30 Jahre Musiktheater Friedrichshafen e.V. Festschrift zum Jubiläum

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30 Jahre Musiktheater
Friedrichshafen e.V.
Festschrift zum Jubiläum 2010
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Inhaltsverzeichnis
Seite
Grußwort OB Andreas Brand
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Vorwort Walter Münich
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Die Geschichte des Musiktheaters Friedrichshafen
7
Interview mit Walter Münich
19
Inszenierungen
25
Interview mit Hanspeter Gmür
26
Rosina Ragg, die Frau der ersten Stunde
30
Interview mit David Geary
32
Zukunft
37
Finanzen
38
Impressum
39
3
Grußwort OB Andreas Brand
Zum 30-jährigen Bestehen gratuliere
ich dem Musiktheater Friedrichshafen
e. V. im Namen der Stadt
Friedrichshafen, aber auch persönlich,
auf das Herzlichste. Seit drei
Jahrzehnten leistet das Musiktheater,
leisten die ehrenamtlich tätigen
Mitglieder, einen wertvollen Beitrag für
die kulturinteressierten Menschen in
Friedrichshafen. Aber nicht nur nach
innen hat Kultur Bedeutung für das
Gefüge einer Stadt, sondern auch nach
außen – für den Ruf einer Stadt, für das Renommee.
Aktive Vereine wie das Musiktheater Friedrichshafen e. V. sind ein
Gewinn für unsere Stadt. Gerade in der heutigen Zeit, einer Zeit voller
Veränderungen ist der Verein ein wichtiger Stabilisator. Das
Musiktheater Friedrichshafen steht für das ehrenamtliche Engagement
Einzelner, die Interesse haben, Leidenschaft spüren für die Kultur
dieser Stadt.
Mein aufrichtiger Dank gilt daher an dieser Stelle den Frauen und
Männern, die den Verein in seiner 30-jährigen Geschichte umsichtig
geleitet haben, sowie all denen, die sich in den vergangenen 30 Jahren
uneigennützig in den Dienst des Musiktheaters und damit der
Allgemeinheit gestellt haben.
Ich wünsche dem Musiktheater Friedrichshafen e. V. für die Zukunft
eine weiterhin glückliche und erfolgreiche Entwicklung.
Andreas Brand
Oberbürgermeister
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Vorwort Walter Münich
Friedrichshafen hatte und hat kein
Stadttheater, war aber 1980 im Begriff,
das Graf-Zeppelin-Haus als Kultur- und
Kongresszentrum zu bauen. Diese
Chance zu erkennen und
sangesfreudige, theaterbegeisterte
Laien und kompetente Leute
zusammenzuführen und mit den
jeweiligen Solisten, den Musikern und
Tänzern zu einem Ensemble zu formen,
das war die Leistung der
Vereinsgründer des MUSIKTHEATER
FRIEDRICHSHAFEN (vormals
Theaterspielkreis Friedrichshafen). Hinzu kamen die bildenden
Künstler, Handwerker, Bühnentechniker und viele freiwillige Helfer.
Inspiriert von Neil Armstrong möchte ich sagen: Dreißig Jahre sind
eine kleine Spanne in der Geschichte, aber eine große Spanne in
einem Menschenleben. Sie entspricht einer ganzen Generation, und es
ist ja wahr: Die Gründerväter sind inzwischen Großväter geworden
und stehen vor der Übergabe der Verantwortung an die „Söhne und
Töchter“. Das wird die Herausforderung der kommenden Jahre sein,
wenn der Verein überleben will. Demselben Ziel dient das Vorhaben,
2011 erstmals ein Musical in Zusammenarbeit mit Schulchören zu
produzieren. Mit Freude aufgenommen haben wir deshalb auch die
Entscheidung der Maturandin Carole Thoma, der Tochter unserer
früheren Regieassistentin, sich mit der Geschichte des
MUSIKTHEATER FRIEDRICHSHAFEN zu beschäftigen und diese
Festschrift zu erstellen. Wir hoffen, dass ihre Arbeit die verdiente
Anerkennung finden wird.
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Jubiläen sind jedoch in erster Linie Anlässe zur Rückschau und
Dankbarkeit: Höchste Anerkennung verdienen die beiden
künstlerischen Leiter des Musiktheaters, David Geary und Hanspeter
Gmür, auf deren Kompetenz die Qualität der Aufführungen in den
drei Jahrzehnten unseres Bestehens beruhte. Danken möchte ich neben
den ehrenamtlichen Mitarbeitern im Vorstand und den Fachleuten im
Erweiterten Ausschuss den vielen Mitwirkenden, die seit der
Gründung den Opernchor gestellt haben und über Jahre oder
Jahrzehnte ihre Spielfreude, ihren Arbeitseifer und ihre sängerischen
Fähigkeiten eingebracht haben.
Von Anfang an hatten wir die Unterstützung der Repräsentanten,
Gremien und zuständigen Ämter der Stadt Friedrichshafen, ohne
deren Zuschüsse und Amtshilfe wir nicht existieren könnten.
Namhafte Sponsoren, die an anderer Stelle genannt sind, halfen uns
über die Runden, und die örtliche Presse hat über unsere Arbeit
ausführlich berichtet. Last, but not least, danken wir unserem
Stammpublikum und freuen uns auf viele neue Besucher.
Walter Münich
Vorsitzender und Produktionsleiter
Walter Münich an der Arbeit (links und rechts in der Mitte)
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Die Geschichte des Musiktheaters Friedrichshafen
Alles begann im Jahre 1977. Die Stadt Friedrichshafen stand vor
einem Problem. Man wollte das alljährlich stattfindende Seehasenfest
erst nach den Sommerferien durchführen. Daher musste man jedoch
auf die Schüler und Schülerinnen, die in den Ferien weilten und
während den Ferien keine Lust zum Proben hatten, verzichten.
So kam es, dass der damalige Seehasenvater, Rudolf Schmäh. den
städtischen Musikdirektor und Leiter des Orchestervereins, Paul
Bischof, fragte, ob er nicht eine Oper aufführen könnte. Man einigte
sich auf die Märchenoper „Schneewittchen“ von Franz Schubert. Man
fragte das Orchester und beauftragte Solisten, doch brauchte man
natürlich auch einen Chor. Paul Bischof wandte sich an Pirmin Ragg,
den Kantor der katholischen Kirchengemeinde, welcher zudem mit
der begabten Sopranistin, Rosina Ragg, geb. Braun, verheiratet war.
Das Ehepaar Ragg hatte zu dieser Zeit gerade den Sänger Wolfgang
Pailer aus St. Gallen zu Gast. Dieser wiederum kannte den Sänger,
Schauspieler und Korrepetitor David Geary. Somit fand man auch
schon einen Regisseur.
