Logik Vorlesung Wintersemester 2016 Ludwig-Maximilians-Universität München Josef Berger 7. Februar 2017 Inhaltsverzeichnis I Der Gödelsche Vollständigkeitssatz 1 Terme und Formeln 5 5 2 Herleitungen 11 3 Intuitionistische Logik und Minimallogik 26 4 Erweiterung von Formelmengen 37 5 Modelle 42 6 Der Korrektheitssatz 48 7 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz 53 II 57 Rekursion und Unvollständigkeit 8 Rekursive Funktionen 57 9 Gödelisierung 66 10 Unvollständigkeit 69 11 Anhang 75 2 Dieses Skriptum nimmt Bezug auf folgende Quellen: 1) Horst Osswald: Logikvorlesung vom Wintersemester 1993, LMU 2) Hans-Dieter Donder: Logikvorlesung vom Wintersemester 2014, LMU 3) Dirk van Dalen: Logic and Structure, Springer 2013 Der zweite Abschnitt ist unmittelbar an 2) angelehnt. Weitere Literatur • Heinz D. Ebbinghaus, Jörg Flum, Wolfgang Thomas, Einführung in die mathematische Logik, Spektrum Akademischer Verlag (2007) Bedeutende Logiker • Gottfried Wilhelm Leibniz 1646–1716 • Kurt Gödel 1906–1978 • Kurt Schütte 1909–1998 3 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz Seien ϕ eine Aussage und Σ eine Menge von Aussagen. Dann gilt: ϕ läßt sich aus Σ herleiten ⇔ ϕ gilt in jedem Modell von Σ Erster Gödelscher Unvollständigkeitssatz Sei T ein widerspruchsfreies Axiomensystem, in dem die grundlegenden Eigenschaften der natürlichen Zahlen beweisbar sind. Dann gibt es eine Formel ϕ, so dass weder ϕ noch ihre Negation ¬ϕ in T beweisbar ist. 4 Teil I Der Gödelsche Vollständigkeitssatz 1 Terme und Formeln Definition. Eine Sprache L besteht aus folgenden Zeichen: 1. abzählbar viele freie Variablen v0 , v1 , v2 , , . . . 2. abzählbar viele gebundene Variablen x0 , x1 , x2 , . . . 3. beliebig viele Konstantensymbole c , d , e , . . . 4. endlich viele Funktionszeichen f , g , h , . . . 5. endlich viele Relationszeichen P , Q , R , . . . . 6. die logischen Zeichen = , ⊥ , ∧ , ∨ , → , ∀ , ∃ 7. die Hilfszeichen ( , ) , , Jedem Funktionszeichen f (und jedem Relationszeichen R ) ist eine positive natürliche Zahl n zugeordnet. Man nennt n die Stelligkeit von f (bzw. von R ). Sprechweise: . = ist gleich Junktoren: ∧ und ∨ oder → impliziert Quantoren: ∀ für alle (Allquantor) ∃ es gibt (Existenzquantor) ⊥ Falsum Sei L∗ die Menge der endlichen Wörter oder Zeichenketten (der Sprache L). Zum Beispiel ist (((, , , , , , x0 v222 ∀, , x0 ∀ ein Wort. Sei FV = { vi | i ∈ N} die Menge der freien Variablen. Für ein Wort Ω sei FV( Ω ) = { v ∈ FV | v kommt in Ω vor} . 5 Für Ω , ∆ ∈ L∗ und z ∈ L sei Ω [∆/z] das Wort, das entsteht, indem man jedes z in Ω durch ∆ ersetzt. Lemma 1. Seien Ω , ∆ , ∆0 Wörter und z , z 0 verschiedene Zeichen. Das Zeichen z 0 komme nicht in ∆ vor und z komme nicht in ∆0 vor. Dann gilt Ω [ ∆ / z ] [ ∆0 / z 0 ] = Ω [ ∆ 0 / z 0 ] [ ∆ / z ] . Definition. Die Menge T der Terme der Sprache L ist die kleinste Teilmenge von L∗ mit folgenden Eigenschaften: t1 ) die freien Variablen sind Terme t2 ) die Konstantensymbole sind Terme t3 ) ist f ein n-stelliges Funktionszeichen und sind t1 , . . . , tn ∈ T , so ist auch f ( t1 , . . . , tn ) ∈ T Die Komplexität eines Terms t ist die Anzahl der Vorkommen von Funktionszeichen in t . Ist zum Beispiel f ein zweistelliges Funktionszeichen und c ein Konstantensymbol, so hat der Term f (f (v9 , c), v0 ) die Komplexität 2. Lemma 2. (Induktion über die Komplexität der Terme) Sei E eine Eigenschaft und sei E( t ) die Aussage “der Term t erfüllt die Eigenschaft E”. Für n ∈ N sei A(n) die Aussage “für alle Terme t der Komplexität ≤ n gilt E( t )”. Gelten weiter • A(0) • für alle n ∈ N gilt: aus A(n) folgt A(n + 1) Dann gilt A(n) für alle n ∈ N. Somit gilt E( t ) für alle Terme t . Beweis. Vollständige Induktion über n. 6 Lemma 3. (Induktion über den Aufbau der Terme) Sei E eine Eigenschaft und sei E( t ) die Aussage “der Term t erfüllt die Eigenschaft E”. Gelten • E( v ) für alle freien Variablen v • E( c ) für alle Konstantensymbole c • ist f ein n-stelliges Funktionszeichen und gelte E( ti ) für alle 1 ≤ i ≤ n, so gilt auch E( f ( t1 , . . . , tn ) ). Dann gilt E( t ) für alle Terme t . Beweis. Rückführung auf Lemma 16 oder direkt. Lemma 4. Für Terme s , t und eine freie Variable v ist t [ s / v ] ein Term. Definition. Die Menge F der Formeln der Sprache L ist die kleinste Teilmenge von L∗ mit folgenden Eigenschaften: i) ⊥ ist eine Formel ii) ist R ein m-stelliges Relationszeichen und sind t1 , . . . , tm Terme, so ist R( t1 , . . . , tm ) eine Formel . iii) sind s , t Terme, so ist ( s = t ) eine Formel iv) sind σ , ψ Formeln, so sind ( σ ∧ ψ ), (σ∨ψ) und (σ→ψ) Formeln v) ist ψ eine Formel, v eine freie Variable und x eine gebundene Variable, die nicht in ψ vorkommt, so sind auch (∃x ψ [ x / v ] ) und (∀x ψ [ x / v ] ) Formeln . Formeln der Form ⊥ , R( t1 , . . . , tm ) oder ( s = t ) heißen Primformeln oder atomare Formeln. 