30 Jahre Musiktheater Friedrichshafen e.V. Festschrift zum Jubiläum 2010 2 Inhaltsverzeichnis Seite Grußwort OB Andreas Brand 4 Vorwort Walter Münich 5 Die Geschichte des Musiktheaters Friedrichshafen 7 Interview mit Walter Münich 19 Inszenierungen 25 Interview mit Hanspeter Gmür 26 Rosina Ragg, die Frau der ersten Stunde 30 Interview mit David Geary 32 Zukunft 37 Finanzen 38 Impressum 39 3 Grußwort OB Andreas Brand Zum 30-jährigen Bestehen gratuliere ich dem Musiktheater Friedrichshafen e. V. im Namen der Stadt Friedrichshafen, aber auch persönlich, auf das Herzlichste. Seit drei Jahrzehnten leistet das Musiktheater, leisten die ehrenamtlich tätigen Mitglieder, einen wertvollen Beitrag für die kulturinteressierten Menschen in Friedrichshafen. Aber nicht nur nach innen hat Kultur Bedeutung für das Gefüge einer Stadt, sondern auch nach außen – für den Ruf einer Stadt, für das Renommee. Aktive Vereine wie das Musiktheater Friedrichshafen e. V. sind ein Gewinn für unsere Stadt. Gerade in der heutigen Zeit, einer Zeit voller Veränderungen ist der Verein ein wichtiger Stabilisator. Das Musiktheater Friedrichshafen steht für das ehrenamtliche Engagement Einzelner, die Interesse haben, Leidenschaft spüren für die Kultur dieser Stadt. Mein aufrichtiger Dank gilt daher an dieser Stelle den Frauen und Männern, die den Verein in seiner 30-jährigen Geschichte umsichtig geleitet haben, sowie all denen, die sich in den vergangenen 30 Jahren uneigennützig in den Dienst des Musiktheaters und damit der Allgemeinheit gestellt haben. Ich wünsche dem Musiktheater Friedrichshafen e. V. für die Zukunft eine weiterhin glückliche und erfolgreiche Entwicklung. Andreas Brand Oberbürgermeister 4 Vorwort Walter Münich Friedrichshafen hatte und hat kein Stadttheater, war aber 1980 im Begriff, das Graf-Zeppelin-Haus als Kultur- und Kongresszentrum zu bauen. Diese Chance zu erkennen und sangesfreudige, theaterbegeisterte Laien und kompetente Leute zusammenzuführen und mit den jeweiligen Solisten, den Musikern und Tänzern zu einem Ensemble zu formen, das war die Leistung der Vereinsgründer des MUSIKTHEATER FRIEDRICHSHAFEN (vormals Theaterspielkreis Friedrichshafen). Hinzu kamen die bildenden Künstler, Handwerker, Bühnentechniker und viele freiwillige Helfer. Inspiriert von Neil Armstrong möchte ich sagen: Dreißig Jahre sind eine kleine Spanne in der Geschichte, aber eine große Spanne in einem Menschenleben. Sie entspricht einer ganzen Generation, und es ist ja wahr: Die Gründerväter sind inzwischen Großväter geworden und stehen vor der Übergabe der Verantwortung an die „Söhne und Töchter“. Das wird die Herausforderung der kommenden Jahre sein, wenn der Verein überleben will. Demselben Ziel dient das Vorhaben, 2011 erstmals ein Musical in Zusammenarbeit mit Schulchören zu produzieren. Mit Freude aufgenommen haben wir deshalb auch die Entscheidung der Maturandin Carole Thoma, der Tochter unserer früheren Regieassistentin, sich mit der Geschichte des MUSIKTHEATER FRIEDRICHSHAFEN zu beschäftigen und diese Festschrift zu erstellen. Wir hoffen, dass ihre Arbeit die verdiente Anerkennung finden wird. 5 Jubiläen sind jedoch in erster Linie Anlässe zur Rückschau und Dankbarkeit: Höchste Anerkennung verdienen die beiden künstlerischen Leiter des Musiktheaters, David Geary und Hanspeter Gmür, auf deren Kompetenz die Qualität der Aufführungen in den drei Jahrzehnten unseres Bestehens beruhte. Danken möchte ich neben den ehrenamtlichen Mitarbeitern im Vorstand und den Fachleuten im Erweiterten Ausschuss den vielen Mitwirkenden, die seit der Gründung den Opernchor gestellt haben und über Jahre oder Jahrzehnte ihre Spielfreude, ihren Arbeitseifer und ihre sängerischen Fähigkeiten eingebracht haben. Von Anfang an hatten wir die Unterstützung der Repräsentanten, Gremien und zuständigen Ämter der Stadt Friedrichshafen, ohne deren Zuschüsse und Amtshilfe wir nicht existieren könnten. Namhafte Sponsoren, die an anderer Stelle genannt sind, halfen uns über die Runden, und die örtliche Presse hat über unsere Arbeit ausführlich berichtet. Last, but not least, danken wir unserem Stammpublikum und freuen uns auf viele neue Besucher. Walter Münich Vorsitzender und Produktionsleiter Walter Münich an der Arbeit (links und rechts in der Mitte) 6 Die Geschichte des Musiktheaters Friedrichshafen Alles begann im Jahre 1977. Die Stadt Friedrichshafen stand vor einem Problem. Man wollte das alljährlich stattfindende Seehasenfest erst nach den Sommerferien durchführen. Daher musste man jedoch auf die Schüler und Schülerinnen, die in den Ferien weilten und während den Ferien keine Lust zum Proben hatten, verzichten. So kam es, dass der damalige Seehasenvater, Rudolf Schmäh. den städtischen Musikdirektor und Leiter des Orchestervereins, Paul Bischof, fragte, ob er nicht eine Oper aufführen könnte. Man einigte sich auf die Märchenoper „Schneewittchen“ von Franz Schubert. Man fragte das Orchester und beauftragte Solisten, doch brauchte man natürlich auch einen Chor. Paul Bischof wandte sich an Pirmin Ragg, den Kantor der katholischen Kirchengemeinde, welcher zudem mit der begabten Sopranistin, Rosina Ragg, geb. Braun, verheiratet war. Das Ehepaar Ragg hatte zu dieser Zeit gerade den Sänger Wolfgang Pailer aus St. Gallen zu Gast. Dieser wiederum kannte den Sänger, Schauspieler und Korrepetitor David Geary. Somit fand man auch schon einen Regisseur. Nun konnten die Vorbereitungen für die Opern-Inszenierung beginnen und so zeigte sich bald, dass von der Maske bis zum Bühnenbau alle nötigen Kräfte vorhanden waren, um in Friedrichshafen Musiktheater aufzuführen. Erinnerungen von: Karin Wolf (15 Inszenierungen) „Die Garderoben in der alten Turn- und Festhalle waren so eng, dass mein Mann vor jeder Inszenierung zuerst zwei lange Nägel in die Balken des Flurs schlug und meinte: „Diese Garderobe gehört mir alleine.