Hochschultext H. Labhart Einführung in die Physikalische Chemie Teil 111 Molekü Istatisti k Mit 19 Figuren Springer-Verlag Berlin Heidelberg NewYork 1975 Professor Dr. Heinrich Labhart Physikalisch-Chemisches Institut der Universität Zürich ISBN-13: 978-3-540-07283-6 e-ISBN-13: 978-3-642-96267-7 001: 10.1007/978-3-642-96267-7 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung vorbehalten. Bei Vervielfältigungen für gewerbliche Zwecke ist gemäß § 54 UrhG eine Vergütung an den Verlag zu zahlen, deren Höhe mit dem Verlag zu vereinbaren ist. © by Springer-Verlag Berlin-Heidelberg 1975. Library of Congress Cataloging In Publication Data. Labhart, Heinrich, 1919-. Molekülstatistik. (His Einführung in die physikalische Chemie: T. 3) (Hochschultext). Includes index. 1. Molecular theory. I. Tltle. OD450.2.L23 T. 3 [004611 541'.3'085 [539'.61. 75-9918. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenzeichen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die vorliegende "Einführung in die physikalische Chemie" ist aus Vorlesungen entstanden, welche an der Universität Zürich gehalten wurden. Der Kursus erstreckt sich Jeweils über das dritte bis sechste Studiensemester. Einige Kenntnisse in allgemeiner Chemie, Physik und Mathematik aus Vorlesungen in den ersten zwei Semestern werden vorausgesetzt. Aus Gründen der Studienorganisation musste der Stoff so eingeteilt werden, dass entweder mit Teil I oder mit Teil IV begonnen werden kann. Dies wurde dadurch erreicht, dass die Teile I, Chemische Thermodynamik, 11, Kinetik und 111, Molekülstatistik vornehmlich die makroskopische Behandlung von Systemen umfassen, während die Teile IV, Molekülbau und V, Molekülspektroskopie der mikroskopischen Beschreibung gewidmet sind. Eine Vermischung dieser Betrachtungsweisen im Teil 111 war sachlich unvermeidbar. Es wurde versucht, die Stoffauswahl so zu treffen, dass die Grundlagen möglichst vieler heute wichtiger physikalisch-chemischer Methoden behandelt werden, wodurch auch das Verständnis wenigstens eines Teils der modernen Originalliteratur ermöglicht wird. Fast durchwegs wurde die deduktive Methode angewandt, indem - ausgehend von den physikalischen Prinzipien - deren Anwendung auf chemische Fragen dargestellt wurde. Auf diese Weise wurden die Notwendigkeit und die Natur von Approximationen und Modellvorstellungen deutlich. Ich hoffe, dass es gelungen ist, die Bedingtheit solcher Modellvorstellungen herauszustellen, ohne die entscheidende Förderung, welche die Chemie durch sie erfahren hat, zu verwischen. Der vorliegende Text bildet kein Nachschlagewerk. Das Hauptgewicht wurde auf die Darstellung der Gedankengänge verlegt. Tabellen wurden nur in dem Umfang aufgenommen, - VI als sie zur Verdeutlichung der AusfÜhrungen dienlich sind. Ergänzende Betrachtungen oder Ableitungen. welche den Rahmen dieser von allen Studierenden der Chemie belegten Vorlesung sprengen. wurden in Anhänge verlegt. Meine Kollegen H. Fischer und G. Wagniere haben mich in den letzten Jahren wiederholt auf allzu eingehende Abschnitte. Unterlassungen. Möglichkeiten einfacherer Ableitungen oder Unstimmigkeiten in den als Skripten an die Studierenden ausgegebenen Vorläufern des vorliegenden Textes aufmerksam gemacht. Wesentliche Anregungen habe ich auch von seiten meiner Assistenten und Studenten erhalten. die auf Schwierigkeiten in der Darstellung hinwiesen. FUr alle diese aufbauende Kritik. die ich weitgehend berücksichtigen konnte. danke ich verbindlich. Ein besonderer Dank gebührt Frl. H. Böckli. welche das oft unansehnliche Manuskript in vorbildlicher Weise ins reine schrieb. und Herrn E. Spalinger für die zeichnerische Ausführung vieler Figuren. Zürich. Februar 1975 H. Labhart Bemerkungen zu Teil 111 Wir haben uns auf die Behandlung der Boltzmann-Statistik beschränkt, weil diese zur Beschreibung vieler chemischer Probleme genügt. Um eine einheitliche Darstellung zu wahren, wurden auch dort, wo eine klassische Behandlung zum selben Resultat führen würde (z.B. Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung) die möglichen Energiezustände entsprechend der quantenmechanischen Betrachtungsweise als diskret eingesetzt. Die modellmässigen Ableitungen in der zweiten ~älfte sollen veranschaulichen, wie aufgrund statistischer Betrachtungen auch dann wertvolle Zusammenhänge gefunden werden können, wenn man das System wegen seiner Komplexität nicht streng behandeln kann. Inhaltsverzeichnis 1. Grundlagen der Mo1ekU1statistik 2 1.1. Begriffe 2 1.2. Postulate der statistischen Mechanik 6 1.3. Die Berechnung der Wahrscheinlichkeit fUr das Auftreten eines Quantenzustandes 7 1.3.1. Abgeschlossenes System 7 1.3.2. Geschlossenes Teilsystem 7 Zusammenhang mit thermodynamischen Zustandsgrössen 9 1.4.1. Innere Energie 9 1.4. 1.4.2. Entropie 10 1.4.3. Freie Energie 14 1.4.4. Zusammenfassung 15 Berechnung von Zustandssummen 17 1.5.1. m unterscheidbare, unabhängige Untersysteme 18 1.5.2. m ununterscheidbare, unabhängige Untersysteme 19 2. Gase 21 2.1. Einatomiges ideales Gas 21 2.1.1. Die Zustandssumme 21 2.1.2. Die thermodynamischen Zustandsgrössen 24 2.1.3. Geschwindigkeitsverteilung der Atome 28 2.1.4. Zahl der Stösse gegen die Wand 31 2.1.5. Der Druck auf die Wand 34 2.1.6. Schwankungserscheinungen 35 Zwei- und mehratomige ideale Gase 39 2.2.1. Die elektronische Zustandssumme Ze1 40 2.2.2. Die vibratorische Zustandssumme 41 1.5. 2.2. - x2.2.3. Die rotatorische Zustandssumme 44 2.2.4. Zustandssumme Uber die Kernspins 48 2.2.5. Molwärme idealer Gase 49 2.2.6. Chemische Konstitution und Entropie idealer Gase 52 2.2.7. Homogene Gasgleichgewichte 56 Reale Gase 62 2.3.1. Ansätze fUr intermolekulare Potentiale 62 2.3.2. Die mittlere freie Weglänge 65 2.3.3. Die radiale Dichteverteilung 67 3. FIUssigkeiten 69 3.1. Allgemeines 69 3.2. Das Löchermodell der FIUssigkeiten 71 3.3. Der Schmelzvorgang 74 3.4. Lösungen nicht geladener Teilchen 75 3.5. Lösungen von Elektrolyten 78 3.5.1. Grössenordnungen 78 3.5.2. Die Theorie der Elektrolyte von Debye-HUckel 80 3.5.3. PrUfung der Debye-HUckel Theorie 85 3.5.4. Aktivitätskoeffizienten bei Ionenstärken grösser als 0,01 87 2.3. 3.5.5. Elektrische Leitfähigkeit von 3.5.5.1. Begriffe 88 88 3.5.5.2. Abhängigkeit der Beweglichkeit von der Ionensorte 92 3.5.5.3. Abhängigkeit der Beweglichkeit von Ionenstärke, Temperatur und Feldstärke 93 3.5.5.4. Beispiele zur Anwendung von Leitfähigkeitsmessungen 97 Elektrolyt-~ösungen - XI - 3.6. Elektrische Dipole in Lösung 100 3.6.1. Das Dipolmoment eines Moleküls 100 3.6.2. Die Polarisation 103 3.6.3. Zusammenhang zwischen Polarisation und Dielektrizitätskonstante 107 4. Festkörper 109 4.1. Allgemeines 109 4.2. Molwärme fester Körper 110 A 1 Anhang A 1 116 1.1. Zusammenhang zwischen Binnendruck und intermolekularem Potential 116 1.2. Der zweite Virialkoeffizient 118 A 2 Anhang A 2 121 Das Modell von Bresler flir den Schmelzvorgang 121 Sachverzeichnis 124 Einleitung Die Vorstellung, dass alle Stoffe aus einer gros sen Zahl von im chemischen Sinn stabilen Partikeln bestehen, ist alt. Sie wurde zu Beginn dieses Jahrhunderts durch zahlreiche Beobachtungen, z.B. durch das Studium der Brownschen Bewegung kleiner Teilchen oder der Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallen erhärtet und bildet heute eines der wichtigsten Elemente des chemischen Denkens. Diese Vorstellung findet ihren Ausdruck in den chemischen Formeln, mit welchen das Verhältnis der Zahlen der Atome der verschiedenen Elemente in den Stoffen wiedergegeben wird und je nach AusfUhrlichkeit der Schreibweise auch AuskUnfte Uber ihre gegenseitige Anordnung vermittelt werden. Zwischen solchen mikroskopischen Eigenschaften und den in der Thermodynamik betrachteten makroskopischen muss ein Zusammenhang bestehen, der, wenn man ihn kennt, erlaubt, aus den Eigenschaften der Partikeln und ihrer Wechselwirkung makroskopische Eigenschaften zu erklären, oder umgekehrt aus makroskopischen Eigenschaften gewisse RUckschlUsse auf die Natur der Partikeln zu ziehen. Man könnte versuchen, aus den Bewegungsgleichungen der Mechanik den gesuchten Zusammenhang abzuleiten. Es zeigt sich aber sofort, dass die Aufstellung der Bewegungsgleichungen und ihre Lösung im Falle eines Systems von sehr vielen Partikeln nicht nur rein praktisch unmöglich ist, sondern auch eine in nicht beobachtbare Einzelheiten gehende Beschreibung liefern wUrde. Die statistische Mechanik ist eine Methode, die erlaubt, ohne Integration von Bewegungsgleichungen, unter BenUtzung allgemeiner Grundgesetze der Mechanik, direkt auf die beobachtbaren Grössen zu schliessen. Mit diesem Verfahren ist es grundsätzlich möglich, die Hauptsätze der Thermodynamik aus der Mechanik abzuleiten. Dies wurde fUr eine gros se Klasse von - 2 - Systemen durchgefUhrt. Da aber die thermodynamischen Hauptsätze durch Beobachtung ebensogut gesichert sind wie die Grundgesetze der Mechanik, ist dies eher fUr die Axiomatik als fUr die praktische Anwendung bedeutend. Wir werden daher in dieser Vorlesung nicht darauf eingehen und die thermodynamischen Beziehungen als ebenso grundsätzlich wie die mechanischen betrachten. Im folgenden werden an verschiedenen Stellen weitere BesChränkungen der Allgemeinheit der Theorie eingefUhrt, so dass die wohl einfachste Darstellung des fUr Anwendungen in der Chemie Notwendigen Ubrigbleibt. 1. Grundlagen der Molekülstatistik 1.1. Begriffe Ein grosser Teil der Ableitungen, welche in dieser Vorlesung behandelt werden, könnten mit Hilfe der auf der klassischen Mechanik beruhenden älteren Form der statistischen Mechanik durchgefUhrt werden. Diese Form ist aber keineswegs einfacher als die hier herangezogene neuere, welche von der Quantenmechanik ausgeht. Die in diesem Teil benötigten Kenntnisse in Quantenmechanik sind beschränkt. Energiezustand (EZ): Nach der Quantenmechanik kann jedes stationäre System endlicher Grösse sich nur in diskreten Energiezuständen aufhalten. Es gibt keinen kontinuierlichen Uebergang zwischen zwei verschiedenen diskreten Energiezuständen. Dies gilt nicht nur fUr Atome und Moleküle, sondern auch fUr makroskopische Systeme. Bei den letzteren liegen die Energiezustände jedoch meist so dicht, dass sich die einzelnen diskreten Energiezustände nicht mehr durch Messungen unterscheiden lassen. - 3 Quantenzustand (QZ): Der Zustand eines Systems ist jedoch nicht allein schon durch die Angabe seiner Energie eindeutig festgelegt, sondern erst durch die Werte aller seiner Quantenzahlen. Jedem Freiheitsgrad entspricht eine Quantenzahl. Ein durch einen bestimmten Satz von Quantenzahlen definierter Zustand ist ein Quantenzustand. Zu ein und demselben Energiezustand kann es oft mehrere verschiedene Quantenzust~nde geben. Man spricht dann von mehreren Realisierungsmöglichkeiten bzw. mehrfacher Entartung dieses