7 Die Komplexität einer Formel ϕ ist die Anzahl der Vorkommen der Zeichen ∧ , ∨ , → , ∀ , ∃ in ϕ . Ist zum Beispiel f ein zweistelliges Funktionszeichen und c ein Konstantensymbol, so hat die Formel . . ∃z∃x∀y (f (f (x, y), v) = x → f (z, y) = f (c, x)) die Komplexität 4. Lemma 5. (Induktion über die Komplexität der Formeln) Sei E eine Eigenschaft und sei E( ϕ ) die Aussage “die Formel ϕ erfüllt die Eigenschaft E”. Für n ∈ N sei A(n) die Aussage “für alle Formeln ϕ der Komplexität ≤ n gilt E( ϕ )”. Gelten weiter • A(0) • aus A(n) folgt A(n + 1), für alle n ∈ N. Dann gilt A(n) für alle n ∈ N. Somit gilt auch E( ϕ ) für alle Formeln ϕ . Beweis. Vollstängige Induktion über n. Lemma 6. (Induktion über den Aufbau der Formeln) Sei E eine Eigenschaft und sei E( ϕ ) die Aussage “die Formel ϕ erfüllt die Eigenschaft E”. Gelte • E( ϕ ) für die Primformeln ϕ • aus E( σ ) und E( ψ ) folgt E( ( σ ∧ ψ ) ) (genauso für ∨ und → ) • aus E( ψ) folgt E( (∃x ψ [ x / v ] ) ) (genauso für ∀ ) Dann gilt E( ϕ ) für alle Formeln ϕ . Beweis. Rückführung auf Lemma 5 oder direkt. Lemma 7. Sei ϕ eine Formel, t ein Term und v eine freie Variable. Dann ist ϕ [ t / v ] wieder eine Formel. 8 Beweis. Wir zeigen zunächst folgende Hilfssaussage durch Induktion über den Aufbau der Formeln: Sei ϕ eine Formel und n ∈ N. Dann gibt es ein k0 ∈ N, so dass für alle k ≥ k0 ϕ [vk /vn ] wieder eine Formel ist. Wir behandeln den Fall ϕ = ∃x ψ [x/w]. Sei n ∈ N. Es gibt ein k0 , so dass für alle k ≥ k0 ψ [vk /vn ] wieder eine Formel ist. Sei w = vl . Setze k1 = max (l, k0 ) + 1. Sei k ≥ k1 . Dann gilt ϕ [vk /vn ] = ∃x ψ [x/w] [vk /vn ] = ∃x ψ [vk /vn ] [x/w] . Ausserdem ist ψ [vk /vn ] eine Formel. Nun beweisen wir die Aussage von Lemma 7 durch Induktion über die Komplexität von ϕ. Wir behandeln wieder den Fall ϕ = ∃x ψ [x/w]. Wir müssen zeigen, dass ϕ [t/v] eine Formel ist. Sei k derart, dass def • ψ 0 = ψ [vk /w] eine Formel ist • vk nicht in ψ vorkommt • vk nicht in t vorkommt • vk verschieden von v ist. Dann gilt ϕ = ∃x ψ 0 [x/vk ] somit ist ϕ [t/v] = ∃x ψ 0 [x/vk ] [t/v] = ∃x ψ 0 [t/v] [x/vk ] eine Formel. Wir schreiben oft ( ¬ ϕ ) für ( ϕ → ⊥) und ( σ ↔ ψ ) für (( σ → ψ ) ∧ ( ψ → σ )) . Wir lassen oft Klammern weg. Dabei verwenden wir die Regel, dass ¬ und die Quantore stärker binden als ∧ , ∨ und dass ∧ , ∨ stärker binden als → . Wir können anstatt (((∃x ψ [ x / v ] ) ∧ ϕ ) → ( σ ∨ ψ )) 9 also auch ∃x ψ [ x / v ] ∧ ϕ → σ ∨ ψ schreiben. Lemma 8. Sei ω ∈ L∗ , v eine freie Variable und x eine gebundene Variable. Dann gilt: ω [v/x] ist eine Formel ⇔ (∃x ω) ist eine Formel. 10 2 Herleitungen Definition. Für eine Formel ϕ und eine Formelmenge ∆ sei H (D, ϕ, ∆) eine Abkürzung für “D ist eine Herleitung von ϕ mit Annahmenmenge ∆”. Zunächst definieren wir diesen Begriff induktiv. Danach setzen wir: def Σ`ϕ ⇔ es gibt eine Herleitung D von ϕ mit Annahmemenge ∆ ⊆ Σ Sprechweise: “ϕ ist aus Σ herleitbar”, “ Σ beweist ϕ” Weiter setzen wir def ` ϕ ⇔ ∅ ` ϕ. In diesem Fall sagen wir: ϕ ist ein Theorem ax: H (ϕ, ϕ, {ϕ}) ∧-einf: H (D, σ, ∆) und H (D0 , ψ, ∆0 ) ⇒ D D0 0 H , σ ∧ ψ, ∆ ∪ ∆ σ∧ψ ∧-elim: H (D, σ ∧ ψ, ∆) ⇒ D D , σ, ∆ und H , ψ, ∆ H σ ψ →-einf: H (D, ψ, ∆) ⇒ H D , σ → ψ, ∆ \ {σ} σ→ψ →-elim: H (D, ψ, ∆) und H (D0 , ψ → ϕ, ∆0 ) ⇒ D D0 0 , ϕ, ∆ ∪ ∆ H ϕ 11 ∀-einf: H (D, ψ, ∆) ⇒ H D , ∀x ψ [x/v] , ∆ ∀x ψ [x/v] Variablenbedingung: def v∈ / FV(∆) = {v | es gibt ein σ ∈ ∆, so dass v in σ vorkommt } ∀-elim: H (D, ∀x ϕ [x/v] , ∆) ⇒ H D , ϕ [t/v] , ∆ ϕ [t/v] ∨-einf: H (D, σ, ∆) oder H (D, ψ, ∆) ⇒ D H , σ ∨ ψ, ∆ σ∨ψ ∨-elim: H (D, σ ∨ ψ, ∆) und H (D0 , ϕ, ∆0 ∪ {σ}) und H (D00 , ϕ, ∆00 ∪ {ψ}) ⇒ D D0 D00 0 00 H , ϕ, ∆ ∪ ∆ ∪ ∆ ϕ ∃-einf: H (D, ψ, ∆) ⇒ H D , ∃x ψ [x/v] , ∆ ∃x ψ [x/v] ∃-elim: H (D, ∃x ψ [x/v] , ∆) und H (D0 , ϕ, ∆0 ∪ {ψ}) ⇒ D D0 0 H , ϕ, ∆ ∪ ∆ ϕ Variablenbedingung: v ∈ / FV(∆0 ∪ {ϕ}) ⊥: H (D, ⊥, ∆) ⇒ H D , ϕ, ∆ \ {¬ϕ} ϕ 12 . . . =1 : H (t = t, t = t, ∅) . . =2 : H (D, s = t, ∆) ⇒ H D . . , t = s, ∆ t=s . . . =3 : H (D, r = s, ∆) und H (D0 , s = t, ∆0 ) ⇒ D D0 . 