Nun konnten die Vorbereitungen für die Opern-Inszenierung beginnen
und so zeigte sich bald, dass von der Maske bis zum Bühnenbau alle
nötigen Kräfte vorhanden waren, um in Friedrichshafen Musiktheater
aufzuführen.
Erinnerungen von: Karin Wolf (15 Inszenierungen)
„Die Garderoben in der alten Turn- und Festhalle waren so eng, dass
mein Mann vor jeder Inszenierung zuerst zwei lange Nägel in die Balken
des Flurs schlug und meinte: „Diese Garderobe gehört mir alleine.“ …“
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Die Inszenierung war ein voller Erfolg. Die Friedrichshäfler waren
begeistert und die Akteure vor und hinter der Bühne waren so
fasziniert von dem, was sie selbst zu Stande gebracht hatten, dass sie
beschlossen eine weitere Inszenierung zu wagen.
Und so inszenierte man zum Seehasenfest 1979 die Oper „Wenn ich
König wär“ von Charles Adolphe Adam in der alten Festhalle.
Erinnerungen von: Barbara Redlin (13 Inszenierungen)
„Die Proben waren immer lustig aber auch anstrengend, besonders bei
den Stellproben, die ja oft bis Mitternacht gingen.“
Ab dem Jahre 1980 sollten dann aber keine Märchenopern mehr am
Seehasenfest aufgeführt werden; für das Fest kehrte man wieder zum
Kindertheater zurück. Doch die schon geplante Oper „La Périchole“
von Jacques Offenbach wurde nicht abgesetzt, denn Walter Münich
gründete zusammen mit den Verbliebenen den Theaterspielkreis
Friedrichshafen. Dies war die Geburtsstunde des Vereins! Weiterhin
dabei blieb auch David Geary. Unterstützt wurde er dabei von
Hanspeter Gmür, der neuer städtischer Musikdirektor wurde. Die
Partnerschaft mit dem Orchesterverein und die Mitarbeit der
Ballettschule Inge Keil verhalfen der ersten Produktion des Vereins zu
einem guten Gelingen. Somit war der erste Meilenstein in der
Vereinsgeschichte gesetzt.
Produktion, Sänger und Regie
an der Arbeit für „La Périchole“
(1980)
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Eine kleine Anekdote:
Nach einer Probe von „La Périchole“ musste David Geary, der
gleichzeitig auch am Theater St. Gallen arbeitete, unbedingt in die
Schweiz zu einer Aufführung zurückkehren. Doch es fuhr keine Fähre
mehr über den See und rund um den See zu fahren hätte zu lange
gedauert. Zuerst dachte man, Geary könne mit einem Flugzeug
zurückgeflogen werden, doch dies scheiterte. Darauf fragte man die
Wasserpolizei und den Zoll für eine Überfahrt an – ohne
Genehmigung. Schließlich fand man bei der DLRG wahrhaftig die
Rettung und Geary wurde mit einem Rettungsboot nach Romanshorn
gebracht!
1982 folgt die Aufführung von „die Welt auf dem Monde“ von Joseph
Haydn und 1983 „der Waffenschmied“ von Albert Lortzing.
Szene aus „Waffenschmied“ (1983)
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Das Jahr 1984 war dann ein ganz spezielles Jahr für den
Theaterspielkreis. Man führte das Heimatspiel “Frau Wendelgard“
als Freilichtaufführung an der Uferstrasse auf. Die Uferstrasse diente
bereits 1924 bei der Uraufführung als Kulisse; die Sage der Frau
Wendelgard geht sogar bis ins 11. Jahrhundert zurück. Es war also
eine große Ehre für den Theaterspielkreis dieses Stück, nachdem es 35
Jahre lang nicht mehr gespielt worden war, aufzuführen.
Erinnerungen von: Elisabeth Krüsi Thoma
(Regieassistentin und Abendspielleiterin)
„Als David Geary mir während einer Probe im Stadttheater St.
Gallen zuflüsterte: "Du, ich brauche dich in Friedrichshafen",
wusste ich noch nicht, dass dies der Beginn von tollen
Freundschaften und großartigen Erlebnissen sein würde. Mit
der Fähre fuhren wir über den Bodensee, er besprach mit mir
seine Regie-Ideen zum „Waffenschmied“ und dann standen
wir schon in der Turnhalle und die Probe begann. Ich fühlte
mich von der ersten Probe an bei den Sängerinnen und
Sängern des Chores und auch bei den Solisten akzeptiert,
auch wenn ich manchmal etwas gar vehement und klar das
forderte, was ich im Regiebuch aufgeschrieben hatte. Ich
reiste immer gerne über den See – die Probenatmosphären
waren großartig. Alle gaben ihr Bestes – keine Routinearbeit,
wie ich sie unterschwellig während meiner Hospitanzen am
Opernhaus Zürich erlebte. Persönlich profitierte ich selber
sehr viel von der Aufgabe in Friedrichshafen – ich lernte auf
Leute zuzugehen, zu organisieren, mich durchzusetzen. Wenn
alle gemeinsam etwas wollen, kann Unvergessliches
entstehen, dies und viel mehr habe ich in Friedrichshafen
gelernt. Dafür bin ich dankbar.“
Das Jahr 1985 war ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des
Theaterspielkreises. Das mit Spannung erwartete Graf-Zeppelin-Haus
wurde fertig gestellt und der Theaterspielkreis bekam den Auftrag, zur
Eröffnung die Oper „Orpheus und Eurydike“ zu inszenieren. Doch zu
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einem großen Haus und einer großen Oper gehört auch ein richtiger
Verein. Und so wurde aus dem Theaterspielkreis das Musiktheater
Friedrichshafen e.V., ein Name, der sich hören lässt und der bei den
Einwohnern für mehr Ansehen sorgt. Bei der Gründungsversammlung
wurde Walter Münich zum Vorsitzenden gewählt. Und als
Produktionsleiter bildete er zusammen mit dem Musikdirektor
Hanspeter Gmür und Regisseur David Geary den künstlerischen
Hauptausschuss.
Mit der Inszenierung von
„Orpheus und Eurydike“
zeigte der Verein, dass er
nicht nur komische Opern
inszenieren kann; den
Erfolg merkte man an der
Anzahl verkaufter Karten vier Mal ein volles Haus!
Für die Kostümbildnerin,
Ursula Sieger, war es die
letzte Produktion, doch sie
hatte nochmals richtig viel
Graf-Zeppelin-Haus
zu tun, denn insgesamt
wirkten 250 Leute vor und
hinter der Bühne an der Aufführung mit.
Ab 1985 folgte alle zwei Jahre eine Inszenierung einer Oper.
Aufführungsort ist seither immer das imposante Graf-Zeppelin-Haus
und nicht mehr die alte Turn- und Festhalle.