Energiezustandes. Zur Veranschaulichung des Unterschiedes zwischen Energiezustand und Quantenzustand betrachten wir ein System von drei unterscheidbaren, unabh~ngigen Teilchen a, bund c. Jedes soll nur auf je ~ Weise entweder die Energie Eo oder die Energie El E + 6E annehmen können. Diesen Zuständen ento sprechen die Quantenzahlen n = 0 resp. n = 1. Der Energiezustand 3 Eo des Systems l~sst sich nur dadurch realisieren, dass alle Teilchen in ihrem Quantenzustand n = 0 sind. FUr den Energiezustand (3 Eo + 6E) bestehen drei Realisierungsmöglichkeiten, n~mlich dadurch, dass entweder das Teilchen a, b oder c im Quantenzustand n = 1 ist. Ebenso bestehen zu dem Energiezustand (3 Eo + 2 6E) drei Realisierungsmöglichkeiten, d.h. drei Quantenzustände. FUr den Energiezustand (3 Eo + 3 6E) gibt es wiederum nur eine Realisierungsmöglichkeit. Das als Beispiel gewählte System kann also 4 verschiedene Energiezust~nde annehmen. Zwei davon sind je dreifach entartet. Es bestehen im ganzen 8 verschiedene Quantenzust~nde. Abgeschlossenes System. Ein solches System ist wie in der Thermodynamik dadurch definiert, dass es mit seiner Umgebung weder Energie noch Materie austauschen kann. Seine Energie muss daher dauernd einen einmal angenommenen Wert Ea haben. Die Zahl der Realisierungsmöglichkeiten dieses Energiezustandes bezeichnen wir mit 0a. - 4 Geschlossenes Teilsystem. In der Statistik kann man oft jedes MolekUl oder auch nur einen seiner Freiheitsgrade als selbst!ndiges Teilsystem betrachten, welches mit seiner Umgebung Energie, aber keine Materie austauscht. Dies ist dann möglich, wenn durch die Wechselwirkung mit der Umgebung die Zust!nde des Teilsystems nicht wesentlich modifiziert werden. Ein solches Teilsystem k kann verschiedene Energiezust!nde Ei k k mit den Entartungsgraden Oi annehmen. Dies auch dann, wenn es mit seiner Umgebung im thermischen Gleichgewicht steht. Diese Aussage bildet einen scheinbaren Widerspruch zum Verhalten eines in der Thermodynamik betrachteten makroskopischen Systems, bei welchem vorausgesetzt wird, dass im Gleichgewicht s!mtliche Zustandsvariablen, also auch die Energiegrössen, einen scharf definierten konstanten Wert annehmen. Die Lösung dieses Widerspruches wird im Abschnitt "Schwankungserscheinungen" besprochen. Offenes Teilsystem. Ist zus!tzlich zum Energieaustausch noch Materieaustausch möglich, z.B. in einem beliebig herausgegriffenen Teilvolumen eines grossen Gasbeh!lters, so ist die Zahl der Teilchen keine Konstante mehr und kann als weitere Quantenzahl aufgefasst werden. Die Gesamtheit aller Quantenzust!nde Oa eines abgeschlossenen Systems bezeichnet man als Mikrokanonische Gesamtheit. Alle Quantenzust!nde 0i k eines k-ten geschlossenen Teil- L i systems bilden eine Kanonische Gesamtheit. Die Quantenzust!nde eines offenen Teilsystems werden als Makrokanonische Gesamtheit bezeichnet. Die Wahrscheinlichkeit Wj (X) fUr das Auftreten einer bestimmten Wertes Xj einer Grösse X ist definiert als Zahl Nj der Beobachtungen mit Resultat Xj Zahl N aller Beobachtungen von X - 5 fUr den Fall, dass N gegen ro strebt. Da man nur endlich viele Beobachtungen durchfUhren kann, ist jede experimentell bestimmte Wahrscheinlichkeit mit einem gewissen Fehler behaftet. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung liefert fUr diesen Fehler die Grössenordnung (j falls die Beobachtungen voneinander unabhängig und Nj oder (N-N j ) grösser als etwa 4 sind. Mittelwerte: Eine Eigenschaft X eines geschlossenen oder offenen Teilsystems kann während der Dauer T der Messung verschiedene Werte Xj annehmen. Ist T sehr gross gegenUber der mittleren Aufenthaltsdauer T' in einem Quantenzustand, so misst man das Zeitmittel xt der Grösse X x t T ~ JX (t) dt t=o « Ist andererse.its T T', so erfasst man bei einer Messung nur einen Quantenzustand j. Macht man solche "Momentaufnahmen" an sehr vielen thermodynamisch äquivalenten Teilsystemen und bildet den Mittelwert der gefundenen Momentanwerte, so erhält man das Scharmittel Xs • Entsprechend unserer Definition der Wahrscheinlichkeit fUr das Auftreten des Wertes Xj der Grösse X wird - 6 1.2. Postulate der statistischen Mechanik Das erste fundamentale Postulat der Statistik besagt: Das Scharmittel XS ist gleich dem Zeitmittel it Dies bedeutet, dass der Bruchteil der Zeit, während welchem sich das System in einern Quantenzustand j befindet, gleich ist dem zahlenrnässigen Bruchteil vieler gleicher Systeme, die bei momentaner Beobachtung im Quantenzustand j gefunden werden. Diese Annahme trifft dann zu, wenn das System während der Beobachtungsdauer jeden Quantenzustand häufig einnimmt und wieder verlässt. D.h. die Beobachtungsdauer muss sehr gross sein gegenUber der mittleren Aufenthaltsdauer des Systems in einem Quantenzustand. Das erste Postulat erlaubt die Berechnung des zeitlichen Mittelwertes einer ~rösse, vorausgesetzt, dass die Wahrscheinlichkeiten Wj bekannt sind. Es gibt Fälle, in welchen ein System gewisse, an sich mögliche Zustände nie erreichen kann. Z.B. werden in einem im Gleichgewicht befindlichen Gemisch von Sauerstoff und Wasserstoff bei Raumtemperatur die dem WassermolekUl entsprechenden QZ nie erreicht. Man hat daher bei der Berechnung von XS nur die innerhalb der Beobachtungsdauer Uberhaupt erreichbaren Quantenzustände zu berUcksichtigen. Die Unterscheidung von erreichbaren und nicht erreichbaren QZ fUhrt bei den Anwendungen selten zu Schwierigkeiten. Das zweite Postulat dient zur Berechnung der Wahrscheinlichkeiten wj und besagt: Die Wahrscheinlichkeit fUr das Auftreten eines Quantenzustandes hängt im Gleichgewichtszustand bei gegebener Temperatur nur von seiner Energie ab. - 7 Sie ist demnach unabhängig von anderen Eigenschaften, z.B. vom Drehimpuls oder von andern Quantenzahlen. Dieses Postulat war ursprUnglich nur durch die unter Annahme seiner GUltigkeit abgeleiteten richtigen Ergebnisse begrUndet. In neuerer Zeit gelang es van Hove, es fUr eine weite Klasse von Systemen, z.B. fUr verdUnnte Gase, aus den Grundgleichungen der Mechanik abzuleiten. Es besagt, dass die Wahrscheinlichkeit w(E), ein System in einem Quantenzustand mit Energie E zu finden, eine universelle Funktion von E und T sein muss. 1.3. Die Berechnung der Wahrscheinlichkeit fUr das Auftreten eines Quantenzustandes 1.3.1. Abgeschlossenes System Alle möglichen Quantenzustände haben die gleiche Energie Ea • Wenn ihre Anzahl = Oa ist, muss somit gemäss dem zweiten Postulat die Wahrscheinlichkeit fUr jeden gleich, nämlich sein. Die Summe dieser Wahrscheinlichkeiten Uber alle Quantenzustände gibt eins, wie es sein muss, weil das System mit Sicherheit in irgend einem Quantenzustand angetroffen wird. 1.3.2. Geschlossenes Teilsystem Wir betrachten zwei voneinander unabhängige Teilsysteme A und B, welche beide im Gleichgewicht mit einem grossen Wärmereservoir stehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich A in einem Quantenzustand befindet, der zur Energie EA gehört, sei w(E A) und die entsprechende Wahrscheinlichkeit fUr B w(EB). Die Wahrscheinlichkeit, dass sowohl A einen Quantenzustand von EA - 8 als auch Beinen Quantenzustand von EB besetzt, ist w(EA)' w(~) • Fasst man die Teilsysteme A und B formal