“ …“ 7 Die Inszenierung war ein voller Erfolg. Die Friedrichshäfler waren begeistert und die Akteure vor und hinter der Bühne waren so fasziniert von dem, was sie selbst zu Stande gebracht hatten, dass sie beschlossen eine weitere Inszenierung zu wagen. Und so inszenierte man zum Seehasenfest 1979 die Oper „Wenn ich König wär“ von Charles Adolphe Adam in der alten Festhalle. Erinnerungen von: Barbara Redlin (13 Inszenierungen) „Die Proben waren immer lustig aber auch anstrengend, besonders bei den Stellproben, die ja oft bis Mitternacht gingen.“ Ab dem Jahre 1980 sollten dann aber keine Märchenopern mehr am Seehasenfest aufgeführt werden; für das Fest kehrte man wieder zum Kindertheater zurück. Doch die schon geplante Oper „La Périchole“ von Jacques Offenbach wurde nicht abgesetzt, denn Walter Münich gründete zusammen mit den Verbliebenen den Theaterspielkreis Friedrichshafen. Dies war die Geburtsstunde des Vereins! Weiterhin dabei blieb auch David Geary. Unterstützt wurde er dabei von Hanspeter Gmür, der neuer städtischer Musikdirektor wurde. Die Partnerschaft mit dem Orchesterverein und die Mitarbeit der Ballettschule Inge Keil verhalfen der ersten Produktion des Vereins zu einem guten Gelingen. Somit war der erste Meilenstein in der Vereinsgeschichte gesetzt. Produktion, Sänger und Regie an der Arbeit für „La Périchole“ (1980) 8 Eine kleine Anekdote: Nach einer Probe von „La Périchole“ musste David Geary, der gleichzeitig auch am Theater St. Gallen arbeitete, unbedingt in die Schweiz zu einer Aufführung zurückkehren. Doch es fuhr keine Fähre mehr über den See und rund um den See zu fahren hätte zu lange gedauert. Zuerst dachte man, Geary könne mit einem Flugzeug zurückgeflogen werden, doch dies scheiterte. Darauf fragte man die Wasserpolizei und den Zoll für eine Überfahrt an – ohne Genehmigung. Schließlich fand man bei der DLRG wahrhaftig die Rettung und Geary wurde mit einem Rettungsboot nach Romanshorn gebracht! 1982 folgt die Aufführung von „die Welt auf dem Monde“ von Joseph Haydn und 1983 „der Waffenschmied“ von Albert Lortzing. Szene aus „Waffenschmied“ (1983) 9 Das Jahr 1984 war dann ein ganz spezielles Jahr für den Theaterspielkreis. Man führte das Heimatspiel “Frau Wendelgard“ als Freilichtaufführung an der Uferstrasse auf. Die Uferstrasse diente bereits 1924 bei der Uraufführung als Kulisse; die Sage der Frau Wendelgard geht sogar bis ins 11. Jahrhundert zurück. Es war also eine große Ehre für den Theaterspielkreis dieses Stück, nachdem es 35 Jahre lang nicht mehr gespielt worden war, aufzuführen. Erinnerungen von: Elisabeth Krüsi Thoma (Regieassistentin und Abendspielleiterin) „Als David Geary mir während einer Probe im Stadttheater St. Gallen zuflüsterte: "Du, ich brauche dich in Friedrichshafen", wusste ich noch nicht, dass dies der Beginn von tollen Freundschaften und großartigen Erlebnissen sein würde. Mit der Fähre fuhren wir über den Bodensee, er besprach mit mir seine Regie-Ideen zum „Waffenschmied“ und dann standen wir schon in der Turnhalle und die Probe begann. Ich fühlte mich von der ersten Probe an bei den Sängerinnen und Sängern des Chores und auch bei den Solisten akzeptiert, auch wenn ich manchmal etwas gar vehement und klar das forderte, was ich im Regiebuch aufgeschrieben hatte. Ich reiste immer gerne über den See – die Probenatmosphären waren großartig. Alle gaben ihr Bestes – keine Routinearbeit, wie ich sie unterschwellig während meiner Hospitanzen am Opernhaus Zürich erlebte. Persönlich profitierte ich selber sehr viel von der Aufgabe in Friedrichshafen – ich lernte auf Leute zuzugehen, zu organisieren, mich durchzusetzen. Wenn alle gemeinsam etwas wollen, kann Unvergessliches entstehen, dies und viel mehr habe ich in Friedrichshafen gelernt. Dafür bin ich dankbar.“ Das Jahr 1985 war ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des Theaterspielkreises. Das mit Spannung erwartete Graf-Zeppelin-Haus wurde fertig gestellt und der Theaterspielkreis bekam den Auftrag, zur Eröffnung die Oper „Orpheus und Eurydike“ zu inszenieren. Doch zu 10 einem großen Haus und einer großen Oper gehört auch ein richtiger Verein. Und so wurde aus dem Theaterspielkreis das Musiktheater Friedrichshafen e.V., ein Name, der sich hören lässt und der bei den Einwohnern für mehr Ansehen sorgt. Bei der Gründungsversammlung wurde Walter Münich zum Vorsitzenden gewählt. Und als Produktionsleiter bildete er zusammen mit dem Musikdirektor Hanspeter Gmür und Regisseur David Geary den künstlerischen Hauptausschuss. Mit der Inszenierung von „Orpheus und Eurydike“ zeigte der Verein, dass er nicht nur komische Opern inszenieren kann; den Erfolg merkte man an der Anzahl verkaufter Karten vier Mal ein volles Haus! Für die Kostümbildnerin, Ursula Sieger, war es die letzte Produktion, doch sie hatte nochmals richtig viel Graf-Zeppelin-Haus zu tun, denn insgesamt wirkten 250 Leute vor und hinter der Bühne an der Aufführung mit. Ab 1985 folgte alle zwei Jahre eine Inszenierung einer Oper. Aufführungsort ist seither immer das imposante Graf-Zeppelin-Haus und nicht mehr die alte Turn- und Festhalle. Szenen aus „Orpheus und Eurydike“ (1985) 11 Die zweite Oper im Graf-Zeppelin-Haus war die „Schöne Helena“ von Jacques Offenbach. Die Oper hatte großen Unterhaltungswert, nicht zuletzt