Szenen aus „Orpheus und Eurydike“ (1985)
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Die zweite Oper im Graf-Zeppelin-Haus war die „Schöne Helena“
von Jacques Offenbach. Die Oper hatte großen Unterhaltungswert,
nicht zuletzt dank der vielen witzigen Regieeinfälle von David Geary.
Mit der Offenbachiade kam auch die Zusammenarbeit mit der
Kostümbildnerin Johanna Weise aus St. Gallen. Dank ihr hatte das
Musiktheater nun Zugriff auf Kostüme und kam so einen Schritt
weiter zur Professionalität.
Applaus für „Schöne Helena“ (1987)
Erinnerungen von: Manfred Glaser (19 Inszenierungen)
„Ein lustiges Erlebnis war 1987 bei der „Schönen Helena“. Die
Inszenierung von David Geary sah vor, dass in einer Szene Menelaus,
Orest, Kalchas Achilles, sowie die beiden Muskelprotze von Krieger
Ajax I. und Ajax II. (dessen Rolle ich spielen durfte) vorne am
Bühnenrand nebeneinander stehen und allesamt gemeinsam quer
vor sich eine lange Lanze hielten. Und dann wurde die Lanze von
allen nach oben über den Kopf gehoben, so hoch es ging. Da nun der
Achilles etwas kleiner von Statur war als alle anderen, hing er dann
an der Lanze und baumelte mit den Füßen im Freien, was natürlich
beim Publikum große Heiterkeit auslöste.“
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Für diese Professionalität sorgte sicher auch das Bühnenbild des
Kunstmalers und Grafikers Hermann Feierabend aus Friedrichshafen.
Dank all dieser helfenden Hände zählt auch diese Oper zu den
Highlights des Vereins.
Erinnerungen von: Karin Wolf (15 Inszenierungen)
„Wir amüsieren uns heute noch über Elisabeth Krüsis Satz: „Ich sehe
immer nur Ärsche“, nachdem es immer welche von uns nicht schafften,
nach vorne zu schauen.“
1989 wird „Martha“ von Friedrich von Flotow gespielt. Und 1990
folgt eine konzertante Aufführung von Haydns „Orfeo und Eurydice.“
Im Jahre 1991 war die zehnte
Aufführung an der Reihe. Aus
diesem Anlass führte der Verein
zum ersten Mal die
„Zauberflöte“ von Wolfgang
Amadeus Mozart auf. Wieder
einmal zeigte sich, dass ganz
Friedrichshafen Freude an so
bekannten Opern hat. Das
Musiktheater zählte insgesamt
Hermann Feierabend gestaltet „Zauberflöte“
5400 Besucher.
1992 wirkte der Verein in Friedrichshafen sowie auch in Konstanz
konzertant an Neujahrskonzerten mit.
Erinnerungen von: Evmarie Staden (Regieassistentin und
Abendspielleiterin)
„Bei unserer ersten Zauberflöte trat ich als Regieassistentin an und
David Geary gab mir mit einem Augenzwinkern zu verstehen, dass nun
meine Hauptaufgabe war, an allem Schuld zu sein. …“
Eine weitere qualitative Veränderung kam zwei Jahre später auf den
Verein zu. Die Trennung vom Orchesterverein sorgte dafür, dass
Hanspeter Gmür die Operette „Boccaccio“ von Franz von Suppé mit
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einer ausgesuchten
Orchesterbesetzung
bestritt. Das Bühnenbild
war eine Leihgabe aus
Vaduz. Aus
Kostengründen beschloss
man, wenn immer
möglich, die ganze
Ausstattung jeweils
auszuleihen.
Fröhliche Runde hinter der Bühne bei
„Boccaccio“ (1993)
Zum zehnjährigen Jubiläum führte der Verein die Lortzing-Oper „Zar
und Zimmermann“ auf, die zum zweitgrößten Erfolg in der
Vereinsgeschichte wurde. Das zehnjährige Jubiläum des Vereins
sowie des Graf-Zeppelin-Hauses wurde mit einer Ausstellung und
einer konzertanten Aufführung von beliebten Opernchören gefeiert.
Starke Männer bei „Zar und Zimmermann“ (1995
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Erinnerungen von: Evmarie Staden (Regieassistentin und
Abendspielleiterin)
„In der 2. Vorstellung der „Verkauften Braut“ kam „Wenzel“ nach
seinem 1. Auftritt entsetzt von der Bühne, seine Hose war im Schritt
gerissen. … Er musste bald wieder raus, die Schneiderin hatte keine
Chance, dieses Malheur korrekt zu beheben. Also nahm ich zur Abhilfe
Sicherheitsnadeln und „Wenzel“ ging unsicher bis verklemmt zur
nächsten Szene raus.“
1997 folgte „Die verkaufte Braut“ von Bedrich Smetana. Auch diese
Inszenierung war wiederum ein Erfolg. Die Schwäbische Zeitung
(Tettnang) berichtete am 17. März 1997:
„Das Premierenpublikum spendete begeisterten Applaus, Bravorufe
dankten den Solisten: Mit einer musikalisch vorzüglichen Aufführung
von Friedrich Smetanas komödiantisch bunter, heiterer Musizieroper
"Die verkaufte Braut" hat das Musiktheater Friedrichshafen wieder
einmal gezeigt, wie ansteckend die Freude am gemeinsamen
Musizieren, Singen und Spielen sein kann.“
Erinnerungen von: Günter Reich (Requisite, SpezialEffekte, Webmaster, Statist)
„Während der Stellprobenphase werde ich von der Regieassistenz
gefragt, ob ich als Statist mitmachen wolle. Es gäbe ein paar Auftritte
für Männer, die nicht singen müssten. Ich zögere nicht lange, sage zu
und bin ab sofort bei allen Chorproben dabei. Eine meiner Aufgaben
ist es dann, eine halbe Stunde beinahe bewegungslos als Wachposten
auf einem Wachturm zu stehen. Seitdem weiß ich dann aus eigener
Erfahrung, warum die Statisten „Statisten“ heißen!“
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1999 folgte – wie viele Kenner urteilen - David Gearys beste
Inszenierung. „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Für die
romantische deutsche Oper lieh das Musiktheater Kostüme und
Dekoration vom Staatstheater Mainz aus. Die Oper „Der Freischütz“
kann man als weiteren wichtigen Meilenstein in der Geschichte des
Musiktheaters Friedrichshafen sehen.
Nach der Jahrtausendwende führte der Verein im Jahr 2001 zum
dritten Mal eine Oper von Jacques Offenbach - „Hoffmanns
Erzählungen“- auf, und im Jahr 2002 nahm der Verein erneut an den
Neujahrskonzerten teil.
Erinnerungen von: Brigitte Kahmann (7 Inszenierungen)
Zu Hoffmanns Erzählungen:
„… es war doch sehr erheiternd, als der im Sarg liegende Dapertutto
nichts hörte – und deshalb nicht rauskam oder zu früh erschien und die
schwäbische Mundart ständig dem Chor zum Verhängnis wurde - die
Textworte wurden zu einer ganz originellen schwäbischen Ausführung.
