, hier S. 25. 2 Konzept: Der Islam als Diskursfeld Werner Schiffauer konzipiert den Islam als „Diskursfeld“, „als eine Arena, in der zahlreiche Akteure untereinander aushandeln, was der Islam ‚ist‘.“25 Als wichtigste Determinante dieses Aushandlungsprozesses versteht er, unter Rückgriff auf Pierre Bourdieu,26 das Verhältnis von Diskurs und Macht, wobei der Zusammenhang darin besteht, dass unterschiedliche Akteure, je nach Reichweite ihres Einflusses auf den Diskurs, mit dem von ihnen propagierten Inhalten den Islam „repräsentieren“, und zwar wie folgt: Den Islam als Diskursfeld zu begreifen heißt […], Aussagen über das Wesen des Islam als rhetorische Strategien zu begreifen, mit denen Akteure innerhalb eines Diskursfelds versuchen, Punkte gegen andere Akteure zu sammeln.27 In diesem Prozess werden Positionen zum Zweck der gegenseitigen Abgrenzung der Akteure von einander ständig modifiziert.28 25 26 27 28 Schiffauer, Werner: Ausbau von Partizipationschancen islamischer Minderheiten als Weg zur Überwindung des islamischen Fundamentalismus? In: Bielefeldt, Heiner/ Wilhelm Heitmeyer (Hg.): Politisierte Religion. Ursachen und Erscheinungsformen des modernen Fundamentalismus. Frankfurt/Main 1998, S. 419. Siehe Bourdieu, Pierre: Was heißt sprechen. Die Ökonomie des sprachlichen Tausches. Wien 1990. Schiffauer, Werner: Ausbau von Partizipationschancen islamischer Minderheiten als Weg zur Überwindung des islamischen Fundamentalismus? In: Bielefeldt, Heiner/ Wilhelm Heitmeyer (Hg.): Politisierte Religion. Ursachen und Erscheinungsformen des modernen Fundamentalismus. Frankfurt/Main 1998, S. 420. Vgl. Schiffauer, Werner: Muslimische Organisationen und ihr Anspruch auf Repräsentativität: Dogmatisch bedingte Konkurrenz und Streit um Institutionalisierung. In: Es- 20 2 Konzept: Der Islam als Diskursfeld Natürlich erfolgen diese unterschiedlichen Repräsentationen des Islams nicht allein durch die muslimische Community, sondern auch durch Akteure der Aufnahmegesellschaft und weitere. Die vieldiskutierte Regensburger Vorlesung Papst Benedikt des XVI. vom 12. September 200629 beispielsweise sowie die Reaktion muslimischer Stimmen auf diese Rede illustrieren eine solche Repräsentation und das Sammeln von Punkten auf gegenseitige Kosten prototypisch. Ohne hier auf die durch Benedikt in Regensburg begonnene Debatte um Vernunft und Mensch-GottesVerhältnis im Islam und im Christentum einzugehen,30 ist die Reaktion 38 muslimischer Geistlicher in einem offenen Brief doch hinsichtlich der Art und Weise der Argumentation interessant. Sie schreiben an den Papst: Ihr bezieht Euch an einem Punkt nicht-spezifisch auf „die Experten“ (über Islam) und zitiert auch zwei katholische Gelehrte beim Namen, Professor (Adel) Theodore Khoury und (Assoziierter/Außerordentlicher Professor) Roger Arnaldez. Es ist hier ausreichend zu sagen, dass während viele Muslime anerkennen, dass es verständnisvolle nicht-Muslime und Katholiken gibt, die wahrhaft als „Experten“ des Islams betrachtet werden können, Muslime nach unserem Wissen die die von Euch referierten „Experten“ nicht indossiert, oder als die Muslime oder ihre Absichten repräsentierend anerkannt haben. [… Es] scheint uns, dass ein großer Teil der Sache des interreligiösen Dialogs ist, danach zu streben, den echten Stimmen desjenigen zu lauschen und sie zu erwägen, mit dem wir Dialog führen, und nicht nur derjenigen unserer eigenen Meinung.31 ––––––––––––––––––––––––––––––– 29 30 31 cudier, Alexandre (Hg.): Der Islam in Europa. Der Umgang mit dem Islam in Deutschland und Frankreich. Göttingen 2003, S. 155. In: Benedikt XVI.: Glaube und Vernunft. Die Regensburger Vorlesung. Freiburg/Breisgau 2006, S. 11-32. Siehe zu einer ausführlichen Analyse der Regensburger Rede und zu ihrer Bedeutung für die Positionierung von Katholizismus und Orthodoxie gegenüber dem Islam den Beitrag von Paul, Jobst: Auf dem Weg zur „robusten“ Ökumene. Vernunft und Glaube in Regensburg. In: DISS-Journal No. 15 (2007), S. 11-17. „Offener Brief von 38 bedeutenden islamischen Gelehrten an Papst Benedikt XVI.“ Übersetzt von Michael Blume, im englischen Original veröffentlicht auf www.islamicamagazine.com. 2 Konzept: Der Islam als Diskursfeld 21 Der Brief kann als recht deutlicher Verweis auf den in der vorliegenden Studie verfolgten diskursanalytischen Ansatz verstanden werden. Die Frage, wer den Islam repräsentiert und deutet ist äußerst relevant. Damit unterstreicht der Brief die Angemessenheit der theoretischen Konzeption für die Analyse unseres Gegenstandes. Zugleich bestärkt er zwischen den Zeilen die schon im Eingangskapitel formulierte Einschätzung, dass von einer deutlichen Asymmetrie im christlich-islamischen Dialog auszugehen ist32, die in einer Fragmentierung der vertretenen Positionen auf islamischer Seite begründet ist – so stark, dass diskursmächtige Nichtmuslime unter Umständen mit ihrem Entwurf über das Wesen des Islams im Diskurs „punkten“. Ebenso können islamische Minderheitenpositionen den Diskurs dominieren, was beispielsweise in der Auseinandersetzung um die Religionsfreiheit der Muslime vor deutschen Gerichten der Fall zu sein scheint (Kopftuchverbot für Lehrerinnen, Schächten, Recht auf Erteilung von Religionsunterricht etc.).33 Es ist davon auszugehen, dass in diesen Auseinandersetzungen in der Regel Minderheitenpositionen innerhalb der muslimischen Community politische Öffentlichkeit finden.34 Der Islam-Diskurs konstituiert sich durch zahlreiche Redestrategien.35 Im christlich-islamischen Dialog beispielsweise ist die vielleicht häufigste der Vergleich – eine Strategie, die in der Regel durch die (meist implizite) Forderung einer völkerrechtlichen Reziprozität von Religionsfreiheit umgesetzt wird – also Muslimen nur dann das Recht der ungehinderten Glaubensausübung zu gewähren, wenn auch die Herkunftsländer der muslimischen Migranten diese Freiheit ihren christlichen 32 33 34 35 Siehe hierzu auch Tezcan, Levent: Interreligiöser Dialog und politische Religionen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 28-29/2006, S. 29. Eine Übersicht über Rechtsfragen muslimischer Religionsausübung in Deutschland bietet Rohe, Mathias: Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen. Rechtliche Perspektiven. 2. Aufl., Freiburg/Breisgau 2001. Für diese Interpretation spricht die öffentliche Kommentierung entsprechender Urteile, die in der Regel nicht durch die großen islamischen oder auch türkischen Verbände, sondern durch Randgruppen erfolgt. Siehe zu einer ausführlichen Systematik solcher Redestrategien Wodak, Ruth et al.: Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität. Frankfurt/Main 1998; S. 77-110.