Die Funktionalität des menschlichen Gehirns Bakkalaureatsarbeit aus dem Fach „Einführung in die Wissenschaftstheorie“ SS 2009 Prof. Dr. Johann Götschl Medizinische Universität Graz Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Inhaltsverzeichnis: 1. Einleitung 5 2. Grundelemente des Nervensystems 5 3. Der anatomische Aufbau des Gehirns 7 3.1. Das Großhirn 8 3.1.1. Funktionen des Großhirns 10 3.1.2. Aufteilung der Funktion der einzelnen Lappen 11 3.2. Das Kleinhirn 13 3.2.1. Funktionen des Kleinhirns 15 3.3. Das Zwischenhirn 16 3.3.1. Funktionen des Zwischenhirns 17 3.4. Das Mittelhirn 19 3.4.1. Funktionen des Mittelhirns 20 3.5. Das Nachhirn 20 3.5.1. Funktionen des Nachhirns 21 4. Der Kortex und seine funktionellen Areale 23 4.1. Assoziationsfelder 25 5. Funktionsstörungen des Gehirns und ihre Folgen 27 5.1. Störungen und Erkrankungen des motorischen Systems 27 5.2. Störungen des visuellen Systems 30 5.3. Agnosien 31 6. Das Gehirn und Lernen 31 7. Gedächtnisstörungen 34 7.1. Das Korsakow- Syndrom 34 2 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 7.2. Senile Demenz 35 7.3. Morbus Alzheimer (Präsenile Demenz) 35 7.3. Posttraumatische Amnesie 36 8. Das Gehirn und Bewusstsein 36 8.1. Gehirn und Emotionen 38 8.2. Das empathische Gehirn 39 9. Zusammenfassung 41 3 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 1. Einleitung In der uns bekannten Säugetierreihe bis hin zu den Menschenaffen nimmt das Gehirn an Volumen stetig zu. Schon bei der Geburt besitzt das menschliche Gehirn potentiell alle Voraussetzungen zum Denken und Lernen. Das Wirbeltier –Gehirn verarbeitet Sinneseindrücke und koordiniert komplexe Verhaltensweisen. In jeder Sekunde werden Millionen von Informationen, zum Beispiel über den Zustand von Organen, übertragen und verarbeitet. Es ist somit der Hauptintegrationsort für alle überlebenswichtigen Informationen, die in einem Organismus verarbeitet werden. Es ist die komplizierteste Struktur, die wir kennen, im Schnitt etwa 1245 g bei Frauen bzw. 1375g bei Männern schwer. Das menschliche Gehirn ist neben einfachen Nervensystemen einiger Würmer sowie den Gehirnen von Mäusen, Ratten, Katzen und Primaten das am besten untersuchte Gehirn im Tierreich. Es besteht aus 100 Milliarden Hirnzellen. Diese Zahl ist erstaunlicherweise bei der Geburt nicht bedeutend kleiner als bei einem Erwachsenen. Fast alle Neurone im Gehirn entstehen lange vor der Geburt, hauptsächlich in den ersten drei Lebensmonaten (Vgl. Klinke & Silbernagl: Lehrbuch der Physiologie. S. 718), (Vgl. Blakemore: Wie wir lernen. S.34). 2. Grundelemente des Nervensystems Das Nervengewebe besteht aus Nervenzellen und Gliazellen (Stütz- und Hüllzellen). Die Nervenzelle, auch Ganglienzelle oder Neuron genannt, ist die eigentliche Funktionseinheit des Nervensystems und eine auf Erregungsleitung spezialisierte Zelle. Abb.1.: Aufbau einer Nervenzelle 4 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Das Zentrum dieser Zelle bildet der Zellkörper, auch Perikaryon oder Soma genannt, der den Nucleus, den Zellkern enthält. Das Soma hat, je nach Typus der Zelle, eine Größe zwischen 5 und mehr als 100 µm und produziert alle wichtigen Stoffe, die für die Funktion der Nervenzelle notwendig sind (Neurotransmitter). Die an den Dendriten eintreffenden Signale werden hier weiter verarbeitet. Die Dendriten, die sogenannten Fortsätze, gehen vom Zellkörper weg und vergrößern die Oberfläche der Zelle. Sie sind feine, plasmatische Verästelungen des Zellkörpers, die über Synapsen den Kontakt zu anderen Nervenzellen herstellen und von diesen Erregungen empfangen. Sie empfangen Aktionspotentiale von anderen Neuronen durch deren Axone. Der Dendritenbaum einer einzigen (menschlichen) Nervenzelle kann mit 100.000 bis 200.000 Fasern anderer Neuronen im Kontakt stehen. Die Dendriten sind damit der Teil der Nervenzelle, mit denen diese Informationen aus ihrer Umwelt aufnimmt. An das Soma angesetzt ist der Axonhügel. Er ist die Ursprungsquelle des Axons am Zellkörper. Das Axon, auch Neurit, ist ein langer Fortsatz der Nervenzellen, der am Axonhügel entspringt. Es ist in der Regel mehr oder weniger stark verzweigt und mündet in synaptische Endigungen (Synapsen). Man unterscheidet deshalb je nach Zahl der Fortsätze zwischen unipolaren, bipolaren oder multipolaren Neuronen. Ein Axon kann je nach Typ der Nervenzelle von 1 µm bis 1 m und länger sein. Die Axone der Nervenzellen von Säugetieren weisen etwa eine Dicke von 0,5 bis 10 μm auf. Das Axon ist von mehreren aufeinander folgenden Myelinscheiden (im ZNS werden diese von Oligodendrozyten, im PNS von Schwannschen Zellen gebildet) umhüllt. Zwischen diesen Myelinscheiden sind jeweils kleine Lücken (Ranvierscher Schnürring). Axon und Hülle zusammen bilden die Nervenfaser. Das Axon ist zuständig für die Übertragung des Aktionspotentials einer Nervenzelle und leitet dieses zu den Synapsen und damit an andere Nervenzellen weiter. Des Weiteren wandern die Stoffe, die im Soma gebildet werden (Neurotransmitter, Enzyme), durch das Axon zur Synapse, wo sie die ihnen zufallenden Aufgaben erfüllen. (Vgl. Faller, Der Körper des Menschen: Einführung in Bau und Funktion S.5-11) (Vgl. Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie S.18-26) (Vgl. Thews et al., Anatomie Physiologie Pathophysiologie des Menschen S. 1- 6) 5 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 3. Der anatomische Aufbau des Gehirns Das Gehirn ist wie das Rückenmark von 3 Hirnhäuten umgeben: der harten Hirnhaut: Dura mater, der Spinngewebshaut oder Arachnoidea und der weichen Hirnhaut (Pia mater). (Vgl. Kahle. S.288) Abb.2.: Schematische Darstellung der Hirnhäute Das menschliche Gehirn wird anatomisch grob in fünf Teilbereiche unterteilt: in das 1) Großhirn (Telencephalon) 2) Kleinhirn (Metencephalon) 3) Zwischenhirn (Diencephalon) 4) Mittelhirn (Mesencephalon) 5) Nachhirn (Myencephalon) 6 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Abb.3.: Das menschliche Gehirn in der Übersicht 3.1. Das Großhirn Abb.4.: Das Großhirn Das Großhirn, auch Telencephalon gennant, macht etwa 80% der Hirnmasse aus. Das Cerebrum (Endhirn) ist der größte unter den 5 Hirnabschnitten und ihnen übergeordnet und gehört zum Zentralnervensystem. Meist werden "Endhirn" und Großhirn synonym verwendet. Es besteht aus dem Kortex (Hirnrinde) und subkortikalen Strukturen (Basalganglien und den limbischen Strukturen.). 7 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Die Basalganglien bestehen aus dem Nucleus caudatus, dem Putamen und dem Globus Pallidus. Der Nucleus caudatus (Schweifkern) ist eine bogenförmige Struktur und für motorische Funktionen zuständig. Die limbischen Strukturen sind in ihren Teilen nicht einheitlich beschrieben, aber immer dazugezählt werden: Gyrus cinguli, Amygdala und Hypocampus. Sie sind an Motivation und Emotion beteiligt Der Hypocampus (Seepferdchen) spielt eine wichtige Rolle für das Gedächtnis Der anteriore Gyrus cinguli ist reich an Opiat-Rezeptoren (siehe PAG) und somit wahrscheinlich ein Teil des schmerz hemmenden Systems. (Vgl. Faller. S. 208- 244) (Vgl. Kahle. S. 599- 604) (Vgl. Thews et al. S. 430- 435) Die beiden Hemisphären beider Seiten sind stark gefaltet oder gefurcht und durch 3 Querbahnen (Kommissuren) miteinander verbunden: Corpus callosum (Balken) Commissura rostralis Commissura fornicis Den größten Balken oder auch Kommissur nennt man Corpus Callosum. Das Corpus callosum besteht aus den Teilen Rostrum (Schnabel), Genu (Knie), Truncus (Stamm) und Splenium (Hinterende). Der Balken dient dem Informationsaustausch und somit der Koordination der beiden Hälften. Der oberflächliche Teil der Hemisphären ist der Kortex. Die 2-4mm Großhirnrinde enthält ca. 14 Mrd. Somata von Nervenzellen (aus dem griechischen: Soma – Leib, Körper) Dadurch erscheint sie grau und wird auch graue Substanz genannt. Darauf lassen sich die sogenannten Rindenfelder erkennen. Man unterscheidet zwischen primären Feldern und Assoziationsfeldern. Zu den ersten rechnet man unter anderem den primären visuellen Kortex. Im inneren des Großhirns befindet sich die weiße Substanz . In dieser verlaufen Axone, welche die einzelnen Teile des Großhirns mit anderen Teilen des Nervensystems verbindet. Die beiden Hemisphärenhälften werden in verschiedene Lappen eingeteilt, wobei jeder einzelne eigene Aufgaben besitzt: 8 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 der Frontallappen (Lobus frontalis), der Parietallappen (Lobus parietalis), der Temporallappen (Lobus temporalis) und der Okzipitallappen (Lobus occipitalis). (Vgl. Faller. S.601-603), (Vgl. Kahle. S.258- 261) Abb.5.: Einteilung der Gehirnlappen 3.1.1. Funktionen des Großhirns: Die Aufgabe unseres Denkens und unserer Wahrnehmung übernimmt das Großhirn; hier glaubt man den Ursprung von Intelligenz und Urteilsvermögen des Menschen zu wissen. Die Verarbeitungszentren