1 Landessuperintendentin i. R. Oda-Gebbine Holze

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Oberpfarr - und Domkirche zu Berlin
Landessuperintendentin i. R. Oda-Gebbine Holze-Stäblein
Invokavit, 26. Februar 2012, 18 Uhr
Predigt über 2. Korinther 1, 3-10 im Rahmen der Fastenpredigtreihe 2012: Die Kraft in den Schwachen
1. Der Gott des Trostes
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes,
4 der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost,
mit dem wir selber getröstet werden von Gott.
5 Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus.
6 Haben wir aber Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil. Haben wir Trost, so geschieht es zu eurem Trost,
der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden.
7 Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am
Trost teilhaben.
8 Denn wir wollen euch, liebe Brüder, nicht verschweigen die Bedrängnis, die uns in der Provinz Asien widerfahren
ist, wo wir über die Maßen beschwert waren und über unsere Kraft, so dass wir auch am Leben verzagten
9 und es bei uns selbst für beschlossen hielten, wir müssten sterben. Das geschah aber, damit wir unser Vertrauen
nicht auf uns selbst setzten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt,
10 der uns aus solcher Todesnot errettet hat und erretten wird. Auf ihn hoffen wir, er werde uns auch hinfort
erretten.
Liebe Gemeinde!
‚Trost’ ist das herausragende Wort in diesem Abschnitt. Zehnmal kommt es vor. Paulus schiebt es
geradezu in unser Blickfeld und in unsere Ohren. ‚Trost, trösten, getröstet, getrost, tröstlich:
wunderbare Worte sind das, als ob mich jemand in einen wärmenden Mantel hüllt! Schon im Klang der
Worte teilt sich ganz viel von dem mit, was sie meinen. „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter
tröstet“: heißt es im Buch Jesaja. Das rührt an Kindheitserinnerung, an frühkindliche Tränen und daran,
wie wir auf dem Schoß der Mutter – oder auch des Vaters - über einen Schmerz hinweggetröstet
wurden. Trost sei das mütterlichste aller Wörter, hat Fulbert Steffensky geschrieben.
Und unvergleichlich schön die Vertonung dieses Verses im „Deutschen Requiem“ von Johannes Brahms!
Trost. Was ist das eigentlich? Im Deutschen hängt das Wort ‚Trost’ mit ‚trauen’ und ‚Treue’ zusammen.
Das dem deutschen verwandte englische ‚to trust’ meint ‚vertrauen’. Das griechische Wort parakalein
bedeutet herbeirufen, gut zureden, freundlich ermahnen, aufmuntern; es meint einen herzlichen
Zuspruch. Und das hebräische Nacham meint in seiner Grundbedeutung das Aufseufzen, das Aufatmen:
also etwas, bei dem die Enge der Angst, die den Hals zuschnürt, sich löst, sodass der Lebensatem wieder
fließen kann. Alles zusammen umfasst eigentlich erst die Bandbreite dessen, was wir mit Trost meinen:
wer jemanden tröstet, der wird ihm in aller Regel gut zureden, ihn aufmuntern wollen; er lässt sich von
einem Trostbedürftigen zur Hilfe herbeirufen. Wer Trost sucht, braucht einen, der ihm hilft, aus dem
Gefängnis der Angst herauszufinden und das Vertrauen zu Menschen, zum Leben, zu Gott
wiederzufinden. Und Trost werde ich nur von jemandem annehmen, dem ich selber Vertrauen
entgegenbringe.
Trost kommt durch gute Worte und durch menschliche Nähe. Aber nicht nur: auch ein warmes Bett
kann trösten, wenn der Tag anstrengend oder verkorkst war. Weinen kann trösten. Musik ist eine
wunderbare Trösterin; Essen kann trösten; eine ostfriesische Teerunde kann trösten; die ersten
Anzeichen des nahen Frühlings können trösten; Tiere können trösten; eine schöne Geschichte, gehört
oder gelesen, kann trösten; und nicht zuletzt: Worte, Geschichten und Gestalten der Bibel, das Gebet
und Gottesdienste trösten. Der mittelalterliche Scholastiker Thomas von Aquin nennt sieben
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Tröstungen der Seele: das Beten, das Weinen, das Erkennen, das Gespräch, das Schlafen, das Baden und
die Freude.
