AUSVERKAUF DER MEERE Bedrohter Fisch in Österreichs Supermärkten Ein Bericht von Greenpeace Ende November 2005 ist Greenpeace zur längsten Schiffsexpedition seiner Geschichte aufgebrochen. Unter dem Motto „SOS Weltmeer” segelt das Greenpeace-Schiff Esperanza bis Februar 2007 gegen Gier und Gedankenlosigkeit und für einen umfassenden Schutz der Meere. Greenpeace zeigt die atemberaubende Vielfalt unserer Ozeane auf, aber auch die Gefahren, die sie bedrohen. An unterschiedlichsten Schauplätzen wird dokumentiert, wie tief unsere Ozeane in der Krise stecken. Greenpeace stellt sich gegen die Zerstörer und zeigt Lösungen auf: Ziel ist ein weltweites Netzwerk von Meeresschutzgebieten. Die Reise führt quer durch vier der fünf Weltmeere - vom Südpolarmeer entlang der Westafrikanischen Küste durchs Mittelmeer und den Pazifischen Ozean bis an die südlichste Spitze Südamerikas - und wieder zurück in die Antarktis. Ein Schwerpunkt der Tour ist es, die katastrophale Überfischung der Weltmeere zu beleuchten und der gnadenlosen Ausbeutung der Meere einen Riegel vorzuschieben. Unterstützt wird die Konfrontation auf dem Meer durch Aktivitäten an Land. Europaweit verfolgt Greenpeace das Ziel, die Fischeinkaufspolitik der Supermärkte zu reformieren. In Großbritannien wurde im Herbst 2005 der Bericht „A Recipe for Disaster – Supermarkets‘ insatiable appetite for seafood“ veröffentlicht. Seitdem hat eine Reihe von Supermärkten in Großbritannien Prinzipien für einen nachhaltigen Fischeinkauf eingeführt und bedrohte Fischarten aus dem Verkauf genommen. Greenpeace will mit dem vorliegenden Bericht dazu beitragen, dass auch Österreichs Supermärkte ihre Fischeinkaufspolitik nachhaltig gestalten. Impressum: Ein Bericht von Greenpeace in Zentral- und Osteuropa Siebenbrunnengasse 44 1050 Wien Österreich Tel.: ++43-1-545 45 80 Fax: ++43-1-545 45 80 98 offi[email protected] http://www.greenpeace.at Übersetzerin: Veronika Neuhold Bildredaktion: Ingrid Fankhauser Layout: www.ichdesign.biz Bilder auf der Titelseite: (von links nach rechts) © Alessandro Giannì/Greenpeace © Greenpeace © Eberhard Weckenmann/Greenpeace Mai 2006 www.greenpeace.at INHALTSVERZEICHNIS Zusammenfassung 2 1. Einführung 4 2. Meere in Seenot 6 6 7 8 2.1 2.2 2.3 Fischerei in der Krise Piratenfischerei – Beutezüge außer Kontrolle Fischkonsum in Österreich 6.2.2 Der Marine Stewardship Council (MSC) 6.2.3 Wildgefangener „Bio“-Meeresfisch 6.3 Aquakultur 6.3.1 Lachszucht 6.3.2 Tunfischzucht 6.3.3 Shrimpszucht 6.3.4 Bio-Aquakultur 7. Die Fischeinkaufspolitik österreichischer Supermärkte auf dem Prüfstand 3. „Katastrophale“ Fische & Meeresfrüchte in Österreich 11 4. Die Fischeinkaufspolitik von Österreichs Supermärkten 17 7.1 7.2 7.3 7.4 18 18 Weiterführende Links zum Thema 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14 4.15 ADEG Österreich AG (ADEG, AGM, Edeka, E-Center) Firmengruppe Kastner (Kastner, Nah & Frisch) Handelshaus Wedl (Nah & Frisch, C+C Wedl, Wedl & Dick) Hofer KG Julius Kiennast (Nah & Frisch) Lidl Austria GmbH Maximarkt Handels-Gesellschaft m.b.H. Metro Cash & Carry Österreich MPreis Warenvertriebs GmbH Norma GmbH & Co KG Pfeiffer Handels GmbH (Nah & Frisch, Unimarkt, C+C Pfeifer, Pro Kaufland) Rewe Austria AG (Merkur, Billa, Pennymarkt ehem. Mondo) Spar Österreich Warenhandels AG (Spar, Eurospar, Interspar, Spar Gourmet) Sutterlüty Handels GmbH Zielpunkt Warenhandel GmbH & Co KG (Zielpunkt, Plus) 5. Eine beispielhafte Einkaufspolitik: Marks & Spencer in Großbritannien 6. Nachhaltige Meeresprodukte 6.1 Fischkennzeichnung 6.1.1 Produktinformation für Kunden 6.1.2 Produktrückverfolgbarkeit 6.2 Label und Gütezeichen 6.2.1 „Delfinsicher“ und „delfinfreundlich“ gefangener Tunfisch www.greenpeace.at 30 32 33 33 34 35 35 18 18 18 18 19 19 19 21 21 21 38 38 41 43 44 Die Rangliste Schritte in die Zukunft Werbung für Alternativen Plädoyer für die Zukunft der Ozeane 45 Verzeichnis der Tabellen: Tabelle 7.1 Rangliste österreichischer Super- und Großmärkte hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitspolitik für Fische & Meeresfrüchte 39 Tabelle 7.2: Welcher „katastrophale“ Fisch wird in österreichischen Super- und Großmärkten angeboten? 40 Tabelle 7.3: Modell einer nachhaltigen FischEinkaufspolitik 42 21 22 22 24 27 27 27 28 28 29 1 Zusammenfassung Der österreichische Pro-Kopf-Verbrauch an Fisch steigt an, insbesondere der Verkauf an Tiefkühlfischen boomt. Dem gegenüber steht der besorgniserregende Zustand der Weltmeere: 76 Prozent der wirtschaftlich wichtigen Fischbestände sind am Ende, große Raubfischarten wie Tunfisch bereits extrem dezimiert. Durch zerstörerische Fangmethoden wie etwa die Fischerei mit Grundschleppnetzen werden einmalige Lebensräume vernichtet. Beifang – Fisch und andere Meerestiere, die mit ins Netz geraten und meist tot wieder über Bord gehen – im Ausmaß von 39 Millionen Tonnen wird Jahr für Jahr hingenommen. Verschärft wird die Problematik noch durch die illegale, unregulierte und undokumentierte Fischerei, auch Piratenfischerei genannt. Auf politischer Ebene werden keine wirksamen Maßnahmen gesetzt und die Fischerei-Industrie ist auf schnellen Profit aus. Freiwillige Maßnahmen, die zum langfristigen Erhalt der Meeresressourcen beitragen würden, scheinen für weite Teile dieser Industrie nach wie vor undenkbar. Auf Seiten der Produktion ist also zumeist kein verantwortungsvolles Handeln in Richtung nachhaltiger Fischerei zu erkennen. Wie sieht es in der nächsten Stufe der Produktkette, dem Handel, aus? Trägt der Handel den oben geschilderten katastrophalen Entwicklungen im Rahmen seiner Fischeinkaufspolitik Rechnung? Nach welchen Kriterien richtet der österreichische Groß- und Einzelhandel sein Fischangebot aus und spielt Nachhaltigkeit dabei überhaupt eine Rolle? Diesen Fragen widmet sich der vorliegende Bericht. Greenpeace veröffentlicht alljährlich den Fischeinkaufsführer „Fisch & Facts“. In der aktuellen Version für das Jahr 2006 werden 36 Fisch- und Meerestierarten hinsichtlich Bestandslage, Fangmethoden und Umweltauswirkungen untersucht. Davon werden nur vier als ‚akzeptabel’, hingegen 12 als ‚kritisch’ und 20 als ‚katastrophal’ beurteilt. Für den vorliegenden Bericht wurde als weitere Art der Neuseeländische St. Peterfisch untersucht. Folgende „katastrophalen“ www.greenpeace.at Fischarten werden in Österreichs Supermärkten angeboten: Atlantischer Lachs, Dornhai und andere Haie, Heilbutt, Hoki, Kabeljau/ Dorsch, Schellfisch, Neuseeländischer Sankt Petersfisch, Rotbarsch, Scholle, Seezunge, Seehecht, Shrimps/ Kaisergranat, Tunfisch, Schwertfisch und Viktoriabarsch. Anfang 2006 verschickte Greenpeace an österreichische Handelsketten einen Fragebogen hinsichtlich ihrer Fischeinkaufspolitik. Gleichzeitig wurden die Webseiten der betreffenden Unternehmen geprüft. Eine erste Version des auf Basis dieser Informationen erstellten Berichtes wurde den Unternehmen Anfang Mai 2006 mit der Bitte um etwaige Ergänzungen bzw. Korrekturen vorab übermittelt. Die meisten zogen es vor, weder auf den Fragebogen noch auf die Versendung der Vorabversion zu antworten. Erfreulich aber doch, dass erste Groß- und Einzelhandelsunternehmen in Österreich die gestellten Fragen zum Anlass nahmen, ihre Fischeinkaufspolitik zu überdenken. Eine herausragende Position nimmt dabei Lidl ein. Durch den Entschluss, mit Rotbarsch und tropischen Shrimps zwei „katastrophale“ Sorten auszulisten und andererseits nachhaltig produzierte Produkte einzulisten, hat sich das Unternehmen in Österreich zum Vorreiter gemacht. Auch Unternehmen wie MPreis und Rewe haben begonnen, erste Maßnahmen zu setzen. Als positives Beispiel ist die Kennzeichnungspolitik von Rewe für Eigenmarkenfischprodukte zu nennen. Zu denjenigen, die sich schon zu einem früheren Zeitpunkt mit dem Thema nachhaltiger Fischeinkauf auseinandergesetzt haben, gehören Metro, Spar und Zielpunkt. Dringenden Nachholbedarf hat hingegen ADEG. Das Unternehmen bietet alle von Greenpeace als „katastrophal“ eingestuften Fischarten an und scheint sich auch nicht mit dem Thema nachhaltiger Fischeinkauf auseinander gesetzt zu haben. ADEG ebenso wie das Handelshaus Wedl sollten schnellst möglich entsprechende Schritte in Richtung einer nachhaltigen Einkaufspoltik für Fischprodukte setzen. 2 1. EINFÜHRUNG © Gavin Newman/Greenpeace 1. Einführung Unsere Ozeane sind am Rande ihrer Belastbarkeit angelangt. Die größte Bedrohung ist neben dem Klimawandel die industrielle Fischerei. Mit destruktiven Fangmethoden wird der Artenreichtum der Meere zerstört. Hochtechnisierte Fischereiflotten der reichen Länder plündern die Weltmeere. Die Bestände von drei Viertel der wirtschaftlich genutzten Arten sind entweder vollständig erschöpft, überfischt oder bereits zusammengebrochen, zeigte die Statistik der UN Welternährungsorganisation. Österreich der Fischkonsum steigt, sollten solche Zahlen aufs Äußerste alarmieren. Die Situation der Meeres-Fischbestände drängt zum Handeln. Fischerei-Experten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fordern seit Jahren eine Beschränkung von Fangquoten, den Abbau von Überkapazitäten in der industriellen Fischerei, ein Verbot zerstörerischer Fangmethoden und die Einrichtung großflächiger Meeresschutzgebiete. Dennoch setzen Regierungen und Fischereibehörden kaum Maßnahmen zur Bewältigung der Krise. © Duncan/Greenpeace Ziel der derzeitigen Fischereimanagement-Praktiken - wie der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU (GFP) – ist es, die kommerziell genutzten Bestände zu erhalten, um diese weiterhin mit höchstmöglicher Intensität und Kapazität zu befischen. Der Schutz von Fischen als Teil des Ökosystems Meer scheint nicht im Interesse der europäischen Behörden zu liegen. Die Bestandszahlen beliebter Speisefischarten wie Tunfisch, Scholle und Lachs sind drastisch zurückgegangen. Bis zu 90 Prozent der Bestände großer Raubfischarten, wie Tunfische, sind verschwunden. Für die dezimierten Schollenbestände gibt es deutlich zu hohe Fangquoten, gefangen werden sie durch zerstörerische Baumkurrenfischerei, die sehr hohe Beifangraten aufweist. Dabei handelt es sich teilweise um den Nachwuchs wertvoller Speisefische, der tot wieder über Bord geworfen wird. Aber auch die ständig wachsende Zahl der Tunfisch- und Lachszuchten hat verheerende Umweltfolgen. Die in den Fischfarmen eingesetzten Antibiotika belasten die Meere genauso wie Tonnen an Futterresten und Fäkalien. In einer Zeit, in der sich weltweit immer mehr Menschen die schwindende Ressource Fisch teilen müssen und auch in www.greenpeace.at Die politischen Diskussionen zur Verbesserung der Fischereimanagement-Praktiken verlaufen schleppend und ändern derzeit nichts an der Tatsache, dass die weltweiten Fischbestände weiter abnehmen. Bislang konnte die am Anfang der Herstellerkette stehende Fischerei-Industrie nicht davon überzeugt werden, die dringend notwendigen Veränderungen selbst einzuleiten - obwohl dies Vorraussetzung dafür wäre, die eigene Branche auf lange Sicht zu erhalten und überlebensfähig zu machen. Deshalb muss der Wandel von der nächsten Stufe in der Produktkette, dem Handel, ausgehen. Zweifellos ist der Druck der Verbraucher ein entscheidendes Hilfsmittel. Jedoch sind es die Supermärkte, die den Großteil der Fischprodukte, die wir verzehren, einkaufen. Im Gegensatz zu den Verbrauchern haben die Supermärkte Zugang zu den Informationen, die den bewussten Einkauf von nachhaltig gefangenem Fisch möglich machen. Sie haben die Macht, nachhaltige Veränderungen zu bewirken. Sie können entscheiden welche Fischarten in ihren Regalen landen, aus welchen Beständen diese stammen und mit welchen Methoden sie gefangen wurden. Sie können entscheiden, dass in ihren Regalen nur nachhaltig gefangener Fisch liegt. Nur so wird der Übergang zu einer umweltfreundlichen Fischereipraxis gelingen, die das Überleben des Ökosystems Meer für kommende Generationen ermöglicht. 4 2. MEERE IN SEENOT © Germain/Greenpeace 2.1 Fischerei in der Krise Rund 70 Prozent der Eroberfläche sind mit Meeren bedeckt. Mit ihren riesigen, oft noch unerforschten Tiefen galten sie lange Zeit als unendliche Ressource. Noch vor wenigen Jahrzehnten hielten manche Experten den Fischreichtum der Meere für unerschöpflich. 500 Millionen Tonnen und mehr sollte das Meer jährlich auf Dauer hergeben. Doch die zeitlich unbeschränkte, grenzenlose Ausbeutung mariner Ressourcen hat sich als Illusion entpuppt: Unsere Ozeane stecken tief in der Krise. Die größte Bedrohung für den Artenreichtum der Meere ist, neben den Folgen des Klimawandels, die industrielle Fischerei. Das Ökosystem Meer droht durch Überfischung zusammenzubrechen. Die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) bezeichnet 76 Prozent der wirtschaftlich wichtigen Fischbestände als „komplett ausgebeutet“ (52 Prozent ), „überfischt“ (16 Prozent ) oder „erschöpft“ (8 Prozent ).1 Für den Nordostatlantik fallen die FAO-Schätzungen sogar noch drastischer aus: Dort sind 41 Prozent der Fischbestände bereits überfischt oder erschöpft, die verbliebenen Prozent komplett ausgebeutet. Weltweit sind bereits bis zu 90 Prozent des Bestandes großer Raubfische vernichtet worden, mit dramatischen Rückgängen bei Tunfisch, Schwertfisch, Dorsch und Heilbutt.2 Dies betrifft ganze Fischgemeinschaften und führt zur Schwächung vieler Ökosysteme. Kommerzielle Fischfangmethoden sind meist alles andere als „nachhaltig“. Die zunehmende Technisierung der letzten 50 Jahre ermöglicht zeitlich wie auch geografisch immer ausgedehntere „Beutezüge“. Mit Hilfe von Hubschraubern, Sonargeräten und Echolotung können Fischschwärme zielgenau aufgespürt und befischt werden. Doch trotz hochmoderner Technik sind die Fangmengen seit Ende der 1980er Jahre überall auf der Welt rückläufig.3 Einige Fischbestände sind bereits kollabiert - wie etwa der Dorschbestand im Gebiet der Neufundlandbank im Nordwestatlantik. Um den entgangenen Fang zu kompensieren, dringen die Fischerei-Flotten in weiter entfernte Regionen vor, um nach neuen Fischarten zu suchen. Eine immer besser werdende Ausrüstung ermöglicht auch ein Vordringen in Gewässer über 1000 Meter Tiefe und somit das Fischen „neuer“ Tiefseear- www.greenpeace.at ten wie Hoki, Granatbarsch oder Neuseeländischer Sankt Petersfisch. Tiefseearten reproduzieren erst im hohen Alter. Der Granatbarsch ist z. B. erst mit 32 Jahren geschlechtsreif: Der älteste Granatbarsch der je entdeckt wurde, war 240 Jahre alt. Älter als unsere Großeltern und Urgroßeltern zusammen. Angesichts der drastischen Abnahme der großen Raubfische werden immer kleinere Fische gefangen, die weiter unten in der Nahrungskette stehen. Arten, die ursprünglich als Speisefische uninteressant waren, werden inzwischen ebenfalls ausgebeutet und in erster Linie zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet. Gerade dadurch wird aber den großen Speisefischen die Nahrungsgrundlage entzogen. Eine reelle Chance auf eine Erholung der Bestände ist kaum noch gegeben und die verheerende Wirkung kann sich auf das gesamte Nahrungsgefüge auswirken. Fischerei-Wissenschaftler haben für diesen Trend den Ausdruck „fishing down the food web“ geprägt.4 © Philip Reynaers/Greenpeace 2. Meere in Seenot Verschärft wird das Problem der Überfischung durch die zerstörende oder unselektive Wirkung vieler Fischereimethoden. Unmengen von Jungfischen und Nichtzielfischarten werden täglich als unerwünschter „Beifang“ tot wieder über Bord geworfen. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass bis zu 39 Millionen Tonnen „Beifang“ allein an Fisch jedes Jahr ungenutzt ins Meer geworfen werden.5 Hinzu kommen unzählige Schildkröten, Seevögel, Robben, Wale und Delfine, die in Schleppnetzen, Stellnetzen und 6 2. MEERE IN SEENOT Besonders fatal für die Lebensräume der Tiefsee ist die so genannte Grundschleppnetzfischerei: Riesige Netze werden über den Grund des Ozeans gezogen, beschwert durch Ketten, Scherbretter und tonnenschwere Rollen. Dabei wird alles “untergepflügt“, was sich in die Quere stellt: Jahrtausende alte Kaltwasserkorallenriffe werden zermalmt, Tiefseeberge kahl geschoren, Sedimente verwirbelt. Nicht nur die Ökosysteme der Meere – auch Menschenrechte und Lebensmittelsicherheit sind durch die Überfischung ernsthaft in Gefahr geraten. Die leer gefischten Ozeane haben bereits weltweit „Fischereikriege“ ausgelöst6 - ein Nebeneffekt, der bislang noch kaum ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist. Kleinstrukturierte Fischereibetriebe, die nur für ihren Eigenbedarf produzieren, werden von größeren und technisch besser ausgestatteten Fischerei-Schiffen im wahrsten Sinne des Wortes ausgebootet. Traditionelle Fischgründe werden leer gefischt, Küstenfeuchtgebiete von großen Aquakultur-Betrieben übernommen und Fischereirechte an reichere Länder, deren eigene Fischgründe bereits versiegt sind, verkauft. Viele ärmere Länder, in denen Nahrungsmittel ohnehin knapp sind, verlieren durch profitablere Fischexporte in reichere Länder eine wichtige Nahrungsquelle für ihre eigene Bevölkerung. Nicht nur die wirtschaftlichen und sozialen, auch die ökologischen Konsequenzen sind oftmals dramatisch. In Ghana stiegen die Preise für Fisch aufgrund von rückläufigen Fangmengen. In der Folge erhöhte sich der Konsum von „Bushmeat“, dem Fleisch wildlebender afrikanischer Säugetiere wie z.B. Menschenaffen, und führte zum lokalen Aussterben von Wildtierarten.7 Es wurde ein direkter Zusammenhang zwischen diesem Phänomen und den Fangquoten für die Flotte der Europäischen Union (EU) nachgewiesen, die in den Gewässern vor der Küste Westafrikas auf Fischjagd ist. Die EU-Flotte ist die größte FischereiFlotte in diesem Gebiet. www.greenpeace.at 2.2 Piratenfischerei – Beutezüge außer Kontrolle Verschärft wird die ohnehin alarmierende Situation durch so genannte Piratenfischer. Die Piraten unserer Zeit segeln unter der Flagge von „Billigflaggenländern“ oder sind ganz ohne Flagge, Nationalitäten-Kennzeichen und Namenszug am Schiff unterwegs. Die häufigsten Anbieter von Billigflaggen (engl. Flags of Convenience, FOC) sind Panama, Belize, Honduras, St. Vincent & Grenadinen. Aber auch EUStaaten wie Malta und Zypern bieten Billigflaggen an. Das Flaggen gebende Land tritt den zuständigen Fischereiabkommen nicht bei und hat somit keine Fangquote zu beachten. Es vergibt Lizenzen und stellt keine Fragen hinsichtlich Art und Ausmaß der Fänge. Diese Länder bieten damit jeder Fischereifirma die Möglichkeit, die internationalen Regeln und Gesetze ihrer Heimatländer zu umgehen. Immer mehr Fischereifirmen in Europa (vor allem Spanien), Japan oder den USA entscheiden sich für diesen illegalen Weg. © Dick Gillberg/Greenpeace Langleinen qualvoll verenden. Alle sechs Meeresschildkrötenarten sind mittlerweile durch die Fischerei vom Aussterben bedroht. Allein über 300.000 Wale, vor allem der kleineren Zahnwalarten, ertrinken Jahr für Jahr in den Netzen der Fischerei. Die im Fachausdruck illegale, unregulierte und undokumentierte (IUU) Fischerei genannte Piratenfischerei umgeht nicht nur internationale Verträge und Fangquoten, sondern oft auch Sicherheitsstandards und soziale Mindeststandards für ihre Besatzung. Von 55.000 industriellen Fangschiffen weltweit gab es nach Greenpeace-Schätzungen bereits im Jahr 2001 mindestens 1.300 Schiffe, die Piratenfischerei in industriellem Maßstab mit Schiffen von über 100 Bruttoregistertonnen betrieben. Diese Zahl mag klein anmuten, doch die Piraten gehen auf die kostbarsten Arten los. Besonders begehrt und daher gefährdet sind Tunfisch, Meeräsche, Zackenbarsche, Seezungen, Shrimps oder der Schwarze Seehecht. 7 2. MEERE IN SEENOT Die Fischerei-Mafia stellt eine milliardenschwere Realität für arme Länder dar, die sich am wenigsten gegen diesen Raub wehren können. Weltweit entstehen durch die Piratenfischerei in Summe jährlich 4 Milliarden US-Dollar Verluste für die ärmsten Länder der Welt.8 Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass in einigen Fischereien die illegalen Fischer über 30 Prozent der gesamten Fangmenge abschöpfen. Regierungen setzen kaum Maßnahmen, um die Aktivitäten der Piraten aufzuhalten oder auch nur zu überprüfen, was in ihren eigenen Häfen angelandet wird. Die Piratenbeute wird nicht selten gleich auf See illegal an Kühl-Frachtschiffe übergeben, absichtlich mit legalem Fang vermischt und dann in “legitimen” Häfen wie Las Palmas (Gran Canaria) und Suva (Fidschi) verkauft. Aber auch für Häfen in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien gibt es Berichte, das illegaler Fisch, in diesem Fall Kabeljau aus der Barentssee, angelandet wurde. Der Barentssee Kabeljau-Bestand gilt als der letzte einigermaßen intakte der Erde. Durch 100.000 Tonnen illegal gefangenen Fisch pro Jahr zeigt er mittlerweile erste alarmierende Zeichen von Überfischung: Es werden zu kleine Fische gefangen, die verbleibenden laichen zu früh ab. Österreich lag nach diesen 2003 bei 2.605 Tonnen. Davon stammen 372 Tonnen aus Süßwasserwildfängen und 2.233 Tonnen aus der Fischzucht.11 Leider sind keine aktuellen, mit anderen EU-Ländern vergleichbaren Zahlen zum Pro-Kopf Konsum von Fisch für Österreich erhältlich. Die letzte Statistik über den Pro-KopfKonsum von Fisch in Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern ist 2004 mit den statistischen Werten von 1999 erschienen.12 Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Fischereierzeugnissen war 1999 in Österreich mit 11,4 Kilo der niedrigste im europäischen Vergleich. Der europäische Durchschnitt lag bei 24,5 Kilo/Kopf/Jahr. Überschlagsartige Berechnungen legen nahe, dass der Fischkonsum in Österreich von 1999 auf 2004 deutlich angestiegen ist und die Österreicher den Deutschen heute kaum mehr in punkto Fischkonsum nachstehen.13 2.3 Fischkonsum in Österreich Insgesamt importierte Österreich im Jahr 2004 34.404 Tonnen rohen Fisch und Fischfilets (10.290 Tonnen wurden exportiert). Zusätzlich zu rohem Fisch importierte Österreich im Jahr 2004 29.795 Tonnen verarbeiteten Fisch in Form von Fischprodukten (Export: 534 Tonnen).9 Die neuesten EU weit vergleichbaren Zahlen über die Produktion von Fisch und Fischprodukten in Österreich selbst stammen aus dem Jahr 2003.10 Die Produktion (Gesamtfänge) für www.greenpeace.at © Greenpeace Die Durchsetzung internationaler Bestimmungen könnte diesen illegalen Handel beenden und damit den Küstengemeinden Nahrung und Einkommen zurückgeben. In den vergangenen Jahren wurden zwar zahlreiche internationale Abkommen und Maßnahmenpläne gegen die Piratenfischer beschlossen, die Umsetzung von Kontrollen erfolgt jedoch - selbst in der EU – nur mangelhaft. So sind die illegalen Aktivitäten nicht zurückgegangen, sondern haben im Gegenteil noch zugenommen. Bereits eines von vier Meerestieren auf den Tellern wurde illegal gefangen. Bekannt ist jedoch, dass der Absatz an Tiefkühlfisch und Tiefkühl-Meeresfrüchten in Österreich 2004 63,3 Millionen Euro betrug (ohne Lidl und Hofer) . Das entsprach einer Steigerung von 3,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.14 2005 stieg der Umsatz abermals um 2,7 Prozent auf nun 65,1 Millionen Euro an (ohne Lidl und Hofer).15 Marktführer bei Tiefkühl-Fisch in Österreich ist die Marke „Iglo“ mit 61,7 Prozent Marktanteil (Verkaufswert).16 Allein im vergangenen Jahr ist der Umsatz von Iglo-Fisch um 5 Prozent gestiegen.17 Aktuelle Zahlen zum Fischkonsum nach Fischarten sind für Österreich leider nicht erhältlich. 8 2. MEERE IN SEENOT 1 FAO (2004). The state of the world fisheries and aquaculture (SOFIA). Zweijährlicher Bericht. Rom, Italien: Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. Zugriff: Sept. 2005 unter: http://www.fao.org/documents/show_cdr.asp?url_file=/DOCREP/007/y5600e/y5600e00.htm 2 Myers RA, Worm B (2003). Rapid worldwide depletion of predatory fish communities. Nature 423: 280_3. 3 Pauly D, Christensen V, Guénette S, Pitcher TJ, Sumaila UR, Walters CJ, Watson R, Zeller D (2002). Toward sustainability in world fisheries. Nature 418:689-95. Zugriff: Sept. 2005 unter: www.seaaroundus.org/Journal/Nature_8_Aug_2002.pdf 4 Pauly D, Christensen V, Guénette S, Pitcher TJ, Sumaila UR, Walters CJ, Watson R, Zeller D (2002). Toward sustainability in world fisheries. Nature 418:689-95. Zugriff: Sept. 2005 unter: www.seaaroundus.org/Journal/Nature_8_Aug_2002.pdf 5 FAO (1994). A global assessment of fisheries bycatch and discards. FAO Fisheries Technical Paper No. 339. Rom, Italien. Zugriff: April 2006 unter: www.fao.org/DOCREP/003T4890E/T4890E00.htm 6 Ovetz R (2005). Fishing: The new resource war. Port Vila Presse website, 11. März 2005. Port Vila, Vanuatu: Port Vila Presse. Zugriff: Sept. 2005 unter: www.news.vu/en/news/environment/050311-Fishing-The-New-Resource-War.shtml 7 Milius S (2005). Bushmeat on the menu: Untangling the influences of hunger, wealth, and international commerce. Science News Online 167(9): 138. Zugriff: Sept. 2005 unter: www.sciencenews.org/articles/20050226/bob9.asp 8 Environmental Justice Foundation (Juni 2005): Pirates & Profiteers. How Pirate Fishing Fleets are Robbing People and Oceans. http://www.ejfoundation.org/pdf/pirates_and_profiteers.pdf. Zugriff: April 2006. 9 Eurostat, das statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften mit Sitz in Luxemburg, Datenreihe Außenhandel: EU TRADE SINCE 1995 BY CN8, http://fd.comext.eurostat.cec.eu.int/xtweb/ Zugriff: April 2006. 10 Gilt für EU-Statistik. Es wird immer auf die Zahlen der EU-Statistik EUROSTAT Bezug genommen, um eine Vergleichbarkeit der Daten mit anderen Ländern sicherzustellen. 11 Eurostat, das statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften mit Sitz in Luxemburg, Datenreihe Landwirtschaft und Fischerei, „Fänge -Fanggebiete - Insgesamt“ und „Aquakulturproduktion - Mengen (Tonnen Lebendgewicht)“ http://epp.eurostat.cec.eu.int/portal/page?_pageid=0,1136206,0_45570467 &_dad=portal&_schema=PORTAL 12 Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2004.„Zahlen und Fakten über die GFP, Eckdaten der Gemeinsamen Fischereipolitik, Ausgabe 2004. http://europa.eu.int/comm/fisheries/doc_et_publ/liste_publi/facts/pcp04_de.pdf Zugriff: April 2006. 13 Eurostat, das statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften mit Sitz in Luxemburg, Datenreihe Außenhandel: EU TRADE SINCE 1995 BY CN8, http://fd.comext.eurostat.cec.eu.int/xtweb/ Der Fischkonsum wurde dafür stark vereinfacht als Produktion plus Importe von Fisch und Fischprodukten minus Exporte von Fisch und Fischprodukte berechnet. Statistisch ist diese Vorgehensweise nicht ganz korrekt, weil der Pro-Kopf-Verbrauch in der EU immer anhand des Fischfangfrischgewichtes berechnet wird. 14 AC Nielsen Österreich zitiert in Cash, März 2005, TK Special. 15 AC Nielsen Österreich zitiert in Cash, März 2006, TK Special. 16 http://www.handelszeitung.at/ireds3/page.php?P=50 Zugriff: April 2006. 17 AC Nielsen Österreich zitiert in Cash, März 2006, TK Special. www.greenpeace.at 9 3. “KATASTROPHALE” FISCHE & MEERESFRÜCHTE IN ÖSTERREICH © Philip Reynaers/Greenpeace 3. “Katastrophale” Fische & Meeresfrüchte in Österreich Die im Folgenden aufgelisteten und in Österreichs Supermärkten angebotenen Fische werden von Greenpeace bei einer ökologischen Bewertung als „katastrophal“ eingestuft. Die angeführten Arten wurden nach folgenden Kriterien bewertet: • Zustand der Bestände • Lebenszyklus der Art und Alter bei Erreichung der Reproduktionsfähigkeit • Stellung der Art in der Nahrungskette • Effizienz des Fischerei-Managements • Auswirkungen der eingesetzten Fangmethode(n) auf die Meeresumwelt Greenpeace rät vom Kauf und Verkauf dieser als „katastrophal“ bewerteten Fische und Meeresfrüchte ab. Einzelne regionale Bestände können in einem stabileren Zustand sein und daher gegebenenfalls besser bewertet werden. Dazu gehören beispielsweise Lachs und Kabeljau aus dem Pazifik. Eine Gesamtübersicht aller von Greenpeace aktuell eingestuften Fische und Meeresfrüchte bietet der Greenpeace Fischführer „Fisch & Facts 2006“ unter http://marktcheck. greenpeace.at/fischfuehrer.html. Hier sind auch die Arten ersichtlich, die von Greenpeace als „kritisch“ oder „akzeptabel“ bewertet wurden. Die im „Fisch & Facts“ angeführten Fischarten wurden hier um eine weitere Art, den Neuseeländischen Sankt Petersfisch, ergänzt. Dornhai Squalus acanthias und andere Haie Hintergrund Viele der weltweit mehr als 500 Haiarten sind gefährdet. Dornhai wird auch in der Nordsee gefangen und ist als „Schillerlocke“ oder „Seeaal“ im Handel. Er wird erst mit zehn bis 20 Jahren geschlechtsreif, die Weibchen bringen nach zwei Jahren Tragzeit bis zu 20 Junge zur Welt. www.greenpeace.at Bestand/ Haltung Die Dornhaifänge in der Nordsee sind seit den 60er Jahren um 80 Prozent gesunken und im Nordatlantik gänzlich zusammengebrochen. Haie werden weltweit schlecht gemanagt, auch die EU hat kaum Daten. Bedroht sind selbst Tiefseehaie, die oft als ungewollter Beifang sterben. Fangmethode/Schäden In EU-Gewässern wird mit Langleinen und Kiemennetzfischerei gefangen, es fällt bei allen Fischereigeräten und Wassertiefen Beifang an. Für Haifischflossensuppe werden nur die Flossen abgeschnitten und die oft noch lebenden Tiere ins Meer geworfen. Im Atlantik ist diese Praxis verboten. Heilbutt Hippoglossus spp. und Reinhardtius hippoglossoides Hintergrund Heilbutte streifen in den Tiefen der Nordmeere umher und sind für Plattfische relativ schlank, aber groß: Früher wurden bis zu drei Meter große Exemplare des Weißen Heilbutts gefangen. Neuerdings wird die Art in geringen Mengen in Aquakultur gezüchtet. Den kleineren Schwarzen Heilbutt gibt es meist als Räucherware. Bestand/ Haltung Weißer Heilbutt ist extrem überfischt. Den Beständen des Schwarzen Heilbutts geht es nur wenig besser. Wissenschaftler fordern für beide Arten einen Erholungsplan. Pazifischer Heilbutt ist selten im Handel erhältlich, er wird gut gemanagt, die Bestände sind stabil. Fangmethode/ Schäden Langleinen und Schleppnetze. Als Beifang werden Rotbarsch, Grenadier, Haie und Rochen gefangen. Teilweise besteht ein Schleppnetzverbot zum Schutz des Heilbutt, das auch anderen Arten nützt. Als fettreiche, langlebige Art kann Heilbutt mit Umweltgiften belastet sein. 11 3. KATASTROPAHLE FISCHE & MEERESFRÜCHTE IN ÖSTERREICH Hoki (Neuseeländischer Langschwanz-Seehecht) Macruronus novaezelandiae Hintergrund Noch vor wenigen Jahren hoffte die Fischwirtschaft, diese Tiefseeart könne als ökologisch unbedenkliche Alternative den Kabeljau in Schlemmerfilets ersetzen. Einige Hoki-Produkte tragen sogar das MSC-Zertifikat für nachhaltige Fischerei. Bestand/ Haltung Beide neuseeländischen Hoki-Bestände sind überfischt und bereits um 80 Prozent geschrumpft, obwohl die Fangmenge von 250.000 Tonnen im Jahr 2001 auf nur noch 100.000 Tonnen gesenkt wurde. Trotzdem ist einer der beiden Bestände MSC-zertifiziert. Obwohl es sich um getrennte Bestände handelt, werden sie unter einer Fangquote gemanagt. Fangmethode/Schäden In den Schleppnetzen der Hoki-Fischerei verenden auch Haie, Robben und Seevögel, darunter geschützte Albatrosse, außerdem werden empfindliche Tiefsee-Lebensräume zerstört. Kabeljau / Dorsch Gadus morhua, G. macrocephalus, G. ogac Schellfisch Melanogrammus aeglefinus Hintergrund Nachdem Kabeljau in der Nordsee so stark dezimiert wurde, dass sich das Fischen kaum noch lohnt, stammt das Gros der Kabeljaue heute aus der Barentssee. Diese Bestände sind wesentlich stabiler. Für Verbraucher ist aber nicht erkennbar, aus welchem Fanggebiet die Ware stammt. Der Nordsee-Bestand des verwandten Schellfischs ist in gutem Zustand. Bestand/ Haltung Es gibt noch intakte Bestände in der Barentssee. Allerdings schätzt man, dass Piratenfischer die Fangquoten um www.greenpeace.at 30 bis 40 Prozent überschreiten. In der Nordsee ist der Kabeljau drastisch reduziert und kaum noch befischbar. Auch in der Ostsee ist die Bestandslage schlecht; im westlichen Teil sieht es etwas besser aus als im Osten. Fangmethode/Schäden Bei der Kabeljaufischerei kommen meist Grundschleppnetze zum Einsatz, die die Bodenfauna schädigen und viel Beifang produzieren – vor allem Jungfische werden mitgefangen. In ebenfalls eingesetzten Stellnetzen ertrinken jedes Jahr tausende Kleinwale. Schellfisch wird mit Kabeljau gefangen, dadurch gefährdet die Schellfisch-Fischerei die Erholung des Nordsee-Kabeljaus. Atlantischer Lachs Salmo salar Hintergrund Die Bestände an Atlantischem Wildlachs sind ernstlich dezimiert. Man nimmt an, dass es dafür noch weitere Gründe neben der Überfischung gibt. Dazu zählen: Wasserverschmutzung, Veränderungen des Lebensraums (Verbauung der Laichgewässer), Klimawandel und Entzug der Ernährungsgrundlage. Die OSPAR-Konvention listet den Atlantischen Lachs als bedroht und/ oder im Rückgang in allen Gebieten in denen er vorkommt. Der bei uns erhältliche Lachs stammt in erster Linie aus norwegischer Aquakultur, pazifischer Wildlachs ist weniger vertreten. Bestand/ Haltung Der Atlantische Lachs ist aus 309 von 2.000 traditionellen Brutgewässern weltweit verschwunden. 