für Signale, die von den Augen (Sehrinde), den Ohren (Hörzentrum) und anderen Sinnesorganen kommen, befinden sich ebenfalls in diesem Bereich des Gehirns. Durch die Sehrinde beispielsweise erkennen wir einen Gegenstand als Auto, d.h. erst durch sie erhält das Gesehene eine Bedeutung. Eine Längsfurche unterteilt das Großhirn in zwei Hemisphären, die in der Lage sind, zur selben Zeit unterschiedliche Funktionen wahrzunehmen. Im Zentrum der Hemisphären befinden sich, wie bereits oben erwähnt, die Basalganglien - jene „grauen Zellen", die Agatha Christie’s berühmter Detektiv Hercule Poirot so oft für seine zündenden Einfälle verantwortlich machte. Vielmehr regulieren sie die unwillkürlich stattfindenden Bewegungsabläufe unserer Skelettmuskulatur, etwa beim Sitzen oder Gehen. An den Talenten mancher Menschen glaubt man, erkennen zu können, welche ihrer Gehirnhemisphären aktiver ist, ob ihre Stärken zum Beispiel eher im mathematischen 9 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 oder musischen Gebiet liegen. Man vermutet auch einen Zusammenhang zwischen der Ausprägung der Großhirnhemisphären und Links- beziehungsweise Rechtshändern (Vgl. http://www.gesundheit.de/anatomie-lexikon/nervensystem/grosshirn.shtml) (Vgl. Klinke & Silbernagel. S. 718- 719), (Vgl. Kahle. S.230- 254), (Vgl. http://www.unigraz.at/~papousek/teaching/pass_bio/c2-folie15.jpg), (Vgl. Lang. S.49- 51), (Vgl. ThorWiedemann et. al. Medizinische Biologie Band 2. S.23- 24). 3.1.2. Aufteilung der Funktionen der einzelnen Lappen: Im Frontallappen liegt unter anderem die Präzentralregion. Hier befinden sich die beiden Rindenfelder, die die motorische Rinde (Areale 4 und 6) bilden; diese ist das Hauptursprungsgebiet der Nachrichtenvermittlung für Muskelaktivitäten. Dabei ist jede Körperhälfte in der gegenseitigen Hemisphäre vertreten. Ein weiteres Rindenfeld (Areal 8) gilt als das Blickzentrum für willkürliche Augenbewegungen. Zwei Rindenfelder (Areal 44 und 45) bilden das motorische Sprachzentrum, auch Brocasches Feld genannt. Der Frontallappen ist so groß, dass eine weitere Unterteilung notwendig ist. Der präfrontale Kortex hat anscheinend eine große Funktion für Emotionen, vor allem Unterschiede in der rechten und linken Hemisphäre sind ausschlaggebend. Der amerikanische Psychologe und Psychiater Richard Davidson konnte feststellen, dass dorsolateral (auf der Rückenseite gelegen) eine größere Aktivierung rechts zu negativen Emotionen führt (Neigung zu Depression). Dies hat er bei klinischen Patienten und bei zurückgezogenen Kindern festgestellt. Eine Aktivierungsasymmetrie frontopolar (an der Stirn zum Pol des Frontalhirns gelegen) führt hingegen zu einer kurzfristigen Änderung der Stimmung. Bei Rauchern, die rauchen um ihre Stimmung zu verbessern, kommt es beim Rauchen zu einer Verlagerung der Aktivierung im frontopolaren Kortex nach rechts (Vgl. http://www.unigraz.at/~papousek/teaching/pass_bio/biopsyin.html), (Vgl. Kahle. S.246- 255), (Vgl. Thews et al. S.434). 10 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Abb.6.: Der Frontallappen Im Parietallappen liegt unter anderem die Postzentralregion. Die Felder 1, 2 und 3 der vordersten Windung des Parietallappens (Gyrus postcentralis) bilden die Endstätte aller Bahnen für die Gefühlsempfindungen aus Körperinnerem und Umwelt (sensible Bahnen) und damit die somatosensorische Rinde. Im Temporallappen befinden sich die Hör- und die Sprachregion. Die Rindenfelder 41 und 42 bilden die Hörrinde, die die Endstätte aller Bahnen für das Hören ist. Im hinteren Bereich der oberen Schläfenlappenwindung (Gyrus temporalis superior) der dominanten Hemisphäre liegt das sensorische oder Wernickesche Sprachzentrum, bei dessen Schädigung eine Störung des Wortverständnisses Im Hinterhauptslappen oder Okzipitallappen liegt die Sehregion. Areal 17 bildet die Endigungsstätte aller Sehbahnen, die Sehrinde. Sie ist, zusammen mit anderen Rindenfeldern des Hinterhauptslappens, dafür zuständig, dass die Impulse, die die Netzhaut empfängt, 11 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 bewusst gemacht und verarbeitet werden (Vgl. http://www.unigraz.at/~papousek/teaching/pass_bio/biopsyin.html), (Vgl. Kahle. S.246- 255). 3.2. Das Kleinhirn Abb.7.: Das Kleinhirn Das Kleinhirn, Metencephalon oder auch Cerebellum genannt, ist das Integrationsorgan für die Koordination und Feinabstimmung der Körperbewegungen und für die Regulierung des Muskeltonus. Es besteht aus der Pons und dem Cerebellum. Die Pons ist ausgebuchtet und enthält auf- und absteigende Bahnen. Sie ist Teil der Formatio retikularis und enthält den sogenannten blauen Kern (locus coeruleus). Von diesem gehen mehrere Bahnen in höhere Hirnregionen aus und man nimmt an, dass Panikattacken ihre Ursache in einer Überaktivität des l. coeruleus haben. Beim Kleinhirn bezeichnet man, wie beim Großhirn, die nach außen gewandte, nervenzellhaltige Schicht als Rinde (Kortex), die im Inneren liegende weiße Substanz als Mark (Medulla). Im Mark zu findende Ansammlungen von Nervenzellen sind Kerne. Das Kleinhirn ist ein Teil des Gehirns von Wirbeltieren, der sich dem Hirnstamm hinten auflagert und sich unterhalb des Okzipitallappen des Großhirns in der hinteren Schädelgrube befindet. Seine obere Fläche, Facies superior, wird vom Großhirn überdeckt. In seine untere Fläche, Facies inferior, ist die Medulla oblongata (verlängertes Mark) eingelagert. Makroskopisch gliedert sich das Kleinhirn in zwei Teile: 12 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 der Wurm (Vermis cerebelli) ist eine der in der Mitte liegende, etwa ein bis zwei Zentimeter breite, sagittal einmal ganz herumlaufende Struktur, die zwei Kleinhirnhemisphären wölben sich beiderseits des Wurms vor. Sie sind in jeder Richtung größer und breiter als der Wurm. Eine andere Einteilung ist die anatomische. Demnach unterteilt man das Kleinhirn in drei Bereiche: Das Vestibulocerebellum, anatomisch der Lobus flocculonodularis, ist mit den Vestibulariskernen, den Hirnstammzentren des Gleichgewichtsorgans, verbunden. Das Spinocerebellum, anatomisch der Wurm und angrenzende Bereiche, empfängt unter anderem Informationen über die Körperstellung aus dem Rückenmark. Das Pontocerebellum, anatomisch den seitlichen Hemisphären entsprechend, empfängt die Fasern, die über die Brücke (Pons) aus dem Großhirn kommen. Aufgrund phylogenetischer Studien unterschiedet man am Kleinhirn alte (früher entwickelte, bei allen Wirbeltieren vorhandenen) und neue (spät entwickelte, nur bei Säugetieren vorhandenen) Anteile. Dieser Einteilung zu Folge zerfällt das Kleinhirn in zwei Teile: in den Lobus flocculonodularis und in das Corpus cerebelli. Im Mark des Kleinhirn unterscheidet man auf jeder Seite vier Kerne, von innen nach außen: Nucleus fastigii Nucleus globosus (oft zweigeteilt) Nucleus emboliformis Nucleus dentatus. Die Rinde des Kleinhirns lässt sich in drei Schichten einteilen, die wären: Molekularschicht, Stratum moleculare, ganz außen Purkinjezellschicht, Stratum purkinjense und Körnerschicht, Stratum granulosum, nach innen (Vgl. Kahle. S.152- 162), (Vgl. Falle. S.613- 615), (Vgl. http://www.unigraz.at/~papousek/teaching/pass_bio/biopsyin.html), (Vgl. Thews et al. S.425- 429) 13 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 3.2.1.Funktionen des Kleinhirns: Gut untersucht und allgemein anerkannt ist die Rolle des Kleinhirns für Planung, Koordination und Feinabstimmung von Bewegungen, wobei die unterschiedlichen Abschnitte auch verschiedene Funktionen übernehmen. Auch bei Lernvorgängen wird dem Kleinhirn eine wichtige Rolle zugeschrieben. Zudem werden seit einiger Zeit Theorien über die Rolle des Kleinhirns bei kognitiven Prozessen besprochen. Das Vestibulocerebellum erhält aus dem Gleichgewichtsorgan Informationen über Körperlage und Körperbewegung. Diese nutzt es zum einen zur Steuerung der Halte- und Stützmotorik. Zum anderen ist es verantwortlich für die Feinabstimmung fast aller Augenbewegungen, die von den verschiedenen okulomotorischen Zentren im Hirnstamm generiert werden. Das Spinocerebellum empfängt die Afferenzen aus dem Rückenmark, die Informationen über die Stellung von Gelenken und Muskeln geben. Außerdem erhält es kontinuierliche Rückmeldung über die zum Rückenmark und damit in die Peripherie gesendeten Bewegungssignale. Bestimmte Anteile sorgen dafür, dass eine Bewegung wie geplant abläuft, ihr Ziel exakt trifft, und sie sorgen für einen Abgleich von Efferenzen und Afferenzen, also dafür, dass die gesendeten Befehle der momentanen Lage der Extremitäten entsprechen und ständig exakt an die neue Lage angepasst werden. Das Pontocerebellum ist funktionell mit dem Großhirnkortex verbunden. Es empfängt Signale aus vielen Bereichen, vor allem den prämotorischen Zentren im Frontallappen. Dort entstehen Bewegungsentwürfe, die Planung einer Bewegung. Diese eher groben Entwürfe werden zu den lateralen Kleinhirnhemisphären gesendet, wo sie weiter entwickelt, fein abgestimmt, korrigiert, mit aus Erfahrungen gewonnenen internen Modellen abgeglichen werden, und die geplante Aktivität der beteiligten Muskeln koordiniert wird (Vgl.http://www.unigraz.at/~papousek/teaching/pass_bio/biopsyin.html), (Vgl. Kahle. S.162- 166), (Vgl. Faller. S.613- 615), (Vgl. Kahle. S.46- 49), (Vgl. Bartels & Bartels. Physiologie: Lehrbuch der Funktionen des menschlichen Körpers. S.295- 296). 