dank der vielen witzigen Regieeinfälle von David Geary. Mit der Offenbachiade kam auch die Zusammenarbeit mit der Kostümbildnerin Johanna Weise aus St. Gallen. Dank ihr hatte das Musiktheater nun Zugriff auf Kostüme und kam so einen Schritt weiter zur Professionalität. Applaus für „Schöne Helena“ (1987) Erinnerungen von: Manfred Glaser (19 Inszenierungen) „Ein lustiges Erlebnis war 1987 bei der „Schönen Helena“. Die Inszenierung von David Geary sah vor, dass in einer Szene Menelaus, Orest, Kalchas Achilles, sowie die beiden Muskelprotze von Krieger Ajax I. und Ajax II. (dessen Rolle ich spielen durfte) vorne am Bühnenrand nebeneinander stehen und allesamt gemeinsam quer vor sich eine lange Lanze hielten. Und dann wurde die Lanze von allen nach oben über den Kopf gehoben, so hoch es ging. Da nun der Achilles etwas kleiner von Statur war als alle anderen, hing er dann an der Lanze und baumelte mit den Füßen im Freien, was natürlich beim Publikum große Heiterkeit auslöste.“ 12 Für diese Professionalität sorgte sicher auch das Bühnenbild des Kunstmalers und Grafikers Hermann Feierabend aus Friedrichshafen. Dank all dieser helfenden Hände zählt auch diese Oper zu den Highlights des Vereins. Erinnerungen von: Karin Wolf (15 Inszenierungen) „Wir amüsieren uns heute noch über Elisabeth Krüsis Satz: „Ich sehe immer nur Ärsche“, nachdem es immer welche von uns nicht schafften, nach vorne zu schauen.“ 1989 wird „Martha“ von Friedrich von Flotow gespielt. Und 1990 folgt eine konzertante Aufführung von Haydns „Orfeo und Eurydice.“ Im Jahre 1991 war die zehnte Aufführung an der Reihe. Aus diesem Anlass führte der Verein zum ersten Mal die „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart auf. Wieder einmal zeigte sich, dass ganz Friedrichshafen Freude an so bekannten Opern hat. Das Musiktheater zählte insgesamt Hermann Feierabend gestaltet „Zauberflöte“ 5400 Besucher. 1992 wirkte der Verein in Friedrichshafen sowie auch in Konstanz konzertant an Neujahrskonzerten mit. Erinnerungen von: Evmarie Staden (Regieassistentin und Abendspielleiterin) „Bei unserer ersten Zauberflöte trat ich als Regieassistentin an und David Geary gab mir mit einem Augenzwinkern zu verstehen, dass nun meine Hauptaufgabe war, an allem Schuld zu sein. …“ Eine weitere qualitative Veränderung kam zwei Jahre später auf den Verein zu. Die Trennung vom Orchesterverein sorgte dafür, dass Hanspeter Gmür die Operette „Boccaccio“ von Franz von Suppé mit 13 einer ausgesuchten Orchesterbesetzung bestritt. Das Bühnenbild war eine Leihgabe aus Vaduz. Aus Kostengründen beschloss man, wenn immer möglich, die ganze Ausstattung jeweils auszuleihen. Fröhliche Runde hinter der Bühne bei „Boccaccio“ (1993) Zum zehnjährigen Jubiläum führte der Verein die Lortzing-Oper „Zar und Zimmermann“ auf, die zum zweitgrößten Erfolg in der Vereinsgeschichte wurde. Das zehnjährige Jubiläum des Vereins sowie des Graf-Zeppelin-Hauses wurde mit einer Ausstellung und einer konzertanten Aufführung von beliebten Opernchören gefeiert. Starke Männer bei „Zar und Zimmermann“ (1995 14 Erinnerungen von: Evmarie Staden (Regieassistentin und Abendspielleiterin) „In der 2. Vorstellung der „Verkauften Braut“ kam „Wenzel“ nach seinem 1. Auftritt entsetzt von der Bühne, seine Hose war im Schritt gerissen. … Er musste bald wieder raus, die Schneiderin hatte keine Chance, dieses Malheur korrekt zu beheben. Also nahm ich zur Abhilfe Sicherheitsnadeln und „Wenzel“ ging unsicher bis verklemmt zur nächsten Szene raus.“ 1997 folgte „Die verkaufte Braut“ von Bedrich Smetana. Auch diese Inszenierung war wiederum ein Erfolg. Die Schwäbische Zeitung (Tettnang) berichtete am 17. März 1997: „Das Premierenpublikum spendete begeisterten Applaus, Bravorufe dankten den Solisten: Mit einer musikalisch vorzüglichen Aufführung von Friedrich Smetanas komödiantisch bunter, heiterer Musizieroper "Die verkaufte Braut" hat das Musiktheater Friedrichshafen wieder einmal gezeigt, wie ansteckend die Freude am gemeinsamen Musizieren, Singen und Spielen sein kann.“ Erinnerungen von: Günter Reich (Requisite, SpezialEffekte, Webmaster, Statist) „Während der Stellprobenphase werde ich von der Regieassistenz gefragt, ob ich als Statist mitmachen wolle. Es gäbe ein paar Auftritte für Männer, die nicht singen müssten. Ich zögere nicht lange, sage zu und bin ab sofort bei allen Chorproben dabei. Eine meiner Aufgaben ist es dann, eine halbe Stunde beinahe bewegungslos als Wachposten auf einem Wachturm zu stehen. Seitdem weiß ich dann aus eigener Erfahrung, warum die Statisten „Statisten“ heißen!“ 15 1999 folgte – wie viele Kenner urteilen - David Gearys beste Inszenierung. „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Für die romantische deutsche Oper lieh das Musiktheater Kostüme und Dekoration vom Staatstheater Mainz aus. Die Oper „Der Freischütz“ kann man als weiteren wichtigen Meilenstein in der Geschichte des Musiktheaters Friedrichshafen sehen. Nach der Jahrtausendwende führte der Verein im Jahr 2001 zum dritten Mal eine Oper von Jacques Offenbach - „Hoffmanns Erzählungen“- auf, und im Jahr 2002 nahm der Verein erneut an den Neujahrskonzerten teil. Erinnerungen von: Brigitte Kahmann (7 Inszenierungen) Zu Hoffmanns Erzählungen: „… es war doch sehr erheiternd, als der im Sarg liegende Dapertutto nichts hörte – und deshalb nicht rauskam oder zu früh erschien und die schwäbische Mundart ständig dem Chor zum Verhängnis wurde - die Textworte wurden zu einer ganz originellen schwäbischen Ausführung. „Hoffmanns Erzählungen;“ (2001) links: Michael Junge als „Bösewicht“ 