Aber es kann auch manches schief gehen mit dem Trösten. Wer vertröstet wird, der kann lange warten.
Billiger Trost ist wie ein ungedeckter Scheck. Und wer nicht ganz bei Trost ist, dem geht man lieber
aus dem Weg. Schwacher Trost kommt nicht zum Ziel, und wenn etwas trostlos ist, dann gibt es
eigentlich keine Hoffnung mehr. Und dieses entsetzliche „Trost spenden“! Wenn irgendwo eine große
Katastrophe passiert, werden Notfallseelsorger herbeigerufen, die ‚Trost spenden’ sollen. Als ob Trost so
leicht zu bewerkstelligen wäre, wie man eine Spende in einen Klingelbeutel tut oder eine Überweisung
tätigt! Gott sei Dank machen die Notfallseelsorger ihre Sache viel, viel besser, als diese Rede vom
Trostspenden erwarten lässt.
Und noch kritischer hörte ich es vor Jahren in einem Rundfunkvortrag, so eindrücklich, dass ich es bis
heute nicht vergessen habe: „Einen Menschen trösten wollen heißt seinen Schmerz nicht ernst
nehmen.“ Vielleicht ist das zu radikal, aber es trifft etwas Richtiges, etwas, das jeder kennt: mit zu
vielen Worten jemanden regelrecht zudecken; Allerweltsweisheiten loslassen: „Das Leben geht weiter!
Kopf hoch! Lass dich nicht hängen! Sieh auch die kleinen Blumen am Wege ...!“ Und das alles im Grunde,
weil man hilflos ist und einem nichts wirklich Trösten-des einfällt.
Das haben die Freunde des leidgeprüften Hiob dann doch besser gemacht. Als Hiob alles verloren hat,
seine Kinder, seinen Besitz, seine Gesundheit und das Mitgefühl seiner Frau; als ihm nur das nackte,
kranke Leben geblieben ist und er in der Asche sitzt und mit einer Scherbe die Geschwüre an seinem
Leib schabt, da heißt es von seinen Freunden: „Sie waren eins geworden hinzugehen, um ihn zu
beklagen und zu trösten. Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn nicht und
erhoben ihre Stimmen und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid, und sie warfen Staub gen Himmel
auf ihr Haupt und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit
ihm; denn sie sahen, dass sein Schmerz sehr groß war.“ (Hiob 2, 11-13) - Nach sieben Tagen Schweigen
fängt Hiob endlich an zu reden. Und was tut er? Er verflucht den Tag seiner Geburt! Er ist nicht etwa
am Ende seiner Trauer angekommen. Er fängt jetzt erst an, Worte zu finden für das, was in ihm tobt.
Und da fangen die Freunde nun doch an, ihm lange Besserwisser-Reden über Gott und die Welt zu
halten, ihm sein Leid zu erklären und ihn mit Ermahnungen und Vorhaltungen zu überschütten. Sie
halten es nicht aus, dass Hiob jetzt erst einmal untröstlich ist und es lange sein wird.
Und wir haben es ja gerade erst miterlebt, wenigstens im Fernsehen, als nicht weit von diesem Dom vor
drei Tagen die Gedenkfeier für die zehn Opfer des Neonaziterrors stattfand: Trost ist noch sehr weit
weg für die Familien, die jahrelang nicht nur um einen Vater, um ein Familienmitglied trauerten,
sondern unter der furchtbaren Anschuldigung standen, zu einem kriminellen Milieu zu gehören. Erst
jetzt erleben sie ja, dass den Ermordeten Gerechtigkeit widerfährt, und dass deren Unschuld und die
ihrer Familien öffentlich anerkannt wird. Es ist ein weiter Weg bis zu einem getrösteten und getrosten
Weiterleben, und viele müssen ihn mitgehen, mitfühlend und vor allem handelnd, damit unbestreitbar
klar wird: diese Familien und die vielen anderen, für die sie stehen, gehören unwiderruflich zu uns. Und
doch war in der Rede des türkischen Vaters, der seinen Sohn verloren hat, ganz anfänglich etwas wie
Getröstetsein zu spüren: es tat ihm und den anderen gut, dass diese Gedenkfeier endlich stattgefunden
hat.