14 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 3.3. Das Zwischenhirn Abb.8.: Das Zwischenhirn Das Zwischenhirn oder Diencephalon ist ein Hirngebiet, das zwischen den Großhirnhemisphären liegt und den dritten Ventrikel umschließt. Es besteht aus dem Thalamus und dem Hypothalamus. Die Unterseite heißt Hypophyse, die Oberseite Epiphyse. Der Thalamus ist die Umschaltstelle zwischen den Sinnesorganen und dem Großhirn. Er setzt sich aus vielen Kerngebieten zusammen, die eine besonders starke Verbindung zur gesamten Großhirnrinde aufweisen. Bei den meisten Menschen sind beide Thalami entwicklungsbedingt über eine dünne Bindegewebsbrücke, die Adhaesio interthalamica, miteinander verwachsen. Er ist für alle ankommenden (afferenten) Impulse die subkortikale, d.h. unter der Großhirnrinde liegende Sammelstelle, in welcher die Umschaltung auf diejenigen Neuronen erfolgt, die überwiegend zur Großhirnrinde ziehen. Zum Thalamus gehören auch die inneren und äußeren Kniehöcker (Corpora geniculata medialia und lateralia), die wichtige Umschaltstellen der Seh- und Hörbahn sind. Der Hypothalamus ist das oberste Regulationszentrum des vegetativen Nervensystems. Er ist ein lebenswichtiges Areal, das z.B.: die Körpertemperatur kontrolliert, die Nahrungsaufnahme steuert, den Wasserhaushalt regelt, den Hormonhaushalt überwacht, etc. Man kann den Hypothalamus in zwei Teile gliedern, in den markarmen und den markreichen Thalamus. Die Hypophyse ist eine dem Zwischenhirn angehörende Hirnanhangsdrüse. Sie liegt in Höhe der Nase zentral im Kopf und sitzt auf einem Knochenteil der Schädelbasis, der „Türkensattel“ (lateinisch-anatomisch Sella turcica) genannt wird. Eine weitere geläufige deutsche Bezeichnung ist Hirnanhangsdrüse, die lateinisch-anatomische Bezeichnung Glandula pituitaria. Sie besteht aus zwei Anteilen: 15 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Aus dem drüsigen Anteil: Adenohypophyse oder Vorderlappen (entwicklungsgeschichtlich aus dem Ektoderm der Mundbucht hervorgehend) und aus dem nervalen Anteil: Neurohypophyse oder Hinterlappen(Ausstülpung des Zwischenhirnbodens). In der Hypophyse findet eine sehr wichtige, enge Verknüpfung zwischen Nervensystem und endokrinem System statt. Beide Hypophysenanteile grenzen mit einer Kontaktfläche aneinander, in deren Bereich das Nervensystem und das endokrin- vaskuläre System miteinander verknüpft sind. Abb.9.: Abbildung der Hypophyse (Vgl. Faller. S.609- 611), (Vgl. Kahle. S.170- 205), (Vgl. Thews et al. S.429- 430). 3.2.1.Funktionen des Zwischenhirns: Aufgaben des Hypothalamus: Bei der Regulation des inneren Milieus nimmt der Thalamus eine große Rolle ein. Auf der einen Seite sind Neurone im Hypothalamus in verschiedene Regelkreise eingebaut, die vegetative Parameter des Körpers konstant halten (Homöostase). Auf der anderen Seite verfügen Neurone des Hypothalamus über Programme, welche Somatomotorik (Bewegung des Skelettmuskulatur), vegetatives Nervensystem und Hormone einem jeweiligen 16 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Verhaltensmuster (z.B.: Wut) anpassen. Im Rahmen dieser integrativen Aufgaben erhält der Hypothalamus ständig Rückmeldungen aus der Peripherie des Körpers. Läsionen im Hypothalamus wirken sich massiv auf die vegetative Steuerung aus. Eine Läsion im vorderen Hypothalamus bewirkt Störungen der Temperaturregulation, endokrine Störungen wie Diabetes, etc. Eine Läsion im medialen Hyothalamus hat ebenfalls Störungen der Temperaturregulation zur Folge, sowie Störungen des Gedächtnisses und von Emotionen. Eine Läsion des lateralen Hypothalamus beeinträchtigt Emotionen, Appetit und Durstgefühl. Abschließend bewirkt eine Läsion im hinteren Hypothalamus unter anderem Schlafsucht und Gedächtnisausfälle. Aufgaben des Thalamus: Zuführende (afferente) Nervenzellen leiten Informationen aus dem Körper und den Sinnesorganen in den Thalamus, wo sie in den „spezifischen Thalamuskernen“ jeweils auf eine nachfolgende Nervenzelle umgeschaltet werden, die zur Großhirnrinde führt. Diese Umschaltung (bei den Synapsen) ermöglicht eine einfache Informationsverarbeitung, indem der Thalamus als Filter fungiert und darüber entscheidet, welche Informationen für den Organismus im Moment so wichtig sind, dass sie an die Großhirnrinde weitergeleitet und bewusst werden sollen. Der Thalamus wird deshalb oft als „Tor zum Bewusstsein“ bezeichnet. Diese Regulation ist notwendig, damit der Thalamus Entscheidungen („Was ist gerade wichtig?“) auf die Gesamtsituation (z. B. Schlaf, Futtersuche, Paarungszeit) abstimmen kann. Aufgaben der Hypophyse: Der Hypophysenhinterlappen ist ein Speicherorgan. Die Hormone Adiuretin und Oxytocin, die im Hypothalamus gebildet werden, werden dort zwischengelagert und bei Bedarf abgegeben. Adiuretin spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Wasserhaushalts des Körpers. Oxytocin löst während der Schwangerschaft die Wehentätigkeit aus, und sorgt in der Stillzeit für das Einschießen der Muttermilch. Im Hypophysenvorderlappen werden eine Vielzahl an Hormonen gebildet. Der übergeordnete Hypothalamus setzt dazu "Steuerhormone" frei, die die Hypophyse zur Produktion von eigenen Botenstoffen anregt, oder die Bildung hemmt. In der Hypophyse werden unter anderem Hormone gebildet, die auf die Schilddrüse und die Nebenniere einwirken, Einfluss 17 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 auf die Pigmentierung der Haut haben und für die Bildung von Östrogen, die Reifung der Eierstöcke und die Entwicklung der Spermien zuständig sind (Vgl. Faller. S.610- 611), (Vgl. Lang. Basiswissen Physiologie. S.106- 110), (Vgl. Klinke & Silbernagl. S.714), (Vgl. ThorWiedemann et. al. S.85-86). 3.4.Das Mittelhirn Abb.10.: Das Mittelhirn Das Mittelhirn oder Mesencephalon ist der kleinste Gehirnteil und liegt zwischen dem Zwischenhirn und der Brücke. Es besteht aus dem Tectum und dem Tegmentum. Das Tectum (Dach) besteht aus zwei Paaren von Kernen Aus den Coliculi superiores: Dort endet ein Teil der Nervenleitung aus den Sehnerven, sie sind also Teil des visuellen Systems und aus den Coliculi inferiores: Sie bekommen ihren Input vom Hörnerv und sind somit Teil des auditorischen Systems. Sie sind an Bewegungen mitbeteiligt, die an sensorische Empfindungen gebunden sind. Zum Beispiel „Kopf drehen zu einer Geräuschquelle hin“. Das Tegmentum ist eine Nervenbahn der Formatio retikularis. Eine wichtige Struktur ist das Periaquaeduktale Grau (PAG): Das cerebrale Aquädukt ist die Grenze zwischen Tectum und Tegmentum und verbindet den 3. und 4. Ventrikel. Diese graue Substanz spielt eine Rolle bei der Schmerzwahrnehmung, zum Beispiel bei elektrischer Stimulation hat das PAG eine schmerzhemmende Wirkung. Es wird angenommen, dass schmerzhemmende Medikamente 18 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 vom PAG aus wirken, da sich dort spezielle Rezeptoren für Opiate befinden (z.B. Morphium bzw. endogen: Endorphine). An der Basis des Mittelhirns findet man ein Paar gewaltiger Faserbündel, die Großhirnschenkel (Crura cerebri, Singular Crus cerebri). Sie sind der untere Teil des Mittelhirns. Die Crura cerebri sind durch seichte Furchen seitlich (lateral) und zur Mitte hin (medial) begrenzt. Vorn liegt zwischen den Großhirnschenkeln eine Grube (Fossa interpeduncularis). In diesem Bereich schieben sich einige Strukturen des Zwischenhirns (Corpus mamillare, Hypophysenstiel) zwischen die Großhirnschenkel. Kaudal (abwärts liegend) grenzen die Großhirnschenkel an die Pons. Schließlich befindet sich zwischen der Haube und den Hirnschenkeln die schwarze Substanz (Substantia nigra), die zusammen mit der Crura cerebri und dem Tegmentum die Großhirnstiele bildet. Der Nucleus ruber und die Substantia nigra bilden die Basalganglien des Mittelhirns (Vgl. Kahle. S.132-137), (Vgl. Faller. S.611- 612). 3.4.1.Funktionen des Mittelhirns: Das Mittelhirn leitet Impulse aus Auge, Ohr und Oberflächenrezeptoren an andere Hirnzentren weiter. Es ist zuständig für eine schnelle Orientierung im optischen Bereich. Hier geht es um das Bewegungssehen, das "Wo"-Sehen. Was man sieht wird erst in der Großhirnrinde verarbeitet. Auch die auditive Wahrnehmung und Schmerzwahrnehmung werden hier verschaltet (Vgl. Lang. S.80), (Vgl. Klinke & Silbernagl. S.619- 621). 3.5.Das Nachhirn Das Nachhirn oder auch Medulla oblongata (lat. verlängertes Mark) ist der hinterste Gehirnteil und gehört zum Hirnstamm und damit zum Zentralnervensystem (siehe Abbildung 9: Das Mittelhirn). Das verlängerte Mark ist etwas vier cm lang und bildet den Übergang vom Gehirn zum Rückenmark. Es bildet das Myelencephalon und wird auch als Bulbus medullae spinalis oder Bulbus cerebri bezeichnet. Die Medulla oblongata ist nach unten hin zum Rückenmark nicht scharf abgrenzbar. Laut Definition reicht sie vom Abgang des ersten Spinalnervs hinauf bis zur Brücke (Pons). Die im Querschnitt sichtbare Verbindungslinie 19 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 beider Hälften wird als Raphe bezeichnet und besteht vorwiegend aus kreuzenden Nervenfasern. Die Medulla oblongata gliedert sich funktionell in die drei folgenden Abschnitte: Tegmentum, Pyramis, und Olive. Im Tegmetum liegen die Ursprünge verschiedener Nervenzellen, welche man allgemein als Kerngebiete bezeichnet (z. B. Hirnnervenkerne oder Kerngebiete für die Ein- und Ausatmung - „Atemzentrum“). Die beiden Pyramides (Einzahl Pyramis) sind die langen Vorwölbungen auf der Vorderseite. Hier verlaufen die Pyramidenbahnen, welche Nervenzellaxone aus der Hirnrinde für die Muskelbewegung enthalten. Etwas weiter unten sieht man eine Verbindung der beiden Pyrames, die Pyramidenbahnkreuzung. Das ist der Ort, an dem ca. 80 % der Nervenaxone auf die andere Seite ziehen. Die Oliven sind die Vorwölbungen etwas seitlich der Pyrames (Vgl. Faller. S.616- 617), (Vgl. Kahle. S.108- 111), (Vgl. Thews. S.426- 427). 3.5.1.Funktionen des Nachhirns: Die Brücke (Pons) verbindet die Kleinhirnhemisphären und leitet Erregungen von den Großhirnhälften zum Kleinhirn. Es ist mitverantwortlich für Schlaf und Aufwachen, sowie Motorikfunktionen. Während des Träumens ist es aktiv. Das Nachhirn (verlängertes Mark) ist ein sehr ursprünglicher Gehirnteil. Es ist die Zentrale für lebenswichtige Reflexe, wie Speichelfluss, Schlucken, Erbrechen, Husten und Niesen und Automatikzentrum für Atmung, Herzschlag und Blutdruck. Werden diese lebenswichtigen Funktionen zum Beispiel bei einem Genickbruch gestört, tritt unmittelbar der Tod ein. Das Nachhirn wird zusammen mit der Brücke und dem Mittelhirn auch als Stammhirn bezeichnet. Also gliedert man den Hirnstamm in Medulla oblongata, in den Pons und in das Mesencephalon. Der Hirnstamm verbindet das Gehirn mit dem Rückenmark. Hier laufen alle Informationen zusammen und überkreuzen sich im unteren Teil. Aufgrund dieser Überkreuzung wird die rechte Körperhälfte von der linken Gehirnhälfte gesteuert und umgekehrt. Der Hirnstamm ist für die allgemeinen Lebensfunktionen zuständig. Seine Strukturen kontrollieren die Herzfrequenz, den Blutdruck und die Atmung. Auch das Wach20 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Schlafzentrum befindet sich hier (Vgl. Thews. S.426- 427), (Vgl. Kahle. S. 112- 126), (Vgl. Klinke & Silbernagl. S.713- 714). Abb.11.: Der Hirnstamm Das menschliche Gehirn ist also die Steuerzentrale des gesamten Körpers. Hier laufen die Informationen aus dem Körper und der Umwelt zusammen und werden zu Reaktionen verarbeitet. Es besteht, wie bereits öfters erwähnt, aus mehreren Teilbereichen, die alle ihre spezifischen Aufgaben besitzen. Hier noch einmal eine schematische Darstellung des gesamten Gehirns im Überblick: Abb. 12.: Das Gehirn im Überblick 21 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 4. Der Kortex und seine funktionellen Areale Der motorische Kortex ist die letzte Instanz bei der Durchführung von Willkürbewegungen. Er ist somatotopisch gegliedert, dass heißt, die von einem bestimmten Areal ausgehenden Axone wirken auf bestimmte periphere Muskeln. Die Größe, die das Areal eines Körperteils einnimmt, entspricht seiner motorischen Flexibilität (die z.B. für Finger, Lippen, etc. hoch ist). Vor der Zentralfurche liegt der gyrus praezentralis, der primäre motorische Kortex (Brodmannareal 4). Dieser wird benötigt, um die Muskulatur willentlich zu steuern. Die meisten absteigenden Nerven kreuzen im Hirnstamm auf die contralaterale, gegenüberliegende Seite, d.h. der rechte gyrus praezentralis steuert die Bewegungen der linken Körperhälfte. Vor dem primärmotorischen Kortex liegt der prämotorische Kortex (Brodmannareal 6), der für die Planung von Bewegungen zuständig ist. Frontal-ventral des prämotorischen Kortex liegt das Broca’sche Areal, welches für die Sprachproduktion zuständig ist (Brodmannareal 44). Posterior der Zentralfurche liegt der gyrus postzentralis, der primäre sensorische Kortex (Brodmannareal 1, 2, 3). Die Nervenbahnen der sensorischen Rezeptoren von Muskeln, Sehnen, Haut führen dorthin. Auch diese Bahnen kreuzen einmal zur contralateralen Seite. Am posterioren Ende des Occipitallappens befindet sich das primäre visuelle Feld (Brodmannareal 17), wo die Sehbahnen enden. Gleich neben der Fissura lateralis im Temporallappen befindet sich das primäre auditorische Feld (Brodmannareal 17). Im gyrus temporalis superior befindet sich das Wernicke Areal (Sprachverständnis) (Vgl. http://www.uni-graz.at/~schulter/biopsy2.html), (Vgl. Klinke & Silbernagl. S.723- 724), (Vgl. Lang. S.44- 46), (Vgl. Bartels. S.285- 300). 22 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Abb. 13.: Die Funktionsareale des Kortex Abb.14.: Die Brodmann- Areale 23 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 4.1. Assoziationsfelder: Das menschliche Gehirn ist, wie eingangs erwähnt, anatomisch in vier Lappen unterteilt: Frontal-, Parietal-, Occipital- und Temporallappen. Funktionell ist aber eine andere Unterteilung sinnvoller. Es existieren, wie oben schon angeführt, verschiedene primäre sensorische Kortexareale. Das visuelle, das somatosensorische oder auch das auditorische Cortexareal erhalten über den Thalamus die Reize vom jeweiligen Sinnesorgan. Zu jedem sensorischen Kortexareal gibt es ein übergeordnetes (sekundäres) sensorisches Areal. In diesem Areal werden aus den einzelnen Reizen und Reiz-Kombinationen komplexere Eigenschaften "erkannt". Die jeweiligen übergeordneten sensorischen Areale liefern die Reize wiederum an drei verschiedene Areale: an den präfrontalen Assoziationskortex an den parietal-temporal-occipitale Assoziationskortex an den limbische Assoziationskortex und eine Bewegung kommt zustande. Abb.15.: Assoziationskortex Der präfrontale Assoziationskortex: Er ist für die Planung und Durchführung von komplexen motorischen Handlungen verantwortlich. Es werden die Funktionen des prämotorischen und 24 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 des präfrontalen Kortex miteinander verknüpft. Er hat somit die Möglichkeit, Informationen aus verschiedenen Bereichen auszuwerten und zu koordinieren. Wichtige Eigenschaften, die die Persönlichkeit ausmachen, werden dort verarbeitet. Verletzungen des Frontallappens können dementsprechend zu Persönlichkeitsveränderungen führen. Ein gutes Beispiel ereignete sich im 19. Jahrhundert, als der englische Sprengmeister Phineas Gage bei einer vorzeitigen Explosion einen Eisenbolzen durch den Vorderschädel bekam und erstaunlicher Weise überlebte. Während des Unfalls blieb Gage bei Bewusstsein und war auch später in der Lage über den gesamten Hergang des Unfalls zu berichten. Die Wunden heilten, lediglich sein linkes Auge wurde durch den Unfall irreversibel zerstört. Nach der Rekonvaleszenz zeigten sich keine nennenswerten motorischen, sensorischen oder intellektuellen Ausfälle, d.h. es ließen sich bei ihm keine Schädigungen im Bereich Wahrnehmung, Gedächtnisleistung, Intelligenz, Sprachfähigkeit oder Motorik feststellen, aber in der Zeit nach dem Unfall kam es zu auffälligen Persönlichkeitsveränderungen bei Gage. Aus dem besonnenen, freundlichen und ausgeglichenen Gage wurde ein zunehmend ungeduldiger, launischer und wankelmütiger Mensch, der seine Zukunft nicht mehr planen konnte und nicht mehr zu vernünftigen Entscheidungen in der Lage war (Läsion im orbitofrontalen und präfrontalen Kortex). Abb.16.: Phineas Gage 25 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Der parietal-temporal-occipitale Assoziationskortex: Im occipitalen Kortexareal befinden sich das primäre und die sekundären visuellen Verarbeitungseinheiten. Der Parietallappen lässt sich in zwei unabhängige funktionelle Einheiten unterteilen: Es existiert ein Rindenfeld für die somatische Empfindung. Die andere funktionelle Einheit ist primär mit der Integration von somatischen und visuellen Reizen beschäftigt. Der temporale Bereich hat die Aufgaben: auditorische Informationen zu verarbeiten, das visuelle Erkennen von Objekten und die Langzeitspeicherung sensorischer Daten (Vgl. Klinke, R., Silbernagl, S. Lehrbuch der Physiologie, S. 723- 724), (Vgl. Thews. S.442- 445; S.455- 459), (Vgl. Kahle. S.308- 313), (Vgl. Faller. S.606- 609). 