0 H . , r = t, ∆ ∪ ∆ r=t . . =4 : H (D, s = t, ∆) ⇒ H D . , r [s/v] = r [t/v] , ∆ . r [s/v] = r [t/v] . . =5 : H (D, s = t, ∆) und H (D0 , ϕ [s/v] , ∆0 ) ⇒ D D0 0 , ϕ [t/v] , ∆ ∪ ∆ H ϕ [t/v] Bemerkung 1. Bei den Regeln ∃-einf bzw. ∀-einf setzen wir zusätzlich voraus, dass x nicht in ψ vorkommt. Dies ist nur notwendig, damit ∃x ψ [x/v] bzw. ∀x ψ [x/v] überhaupt Formeln sind. In den folgenden Lemmas ist eine Aussage der Art `σ∧ψ → ψ∧σ ist so zu verstehe: für alle Formeln σ und ψ gilt `σ∧ψ → ψ∧σ Lemma 9 (Anwendungsbeispiele für →-elim, →-einf, ∧-elim, ∧-einf ). a) ` ϕ → ϕ b) ` (σ → ψ) ∧ (ψ → ϕ) → (σ → ϕ) c) ` σ ∧ ψ → ψ ∧ σ d) ` (σ → (ψ → ϕ)) ↔ ((σ ∧ ψ) → ϕ) e) ` ϕ → ¬¬ϕ f ) ` ¬(ϕ ↔ ¬ϕ) g) ` (σ → ψ) → ((ψ → ϕ) → (σ → ϕ)) h) ` σ ∧ (ψ ∧ ϕ) ↔ (σ ∧ ψ) ∧ ϕ 13 Beweis. a) ϕ ϕ→ϕ b) σ (σ → ψ) ∧ (ψ → ϕ) (σ → ψ) ∧ (ψ → ϕ) σ→ψ ψ ψ→ϕ ϕ σ→ϕ (σ → ψ) ∧ (ψ → ϕ) → (σ → ϕ) c) σ∧ψ σ∧ψ ψ σ ψ∧σ σ∧ψ → ψ∧σ d) σ∧ψ ψ σ∧ψ σ σ → (ψ → ϕ) ψ→ϕ ϕ σ∧ψ →ϕ (σ → (ψ → ϕ)) → (σ ∧ ψ → ϕ) σ ψ σ∧ψ σ∧ψ →ϕ ϕ ψ→ϕ σ → (ψ → ϕ) (σ ∧ ψ → ϕ) → (σ → (ψ → ϕ)) e) f) ϕ ¬ϕ ⊥ ¬¬ϕ ϕ → ¬¬ϕ ϕ ↔ ¬ϕ ϕ ↔ ¬ϕ ϕ ϕ → ¬ϕ ¬ϕ ¬ϕ → ϕ ϕ ¬ϕ ϕ ¬ϕ ⊥ ⊥ ¬ϕ ¬¬ϕ ⊥ ¬(ϕ ↔ ¬ϕ) 14 g) σ σ→ψ ψ ψ→ϕ ϕ σ→ϕ (ψ → ϕ) → (σ → ϕ) (σ → ψ) → ((ψ → ϕ) → (σ → ϕ)) Lemma 10 (Anwendungsbeispiele für ⊥). a) ` ¬σ → (σ → ψ) b) ` ϕ ↔ ¬¬ϕ c) ` (σ → ψ) ↔ (¬ψ → ¬σ) d) ` (ϕ → ψ) → ϕ) → ϕ (Peirce Formel) Beweis. a) ¬σ ⊥ ψ σ→ψ ¬σ → (σ → ψ) σ b) ϕ ¬p ¬ϕ ¬¬p ⊥ ⊥ ¬¬ϕ ϕ ϕ → ¬¬ϕ ¬¬ϕ → ϕ ϕ ↔ ¬¬ϕ c) σ→ψ ¬ψ ¬ψ → ¬σ σ ¬σ ψ ¬ψ ⊥ ⊥ ψ ¬σ ¬ψ → ¬σ σ→ψ (σ → ψ) → (¬ψ → ¬σ) (¬ψ → ¬σ) → (σ → ψ) (σ → ψ) ↔ (¬ψ → ¬σ) σ 15 d) ϕ ¬ϕ ⊥ ψ ϕ → ψ (ϕ → ψ) → ϕ ϕ ¬ϕ ⊥ ϕ ((ϕ → ψ) → ϕ) → ϕ Lemma 11 (Anwendungsbeispiele für ∀-elim und ∀-einf ). a) ` ∀x ϕ [x/v] → ϕ b) ` ∀x ϕ [x/v] → ∀y ϕ [y/v] c) ` ∀x (σ → ψ) [x/v] ↔ (σ → ∀x ψ [x/v]) (wobei v ∈ / FV(σ)) d) ` ∀x (σ → ψ) [x/v] → (∀x σ [x/v] → ∀x ψ [x/v]) e) ` ∀x ϕ [x/v] → ∀x ¬¬ϕ [x/v] f ) ` ¬∀x ¬¬ϕ [x/v] → ¬∀x ϕ [x/v] g) ` ∀x ∀y ϕ [y/w] [x/v] ↔ ∀y ∀x ϕ [x/v] [y/w] h) ` ∀x (σ ∧ ψ) [x/v] ↔ ∀x σ [x/v] ∧ ∀x ψ [x/v] i) (¬∀x ϕ [x/v] → ψ) → ∀x (¬ϕ → ψ) [x/v] (wobei v ∈ / FV(σ)) Beweis. a) ∀x ϕ [x/v] ϕ ∀x ϕ [x/v] → ϕ b) ∀x ϕ [x/v] ϕ ∀y ϕ [y/v] ∀x ϕ [x/v] → ∀y ϕ [y/v] c) ∀x (σ → ψ) [x/v] σ σ→ψ ψ ∀x ψ [x/v] σ → ∀x ψ [x/v] ∀x (σ → ψ) [x/v] → (σ → ∀x ψ [x/v]) 16 σ → ∀x ψ [x/v] ∀x ψ [x/v] ψ σ→ψ ∀x (σ → ψ) [x/v] (σ → ∀x ψ [x/v]) → ∀x (σ → ψ) [x/v] σ d) ∀x σ [x/v] ∀x (σ → ψ) [x/v] σ σ→ψ ψ ∀x ψ [x/v] ∀x σ [x/v] → ∀x ψ [x/v] ∀x (σ → ψ) [x/v] → (∀x σ [x/v] → ∀x ψ [x/v]) e) f) g) h) i) ∀x ϕ [x/v] ϕ ¬ϕ ⊥ ¬∀x ϕ [x/v] ¬∀x ϕ [x/v] → ψ ψ ¬ϕ → ψ ∀x (¬ϕ → ψ) [x/v] (¬∀x ϕ [x/v] → ψ) → ∀x (¬ϕ → ψ) [x/v] Lemma 12 (Anwendungsbeispiele für ∨-elim und ∨-einf ). a) ` ¬(ϕ ∨ ¬ϕ) → ϕ ∨ ¬ϕ b) ` ((σ → ϕ) ∧ (ψ → ϕ)) ↔ ((σ ∨ ψ) → ϕ) c) ` ψ ∨ ¬ψ d) ` ¬(σ ∧ ψ) → ¬σ ∨ ¬ψ e) ` (σ → ψ) ∨ (ψ → σ) 17 f) g) h) i) j) k) l) ` (σ ∧ ψ) ↔ ¬(¬σ ∨ ¬ψ) ` σ ∨ ψ ↔ (¬σ → ψ) ` (σ ∨ ψ) ∧ (σ → ϕ) ∧ (ψ → ϕ) → ϕ ` σ ∨ ψ ↔ ¬ (¬σ ∧ ¬ψ) ` ¬(σ ∨ ψ) ↔ ¬σ ∧ ¬ψ ` σ ∨ (ψ ∨ ϕ) ↔ (σ ∨ ψ) ∨ ϕ ` (ϕ ∧ ψ) ∨ σ ↔ (ϕ ∨ σ) ∧ (ψ ∨ σ) Beweis. a) ϕ ϕ ∨ ¬ϕ ¬(ϕ ∨ ¬ϕ) ⊥ ¬ϕ ϕ ∨ ¬ϕ ¬(ϕ ∨ ¬ϕ) → ϕ ∨ ¬ϕ b) c) ψ ψ ∨ ¬ψ ¬(ψ ∨ ¬ψ) ⊥ ¬ψ ψ ∨ ¬ψ ¬(ψ ∨ ¬ψ) ⊥ ψ ∨ ¬ψ ¬ψ ¬(ψ ∨ ¬ψ) ψ ∨ ¬ψ ⊥ ψ ψ ¬(ψ ∨ ¬ψ) ψ ∨ ¬ψ ⊥ ¬ψ ⊥ ψ ∨ ¬ψ 18 d) ¬σ ¬σ ∨ ¬ψ ¬ψ ¬(¬σ ∨ ¬ψ) ¬σ ∨ ¬ψ ¬(¬σ ∨ ¬ψ) ⊥ ⊥ σ ψ σ∧ψ ¬(σ ∧ ψ) ⊥ ¬σ ∨ ¬ψ ¬(σ ∧ ψ) → ¬σ ∨ ¬ψ e) ¬σ σ ψ→σ σ→ψ (σ → ψ) ∨ (ψ → σ) (σ → ψ) ∨ (ψ → σ) (σ → ψ) ∨ (ψ → σ) σ ∨ ¬σ f) g) σ ¬σ ¬σ ⊥ ψ ¬σ → ψ ψ σ∨ψ σ ψ σ ∨ ¬σ σ ∨ ψ σ∨ψ ψ σ∨ψ σ ∨ ψ → (¬σ → ψ) (¬σ → ψ) → σ ∨ ψ σ ∨ ψ ↔ (¬σ → ψ) h) i) ¬σ ∧ ¬ψ ¬σ ∧ ¬ψ ψ ¬ψ σ ¬σ σ∨ψ ⊥ ⊥ ⊥ ¬ (¬σ ∧ ¬ψ) σ ∨ ψ → ¬ (¬σ ∧ ¬ψ) 19 ¬(σ ∨ ψ) ¬(σ ∨ ψ) ¬σ ¬ψ ¬σ ∧ ¬ψ ¬ (¬σ ∧ ¬ψ) ⊥ σ∨ψ ¬ (¬σ ∧ ¬ψ) → σ ∨ ψ j) k) ψ σ ∨ ψ ϕ σ ψ ∨ ϕ (σ ∨ ψ) ∨ ϕ (σ ∨ ψ) ∨ ϕ σ∨ψ σ ∨ (ψ ∨ ϕ) (σ ∨ ψ) ∨ ϕ (σ ∨ ψ) ∨ ϕ (σ ∨ ψ) ∨ ϕ σ ∨ (ψ ∨ ϕ) → (σ ∨ ψ) ∨ ϕ l) ϕ∧ψ ψ σ ϕ ∨ σ (ϕ ∧ ψ) ∨ σ ψ ∨ σ ψ∨σ (ϕ ∨ σ) ∧ (ψ ∨ σ) (ϕ ∧ ψ) ∨ σ → (ϕ ∨ σ) ∧ (ψ ∨ σ) ϕ∧ψ ϕ (ϕ ∧ ψ) ∨ σ ϕ ∨ σ ϕ∨σ σ ψ∨σ ϕ ψ (ϕ ∨ σ) ∧ (ψ ∨ σ) ϕ∧ψ σ ψ∨σ (ϕ ∧ ψ) ∨ σ (ϕ ∧ ψ) ∨ σ (ϕ ∨ σ) ∧ (ψ ∨ σ) ϕ∨σ (ϕ ∧ ψ) ∨ σ (ϕ ∧ ψ) ∨ σ (ϕ ∨ σ) ∧ (ψ ∨ σ) → (ϕ ∧ ψ) ∨ σ Lemma 13 (Anwendungsbeispiele für ∃-elim und ∃-einf ). a) ` ∃x ψ [x/v] ↔ ¬ ∀x ¬ψ [x/v] 20 σ (ϕ ∧ ψ) ∨ σ b) c) d) e) f) g) ` ∃x ψ [x/v] ∨ ∀x ¬ψ [x/v] ` ¬∃x ψ [x/v] → ∀x ¬ψ [x/v] ` ∃x ψ [x/v] → ∃x (σ → ψ) [x/v] ` (σ → ∃x ψ [x/v]) ↔ ∃x (σ → ψ) [x/v] ` (∃x σ [x/v] → ψ) ↔ ∀x (σ → ψ) [x/v] (wobei v ∈ / FV(ψ)) Sei P ein einstelliges Relationszeichen. Dann gilt ` ∃x ∀y (P (y) → P (x)) . Beweis. a) ψ ∀x ¬ψ [x/v] ¬ψ ⊥ ∃x ψ [x/v] ⊥ ¬ ∀x ¬ψ [x/v] ∃x ψ [x/v] → ¬ ∀x ¬ψ [x/v] ψ ∃x ψ [x/v] ¬∃x ψ [x/v] ⊥ ¬ψ ∀x ¬ψ [x/v] ¬ ∀x ¬ψ [x/v] ⊥ ∃x ψ [x/v] ¬ ∀x ¬ψ [x/v] → ∃x ψ [x/v] b) mit a) und Lemma 12c) c) ψ ∃x ψ [x/v] ¬∃x ψ [x/v] ⊥ ¬ψ ∀x ¬ψ [x/v] ¬∃x ψ [x/v] → ∀x ¬ψ [x/v] Lemma 14. 