90 Prozent der gesunden Populationen befinden sich in Norwegen, Irland, Island oder Schottland. Nur der geschützte Ostsee-Bestand des Altantischen Lachses wächst langsam wieder. Aquakultur ist keine Lösung des Problems. Der Antibiotikaeinsatz in Lachsfarmen konnte in den letzten Jahren zwar durch Impfungen stark reduziert werden, Lachsfarmen bringen aber auch zahlreiche andere Probleme mit sich. Weltweit verdrängen entflohene Zuchtlachse wilde Artgenossen und verbreiten Krankheiten. Auch verschmutzen Futterreste und Fäkalien, ebenso wie Pestizide, das Wasser. 12 3. KATASTROPAHLE FISCHE & MEERESFRÜCHTE IN ÖSTERREICH Es werden teilweise Lachse aus Öko-Aquakulturen angeboten. Bei Öko-Lachs sind die Besatzdichten niedriger, deshalb treten weniger Parasiten und Krankheiten auf. Der Pazifische Wildlachs mit MSC-Siegel ist in gutem Zustand. haie, Hundshaie, Weichkorallen, große Schwämme und Kaltwasserkorallen, deren Alter auf über 500 datiert wurde. Rotbarsch Sebastes marinus und Sebastes mentella Fangmethode/Schäden Die Lachszucht ist ähnlich wie die Schweinemast eine „Proteinveredelung.“ In der Lachszucht ist der Einsatz von Fischproteinen erforderlich, wodurch das Problem der Überfischung weiterhin verschärft wird. Um ein kg Lachs zu erzeugen, müssen ca. drei Kilogramm Fischmehl verfüttert werden. Dieses wird meist aus Sardellen, Sardinen und Sandaalen erzeugt. Neuseeländischer Sankt Petersfisch Pseudocyttus maculatus, Allocytus spp. Hintergrund Der Neuseeländische Sankt Petersfisch füllt neuerdings die Tiefkühlregale vieler Supermärkte. Es handelt sich um eine Tiefseeart, die vor Neuseeland und Australien gefangen wird. Wie alle Tiefseefischarten werden die Fische erst spät geschlechtsreif und sind extrem langlebig. Bestand/ Haltung Die Bestände sind schlecht gemanagt und kaum untersucht. Vor Neuseeland werden drei verschiedene Arten gemeinsam innerhalb einer Quote gefangen und verwaltet. Die Abgrenzung der verschiedenen Bestände von Neuseeländischem Sankt Petersfisch sind unklar. Bei mehreren Beständen ist der Zustand unbekannt. Einige werden noch als „reichlich“ eingestuft, andere sind stark dezimiert. Insgesamt sind jedoch alle rückläufig. Fangmethode/Schäden Neuseeländische Sankt Petersfische sind in punkto Fischerei besonders sensibel, weil es sich um eine langsam wachsende, langlebige Art handelt (sie werden älter als 100 Jahre). Die praktizierte Fangmethode mit Hochsee-Grundschleppnetzen richtet extremen Schaden an: Meeresböden werden einfach umgepflügt, die Beifangraten sind sehr hoch und betreffen empfindliche Tiefseearten wie Schokoladen- www.greenpeace.at Hintergrund Die Tiere leben bis zu 1000 Meter tief im Nordatlantik, ihre Bestände sind weitgehend unerforscht. Bekannt ist aber, dass Rotbarsche bis zu 75 Jahre alt und spät geschlechtsreif werden sowie lebende Junge gebären. Für Überfischung sind solche Arten sehr anfällig. Bestand/ Haltung Alle Rotbarsch-Bestände sind stark beein- trächtigt oder ihr Zustand ist unklar. Bei einigen gibt es zu wenig Nachwuchs – die Erholungschancen stehen schlecht. Auch der Tiefseebestand von Sebastes mentella, von dem das Gros der Filets in unseren Kühltheken stammt, ist offenbar stark überfischt. Fangmethode/Schäden Fabrikschiffe stellen Rotbarschen mit Schleppnetzen nach, in deren Öffnungen mehrere Fußballfelder passen würden. Die Netze berühren den Boden nicht, es fällt wenig Beifang an. Der Fang der Tiefseeart S. mentella wird auch mit Grundschleppnetzen durchgeführt, welche die Bodenfauna nachhaltig schädigen. Scholle Pleuronectes platessus Seezunge Solea solea Hintergrund Schollen und Seezungen werden in der Nordsee mit schweren Baumkurren – Schleppnetzen, die auf Kufen über den Boden walzen – in einer gemischten Fischerei gefangen. Beide Plattfische graben sich gerne im Sand ein und werden durch vor das Netz gespannte Ketten aufgescheucht. 13 3. KATASTROPAHLE FISCHE & MEERESFRÜCHTE IN ÖSTERREICH Bestand/ Haltung Zwar wurde der Fangdruck auf Nordsee-Schollen 2005 deutlich reduziert, dennoch bleibt er zu hoch. Bei der Fischerei auf Seezungen werden bis zu zwei Drittel der mitgefangenen Schollen wieder über Bord geworfen. Der Zustand der Nordsee-Seezunge ist gut, aber es gibt nur schwachen Nachwuchs. Fangmethode/Schäden Beim Schollenfang tritt hoher Beifang durch „Scheuchketten“ auf. Für jeden marktfähigen Plattfisch geht ein Vielfaches an Fischen, auch Kabeljau, ungenutzt über Bord – meist tot. In der südlichen Nordsee wird der Meeresboden in weiten Teilen mehrmals im Jahr „umgepflügt“, was die Vielfalt der Bodenlebewesen dort stark reduziert. Seehecht Merluccius spp. Hintergrund Der Europäische Seehecht lebt vor allem in der Biskaya und im Mittelmeer, seltener in der Nordsee. In Tiefkühlkost finden sich aber meist südamerikanische Arten, da für die kollabierten europäischen Bestände „Wiederauffüllungspläne“ mit niedrigen Quoten gelten. Der Europäische Seehecht ist mit dem oft als Tiefkühlkost angebotenen Neuseeländischen Langschwanz-Seehecht (Hoki) nicht näher verwandt. Bestand/ Haltung Beim nördlichen Seehecht-Bestand scheint der 2004 eingeführte Erholungsplan zu greifen. Für den noch stärker überfischten südlichen Bestand gilt ein solcher Plan erst seit 2005. Verwandte, importierte Arten sind meist ebenfalls überfischt. Fangmethode/Schäden Wie bei allen Schleppnetz-Fischereien auf bodenlebende Arten fällt viel Beifang an. Außerdem wird auch Fang mit Langleinen praktiziert. Diesen fallen Haie und Seevögel zum Opfer. www.greenpeace.at Shrimps Kaisergranat (Scampi) diverse Arten Hintergrund Pazifische Arten wie „Tiger Prawns“ haben den Eismeergarnelen den Rang abgelaufen. 25 Prozent der weltweit verkauften Shrimps kommen aus Farmen in Lateinamerika und Asien. Die Bestandslage der Warm- und Kalt-, Süß- und Salzwassergarnelen ist sehr unterschiedlich, oft fehlen Daten. Da viele Bestände zurückgehen, konzentriert sich die Fischerei auf neue Arten. Bestand/ Haltung Es treten verheerende Umweltfolgen durch Shrimps-Aquakulturen auf: Mangrovenwälder werden gerodet, Gewässer verseucht, Wildbestände für Besatz und Futter geplündert – Arbeitsplätze entstehen kaum. Lokale Gemeinschaften werden hingegen ihrer Nahrungs- und Beschäftigungsgrundlage beraubt. Die Shrimpsproduktion erfolgt auch in Öko-Aquakulturen, auch hier treten jedoch Probleme auf. Kaisergranat, der in der Umgebung der iberischen Halbinsel auftritt, ist stark dezimiert, andere Bestände sind aber stabil. Fangmethode/Schäden Die Shrimp-Fischerei auf Wildbestände bringt ein großes Beifangproblem mit sich: Pro Kilo Shrimps gehen fünf bis zehn Kilogramm andere Meerestiere in die Netze. Nach Daten der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) entstehen 27 Prozent aller Beifänge weltweit in der tropischen Shrimps-Fischerei. Tunfisch Thunnus spp. Bonito Katsuwonus pelamis Schwertfisch Xiphias gladius Hintergrund In Japan erzielen die Sushiarten Großaugen-Tun und Roter Tun Kilopreise von bis zu 500 Dollar. Da lohnt die – von der EU subventionierte – Käfigmast im Mittelmeer. Der 14 3. KATASTROPAHLE FISCHE & MEERESFRÜCHTE IN ÖSTERREICH „Farm-Tun“ wird aber als Jungtier wild gefangen und mit Fisch gefüttert. Weißer Tun (Albacore), Gelbflossentun und Bonito enden meist in Dosen. Sie werden aus Thailand, Mauritius und Ecuador importiert. Gelbflossentun und Bonito haben noch einige intakte Bestände. Die offiziellen Fangquoten werden oft überschritten, Tunfischbestände werden durch illegale Fischerei noch weiter dezimiert. Bestand/ Haltung Weltweit sind die Tunfisch-Bestände ‚komplett ausgebeutet’, manche davon gelten als ‚überfischt’. Die Fangmenge wurde in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. alle Vorkommen als ‚gefährdet’ und/oder ‚rückgängig’ eingestuft. Schwertfische sind generell überfischt, der Nordatlantik-Bestand ist laut Roter Liste ‚gefährdet’. Fangmethode/Schäden Tunfische werden mit Schleppnetzen, Ringwaden- oder Treibnetzen gefangen. Oft auch in Langleinenfischerei mit ungefähr 40 Prozent Beifang: Unzählige Haie, Schildkröten und Vögel fallen ihr jährlich zum Opfer. In Schleppnetzen sterben viele Jungfische, hoher Anteil an Beifang. Aufdrucke wie „Delfinfreundlich gefangen“ sind oft wenig aussagefähig. Auch gefährdet der Fischfang mit Ringwaden auf Gelbflossen-Tun neben Delfinen auch zahlreiche andere Arten. Viktoriabarsch Lates niloticus Sechs Arten werden bevorzugt wirtschaftlich genutzt: Bonito/ skipjack tuna/ Katsuwonus pelamis Im Pazifik kann für diese Art von nachhaltiger Fischerei gesprochen werden, während die Bestände im Atlantik komplett ausgebeutet sind. Gelbflossen Tunfisch/ yellowfin tuna/ Thunnus albacares Nur die Vorkommen im West- und Mittleren Pazifik sind nicht überfischt. Der Bestand an atlantischem Gelbflossen Tunfisch wurde in den vergangenen zehn Jahren um 30 Prozent reduziert. Weißer Tunfisch/ albacore tuna / Thunnus alalunga Auf der Roten Liste der IUCN, da nicht genügend Daten vorhanden. Blauflossen Tunfisch/ southern bluefin tuna/ Thunnus maccoyii Kategorie auf der Roten Liste: ‚‚Vom Aussterben bedroht’. Auf der OSPAR-Liste für alle Vorkommen als ‚gefährdet’ und/oder ‚rückgängig’ eingestuft. Großaugen Tunfisch/ bigeye tuna/ Thunnus obesus Auf der Roten Liste als ‚gefährdet’ eingestuft. Roter Tunfisch / northern bluefin tuna / Thunnus thynnus Der atlantische Rote Tun ist stärker befischt denn je, obwohl einige Bestände auf der „Roten Liste der bedrohten Tierarten“ der Weltnaturschutzunion (IUCN) stehen, da nicht genügend Daten vorliegen. Auf der OSPAR-Liste ist er für www.greenpeace.at Hintergrund Die Ansiedlung des bis zu zwei Meter langen Fisches im Viktoriasee in den 60er Jahren hatte verheerende Folgen für das Ökosystem: Von Hunderten dort vorkommenden Buntbarscharten starben mehr als die Hälfte aus. Die traditionelle Fischerei vor Ort ist ausgelöscht. Bestand/ Haltung Eigentlich wäre es sinnvoll, den Viktoriabarsch zu dezimieren. Doch die Fischerei verläuft weitgehend unkontrolliert und die lokale Bevölkerung zieht keinen Nutzen daraus, denn die teuren Filets gehen fast vollständig in den Export. Viele soziale Probleme haben sich durch diesen Handel verschärft. Fangmethode/Schäden Heimische Arten werden als Köder weggefangen und sind gefährdet. Der Transport von frischen Filets auf dem Luftweg belastet die Umwelt: Der Flug von Nairobi nach Frankfurt verbraucht etwa zwei Liter Kerosin pro Kilo Barsch. Fisch Illustrationen © Sonia Schadwinkel/Greenpeace 15 4. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE © Steve Morgan/Greenpeace 4. Die Fischeinkaufspolitik österreichischer Supermärkte Anfang Februar 2006 versandte Greenpeace einen Fragebogen an Österreichs Handelsunternehmen, der folgende Fragen zum Thema Fisch und Meeresfrüchte enthielt: Nachhaltige Fischeinkaufspolitik 1) Hat Ihr Unternehmen eine Firmenpolitik, die den Einkauf von Fischprodukten und Meeresfrüchten ausschließt, die aus nicht nachhaltiger Fischerei* stammen? O Ja O Ja, bei Eigenmarken O Nein *Fische und Meeresfrüchte mit folgender Herkunft werden als nicht nachhaltig gefangen angesehen: • Überfischte Bestände oder Bestände, die von der Welt naturschutzunion (IUCN) als vom Aussterben bedroht, stark gefährdet oder gefährdet gelistet werden oder von denen Daten fehlen • Illegale, unregulierte und undokumentierte Fischerei (sog. IUU-Fischerei) • Fischereien mit hohen Folgeschäden für die Meeresumwelt (z.B. Tiefsee-Fischerei mit Grundschleppnetzen) • Fischereien mit hohen Beifangraten von Nichtziel-Arten (z.B. Wale und Delfine) 2) Gibt es eine Liste mit Fischarten und/oder Fischerei-/Fischzuchtmethoden, die von ihrer Firma gemieden werden, da sie von ihrer Firma als nicht nachhaltig eingestuft werden? Wenn ja, welche? O Ja O Ja, bei Eigenmarken O Nein 3) Gibt es eine Liste mit bevorzugt einzukaufenden Fischarten, da diese von ihrer Firma als nachhaltig angesehen werden? Wenn ja, welche? O Ja O Ja, bei Eigenmarken O Nein www.greenpeace.at Unterstützung nachhaltiger Initiativen 4) Hat Ihr Unternehmen eine Firmenpolitik, die den Einkauf von Fischprodukten und Meeresfrüchten mit Zertifikaten/ Siegeln bevorzugt, die beabsichtigen, nachhaltige Fischerei zu garantieren? (z.B. MSC-Siegel, Biofisch, AIDCP oder EIILabel bei Tunfisch) O Ja O Ja, bei Eigenmarken O Nein Kennzeichnung und Bewerbung nachhaltiger Produkte 5) Wirbt ihr Unternehmen aktiv für besonders nachhaltige Produkte? Wenn ja wie? O Ja O Ja, bei Eigenmarken O Nein 6) Kann Ihr Unternehmen die komplette Handelskette für Fischprodukte und Meeresfrüchte nachvollziehen und können Sie somit die genaue Herkunft der bei Ihnen vertriebenen Fische und Meeresfrüchte angeben (Fanggebiet, Bestand, Fischereimethode)? O Ja O Ja, bei Eigenmarken O Nein 6) Hat Ihr Unternehmen eine Firmenpolitik, die bei Ihren Eigenmarken die Fischkennzeichnungsverpflichtung auf Produkte ausweitet, die aus der gesetzlichen Verpflichtung ausgenommen sind: Dosen-, Glas- und andere verarbeitete Fischprodukte? O Ja O Nein Die im Folgenden aufgeführten Einkaufsrichtlinien und Informationen setzen sich aus den schriftlichen Antworten auf den Fragebogen und nachfolgenden Gesprächen zusammen. Auch wurden die Webseiten aller Supermärkte auf Hinweise bezüglich ihrer Fischeinkaufsrichtlinien geprüft. Dort vorhandene Informationen wurden berücksichtigt. 17 4. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE 4.1 ADEG Österreich AG (ADEG, AGM, Edeka, E-Center) Die Beantwortung des „detaillierten Fragebogens“ wurde abgelehnt.1 Es fand sich keine Referenz zum Thema Fischeinkauf auf der Webseite.2 4.2 Firmengruppe Kastner (Kastner, Nah & Frisch) Der Fragebogen wurde nicht beantwortet. Es fand sich keine Referenz zum Thema Fischeinkauf auf der Webseite.3 4.3 Handelshaus Wedl (Nah & Frisch, C+C Wedl, Wedl & Dick) Der Fragebogen wurde nicht beantwortet. Es fand sich keine Referenz zum Thema Fischeinkauf auf der Webseite.4 4.4 Hofer KG Der Fragebogen wurde nicht beantwortet. Es fand sich keine Referenz zum Thema Fischeinkauf auf der Website.5 4.5 Julius Kiennast (Nah & Frisch) Der Fragebogen wurde nicht beantwortet. Es fand sich keine Referenz zum Thema Fischeinkauf auf der Website.6 4.6 Lidl Austria GmbH ab Juli bzw. August 2006 eingelistet. Es werden ab Ende August 2006 Filets vom pazifischen Wildlachs, zertifiziert vom MSC, eingelistet. Es werden ab September 2006 Makrelen in der Fischfeinkost eingelistet und ab Oktober 2006 MSCzertifizierte geräucherte Wildlachsfilets. Ziel ist es, langfristig ausschließlich auf pazifische Lachsprodukte umzusteigen. Bei den Fischkonserven werden die Lachsfilets ab August 2006 umgestellt von Atlantischen Lachs (Salmo salar) auf pazifischen Wildlachs. Die Hauptlieferanten von Lidl für Fisch in Österreich verpflichten sich gegenüber dem Unternehmen, keine Fische von Schiffen zu kaufen die auf der Schwarzen Liste der NEAFC, NAFO und des norwegischen Fischerei-Direktorates stehen. Laut Aussage von Lidl befassen sich beide Lieferanten, u. a. auf Verlangen von Lidl hin, eingehend mit dem Thema bestanderhaltende Fischerei.9 Unterstützung nachhaltiger Initiativen Lidl ist nach eigenen Angaben seit mehr als 13 Jahren Mitglied beim „Earth Island Institut“ und unterstützt den „delfinfreundlichen Fang“ von Tunfisch. Nach Angaben von Lidl sind auch alle Lieferanten von Tunfischprodukten des Unternehmens Mitglied beim EII. Lidl listet zahlreiche MSCProdukte von Fischarten ein, die von Greenpeace nicht als „katastrophal“ eingestuft werden.10 Kennzeichnung und Bewerbung nachhaltiger Produkte Bei den Tunfischeigenmarkenprodukten von Lidl wird ab März 2007 das FAO-Fanggebiet deklariert werden.11 Lidl prüft entsprechende Schritte auch für andere Länder. © Nina Thüllen/Greenpeace Nachhaltige Fischeinkaufspolitik Lidl listet ab sofort Rotbarsch aus, es werden nur mehr die vorhandenen Restbestände abverkauft. Auch Riesengarnelen listet Lidl, beginnend ab Juli 2006, aus. Anstatt dessen werden ab Juli 2006 zukünftig Eismeergarnelen angeboten.7 Lidl hat den Handel mit der Fischart Hai international eingestellt.7 Lidl Austria8 teilt in einem Schreiben mit, dass sie Karpfen und Forelle einlisten werden, derzeit wird die Verfügbarkeit dieser Fische aus österreichischer Produktion geprüft. Des Weiteren werden mehrere MSC-Alaska-Seelachs-Produkte www.greenpeace.at 18 4. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE 4.7 Maximarkt Handels Gesellschaft m.b.H. Maximarkt hat gegenwärtig keine nachhaltige Fischeinkaufspolitik. Das Unternehmen hat jedoch aufgrund einer ersten Version dieses Berichtes zugesagt, Hai- und Schwertfischprodukte mit sofortiger Wirkung aus der Listung zu streichen. Es werden nun nur noch die Restmengen abverkauft.12,13 4.8 Metro Cash & Carry Österreich Nachhaltige Fischeinkaufspolitik Metro hat erste Ansätze einer Fischeinkaufspolitik: „Wir fördern und befürworten nachhaltigen Fischfang und arbeiten zu diesem Thema in verschiedenen Projekten intensiv mit WWF, EurepGAP und MSC zusammen.“ „Wir führen Audits bei Lieferanten und Fischzüchtern durch, um zu verhindern, dass wir Ware aus IUU-Fischerei erhalten.“ 14 Metro schreibt: „Da es als Handelsbetrieb unser Ziel ist, den Bedürfnissen unserer Kunden nachzukommen, sind wir gezwungen, ein bestimmtes Sortiment anzubieten.“ Das Unternehmen gibt jedoch an: „Wir führen keine Fische von der Roten Liste der IUCN.“ Diese Information ist jedoch leider nicht zutreffend, weil z. B. Schwertfisch, der auf der roten Liste als „gefährdet“ verzeichnet ist, bei Metro verkauft wird. Metro führt nach eigenen Angaben keinen Dornhai und auch keine anderen Haiprodukte. Metro gibt an, an einer Liste mit bevorzugt einzukaufenden Fischarten zu arbeiten, das Projekt sei aber noch nicht abgeschlossen. Laut Webseite führt Metro „[…] ein Frischfischsortiment mit mehr als 40 verschiedenen Artikeln sowie ca. 300 auf Vorbestellung.“15 Metro macht keine Angaben dazu, ob die Produktkennzeichnung bei Eigenmarken über die gesetzlichen Anforderungen hinausgeht. 4.9 MPreis Warenvertriebs GmbH Nachhaltige Fischeinkaufspolitik MPreis hat derzeit noch keine Fischeinkaufspolitik, zeigt jedoch großes Interesse daran eine solche zu entwickeln. Ein diesbezügliches Treffen mit Greenpeace wurde anvisiert. Das Unternehmen teilt in einem Schreiben mit, dass „zukünftig verstärkt darauf geachtet [werden wird], dass die Unterstützung nachhaltiger Initiativen Es wird bei Metro ein MSC-Produkt angeboten und das Unternehmen gibt an, „nur delfinfreundlich gefangenen Tunfisch“ im Sortiment zu führen. Dieses wird jedoch durch keine Hinweise auf etwaige Label belegt. www.greenpeace.at © Greenpeace Kennzeichnung und Bewerbung nachhaltiger Produkte Eine aktive Werbung für besonders nachhaltige Produkte findet nicht statt. Die Rückverfolgbarkeit der Produkte ist bei Metro nach eigener Angabe gegeben und auch Angaben über Produktionsmethoden und Fanggebiete liegen vor. Diese Informationen werden von Metro nach eigenen Angaben an die Kunden weiter gegeben. Auch die Lieferanten werden den Kunden gegenüber bekannt gegeben. 19 4. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE Fische aus unbedenklichen Fischzuchtbetrieben kommen oder Zertifikate wie MSC, EII nachgewiesen werden können.“ Im Bezug auf Frischfisch gibt MPreis an: „das Angebot an unbedenklichen Frischfischen wird in Zukunft verstärkt forciert.“ MPreis beantwortet die Frage, ob es eine Liste mit Fischarten und/oder Fischerei-/Fischzuchtmethoden gibt die gemieden werden mit „Ja“. MPREIS bekennt sich dazu, auch in Zukunft folgende Fischarten nicht zu verkaufen: • Schwertfisch • Heilbutt • Rotbarsch • Dornhai • Tiefseefische wie Leng, Blauleng, Granatbarsch, altlantischer Sägebauch • Flussaal • Viktoriabarsch MPreis kauft nach eigenen Angaben folgende Fischarten bevorzugt ein: • Frischfisch: Saibling, Pangasius, Goldbrasse • Tunfisch: Gelbflossen Tunfisch • Tiefkühlfische mit MSC-Siegel: Hoki, Polardosch, Lachs „MPreis hat Kontakt zu österreichischen Bio-Aquakulturen hergestellt; diverse Fischprodukte aus Bio-Aquakulturen wie Garnelen werden forciert und ausgebaut.“ 16, 17 „MPreis ist bemüht das Angebot an „akzeptablen“ Frischfischen lt. Greenpeace wie Karpfen, Hering, Seelachs, Makrelen auszuweiten.“ In Zukunft möchte MPreis „beim Fischangebot – so weit wie möglich - den regionalen Aspekt verstärkt berücksichtigen. Auch die von Greenpeace als „kritisch“ eingestuften Fischsorten wie Zander, Nordseegarnele, Alaska-Seelachs werden geprüft.“ Unterstützung nachhaltiger Initiativen MPreis führt Hoki, Polardorsch und Lachs mit MSC-Siegel. Es werden Tunfischprodukte mit dem EII-Label angeboten. www.greenpeace.at © Greenpeace MPreis verweist in Bezug auf seine Fischeinkaufspolitik auch auf seine Lieferanten Metro, Unilever, VOG und Appel. Diese beantworten die Fragen meist ausweichend. Einige der Lieferanten geben an, bestimmte Fischarten nur aus ausgewählten Beständen, die mit ausgewählten Methoden befischt werden, zu kaufen. Dieses wird jedoch nicht spezifiziert. „Wir achten bei der Auswahl der Lieferanten darauf, welche Zertifikate unsere Fisch-Lieferanten vorweisen können. Bestehende Lieferanten machen wir ab sofort darauf aufmerksam, wenn bei gelisteten Produkten keines der von Greenpeace empfohlenen Siegel nachgewiesen werden kann.“ Kennzeichnung und Bewerbung nachhaltiger Produkte MPreis kann derzeit nicht die komplette Handelskette für seine Fischprodukte nachvollziehen. Das Unternehmen kann „nur zum Teil, wie bei Frischfisch, die komplette Handelskette nachvollziehen und sind dabei immer auf die Informationen und Angaben unserer Lieferanten angewiesen.“ MPreis schreibt zum Thema Bewerbung nachhaltiger Fischarten „[…] In Zukunft werden wir nachhaltige Frischfische wie Saibling, Panagasius, Goldbrasse in diesen Werbemaßnahmen unter dem Schlagwort „Nachhaltig positive Produkte“ mit kurzer Erklärung hervorheben.16, 17 Bzgl. der Frage der über die gesetzlichen Anforderungen hinaus gehenden Kennzeichnung von Eigenmarkenprodukten, teilt MPreis mit, dass sie keine Fischprodukte-Eigenmarken führen. Es werde jedoch „bei allen Fisch-Lieferanten ab sofort die von Greenpeace empfohlenen […], Bezeichnung der Fischsorte – wenn möglich mit Abbildung, Fanggebiet & Fangmethode bzw. Angaben zur Aquakultur und Zuchtbetrieben eingefordert.“ 20 4. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE 4.10 Norma GmbH & Co KG Der Fragebogen wurde nicht beantwortet. Es fand sich keine Referenz zum Thema Fischeinkauf auf der Webseite.18 4.11 Pfeiffer Handels GmbH (Nah & Frisch, Unimarkt, C+C Pfeifer, Pro Kaufland) Der Fragebogen wurde nicht beantwortet. Es fand sich keine Referenz zum Thema Fischeinkauf auf der Webseite.19 4.12 Rewe Austria AG (Merkur, Billa, Pennymarkt ehem. Mondo) Nachhaltige Fischeinkaufspolitik Die Rewe AG20,21 sagt zu, dass Thema „Nachhaltige Fischeinkaufspolitik“ künftig in ihre Fischeinkaufspolitik einfließen zu lassen. Dieses soll nach der folgenden Prioritätenreihung geschehen: „1. Berücksichtigung der “Roten Liste” bedrohter Tierarten 2. Vermeidung von populationsgefährdender Tiefseefischerei 3. Förderung von dem Vorsorgeprinzip entsprechenden Bestandsmanagements 4. Unterstützung nachhaltiger Initiativen und transparenter Kundeninformation“ Gegenwärtig findet eine Umsetzung dieser Prinzipien jedoch noch nicht statt, so wird der auf der Roten Liste der Bedrohten Arten der IUCN als ‚stark gefährdet’ (Nordatlantischer Bestand) gelistete Schwertfisch verkauft. Rewe überlegt nun welcher Beitrag geleistet werden kann, damit „in unseren Filialen keine bedrohten Fischarten mehr verkauft werden“. So soll das Angebot an Rotbarsch reduziert bzw. eventuell ganz aufgelassen werden. Die weitere Listung von Schwertfisch und Heilbutt wird „kritisch hinterfragt“. Rewe verkauft grundsätzlich keine Haiprodukte und keine Schellfischprodukte.22 Unterstützung nachhaltiger Initiativen Rewe weißt darauf hin, dass in den Märkten des Unternehmens MSC-Produkte angeboten werden. Es ist geplant, das Angebot an Fischen aus nachhaltiger Bewirtschaftung künftig auszubauen.23 www.greenpeace.at Kennzeichnung und Bewerbung nachhaltiger Produkte Sämtliche Fischprodukte der Rewe-Eigenmarke “Quality First” werden laut einem Schreiben des Unternehmens über das gesetzlich geforderte Maß hinausgehen gekennzeichnet. So werden auch panierte Fischprodukte mit allen Informationen gekennzeichnet, die gesetzlich nur für unverarbeitete Fischprodukte vorgeschrieben sind. Auf jedem Eigenmarkenfischprodukt wird das genaue Fanggebiet namentlich ausgeschrieben und nicht nur codiert, je nach Charge, wieder gegeben. Es wird geplant, mit dem kommenden Internet-Auftritt der Rewe-Eigenmarke von Quality First auf diese Kennzeichnung hinzuweisen.24 4.13 Spar Österreich Warenhandels AG (Spar, Eurospar, Interspar, Spar Gourmet) Nachhaltige Fischeinkaufspolitik Spar gibt bei der Befragung an, teilweise eine Firmenpolitik zu haben, die den Einkauf von Fischprodukten und Meeresfrüchten verbietet, die aus nicht nachhaltiger Fischerei stammen. Dieses wird nicht durch entsprechende weiterführende Informationen belegt. Das Unternehmen gibt weiters an, eine Liste von Fischarten und/ oder Fischerei-/ Fischzuchtmethoden zu haben, die es zu umgehen gilt. Spar verkauft nach diesen Angaben keine Schildkrötensuppen, Haiprodukte werden „weitestgehend“ vermieden. Es gibt keine Liste bevorzugt einzukaufender Arten. Unterstützung nachhaltiger Initiativen Fischprodukte und Meeresfrüchte mit Zertifikaten werden außer bei Tunfisch nicht bevorzugt eingekauft. 1994 wurde mit dem „Earth Island Institute“ die Vereinbarung getroffen, dass nur mehr „dolphin-safe“ gefangener Tunfisch im Sortiment geführt wird. Spar verkauft MSC-Produkte. Kennzeichnung und Bewerbung nachhaltiger Produkte Eine aktive Werbung für nachhaltige Fischprodukte findet nicht statt. Spar ist nach eigener Angabe nicht in der Lage, die komplette Handelskette für Fischprodukte und Meeresfrüchte nachzuvollziehen und kann deswegen nicht die genaue Herkunft (Fanggebiet, Bestand, Fischereimethode) der von ihnen vertriebenen Fisch und Meeresfrüchte angeben. Spar kennzeichnet Fischprodukt-Eigenmarken nicht über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehend.25,26 21 4. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE 4.14 Sutterlüty Handels GmbH Sutterlüty tätigt seinen kompletten Fischeinkauf über die Rewe Austria. Derzeit hat Sutterlüty keine nachhaltige Fischeinkaufspolitik.27 Das Unternehmen zeigt sich interessiert an der Einrichtung einer Fischeinkaufspolitik und bittet um einen diesbezüglichen Termin mit Greenpeace.28 1 Schreiben von ADEG an Greenpeace vom 16.3.2005 2 www.adeg.at geprüft am 30.3.2006 3 http://www.kastner.at geprüft am 30.3.2006 4 http://www.wedl.com geprüft am 30.3.2006 5 www.hofer.at am 30.3.2006 geprüft 6 http://www.nahundfrisch.at/ und http://www.kiennast.at/ geprüft am 30.3.2006 Schreiben von Lidl an Greenpeace vom 18.5.2006 www.lidl.at am 30.6.2006 geprüft Schreiben von Lidl an Greenpeace vom 15.5.2006 Schreiben von Lidl an Greenpeace vom 13.3.2006 www.lidl.at am 30.6.2006 geprüft http://www.maximarkt.at am 30.3.2006 geprüft 7 8 9 10 4.15 Zielpunkt Warenhandel GmbH & Co KG (Zielpunkt, Plus) Nachhaltige Fischeinkaufspolitik Die Zielpunkt Warenhandel GmbH & Co KG gibt in Hinblick auf ihre beiden österreichischen Vertriebsschienen Zielpunkt und Plus an, bei seinen Fischprodukten „Aspekte der Artenauswahl und der bestandserhaltenden Fischerei unter Berücksichtigung der weltweit definierten und reglementierten Fangquoten“ einzubeziehen. Zielpunkt setzt auf Lieferanten, die sich „…mit der Weiterentwicklung von ökologisch verträglichen Fangmethoden zum Schutz und zur Erhaltung der Meeresböden sowie zur Minimierung der Beifänge beschäftigen.“ Gemeinsam mit diesen werden, nach Auskunft von Zielpunkt, aktuelle Bestandsauskünfte von Wissenschaftlern in die Kaufentscheidung mit einbezogen. Zielpunkt macht keine Angaben zu Arten, die gemieden werden. Das Unternehmen macht zwar keine explizite Angabe dazu, welche die bevorzugt einzukaufenden Fischarten sind, es wird aber darauf verwiesen, dass bei Zielpunkt und Plus im Wesentlichen folgende Fischarten angeboten werden: Hering, Makrele, Sardine, Lachs, Alaska-Seelachs, Kabeljau, Seehecht, Scholle, Polardorsch und Zander.29,30 11 12 13 Email von Maximarkt an Greenpeace vom 19.5.2006 14 Schreiben von Metro an MPreis vom 10.3.2006 15 www.metro.at am 30.6.2006 gesichtet 16 Schreiben von MPreis an Greenpeace vom Februar 2006, vom 10.3.2006 und vom 11.5.2005 17 http://www.mpreis.at/ am 30.3.2006 geprüft 18 http://www.norma.at/ am 30.3.2006 geprüft 19 www.pfeiffer.at geprüft am 30.3.2006 20 Gelesen auf www.billa.at am 29.3.2006 21 www.penny.at und www.merkurmark.at geprüft am 29.3.2006 22 Email von Rewe an Greenpeace vom 17.5.2006 23 Schreiben von Rewe an Greenpeace vom Februar 2006 24 Gelesen auf www.billa.at am 29.3.2006 25 Schreiben von Spar an Greenpeace vom 27.2.2006 26 Gelesen auf www.spar.at 30.3.2006 27 Persönliches Gespräch von Greenpeace mit Jürgen Sutterlüty am 19.5.2006 28 http://www.sutterluety.at am 30.3.2006 geprüft 29 Schreiben von Zielpunkt an Greenpeace vom 14.3.2006 30 http://www.zielpunkt.at geprüft am 30.3.2006 Unterstützung nachhaltiger Initiativen Es werden keine Angaben zum bevorzugten Einkauf von Produkten mit Zertifikaten oder Siegeln gemacht. Kennzeichnung und Bewerbung nachhaltiger Produkte Bei der Beantwortung des Fragebogens werden weder Angaben zur aktiven Bewerbung nachhaltiger Produkte noch zur Rückverfolgbarkeit der kompletten Handelskette gemacht. Auch zum Thema Kennzeichnung der Produkte äußert sich die Zielpunkt Warenhandel GmbH & Co KG nicht. www.greenpeace.at 22 5. EINE BEISPIELHAFTE EINKAUFSPOLITIK: MARKS & SPENCER IN GROSSBRITANNIEN © John Novis/Greenpeace 5. Eine beispielhafte Einkaufspolitik: Marks & Spencer – in Großbritannien Hintergrund der Firma Marks & Spencer (M&S) ist eines der führenden Einzelhandelsunternehmen in Großbritannien. Die Firma betreibt 399 Läden in Großbritannien, bedient 15 Millionen Kunden pro Woche und beschäftigt 65.000 MitarbeiterInnen. Sie verfügt auch über ein wachsendes internationales Geschäft. 2005 belief sich der Konzernumsatz in Großbritannien auf 7,8 Milliarden Pfund (ca. 11,2 Milliarden Euro).1 Einkaufspolitik für Fisch und Meeresfrüchte 1996 begann M&S seine „Politik der nachhaltigen Beschaffung von Fischereiprodukten“ (Policy on Sustainable Sourcing of Fisheries Products) in die Praxis umzusetzen. Diese Politik gilt für alle zum Verkauf angebotenen Wild- und ZuchtfischProdukte. Seit damals arbeitet das Unternehmen aktiv am Einkauf von Fischen und Meeresfrüchten aus nachhaltigen Quellen. Die Umsetzung dieser Politik erfolgt nach schriftlich festgelegten Verfahrensregeln zur Schleppnetz- und Langleinen-Fischerei (die eine breite Bandbreite von Themen abdecken, angefangen bei Vorschriften für Netze und Leinen bis hin zur Lagerung und zum Transport), zur Lachszucht und zur Zucht und Fang von Warmwasser-Garnelen.2 M&S ist die einzige Supermarktkette in Großbritannien, die für das Management der Fischbeschaffung einen qualifizierten Fischerei-Wissenschaftler beschäftigt, und auch die Einzige, die ihre eigenen Lieferantenkontrollen durchführt. Da M&S keine Fremdmarken verkauft, fällt jedes ihrer angebotenen Meeresprodukte, von Filets über Sandwich-Füllungen bis hin zu Pizza-Belegen, unter ihre Fischeinkaufspolitik. Einkaufspolitik für Wildfisch Die Einkaufspolitik von M&S schreibt vor, dass für jeden einzelnen Fisch (oder andere Meeresfrüchte) nur seriöse Produzenten als Beschaffungsquelle in Frage kommen dürfen, die sich an die jeweils relevanten Bestimmungen halten und die Umwelt respektieren.3 Wann immer möglich, sollten die jeweiligen Fischereien von unabhängigen Organisationen wie der britischen Marine Conservation Society (MSC) als „nachhaltig wirtschaftend“ eingestuft worden sein und ihr Management nach dem „Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Fischerei“ (Code of Conduct for Responsible Fisheries4) der FAO ausrichten. Wildfisch darf nur solchen Beständen entnommen werden, die einer Kontrolle durch Fischerei-Management-Systeme unterliegen. Lieferanten müssen Referenzdaten über jede Rohfisch-Quelle vorweisen können, einschließlich wissenschaftlicher Empfehlungen der jeweiligen Organisation, die für den Schutz des betroffenen Bestandes zuständig ist (z.B. ICES5-Empfehlungen für die Fischbestände im Nordostatlantik). Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass keine Fischbestände dezimiert werden, keine Gefährdung der Umwelt besteht und keine signifikanten Beifangmengen auftreten. M&S hat eine Liste von Fischarten die aus den Regalen des Unternehmens verbannt wurden. Kennzeichnung www.greenpeace.at © Cobb/Greenpeace Die Kennzeichnungspolitik von M&S geht über die derzeit gültigen gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus, da sich die zur Verfügung gestellten Informationen auch auf verarbeitete Fischprodukte erstrecken. Auf der Verpackung aller gefrorenen Produkte findet man die gängige Bezeichnung und ein Bild der jeweiligen Fisch-, Krebs- und Weichtierart sowie das Meeresgebiet, aus dem der Fisch oder die Meeresfrüchte stammen. Bei gekühlten Produkten wie z.B. naturbelassenen und panierten Filets geben Etikette zumeist genauere Auskunft über Fanggebiet und Fangmethode. 24 5. EINE BEISPIELHAFTE EINKAUFSPOLITIK: MARKS & SPENCER IN GROSSBRITANNIEN Jeder Fisch muss bis zum Fangschiff rückverfolgbar sein, und es muss nachweisbar sein, dass allfällige Fangquoten nicht überschritten wurden. Fische aus undeklarierten (illegalen) Fangtätigkeiten sind verboten. 1 Marks & Spencer (2005). Marks & Spencer annual review and summary financial statement 2005. London, UK: Marks & Spencer. Accessed Sept 2005 at www.2.marksandspencer.com/thecompany/inve storrelations/downloads/2005 Complete_Annual_review.pdf 2 Marks & Spencer (2004). Corporate social responsibility report 2003/04. London, UK: Marks & Spencer. http://www2.marksandspen cer.com/thecompany/investorelations/downloads/2004/csr/MS_CSR_2 004.pdf Zugriff: Sept. 2005. 3 Marks & Spencer (2005). M&S policy on sustainable sourcing of fishery products. London, UK: Marks & Spencer. 4 Verabschiedet von der FAO am 31.10.1995 http://www.fao.org/documents/show_cdr.asp?url_file=/DOCREP/005/v9878e/v9878e00.htm 5 International Council for the Exploration of the Sea, Internationaler Rat für Meeresforschung (www.ices.dk). 6 Weitere Information zur Nachhaltigkeitspolitik von M&S im Bezug auf Fisch ebenso wie anderer Firmen in: Greenpeace UK (Oktober 2005): A recipe for disaster. Supermarkets’ insatible appetite for seafood. http://www.greenpeace.org.uk/MultimediaFiles/Live/FullReport/7281. pdf Zugriff: April 2006. Einkaufspolitik für Zuchtfisch Die Produktion von Zuchtfisch und Fischmehl muss mit den jeweiligen nationalen Bestimmungen bezüglich der Umweltauswirkungen und mit den relevanten Verfahrensregeln von M&S konform gehen. Produzenten müssen sich um eine kontinuierliche Verbesserung der Zuchtmethoden bemühen und ihre Verpflichtung zum Schutz ihrer lokalen Umwelt unter Beweis stellen. Fischmehl-Bestandteile aus nicht-marinen Quellen müssen aus nachhaltigen Quellen stammen und dürfen keine gentechnisch veränderten Bestandteile enthalten. Überblick über die Fischeinkaufspolitik von M&S www.greenpeace.at © Noel Matoff/Greenpeace Mit seiner fast 10-jährigen Erfahrung nimmt M&S auf dem Gebiet der Beschaffung von nachhaltigem Fisch eine Führungsposition ein. Die Firma hat sich klare Ziele gesetzt und prägt einen offenen und ehrlichen Kommunikationsstil. Die detailliert beschriebene Einkaufspolitik von M&S spiegelt sich sowohl in den Produkten und Kenzeichnungspraktiken als auch in den Kunden-Informationen auf der FirmenWebseite wieder. Initiativen zur Nachhaltigkeit werden von M&S nicht nur unterstützt, sondern auch tatkräftig gefördert und umgesetzt. Dort, wo es noch verbesserungswürdige Schwachstellen gibt, setzt sich M&S mit den Problemen auseinander und ist um Lösungen bemüht. Das gilt für die Zucht von karnivoren Fischen ebenso wie für die noch zu leistende Motivationsarbeit, die die Kunden dazu ermuntern soll, zu alternativen, nachhaltigeren Fischarten statt zu ihren traditionellen Lieblingsfischen zu greifen.6 25 6. NACHHALTIGE MEERESPRODUKTE © Grace/Greenpeace Der Schutz der Umwelt spielt für 79 Prozent der Verbraucher und Händler in der EU eine wichtige Rolle beim Kauf von Fisch & Meeresfrüchten. 86 Prozent der Konsumenten würden an der Ladentheke Fisch aus nachhaltigen Quellen bevorzugen, wenn dieser entsprechend gekennzeichnet wäre. Zwei von fünf Kunden wären bereit, mehr Geld für Öko-Fisch zu zahlen. Dies sind die Ergebnisse einer im Dezember 2005 von Greenpeace und dem WWF veröffentlichten Befragung.1 Sie ergab auch, dass 95 Prozent der Verbraucher und 85 Prozent der Fischereiwirtschaft sich mehr Informationen über die Möglichkeiten wünschen, nachhaltigen Fisch zu kaufen. Es stellt sich also die Frage, was genau nachhaltiger Fisch ist? Neben der bereits in Kapitel 4 angeführten Definition für nicht-nachhaltigen Fisch gibt es die Definition der Welternährungsorganisation der UN für verantwortungsvolle Fischerei.2 Weder von der FAO noch von der EU gibt es jedoch verbindliche Vorschriften zur Kennzeichnung von nachhaltigen Meeresfischereiprodukten. Deshalb ist der Kunde gezwungen, sich beim Fischeinkauf eigenständig zurechtzufinden. 6.1 Fischkennzeichnung 6.1.1 Produktinformation für Kunden Seit 1. Januar 2002 sind die Hersteller von rohen ganzen oder filetierten Fischereiprodukten in der EU gesetzlich verpflichtet, bei der Etikettierung ihrer Produkte Angaben zu Handelsbezeichnung, Produktionsmethode und Herkunft zu machen.3,4 Dies gilt auch für gefrorene Filets und rohe Krebsund Weichtiere (auch ohne Panzer). Demnach müssen VerbraucherInnen über folgende Punkte informiert werden: • Die Handelsbezeichnung eines Fisches – jeder EU-Mit gliedstaat hat ein eigenes Verzeichnis der von ihm zugelassenen Handelsbezeichnungen angelegt • Die Produktionsmethode des Fisches – aus Meeresfischerei, Binnenfischerei, Aquakultur oder Zucht • Das Gebiet, in dem der Fisch gefangen wurde oder das Land, in dem er produziert bzw. gezüchtet wurde Diese zusätzliche Kennzeichnungspflicht stellt zweifellos eine Verbesserung im Vergleich zu den alten Vorschriften www.greenpeace.at © Greenpeace 6. Nachhaltige Meeresprodukte dar. Allerdings erhalten VerbraucherInnen damit allein kaum ausreichend Hilfestellung, um die Nachhaltigkeit der Produkte zu beurteilen. Sie sind auf die Supermärkte angewiesen, wenn sie weitere Informationen benötigen. Es gibt eine Reihe von Gründen, warum die neue Regelung zur Fischkennzeichnung nicht die nötige Transparenz schafft: • Manchmal gibt es nicht nur eine einzige Handelsbezeichnung, sondern mehrere Namen, die als Bezeichnung einer Art oder einer Reihe von Arten zugelassen und in Gebrauch sind. Kennen die VerbraucherInnen nicht alle verwendeten Bezeichnungen, wissen sie oft nicht, welchen Fisch sie genau kaufen. • So kann „Hoki“ auch als „Langschwanz-Seehecht“ oder „Blauer Seehecht“ verkauft werden, und es kann sich dabei um jedes beliebige Mitglied der Gattung Macruronus handeln. • Nur ein Profi kann wissen, dass ein „Polardorsch“ etwas anderes ist als ein „Pazifischer Polardorsch“ oder gar ein „Dorsch“. • Und erst nach einigen Recherchen lässt sich klären, dass ein „Sankt Peter(s)fisch“ nichts mit einem „Neuseeländischen Sankt Petersfisch“ zu tun hat. • Die Bezeichnungen, die zur Angabe des Fanggebietes verwendet werden, sind oft sehr breit gesteckt z.B. Nordost-Atlantik. Doch in einem so angegebenen Gebiet können viele verschiedene Bestände einer bestimmten Art leben. Aus diesem Grund ist es oft unmöglich, Fische aus überfischten Beständen zu identifizieren. • Bei Fischen, die nicht aus Zuchtteichen stammen, wird keine Angabe über die tatsächliche Fangmethode gemacht. Deshalb hat man keine Grundlage, Fische und Meeresfrüchte auszuwählen, die mit weniger zerstöreri schen Methoden gefangen bzw. gesammelt wurden. 27 6. NACHHALTIGE MEERESPRODUKTE Eine weitere große Lücke besteht darin, dass die EU-Gesetzgebung sich nicht auf verpackte und verarbeitete Fische und Krebstiere erstreckt, wenn andere Zutaten beigefügt oder die Fische bzw. Meeresfrüchte gekocht wurden. D.h. z.B. für Meeresfrüchte aus der Dose oder aus dem Glas, Garnelencocktails, Fischstäbchen oder panierte Filets - ist die Kennzeichnung des Fanggebietes und der Produktionsmethode nicht erforderlich. Bei solchen Produkten muss die Kennzeichnung nur Auskunft über die Herkunft des Endproduktes und nicht über das Ursprungsgebiet der Rohstoffe geben. Darüber hinaus ist bei einer weiteren Vielzahl von verarbeiteten Meeresprodukten keine Angabe der Fischart erforderlich: Bei Saucen, Fischstäbchen, Surimi und Co. genügt es, allgemeine Bezeichnungen wie „Fisch“ oder „Weißfisch“ in die Zutatenliste zu schreiben. 6.1.2 Produktrückverfolgbarkeit Seit 1. Januar 2005 ist eine neue EU-Regelung in Kraft, die die Rückverfolgbarkeit aller Lebensmittel nach dem „One Step Up/One Step Down“ Prinzip fordert.5 Dabei handelt es sich um eine neue allgemeine Regelung der Lebensmittelhygiene, die vorschreibt, dass alle Lebensmittel und Zutaten möglichst rückverfolgbar und sicher sein müssen. Betriebe müssen Aufzeichnungen führen, aus denen die Lieferanten ihrer Rohstoffe und die gewerblichen Abnehmer, an die sie ihre Produkte liefern, hervorgehen. Die Regelung legt nicht fest, wie diese Aufzeichnungen zu führen sind. Sie schreibt lediglich vor, dass diese im Fall eines Lebensmittel-Skandals leicht zugänglich sein müssen. © Philip Reynaers/Greenpeace Um es der europäischen fischverarbeitenden Industrie zu ermöglichen, diese gesetzliche Anforderung zu erfüllen, www.greenpeace.at wurden im Rahmen eines von der EU finanzierten Projektes mit dem Titel „Traceability of Fish Products“ (Rückverfolgbarkeit von Fischprodukten, kurz „TraceFish“) notwendige Standards erarbeitet. Diese sollen die Aufzeichnung und den Austausch von Informationen über die Rückverfolgbarkeit von Meeresprodukten (aus Wildfang oder aus Aquakultur) in der Lebensmittelkette regeln.6 TraceFish empfiehlt zur Identifizierung, Codierung, Rückverfolgung und elektronischen Kommunikation der geforderten Informationen über Fischprodukte das System der Standardisierungsgremien European Article Numbering (EAN) und Uniform Code Council (UCC).7 Die Standards von TraceFish fordern keine perfekte Rückverfolgbarkeit, denn sie tolerieren eine zeitweise Vermischung der Chargen. Jede Vermischung muss jedoch zu Protokoll gebracht werden. Zwar sind diese Informationen über die Rückverfolgbarkeit derzeit für EndverbraucherInnen nicht direkt greifbar, aber Produzenten und Händler von Meeresprodukten, die eine nachhaltige Politik in der Fischwirtschaft umsetzen wollen, werden künftig in der Lage sein, ihre KundInnen mit ausführlicheren Informationen zu versorgen und ihnen Garantien über die Nachhaltigkeit ihrer Produkte zu geben. 6.2 Label und Gütezeichen Beim Kauf von Lebensmitteln trifft man auf einen Wildwuchs von Produktlabeln. Fischprodukte bilden da keine Ausnahme. Eine Untersuchung von Konsumentenverbänden aus acht Ländern beschreibt das Problem der Konsumententäuschung durch den unkontrollierten Einsatz von Gütezeichen als besonders gravierend bei Fischprodukten: „Produktdeklarationen, die nachhaltige oder schonende Fischerei beschreiben, sind unserer Ansicht nach missverständlich. Sie waren [in der Untersuchung] nicht ausreichend, um den Konsumenten eine informierte Auswahl zu ermöglichen“.8 Qualitätsbehauptungen, die nicht auf geregelten Kriterien basieren oder zumindest durch unabhängige Kontrollinstanzen überprüft werden, sind nach Meinung der Konsumentenverbände ungültig. Wenn es um das Thema Fisch und Ökolabel geht, ist es also ratsam, sich genau zu erkundigen, welche Kriterien hinter dem Label stehen und ob sie von einer unabhängigen Stelle kontrolliert werden. In den nächsten Abschnitten werden in Österreich gängige Gütezeichen für Fisch erläutert. 28 6. NACHHALTIGE MEERESPRODUKTE 6.2.1 „Delfinsicher“ und „delfinfreundlich“ gefangener Tunfisch Die Definition von „delfinsicher” und „delfinfreundlich” gefangenem Tunfisch ist zum Gegenstand intensiver internationaler Debatten geworden. Sie hat KonsumentInnen-Boykotte und Rechtsstreitigkeiten ausgelöst und war immer wieder der Anlass für Änderungen in den nationalen und internationalen Gesetzgebungen. Der Tunfisch/Delfin-Disput konzentriert sich auf die Fischerei im tropischen Ostpazifik (engl. Eastern Tropical Pacific, ETP), einem Meeresgebiet, in dem Gelbflossen-Tunfischschwärme mit Delfinen vergesellschaftet sind.9 In den 1950er Jahren begannen Ringwadenfischer Delfinschulen mit ihren Netzen einzukreisen, um die etwa 150 Meter unter ihnen schwimmenden Gelbflossentunfische zu fangen. Diese Praxis führte zu einer extrem hohen Todesrate bei Delfinen im tropischen Ostpazifik: Im Zeitraum zwischen 1950 und 1990 kamen über sechs Millionen Delfine ums Leben.10 Die betroffenen Bestände haben sich davon noch immer nicht erholt. So beträgt die Population der Östlichen Spinnerdelfine 35 Prozent ihrer ursprünglichen Größe und die der Nordöstlichen Fleckendelfine etwa 20 Prozent. Seitdem wurden zwei Schutzprogramme zur Verringerung der Delfintötungen ausgearbeitet. © Robin Culley/Greenpeace AIDCP - Delfinsicherer Tunfisch nach der Inter-American Tropical Tuna Commission Die 1950 gegründete „Inter-American Tropical Tuna Commission“ (IATTC) ist für den Erhalt und das Management der Fischereien von Tunfischen und anderen Arten, die im ETP von Tunfischjägern gefangen werden, verantwortlich.11 Eine www.greenpeace.at Reihe im Ostpazifik fischender Nationen hat unter der Federführung der IATTC ein gesetzlich verbindliches Abkommen über ein Internationales Delfinschutz-Programm (Agreement on the International Dolphin Conservation Program - AIDCP) entwickelt.12 Dieses Abkommen wird von Umwelt- und Meeresschutz-Organisationen wie Greenpeace International und dem WWF unterstützt. Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich u.a., die tödlichen Delfinbeifänge beim Tunfischfang mit Ringwaden im ETP schrittweise auf Null zu reduzieren, sowie Beifänge und Rückwürfe von jungen Tunfischen und Nichtzielarten zu minimieren. Mit der Einführung des AIDCP-Delfinschutz-Zertifizierungssystems im Jahr 2001 sollen nun Fischer dazu ermutigt werden, die Zahl der getöteten Delfine auf Null zu reduzieren. Das „Delfinsicher“-Etikett des AIDCP-Delfinschutz-Zertifizierungssystems ist derzeit jedoch auf EU-Ebene noch nicht umgesetzt.13 EII - Delfinsicherer Tunfisch nach dem Earth Island Institute Das amerikanische „Earth Island Institute“ (EII) hat ein eigenes Delfinschutz-Label entwickelt. Als Teil dieses Programms rief das EII das „Internationale Tunfisch- Kontrollprogramm“ (Dolphin Safe International Monitoring Programme – DSIMP) ins Leben, das größte private Lebensmittel-Kontrollsystem der Welt. Tunfisch, der mit dem Delfinschutz-Zeichen des EII gekennzeichnet ist, muss u. a. folgende Anforderungen erfüllen: • kein absichtliches Jagen, Umkreisen oder Einfangen von Delfinen während der gesamten Tunfisch-Fangtour • kein versehentliches Töten oder ernstes Verletzen von Delfinen während des Auswerfens der Netze. Außerhalb des ETP überwacht das EII Fischerei-Schiffe; Zugang zu Beobachtungsprogrammen wird dem EII jedoch außerhalb des ETP nur auf einer Fall-Zu-Fall-Basis gewährt.14 Darüber hinaus verpflichten sich Unternehmen, die delfinsicheren Tunfisch erzeugen oder verarbeiten: • Verletzungen und Tötungen von Meeressäugern und anderen Nichtzielarten zu vermeiden; • ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, um Beifänge zu reduzieren, indem sie Netze oder Langleinen, in die anerkannte Methoden zur Beifangreduktion eingearbeitet wurden, verwenden und Nichtzielarten unverzüglich und unversehrt wieder aussetzen. 