5. Funktionsstörungen des Gehirns und ihre Folgen 5.1. Störungen und Erkrankungen des motorischen Systems: Der motorische Kortex hat viele unterschiedliche Aufgaben. Daraus folgt, dass es unterschiedliche Formen von Funktionsstörungen des motorischen Systems gibt. Eine Form einer Funktionsstörung wäre die Appraxie. Darunter versteht man Störungen in der Interaktion des motorischen Systems, nicht aber in der Motorik selbst. Diese wären Störung von Handlungen oder Bewegungsabläufen und die Unfähigkeit, Gegenstände (bei erhaltener Bewegungsfähigkeit) korrekt zu verwenden. Es gibt unterschiedliche Arten der Appraxie: Ideomotorische Apraxie: Nur fragmentarische Bewegungen möglich, Schädigung des Partiallappens Ideatorische Apraxie: Störung des Bewegungsentwurfs, Schädigung des Temporallappens Konstruktive Apraxie: Störung der räumlichen Kontrolle z. B. Ankleideapraxie (Gegenstände werden nicht in ihrer eigentlichen Funktionsweise verwendet) (Vgl. Klinke & Silbernagl. S.726), (Vgl. Bartels. S.297), (Vgl. Lang. S.126), (Vgl. Eine weitere Störung des motorischen Systems, die häufigste im fortgeschrittenen Alter, wäre Morbus Parkinson. Dies ist eine Erkrankung des extrapyramidalen Systems, die häufigste Erkrankung der Basalganglien, was soviel bedeutet, dass der „Startmotor“ des Körpers gestört 26 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 ist. Es herrscht in der Regel ein Dopaminmangel in der Substantia nigra (Dopamin ist ein wichtiger Neurotransmitter), d.h. die Substantia nigra wird langsam abgebaut. Die Substantia nigra hemmt den Globus pallidus (in den Basalganglien) weniger, dadurch wird dieser extrem aktiv. Dies wirkt sich stark hemmend auf den Thalamus aus und somit herrscht weniger Aktivität im motorischen Kortex. Die Ursachen dieser Erkrankung können sehr unterschiedlich sein. Beim häufigsten idiopathischen Parkinson- Syndrom ist die Ätiologie unbekannt. Atherosklerosen der Hirngefäße, Hirnentzündungen (Enzephalien), Tumore etc. können als Folge ebenfalls das Parkinson- Syndrom auslösen. Ein funktionelles Parkinson- Syndrom kann als Nebenwirkung bei der Einnahme von Neuroleptika auftreten. Abb. 17.: Degeneration der Substania nigra durch Morbus Parkinson Es kommt zu folgenden Leitsymptomen: Bradykinesie: kleinschrittiger Gang Rigor: Steifheit, Starre Tremor: Zittern Sowie Schlafstörungen, Nachlassen des Sexualfunktion, etc. (Vgl. Lang. S.50- 519), (Vgl. Thews. S.449- 451), (Vgl. Thor- Wiedemann. S.37) Ebenfalls eine Erkrankung des motorischen Systems ist Chorea Huntigton. Dies ist eine Erbkrankheit, bei der es zu einer Degeneration des Nucleus caudatus sowie zu einer diffusen Atrophie des Kortex kommt. 27 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Abb.18.: Degeneration der Basalganglien durch Chorea Huntignton Dadurch kommt es unaufhaltsam zu einer Änderung in der Motorik der betreffenden Person. Die wichtigsten bzw. häufigsten Symptome dieser Krankheit wären: Unwillkürliche, unkontrollierbare Zuckungen und Verrenkungen („Veitstanz) Demenz Sprachverarmung Depressionen, etc. (Vgl. Klinke & Silbernagl. S.684), (Vgl. Thews. S.451) Die Krankheit Tardive Dyskinesie ist ein extrapyramidales Syndrom und bezeichnet einen Symptomenkreis bzw. irreversible Nebenwirkungen durch das lange Einnehmen von Neuroleptikern und Psychopharmakern. Dopaminhypothese: Bei Schizophrenie herrscht eine Überaktivität des Dopaminsystems. Neuroleptiker wirken antidopaminerg. Neben den erwünschten Effekten im limbischen System hat diese Behandlung auch Auswirkungen auf das nigrostriatale System, besonders auf den Nucleus caudatus. Häufige Symptome wären Bewegungsstörungen im Gesichtsbereich (Zuckungen, Schmatz- und Kaubewegungen) oder Hyperkinesen (unwillkürliche Bewegungsabläufe) der Extremitäten. Abb.19.: Bewegungsstörungen im Gesichtsbereich durch Tardive Dyskinesie 28 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Das Tourette- Syndrom entsteht durch Defizite im Globus pallidus (Basalganglien). Diese neuropsychiatrische Erkrankung weist folgende Symptome auf: Tics: stereotype Zuckungen von Auge, Kopf, Gesicht und Extremitäten Koprolalie: Verwendung obszöner Wörter Zwangshandlungen: Unartikulierte Schreie Echopraxie: Nachahmen der Bewegungen anderer Das Tourette- Syndrom ist häufig mit anderen Erkrankungen verbunden wie zum Beispiel mit ADHS, dem Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätssydrom. Bei der Ataxie kommt es zu Störungen der visuo- motorischen Koordination, das heißt es sind keine zielgerichteten, genauen Bewegungen mehr möglich. Dafür gibt es mehrere Ursachen und mehrere Ausgangsquellen. Zerebrale Ataxie: das Kleinhirn ist geschädigt (ist zuständig für die unbewusste Koordination von Bewegungen) Afferente Ataxie Vestibulärbedingte Ataxie: Störung der Gleichgweichtsorgane Optische Ataxie: dorsale visuelle Bahn ist betroffen Extremitätenatatxie: lateral gelegene Erkrankungsherde (Vgl. Klinke & Silbernagl. S.689), (Vgl. Lang. S.48, 64, 83), (Vgl. http://www.unigraz.at/~schulter/biopsy2.html) 5.2. Störungen des visuellen Systems Visuelle Reize, die durch das Auge ins Gehirn gelangen, werden im Okzipitallappen (primärer visueller Cortex, auch Area striata) verarbeitet. Von dort führen 2 Bahnen zu lokalen Zentren der Verarbeitung. Im primären visuellen Cortex findet die elementare Wahrnehmung statt. Dieser Vorgang erfolgt nicht bewusst. Schäden in dieser Region führen zu einem Ausfall des visuellen Halbfelds der contralateralen Seite (cortikale Blindheit). Einen teilweisen Ausfall eines visuellen Halbfeldes nennt man Quadrantenanopsie, einen vollständigen Ausfall eines visuellen Halbfelds Homonyme Hemianopsie (Vgl. Faller. S.712), (Vgl. Kahle. S. 354- 357). 29 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 5.3. Agnosien Von einer Agnosie spricht man, wenn die zentrale Integration der Informationen aus den Sinnesorganen gestört ist. Man spricht von visueller, taktiler oder akustischer Agnosie, wenn ein bestimmtes Sinnesorgan, zum Beispiel Ohr, mit seiner Projektion über den Thalamus zum Kortex zwar intakt ist, aus dem Muster dieser Sinnesdaten jedoch keine Abstraktion erhalten werden kann. Es kann zu Störungen des symbolischen Denkens kommen, wenn der Parietallappen der dominanten Seite betroffen ist. Dies hat einen Verlust des Buchstabenoder Zahlenverhältnisses zur Folge. Weiters beobachtet man Störungen des Körperschemas, wo Betroffene zum Beispiel ihre gelähmten und ungelähmten Gliedmaßen nicht unterscheiden können oder es ist einfaches rechts/links Erkennen gestört. Eine weitere Form dieser Störung betrifft die Gesichtserkennung. Kommt es in den visuellen Assoziationsfeldern im Temporallappen zu einer Läsion, kann es zu einem isolierten Ausfall der Gesichtserkennung kommen, zur sogenannten Prosopagnosie (Vgl. Kahle. S.250), (Vgl. Klinke & Silbernagl. S.725), (Vgl. Thews. S.459). 6. Das Gehirn und Lernen Der Mensch erklärt das Gedächtnis immer mit den neuesten technischen Errungenschaften, mit denen er sich gerade befasst. So wurde das Gehirn im 17. Jahrhundert mit einer Linse (die die Gedanken bündelt) und einem Spiegel (der die Gedanken als Erinnerungen reflektiert), verglichen. Freud verglich, zu Beginn des Industriezeitalters, das Gehirn mit einer Dampfmaschine, aus der das Unbewusste von Zeit zu Zeit Dampf ablassen muss, um weiter störungsfrei zu funktionieren. Heute sitzt unsere Gesellschaft, vom Volksschulkind bis zum/zur rüstigen RentnerIn vor dem Computer. Also liegt es nahe, die Funktionsweise des Gedächtnisses mit der eines Computers zu vergleichen. Das menschliche Gedächtnis unterteilt sich in drei grundlegende Bereiche: in das Ultrakurzzeitgedächtnis, in das Kurzzeitgedächtnis und ins Langzeitgedächtnis. 