„Hoffmanns Erzählungen;“ (2001) links: Michael Junge als „Bösewicht“
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2003 war ein weiteres nennenswertes Jahr. Mit der Inszenierung der
„Fledermaus“ von Johann Strauss (Sohn) - sie gilt als die „Königin
der Operette“ - traf der Verein ins Schwarze. Vor allem der Auftritt
von Dirigent Hanspeter Gmür als Gefängniswärter Frosch stieß auf
Begeisterung. Auch Regisseur David Geary wirkte selber als
Gefängnisdirektor Frank mit, und die Dekoration des Theaters Arth
(Schweiz) passte auch wunderbar.
Festliche Szene aus
„Fledermaus“ (2003)
Erinnerungen von: Dorothee Schulz-Nowitzki
(3 Inszenierungen)
„Kurz vor der Premiere zu "Fidelio" erwachte ich eines Tages - der
Wecker zeigte 6 Uhr - sprang aus dem Bett und zog mich rasch an, da
ich in einer Viertelstunde bei meiner Mitsängerin sein wollte, um sie
abzuholen. Wir sollten um 19 Uhr zur Hauptprobe in Friedrichshafen
sein. Nachdem ich alles gerichtet hatte, wunderte ich mich, dass es
draußen so dunkel war. Als ich auf die Uhr sah, war es nach 6 Uhr morgens - nicht am Abend!“
Im Jahre 2005 wurden gleich zwei Jubiläen gefeiert. Zum einen das
25-jährige Bestehen des Musiktheater Friedrichshafen e.V. und zum
anderen das Beethoven-Jubiläum. Aus diesem Anlass führte man
„Fidelio“, die einzige Oper von Ludwig van Beethoven, auf.
Verstärkt durch den ALCAN-Madrigalchor gelang ein weiterer
Meilenstein.
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Nach drei Jahrzehnten verabschiedete sich der Regisseur David Geary
mit der Inszenierung der komischen Oper „Der Wildschütz oder die
Stimme der Natur“ von Albert Lortzing. Der Regisseur, der von
Anfang an dabei war, inszenierte jede Produktion mit sehr viel
Feingefühl fürs Detail und konnte damit große Erfolge feiern. Sein
Abschied wurde demzufolge auch gebührend gefeiert.
Erinnerungen von: Volker Gosche (3 Inszenierungen)
„Während der Wildschütz-Ouvertüre soll ein Büchsenschuss durch den
Saal hallen; aber trotz aller Anstrengungen seitens der Regie und der
Spielleitung ertönte nur ein mittellautes Pfffffffffffffffffft – schade.“
Im vergangenen Jahr gab nun die neue Regisseurin, Doris
Heinrichsen, mit ihrer ersten Inszenierung ihren Einstand. Zum
zweiten Mal wurde die „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus
Mozart aufgeführt. Damit hatten am Schluss der Oper nicht nur
Papageno und Tamino ihre Prüfungen bestanden, sondern auch die
Regisseurin Doris Heinrichsen, knüpfte sie doch nahtlos an die Arbeit
von David Geary an.
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Interview mit Walter Münich
Vorsitzender, Chorsänger und Produktionsleiter des Musiktheaters
Friedrichshafen e.V.
Was bewog Sie dazu, nach den Auftritten am Seehasenfest 1978
und 1979, den Theaterspielkreis zu gründen?
Ich habe durch diese beiden Aufführungen an den Seehasenfesten 78
und 79 gesehen, dass in Friedrichshafen die Kräfte vorhanden sind,
um Oper oder Musiktheater zu machen. Das Einzige, was wir nicht
hatten, war ein Regisseur. Und deswegen sind wir auf David Geary
gekommen, der zuvor die Seehaseninszenierungen schon gemacht
hatte als Gastregisseur.
Ich war natürlich total frustriert, dass das nun wieder vorbei sein
sollte. So habe ich den Oberbürgermeister angesprochen und gesagt:
"Es ist eine Sünde, eine Todsünde, wenn man so etwas wieder in der
Versenkung verschwinden lässt". Darauf hat der Oberbürgermeister
geantwortet: "Ja, dann nehmen Sie es doch in die Hand, macht euch
doch unabhängig vom Seehasenfest."
Durch diese Ermutigung des Oberbürgermeisters und durch die eigene
Begeisterung habe ich den Mut und die Energie gehabt, diesen
Theaterspielkreis in die Hand zu nehmen, damit es weitergehen
konnte und damit auch die Leute zusammenblieben und das Ganze
nicht wieder auseinanderläuft und in der Versenkung verschwindet.
Was war Ihre Lieblingsinszenierung? Und warum?
Die Frage nach meiner Lieblingsinszenierung ist unheimlich schwer
zu beantworten. Die erste Inszenierung auf eigenen Beinen war „La
Périchole“ von Jacques Offenbach. Das war so etwas wie die erste
Liebe. Dazu kam, dass genau in diesem Jahr Herr Gmür nach
Friedrichshafen gekommen ist. Da haben wir erfahren, hier kommt
einer, der Opernspezialist ist. Das hat uns mit unheimlichem Stolz
erfüllt, so dass wir in diesem Jahr, in dem beim Seehasenfest wieder
das Kindertheater stattfand, im Oktober unsere erste Oper inszeniert
haben. Wir haben uns unheimlich ins Zeug gelegt, und jeder hat das
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Letzte aus sich herausgeholt, um diese Périchole-Aufführung
durchzuziehen und der Bevölkerung und uns selber zu beweisen, wir
können das auch ohne Seehasenfest. Andererseits war der
„Waffenschmied“ 1983 die erste Oper, bei der wir gewusst haben, wir
können auf ziemlich professionellem und hohem Niveau Oper
machen. Da waren kompetente Leute und die künstlerische Leitung
war optimal für unsere Verhältnisse. Das hat gepasst. Deswegen weiß
ich nicht, wie ich diese Frage beantworten soll.
Welches sind die größten Hürden ohne Opernhausstrukturen
Operninszenierungen zu produzieren und zu organisieren?
Der schwierigste Faktor ist die Zeit. Wir produzieren nur alle zwei
Jahre, weil jedes Jahr zu viel wäre. Man würde sich kaputt machen,
viele von uns sind schließlich auch noch berufstätig. Eine weitere
große Hürde sind die Proberäume. Der organisatorische Aufwand,
geeignete Räume zu finden, ist unheimlich groß. Früher war es am
Leichtesten, die Chorbesetzung zustande zu bringen, was in der
Zwischenzeit auch schwieriger geworden ist, denn wir erwarten heute
von den Leuten, die wir neu im Opernchor aufnehmen, dass sie
mindestens eine einfache Gesangsausbildung haben. Ein weiteres
großes Problem ist das Bühnenbild. Wir haben es nun so gelöst, dass
wir meistens schon vorhandene Bühnenbilder von anderen Theatern
ausleihen oder abkaufen.