29 6. NACHHALTIGE MEERESPRODUKTE Ist „delfinsicher“ gefangener Tunfisch wirklich nachhaltig? Mit Hilfe des AIDCP-Abkommens konnte durch eine Veränderung der Fischerei-Techniken die Zahl der Delfintötungen durch die Ringwadenfischerei im ETP drastisch reduziert werden – von etwa 132.000 im Jahr 1986 auf weniger als 1.500 im Jahr 2003 (dies entspricht ca. 0,02 Prozent der Delfinpopulation im ETP).15 Es kommen jedoch noch immer Delfine ums Leben, wenn Ringwadennetze um Delfinschschulen herumgezogen werden, um Tunfische zu fangen. In ihrer jüngsten Entwicklung garantiert die „Delfinsicher“-Kennzeichnung nach dem AIDCP-Standard, dass der Tunfisch aus einer Fischerei stammt, die Teil eines rechtlich verbindlichen Förderprogramms für die kontinuierliche Verbesserung der nachhaltigsten Fischereipraktiken im ETP ist, und dass bei seinem Fang keine Delfine in den Netzen umgekommen sind. Diese Etikettierung garantiert jedoch weder, dass keine Delfine traumatisiert oder verletzt worden sind, noch, dass keine Delfine später an den Folgen ihres Traumas oder an ihren Verletzungen gestorben sind. Innerhalb des ETP stellt das Kontrollprogramm des EII sicher, dass VerbraucherInnen mit Tunfischprodukten versorgt werden, bei deren Fang keine Delfine gejagt oder getötet wurden. Dennoch treten beim Tunfischfang im tropischen Ostpazifik oft hohe Beifangraten an anderen Tierarten auf. Durch den Verlust dieser Tiere wurde der Unterwasserwelt dieser Region bereits erheblicher Schaden zugefügt. Wieder sind die Delfine Opfer, da sich in einem geschwächten Ökosystem höchstens kleine Populationen durchsetzen können. Außerhalb des ETP kann das EII lediglich die Rückverfolg- barkeit vom Fischereischiff bis zum Geschäft gewährleisten. Da sich die Zahl der Beobachter an Bord der Tunfisch-Fangschiffe jedoch sehr stark in Grenzen hält, kann es keine Garantie dafür geben, dass im Zuge der Fischerei keine Delfine verletzt oder getötet wurden. Zusammengefasst bedeutet das, dass es keine vollständige Lösung des Problems gibt: Werden Netze zum Tunfischfang auf Delfine gesetzt, so werden dabei Delfine gefährdet (nach wie vor besteht die Gefahr von Stress und/ oder Verletzung, mit möglicher Todesfolge). Dafür ist aber der Beifang an anderen Meerestierarten bei dieser Technik der Ringwadenfischerei verhältnismäßig gering. Werden die Netze hingegen direkt auf Tunfischschwärme gesetzt, so kommt es zu sehr hohen Beifangraten: Mit diesen Techniken werden 10 bis 1000 Mal mehr Nichtzielarten gefangen, vor allem junge Tunfische, die so genannten Billfish16 (wie z.B. Marline und Schwertfische), Haie und Schildkröten und mitunter sogar Delfine. Für endgültige Verwirrung sorgt, dass weder das Wort „delfinfreundlich“ noch „delfinsicher“ gegenwärtig in der EU definiert ist. Solange das „delfinsicher“-Etikett des AIDCPDelfinschutz-Zertifizierungssystems in der EU noch nicht umgesetzt ist, ist das EII-Label also das Einzige Label mit einer wirklichen Aussage. Zu beachten ist aber: Weder das Problem der dezimierten Tunfischbestände selbst, noch der hohe Beifang anderer Arten außer Delfinen ist beim EII-Label gelöst. Und auch in Bezug auf Delfine selbst verliert das EII-Zeichen seine Aussagefähigkeit, sobald der Fisch außerhalb des Tropischen Ostpazifik gefangen wurde. Woher ein Fisch aber stammt, ist aufgrund der lückenhaften Kennzeichnungsvorschriften für Dosenprodukte nicht nachvollziehbar. © Dorreboom/Greenpeace Bei allen anderen Labeln und Gütesiegeln außer dem EIILabel ist eine Aussagefähigkeit in der EU gegenwärtig nicht gegeben. www.greenpeace.at 6.2.2 Der „Marine Stewardship Council“ (MSC) Um Kaufentscheidungen für Konsumenten zu erleichtern, wäre es gut, ein glaubwürdiges Zertifikat zu haben, das nur für Fischprodukte gilt, die nach klaren Umwelt- und Sozialkriterien gefangen wurden. 1997 gründeten Unilever (einer der weltweit größten Verarbeiter von Fisch) und der WWF 30 6. NACHHALTIGE MEERESPRODUKTE eine Initiative für eine verantwortungsvolle Fischerei: den „Marine Stewardship Council“ (MSC).17 Der MSC ist inzwischen eine unabhängige, internationale Non-Profit-Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, durch einen handelsbasierten Ansatz die Fischerei-Management-Praktiken zu verbessern und Kunden mit der “ökologisch besten Wahl bei Fischen und Meeresfrüchten“ („The best environmental choice in seafood“) zu versorgen. Die MSC-Prinzipien für nachhaltige Fischerei sind folgende: • Prinzip 1: Der Zustand der Fischbestände Hier wird ermittelt, ob ausreichend Fisch für eine nachhaltige Fischerei vorhanden ist. • Prinzip 2: Die Auswirkungen der Fischerei auf die marine Umwelt Hier wird untersucht, wie sich das Fischen auf die unmittelbare maritime Umgebung, andere Fischarten, Meeressäugetiere und Seevögel auswirkt. Die Bewertung einer Fischerei wird durch unabhängige, vom MSC zur Bewertung von Fischereien autorisierte Organisationen durchgeführt. 2000 wurde als erste Fischerei die Westaustralische Steinhummer-Fischerei nach den MSCStandards zertifiziert. Inzwischen gibt es über 100 Produkte aus 12 Fischereien weltweit, die das MSC-Logo tragen, darunter die weltgrößte Fischerei auf Alaska-Seelachs im Golf von Alaska. Kritikpunkte von Umweltorganisationen Während Produzenten und Einzelhändler beträchtliches Interesse daran zeigen, das Label zu unterstützen, hat der MSC noch nicht bei allen Umweltorganisationen Glaubwürdigkeit erlangt. Die wichtigsten Vorbehalte beziehen sich auf die Transparenz und die Steuerung des MSC, sowie die Konsistenz und die Qualität der Fischerei-Zertifizierungen. Im Bezug auf die Steuerung wäre eine demokratischere Struktur des MSC, in der Interessensvertreter besser repräsentiert sind, von Nöten. Auch wäre es entscheidend, dass der MSC sich mehr auf Eingaben und Kritikpunkte von Umweltorganisationen einlässt. Am Zertifizierungsprogramm www.greenpeace.at © Philip Reynaers/Greenpeace • Prinzip 3: Die Managementsysteme der Fischerei Hier wird bewertet, ob die implementierten Regeln und Verfahren sowie die Art ihrer Implementierung eine nachhaltige Fischerei und eine minimale Beeinträchtigung der marinen Umwelt gewährleisten. wird kritisiert, dass es nicht durch Größe, Ausmaß, Art, Lage oder Intensität einer Fischerei beschränkt ist. Der wichtigste Kritikpunkt an der MSC-Zertifizierung ist jedoch, dass sie zu früh im Prozess vergeben wird. Die Zertifizierung wird an Fischereien vergeben, die einem ersten Set von Standards gerecht werden und die einen Aktionsplan verabschieden, um die Fischerei in der Zukunft zu verbessern. Damit wird das Vorsorgeprinzip nicht als Kerngedanke der ökologischen Fischerei anerkannt. Der MSC argumentiert, dass die Zertifizierung dazu führt, dass eine Fischerei nachhaltiger wird. Das Siegel soll jedoch sogar für Fisch aus bereits überfischten Beständen vergeben werden, wenn nur ein Erholungsprogramm für den betreffenden Fischbestand existiert. 31 6. NACHHALTIGE MEERESPRODUKTE Viele Umwelt-Organisationen bleiben skeptisch: Von den 12 Fischereien, die bis heute eine MSC-Zertifizierung erhalten haben, werden insbesondere die Hoki-Fischerei vor Neuseeland, die Alaska-Seelachs-Fischerei und die Südgeorgien-Fischerei auf Schwarzen Seehecht deutlich von Nicht-Regierungs-Organisationen verurteilt. So werden an der Zertifizierung des auch in Österreich verkauften Hoki insbesondere folgende Punkte kritisiert: • Der Beifang an Robben, Albatrossen, Sturmvögeln und Haien, darunter eine Reihe bedrohter Arten • Das Management zweier verschiedener Fischbestände unter einer Quote • Der Niedergang des westlichen Bestandes • Das Fehlen eines Managementplanes • Der Schaden, der den Lebensräumen am Meereboden durch die Grundschleppnetzfischerei zugefügt wird. © Grace/Greenpeace Der MSC geht derzeit durch einen Revisionsprozess im Bezug auf seine Steuerung und Transparenz, sowie die Qualität und Konsistenz seiner Zertifizierungen. Auch die ökologische Performance, die finanzielle Stabilität und das potentielle Wachstum werden dabei überprüft.18 Die zukünftige Ausrichtung des MSC ist wichtig für die, die nachhaltige Fischereipraktiken fördern. Während eine Reihe von Umweltorganisationen, wie auch Greenpeace, die MSC-Zertifizierung bislang nicht unterstützen, arbeitet sie mit dem MSC bei seiner Reform zusammen. Dieses geschieht in der Hoffnung, ein stärkeres, breiter akzeptiertes Gütesiegel für nachhaltige Meeresprodukte zu schaffen. Es soll Konsumenten ermöglichen, sich für tatsächlich nachhaltig produzierten Fisch zu entscheiden. www.greenpeace.at 6.2.3 Wildgefangener „Bio“-Meeresfisch In einigen Biogeschäften werden Meeresfisch-Produkte angeboten. Teilweise sind sie als ‚Bio’-Produkt ausgezeichnet, teilweise wird darauf hingewiesen, die Zutaten seien aus ‚kontrolliert biologischem Anbau’, teilweise wird der Begriff gar nicht erwähnt. Fest steht: Bio-Meeresfisch aus Wildfang gibt es nicht. In Fachmedien wird dies immer wieder betont: „Bio-Wildfisch gibt‘s nicht! ‚Bio’ bezieht sich auf eine vom Menschen gesteuerte Produktion im geschlossenen Nährstoffkreislauf. Wildprodukte z.B. aus Fischfang sind nicht bio-zertifizierbar. Die Kundschaft weiß das kaum, clevere Anbieter nützen es aus.“ 19 Ein anderes Fachmedium betont zwar, bei Naturkostherstellern kämen Wildfisch wie Makrele, Sardine und Hering „nur in die Dose oder ins Glas, wenn bestimmte selbst auferlegte Bedingungen erfüllt sind. Verschmutzte und überfischte Gewässer sind laut Hersteller tabu. Empfohlene Fangquoten würden eingehalten, rüde Fangmethoden vermieden. Je nach Anbieter würden die Fänge auch auf Rückstände kontrolliert.“ 20 Es bleibt jedoch die Frage, wer hier was genau kontrolliert. Und: Wenn es ausreicht „empfohlene Fangquoten“ einzuhalten, um Teil eines Bioproduktes zu sein, nach welchen Fangquoten sollen dann konventionelle Produkte gefischt sein? Durch den Verkauf von Wildfischprodukten in Bioländen kann beim Konsumenten aber die irrige Annahme entstehen, es handle sich dabei um echten Biofisch. Die deutsche „Fontaine Nahrungsmittel GmbH“21 bietet z.B. eine breite Palette an Tunfisch-Produkten an, bedruckt mit dem Hinweis „Bester Atlantik Wildfisch“. Die atlantischen Tunfischbestände sind bereits seit langem überfischt. Nachfragen beim Hersteller ergeben, dass nur Fisch eingekauft werde, der den Kriterien des „Earth Island Institutes“ entspreche. Diese beziehen sich jedoch nur auf den Beifang von Delfinen. Nicht jedoch auf anderen Beifang (Haie, Schildkröten, Meeresvögel) oder gar auf die Tunfischbestände selbst (Infos dazu auch in Kapitel 6.2.1). Zusätzlich sind auch eklatante Fehldeklarationen an der Tagesordnung. Die EU-Bioverordnung VO (EWG) 2092/91 führt im Anhang VI/C erlaubte konventionelle landwirtschaftliche Zutaten an, die nicht ökologisch erzeugt wurden. Darunter 32 6. NACHHALTIGE MEERESPRODUKTE sind auch nicht aus Aquakultur stammende „Wassertiere“ genannt, die für die Herstellung verwendet werden dürfen. Nur Erzeugnisse, die erlaubte konventionelle Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs bis zu maximal 30 Prozent enthalten, dürfen unter speziellen Vorgaben als Bio-Produkte vermarktet oder beworben werden (Wasser und Salz gelten nicht als landwirtschaftliche Zutaten). Alle anderen Produkte dürfen keine Bio-Hinweise tragen oder als “Bio-Produkte” beworben werden - dies würde eine Täuschung für den Konsumenten darstellen und ist strafbar. Deshalb darf beispielsweise ein Produkt, das 75 Prozent konventionell gefangenen Fisch enthält und zu weniger als 25 Prozent landwirtschaftliche Zutaten aus biologischem Anbau beinhaltet, nach EU-Recht keine Kennzeichnung einzelner Zutaten als „aus kontrolliert biologischem Anbau“ enthalten. Dieses ist erst ab einem Bio-Anteil landwirtschaftlicher Zutaten von 70 Prozent erlaubt. Hier muss dann genau angegeben werden, wie viel Prozent Bio-Anteil landwirtschaftlicher Zutaten und wie viel Prozent konventioneller Anteil landwirtschaftlicher Zutaten in dem Produkt stecken. Erst ab einem Anteil landwirtschaftlicher Bio-Zutaten von 95 Prozent darf ein Produkt voll und ganz als Bio-Produkt bezeichnet werden. Es kommen keine weiteren Deklarationsvorschriften zum Tragen. Dass die Firma Fontaine Produkte wie Sardinen, Tunfisch, Makrelen und Heringe anbietet, bei denen auf der Vorderseite groß zu lesen ist „*aus kontrolliert biologischem Anbau“ - womit das Öl, in das der Fisch eingelegt ist oder die Panade, die den Fisch umgibt, gemeint ist - entspricht klarerweise nicht den EU-Vorschriften. kutieren. Ein erster Schritt in die richtige Richtung. Bio-Kriterien für wildgefangenen Fisch wird es jedoch wahrscheinlich niemals geben. 6.3 Aquakultur Über ein Viertel der globalen Fischerei-Erträge stammt heute schon aus Käfigen und Teichen. Die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) erwartet, dass im Jahre 2030 mehr als die Hälfte aller Speisefische aus Zuchtanlagen kommen. Mittlerweile gibt es Süß- und Salzwasserfische, Schalentiere, Muscheln und auch Algen aus Aquakultur. In der marinen Aquakultur werden Salzwasserarten in landbasierten Teichen und Tanks gezüchtet, in Käfigen oder Netzen im Meer oder an anderen Strukturen sowie Seilen für Muscheln. Aquakultur wird von Industrie und Politik gerne als die Lösung der Fischereikrise dargestellt. Für Einzelhändler ist sie wegen des stetigen, billigen Warenflusses interessant. Leider verschärfen die meisten Formen von Aquakultur jedoch das Problem der Überfischung. Mit Ausnahme weniger herbivorer (pflanzenfressender) Fischarten ist nämlich die Bereitstellung von proteinhaltigem Futter für die Aufzucht der Fische und Krustentiere erforderlich. 6.3.1 Lachszucht In der Lachszucht werden riesige Mengen an Fischen in beengten, voneinander abgeteilten schwimmenden Netzgehegen gehalten. Eine typische Lachsfarm kann bis zu www.greenpeace.at © Reeve/Greenpeace Ein anderer Fall sind die Bio-Lachs-Produkte, die Fontaine in Form von Konserven oder gekühlt anbietet. Dass diese Fische aus (Bio-)Aquakultur stammen, ist aufgrund der Pakkungsaufschrift jedoch bestenfalls zu erraten (weitere Informationen zur Bio-Aquakultur in Kapitel 6.3.4). Weil die Bezeichnung Bio-Fisch bei Wildfängen für Konsumenten irreführend ist, solange dafür keine Standards definiert wurden, untersagte Kalifornien 2005 die Verwendung dieses Begriffs, bis dafür Kriterien definiert werden. Unter anderem deshalb, weil wild gefangener Fisch hohe Belastungen mit Quecksilber oder chlorierten chemischen Verbindungen aufweisen kann.22 Die EU hat sich 2005 dazu durchgerungen, über Kriterien für Ökolabel bei Fisch zu dis- 33 6. NACHHALTIGE MEERESPRODUKTE Wie bei allen Formen von Massentierhaltung, bei der eine große Anzahl von Tieren auf verhältnismäßig engem Raum gehalten wird, breiten sich auch in der Lachszucht sehr leicht Krankheiten aus. Es ist üblich, regelmäßig Antibiotika in das Futter von Zuchtlachsen zu mischen. Das führt letztlich zu Antibiotika-resistenten Bakterien im Boden unter den Netzgehegen. Diese Bakterien stellen wiederum für die menschlichen Konsumenten und das an die Zuchtanlagen angrenzende Ökosystem ein Risiko dar. Normalerweise befinden sich die Fischfarmen in der Nähe schnell fließender Gewässer an Flussmündungen und abgeschlossenen Buchten; dadurch werden giftige Fäkalien, nicht gefressene Fischmehlpellets, Fischläuse, tote Fische, entwichene nichtheimische Fischarten sowie chemische und antibiotische Rückstände im gesamten Ökosystem des Mündungsgebiets verteilt. Eine typische Lachsfarm mit 200.000 Fischen produziert etwa die gleiche Fäkalienmenge wie eine Stadt mit 62.000 Einwohnern. Die Freisetzung dieses Giftcocktails aus den Lachsfarmen in die umliegenden Gewässer bedroht kleinere, heimische Lachsarten sowie die Raubfische, die von ihnen leben. Fraglich ist auch die Zukunft von Kommunen, die in der Nachbarschaft von Fischfarmen nachhaltigen Fischfang praktizieren wollen und auf saubere und gesunde Ozeane angewiesen sind. 6.3.2 Tunfischzucht Eine neue industrielle Technik hat sich zu einer weiteren Bedrohung des ohnehin massiv gefährdeten Mittelmeer-Tunfisches entwickelt: Der Fang, der Transport und die Mast von Tunfischen in Käfigen. In den letzten Jahren hat sich die Mittelmeerküste rasant in einen Tunfisch-Mastbetrieb verwandelt. Für die Käfigmast müssen zahllose juvenile Tunfische aus Wildbeständen entnommen werden. Für die Internationale Kommission zur Erhaltung der Tunfisch-Bestände im Atlantik (ICCAT) haben sich dadurch die Management-Probleme www.greenpeace.at © Greenpeace einem Dutzend Netzgehege haben, die jeweils mit bis zu 15.000 Fischen besetzt sind. Um ein Kilogramm Lachs zu erzeugen, müssen drei Kilogramm Fettfisch - z.B. Hering, Sandaal, Sardine oder Makrele - verfüttert werden. Schwertwale, Delfine, Seehunde und Seelöwen - einst häufig in den Buchten und Mündungen ihrer angestammten Territorien in Britisch-Kolumbien, Kanada und Chile - werden heutzutage von den Lachsfarmern erschossen, mit Fallen gefangen, ausgehungert oder verscheucht. noch verschlimmert. Es ist zurzeit unbekannt, wie hoch die Zahlen für im Mittelmeer gefangenen Blauflossen-Tunfisch genau sind. Dass die Fangzahlen weit über der zulässigen Gesamtfangmenge liegen, gilt jedoch als sicher. Industrielle Fangschiffe mit Ringwaden und Schleppnetzen durchkämmen das gesamte Gebiet auf der Suche nach Tunfisch. Unterstützt werden sie dabei von Flugzeugen und Hubschraubern, die die letzten Tunfisch-Schwärme zielgenau aufspüren. Tunfisch-Farmen sind äußerst gewinnbringend und zielen auf den japanischen Markt ab. Statt die Fangaktivitäten zu reduzieren und so zur Erholung der Tunfisch-Bestände beizutragen, haben schnelle Profite der Tunfisch-Fischerei noch mehr Geld eingebracht. Damit werden neue und noch größere Fangschiffe, Lagerhallen und sogar Flughäfen für den Tunfisch-Export finanziert. Die Regierungen haben diese Projekte immer großzügig unterstützt: Seit 1997 hat die Europäische Union Subventionen in Höhe von etwa 28,5 Millionen Euro gezahlt; hinzukommen Großinvestitionen aus Japan und Australien. Für die Fütterung der in Käfigen gehaltenen Tunfische sind beträchtliche Mengen an Proteinen erforderlich. Auf ein Kilogramm Tunfisch kommen dabei bis zu 20 Kilogramm Futterfisch. Schätzungsweise 225.000 Tonnen Futterfisch werden jährlich im Mittelmeer verteilt. Der meiste, dafür verwendete Fisch stammt aus Westafrika, dem Nordatlantik und Amerika. Doch das Abfischen von Fischarten wie Sandaal, Anchovis und Sardinen als Fischfutter reduziert nicht nur deren Bestände, sondern wirkt sich auch negativ auf die Bestän- 34 6. NACHHALTIGE MEERESPRODUKTE de von Arten wie Kabeljau, Robben und Seevögeln aus, die sich von diesen Fischarten ernähren. 