30 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Das Ultrakurzzeitgedächtnis behält seine Informationen nur ca. zwei Sekunden lang und dient dazu, einmal begonnene Handlungen fortsetzen zu können. Es funktioniert rein elektrisch, d.h., im Gehirn finden keine chemischen Veränderungen statt. Das heißt es sind flüchtige Gedächtnissysteme aktiv, in denen die Informationen aus der Umwelt aufgenommen werden, sozusagen Eindrücke, die wir kurzzeitig aufnehmen. Sind diese für uns nicht relevant, werden sie wieder verworfen, heraus gefiltert. Nur wenn die Information „eine Bearbeitung wert“ ist, wird sie durch Aufmerksamkeitsprozesse in das „Kurzzeitgedächtnis“, den Arbeitsspeicher des Gedächtnisses übermittelt. Das Kurzzeitgedächtnis behält seine bewusst aufgenommenen Informationen über einige Minuten, manchmal sogar bis zu Stunden in seinem Speicher. Es können ca. sieben Inhalte an gleichzeitigen Informationen aufgenommen werden, es hat somit eine begrenzte Kapazität. Ein kurzes Beispiel wären diese Lateinvokabeln: Bellum (der Krieg), amica (die Freundin), fama (die Sage), tormentum (das Geschoss) Einem Kind, zum Beispiel Volksschulalter, dürften diese lateinischen Wörter noch unbekannt sein. Um diese aber zu lernen, müsste es Silbe für Silbe lernen, was in diesem Fall 10 Informationseinheiten wären. Einem Schüler der Oberstufe, der Lateinunterricht bekommt, dürften die ersten drei Wörter bekannt sein. Das würde, im Falle er kennt nur das letzte Vokabel nicht, vier Informationseinheiten machen. Das Kurzzeitgedächtnis „überschreibt“ alte Informationen, mit Neuen und somit ist der Speicher nie überfüllt. Durch Memorieren gelangen die Informationen schließlich in das Langzeitgedächtnis. Die Wissenschaft geht übrigens davon aus, dass die vergessenen Informationen noch vorhanden sind, dass aber die Zugriffsmöglichkeit darauf verloren geht. Das Langzeitgedächtnis speichert nur wichtige und markante Informationen, zum Beispiel Informationen die man des Öfteren wiederholt hat oder die einen starken Eindruck hinterlassen haben, wie etwa wichtige Lebensereignisse. Besonders beim Übergang vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis kann man durch besondere Aufarbeitung der Information erreichen, dass sie längerfristig im Gedächtnis bleiben. Eine alt bewährte Mnemotechnik (eine sogenannte Lerntechnik) ist das bilden von Skripten. Das merken der Englischvokabeln fällt einem leichten, wenn man die Wörter in eine Geschichte einbaut oder man lässt diese in Form von Bildern im Gedächtnis anlaufen. Im Gegensatz zum Kurzzeitgedächtnis (= primäres Gedächtnis) ist seine Kapazität praktisch unbegrenzt. Information kann im Langzeitgedächtnis von Minuten bis hin zu Jahren gespeichert werden (sekundäres Gedächtnis) oder sogar ein Leben lang (tertiäres Gedächtnis). 31 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Jedoch kann es selbstverständlich passieren, dass Informationen, auf die lange nicht zugegriffen wurde, vergessen werden. Weit verbreiteten Annahmen zufolge kann das Langzeitgedächtnis unterschieden werden in das deklarative (explizite) Gedächtnis und das nicht-deklarative (implizite) Gedächtnis. Die Inhalte des expliziten Gedächtnisses lassen sich sprachlich wiedergeben. Es wird unterteilt in: semantisches Gedächtnis: Speicherung von erworbenem Wissen, Faktenwissen (z.B. Chemieformeln, Lateinvokabeln, Telefonnummern, etc.) episodisches Gedächtnis: Speicherung persönlich erlebter Ereignisse (z.B. was man letzten Sommer unternommen hat) Die Inhalte des impliziten Gedächtnisses sind sprachlich nicht explizierbar. Dort sind Fertigkeiten und Verhaltensroutinen gespeichert. Diese Prozeduren sind automatisiert, d.h. sie können ohne wesentliche Aufmerksamkeit durchgeführt werden (z.B. Schalten beim Autofahren). Entdecker des impliziten Gedächtnisses war Herman Ebbinghaus (1850-1909). Prüfmethoden des impliziten Gedächtnisses wären unter anderem: Wortfragmentergänzung (Ergänzen von Buchstaben eines Wortes) Wort- Stammergänzung Anagramme (Ordnen von Buchstaben zu einem sinnvollen Wort) Face matching (Beurteilung von gleich/ungleich), etc. (Vgl. http://www.uni-graz.at/~schulter/biopsy2.html), (Vgl. Blakemore. S.77, 169- 172, 202204), (Vgl. Faller. S.605- 606), (Vgl. Klinke & Silbernagl. S.754- 755), (Vgl. Thews. S.489491) 6.1. Messung von Gedächtnisleistung bzw. -störung Zum Messen von Gedächtnisleistung bzw. Gedächtnisstörungen gibt es viele verschiedene Methoden, die versuchen, Defizite aufzudecken. Zwei, der etlichen neuropsychologischen Verfahren, die ich bereits selbst durchgeführt habe, möchte ich im Folgenden kurz erklären. Der „Wechsler Gedächtnistest“, ein verbaler Lern und Merkfähigkeitstest, besteht aus vielen, einzelnen Untertests, 13 an der Zahl, die unterschiedliche Fähigkeiten messen. Dieser Test misst allgemein zusammengefasst Arbeitsspeicherprozesse, Abruf und Wiedererkennungsprozesse. Zu Beginn werden einige Fragen zur Biographie gestellt, um einzuschätzen, ob man diesen Test mit der betreffenden Person durchführen kann. 32 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Die erste Testbatterie dient zur mentalen Kontrolle, die die Aufmerksamkeit und die Konzentrationsfähigkeit testet. Dies wäre z.B.: Rückwertszählen von 20, oder zählen in 3er Schritten. Es folgt ein Subtest zum figuralen Gedächtnis, wo der Patient z.B.: die Aufgabe hat, eine Figur aus mehreren heraus zusuchen. Eine weitere Testbatterie ist zum logischen Gedächtnis konstruiert worden, in der unter anderen Aufgaben eine Geschichte so exakt als möglich nach erzählt werden soll. Im Subtest zur visuellen Paarerkennung, wird in der Lernphase zu einer Figur eine Farbe dazugeboten, und wenn dann in der Testphase die Figur gezeigt wird, soll der Proband die Farbe nennen, die er zuvor mit der Figur assoziieren sollte. Und die letzte Testbatterie ist zur verbalen Paarerkennung, wo Wortpaare dem/der ProbandIn vorgelesen werden und diese/r muss dann zu einem gezeigten Wort das Zweite nennen. Ein weiteres neuropsychologisches Verfahren ist der „Namen- Gesichter Assoziationstest“. Er wird an Personen ab einem Alter von etwa 15 Jahren angewendet, und kann bis hin ins hohe Alter vorgegeben werden. Die Aufgabe, die die ProbandInnen erfüllen müssen, ist, sich in einer Lernphase verschiedene Gesichter und Namen einzuprägen, und die Namen anschließend in einer Testphase dem richtigen Gesicht zuzuordnen. Dieser Test informiert über die Fähigkeit, sich die Namen neu gesehener Gesichter einzuprägen und die richtigen Namen den schon bekannten Gesichtern zuzuordnen. Weiters gibt dieses Verfahren Aufschluss über die langfristige Behaltensleistung von Namen und die Leistung im Wiedererkennen von bekannten Namen und Gesichtern. 7. Gedächtnisstörungen 7.1. Das Korsakow- Syndrom: Diese Störung ist benannt nach dem russischen Neurologen und Psychiater Sergej Korsakow, von dem die erste detaillierte Beschreibung dieser Gedächtnisstörung stammt. Eine andere Bezeichnung dieser Erkrankung wäre „Korsakow- Symptomenkreis“. Hauptsymptome wären: Anterograde Amnesie (zeitlich in die Zukunft gerichtet): Bezeichnet die Unfähigkeit, neue Informationen langzeitig zu speichern, d.h. etwas explizit im Gedächtnis zu behalten. Die Merkfähigkeitsstörung kann so ausgeprägt sein, dass es dem Patienten nicht einmal möglich ist, sich Sachverhalte selbst für Sekunden einzuprägen. 33 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Retrograde Amnesie (zeitlich in die Vergangenheit gerichtet): Die betroffenen Menschen können erlebte Inhalte aus der eigenen Vergangenheit nicht verarbeiten, erkennen oder wiedergeben (Erinnerungsstörungen). Dieser Zustand kann bis zu mehreren Jahren anhalten. Konfabulationen: Gedächtnislücken bzw. Erinnerungsdefizite werden durch erfundene Geschichten der/des PatientIn ausgeglichen bzw. ausgefüllt und von ihm/ihr selbst geglaubt. Räumliche und zeitliche Desorientierung Intelligenz weitgehend erhalten! Ursachen dieser Krankheit: Vermutet wird, dass die Schäden vorwiegend durch Thiaminmangel (Vitamin-B1-Mangel) entstehen. Häufig liegt diese Krankheit bei Alkoholikern vor und der Grund dafür ist, dass Alkoholiker einerseits meist wenig Thiamin über die Nahrung zu sich nehmen und der Alkohol zusätzlich den Thiaminstoffwechsel stört. Im Laufe der Alkoholkrankheit entstehen so immer mehr Schäden im limbischen System, hier vor allem im Hippokampus. Auch bei Hungerszuständen, denen der Körper ausgesetzt wird wie etwa bei der Anorexia nervosa, kann ein solcher Thiamninmangel entstehen. Eine andere Ursache wären Viruserkrankungen des Gehirns (Polyneuropathie: an vielen Stellen gehen Nervenzellen zugrunde). Therapie: Vitamin B1-Zufuhr (nicht sehr wirkungsvoll) (Vgl. Klinke & Silbernagl. S.755), (Vgl. Lang. S.124- 125) 7.2. Senile Demenz: lat.: senilis =greisenhaft; -de =ohne + mens =Verstand; Die Demenz ist eine organisch psychische Störung, in deren Mittelpunkt Störungen des Gedächtnisses und des Denkens stehen. Es ist eine fast immer, aber nicht ausschließlich im Alter auftretende Erkrankung des Gehirns. Es kommt zum/zur Abbau/Reduktion geistiger Leistungsfähigkeit im hohen Alter. Vor allem sind das Kurzzeitgedächtnis und das explizite Gedächtnis betroffen. Weiters ist das Denkvermögen gestört, zum Beispiel haben Personen Schwierigkeiten, Situationen richtig einzuschätzen, d.h. das Urteilsvermögen lässt nach. Oder Personen, die an Demenz leiden, haben Schwierigkeiten, die Bedeutung von Wörtern und Begriffen zu begreifen, also eine formale Denkstörung. Ebenso liegen Störungen der Sprache 34 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 vor, sogenannte Aphasien. Diese verursachen Beeinträchtigungen in den einzelnen sprachlichen Modalitäten (Sprechen, Verstehen, Schreiben und Lesen) in unterschiedlichen Schweregraden. Weiters kommt es zu Störungen der Affektivität, vor allem depressive Verstimmungen. In seltenen Fällen treten auch Wahnvorstellungen und Halluzinationen auf. Ursachen dieser Erkrankung wären unter anderem: Arteriosklerose (Arterienverkalkung: Mangeldurchblutung) Gehirninfarkte (lat infarcire =hineinstopfen Gefäßverstopfung: Der Blutpfropfen wandert weiter und bleibt stecken, wo die Arterie verengt ist, darauf stirbt das Nervengewebe ab, wenn nicht genug Blutversorgung vorhanden ist. Multiinfarktdemenz: (selten) Platzen eines Blutgefäßes durch genetische Veranlagung Absterben von Zellen: Atrophie (=Rückbildung eines Organs) Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus Therapie und Prophylaxe: Verschrieben werden häufig Nootropica (gr. Noos: Verstand, Intellekt). Dies sind Pharmaka, die den Intellekt erhalten/wiederherstellen sollen (jedoch haben sich bisher keine wissenschaftlichen und medizinischen Erfolge gezeigt). Bei depressiver Verstimmung können zusätzlich auch noch Antidepressiva eingesetzt werden. Weitaus wichtiger und wirksamer ist die Stärkung kognitiver Funktionen, der Selbstständigkeit und des emotionalen Wohlbefindens. Zum Erhalt der Gedächtnisleistung kann der von vorher besprochene „Namen-Gesichter-Assoziationstest“ eingesetzt werde. Je früher und stärker man sich intellektuell betätigt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, an seniler Demenz zu erkranken. 