Auch die Finanzierung ist natürlich immer eine Zitterpartie, die gehört
zu den größten Hürden. Wir müssen immer schauen, wo wir das Geld
herkriegen.
In welchen der drei Rollen (Vorsitzender, Produktionsleiter und
Chorsänger) fühlen Sie sich am wohlsten?
Am wohlsten fühle ich mich natürlich, wenn ich im Opernchor auf der
Bühne stehe. Das Ganze, die organisatorische und die wirtschaftliche
Seite meiner Arbeit, das ist ja alles nur Vorarbeit. Wir wollen eine
Oper auf die Bühne bringen. Und auf der Bühne agierend, singend
und spielend dabei zu sein, im Kostüm in der Szene mitsingen und
mitwirken zu können, das ist gewissermaßen das Endziel.
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Als Produktionsleiter haben Sie die Aufgabe, die Solisten und
Regisseure für die verschiedenen Produktionen auszuwählen. Wie
verläuft eine solche Anstellung?
Früher war es so, dass wir nach Solisten suchen mussten, die bereit
waren, bei einem Opernverein aufzutreten. Weil wir in der
Zwischenzeit auch eine Homepage haben, geht es leichter; die
Solisten melden sich bei uns und fragen, ob wir nicht eine Partie frei
hätten. Wenn jetzt da drin steht, dass wir „Zauberflöte“ machen
wollen, dann bewerben sich sechs, sieben Sängerinnen für die Rolle
der Pamina oder für den Sarastro oder den Prinzen Tamino.
Neuerdings kriegen wir mehr Bewerbungen als uns lieb ist, so haben
wir letztes Jahr ein aufwändiges Casting organisiert.
Wie viele Personen sind insgesamt an einer Operinszenierung
beteiligt, im Vorder- und Hintergrund?
Chor, Solisten, Funktionsträger, Bühnentechniker,
Kostümschneiderinnen und Hilfsdienste wie Schminkhelferinnen und
Maskenbildner, usw. So kommen im Durchschnitt 120 Personen
zusammen.
Sagen Sie etwas zum Zeitplan vom Beginn einer Produktion bis
zur Dernière.
Die künstlerische Leitung muss sich auf einen Vorschlag einigen, was
sie als nächstes aufführen möchte und muss mit diesem Vorschlag in
die Mitgliederversammlung gehen, dort die Mitglieder überzeugen,
dass es eine gute Sache wäre, diese oder jene Oper zu inszenieren und
aufzuführen. Und dann benötigt das Ganze üblicherweise 15 Monate
Vorlaufzeit bis zur Premiere. Bei der „Zauberflöte“ 2009 war es ein
längerer Zeitraum, weil wir da auch noch das Casting für die Regie
veranstalteten, so dass wir sogar 18 Monate benötigten.
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Woher nehmen Sie Ihre Energie, um nach 30 Jahren immer noch
Vorsitzender des Vereins zu sein?
Der Erfolg gibt einem nicht nur Recht, sondern er gibt einem auch
unheimlich viel Motivation und Kraft. Diese Arbeit, in die ich
hineingewachsen bin, hat sich gelohnt, denn es wurde nicht nur für
den Verein eine Erfolgsgeschichte, sondern auch für mich selber.
Dazu kommen die lieben Vorstandskollegen, die einem auch einen
Teil der Arbeit abnehmen.
So lang ich Kraft habe und auch als Pensionär das noch leisten kann
mit dem Freundes- und Mitarbeiterkreis zusammen, so lange mache
ich das gerne. Und zu guter Letzt muss ich natürlich sagen, dass es
nicht gehen würde, wenn die eigene Frau nicht dahinter stehen und
das Ganze mittragen würde. Sie muss in Zeiten, in denen das nächste
Musiktheater produziert wird, schon auf Vieles verzichten können und
auch zulassen, dass ihr Mann mitwirkt.
Der liebe Gott hat mir die Gesundheit und die Kraft gegeben, aber ich
denke intensiv daran, wie es weitergehen könnte und plane meinen
Rückzug.
Walter Münich bei einer „Orpheus“-Probe
24
Inszenierungen
1978
1979
1980
1982
1983
1984
1985
1987
1989
1991
1993
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
Schubert / Magg:
Adam:
Offenbach:
Haydn:
Lortzing:
Eggert:
Gluck:
Offenbach:
Flotow:
Mozart:
Suppé:
Lortzing:
Smetana:
Weber:
Offenbach:
J. Strauss:
Beethoven:
Lortzing:
Mozart:
Schneewittchen
Wenn ich König wär
La Périchole
Die Welt auf dem Monde
Der Waffenschmied
Frau Wendelgard
Orpheus und Eurydike
Die schöne Helena
Martha
Die Zauberflöte
Boccaccio
Zar und Zimmermann
Die verkaufte Braut
Der Freischütz
Hoffmanns Erzählungen
Die Fledermaus
Fidelio
Der Wildschütz
Die Zauberflöte
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Interview mit Hanspeter Gmür
Musikdirektor des Musiktheater
Friedrichshafen e.V.
Was bewegt Sie, seit bald einmal 30 Jahren
mit dem Musiktheaterverein
Friedrichshafen zusammenzuarbeiten und
wie kam es zur Zusammenarbeit?
Das hat sich so ergeben. Als ich als städtischer
Musikdirektor und Leiter der Musikschule
nach Friedrichshafen kam, ist man an mich herangetreten und fragte
mich, ob ich bereit wäre, mit den Leuten, die zwei Jahre vorher
begonnen hatten, zusammen Musiktheater zu machen.
Als Musikdirektor leitete ich ja auch den Orchesterverein. Ich komme
ja vom Theater. Ich habe im Theater in St. Gallen angefangen und
dann war ich in Klagenfurt zuerst 1. Kapellmeister und danach Chef.
Also hatte ich Erfahrung mit der Oper und der Operette. Die ganze
Geschichte ist ja eine Erfolgsgeschichte bis auf den heutigen Tag.
Auch nach der Trennung vom Orchesterverein arbeitete ich mit dem
Musiktheater weiter.
Wie stellen Sie das heutige Orchester zusammen?
Mit Musikerinnen und Musikern des ehemaligen Schlosshoforchester
und mit Leuten, die durch das Musiktheater jeweils für die laufende
Produktion angefragt werden.
Sind das Laien oder Profis?
Das sind zum größten Teil Profis, bzw. Lehrer an Musikschulen,
wenig Musikstudenten oder sehr fortgeschrittene Schüler aus der
Musikschule.
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Wie ist die Zusammenarbeit, was ist der Reiz oder das Spezielle
an der Arbeit mit dem Orchester, dem Laienchor und den
Profisängerinnen und –sängern?