Was treibt Paulus, so überschwänglich vom Trost zu reden, wie er es im 2. Korintherbrief tut? Wir hören
noch einmal die ersten Verse:
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen
Trostes,
4 der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind,
mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.
5 Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch
Christus.
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„Gelobt sei Gott!“ Das ist keine Floskel, so wie wir aus wichtigen und auch aus nichtigen Gründen viele
Male am Tag „Gott sei Dank!“ sagen. Paulus erörtert hier auch keine abstrakte theologische
Problematik. Er selber, so schreibt er, ist in Lebensgefahr gewesen. In der Provinz Asien, vielleicht in
Ephesus, ist er in äußerste Bedrängnis geraten. Da ist er wohl sogar zum Kampf mit wilden Tieren
verurteilt worden. Paulus ist oft in gefährlichen Situationen gewesen. Er war hart im Nehmen. Diesmal
aber, so gibt er selber zu, ging es über seine Kraft. Diesmal wurde er schwach und verzagte am Leben.
Und im Nachhinein wird ihm klar: „Das geschah (aber), damit wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst
setzten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt, der uns aus solcher Todesnot errettet hat und
erretten wird.“
„Gelobt sei Gott, der ....Gott allen Trostes“, sagt Paulus. In den Ohren der Christen in Korinth hat dieser
Satz es in sich. Korinth, die mächtige Handelsstadt der Antike. Die Korinther werden, bevor sie Christen
wurden, dem antiken Götterhimmel angehangen haben. Unter allen diesen Göttergestalten, die den
Olymp bevölkerten, gab es keine einzige, deren Wesen und Aufgabe der Trost war! Die Götter der Antike
trösten nicht! Eher erweckt der Mensch, der im Glück ist, den Neid dieser Götter. Und wer im Unglück
ist, der muss heroisch damit fertig werden. Und was kommt dann? Eine trostlose Schattenexistenz in
einer düsteren Unterwelt ohne Entrinnen. Es gibt kein göttliches Du, das den Menschen birgt wie ein
Hirte und tröstet wie eine Mutter. Und es gibt keinen Gott, der die Toten auferweckt und einen neuen
Anfang setzen kann. Und so sind die antiken Grabstelen auch geschmückt mit Symbolen
unwandelbarer, eherner Traurigkeit: eine verlöschende Fackel, eine geknickte Rose, eine abgebrochene
Säule, eine trauernde Gestalt. - Allerdings gab es schon so etwas wie professionelle Tröster und sogar
Trostkliniken: was die Götter nicht konnten, das kultivierten die Menschen.
Was Paulus hier schreibt, muss also in den Ohren der Korinther wie eine göttliche Revolution
daherkommen. Der Gott, den Paulus den Korinthern und damit doch auch uns verkündet, ist ein
Tröster. Das herausragende Amt und die ureigenste Sache dieses Gottes ist das Trösten! ‚Herr der
Tröstungen’ nennt ihn darum Israel. Ja, dass es in dieser Welt Trost gibt, ist sein Werk und kommt aus
seinem Wesen wie der Fluss aus der Quelle. Aber wie kommt das zustande? Wie und womit tröstet Gott?