6.3.3 Shrimpszucht In den letzten Jahrzehnten wurden für die Anlage von Shrimps-Aquakulturen rücksichtslos tropische Küstenlandschaften zerstört. Besonders betroffen sind dabei Mangrovenwälder - Gezeitenwälder im Bereich zwischen Ebbe und Flut. Sie werden mit Bulldozern niedergewalzt, um Platz für Shrimpsfarmen zu schaffen. Mangroven sind die Urwälder der Küsten und dienen unzähligen Arten als Lebensraum. Sie sind nicht nur ein wichtiger Küstenschutz gegen Stürme und Flutwellen, sondern auch Fortpflanzungsgebiet und Kinderstube für viele Fischarten, Schalentiere und andere wildlebende Tiere. Die Shrimps-Industrie vernichtet diese Artenvielfalt und verwandelt fruchtbare Küsten in vergiftete Wüstenlandschaften. Auf den Mangrovenkahlschlag folgt die Erosion der Küsten. Die in der Zucht verwendeten Shrimpslarven werden meist im Meer gefangen. Dabei werden für eine gefangene Shrimpslarve 40 bis 50 Larven anderer Meerestiere gezielt mit Gift getötet. Mit dem Verschwinden der Feuchtgebiete gehen deshalb auch die Fischfänge zurück. Darüber hinaus haben auch Shrimps einen unersättlichen Appetit: Um ein Kilogramm Shrimps zu züchten, werden etwa vier Kilogramm Fischmehl benötigt. © Clive Shirley/Greenpeace Um Krankheiten zu verhindern, werden die Shrimps mit diversen Medikamenten behandelt. Auch in Österreich konnten Rückstände von Antibiotika in Zuchtshrimpsprodukten nachgewiesen werden – beispielsweise im Jahr 2001 durch www.greenpeace.at Greenpeace-Untersuchungen. Doch damit nicht genug: Die Teiche werden ebenfalls mit hochgiftigen Pestiziden wie Malathion, Parathion und Paraquat gespritzt. Das belastete Wasser aus den Becken wird gewöhnlich in die Landschaft und in die umliegenden Gewässer entleert, wo es Menschen und Tiere schädigt. Gemeinsam mit den nun aufgrund der Zerstörung der Mangroven ungebremst durch die Flüsse herantransportierten Sedimenten richten die Abwässer Korallenriffe und Seegraswiesen zugrunde. Shrimpsfarmen werden nach nur drei bis fünf Jahren aufgegeben. Zurück bleibt eine verwüstete Landschaft, die einst ein fruchtbares Küstenökosystem war. Anfang der 70er Jahre gab es weltweit noch rund 160.000 Quadratkilometer Mangrovenwälder. Diese Fläche ist mittlerweile auf etwa die Hälfte zusammengeschrumpft. Der wesentliche Grund dafür: Die wuchernde Shrimpszucht-Industrie. 6.3.4 Bio-Aquakultur Das Ziel von Öko-Aquakulturen ist eine umweltfreundliche und artgerechte Fischzucht. Noch gibt es keine einheitlichen EU-Richtlinien zur ökologischen Fischzucht, deshalb folgen viele Betriebe den Richtlinien anerkannter Bioverbände. Doch einige Länder haben nationale BioaquakulturStandards entwickelt z.B. Österreich, Frankreich und Dänemark. In Österreich ist die „ARGE Biofisch“ eine Initiative österreichischer Teichwirte, die Fische nach den Richtlinien von Bio-Austria züchtet.23 Erhältlich sind Karpfen, Forelle, Saibling, Rotauge, Wels, Hecht und Schleie. Weiters ist in Österreich auch Bio-Fisch erhältlich, der nach den Richtlinien anderer europäischer Verbände (Naturland, Soil-Association, AB–Frankreich etc.) gezüchtet wurde z.B. Lachs und Dorade (Wolfsbarsch). Die Besatzdichten sind in der Ökoaquakultur wesentlich geringer als in der konventionellen Aquakultur. Es werden möglichst heimische Arten gehalten. Als Umgebung während der Aufzucht werden in Österreich nur naturnahe Erdteiche akzeptiert, wogegen im Ausland auch Plastikteiche oder Plastikbecken eingesetzt werden. Das Futter soll aus Öko-Landbau stammen. Je nach Fischart ist es aber erforderlich, als Futter u. a. Fischmehl einzusetzen. Die Richtlinien einiger Bioverbände sehen vor, dass 35 6. NACHHALTIGE MEERESPRODUKTE dieses aus Resten der Fischverarbeitung stammen muss. Andere betrachten eine Fischmehlproduktion aus extra dafür gefangenen Fischen als mit den Grundprinzipien des Biolandbaues vereinbar. Gentechnik und vorbeugende Medikamentengaben sind dagegen tabu. Aber auch bei der Bio-Aquakultur gibt es in der Praxis noch Probleme. So ist es schwierig, optimales Futter für Forellen und Lachse zu produzieren. Shrimps-Zuchten auch nach Bio-Kriterien - bewertet Greenpeace generell äußerst kritisch. 1 Durchgeführt vom Londoner Meinungsforschungsinstitutes RSM unter 1.207 Verbrauchern, Supermarktchefs, Köchen und Restaurantbetreibern aus Deutschland, England und Spanien. 2 FAOCode of Conduct for responsible fisheries. 1995.. http://www.fao.org/documents/show_cdr.asp?url_file=/DOCREP/005/v9878e/v9878e00.htm. Zugriff Mai 2006. 3 EU-Kommission (2001). Verordnung (EG) Nr. 2065/2001 der Kommission vom 22. Oktober 2001 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 104/2000 des Rates hinsichtlich der Verbraucherinformation bei Erzeugnissen der Fischerei und der Aquakultur. Amtsblatt der Europäischen Ge meinschaften L278: 6-8. Zugriff: Sept. 2005 unter: http://europa.eu.int/eur-lex/pri/en/oj/dat/2001/l_278/l_27820011023en00060008.pdf (Auf Deutsch abrufbar unter: http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/2001/l_278/l_27820011023de00060008.pdf, Anm. d. Übers.) 4 EU-Kommission (1999). Verordnung (EG) Nr. 104/2000 des Rates vom 17. Dezember 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Erze nisse der Fischerei und der Aquakultur. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L17: 22-52. Zugriff: Sept. 2005 unter http://europa.eu.int/eurlex/pri/en/oj/dat/2000/l_017/l_01720000121en00220052.pdf (Auf Deutsch abrufbar unter: http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/2000/l_017/ l_01720000121de00220052.pdf, Anm. de. Übers.) 5 EU-Kommission (2003): Richtlinie 2003/89/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. November 2003 zur Änderung der Richtlinie 2000/13/EG hinsichtlich der Angabe der in Lebensmitteln enthaltenen Zutaten. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L308: 15-18. Zugriff: Sept. 2005 unter: http://europa.eu.int/eur-lex/pri/en/oj/dat/2003/l_308/l_30820031125en00150018.pdf (Auf Deutsch abrufbar unter: http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/2003/l_308/l_30820031125de00150018.pdf) 6 TraceFish (2005). TraceFish website. Tromso, Norwegen: TraceFish. Zugriff: Sept. 2005 unter: www.tracefish.org 7 EAN International (2002). Traceability of fish guidelines. Brüssel, Belgien: European Article Numbering (EAN) International. Zugriff: Sept. 2005 unter: www.ean-int.org/agro_food_fish.html 8 Consumers International (2004): „Green Food Claims“ 9 Über ähnliche Symbiosen zwischen Delfinen und Thunfischen in anderen Ozeanen ist bislang wenig bekannt. Die Auswirkungen des Fangs von Tunfischen auf Delfine in anderen Meeren können jedoch ebenfalls signifikant sein. 10 WDCS (2005). Campaigns: Clean and healthy seas: Fisheries - The trouble with nets. Website der WDCS. Chippenham, GB: Whale and Dolphin Con servation Society. Zugriff: Sept. 2005 unter: www.wdcs.org/dan/publishing.nsf/allweb/E2E81EE0B11C71F480256E1B003F367B 11 IATTC (2004). Annual report of the Inter-American Tropical Tuna Commission, 2003. La Jolla, CA, USA: Inter-American Tropical Tuna Commission. Zugriff: Sep. 2005 unter: www.iattc.org/PDFFiles2/IATTC_Annual_Report_2003ENG.pdf 12 IATTC (2005). Website der IATTC. La Jolla, CA, USA: Inter-American Tropical Tuna Commission. Zugriff: Sept. 2005 unter: www.iattc.org/HomeENG.htm 13 Kommission der Europäischen Gemeinschaften (5.6.2005): Mitteilung der Kommission an den Rat, das europäische Parlament und den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss. Einleitung einer Diskussion über ein Gemeinschaftsregelung für Fischerei-Umweltsiegel. SEK(2005)840. 14 Persönliche Kommunikation von Greenpeace UK mit Mark Palmer, Stellvertretender Direktor, International Marine Mammal Project, Earth Island Institute, vom 24. Aug. 2005. 15 IATTC (2005). AIDCP dolphin safe. Website der IATTC. La Jolla, CA, USA: Inter-American Tropical Tuna Commission (IATTC). Zugriff: Sept. 2005 unter: www.iattc.org/DolphinSafeENG.htm 16 Familie der Fächerfische (Anm. d. Übers.) 17 www.msc.org 18 MSC (2005) Briefing: MSC’s progress on the „Reform Agenda“, May 2005. London, UK: Marine Stewartship Council. 19 www.fair-fish.ch 20 http://www.schrotundkorn.de/2001/sk0105e2.htm 21 www.fontaine-nahrungsmittel.de, [email protected] 22 www.organicconsumers.org/organic/fish043004.cfm 23 www.biofisch.at www.greenpeace.at 36 7. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE AUF DEM PRÜFSTAND © Germain/Greenpeace 7. Die Fischeinkaufspolitik österreichischer Supermärkte auf dem Prüfstand 7.1 Die Rangliste Es ist keine leichte Aufgabe, Österreichs Super- und Großmärkte hinsichtlich der Nachhaltigkeit ihrer Fischeinkaufspolitik zu reihen. Zum einen besteht ein Unwille, sich bezüglich der Fischeinkaufspolitik in die Karten schauen zu lassen – viele Unternehmen erachteten es nicht als notwendig, den Greenpeace-Fragebogen zu beantworten. Zum anderen herrscht auch ein allgemeiner Mangel an öffentlich zugänglicher Information über die angewandten Fischeinkaufspraktiken. Auch ist Greenpeace auf Unwillen oder Unfähigkeit gestoßen, weitere Details oder Beweise zu liefern, aus denen hervorgeht, dass eine behauptete Policy tatsächlich in die Praxis umgesetzt wird. Ist ein Supermarkt, der einerseits von sich behauptet, Initiativen zur Nachhaltigkeit zu unterstützen, andererseits aber trotzdem eine breite Palette von Fisch & Meeresfrüchten aus nicht nachhaltigen Quellen vertreibt, „schlechter“ als ein Supermarkt, der keine klare Policy verfolgt, aber nur eine beschränkte Auswahl der meistverkauften Fische anbietet? Für jede Kategorie wurden von 0 bis 5 Punkte vergeben. Bei einer abschließenden Gesamtbewertung wurden die Punktzahlen aller Kategorien zusammengezählt (maximal 20 Punkte). Kategorie 1-3 0 - Keine 1 - Kaum 2 - Wenig 3 - Mittel 4 - Gut 5 - Ausführlich Kategorie 4 0 - Mehr als 12 der katastrophalen Fischarten werden verkauft 1 - 10-12 2 - 7-9 3 - 4-6 4 - 1-3 5 - Keine der katastrophalen Fischarten wird verkauft Mit dieser Frage im Hintergrund erstellte Greenpeace eine Rangliste (Tabelle 7.1.). Zur Vergleichbarkeit wurde die Bewertung der britischen Supermarktkette „Marks & Spencer“ aus dem Bericht „A Recipe for Disaster“ von Greenpeace Großbritannien mit aufgenommen.1 Die Nachhaltigkeitspolitik von „Marks & Spencer“ in Bezug auf Fische & Meeresfrüchte wurde in Kapitel 5 erläutert. Die Bewertung erfolgt in vier Kategorien: 1. Fischeinkaufspolitik 2. Unterstützung und Förderung von Initiativen zur Nachhaltigkeit 3. Kennzeichnungspolitik und Bewerbung nachhaltiger Produkte 4. Anzahl der verkauften Arten, die im Greenpeace Fischführer „Fisch & Facts 2006“ mit „katastrophal“ bewertet wurden oder gleichwertig waren. www.greenpeace.at 38 7. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE AUF DEM PRÜFSTAND Tabelle 7.1 Rangliste österreichischer Super- und Großmärkte hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitspolitik für Fische & Meeresfrüchte KATEGORIE Fischeinkaufs- Unterstützung nachhaltiger politik Initiativen UNTERNEHMEN Kennzeichnung und Bewerbung nachhaltiger Produkte Verkauf „katastrophaler“ Fischarten GESAMTPUNKTE (maximal 20) Marks & Spencer 5 5 4 3 17 Lidl Austria GmbH 2 1 1 4 8 MPreis Warenvertriebs GmbH 1 1 1 2 5 Norma GmbH & Co KG 0 0 0 3 Hofer KG 0 0 0 3 3 3 Sutterlüty Handels Gmbh 0 0 0 3 3 Zielpunkt Warenhandel Gmbh &Co KG (Zielpunkt, Plus) 1 0 0 2 3 Rewe Austria AG (Merkur, Billa, Pennymarkt ehem. Mondo) 1 0 2 0 3 Spar Österreich Warenhandels AG (Spar, Eurospar, Interspar, Spar Gourmet) 0 1 0 1 2 Metro Cash & Carry Österreich 1 0 1 0 2 Julius Kiennast (Nah & Frisch) 0 0 0 2 2 Maximarkt HandelsGesellschaft m.b.H. 0 0 0 2 2 Firmengruppe Kastner (Kastner, Nah & Frisch) 0 0 0 1 1 Pfeiffer Handels GmbH (Nah & Frisch, Unimarkt, C+C Pfeifer, Pro Kaufland) 0 0 0 1 1 Handelshaus Wedl (Nah & Frisch, C+C Wedl, Wedl & Dick) 0 0 0 0 0 ADEG Österreich AG (ADEG, AGM, Edeka, E-Center) 0 0 0 0 0 Fisch illustration.Thunfisch © Sonia Schadwinkel/Greenpeace www.greenpeace.at 39 7. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE AUF DEM PRÜFSTAND Viktoriabarsch Tunfisch/ Bonito Shrimps/ Kaisergranat Seezunge Seehecht Schwertfisch Scholle Schellfisch Rotbarsch Neuseel. St. Petersfisch Atlantischer Lachs Kabeljau/ Dorsch Hoki (Neuseeländischer Langschwanz-Seehecht) KATASTROPHALE” FISCHARTEN Heilbutt “ Dornhai und andere Haie Tabelle 7.2: Welcher „katastrophale“ Fisch wird in österreichischen Super- und Großmärkten angeboten? SUPERMÄRKTE IN ÖSTERREICH ADEG Österreich AG (ADEG, AGM, Edeka, E-Center) Summe x x Metro Cash & Carry Österreich x x Rewe Austria AG (Merkur, Billa, Pennymarkt ehem. Mondo) x x Handelshaus Wedl (Nah & Frisch, C+C Wedl, Wedl & Dick) x x x x x x x x x x x x x x x x x Spar Österreich Warenhandels AG (Spar, Eurospar, Interspar, Spar Gourmet) x x x x Pfeiffer Handels GmbH (Nah & Frisch, Unimarkt, C+C Pfeifer,Pro Kaufland) x x x x MPreis Warenvertriebs GmbH x x x x x x x x x x x x x x x Zielpunkt Warenhandel Gmbh & Co KG (Zielpunkt/ Plus) x x x x x x x Firmengruppe Kastner (Kastner, Nah & Frisch) x x Maximarkt Handels-Gesellschaft m.b.H. Julius Kiennast (Nah & Frisch) Norma Gmbh & Co KG Hofer KG Sutterlüty Handels GmbH Lidl Austria GmbH x x x x x2 x2 x x x x x x x x x x x x x x 15 x x x x x x x x 13 x x x x x x x x 13 x x2 x x x x x 12 x x x x 10 x x x x x x x x x x 10 x x x x x x x x x3 x x x x x x x x x x x x x x x x x x 13 9 9 8 8 6 5 5 3 Fisch Illustration.Dornhai. © Sonia Schadwinkel/Greenpeace Tabelle 7.2 zeigt welche der „katastrophalen“ Fischarten von welchen österreichischen Lebensmittelhandelsunternehmen vertrieben werden. Die Liste verdeutlicht, dass zahlreiche „katastrophale Arten“ bedenkenlos von vielen Supermärkten und Großhandelshäusern angeboten werden. Nur wenige Supermärkte haben eine eingeschränkte Palette bedrohter Fischarten. Ein österreichischer Supermarkt, der zur Gänze auf die von Greenpeace als ‚katastrophal’ eingestuften Fischarten verzichtet, existiert nicht. Aus Tabelle 7.1 wird deutlich, dass nur wenige Unternehmen sich bislang mit dem Thema Fischeinkaufspolitik auseinander gesetzt haben. Auf den letzten Rängen der Tabelle www.greenpeace.at sind ADEG und Wedl zu finden. ADEG vertreibt die gesamte Palette an „katastrophal“ eingestuftem Fisch und gab keine Informationen über eine etwaige Fischeinkaufspolitik. Auch Wedl verkauft die meisten der untersuchten Arten und übermittelte keine Informationen zum Thema Fischeinkauf. Dies lässt den Schluss zu, dass beide Unternehmen sich mit nachhaltigem Fischeinkauf bislang nicht beschäftigt haben. Im mittleren Bereich der Tabelle liegen Unternehmen wie Rewe, Metro und Spar. Insbesondere die ersten beiden bieten eine große Anzahl „katastrophaler“ Fischartenan, es finden aber bei allen drei Unternehmen erste vorsichtige Überlegungen in Richtung nachhaltiger Fischeinkaufspolitik statt. 