Was reizt? Ich versuche, und das ist auch das Ziel des Musiktheaters,
es möglichst professionell zu machen. Mein Ziel war und ist es, mit
wirklich guten Leuten, aber auch mit Nachwuchsleuten vor allem bei
den Solisten und auch im Orchester, professionell zu arbeiten.
Der Chor ist der Stamm des Ganzen. Der Chor ist der eigentliche
Träger des Musiktheaters, die Solisten werden dazuengagiert.
Spaß hat mir diese Arbeit immer gemacht, natürlich vor allem bei den
guten Produktionen.
Ich habe immer das Ziel, es mindestens so gut zu machen, damit es
mindestens dem Niveau eines mittleren Provinztheaters entspricht. Ich
versuche immer das Optimale herauszuholen, und ich darf sagen, das
ist mir meistens gelungen.
Können Sie etwas zum zeitlichen Ablauf der musikalischen
Einstudierung sagen?
Musiker und Solisten erhalten die Noten zum Selbststudium zu Hause.
Wie mit professionellen Leuten gibt es dann acht Proben im Orchester
– meistens vier Orchesterproben an einem Wochenende und das
zweimal. Da ist das Orchester noch allein.
Mit den Solisten mache ich Einzelproben und in den verschiedenen
Ensembles.
Der Chor wird von einem Chordirektor einstudiert.
Nach dieser Vorbereitung müssen alle zusammengeführt werden. Das
geschieht in den sogenannten Sitzproben, an denen noch nicht
szenisch gespielt wird. Meistens gibt es zwei solche Sitzproben, die
ich leite.
Dann geht es auf die Bühne. Hat die Oper beispielsweise vier Akte,
werden an einer Probe zwei Akte probiert. In der Regel sind das dann
zwei normale Bühnenproben mit der ganzen Besetzung. Danach gibt
es eine Haupt- und eine Generalprobe.
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Bei vielen normalen Bühnenproben, bei denen ein Korrepetitor die
Sängerinnen und Sänger am Klavier begleitet, bin ich dabei. So kenne
ich den szenischen Ablauf, weiß in welcher Position alle stehen, damit
ich dann die nötige Unterstützung vom Dirigentenpult aus geben kann.
Das ist mir sehr wichtig und für eine gute Zusammenarbeit zwischen
Regisseur und Dirigent auch erforderlich. So kann das musikalische
und szenische Zusammenspiel gelingen und eine gute Professionalität
erreicht werden.
Können Sie auf die Regie Einfluss nehmen?
Es kann Situationen geben, in denen ein Sänger beispielsweise zu weit
hinten steht und ich aus der Erfahrung weiß, dass sein Gesang dadurch
nicht über die Rampe kommt. Dann greife ich ein und suche
zusammen mit der Regie eine andere Lösung.
In der „Zauberflöte“ hatte die Regisseurin die drei Knaben sehr schön
arrangiert, es war ein tolles Bild. Aber die Knaben sagten mir, dass sie
sich gegenseitig nicht hören könnten und da mussten andere
Positionen gefunden werden.
Ich kenne natürlich die Opern auch sehr gut. Manchmal kann ich auch
helfen und Tipps geben, die vom Musikalischen her bedingt sind. Da
ich ja auch selber als Regisseur tätig war, verstehe ich auch von
diesem Geschäft etwas. Aber nie will ich den Regisseur bevormunden,
dieser muss sein Konzept selber auf der Bühne umsetzen.
30 Jahre Musiktheater Friedrichshafen sind eine lange Zeit mit
verschiedensten Inszenierungen. Welche davon war Ihre liebste?
Und warum?
(lacht) Die Frage, welche Inszenierung ich nicht so gerne gemacht
habe, wäre einfacher zu beantworten. Ich muss vorausschicken, dass
fast alle Opern oder Operetten, die wir in Friedrichshafen inszenierten,
zu meinem Repertoire gehören. Deswegen ist es schon schwierig zu
sagen, welche mir denn die liebste war.
Mozarts „Zauberflöte“ haben wir ja zweimal gemacht, die erste
Inszenierung mit David Geary und die zweite mit Doris Heinrichsen.
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Vom Musikalischen her war mir die zweite Inszenierung lieber. Wenn
ich mir die CD der zweiten Inszenierung anhöre, bin ich jedes Mal
perplex, wie gut die Ouvertüre klingt. Das macht viel Freude.
Was mir natürlich besonders Spaß gemacht hat, war die
„Fledermaus“. Eine schöne Inszenierung und ein schönes
Bühnenbild; da hat einfach alles gestimmt. Dabei ging ja auch ein
Traum von mir in Erfüllung: Ich konnte die Rolle des Froschs selber
spielen. Natürlich löste ich bei der Besprechung der
Rollenbesetzungen zuerst einmal lange Gesichter aus, als ich meinen
Wunsch, den Frosch selber zu spielen, aussprach. Der Frosch ist ja
immer dann auf der Bühne, wenn das Orchester meistens nicht spielt.
Die wenigen Passagen, die noch bleiben, schafften die Musiker auch
ohne Dirigenten.
„Fidelio“ war auch eine tolle Inszenierung.
Es macht immer dann Spaß, wenn alles zusammen stimmt, von der
Bühne her, von der Besetzung her. Es gab viele Höhepunkte, dagegen
nur wenige Dinge, die nicht so herauskamen, wie geplant.
Dirigent Hanspeter Gmür - Nach und während der Arbeit
29
Rosina Ragg, die Frau der ersten Stunde
Wo ist der Vater zwölf Jahre jünger als die
eigene Tochter? So etwas gibt es nur auf
der Opernbühne – genau dies war aber der
Fall, als Rosina Ragg die Marie, Tochter
des Waffenschmieds und Thomas Jesatko
den Waffenschmied Stadinger in der
gleichnamigen Oper "Der Waffenschmied"
von Lortzing verkörperte. Da hat die
Maskenbildnerin große Arbeit geleistet,
den jungen Waffenschmied auf alt zu
schminken, erinnert sich Rosina Ragg. Sie
war die Frau der ersten Stunde des
Musiktheatervereins Friedrichshafen. In der
ersten Aufführung der Märchenoper
"Schneewittchen" sang sie die Titelpartie.
Bei der Einstudierung dieses Werks
merkten die Sängerinnen und Sänger, dass
ein Regisseur her musste. Und so war es
denn Rosina Ragg, die damals im Jahr 1978
ein erstes Telefongespräch mit David Geary
führte, um ihn nach Friedrichshafen zu
holen.
… und als Schneewittchen
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Sie selber schrieb
uns für diese
Rosina Ragg als Marie in
Festschrift:
„Waffenschmied“ …
"Herzlichen
Glückwunsch zu 30 Jahren Vereinsgeschichte!