7.3. Morbus Alzheimer (präsenile Demenz): (siehe Senile Demenz) Lässt sich vergleichen mit dem Krankheitsbild der senilen Demenz. Auftreten: 5.Lebensjahrzehnt (=präsenil), Frauen sind 1,5mal häufiger betroffen als Männer. Symptomatik: sehr schneller progredienter / fortschreitender Abbau innerhalb weniger Jahre, Koma, Tod Zerstörung von Nervenverbindungen( besonders im Hippocampus, der für das explizite Gedächtnis wichtig ist) 35 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Auftreten sog. Seniler Plaques im ganzen Körper, aber massiv im Gehirn (diese Flecken sind Proteinablagerungen um Nervenzellen herum, die dann mit der Zeit absterben). 7.4. Posttraumatische Amnesie (PTA): Die Posttraumatische Amnesie wäre hier, als eine der drei Hauptformen neben der anterograden und der retrograden Amnesie (siehe „Korsakow-Syndrom“), genauer zu erwähnen, da sie die am häufigsten vorkommende Form der Amnesie ist. Eine andere Bezeichnung für diese Gedächtnisstörung wäre auch „Geschlossenes Schädelhirntrauma“, GHS. Diese wird vor allem verursacht durch einen harten Schlag auf den Kopf, zum Beispiel als Folge eines Verkehrsunfalls, kann jedoch auch in Folge von Elektroschocks ausgelöst werden. Die posttraumatische Amnesie ist der Zustand nach Bewusstlosigkeit oder Koma als Folge der ebengenannten Umstände. Folgen: Verwirrung: räumliche und zeitliche Desorientierung Konfuser Bewusstseinszustand Anterograde Amnesie Retrograde Amnesie: kann dazu führen, dass man sich nicht mehr an den Unfall erinnern kann. (Vgl. http://www.uni-graz.at/~schulter/biopsy2.html) 8. Das Gehirn und Bewusstsein Zahlreiche evaluationspsychologische Forschungen beschäftigen sich mit der Suche nach den Gründen, die zur Ausbildung und der Entfaltung der menschlichen Fähigkeiten geführt haben. Wie bereits früher erwähnt, ist das Gehirn des Menschen größer als jenes anderer Primaten. Das Gehirn eines erwachsenen Menschen macht etwa zwei Prozent des Körpergewichtes aus, verbraucht aber 20 Prozent der aufgenommenen Energie. So müssen die menschlichen Denkvorgänge beziehungsweise Verhaltensweisen wesentlich komplexer sein als bei anderen Spezies. 36 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Zahlreiche Theorien über die Funktionalität des menschlichen Gehirns entstanden in den letzten Jahren, auf Grund der teilweisen Undurchsichtigkeit einiger Gehirnvorgänge. Angenommen wird, dass Gedanken und Gefühlen diverse chemische Vorgänge im Gehirn zugeordnet werden können, jedoch gibt es keine Belege, wie diese Vorgänge aussehen und wo sie genau stattfinden. (Vgl. Dunbar. S. 163-169). Das Bewusstsein des Menschen entzieht sich einer naturwissenschaftlichen Erforschung, was eine konkrete, eindeutige Definition dieses Begriffes oder Konzeptes schwierig gestaltet. So bezeichnet „Bewusstsein“ einerseits den Zustand des Wachseins einer Person, wenn diese in der Lage ist, Umweltreize zu registrieren und auf diese zu reagieren. Andererseits wird der Begriff „Bewusstsein“ auch intentional verwendet, um den Bezug zu Objekten der Wahrnehmung oder des Denkens zu beschreiben. Man kann sich die Frage stellen, ob Gehirn und Bewusstsein zwei unterschiedliche Bereiche sind oder sich letztendlich auf dieselbe Basis zurückführen lassen? Ist Letzteres der Fall, so muss herausgefunden werden, welche Hirnstrukturen aktiv sind, damit Bewusstseinsphänomene auftreten, wie etwa Empathie, also Mitfühlen, Einfühlen, etc. Wird das Bewusstsein eigenen Hirnregionen zugeschrieben, so müsste es bei Läsionen verletzt oder zerstört werden. Tatsache ist, dass das Bewusstsein bei einer Deaktivierung des Gehirns ausgeschaltet wird, ebenso wie bei der Unterbrechung des vom Hirnstamm aufsteigenden Kreislaufs. Auch bei fokalen Hirnschädigungen, wie etwa nach einem Schlaganfall oder einem Hirntumor, kann es zu Bewusstseinseinschränkungen kommen. Es kann zum Beispiel zu Störungen der Bewusstheit eines Körperteils kommen. Dann erkennt Man ein Körperteil nicht mehr als seines an, setzt es nicht mehr ein. Es befindet sich so zu sagen außerhalb seines Bewusstseins (Vgl. Kinsbourne. S.26-41). Spricht man von Bewusstsein, so muss man auch das Unbewusste erwähnen, umgangssprachlich auch Unterbewusstsein, also dem Teil der menschlichen Psyche, der dem Bewusstsein nicht direkt zugänglich ist. Freud nahm an, dass das Unterbewusste weitgehend das Bewusste determiniere und dass das Unbewusste ontogenetisch weit vor dem Bewussten entstehe. Zahlreiche Theorien nehmen weiters an, dass jeder Reiz sowohl bewusst als auch unbewusst wirke, wobei man glaubt, dass uns eher der unbewusste Teil eine Stimmung beziehungsweise eine gewisse Gefühlslage verleihe. Gefühle kommen ins Bewusstsein, ihr Entstehen ist aber unbewusst (Vgl. Schurz, S. 6 – 10). Nach Roth (1996) können Geschehnisse nur dann bewusst werden, wenn sie mit der Aktivität der assoziativen Großhirnrinde verbunden sind. 37 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Ergebnisse der Hirnforschung und der Neuropsychologie lassen Schlüsse zu, dass unbewusste Gehirnvorgänge bewusste Vorgänge beeinflussen. Dies sind vor allem Vorgänge im limbischen System. Dessen Tätigkeit erleben wir als Emotionen beziehungsweise als emotionale Wahrnehmungen, Vorstellungen oder Erinnerungen (Vgl. Roth, S. 2-4). 8.1. Das Gehirn und Emotionen Über das Entstehen des Gefühlsleben des Menschen gibt es verschiedene Auffassungen. Eine davon ist, dass Emotionen und Gefühle durch angeborene neuronale Mechanismen determiniert sind. Das bewusste subjektive Erleben von Gefühlen kommt dadurch zustande, dass Veränderungen in der Gesichtsmuskulatur vom Gehirn zurückgemeldet werden, in weiterer Folge spielen dann Lernen und Erfahrung eine grundlegende Rolle für die Ausbildung verschiedener Gefühlszustände. In den Emotionstheorien der letzten Jahre ist man sich einig darüber, dass die an Emotionen beteiligten neuronalen Schaltkreise eine schnelle Informationsverarbeitung von äußeren Reizen und Gefahrenquellen erlauben und uns zu einem entsprechenden Verhalten anleiten. Diese Prozesse laufen im Unbewussten ab, jedoch treten die Emotionen früher oder später ins Bewusstsein, wenn neokortikale Strukturen, wie z. B. die Großhirnrinde, am emotionalen Geschehen beteiligt sind. Die funktionelle Magnetresonanztomographie (MRT) ist eine der wichtigsten Methoden in der Emotionsforschung. Dieses Verfahren liefert uns Bilder der Hirnregionen, die während emotionaler Prozesse aktiv sind. Hirnanatomisch bekannt ist, dass die Bildung von negativen Emotionen hauptsächlich in der Amygdala (im Mandelkern) erfolgt. Sie wird als das Zentrum der angstgeleiteten Verhaltensbewertung angesehen. Schäden der Amygdala führen zum Verlust der Furcht- oder Angstkomponente in verschiedenen Situationen. Für positive Emotionen sind vor allem die Strukturen des ventralen tegmentalen Areals und des Nucleus accumbens zuständig. Es ist jedoch umstritten, ob diese erwähnten Strukturen tatsächlich der Speicherort von Gefühlen sind oder eher die Orte, an denen die Verknüpfung zwischen Ereignissen und bestimmten Gefühlen codiert ist (Vgl. Roth, S. 4-7). Der Neuroanatom Papez stellte bereits 1937 die Vermutung auf, dass eine ringförmige Ansammlung verschiedener kortikaler und subkortikaler Strukturen um den Hirnstamm herum hauptsächlich für Emotionen zuständig ist, auch als Papez-Kreis bekannt. Darunter befinden sich die anatomische Strukturen Thalamus, Hypothalamus, Gyrus cinguli und Hippocampus (Vgl. Papez. S. 103-112). Auf diesen Erkenntnissen aufbauend, führten Klüver 38 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 und Bucy 1939 Experimente an Rhesusaffen durch. Den Tieren wurde der Temporallappen (inklusive Hippocampus und Amygdala) entfernt, was zu drastischen Verhaltensänderungen führte. Sie wiesen das sogenannte Klüver-Bucy-Syndrom auf, zeigten keine Angstreaktion sowie Fluchtreaktion mehr und wiesen ein gestörtes Fress- und Sexualverhalten auf (Vgl. http://www.neuro24.de/show_glossar.php?id=907). Der amerikanische Psychologe LeDoux beschäftigte sich ebenfalls mit der Frage, wo sich im Gehirn der Sitz von Emotionen befindet. Die Annahme, dass Emotionen im limbischen System entstehen, ist für ihn nicht haltbar, er sieht Emotionen eher als biologische Funktion des ganzen Nervensystems, ein Produkt aus verschiedenen Hirnsystemen. In seinem Buch „Der Spinoza-Effekt“ beschäftigt sich der Neurologe Antonio Damasio 2003 eingehend mit der neurologischen Grundlage von Gefühlen und Emotionen. Er nimmt an, dass geistige Zustände abhängig sind von der Funktionsweise verschiedener Systeme im Gehirn. Gefühle und Emotionen sind, seiner Meinung nach, komplizierte Kombinationen von chemischen und neuronalen Reaktionen des Gehirns. 