21 a) b) c) d) . ` ∃x (t = x) . . . ` ∀x, y, z (x = 6 y→x= 6 z∨y = 6 z) . . . ` s1 = t1 ∧ . . . ∧ sn = tn → f (s1 , . . . , sn ) = f (t1 , . . . , tn ) . . ` s1 = t1 ∧ . . . ∧ sm = tm → (R(s1 , . . . , sm ) ↔ R(t1 , . . . , tm )) Beweis. a) . . . 6 x) ¬∃x (t = x) ¬∃x (t = x) → ∀x (t = . ∀x (t = 6 x) . . t= 6 t t=t ⊥ . ∃x (t = x) b) . v= 6 w . . u 6= w ∨ v = 6 w . u 6= w . . u= 6 w∨v = 6 w . . ¬(u = 6 w∨v = 6 w) . u 6= w ⊥ . ¬(v 6= w) . v 6= w ⊥ . ¬(u = 6 w) . . ¬(u 6= w ∨ v = 6 w) ⊥ . v=w . w=v ⊥ . u=w . u=v . u 6= v ⊥ . . u= 6 w∨v = 6 w . . . u 6= v → u = 6 w∨v = 6 w . . . ∀z (u = 6 v→u= 6 z∨v = 6 z) . . . ∀y ∀z (u = 6 y→u= 6 z∨y = 6 z) . . . ∀x ∀y ∀z (x = 6 y→x= 6 z∨y = 6 z) . v=w . . u=w w=v . . u=v u= 6 v ⊥ . . v= 6 w u= 6 w . . . . . . u=w∨u= 6 w u= 6 w∨v = 6 w u= 6 w∨v = 6 w . . u= 6 w∨v = 6 w . . . u 6= v → u = 6 w∨v = 6 w) . . . ∀z (u = 6 v→u= 6 z∨v = 6 z) . . . ∀y ∀z (u = 6 y→u= 6 z∨y = 6 z) . . . ∀x ∀y ∀z (x = 6 y→x= 6 z∨y = 6 z) Lemma 15. a) Σ ∪ {σ} ` ψ ⇔ Σ ` σ → ψ 22 b) {ϕ1 , . . . , ϕn } ` ϕ ⇔ ` ϕ1 ∧ . . . ∧ ϕn → ϕ Beweis. a) “⇒” Es gebe eine Herleitung von ψ mit Annahmemenge ∆ ⊆ Σ ∪ {σ}. Nach der Regel →-einf gibt es damit eine Herleitung von σ → ψ mit Annahmemenge ∆ \ {σ}. Aus ∆ \ {σ} ⊆ Σ folgt Σ ` σ → ψ. “⇐” Dies folgt unmittelbar mit der Regel →-elim. b) Die Aussage folgt aus a) und Lemma 9d). Bemerkung 2. Gilt H (D, ϕ, ∆), so sind ϕ und ∆ eindeutig durch den ‘Herleitungsbaum’ D bestimmt. Die Menge ∆ ist immer endlich. Definition. Für eine Herleitung D sei die Komplexität von D definiert als die Anzahl der ‘Balken’ in D. Zum Beispiel hat die Herleitung (σ → ϕ) ∧ (ψ → ϕ) (σ → ϕ) ∧ (ψ → ϕ) ψ σ→ϕ ψ→ϕ σ∨ψ ϕ ϕ ϕ (σ ∨ ψ) → ϕ ((σ → ϕ) ∧ (ψ → ϕ)) → ((σ ∨ ψ) → ϕ) σ die Komplexität 7. Lemma 16. (Induktion über die Komplexität der Herleitungen) Sei E eine Eigenschaft und sei E(D) die Aussage “die Herleitung D erfüllt die Eigenschaft E”. Für n ∈ N sei A(n) die Aussage “für alle Herleitungen D der Komplexität ≤ n gilt E(D)”. Gelten weiter • A(0) • für alle n ∈ N gilt: aus A(n) folgt A(n + 1) Dann gilt A(n) für alle n ∈ N. Somit gilt E(D) für alle Herleitungen D. 23 Lemma 17. Sei ϕ eine Formel und ∆ eine Formelmenge. Sei c ein Konstantensymbol, das nicht in ∆ ∪ {ϕ} vorkommt. Weiter sei w eine freie Variable, die nicht in ∆ vorkommt. Dann gilt ∆ ` ϕ [c/w] ⇒ ∆ ` ϕ. Beweis. Wir zeigen durch Induktion über den Aufbau der Herleitungen, dass unter obigen Bedingungen H (D, ϕ [c/w] , ∆) ⇒ ∆ ` ϕ. gilt. Wir betrachten den Fall ∃-elim: H (D0 , ∃x ψ [x/v] , ∆0 ) und H (D00 , ϕ [c/w] , ∆00 ∪ {ψ}) ⇒ 0 00 D D 0 00 H , ϕ [c/w] , ∆ ∪ ∆ ϕ [c/w] Wir können annehmen: w 6= v. Mit der Induktionsvoraussetzung erhalten wir ∆00 ∪ {ψ} ` ϕ. Mit ∃-elim folgt ∆0 ∪ ∆00 ` ϕ. Bemerkung: Ein alternativer Ansatz bestünde darin, die Formeln ohne die Zeichen ∨ und ∃ zu definieren und die Abkürzungen def σ ∨ ψ = ¬(¬σ ∧ ¬ψ) und def ∃x ψ [x/v] = ¬∀x ¬ψ [x/v] zu verwenden. Und bei der Definition der Herleitungen auf die Regeln ∨-einf, ∨-elim, ∃-einf, ∃-elim zu verzichten. Dieser Ansatz führt zum selben Herleitungsbegriff! Wir deuten als Beispiel an, wie die ∃-elim Regel ‘hergeleitet’ werden kann. ϕ ¬ϕ ⊥ ∃x ψ [x/v] ¬ψ ¬∀x ¬ψ [x/v] ∀x ¬ψ [x/v] ⊥ ϕ 24 Dieser alternative Ansatz wäre weniger aufwändig gewesen. Warum haben wir ihn nicht gewählt? Erstens ist es gut, die üblichen Junktoren und Quantoren ausführlich und gleichberechtigt zu behandeln. Zweitens wollen wir auch über intuitionistische Logik sowie über Minimallogik reden. 25 3 Intuitionistische Logik und Minimallogik Definition. “ϕ ist intuitionistisch aus Σ herleitbar”, def Σ `i ϕ ⇔ es gibt eine Herleitung von ϕ mit Annahmemenge ∆ ⊆ Σ, wobei die ⊥-Regel ersetzt wird durch D int-⊥: H (D, ⊥, ∆) ⇒ H , ϕ, ∆ . ϕ “ϕ ist minimallogisch aus Σ herleitbar”, def Σ `m ϕ ⇔ es gibt eine Herleitung von ϕ mit Annahmenmenge ∆ ⊆ Σ, ganz ohne Verwendung der ⊥-Regel. Lemma 18. a) `m ¬ϕ ↔ ¬¬¬ϕ b) `m σ ∧ ¬ψ → ¬(σ → ψ) c) `m (σ → ψ) → (¬ψ → ¬σ) d) `m (σ → ψ) → (¬¬σ → ¬¬ψ) e) `m ¬¬(σ → ψ) → (¬¬σ → ¬¬ψ) f ) `i (¬¬σ → ¬¬ψ) → ¬¬(σ → ψ) g) `m ¬¬(σ ∧ ψ) ↔ (¬¬σ ∧ ¬¬ψ) h) `m ¬¬∀x ψ [x/v] → ∀x ¬¬ψ [x/v] i) `m (σ ∧ ψ → ϕ) → (¬¬σ ∧ ψ → ¬¬ϕ) j) `m (σ ∧ ψ → ϕ) → (¬¬σ ∧ ¬¬ψ → ¬¬ϕ) k) `m (¬(σ ∨ ψ) → ϕ) → (((¬σ → ϕ) ∨ (¬ψ → ϕ) → ϕ) → ϕ) l) `i (ϕ ∨ ¬ϕ) ∧ ¬¬ϕ → ϕ Beweis. a) b) c) σ→ψ ψ ¬ψ ⊥ ¬σ ¬ψ → ¬σ (σ → ψ) → (¬ψ → ¬σ) σ 26 d) σ→ψ ¬ψ → ¬σ ¬¬σ → ¬¬ψ σ → ψ → (¬¬σ → ¬¬ψ) e) σ→ψ ¬ψ ¬ψ → ¬σ ¬σ ¬¬σ ⊥ ¬(σ → ψ) ¬¬(σ → ψ) ⊥ ¬¬ψ ¬¬σ → ¬¬ψ ¬¬(σ → ψ) → (¬¬σ → ¬¬ψ) f) ¬(σ → ψ) ¬(σ → ψ) ¬¬σ ¬ψ ¬¬σ → ¬¬ψ ¬¬ψ ⊥ ¬¬(σ → ψ) (¬¬σ → ¬¬ψ) → ¬¬(σ → ψ) g) ¬σ ¬(σ ∧ ψ) ¬ψ ¬¬(σ ∧ ψ) ¬(σ ∧ ψ) ¬¬(σ ∧ ψ) ⊥ ⊥ ¬¬σ ¬¬ψ ¬¬σ ∧ ¬¬ψ ¬¬(σ ∧ ψ) → ¬¬σ ∧ ¬¬ψ 27 σ ψ σ∧ψ ¬(σ ∧ ψ) ¬¬σ ∧ ¬¬ψ ⊥ ¬σ ¬¬σ ¬¬σ ∧ ¬¬ψ ⊥ ¬ψ ¬¬ψ ⊥ ¬¬(σ ∧ ψ) ¬¬σ ∧ ¬¬ψ → ¬¬(σ ∧ ψ) h) ∀x ψ [x/v] ψ ¬ψ ⊥ ¬∀x ψ [x/v] ¬¬∀x ψ [x/v] ⊥ ¬¬ψ ∀x ¬¬ψ [x/v] ¬¬∀x ψ [x/v] → ∀x ¬¬ψ [x/v] i) σ ¬¬σ ∧ ψ ψ σ∧ψ σ∧ψ →ϕ ¬ϕ ϕ ⊥ ¬σ ¬¬σ ∧ ψ ¬¬σ ⊥ ¬¬ϕ ¬¬σ ∧ ψ → ¬¬ϕ (σ ∧ ψ → ϕ) → (¬¬σ ∧ ψ → ¬¬ϕ) j) ¬¬σ ∧ ¬¬ψ σ∧ψ →ϕ ¬¬(σ ∧ ψ) ¬¬(σ ∧ ψ) → ¬¬ϕ ¬¬ϕ ¬¬σ ∧ ¬¬ψ → ¬¬ϕ (σ ∧ ψ → ϕ) → (¬¬σ ∧ ¬¬ψ → ¬¬ϕ) Definition. Die Abbildung ◦ : F → F sei definiert durch 1. ⊥◦ = ⊥ 28 2. ϕ◦ = ¬¬ϕ für Primformeln verschieden von ⊥ 3. (σ ∧ ψ)◦ = σ ◦ ∧ ψ ◦ 4. (σ ∨ ψ)◦ = ¬(¬σ ◦ ∧ ¬ψ ◦ ) 5. (σ → ψ)◦ = σ ◦ → ψ ◦ 6. (∀x ψ [x/v])◦ = ∀x ψ ◦ [x/v] 7. (∃x ψ [x/v])◦ = ¬∀x ¬ψ ◦ [x/v] Diese Abbildung nennt man Gödel-Übersetzung. Wir legen fest: menge ∆ sei ◦ bindet stärker als ¬ und die Quantoren. Für eine Formel∆◦ = {ψ ◦ | ψ ∈ ∆} . Lemma 19. Für alle Formeln ϕ gilt `m ¬¬ϕ◦ ↔ ϕ◦ . Lemma 20. Für alle Formeln ϕ gilt ϕ [t/v]◦ = ϕ◦ [t/v] . Lemma 21. Für alle Formeln ϕ gilt ` ϕ ↔ ϕ◦ . Proposition 1. Γ`ϕ ⇔ Γ◦ `m ϕ◦ Beweis. Die Richtung “⇐” folgt aus Lemma 21. Für die Richtung “⇒” beweisen wir H (D, ϕ, ∆) ⇒ ∆◦ `m ϕ◦ durch Induktion über die Komplexität von D. ax: H (ϕ, ϕ, {ϕ}). Dann gilt {ϕ◦ } `m ϕ◦ . ∧-einf: Der letzte Schritt der Herleitung ist H (D0 , σ, ∆0 ) und H (D00 , ψ, ∆00 ) ⇒ 0 00 D D 0 00 H , σ ∧ ψ, ∆ ∪ ∆ . σ∧ψ 29 Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆0◦ `m σ 0◦ und ∆00◦ `m ψ ◦ . Somit gilt ∆0◦ ∪ ∆00◦ `m ϕ◦ ∧ ψ ◦ und damit ∆0◦ ∪ ∆00◦ `i (ϕ ∧ ψ)◦ . ∧-elim: Der letzte Schritt der Herleitung ist H (D0 , ϕ ∧ ψ, ∆) ⇒ 0 D H , ϕ, ∆ . σ Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆◦ `m (ϕ ∧ ψ)◦ , somit auch ∆◦ `m ϕ◦ ∧ ψ ◦ und ∆◦ `m ϕ◦ . →-einf: Der letzte Schritt der Herleitung ist H (D0 , ψ, ∆0 ) ⇒ H D0 0 , σ → ψ, ∆ \ {σ} . σ→ψ Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆0◦ `m ψ ◦ , daraus folgt ∆0◦ \ {σ ◦ } `m σ ◦ → ψ ◦ und damit ∆0◦ \ {σ ◦ } `m (σ → ψ)◦ . 30 →-elim: Der letzte Schritt der Herleitung ist H (D0 , ψ, ∆0 ) und H (D00 , ψ → ϕ, ∆00 ) ⇒ 0 D D00 0 00 H , ϕ, ∆ ∪ ∆ . ϕ Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆0◦ `m ψ ◦ und ∆00◦ `m (ψ → ϕ)◦ , somit auch ∆00◦ `m ψ ◦ → ϕ◦ . Wir erhalten ∆0◦ ∪ ∆00◦ `m ϕ◦ . ∨-einf: Der letzte Schritt der Herleitung ist D0 0 H (D , σ, ∆) ⇒ H , σ ∨ ψ, ∆ . σ∨ψ Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆◦ `m σ ◦ . Mit `m η → ¬(¬η ∧ ¬θ) erhalten wir ∆◦ `m (σ ∨ ψ)◦ . ∨-elim: Der letzte Schritt der Herleitung ist H (D0 , σ ∨ ψ, ∆0 ) und H (D00 , ϕ, ∆00 ∪ {σ}) und H (D000 , ϕ, ∆000 ∪ {ψ}) ⇒ 0 00 000 D D D 0 00 000 H , ϕ, ∆ ∪ ∆ ∪ ∆ . ϕ 31 Nach Induktionsvoraussetzung gilt also ∆0◦ `m ¬(¬σ ◦ ∧ ¬ψ ◦ ), ∆00◦ ∪ {σ ◦ } `m ϕ◦ und ∆000◦ ∪ {ψ ◦ } `m ϕ◦ . Mit der Herleitung ϕ◦ ¬ϕ◦ ϕ◦ ¬ϕ◦ ⊥ ⊥ ¬σ ◦ ¬ψ ◦ ¬σ ◦ ∧ ¬ψ ◦ ¬(¬σ ◦ ∧ ¬ψ ◦ ) ⊥ ¬¬ϕ◦ folgt daraus ∆0◦ ∪ ∆00◦ ∪ ∆000◦ `m ¬¬ϕ◦ und mit Lemma 19 erhalten wir ∆0◦ ∪ ∆00◦ ∪ ∆000◦ `m ϕ◦ . ∀-einf: Der letzte Schritt der Herleitung ist D0 0 , ∀x ψ [x/v] , ∆ H (D , ψ, ∆) ⇒ H ∀x ψ [x/v] mit v ∈ / FV(∆). Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆◦ `m ψ ◦ . Wir erhalten ∆◦ `m ∀x ψ ◦ [x/v] (aus v ∈ / FV(∆) folgt v ∈ / FV(∆◦ )) und damit ∆◦ `m (∀x ψ [x/v])◦ ∀-elim: Der letzte Schritt der Herleitung ist 0 H (D , ∀x ψ [x/v] , ∆) ⇒ H 32 D0 , ψ [t/v] , ∆ . ψ [t/v] Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆◦ `m ∀x ψ ◦ [x/v] , somit ∆◦ `m ψ ◦ [t/v] und mit Lemma 20 erhalten wir ∆◦ `m ψ [t/v]◦ . ∃-einf: Der letzte Schritt der Herleitung ist H (D0 , ψ, ∆) ⇒ D0 , ∃x ψ [x/v] , ∆ . H ∃x ψ [x/v] Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆◦ `m ψ ◦ somit ∆◦ `m ∃x ψ ◦ [x/v] somit ∆◦ `m (∃x ψ [x/v])◦ . ∃-elim: Der letzte Schritt der Herleitung ist H (D0 , ∃x ψ [x/v] , ∆0 ) und H (D00 , ϕ, ∆00 ∪ {ψ}) ⇒ 0 00 D D 0 00 H , ϕ, ∆ ∪ ∆ ϕ mit v ∈ / FV(∆00 ∪ {ϕ}). Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆◦ `m (∃x ψ [x/v])◦ und Γ◦ ∪ {ψ ◦ } `m ϕ◦ . Dann folgt aus ϕ◦ ¬ϕ◦ ⊥ ¬ψ ◦ ¬∀x¬ψ ◦ [x/v] ∀x ¬ψ ◦ [x/v] ⊥ ¬¬ϕ◦ 33 dass ∆0◦ ∪ ∆00◦ `m ¬¬ϕ◦ gilt, somit folgt mit Lemma 19 ∆0◦ ∪ ∆00◦ `m ϕ◦ . ⊥: Der letzte Schritt der Herleitung ist H (D0 , ⊥, ∆0 ) ⇒ 0 D 0 H , ϕ, ∆ \ {¬ϕ} . ϕ Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆0◦ `m ⊥, somit ∆0◦ \ {¬ϕ◦ } `m ¬¬ϕ◦ und, mit Lemma 19, ∆0◦ \ {¬ϕ◦ } `m ϕ◦ . . . . . =1 : ϕ hat die Form t = t und wurde hergeleitet durch H (t = t, t = t, ∅). Es gilt aber . `m t = t und somit ∅◦ `m ϕ◦ . . =2 : Der letzte Schritt der Herleitung ist . H (D , s = t, ∆) ⇒ H 0 D0 . . , t = s, ∆ . t=s Nach Induktionsvoraussetzung gilt also . ∆◦ `m ¬¬(s = t). Mit Lemma 18 d) erhalten wir . ∆◦ `m ¬¬(t = s). 