16 2003 war ein weiteres nennenswertes Jahr. Mit der Inszenierung der „Fledermaus“ von Johann Strauss (Sohn) - sie gilt als die „Königin der Operette“ - traf der Verein ins Schwarze. Vor allem der Auftritt von Dirigent Hanspeter Gmür als Gefängniswärter Frosch stieß auf Begeisterung. Auch Regisseur David Geary wirkte selber als Gefängnisdirektor Frank mit, und die Dekoration des Theaters Arth (Schweiz) passte auch wunderbar. Festliche Szene aus „Fledermaus“ (2003) Erinnerungen von: Dorothee Schulz-Nowitzki (3 Inszenierungen) „Kurz vor der Premiere zu "Fidelio" erwachte ich eines Tages - der Wecker zeigte 6 Uhr - sprang aus dem Bett und zog mich rasch an, da ich in einer Viertelstunde bei meiner Mitsängerin sein wollte, um sie abzuholen. Wir sollten um 19 Uhr zur Hauptprobe in Friedrichshafen sein. Nachdem ich alles gerichtet hatte, wunderte ich mich, dass es draußen so dunkel war. Als ich auf die Uhr sah, war es nach 6 Uhr morgens - nicht am Abend!“ Im Jahre 2005 wurden gleich zwei Jubiläen gefeiert. Zum einen das 25-jährige Bestehen des Musiktheater Friedrichshafen e.V. und zum anderen das Beethoven-Jubiläum. Aus diesem Anlass führte man „Fidelio“, die einzige Oper von Ludwig van Beethoven, auf. Verstärkt durch den ALCAN-Madrigalchor gelang ein weiterer Meilenstein. 17 Nach drei Jahrzehnten verabschiedete sich der Regisseur David Geary mit der Inszenierung der komischen Oper „Der Wildschütz oder die Stimme der Natur“ von Albert Lortzing. Der Regisseur, der von Anfang an dabei war, inszenierte jede Produktion mit sehr viel Feingefühl fürs Detail und konnte damit große Erfolge feiern. Sein Abschied wurde demzufolge auch gebührend gefeiert. Erinnerungen von: Volker Gosche (3 Inszenierungen) „Während der Wildschütz-Ouvertüre soll ein Büchsenschuss durch den Saal hallen; aber trotz aller Anstrengungen seitens der Regie und der Spielleitung ertönte nur ein mittellautes Pfffffffffffffffffft – schade.“ Im vergangenen Jahr gab nun die neue Regisseurin, Doris Heinrichsen, mit ihrer ersten Inszenierung ihren Einstand. Zum zweiten Mal wurde die „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart aufgeführt. Damit hatten am Schluss der Oper nicht nur Papageno und Tamino ihre Prüfungen bestanden, sondern auch die Regisseurin Doris Heinrichsen, knüpfte sie doch nahtlos an die Arbeit von David Geary an. 18 Interview mit Walter Münich Vorsitzender, Chorsänger und Produktionsleiter des Musiktheaters Friedrichshafen e.V. Was bewog Sie dazu, nach den Auftritten am Seehasenfest 1978 und 1979, den Theaterspielkreis zu gründen? Ich habe durch diese beiden Aufführungen an den Seehasenfesten 78 und 79 gesehen, dass in Friedrichshafen die Kräfte vorhanden sind, um Oper oder Musiktheater zu machen. Das Einzige, was wir nicht hatten, war ein Regisseur. Und deswegen sind wir auf David Geary gekommen, der zuvor die Seehaseninszenierungen schon gemacht hatte als Gastregisseur. Ich war natürlich total frustriert, dass das nun wieder vorbei sein sollte. So habe ich den Oberbürgermeister angesprochen und gesagt: "Es ist eine Sünde, eine Todsünde, wenn man so etwas wieder in der Versenkung verschwinden lässt". Darauf hat der Oberbürgermeister geantwortet: "Ja, dann nehmen Sie es doch in die Hand, macht euch doch unabhängig vom Seehasenfest." Durch diese Ermutigung des Oberbürgermeisters und durch die eigene Begeisterung habe ich den Mut und die Energie gehabt, diesen Theaterspielkreis in die Hand zu nehmen, damit es weitergehen konnte und damit auch die Leute zusammenblieben und das Ganze nicht wieder auseinanderläuft und in der Versenkung verschwindet. Was war Ihre Lieblingsinszenierung? Und warum? Die Frage nach meiner Lieblingsinszenierung ist unheimlich schwer zu beantworten. Die erste Inszenierung auf eigenen Beinen war „La Périchole“ von Jacques Offenbach. Das war so etwas wie die erste Liebe. Dazu kam, dass genau in diesem Jahr Herr Gmür nach Friedrichshafen gekommen ist. Da haben wir erfahren, hier kommt einer, der Opernspezialist ist. Das hat uns mit unheimlichem Stolz erfüllt, so dass wir in diesem Jahr, in dem beim Seehasenfest wieder das Kindertheater stattfand, im Oktober unsere erste Oper inszeniert haben. Wir haben uns unheimlich ins Zeug gelegt, und jeder hat das 19 20 21 Letzte aus sich herausgeholt, um diese Périchole-Aufführung durchzuziehen und der Bevölkerung und uns selber zu beweisen, wir können das auch ohne Seehasenfest. Andererseits war der „Waffenschmied“ 1983 die erste Oper, bei der wir gewusst haben, wir können auf ziemlich professionellem und hohem Niveau Oper machen. Da waren kompetente Leute und die künstlerische Leitung war optimal für unsere Verhältnisse. Das hat gepasst. Deswegen weiß ich nicht, wie ich diese Frage beantworten soll. Welches sind die größten Hürden ohne Opernhausstrukturen Operninszenierungen zu produzieren und zu organisieren? Der schwierigste Faktor ist die Zeit. Wir produzieren nur alle zwei Jahre, weil jedes Jahr zu viel wäre. Man würde sich kaputt machen, viele von uns sind schließlich auch noch berufstätig. Eine weitere große Hürde sind die Proberäume. Der organisatorische Aufwand, geeignete Räume zu finden, ist unheimlich groß. Früher war es am Leichtesten, die Chorbesetzung zustande zu bringen, was in der Zwischenzeit auch schwieriger geworden ist, denn wir erwarten heute von den Leuten, die wir neu im Opernchor aufnehmen, dass sie mindestens eine einfache Gesangsausbildung haben. Ein weiteres großes Problem ist das Bühnenbild. Wir haben es nun so gelöst, dass wir meistens schon vorhandene Bühnenbilder von anderen Theatern ausleihen oder abkaufen. Auch die Finanzierung ist natürlich immer eine Zitterpartie, die gehört zu den größten Hürden. Wir müssen immer schauen, wo wir das Geld herkriegen. In welchen der drei Rollen (Vorsitzender, Produktionsleiter und Chorsänger) fühlen Sie sich am wohlsten? Am wohlsten fühle ich mich natürlich, wenn ich im Opernchor auf der Bühne stehe. Das Ganze, die organisatorische und die wirtschaftliche Seite meiner Arbeit, das ist ja alles nur Vorarbeit. Wir wollen eine Oper auf die Bühne bringen. Und auf der Bühne agierend, singend und spielend dabei zu sein, im Kostüm in der Szene mitsingen und mitwirken zu können, das ist gewissermaßen das Endziel. 