Wer hätte gedacht, dass mit „Schneewittchen“
ein Grundstein von solcher Tragfähigkeit
gelegt wird. Als damals der Seehasenvater Dr.
Schmäh seinen (Geld-)Segen zu Paul Bischofs
Idee gab und David Geary seine Mitwirkung
zusagte, konnte die Arbeit beginnen.
Jeder Aktive weiß, dass intensives Engagement für solch eine Sache
nicht nur von Vorfreude begleitet wird, sondern auch von
Unsicherheit und Zweifeln. Aber die Bereicherung durch eine
gelungene Aufführung und die Anerkennung durch das Publikum
verleiht dann Flügel zu weiteren Unternehmungen. Deshalb mein
großes Kompliment für die getane Arbeit und Freude, sowie gutes
Gelingen für die noch kommenden Aufführungen!"
Ohne Probenarbeit ginge auf der Bühne gar nichts! Selbst auf dem
Bild einer Probe (links oben) spürt man, dass Rosina immer mit Herz
und Seele dabei war.
Es war für alle eine Ehre, mit der Gluck-Oper „Orpheus und
Eurydike“ das Graf Zeppelin- Haus einzuweihen, für Rosina, als
Eurydike war es zugleich eine tolle und bereichernde Zusammenarbeit
mit Gabi Blum, die den Orpheus sang.
Der erste Auftritt im Graf-Zeppelin-Haus – als Eurydike
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Interview mit David Geary
Ehemaliger Regisseur des Musiktheaters Friedrichshafen e.V.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem
Musiktheater Friedrichshafen e. V.?
Es fing an, bevor es das Musiktheater
Friedrichshafen überhaupt erst gab. Das war
im Jahr 1978. Ich hatte gerade meine erste
Inszenierung an der Kammeroper in St.
Gallen gemacht. Über mich erschien ein
Artikel in einer Zeitung. Dies las ein Sänger,
der in Friedrichshafen für die Aufführung
der Oper "Schneewittchen" von Schubert
probte. Dort wurde nämlich noch ein Regisseur gesucht, und so erhielt
ich einen Anruf von Rosina Ragg. Gerne nahm ich dieses Engagement
an. Anlässlich des Seehasenfestes wurde das Stück dann aufgeführt.
Wir hatten Erfolg. Im Jahre darauf inszenierte ich mit den gleichen
Leuten die Oper "Wenn ich König wär" von Adam. Das war der
Anfang einer tollen Zusammenarbeit.
Das Seehasenfest wurde 1980 wieder von der Schule aus organisiert.
Aber unter den Leuten, die bei den ersten beiden Inszenierungen
mitgemacht hatten, war etwas im Entstehen. Und als dann Herr
Hanspeter Gmür die Leitung der Musikschule Friedrichshafen
übernahm, hatten wir auch gleich einen Dirigenten für unsere
Inszenierungen gefunden. So hatten wir beschlossen, im Jahr 1980 die
Oper "La Périchole" von Offenbach zu inszenieren.
Was ist für Sie das Wichtigste bei einer Operninszenierung?
Worauf legen Sie Ihr Augenmerk?
Als Regisseur muss man einen klaren Standpunkt einnehmen und
genau wissen, was man aus dem Stück herausbringen will. In dem
Sinne bin ich ein konventioneller Regisseur. Für mich ist es sehr
wichtig, dass es Leben gibt auf der Bühne.
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Meiner Meinung nach ist die Hauptaufgabe des Regisseurs, die
Darsteller so zu führen, dass sie überzeugend auf der Bühne stehen.
Einmal erhielt ich eine Kritik, die mir anlastete, dass alles auf der
Bühne etwas statisch sei, die Darsteller wurden in ihren Rollen aber
gleichzeitig hoch gelobt. Was will ich als Regisseur mehr?
Ich denke: "Wenn es lustig sein soll, soll es auch lustig sein, aber nicht
billig."
Es gibt heute viele Regisseure, gerade bei Operetten, die wahnsinnig
Angst vor Gefühlen auf der Bühne haben. Heute gibt es Statisten, die
Sex machen in allen möglichen und unmöglichen Variationen, aber
das Liebespaar eines Stücks darf sich bloß nicht anrühren, die müssen
gemäß Regieanweisung so weit weg voneinander stehen wie nur
möglich! Das ist in meinen Augen Blödsinn.
Und wenn ein Stück ernsthaft ist, so soll es auch ernsthaft inszeniert
werden.
Konnten Sie Einfluss nehmen auf die Besetzung der Rollen?
Ja sicher, meistens haben wir uns zusammen abgesprochen und
meistens gab es auch ein Vorsingen. Da waren Walter Münich und
Hanspeter Gmür dabei. Wir hatten auch einige Male
Wunschkandidaten, doch wir wurden uns immer einig.
Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Schwierigkeiten bei
einer Inszenierung?
Das größte Problem ist immer, die Leute zu den Proben
zusammenzukriegen.
Aber es ist eigentlich schwierig, diese Frage zu beantworten.
Manchmal findet man keinen richtigen Zugang zum Stück, dann fällt
mir das Inszenieren nicht leicht. Manchmal sind auch Sänger falsch
besetzt oder es gibt Darsteller, die sich querstellen.
Selbstverständlich gibt es bei jeder Inszenierung gewisse
Schwierigkeiten. Oft hat man auch zu wenig Gelegenheit, auf der
Hauptbühne zu proben.
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Junge Sängerinnen und Sänger bekamen in Friedrichshafen die
Gelegenheit, Bühnenerfahrungen zu sammeln. Was bedeutete das
für Ihre Arbeit?
Zunächst ist das eine sehr gute Sache. Ich habe oft Leute getroffen, die
sehr begabt sind. Es machte mir immer große Freude, wenn ich bei der
Arbeit merkte, dass ich jemanden führen kann und dieser dann
profitiert.
Ich finde es wichtig, dass junge Leute die Chance erhalten, auf der
Bühne anzufangen.
Natürlich macht es auch Spaß, wenn man Leute mit Erfahrung hat.
Aber unter den Erfahrenen gibt es solche, die eine Rolle schon
mehrmals gesungen haben und dann sehr unflexibel sind. Da ist es mir
lieber, mit Leuten zu arbeiten, die auf meine Regieanweisungen
angewiesen sind und diese dann auch umsetzen.
Wenn ich aber merke, dass ein Darsteller keinen Fuß vor den andern
setzen kann, wird die Probenarbeit auch sehr zeitraubend.
Im Grunde genommen ist Inszenieren eine tolle Sache, Hauptsache die
Leute sind willig, aufnahmefähig und bereit.
Erzählen Sie etwas über die Zusammenarbeit mit dem Chor, der
eigentlichen Stütze des Musiktheaters!
Ja das ist wirklich wahr, der Chor war immer die größte Stütze bei
jeder Inszenierung. Die Arbeit mit dem Chor ist immer sehr erfreulich
gewesen.