Paulus entwirft hier etwas, das man sich bildlich vorstellen muss: einen Kreislauf der Tröstungen; eine
Art ‚Trostkreis’. Normalerweise hat ein Kreis keinen Anfang und kein Ende. Bei diesem ist es anders. Da
hat einer einen Anfang gesetzt, hat sich auf den Weg gemacht, ist auf die Suche gegangen. Hat sie am
See Genezareth bei ihren Fischerbooten aufgesucht, von Maulbeerbäumen heruntergerufen wie den
kleinen Zöllner Zachäus, aus den Höhlen der Krankheit und Isolation und der Trauer herausgeholt wie
die Mutter des Jünglings zu Nain, an den Tischen der Reichen aufgespürt: alle die Trostbedürftigen und
Trostlosen.
„Und als er die Menschen sah, jammerte es ihn, denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie
Schafe, die keinen Hirten haben,“ heißt es im Matthäusevangelium (Mt. 9, 36). Und Matthäus sieht im
Reden und Heilen und Handeln Jesu das prophetische Wort Jesaja 53 erfüllt: „Er hat unsere Schwachheit
auf sich genommen, und unsere Krankheit hat er getragen.“ Das ist die Botschaft, die in der Person
Jesu leibhaftig und greifbar in die Welt gekommen ist: Gott ist ein Gott des Trostes. Und so tröstet
Jesus mit allen Facetten, die der Trost hat: er redet gut zu, er richtet auf, er richtet und rettet, er
spricht Vergebung der Sünden zu, er stellt Menschen auf ihre Füße, er sät Vertrauen zu Gott aus wie
eine Saat, er befreit aus Einsamkeit.
Und vielleicht am wichtigsten: Er ruft eine Gemeinschaft ins Leben, die auch der Tod nicht zerstören
wird. Er geht diesen Weg und tut sein Werk des Trostes und der Aufrichtung von Menschen auch dann,
als es für ihn selbst teuer wird, als er nicht nur greifbar, sondern angreifbar wird. Er zahlt den Preis und
gibt sein Leben um derer willen, die er gesucht und gefunden hat. Er bleibt ihnen und dem Gott des
Trostes treu. So ist das Kreuz Jesu beides: aus der Sicht der Starken und der Sieger der Ort des
Scheiterns eines Idealisten, eines „Gutmenschen“ und das Ende aller Hoffnungen. Aus der Sicht derer
aber, die durch ihn gesucht und gefunden waren und denen an ihm der Gott des Trostes aufgegangen
war, ist das Kreuz der Ort, aus dem eine neue Weise zu leben entsteht: ein neues Mit-Sein mit anderen
ist das. Die durch ihn getröstet waren, werden nun andere trösten und in seinem Namen den Gott des
Trostes bekennen und loben, der seinen Sohn nicht in der Trostlosigkeit des Todes gelassen, sondern
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ihn auferweckt hat. Und so entsteht ein Empfangen und Weitergeben, eine Gemeinschaft der Christen
als Leidens- und Trostgemeinschaft.
Kommt uns das nicht bekannt vor? Wir leben ja in einer Zeit, in der sich unzählige Selbsthilfegruppen
zusammenfinden. Da kommen Menschen zusammen, die an einer besonderen Krankheit leiden. Sie
finden einander nicht zuletzt durch das Internet, tauschen ihr Wissen über ihre Krankheit aus, geben
einander hilfreiche Hinweise auf Ärzte, auf Behandlungsmethoden Medikamente und Spezialkliniken.
Sie teilen ihr Leid mit anderen; sie unterstützen sich gegenseitig, und ich bin sicher, dass sie einander
auch trösten, weil sie sich gut in die Lage eines anderen hineinversetzen können, der an der gleichen
Krankheit leidet. Selbsthilfegruppen sind eine großartige und notwendige Erfindung unserer Zeit! Und
es gibt ja im Internet inzwischen auch virtuelle Friedhöfe: Verstorbene werden betrauert; andere
drücken Mitgefühl aus, stellen tröstende Texte, Gedichte und Bilder ins Netz. Auch hier bildet sich so
etwas wie eine Leidens- und Trostgemeinschaft.
Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen Selbsthilfegruppen und Internet-Trostgemeinschaft –
nicht selten wird ja schon von der Internet-Gemeinde gesprochen! - und dem, was Paulus hier vor Augen
hat. Es ist letztlich nicht das Leiden, das Gemeinschaft begründet, auch nicht das schiere menschliche
Mitteilungsbedürfnis. Auch nicht der Wunsch, sich vom Leiden zu befreien oder wenigstens mit ihm zu
leben, der verständlicherweise das Motiv ist, warum sich Selbsthilfegruppen zusammenfinden. Es ist die
Teilhabe an Christus und die Verbundenheit mit ihm, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, die die
Gemeinschaft der Christen zusammenhält.
Denn das war damals und ist auch heute so: alle, die auf den Namen Jesu getauft sind, die sind „in
seinen Tod getauft“ sagt Paulus im Römerbrief – und zugleich sind sie auch in das österliche Leben Jesu
hineingetauft; ihr – und unser - Leben ist in sein Leben hineingezeichnet wie die Lebenslinien in eine
Hand: unveränderlich und unverlierbar. Es ist keine Zweckgemeinschaft, in der wir miteinander
verbunden sind, und nicht wir sind es, die diese Welt retten können oder sollen. Es ist der lebendige
Christus, der unter uns Gestalt annimmt. Und darum nennt Paulus die Gemeinde den ‚Leib Christi’. Er
nimmt Gestalt an und wächst im Verborgenen – vielleicht würde Paulus heute vom Netzwerk sprechen : eine Wirklichkeit jenseits unserer Vorstellungskraft und unserer Denksysteme und doch spürbar und
mit der Kraft, das Leben zu verwandeln auf das hin, was Gott mit ‚Leben’ gemeint hat, als er diese Welt
und uns ins Dasein rief.
Eine Leidens- und Trostgemeinschaft der Christen: ja, die gibt es! Und vielleicht liegt die Rede vom
schwachen Trost gar nicht so weit neben ihrer Realität. Trost ist oft schwach und kümmerlich; aber
vielleicht passt der Trost in seiner Schwachheit auch zu einer Gemeinde der Schwachen, die ihre starken
Momente nicht aus sich selbst gewinnen, sondern aus dem Trost des auferstandenen Christus. Das ist
häufig unspektakulär. Da schreibt ein Pfarrer über seine oberhessische Gemein-de – aber das kann man
in jeder anderen Gemeinde auch finden! - : „Wöchentlich trifft sich der Frauenkreis, und diese Treffen
sind eine unausgesetzte Reihe von Leidenserzählungen und Mitleidsbekundungen: Wer mit welchen
Drangsalen leben muss; wer mit welchen ärztlichen Befunden konfrontiert ist; welche Familie von
neuerlichen Schicksalsschlägen ereilt worden sind. Die einzelnen Geschichten werden zu einem
gemeinschaftlichen Kranz von Lebens-, Leidens- und Trostgeschichten verflochten.“
Keine großen, heroischen Geschichten sind das. Aber vielleicht die Art und Weise, wie seine Kraft und
sein Trost in den Schwachen mächtig ist.
Getröstete Menschen haben Geduld. Sie kennen die langen Wege, die mitgegangen sein müssen, bis der
erfahrene Trost sich in neues Vertrauen wandelt. Sie stehlen sich nicht mit billigen Schablonenworten
davon; sie halten auch das Schweigen oder die Wut und die Klage eines Menschen aus. Wie heißt es 1.
Korinther 13: Sie erträgt alles, sie glaubt alles; sie hofft alles; sie duldet alles. Das wird von der Liebe
gesagt. Ich bin mir nicht sicher, ob sie die große oder die kleine Schwester des Trostes ist, auf jeden
Fall aber gehört sie zur Familie! – Lassen Sie uns jetzt ein Lied singen, in dem das Wort ‚Tost’ nicht
vorkommt; und doch ist es ein Trostlied, wie es kaum schöner sein kann: „In dir ist Freude in allem
Leide, o du süßer Jesu Christ!“ (EG 398).
Amen
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