40 Zur Tabellenspitze hin folgen Unternehmen, die nur ein sehr geringes Fischangebot haben und sich anscheinend trotzdem nicht mit Nachhaltigkeit in Sachen Fisch befassen An erster Stelle steht Lidl, gefolgt von MPreis. Beides Unternehmen, die den Vorabentwurf des Berichtes zum Anlass nahmen, ihre Einkaufspolitik zu überdenken. Insbesondere Lidl hat sich zu weit reichenden Schritten in Bezug auf seine Fischpalette entschlossen. Mehrere Arten wurden ausgelistet, dafür nachhaltigere Arten in das Angebot aufgenommen. Damit verfügt Lidl in Österreich über die derzeit nachhaltigste Fischeinkaufspolitik im Lebensmittelhandel. Nun wird es bei Lidl darauf ankommen, den beschrittenen Weg zu Ende zu gehen, weitere Maßnahmen zu setzen und die unternommenen Schritte auch öffentlich zu kommunizieren und nachvollziehbar zu machen. Für die meisten anderen wird es darum gehen, schnellstmöglich einen Prozess des Umdenkens einzuleiten, um zu einer nachhaltigen Fischeinkaufspolitik zu gelangen. 7.2 Schritte in die Zukunft KonsumentInnen, die verhindern wollen, dass sich ihr Kaufverhalten negativ auf das Ökosystem Meer und die Fischbestände auswirkt, haben derzeit drei Möglichkeiten: • Sie kaufen im Supermarkt ihres Vertrauens ein und gehen davon aus, dass dort nur nachhaltiger Fisch ange boten wird • Sie vertrauen auf ihr eigenes Wissen über nachhaltigen Fisch, ziehen einen Fischführer wie „Fisch & Facts“ zu Rate und kaufen nur jene Fischprodukte, bei denen sie sicher sein können, dass sie nachhaltig sind. • Sie hören auf, Fisch zu essen. Die erste Option ist in Österreich zurzeit keinem Konsumenten mit gutem Gewissen zu empfehlen. Selbst bei den Handelshäusern, wo am wenigsten Gefahr besteht, zu einer bedrohten Fischart zu greifen, liegen überfischte Arten wie Scholle, Lachs und Tunfisch in den Regalen. KonsumentInnen, die sich für die zweite Option entscheiden, sollten über ein fundiertes Wissen auf dem Gebiet der Fischereiproblematik verfügen und/ oder immer einen Fischeinkaufsführer zur Hand haben. Aber selbst wenn sie diese Voraussetzungen erfüllen, kann sie der Mangel an Informationen zu Herkunft, Fangmethoden und Beständen daran hindern, die richtige Kaufentscheidung zugunsten der Nachhaltigkeit zu treffen. www.greenpeace.at © NMRS/NOAA 7. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE AUF DEM PRÜFSTAND Unter Berücksichtigung dieser Tatsache ist die dritte Option zweifellos der einfachste Schritt, um die Fischbestände zu schonen - allerdings ist diese Methode nicht unbedingt die genussvollste. Das gilt vor allem für jene Menschen, die sich aus ethischen oder gesundheitlichen Gründen bereits einer eingeschränkten Ernährungsweise verschrieben haben. Die Nachhaltigkeit von Fischen und Meeresfrüchten entwickelt sich zunehmend zu einem Thema von hohem politischem Profil. Supermärkte, die die Bedürfnisse ihrer Kunden ernst nehmen, müssen Maßnahmen zur Entwicklung einer transparenten Fischeinkaufspolitik ergreifen und klare ökologische Qualitätsziele als Grundlage für eine nachhaltigere Fischerei erarbeiten und umsetzen. Letztendlich haben KonsumentInnen das Recht zu wissen, was sie kaufen. Deshalb sollte die Kennzeichnung von allen - frischen und verarbeiteten - Fischprodukten als Mindestanforderung folgende Angaben enthalten: • Handelsname und wissenschaftlicher Name der Fischart • Bezeichnung des Bestandes, dem die Tiere entnommen wurden, bzw. Aquakultur- oder Zuchtbetrieb, aus dem sie stammen • verwendete Fang- bzw. Erntemethode Die FischeinkäuferInnen der Supermärkte, die sich mit der Frage der Herkunft eines Fisches auseinandersetzen, sollten auch für Fragen der Nachhaltigkeit sensibilisiert und geschult sein und besser mit den Praktiken und Hintergründen der Fischindustrie vertraut gemacht werden. Sie müssen lernen, was nachhaltige Fischerei und Produktion in der konkreten Definition der Welternährungsorganisation (FAO)4 ausmacht, und begreifen, dass die derzeitigen FischereiManagement- und Quoten-Systeme oft weit davon entfernt sind, dieser Definition zu entsprechen. 41 7. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE AUF DEM PRÜFSTAND Tabelle 7.3: Modell einer nachhaltigen Fisch-Einkaufspolitik Allgemeine Erklärungen [Supermarkt] nimmt zur Kenntnis, dass die weltweiten Speisefischbestände derzeit nicht nachhaltig bewirtschaftet werden, und dass Supermärkte geeignete Maßnahmen ergreifen können und müssen, die dazu beitragen, diese Tendenz umzukehren. [Supermarkt] nimmt zur Kenntnis, dass umfassende Policies für eine nachhaltige Fisch- und Meeresfrüchte-Produktion ausgearbeitet und umgesetzt werden müssen, wenn Supermärkte weiterhin den Anspruch erheben möchten, Lebensmittel anzubieten, die von vielen als Grundlage für eine gesunde Ernährungsweise angesehen werden. [Supermarkt] bestätigt, dass von ihm gehandelter Fisch & Meeresfrüchte aus nachhaltiger Fischerei und Produktion und unter keine der folgenden vier Kategorien fällt: • Fische aus überfischten Beständen und/ oder Beständen, die von der World Conservation Union (IUCN) als gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht eingestuft werden und/ oder Bestände, von denen nur unzureichende Daten vorliegen • Produkte von Arten, die auf eine Nutzung besonders empfindlich reagieren • Produkte aus unzureichend kontrollierten und unregulierten Fängen • Fische, die mit Methoden gefangen werden, die sich schädlich auf andere Meeresarten und/oder -lebensräume auswirken Folgende Ziele und Fristen für eine nachhaltige Fischeinkaufspolitik [erarbeitet Supermarkt derzeit/ hat Supermarkt erarbeitet], um unsere KundInnen mit nachhaltigen Fischen & Meeresfrüchten versorgen zu können: 1. Die Schlimmsten beseitigen • Keine der unter Kapitel 3 angeführten (oder als gleichwertig zu betrachtenden) Fischarten werden mehr eingekauft - [xx Monate] 2. Die Besten fördern • Das verfügbare Sortiment nachhaltiger Meeresprodukte (im Fisch & Facts mit „akzeptabel“ bewertete Produkte, sowie solche aus Bio-Aquakultur) wird ausgeweitet - [xx Monate] 3. Den Rest verbessern • Gemeinsam mit Lieferanten treten wir dafür ein, dass nur mehr Bestände, die weniger stark dezimiert sind, genützt werden dürfen. • Gemeinsam mit der Fischindustrie und/ oder Wissenschaftlern arbeiten wir daran, die Nachhaltigkeit der Fangmethoden zu verbessern. • Wir verkaufen zukünftig keine Fische & Meeresfrüchte, die von Fischereien oder Lieferanten stammt, die nicht bereit sind, nachhaltig zu wirtschaften. 4. Nachhaltige Praktiken sichtbar machen und fördern • Mit einer klaren Fischeinkaufspolitik Transparenz für VerbraucherInnen schaffen • Einen jährlichen Bericht über Forschungsaktivitäten und geleistete Fortschritte erstellen • ALLE Produkte, die Fische und/ oder Meeresfrüchte enthalten, mit folgenden Angaben kennzeichnen: Handelsname und wissenschaftlicher Name der Tierart; Bestand, dem die Tiere entnommen wurden, bzw. Aquakultur- oder Zuchtbetrieb, aus dem sie stammen; verwendete Fang- bzw. Erntemethode • Nachhaltigkeits-Initiativen in Österreichs Fischzucht oder in der Fischerei und/oder den britischen Marine Stewardship Council (MSC) fördern • MitarbeiterInnen schulen, damit sie KundInnen bei der Auswahl nachhaltiger Fische & Meeresfrüchte behilflich sein können • Nachhaltige Fische & Meeresfrüchte bei KundInnen bewerben • Alternative Quellen von Omega-3-Fettsäuren bewerben © Sonia Schadwinkel/Greenpeace www.greenpeace.at 42 7. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE AUF DEM PRÜFSTAND Darüber hinaus sollten Handelsketten ihre Policy bei allen Fisch- und Meeresfrucht-Produkten, die in ihren Regalen stehen, zur Anwendung bringen. Das gilt auch für Fremdmarken. Supermarktketten müssen folgende Ziele verfolgen und diese mit Maßnahmen sichtbar machen: • Sie müssen die Schlimmsten beseitigen, indem sie sofort damit anfangen, die im Fisch & Facts als „katastrophal“ eingestuften Fischarten aus ihren Regalen zu entfernen. Bei jenen wenigen Arten, bei denen einzelne Bestände noch nicht dramatisch zusammengebrochen sind, müssen die Produkte aus diesen Beständen stammen und klare Angaben bezüglich der Herkunft und Fangmethode gemacht werden. • Sie müssen die Besten fördern, indem sie ihr Sortiment an nachhaltigen Fischarten ausweiten und dafür Sorge tragen, dass Fische & Meeresfrüchte aus nachhaltiger Bewirtschaftung effektiv in ihren Geschäften, auf ihren Webseiten und in ihrer Werbung beworben werden. • Sie müssen den Rest verbessern, indem sie gemeinsam mit ihren Lieferanten dafür eintreten, dass nur mehr jene Bestände, die am wenigsten stark dezimiert sind, genützt werden dürfen; indem sie gemeinsam mit der Fischindustrie und/ oder mit Wissenschaftlern daran arbeiten, die Nachhaltigkeit der Fangmethoden zu verbessern; indem sie keine Fische & Meeresfrüchte mehr von Fischereien und Lieferanten beziehen, die nicht bereit sind, nachhaltig zu wirtschaften. In Tabelle 7.3 wird ein Modellentwurf für eine Fischeinkaufspolitik vorgestellt, der zeigt, wie eine Nachhaltigkeitspolitik im Speisefisch-Angebot im Idealfall aussehen sollte. www.greenpeace.at © Eberhard Weckenmann/Greenpeace Jeder Supermarkt sollte eine Methodologie für seinen Fischeinkauf erarbeiten. Diese sollte eine Reihe von Ja/ Nein Fragen durchlaufen. So z.B. ob es sich um eine Art bzw. eine Population handelt, die auf der Roten Liste der IUCN steht; ob sichergestellt werden kann, dass der Fisch nicht aus illegaler und unregulierter Fischerei stammt; ob der Fisch mit einer Methode gefangen wurde, die sich schädlich auf andere Meeresarten und/ oder –lebensräume auswirkt; ob der Fisch aus einem überfischten Bestand stammt etc.. Es empfiehlt sich, diese Methodologie jährlich für alle Fischprodukte zu durchlaufen, um der ständigen Veränderung der Fischbestände und Fangmethoden Rechnung zu tragen. 7.3 Werbung für Alternativen Fische & Meeresfrüchte werden oft als gesundes Nahrungsmittel dargestellt und als Alternative zu Fleisch beworben. Fischfleisch ist cholesterinarm, eiweißreich und enthält alle essentiellen Aminosäuren, die Vitamine A, D, K und den Vitamin-B-Komplex sowie Mineralien wie Kalzium, Kupfer, Jod, Eisen, Zink und Selen. Der am häufigsten zitierte gesundheitliche Nutzen liegt in den essentiellen Omega-3-Fettsäuren, die sich in besonders hohen Konzentrationen in Fettfischarten wie Makrele, Hering, frischem Tunfisch (bei Dosenfisch werden die Fettsäuren vor der Konservierung entfernt) und Sardine finden. Dagegen speichern Weißfischarten wie Dorsch mehr Fettsäuren in der Leber als im Fleisch. Die Initiative „Fit für Österreich“ (eine Initiative von Bundeskanzleramt und der österreichischen Bundessportorganisation) empfiehlt: „[...] Bevorzugen Sie öfter einmal Fisch [...] wöchentlich 1-2 Portionen Fisch (á 150 g)“.5 Andererseits warnt aber die „Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit“ (AGES): „Infolge der Verunreinigung der Meere ist der Fisch mehr oder weniger stark mit Quecksilber kontaminiert.“ Und weiter: „Fettreiche Fischarten bzw. insbesondere Raubfischarten wie Thunfisch, Schwertfisch, Heilbutt oder Hecht enthalten höhere Konzentrationen an Methylquecksilber, da diese Verbindung fettlöslich ist und sich im Fettgewebe anreichern kann. Auch das Alter der Fische spielt in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle, so dass für die Herstellung von Fischkonserven nur mehr jüngere Fische eingesetzt werden. [...] Wegen der Toxizität von Methylquecksilber wird zur Verminderung dieses potentiellen Gesundheitsrisikos schwangeren und stillenden Frau- 43 7. DIE FISCHEINKAUFSPOLITIK ÖSTERREICHISCHER SUPERMÄRKTE AUF DEM PRÜFSTAND en empfohlen, weniger kontaminierte Fischarten auszuwählen und den Konsum fettreicher Fische einzuschränken.“ 6 Besonders vorsichtig sollte man bei großen Raubfischarten wie Lachs, Tunfisch, Marlin und Schwertfisch sein, da diese oft hohe Konzentrationen an persistenten organischen Schadstoffen (POPs) v.a. Polychlorierte Biphenyle (PCB) und Dioxine, sowie Schwermetalle wie Quecksilber enthalten. Babys und Kinder reagieren besonders empfindlich auf diese giftigen Substanzen.7 Trotz der Belastung von Meeresfisch mit Umweltgiften würden nur wenige bestreiten, dass Fisch einen wichtigen Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung leisten kann. Entscheidender ist jedoch, dass Fische das Ökosystem Meer in Balance halten. In Österreich liegt der wöchentliche Fischverbrauch bei ca. 200 Gramm pro Kopf (vgl. Kapitel 2.3). Dieses entspricht etwa dem von „Fit für Österreich“ empfohlenen Wert. Würden die Supermärkte ihr Angebot verändern und mehr nachhaltig produzierten Fisch anbieten, könnte die österreichische Bevölkerung ihren Fischbedarf auf nachhaltige Weise decken. Andererseits geht der Trend für Österreichs Fischkonsum klar nach oben. Es wird also auch für die ÖsterreicherInnen erforderlich sein, darüber nachzudenken, welche Alternativen zu Fisch auf ihrem Teller landen können. Alle Vorteile von Fisch können mit anderen Lebensmitteln und Ernährungsweisen abgedeckt werden. Eine Einschränkung des Verbrauchs an tierischen Produkten zugunsten einer vermehrten vegetarischen Ernährung, liefert dem Körper alle Nährstoffe, die er braucht, um gesund zu bleiben. Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass Pflanzenöle, insbesondere Sojaöl, Walnussöl und Samenöle wie Leinsamenöl (Leinöl) und Rapssamenöl (Canola), gesündere Omega3-Quellen sind.8 Pflanzenöle sind auch weitaus weniger schadstoffbelastet als Meeresfische. 7.4 Plädoyer für die Zukunft der Ozeane Die Situation der weltweiten Fischbestände drängt zum Handeln. Es ist allerhöchste Zeit Veränderungen hin zu einer nachhaltigen Fischereipraxis zu bewirken. Im selbsternannten „Bio-Musterland“ Österreich sollten Unternehmen auch beim Thema Fisch vorbildlich – im wahrsten Sinne des Wortes - handeln. Den österreichischen Super- und Großmärkten fällt dabei eine tragende Rolle zu. 1 Greenpeace UK (2005). A Recipe for Disaster – Supermarkets’ insatiable appetite for seafood. London, UK. www.greenpeace.org.uk 2 Auf Vorbestellung 3 Bei Lidl wird nur Gelbflossentunfisch und Bonito verkauft, die Arten deren Bestände von allen kommerziell genutzten Tunfischartigen am wenigsten beeinträchtigt sind. Einige Bestände dieser beiden Arten sind jedoch auch bereits überfischt. Auch besteht beim Fang dieser Arten, wie generell beim Tunfischfang, eine große Beinfangproblematik. Sobald geklärt ist, aus welchen Beständen der Fisch für die bei Lidl verkauften Tunfischprodukte stammt, wird das Kreuz für Tunfisch bei Lidl ggf. aus dieser Tabelle entfernt. 4 FAO Code of Conduct for responsible fisheries. 1995.. http://www.fao. org/documents/show_cdr.asp?url_file=/DOCREP/005/v9878e/v9878e00. htm. Zugriff Mai 2006 5 Zugriff: http://www.fitfueroesterreich.at/main.asp?kat1=64&kat2=350&kat 3=&Text=1386 6 Stellungnahme der AGES zu Methylquecksilber in Lebensmitteln (Fisch) (17.12.2004). Zugriff: April 2006: http://www13.ages.at/servlet/sls/Tornado/web/ages/content/C24C504472DE333BC1256E5F00437706 7 Dorey CN (2003). Chemical legacy: Contamination of the child. London, GB: Greenpeace. Zugriff: Sept. 2005 unter: www.greenpeace.org.uk/ MultimediaFiles/Live/Full Report/6037.pdf 8 Scott L (2003). Fishing for Facts: Why public health strategy should promote plant oils in preference to fish oils. Bristol, GB: The Vegetarian & Vegan Foundation. Zugriff: Sept. 2005 unter: www.vegetarian.org. uk/fish/reporttext.htm www.greenpeace.at © Grace/Greenpeace Wenn wir erreichen wollen, dass VerbraucherInnen einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Fischwirtschaft leisten, müssen wir sie über die Fakten des Nahrungsmittels „Fisch“ aufklären und Alternativen bewerben. In punkto Werbung kommt den Supermärkten mit ihren verschiedenen Werbeträgern wie Zeitschriften, Gratis-Rezeptkarten und OnlineInformationen eine tragende Rolle zu. 44 Weiterführende Links zum Thema: • www.greenpeace.at/meere.html • www.marktcheck.at • www.marktcheck.at/fischfuehrer.html • GPUK Report: „A Recipe for Disaster“ http://www.greenpeace.org.uk/MultimediaFiles/Live/Full Report/7281.pdf • oceans.greenpeace.org • www.fishonline.org • www.FAO.org/fi • www.redlist.org • de.msc.org © Sutton-Hibbert/Greenpeace • www.fishbase.org www.greenpeace.at 45 Impressum: Ein Bericht von Greenpeace in Zentral- und Osteuropa Siebenbrunnengasse 44 1050 Wien Österreich © Virginia Lee Hunter/Greenpeace Tel.: ++43-1-545 45 80 Fax: ++43-1-545 45 80 98 offi[email protected] http://www.greenpeace.at