22 Als Produktionsleiter haben Sie die Aufgabe, die Solisten und Regisseure für die verschiedenen Produktionen auszuwählen. Wie verläuft eine solche Anstellung? Früher war es so, dass wir nach Solisten suchen mussten, die bereit waren, bei einem Opernverein aufzutreten. Weil wir in der Zwischenzeit auch eine Homepage haben, geht es leichter; die Solisten melden sich bei uns und fragen, ob wir nicht eine Partie frei hätten. Wenn jetzt da drin steht, dass wir „Zauberflöte“ machen wollen, dann bewerben sich sechs, sieben Sängerinnen für die Rolle der Pamina oder für den Sarastro oder den Prinzen Tamino. Neuerdings kriegen wir mehr Bewerbungen als uns lieb ist, so haben wir letztes Jahr ein aufwändiges Casting organisiert. Wie viele Personen sind insgesamt an einer Operinszenierung beteiligt, im Vorder- und Hintergrund? Chor, Solisten, Funktionsträger, Bühnentechniker, Kostümschneiderinnen und Hilfsdienste wie Schminkhelferinnen und Maskenbildner, usw. So kommen im Durchschnitt 120 Personen zusammen. Sagen Sie etwas zum Zeitplan vom Beginn einer Produktion bis zur Dernière. Die künstlerische Leitung muss sich auf einen Vorschlag einigen, was sie als nächstes aufführen möchte und muss mit diesem Vorschlag in die Mitgliederversammlung gehen, dort die Mitglieder überzeugen, dass es eine gute Sache wäre, diese oder jene Oper zu inszenieren und aufzuführen. Und dann benötigt das Ganze üblicherweise 15 Monate Vorlaufzeit bis zur Premiere. Bei der „Zauberflöte“ 2009 war es ein längerer Zeitraum, weil wir da auch noch das Casting für die Regie veranstalteten, so dass wir sogar 18 Monate benötigten. 23 Woher nehmen Sie Ihre Energie, um nach 30 Jahren immer noch Vorsitzender des Vereins zu sein? Der Erfolg gibt einem nicht nur Recht, sondern er gibt einem auch unheimlich viel Motivation und Kraft. Diese Arbeit, in die ich hineingewachsen bin, hat sich gelohnt, denn es wurde nicht nur für den Verein eine Erfolgsgeschichte, sondern auch für mich selber. Dazu kommen die lieben Vorstandskollegen, die einem auch einen Teil der Arbeit abnehmen. So lang ich Kraft habe und auch als Pensionär das noch leisten kann mit dem Freundes- und Mitarbeiterkreis zusammen, so lange mache ich das gerne. Und zu guter Letzt muss ich natürlich sagen, dass es nicht gehen würde, wenn die eigene Frau nicht dahinter stehen und das Ganze mittragen würde. Sie muss in Zeiten, in denen das nächste Musiktheater produziert wird, schon auf Vieles verzichten können und auch zulassen, dass ihr Mann mitwirkt. Der liebe Gott hat mir die Gesundheit und die Kraft gegeben, aber ich denke intensiv daran, wie es weitergehen könnte und plane meinen Rückzug. Walter Münich bei einer „Orpheus“-Probe 24 Inszenierungen 1978 1979 1980 1982 1983 1984 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 Schubert / Magg: Adam: Offenbach: Haydn: Lortzing: Eggert: Gluck: Offenbach: Flotow: Mozart: Suppé: Lortzing: Smetana: Weber: Offenbach: J. Strauss: Beethoven: Lortzing: Mozart: Schneewittchen Wenn ich König wär La Périchole Die Welt auf dem Monde Der Waffenschmied Frau Wendelgard Orpheus und Eurydike Die schöne Helena Martha Die Zauberflöte Boccaccio Zar und Zimmermann Die verkaufte Braut Der Freischütz Hoffmanns Erzählungen Die Fledermaus Fidelio Der Wildschütz Die Zauberflöte 25 Interview mit Hanspeter Gmür Musikdirektor des Musiktheater Friedrichshafen e.V. Was bewegt Sie, seit bald einmal 30 Jahren mit dem Musiktheaterverein Friedrichshafen zusammenzuarbeiten und wie kam es zur Zusammenarbeit? Das hat sich so ergeben. Als ich als städtischer Musikdirektor und Leiter der Musikschule nach Friedrichshafen kam, ist man an mich herangetreten und fragte mich, ob ich bereit wäre, mit den Leuten, die zwei Jahre vorher begonnen hatten, zusammen Musiktheater zu machen. Als Musikdirektor leitete ich ja auch den Orchesterverein. Ich komme ja vom Theater. Ich habe im Theater in St. Gallen angefangen und dann war ich in Klagenfurt zuerst 1. Kapellmeister und danach Chef. Also hatte ich Erfahrung mit der Oper und der Operette. Die ganze Geschichte ist ja eine Erfolgsgeschichte bis auf den heutigen Tag. Auch nach der Trennung vom Orchesterverein arbeitete ich mit dem Musiktheater weiter. Wie stellen Sie das heutige Orchester zusammen? Mit Musikerinnen und Musikern des ehemaligen Schlosshoforchester und mit Leuten, die durch das Musiktheater jeweils für die laufende Produktion angefragt werden. Sind das Laien oder Profis? Das sind zum größten Teil Profis, bzw. Lehrer an Musikschulen, wenig Musikstudenten oder sehr fortgeschrittene Schüler aus der Musikschule. 