8.2. Das empathische Gehirn Die geistige Überlegenheit des Menschen gegenüber nicht-menschlichen Primaten, bestehend aus seiner Intelligenz, Kreativität, sowie dem Verstehen beziehungsweise Verständnisses des Anderen, Empathie, wird als Grundlage der Menschheit gesehen. Die physiologische Grundlage solcher Prozesse bilden die sogenannten Spiegelneuronen. Dies sind Nervenzellen, lokalisiert im Präfrontallappen, die im Gehirn auch bei der bloßen Betrachtung von Vorgängen die gleichen Potentiale feuern, wie wenn man sie aktiv ausführen würde. Ein Beispiel für die Aktivität dieser Nervenzellen wären die Ergebnisse einiger Forscher am University College von London, die 2006 im Journal of Neuroscience berichteten, dass Spiegelneuronen auch daran beteiligt seien, dass man „automatisch“ mitlache, wenn eine andere Person zu lachen beginnt. Diese Nervenzellen im Gehirn lassen uns sozusagen nachfühlen, was andere empfinden, sie machen uns die inneren Vorgänge unseres Gegenübers deutlich, somit können wir unsere Mitmenschen häufig besser verstehen. Diese nonverbalen Kommunikations- beziehungsweise Verständigungsprozesse sind in jedem Menschen neuronal festgesetzt (Vgl. Zaboura 2008). Eine Studie der Neurobiologin Tania Singer (2004) an einem Londoner Forschungsinstitut untersuchte das Schmerzgeschehen von Probandinnen auf Grundlage des Wissens über Spiegelneuronen. Mittels Kernspintomographie wurden die Schmerzzentren im Gehirn 39 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 determiniert, die aktiv werden, wenn den Frauen an der Hand ein vorher verabredeter Schmerz zugefügt wird. Diese zeigten während des Schmerzmomentes die volle Aktivierung der Schmerzzentren im Gehirn. Danach wurden die Gehirne der Frauen weiter aufgenommen, jedoch, von den Probandinnen beobachtbar, ihren Lebenspartnern Schmerz zugefügt. Das beachtliche hierbei war, dass dieselben Hirnregionen der Frauen aktiv wurden, wie bei der eigenen Schmerzerfahrung, sie jedoch diesmal vom Schmerz nicht selbst betroffen waren. Nervenzell-Netzwerke haben in den Gehirnen der weiblichen Untersuchungspersonen also eine innere Schmerzerfahrung simuliert und werden somit, wie bereits erwähnt, als neurobiologisches Korrelat für Mitgefühl und Empathie gesehen. Mittels einer fMRT-Studie von Carr et al. (2003) wurden ProbandInnen untersucht, die emotionale Gesichtsausdrücke entweder selbst nachahmten oder nur beobachteten. Bei der bloßen Beobachtung dieser Gesichtsausdrücke wurden dieselben Gehirnareale aktiviert wie bei deren Nachahmung. Diese zahlreichen publizierten Studien lassen also folgenden Schluss zu, nämlich, dass Spiegelneurone im Gehirn ein Informationssystem für das Individuum sind, genauer gesagt werden beobachtete Situationen innerlich simuliert und lassen so Schlüsse zu, was in unserem Gegenüber vor sich geht. Somit bilden diese Nervenzellen die Grundlage der „Theorie of mind“, der Fähigkeit, sich in unsere Mitmenschen hinein zu versetzen, also in unserem Gegenüber Gefühle, Bedürfnisse, Absichten, Erwartungen und Meinungen zu vermuten. 9. Zusammenfassung In meiner Arbeit über das menschliche Gehirn habe ich versucht, einen systematischen Überblick über den Aufbau, die funktionelle Organisation und etwaige Störungen zu geben. Mit seinen Milliarden Nervenzellen ist unser Gehirn ein gewaltiger Speicher, abrufbar sind Informationen, Eindrücke, Beobachtungen, etc. In den letzten Jahrzenten haben Hirnforscher deutlich gemacht, wie entscheidend neuronale Prozesse für das Verhalten und Erleben sind und veränderten somit das traditionelle Bild vom Menschen. Kein Denken und Lernen, kein Verhalten und Erleben, keine Wahrnehmung wären denkbar ohne entsprechende Vorgänge im Zentralnervensystem. Hierbei wird deutlich, dass ein enger Zusammenhang zwischen hirnorganischen oder -anatomischen Prozessen auf der einen und psychischen Funktionen auf der anderen Seite besteht. 40 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Eidesstattliche Erklärung "Ich versichere, dass ich die vorliegende Bakkalaureatsarbeit selbständig angefertigt und mich keiner fremden Hilfe bedient habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß veröffentlichte Texten oder Dokumenten entnommen sind, habe ich als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher in gleicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht." Graz, am 24.März 2009 Unterschrift 41 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Literaturverzeichnis: Bartels, R. & Bartels, H. (2004). Physiologie, Lehrbuch der Funktionen des menschlichen Körpers. München: Urban& Fischer Verlag. Blakemore, S. & Frith, U. (2006). Wie wir lernen, Was die Hirnforschung darüber weiß. München: Deutsche Verlags- Anstalt. Carr, L., Iacoboni, M., Dubeau, M., Mazziotta, J., & Lenzi, G. (2003). Neural mechanisms of empathy in humans: A relay from neural systems for imitation to limbic areas. !!! Damasio, A.R. (2003). Der Spinoza-Effekt - Wie Gefühle unser Leben bestimmen. München: List-Verlag. Dunbar, R. (2003). The Social Brain: Mind, Language, and Sociey in Evolutionary Perspective. Annual Rewiev of Anthropology, Vol. 32, pp. 163-181. Faller, A. (2004). Der Körper des Menschen, Einführung in Bau und Funktion. 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Thews, G., Mutschler, E. & Vaupel, P. (1991). Anatomie Physiologie Pathophysiologie des Menschen. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. 42 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Thor- Wiedemann, S., Wagner, Th., Weiss, Ch. & Wiedemann, G. (1999). Medizinische Biologie, Naturwissenschaftliche Reihe. Stuttgart: Ernst Kletter Verlag GmbH. Zaboura, N. (2008). Das empathische Gehirn: Spiegelneurone als Grundlage menschlicher Kommunikation. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Abbildungsverzeichnis: Abbildung 1, Aufbau einer Nervenzelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Nervenzelle Abbildung 2, Schematische Darstellung der Hirnhäute: http://tecfa.unige.ch/staf/stafh/notari/staf14/ex4/Images/hirnhut.gif Abbildung 3, Das menschliche Gehirn in Übersicht: http://www.unigraz.at/~papousek/teaching/pass_bio/c2-folie2.jpg Abbildung 4, Das Großhirn: http://www.ims.unistuttgart.de/phonetik/joerg/sgtutorial/graphic/telencephalon.gif Abbildung 5, Einteilung der Gehirnlappen: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/44/Gray728.png/255pxGray728.png Abbildung 6, Der Frontallappen: http://www.unigraz.at/~papousek/teaching/pass_bio/c2-folie17.jpg Abbildung 7, Das Kleinhirn: http://www.ims.unistuttgart.de/phonetik/joerg/sgtutorial/graphic/cerebellum.gif Abbildung 8, Das Zwischenhirn: http://www.ims.unistuttgart.de/phonetik/joerg/sgtutorial/graphic/diencephalon.gif Abbildung 9, Abbildung der Hypophyse: http://www.merian.fr.bw.schule.de/Beck/skripten/bilder/!negfeed.gif Abbildung 10, Das Mittelhirn: http://www.ims.unistuttgart.de/phonetik/joerg/sgtutorial/graphic/hirnstamm1.icon.gif Abbildung 11, Der Hirnstamm: http://www.gnetz.de/Der_Mensch/nervensystem/gfx/hirnstamm.jpg Abbildung 12, Das Gehirn im Überblick: http://www.unipotsdam.de/portal/mai04/bilder/gehirn.jpg 43 Stefanie Rogan 0412598 Bakkalaureatsarbeit WS2008 Abbildung 13, Die Funktionsareale des Kortex: http://www.unigraz.at/~papousek/teaching/pass_bio/c2-folie15.jpg Abbildung 14, Die Brodmann- Areale: http://www.unigraz.at/~papousek/teaching/pass_bio/c2-folie16.jpg Abbildung 15, Assoziationskortex: http://brain.exp.univie.ac.at/09_vorlesung_ss04/bilder.htm Abbildung 16, Phineas Gage: http://www.sciencemuseum.org.uk/exhibitions/brain/images/1-1-8-3-1-1-1-0-0-0-0.jpg Abbildung 17, Degeneration der Substania nigra durch Morbus Parkinson: http://www.b298.com/sites/lv/bio/bio2.asp Abbildung 18, Degeneration der Basalganglien durch Chorea Huntignton: http://www.b298.com/sites/lv/bio/bio2.asp Abbildung 19,Bewegungsstörungen im Gesichtsbereich durch Tardive Dyskinesie: http://www.b298.com/sites/lv/bio/bio2.asp 44 Stefanie Rogan 0412598