34 . =3 : Der letzte Schritt der Herleitung ist . . H (D, r = s, ∆) und H (D0 , s = t, Γ) ⇒ D D0 . H . , r = t, ∆ ∪ Γ . r=t Nach Induktionsvoraussetzung gilt also . ∆◦ `i ¬¬(r = s) und . Γ◦ `i ¬¬(s = t). Damit folgt mit Lemma 18 j) . ∆◦ ∪ Γ◦ `i ¬¬(r = t). . =4 : Der letzte Schritt der Herleitung ist . H (D0 , s = t, ∆) ⇒ D0 . , r [s/v] = r [t/v] , ∆ . H . r [s/v] = r [t/v] Nach Induktionsvoraussetzung gilt . ∆◦ `m ¬¬(s = t) und mit Lemma 18 d) folgt . ∆◦ `m ¬¬(r [s/v] = r [t/v]). . =5 : Der letzte Schritt der Herleitung ist . H (D0 , s = t, ∆0 ) und H (D00 , ψ [s/v] , ∆00 ) ⇒ 0 D D00 0 00 , ψ [t/v] , ∆ ∪ ∆ . H ψ [t/v] Mit den Induktionsvoraussetzungen sowie mit Lemma 18 i), Lemma 19 und Lemma 20 erhalten wir ∆0◦ . ¬¬(s = t) ∆00◦ ψ ◦ [s/v] ¬¬ψ ◦ [t/v] ¬¬ψ [t/v]◦ ψ [t/v]◦ 35 Korollar 1. Sei Σ eine Formelmenge. Dann gilt Σ `⊥ ⇒ 36 Σ `m ⊥ . 4 Erweiterung von Formelmengen Seien ∆ und Σ Formelmengen. Σ heißt Erweiterung von ∆, falls ∆ ⊆ Σ gilt. Wir schreiben Σ 0 ψ, falls Σ ` ψ nicht gilt, und sagen “ψ ist nicht aus Σ herleitbar”. Definition. Eine Menge Σ von Formeln der Sprache L heißt • konsistent, falls Σ 0⊥; • inkonsistent, falls Σ `⊥; • maximal konsistent, falls sie konsistent ist und keine konsistente echte Obermenge besitzt, d.h. falls für alle Formelmengen S die Implikation T ( S ⇒ S ist inkonsistent gilt; • negationstreu, falls für jede Formel ϕ Σ ` ϕ oder Σ ` ¬ϕ gilt; • Henkin-Menge (bezüglich L), falls es für jede Formel ψ der Sprache L und jede freie Variable v und jede gebundene Variable x, die nicht in ψ vorkommt, ein Konstantensymbol c gibt mit Σ ` ∃x ψ [x/v] → ψ [c/v] . Lemma 22. Aus einer inkonsistenten Formelmenge ist jede Formel herleitbar. Lemma 23. Jede maximal konsistente Formelmenge ist negationstreu. Beweis. Gelte Σ 0 ψ. Daraus folgt Σ ∪ {¬ψ} 0⊥. Wegen der maximalen Konsistenz von Σ erhalten wir ¬ψ ∈ Σ und somit Σ ` ¬ψ. Lemma 24. Ist Σ negationstreu, so gilt Σ ` σ ∨ ψ ⇔ (Σ ` σ oder Σ ` ψ) für alle Formeln σ und ψ. Lemma 25. Ist Σ negationstreu, so gilt Σ ` σ → ψ ⇔ (Σ ` σ ⇒ Σ ` ψ) für alle Formeln σ und ψ. 37 Lemma 26. Sei ϕ eine Formel und Σ eine negationstreue Henkin-Menge. Dann gilt: Σ ` ∀x ϕ [x/v] ⇔ (Σ ` ϕ [t/v] für alle Terme t). Beweis. “⇒” folgt unmittelbar aus der ∀-elim-Regel. Die Richtung “⇐” beweisen wir indirekt. Σ 0 ∀x ϕ [x/v] ⇒ Σ ` ¬∀x ϕ [x/v] ⇒ Σ ` ∃x ¬ϕ [x/v] Es gibt also einen Term s mit Σ ` ¬ϕ [s/v], damit ist Σ inkonsistent, dies ist ein Widerspruch zu Σ 0 ∀x ϕ [x/v]. Lemma 27. Sei ϕ eine Formel und Σ eine negationstreue Henkin-Menge. Dann gilt: Σ ` ∃x ϕ [x/v] ⇔ ( es gibt einen Term t mit Σ ` ϕ [t/v]) Proposition 2. Sei L eine Sprache und sei Σ eine konsistente Formelmenge der Sprache L. Dann gibt es eine Sprache L∗ und eine Formelmenge Σ∗ der Sprache L∗ mit folgenden Eigenschaften: 1. L ⊆ L∗ 2. Σ ⊆ Σ∗ 3. Σ∗ ist konsistent 4. Σ∗ ist eine Henkin-Menge (bezüglich L∗ ) Beweis. Wir erweitern die Sprache L, indem wir für jede Formel ϕ von L und jede freie Variable v und jede gebundene Variable x ein eigenes neues Konstantensymbol cϕ,v,x hinzunehmen und bezeichnen die erweiterte Sprache mit L0 . Wir erweitern Σ durch Hinzunahme der Formel ∃x ϕ [x/v] → ϕ [cϕ,v,x /v] für jedes der neuen Konstantensymbole cϕ,v,x und bezeichnen die erweiterte Formelmenge mit Σ0 . Σ0 ist konsistent: Angenommen, es gilt Σ0 `⊥ . Dann gibt es eine endliche Teilmenge ∆ von Σ und eine Menge {ϕ1 , . . . , ϕk } ⊆ Σ0 \ Σ 38 mit ∆ ∪ {ϕ1 , . . . , ϕk } `⊥ . Wir können annehmen, dass die Formeln ϕi paarweise verschieden sind und dass ∆ ∪ {ϕ1 , . . . , ϕk−1 } konsistent ist. Sei ϕk = ∃x ψ [x/v] → ψ [c/v] . Wir können annehmen, dass c in ∆ ∪ {ϕ1 , . . . , ϕk−1 } nicht vorkommt. Sei w eine freie Variable, die nicht in ∆ ∪ {ϕ1 , . . . , ϕk } vorkommt, so folgt ¬ϕk = ((∃x ψ [x/v] → ψ [w/v]) →⊥) [c/w] . Aus ∆ ∪ {ϕ1 , . . . , ϕk } `⊥ folgt ∆ ∪ {ϕ1 , . . . , ϕk−1 } ` ¬ϕk . Mit Lemma 17 folgt ∆ ∪ {ϕ1 , . . . , ϕk−1 } ` ∀y((∃x ψ [x/v] → ψ [w/v]) →⊥) [y/w] . Mit Lemma 13 f) folgt ∆ ∪ {ϕ1 , . . . , ϕk−1 } ` ∃y(∃x ψ [x/v] → ψ [w/v]) [y/w] →⊥ . Mit Lemma 13 e) folgt ∆ ∪ {ϕ1 , . . . , ϕk−1 } ` (∃x ψ [x/v] → ∃y ψ [x/y]) →⊥ . Damit ist ∆ ∪ {ϕ1 , . . . , ϕk−1 } inkonsistent. Dies ist ein Widerspruch. Wir definieren nun rekursiv eine Folge von Sprachen und eine Folge von Formelmengen. L1 = L, Σ1 = Σ Ln+1 = L0n , Σn+1 = Σ0n Damit sind alle Σn konsistent und für jede Formel ϕ der Sprache Ln , jede gebundene Variable x, die nicht in ϕ vorkommt und jede freie Variable v gibt es ein Konstantensymbol c der Sprache Ln+1 , so dass ∃x ϕ [x/v] → ϕ [c/v] ∈ Σn+1 . 