26 Wie ist die Zusammenarbeit, was ist der Reiz oder das Spezielle an der Arbeit mit dem Orchester, dem Laienchor und den Profisängerinnen und –sängern? Was reizt? Ich versuche, und das ist auch das Ziel des Musiktheaters, es möglichst professionell zu machen. Mein Ziel war und ist es, mit wirklich guten Leuten, aber auch mit Nachwuchsleuten vor allem bei den Solisten und auch im Orchester, professionell zu arbeiten. Der Chor ist der Stamm des Ganzen. Der Chor ist der eigentliche Träger des Musiktheaters, die Solisten werden dazuengagiert. Spaß hat mir diese Arbeit immer gemacht, natürlich vor allem bei den guten Produktionen. Ich habe immer das Ziel, es mindestens so gut zu machen, damit es mindestens dem Niveau eines mittleren Provinztheaters entspricht. Ich versuche immer das Optimale herauszuholen, und ich darf sagen, das ist mir meistens gelungen. Können Sie etwas zum zeitlichen Ablauf der musikalischen Einstudierung sagen? Musiker und Solisten erhalten die Noten zum Selbststudium zu Hause. Wie mit professionellen Leuten gibt es dann acht Proben im Orchester – meistens vier Orchesterproben an einem Wochenende und das zweimal. Da ist das Orchester noch allein. Mit den Solisten mache ich Einzelproben und in den verschiedenen Ensembles. Der Chor wird von einem Chordirektor einstudiert. Nach dieser Vorbereitung müssen alle zusammengeführt werden. Das geschieht in den sogenannten Sitzproben, an denen noch nicht szenisch gespielt wird. Meistens gibt es zwei solche Sitzproben, die ich leite. Dann geht es auf die Bühne. Hat die Oper beispielsweise vier Akte, werden an einer Probe zwei Akte probiert. In der Regel sind das dann zwei normale Bühnenproben mit der ganzen Besetzung. Danach gibt es eine Haupt- und eine Generalprobe. 27 Bei vielen normalen Bühnenproben, bei denen ein Korrepetitor die Sängerinnen und Sänger am Klavier begleitet, bin ich dabei. So kenne ich den szenischen Ablauf, weiß in welcher Position alle stehen, damit ich dann die nötige Unterstützung vom Dirigentenpult aus geben kann. Das ist mir sehr wichtig und für eine gute Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Dirigent auch erforderlich. So kann das musikalische und szenische Zusammenspiel gelingen und eine gute Professionalität erreicht werden. Können Sie auf die Regie Einfluss nehmen? Es kann Situationen geben, in denen ein Sänger beispielsweise zu weit hinten steht und ich aus der Erfahrung weiß, dass sein Gesang dadurch nicht über die Rampe kommt. Dann greife ich ein und suche zusammen mit der Regie eine andere Lösung. In der „Zauberflöte“ hatte die Regisseurin die drei Knaben sehr schön arrangiert, es war ein tolles Bild. Aber die Knaben sagten mir, dass sie sich gegenseitig nicht hören könnten und da mussten andere Positionen gefunden werden. Ich kenne natürlich die Opern auch sehr gut. Manchmal kann ich auch helfen und Tipps geben, die vom Musikalischen her bedingt sind. Da ich ja auch selber als Regisseur tätig war, verstehe ich auch von diesem Geschäft etwas. Aber nie will ich den Regisseur bevormunden, dieser muss sein Konzept selber auf der Bühne umsetzen. 30 Jahre Musiktheater Friedrichshafen sind eine lange Zeit mit verschiedensten Inszenierungen. Welche davon war Ihre liebste? Und warum? (lacht) Die Frage, welche Inszenierung ich nicht so gerne gemacht habe, wäre einfacher zu beantworten. Ich muss vorausschicken, dass fast alle Opern oder Operetten, die wir in Friedrichshafen inszenierten, zu meinem Repertoire gehören. Deswegen ist es schon schwierig zu sagen, welche mir denn die liebste war. Mozarts „Zauberflöte“ haben wir ja zweimal gemacht, die erste Inszenierung mit David Geary und die zweite mit Doris Heinrichsen. 28 Vom Musikalischen her war mir die zweite Inszenierung lieber. Wenn ich mir die CD der zweiten Inszenierung anhöre, bin ich jedes Mal perplex, wie gut die Ouvertüre klingt. Das macht viel Freude. Was mir natürlich besonders Spaß gemacht hat, war die „Fledermaus“. Eine schöne Inszenierung und ein schönes Bühnenbild; da hat einfach alles gestimmt. Dabei ging ja auch ein Traum von mir in Erfüllung: Ich konnte die Rolle des Froschs selber spielen. Natürlich löste ich bei der Besprechung der Rollenbesetzungen zuerst einmal lange Gesichter aus, als ich meinen Wunsch, den Frosch selber zu spielen, aussprach. Der Frosch ist ja immer dann auf der Bühne, wenn das Orchester meistens nicht spielt. Die wenigen Passagen, die noch bleiben, schafften die Musiker auch ohne Dirigenten. „Fidelio“ war auch eine tolle Inszenierung. Es macht immer dann Spaß, wenn alles zusammen stimmt, von der Bühne her, von der Besetzung her. Es gab viele Höhepunkte, dagegen nur wenige Dinge, die nicht so herauskamen, wie geplant. Dirigent Hanspeter Gmür - Nach und während der Arbeit 29 Rosina Ragg, die Frau der ersten Stunde Wo ist der Vater zwölf Jahre jünger als die eigene Tochter? So etwas gibt es nur auf der Opernbühne – genau dies war aber der Fall, als Rosina Ragg die Marie, Tochter des Waffenschmieds und Thomas Jesatko den Waffenschmied Stadinger in der gleichnamigen Oper "Der Waffenschmied" von Lortzing verkörperte. Da hat die Maskenbildnerin große Arbeit geleistet, den jungen Waffenschmied auf alt zu schminken, erinnert sich Rosina Ragg. Sie war die Frau der ersten Stunde des Musiktheatervereins Friedrichshafen. In der ersten Aufführung der Märchenoper "Schneewittchen" sang sie die Titelpartie. Bei der Einstudierung dieses Werks merkten die Sängerinnen und Sänger, dass ein Regisseur her musste. Und so war es denn Rosina Ragg, die damals im Jahr 1978 ein erstes Telefongespräch mit David Geary führte, um ihn nach Friedrichshafen zu holen. … und als Schneewittchen 30 Sie selber schrieb uns für diese Rosina Ragg als Marie in Festschrift: „Waffenschmied“ … "Herzlichen Glückwunsch zu 30 Jahren Vereinsgeschichte! Wer hätte gedacht, dass mit „Schneewittchen“ ein Grundstein von solcher Tragfähigkeit