zu ~ Teilsystem zusammen,so ist wegen ihrer Unabhängigkeit die Energie dieses neuen Teilsystems EA + ~, und die Wahrscheinlichkeit, einen Quantenzustand dieses Systems zu finden, wird w(EA + EB)' Weil wegen der gegenseitigen Unabhängigkeit der Systeme A und B keine Aenderung eingetreten ist, muss gelten (1.1) Diese Gleichung bestimmt die analytische Form der gesuchten Funktion w(E). Differenziert man sie partiell nach EA und EB, so erhält man bW(EA+EB) b (EA+EB) bw(EA+EB) b(EA+EB) b (EA+EB) • b EB (1.2) Da diese Gleichung fUr beliebige Werte EA und EB gelten muss, müssen beide Seiten gleich einer höchstens noch von der Temperatur abhängigen Konstanten ß sein. Damit ergibt sich d w{E) W(E) d 2n W(E) ßdE (1.3) und w(E) 1 Z e ßE (1.4) - 9 Die Integrationskonstante Z ist durch die Bedingung, dass die Summe aller Wahrscheinlichkeiten gleich eins sein muss, festgelegt: I w(E i ) 1 aJleQZ talleQl I e ßEi Damit wird Z e L aJleQZ ßEi nj I alle EZ e ßEj (1.5) Diese Grösse wird Zustandssumme eines geschlossenen Systems genannt. 1.4. Zusammenhang mit thermodynamischen Zustandsgrössen 1.4.1. Innere Energie Bei einern abgeschlossenen System muss die innere Energie U gleich der Energie Ea sein. In einern geschlossenen Teilsystem kann hingegen die Energie verschiedene Werte E j annehmen. Der scharf definierte Wert der inneren Energie eines makroskopischen Teilsystems, welchen man in der Thermodynamik diskutiert, kann dann als zeitlicher Mittelwert Uber die verschiedenen vorn System tatsächlich angenommenen Energiewerte verstanden werden. Unter Bezugnahme auf das 1. Postulat kann man somit fUr den Gleichgewichtszustand die innere Energie berechnen als U (1.6) Im Abschnitt "Schwankungserscheinungen" wird gezeigt werden, dass selbst bei sehr kurzen Beobachtungszeiten die zu erwartenden Abweichungen des Messwertes vorn Mittelwert vieler Messungen ausserordentlich klein werden, sofern das System makroskopisch ist und deshalb eine sehr grosse Zahl von MolekUlen und Freiheitsgraden besitzt. - 10 - Führt man in (1.6) den Ausdruck (1.4) für w(Ej) ein, so erhält man: ~L U e ßEj j (1. 7) E. J was wegen Lj e ßEj E. J dZ dß (1.8) auch geschrieben werden kann als U 1 Z dZ dß d en Z dß (1.9) 1.4.2. Entropie Im folgenden soll gezeigt werden, dass die Grösse o< S k = Konstante (1.10) alle aus der Thermodynamik bekannten Eigenschaften der Entropie besitzen kann. Jede Veränderung einer makroskopischen Eigenschaft eines Systems muss unter gleichbleibenden äusseren Bedingungen auf einer Veränderung der Wahrscheinlichkeiten wi beruhen, weil die Eigenschaften der Quantenzustände konstant bleiben. Eine Aenderung von S lässt sich daher ausdrücken als dS Li öSÖWi d w.1 (1.ll) oder mit (1.10) dS -k L (en wi i + 1) d wi (1.12) - 11 - In einem abgeschlossenen System gilt wegen wi dS -k ( en ~a I + 1) d Wi (1.13) i Da die Summe aller Wahrscheinlichkeiten immer eins ist, muss gelten o (1.14 ) und damit dS o (1.15) Dies bedeutet, dass mit den im Gleichgewichtszustand geltenden Wahrscheinlichkeiten fUr ein abgeschlossenes System die Grösse Sein Extremum hat, und sich somit in dieser Hinsicht wie die Entropie verhält. Dass es sich um ein Maximum von S handelt, erkennt man aus der zweiten Ableitung Weil ~S/~Wi nur noch von wi abhängt, verschwinden in der Doppelsumme die Kreuzableitungen,und man erhält mit -k __b__ (en ~wi dS _ t. '\ (dWi) 2 L wi w. + 1) 1 2 (1.16) i Da k > 0 , wi > 0 und(dwi)2> 0 , ist die zweite Ableitung an der Stelle des Gleichgewichtes negativ. S ist somit maximal wie auch die Entropie. Im Gleichgewichtszustand eines abgeschlossenen Systems wird