39 Schließlich setzen wir L∗ = ∪∞ n=1 Ln und Σ∗ = ∪ ∞ n=1 Σn . Σ∗ ist konsistent: Angenommen, Σ∗ wäre inkonsistent. Es gibt also eine Herleitung von ⊥ mit (endlicher!) Annahmemenge ∆ ⊆ Σ∗ . Dann gibt es ein n mit ∆ ⊆ Σn . Damit ist Σn inkonsistent, ein Widerspruch. Σ∗ ist eine Henkin-Menge bezüglich L∗ : Sei ϕ eine Formel der Sprache L∗ , x eine gebundene Variable, die nicht in ϕ vorkommt und v eine freie Variable. Dann gibt es ein n, so dass ϕ eine Formel der Sprache Ln ist. Somit gibt es eine Konstante c in Ln+1 , so dass ∃x ϕ [x/v] → ϕ [c/v] ∈ Σn+1 ⊆ Σ∗ . Definition. Eine geordnete Menge ist eine Menge X mit einer Relation ≤, so dass für alle x, y, z ∈ X • x≤x • x ≤ y und y ≤ x ⇒ x = y • x ≤ y und y ≤ z ⇒ x ≤ z gilt. Eine Kette in X ist eine Teilmenge Y von X, so dass für alle y1 , y2 ∈ Y y1 ≤ y2 oder y2 ≤ y1 gilt. Eine obere Schranke einer Teilmenge Z von X ist ein Element x ∈ X, so dass für alle z ∈ Z z≤x gilt. Ein maximales Element von X ist ein Element x ∈ X, so dass für alle x0 ∈ X x ≤ x 0 ⇒ x = x0 gilt. Das Lemma von Zorn ist folgendes Axiom: Sei X eine geordnete Menge derart, dass jede Kette in X eine obere Schranke besitzt. Dann enthält X ein maximales Element. Lemma 28. Jede konsistente Formelmenge besitzt eine maximal konsistente Erweiterung in derselben Sprache. 40 Beweis. Sei Σ eine konsistente Formelmenge. Wir wenden das Lemma von Zorn an auf die Menge der Formelmengen X = {Γ | Σ ⊆ Γ und Γ 0⊥} und die Relation ⊆. Lemma 29. Seien Σ, Σ0 Formelmengen der Sprache L mit Σ ⊆ Σ0 und sei Σ eine Henkin-Menge bezüglich L. Dann ist auch Σ0 eine Henkin-Menge bezüglich L. Wir können also annehmen, dass die Menge Σ∗ von Proposition 2 maximal konsistent und somit negationstreu ist. 41 5 Modelle Definition. Ein Modell A der Sprache L besteht aus: 1. einer nichtleeren Menge A 2. einem Element ĉ ∈ A für jedes Konstantensymbol c 3. einer m-stellige Relation R̂ auf A (d.h. R̂ ist eine Teilmenge von Am ) für jedes m-stellige Relationszeichen R 4. einer Funktion fˆ : An → A für jedes n-stellige Funktionszeichen f Die Menge A heißt Trägermenge des Modells A. Eine Belegung (über A) ist eine Abbildung b : FV → A. D.h. eine Belegung ist eine Folge (an )n∈N in A (setze an = b(vn )). Wir wollen nicht nur den freien Variablen und Konstantensymbolen, sondern jedem Term t ein Element t̂ der Trägermenge zuordnen. Definition. Die Abbildung ˆ: τ t → 7 → A t̂ wird induktiv über den Aufbau der Terme definiert. 1. v̂ = b(v) 2. ĉ ist definiert durch den Modellbegriff 3. f (t1\ , . . . , tn ) = fˆ(tˆ1 , . . . , tˆ1 ) Manchmal schreiben wir auch tA b für t̂. Lemma 30. Seien t ein Term und b0 eine weitere Belegung, die auf FV(t) mit b übereinstimmt. Dann gilt A tA b = tb0 . Definition. Für eine Belegung b, eine freie Variable v und a ∈ A definieren wir eine neue Belegung bav durch a falls w = v, a bv (w) = b(w) falls w = 6 v. 42 Definition. Definition von A ist ein Modell der Formel ϕ bei der Belegung b, in Zeichen A ϕ [b] durch Induktion über den Aufbau der Formeln. 1. A 2 ⊥ [b] def 2. A R(t1 , . . . , tm ) [b] . 3. A s = t [b] def A ((t1 )A b , . . . , (tm )b ) ∈ R̂ ⇔ A sA b = tb ⇔ 4. A (σ ∧ ψ) [b] def ⇔ A σ [b] und A ψ [b] 5. A (σ ∨ ψ) [b] def A σ [b] oder A ψ [b] 6. A (σ → ψ) [b] 7. A ∀x ψ [x/v] [b] ⇔ def ⇔ (A σ [b] ⇒ A ψ [b]) def ⇔ für alle a ∈ A gilt A ψ [bav ] def 8. A ∃x ψ [x/v] [b] ⇔ es gibt ein a ∈ A mit A ψ [bav ] Lemma 31. Seien ϕ eine Formel und b0 eine Belegungen über A, die auf FV(ϕ) mit b übereinstimmt. Dann gilt A ϕ [b] ⇔ A ϕ [b0 ] . Lemma 32. a) A (¬ϕ) [b] ⇔ A 2 ϕ [b] b) A (ϕ ∨ ¬ϕ) [b] Definition. Sei Σ eine Menge von Formeln. Wir definieren def A Σ [b] ⇔ A ψ [b] für alle ψ ∈ Σ und Σϕ def ⇔ für alle Modelle A und Belegungen b gilt: A Σ [b] ⇒ A ϕ [b] . Wir schreiben ϕ für ∅ ϕ, und erhalten: ϕ ⇔ für alle Modelle A und Belegungen b gilt: A ϕ [b] . In diesem Fall nennen wir ϕ allgemeingültig. 43 Lemma 33. Seien σ und ψ Formeln. Dann gilt die folgende Äquivalenz: σ→ψ ⇔ für alle Formelmengen Σ gilt: ( Σ σ ⇒ Σ ψ) Lemma 34. Sei v ∈ / FV(Σ). Dann gilt Σ ϕ ⇒ Σ ∀x ϕ [x/v] . Beweis. Gelte A Σ [b] und sei a ∈ A. Da v ∈ / FV(Σ), gilt nach Lemma 31 a a auch A Σ [bx ] und somit A ϕ [bx ]. Lemma 35. Sei v ∈ / FV(ϕ). Dann gilt ∀x (ψ → ϕ) [x/v] → (∃x ψ [x/v] → ϕ) . Beweis. Gelte A ∀x (ψ → ϕ) [x/v] [b] sowie A ∃x ψ [x/v] [b] . Es gilt also für alle a ∈ A (hier gehen die Variablenbedingung und Lemma 31 ein) A ψ [bav ] ⇒ A ϕ [b] und es gibt ein a ∈ A mit A ψ [bav ] . Somit gilt A ϕ [b] . Lemma 36. Sei ϕ eine Formel und v ∈ FV. Dann gilt ψ → ∃x ψ [x/v] . Lemma 37. a) ϕ ↔ ¬¬ϕ b) ϕ ∨ ¬ϕ c) Σ σ → ψ ⇒ (Σ σ ⇒ Σ ψ) d) Σ ∪ {σ} ψ ⇔ Σ σ → ψ e) σ ∨ ψ ↔ ¬ (¬σ ∧ ¬ψ) f ) ∃x ψ [x/u] ↔ ¬∀x ¬ψ [x/u] 44 Lemma 38. Seien s, t Terme und sei v eine freie Variable. Dann gilt A (t [s/v])A b = tbŝv . Lemma 39. Seien ϕ eine Formel, v eine freie Variable und t ein Term. Dann gilt h i A ϕ [t/v] [ b] ⇔ A ϕ bt̂v (1) Beweis. Seien A, v und t fest. Sei E(ϕ) die Aussage: für alle Belegungen b gilt (1). Wir zeigen durch Induktion über den Aufbau der Formeln, dass E(ϕ) für alle Formeln ϕ gilt. 1. ϕ =⊥ h i A ⊥ [t/v] [ b] ⇔ A ϕ bt̂v Dies gilt, weil beide Seiten falsch sind. . 