gelegt wird. Als damals der Seehasenvater Dr. Schmäh seinen (Geld-)Segen zu Paul Bischofs Idee gab und David Geary seine Mitwirkung zusagte, konnte die Arbeit beginnen. Jeder Aktive weiß, dass intensives Engagement für solch eine Sache nicht nur von Vorfreude begleitet wird, sondern auch von Unsicherheit und Zweifeln. Aber die Bereicherung durch eine gelungene Aufführung und die Anerkennung durch das Publikum verleiht dann Flügel zu weiteren Unternehmungen. Deshalb mein großes Kompliment für die getane Arbeit und Freude, sowie gutes Gelingen für die noch kommenden Aufführungen!" Ohne Probenarbeit ginge auf der Bühne gar nichts! Selbst auf dem Bild einer Probe (links oben) spürt man, dass Rosina immer mit Herz und Seele dabei war. Es war für alle eine Ehre, mit der Gluck-Oper „Orpheus und Eurydike“ das Graf Zeppelin- Haus einzuweihen, für Rosina, als Eurydike war es zugleich eine tolle und bereichernde Zusammenarbeit mit Gabi Blum, die den Orpheus sang. Der erste Auftritt im Graf-Zeppelin-Haus – als Eurydike 31 Interview mit David Geary Ehemaliger Regisseur des Musiktheaters Friedrichshafen e.V. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Musiktheater Friedrichshafen e. V.? Es fing an, bevor es das Musiktheater Friedrichshafen überhaupt erst gab. Das war im Jahr 1978. Ich hatte gerade meine erste Inszenierung an der Kammeroper in St. Gallen gemacht. Über mich erschien ein Artikel in einer Zeitung. Dies las ein Sänger, der in Friedrichshafen für die Aufführung der Oper "Schneewittchen" von Schubert probte. Dort wurde nämlich noch ein Regisseur gesucht, und so erhielt ich einen Anruf von Rosina Ragg. Gerne nahm ich dieses Engagement an. Anlässlich des Seehasenfestes wurde das Stück dann aufgeführt. Wir hatten Erfolg. Im Jahre darauf inszenierte ich mit den gleichen Leuten die Oper "Wenn ich König wär" von Adam. Das war der Anfang einer tollen Zusammenarbeit. Das Seehasenfest wurde 1980 wieder von der Schule aus organisiert. Aber unter den Leuten, die bei den ersten beiden Inszenierungen mitgemacht hatten, war etwas im Entstehen. Und als dann Herr Hanspeter Gmür die Leitung der Musikschule Friedrichshafen übernahm, hatten wir auch gleich einen Dirigenten für unsere Inszenierungen gefunden. So hatten wir beschlossen, im Jahr 1980 die Oper "La Périchole" von Offenbach zu inszenieren. Was ist für Sie das Wichtigste bei einer Operninszenierung? Worauf legen Sie Ihr Augenmerk? Als Regisseur muss man einen klaren Standpunkt einnehmen und genau wissen, was man aus dem Stück herausbringen will. In dem Sinne bin ich ein konventioneller Regisseur. Für mich ist es sehr wichtig, dass es Leben gibt auf der Bühne. 32 Meiner Meinung nach ist die Hauptaufgabe des Regisseurs, die Darsteller so zu führen, dass sie überzeugend auf der Bühne stehen. Einmal erhielt ich eine Kritik, die mir anlastete, dass alles auf der Bühne etwas statisch sei, die Darsteller wurden in ihren Rollen aber gleichzeitig hoch gelobt. Was will ich als Regisseur mehr? Ich denke: "Wenn es lustig sein soll, soll es auch lustig sein, aber nicht billig." Es gibt heute viele Regisseure, gerade bei Operetten, die wahnsinnig Angst vor Gefühlen auf der Bühne haben. Heute gibt es Statisten, die Sex machen in allen möglichen und unmöglichen Variationen, aber das Liebespaar eines Stücks darf sich bloß nicht anrühren, die müssen gemäß Regieanweisung so weit weg voneinander stehen wie nur möglich! Das ist in meinen Augen Blödsinn. Und wenn ein Stück ernsthaft ist, so soll es auch ernsthaft inszeniert werden. Konnten Sie Einfluss nehmen auf die Besetzung der Rollen? Ja sicher, meistens haben wir uns zusammen abgesprochen und meistens gab es auch ein Vorsingen. Da waren Walter Münich und Hanspeter Gmür dabei. Wir hatten auch einige Male Wunschkandidaten, doch wir wurden uns immer einig. Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Schwierigkeiten bei einer Inszenierung? Das größte Problem ist immer, die Leute zu den Proben zusammenzukriegen. Aber es ist eigentlich schwierig, diese Frage zu beantworten. Manchmal findet man keinen richtigen Zugang zum Stück, dann fällt mir das Inszenieren nicht leicht. Manchmal sind auch Sänger falsch besetzt oder es gibt Darsteller, die sich querstellen. Selbstverständlich gibt es bei jeder Inszenierung gewisse Schwierigkeiten. Oft hat man auch zu wenig Gelegenheit, auf der Hauptbühne zu proben. 33 Junge Sängerinnen und Sänger bekamen in Friedrichshafen die Gelegenheit, Bühnenerfahrungen zu sammeln. Was bedeutete das für Ihre Arbeit? Zunächst ist das eine sehr gute Sache. Ich habe oft Leute getroffen, die sehr begabt sind. Es machte mir immer große Freude, wenn ich bei der Arbeit merkte, dass ich jemanden führen kann und dieser dann profitiert. Ich finde es wichtig, dass junge Leute die Chance erhalten, auf der Bühne anzufangen. Natürlich macht es auch Spaß, wenn man Leute mit Erfahrung hat. Aber unter den Erfahrenen gibt es solche, die eine Rolle schon mehrmals gesungen haben und dann sehr unflexibel sind. Da ist es mir lieber, mit Leuten zu arbeiten, die auf meine Regieanweisungen angewiesen sind und diese dann auch umsetzen. Wenn ich aber merke, dass ein Darsteller keinen Fuß vor den andern setzen kann, wird die Probenarbeit auch sehr zeitraubend. Im Grunde genommen ist Inszenieren eine tolle Sache, Hauptsache die Leute sind willig, aufnahmefähig und bereit. Erzählen Sie etwas über die Zusammenarbeit mit dem Chor, der eigentlichen Stütze des Musiktheaters! Ja das ist wirklich wahr, der Chor war immer die größte Stütze bei jeder Inszenierung. Die Arbeit mit dem Chor ist immer sehr erfreulich gewesen. Wir kannten uns durch die Jahre. Aber es gab auch immer wieder neue Chormitglieder, Gott sei Dank. Die waren immer sehr offen und sehr flexibel und sehr begeistert. Mit dem Chor war es wirklich immer eine große Freude. Natürlich hatten wir am Anfang eine besondere Atmosphäre, die vielleicht ein bisschen verloren gegangen ist durch die Jahre. Am Anfang war es besonders, weil wir eigentlich alle zusammen etwas Neues geschaffen haben. Die Neuen können einsteigen in eine Situation, bei der schon alles läuft. 