Wir kannten uns durch die Jahre. Aber es gab auch immer wieder
neue Chormitglieder, Gott sei Dank. Die waren immer sehr offen und
sehr flexibel und sehr begeistert.
Mit dem Chor war es wirklich immer eine große Freude.
Natürlich hatten wir am Anfang eine besondere Atmosphäre, die
vielleicht ein bisschen verloren gegangen ist durch die Jahre. Am
Anfang war es besonders, weil wir eigentlich alle zusammen etwas
Neues geschaffen haben.
Die Neuen können einsteigen in eine Situation, bei der schon alles
läuft.
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Am Chor habe ich den tollen Zusammenhalt immer bewundert. So
etwas findet man nicht überall. Das ist in Friedrichshafen einmalig.
30 Jahre Musiktheater Friedrichshafen sind eine lange Zeit mit
verschiedensten Inszenierungen. Welche davon war Ihre liebste?
Und warum?
Bei jeder Premiere war und bin ich eigentlich von der Inszenierung
überzeugt.
Grosse Freude hatte ich bei der Inszenierung der Operette "Die schöne
Helena" von Jacques Offenbach im Jahre 1987. Diese Operette ist
eigentlich ein ganz schwieriges Stück. Ich habe für dieses Stück die
Fassung umgeschrieben. Zuerst wollte ich eigentlich nur ein paar
Sätze umschreiben, am Schluss hatte ich eine vollständig neue
Fassung geschrieben. Dann kam noch eine gute Besetzung dazu und
am Schluss war das eine erfreuliche Sache geworden.
Beim "Freischütz" kam wirklich das raus, was ich wollte. Zuerst
wollte ich eigentlich einen großen Portalschleier haben, um die
Wolfsschlucht besser inszenieren zu können. Den bekam ich dann
nicht und nachher war ich heilfroh gewesen. Denn das brachte mich
auf eine andere Lösung. Anstatt Samiel (das ist ohnehin eine
Sprechrolle) und die Geistererscheinungen auftreten zu lassen, machte
ich alles nur akustisch.
Alles was man nicht sieht - so auch in Gruselfilmen - ist gruseliger.
Das Monster ist immer schlimm, bis man es gesehen hat.
Wo ich auch ganz glücklich war, ist die Giuliettaszene in „Hofmanns
Erzählungen“, weil ich glaube, dass niemand bis jetzt auf die Idee
gekommen ist, daraus eine Vampirszene zu machen. Giulietta soll
Hoffmanns Spiegelbild rauben. So lag das nahe, Vampire haben kein
Spiegelbild.
Natürlich, jede Inszenierung hatte etwas Besonderes. Aber ich würde
sagen, wenn ich etwas hervorheben muss, waren es diese drei.
Was aber auch speziell lustig war, war die "Fledermaus", weil es
einmalig war, dass Dirigent und Regisseur auch als Darsteller auf der
Bühne waren.
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Als wir zur Besetzung kamen, sagte uns Hanspeter, dass er gerne
selber einmal den Frosch spielen würde, da habe ich geantwortet:
"Wenn du den Frosch spielst, mache ich den Frank!". Und so kam es.
Wir hatten dann auch großen Spaß bei den Probenarbeiten.
Zu bedauern war eigentlich der Tenor, denn dieser wurde einmal am
Hals von Frank, also vom Regisseur, und einmal vom Frosch, also
vom Dirigenten, über die Bühne gezogen, da konnte er sich überhaupt
nichts mehr erlauben.
Das sind ganz spontan ein paar Highlights meiner Inszenierungen in
Friedrichshafen. Insgesamt war es aber eine tolle Zeit, die ich niemals
vergessen werde.
David Geary stand auch immer wieder selber auf der Bühne.
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Zukunft
Ein Verein lebt von seinen Mitgliedern. Wenn aber die „alten“ gehen
und keine „jungen“ nachkommen, gibt es ein Problem. Deshalb sieht
sich der Vorstand des Musiktheaters Friedrichshafen verpflichtet, sich
in nächster Zeit zu verjüngen. Aber auch programmmäßig will der
Verein „Moderneres“ ausprobieren und plant als nächste Inszenierung
ein Musical. Ein Musical mit dem Arbeitstitel „Der Himmel über dem
Bodensee.“ Das Libretto wird von Peter Renz geschrieben. Aus der
derzeitigen Finanzkrise wird aus der Not eine Tugend gemacht und
das Musiktheater wird mit den Gymnasien und der Musikschule
zusammenarbeiten. Anlass für das Musical gibt das 200-JahreJubiläum der Stadt Friedrichshafen.
Der Vorstand erhofft sich so neue Mitglieder zu gewinnen, die auch
Interesse an traditionellen Opern zeigen. Ein Anfang machten die
letzten Vorstellungen des Vereins, denn in der „Zauberflöte“ konnten
rund 800 Schüler gezählt werden.
Der Chor bei seiner neusten Inszenierung – „Zauberflöte“(2009)
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Finanzen
Auf das Vereinskonto fließen jährliche Fördergelder der Stadt
Friedrichshafen, Spenden und Beiträge der Vereinsmitglieder. Diese
Gelder benötigt der Verein zur Vorfinanzierung der OpernAufführungen.
Für die Veranstaltungen bemüht sich der Verein um Sponsoren. Dazu
gehören u. a.:
- Stadt Friedrichshafen
- Land Baden-Württemberg
- Kunststiftung der Zahnradfabrik Friedrichshafen AG
- Kulturstiftung der Landesbank Baden-Württemberg
- Sparkasse Bodensee
- Zeppelin GmbH
- Oberschwäbische Elektrizitätswerke Ravensburg
Diese Mittel zusammen mit den Einnahmen aus den Aufführungen
reichen jedoch nicht zur Deckung der Ausgabenseite des
Veranstaltungskontos. Oftmals ist deshalb der Verein auf die
Unterstützung durch Mitglieder angewiesen, die etwas draufzahlen,
damit eine Veranstaltung kein Verlustgeschäft wird.
Umso mehr ist der Verein auf die Unterstützung der Stadt
Friedrichshafen angewiesen, die beim Kulturausschuss des
Gemeinderates der Stadt Friedrichshafen beantragt werden muss.
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Impressum
Diese Festschrift wurde für das 30-Jahre-Jubiläum des Musiktheaters
Friedrichshafen e.V. im Dezember 2009 geschrieben.
Text:
Bilder:
Layout:
Carole Thoma
Musiktheater Friedrichshafen e.V.
Carole Thoma und Franz Thoma
Umschlagfoto:
Der Chor des Musiktheaters Friedrichshafen
bei „Waffenschmied“ (1983)
Kontakt:
Musiktheater Friedrichshafen
c/o Walter Münich
Forchenweg 2
88046 Friedrichshafen
www.musiktheater-friedrichshafen.de
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