34 Am Chor habe ich den tollen Zusammenhalt immer bewundert. So etwas findet man nicht überall. Das ist in Friedrichshafen einmalig. 30 Jahre Musiktheater Friedrichshafen sind eine lange Zeit mit verschiedensten Inszenierungen. Welche davon war Ihre liebste? Und warum? Bei jeder Premiere war und bin ich eigentlich von der Inszenierung überzeugt. Grosse Freude hatte ich bei der Inszenierung der Operette "Die schöne Helena" von Jacques Offenbach im Jahre 1987. Diese Operette ist eigentlich ein ganz schwieriges Stück. Ich habe für dieses Stück die Fassung umgeschrieben. Zuerst wollte ich eigentlich nur ein paar Sätze umschreiben, am Schluss hatte ich eine vollständig neue Fassung geschrieben. Dann kam noch eine gute Besetzung dazu und am Schluss war das eine erfreuliche Sache geworden. Beim "Freischütz" kam wirklich das raus, was ich wollte. Zuerst wollte ich eigentlich einen großen Portalschleier haben, um die Wolfsschlucht besser inszenieren zu können. Den bekam ich dann nicht und nachher war ich heilfroh gewesen. Denn das brachte mich auf eine andere Lösung. Anstatt Samiel (das ist ohnehin eine Sprechrolle) und die Geistererscheinungen auftreten zu lassen, machte ich alles nur akustisch. Alles was man nicht sieht - so auch in Gruselfilmen - ist gruseliger. Das Monster ist immer schlimm, bis man es gesehen hat. Wo ich auch ganz glücklich war, ist die Giuliettaszene in „Hofmanns Erzählungen“, weil ich glaube, dass niemand bis jetzt auf die Idee gekommen ist, daraus eine Vampirszene zu machen. Giulietta soll Hoffmanns Spiegelbild rauben. So lag das nahe, Vampire haben kein Spiegelbild. Natürlich, jede Inszenierung hatte etwas Besonderes. Aber ich würde sagen, wenn ich etwas hervorheben muss, waren es diese drei. Was aber auch speziell lustig war, war die "Fledermaus", weil es einmalig war, dass Dirigent und Regisseur auch als Darsteller auf der Bühne waren. 35 Als wir zur Besetzung kamen, sagte uns Hanspeter, dass er gerne selber einmal den Frosch spielen würde, da habe ich geantwortet: "Wenn du den Frosch spielst, mache ich den Frank!". Und so kam es. Wir hatten dann auch großen Spaß bei den Probenarbeiten. Zu bedauern war eigentlich der Tenor, denn dieser wurde einmal am Hals von Frank, also vom Regisseur, und einmal vom Frosch, also vom Dirigenten, über die Bühne gezogen, da konnte er sich überhaupt nichts mehr erlauben. Das sind ganz spontan ein paar Highlights meiner Inszenierungen in Friedrichshafen. Insgesamt war es aber eine tolle Zeit, die ich niemals vergessen werde. David Geary stand auch immer wieder selber auf der Bühne. 36 Zukunft Ein Verein lebt von seinen Mitgliedern. Wenn aber die „alten“ gehen und keine „jungen“ nachkommen, gibt es ein Problem. Deshalb sieht sich der Vorstand des Musiktheaters Friedrichshafen verpflichtet, sich in nächster Zeit zu verjüngen. Aber auch programmmäßig will der Verein „Moderneres“ ausprobieren und plant als nächste Inszenierung ein Musical. Ein Musical mit dem Arbeitstitel „Der Himmel über dem Bodensee.“ Das Libretto wird von Peter Renz geschrieben. Aus der derzeitigen Finanzkrise wird aus der Not eine Tugend gemacht und das Musiktheater wird mit den Gymnasien und der Musikschule zusammenarbeiten. Anlass für das Musical gibt das 200-JahreJubiläum der Stadt Friedrichshafen. Der Vorstand erhofft sich so neue Mitglieder zu gewinnen, die auch Interesse an traditionellen Opern zeigen. Ein Anfang machten die letzten Vorstellungen des Vereins, denn in der „Zauberflöte“ konnten rund 800 Schüler gezählt werden. Der Chor bei seiner neusten Inszenierung – „Zauberflöte“(2009) 37 Finanzen Auf das Vereinskonto fließen jährliche Fördergelder der Stadt Friedrichshafen, Spenden und Beiträge der Vereinsmitglieder. Diese Gelder benötigt der Verein zur Vorfinanzierung der OpernAufführungen. Für die Veranstaltungen bemüht sich der Verein um Sponsoren. Dazu gehören u. a.: - Stadt Friedrichshafen - Land Baden-Württemberg - Kunststiftung der Zahnradfabrik Friedrichshafen AG - Kulturstiftung der Landesbank Baden-Württemberg - Sparkasse Bodensee - Zeppelin GmbH - Oberschwäbische Elektrizitätswerke Ravensburg Diese Mittel zusammen mit den Einnahmen aus den Aufführungen reichen jedoch nicht zur Deckung der Ausgabenseite des Veranstaltungskontos. Oftmals ist deshalb der Verein auf die Unterstützung durch Mitglieder angewiesen, die etwas draufzahlen, damit eine Veranstaltung kein Verlustgeschäft wird. Umso mehr ist der Verein auf die Unterstützung der Stadt Friedrichshafen angewiesen, die beim Kulturausschuss des Gemeinderates der Stadt Friedrichshafen beantragt werden muss. 38 Impressum Diese Festschrift wurde für das 30-Jahre-Jubiläum des Musiktheaters Friedrichshafen e.V. im Dezember 2009 geschrieben. Text: Bilder: Layout: Carole Thoma Musiktheater Friedrichshafen e.V. Carole Thoma und Franz Thoma Umschlagfoto: Der Chor des Musiktheaters Friedrichshafen bei „Waffenschmied“ (1983) Kontakt: Musiktheater Friedrichshafen c/o Walter Münich Forchenweg 2 88046 Friedrichshafen www.musiktheater-friedrichshafen.de 39