2. ϕ = (r = s) Mit Lemma 38 erhalten wir: A A ϕ [t/v] [ b] ⇔ (r [t/v])A b = (s [t/v])b ⇔ h i rbAt̂ = sA ⇔ A ϕ bt̂v . bt̂ v v 3. ϕ = R(t1 , . . . , tm ) A (R(t1 , . . . , tm ) [t/v]) [b] ⇔ A R(t1 [t/v] , . . . , tm [t/v]) [b] ⇔ A A A ((t1 [t/v])A b , . . . , (tm [t/v])b ) ∈ R̂ ⇔ ((t1 )bt̂v , . . . , (t1 )bt̂v ) ∈ R̂ ⇔ h i A R(t1 , . . . , tm ) bt̂v . 4. ϕ = σ ∧ ψ. A ϕ [t/v] [ b] ⇔ A σ [t/v] [ b] und A ψ [t/v] [ b] ⇔ h i h i h i A σ bt̂v und A ψ bt̂v ⇔ A ϕ bt̂v 5. ϕ = σ ∨ ψ. A ϕ [t/v] [ b] ⇔ A σ [t/v] [ b] oder A ψ [t/v] [ b] ⇔ h i h i h i t̂ t̂ A σ bv oder A ψ bv ⇔ A ϕ bt̂v 45 6. ϕ = σ → ψ. A ϕ [t/v] [ b] ⇔ A σ [t/v] [ b] impliziert A ψ [t/v] b [ / ⇔] h i h i h i A σ bt̂v impliziert A ψ bt̂v ⇔ A ϕ bt̂v 7. ϕ = ∀x ψ [x/u]. Wir können annehmen: u ∈ / FV(t) und u 6= v. A ∀x ψ [x/u] [t/v] [b] ⇔ A ∀x ψ [t/v] [x/u] [b] ⇔ für alle a ∈ A gilt A ψ [t/v] [bau ] ⇔ h i a t̂ für alle a ∈ A gilt A ψ (bu )v ⇔ h i h i t̂ a für alle a ∈ A gilt A ψ (bv )u ⇔ A ∀x ψ [x/u] bt̂v 8. ϕ = ∃x ψ [x/u]. Wir können annehmen: u ∈ / FV(t) und u 6= v. A ∃x ψ [x/u] [t/v] [b] ⇔ A ∃x ψ [t/v] [x/u] [b] ⇔ es gibt ein a ∈ A mit A ψ [t/v] [bau ] ⇔ h i es gibt ein a ∈ A mit A ψ (bau )t̂v ⇔ h i h i t̂ a es gibt ein a ∈ A mit A ψ (bv )u ⇔ A ∃x ψ [x/u] bt̂v Lemma 40. Sei ϕ eine Formel, v eine freie Variable und t ein Term. Dann gilt ∀x ϕ [x/v] → ϕ [t/v] . Beweis. Gelte A ∀x ϕ [x/v] [b] . h i Dann gilt A ϕ [bav ] für alle a ∈ A. Insbesondere gilt A ϕ bt̂v . Mit Lemma 39 erhalten wir A ϕ [t/v] [b]. Lemma 41. Seien r, s, t Terme und v eine freie Variable. Dann gilt . . s = t → r [s/v] = r [t/v] . 46 Beweis. Sei A ein Modell und b eine Belegung mit A sA b = tb . Dann folgt A A A r [s/v]A b = rbŝv = rbt̂ = r [t/v]b v mit Lemma 38. Lemma 42. Seien ϕ eine Formel, s, t Terme und v eine freie Variable. Dann gilt . s = t → (ϕ [s/v] ↔ ϕ [t/v]). Beweis. Sei ein Modell A und eine Belegung b mit A ŝ = sA b = tb = t̂ gegeben. Dann folgt A ϕ [s/v] [b] ⇔ A ϕ bŝv ⇔ h i A ϕ bt̂v ⇔ A ϕ [t/v] [b] mit Lemma 39. Lemma 43. Seien L und L∗ Sprachen mit L ⊆ L∗ , T eine Formelmenge der Sprache L, A ein Modell der Sprache L∗ und b eine Belegung. Es gelte A T [b] . Weiter sei B die ‘Einschränkung’ von A auf L. Dann gilt B T [b] . Was bedeutet ‘Einschränkung’ in diesem Zusammenhang? Die Trägermenge von B sei die von A und die Zuordnungen c 7→ ĉ, f 7→ fˆ und R 7→ R̂ werden von A übernommen. Beweis. Seien L, L∗ , A und B fest. Wir zeigen durch Induktion über den Aufbau der Formeln, dass für jede Formel ϕ gilt: für jede Belegung b gilt A ϕ [b] ⇔ B ϕ [b] . 47 6 Der Korrektheitssatz Proposition 3. (Korrektheitssatz) Sei Σ eine Menge von Formeln und sei ϕ eine Formel. Dann gilt: Σ`ϕ ⇒ Σϕ Beweis. Wir beweisen H (D, ϕ, ∆) ⇒ ∆ ϕ durch Induktion über den Aufbau der Herleitungen. ax: ∆ = {ϕ}. Dann gilt ∆ ϕ. ∧-einf: ϕ = σ ∧ ψ und der letzte Schritt der Herleitung ist H (D0 , σ, ∆0 ) und H (D00 , ψ, ∆00 ) ⇒ 0 00 D D 0 00 H , σ ∧ ψ, ∆ ∪ ∆ . σ∧ψ Dann gilt nach Induktionsvoraussetzung ∆0 σ und ∆00 ψ und somit auch ∆0 ∪ ∆00 ϕ. ∧-elim: Der letzte Schritt der Herleitung ist von der Art 0 D 0 , ϕ, ∆ . H (D , ϕ ∧ ψ, ∆) ⇒ H ϕ Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆ ϕ ∧ ψ und somit auch ∆ ϕ. ∨-einf: Der letzte Schritt der Herleitung ist von der Art D0 0 H (D , σ, ∆) ⇒ H , σ ∨ ψ, ∆ . σ∨ψ Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆ σ und somit auch ∆ σ ∨ ψ. ∨-elim: Der letzte Schritt der Herleitung ist H (D0 , σ ∨ ψ, ∆0 ) und H (D00 , ϕ, ∆00 ∪ {σ}) und 48 H (D000 , ϕ, ∆000 ∪ {ψ}) ⇒ 0 00 000 D D D 0 00 000 , ϕ, ∆ ∪ ∆ ∪ ∆ . H ϕ Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆0 σ ∨ ψ, ∆00 ∪ {σ} ϕ, and ∆000 ∪ {ψ} ϕ. Wir müssen zeigen: ∆0 ∪ ∆00 ∪ ∆000 ϕ. Sei also ein Modell A und eine Belegung b gegeben mit A ∆0 ∪ ∆00 ∪ ∆000 [b] . Dann gilt A σ [b] oder A ψ [b]. Im ersten Fall erhalten wir A ∆00 ∪ {σ} [b] und somit A ϕ [b], der zweite Fall geht analog. →-einf: ϕ = σ → ψ und der letzte Schritt der Herleitung ist D0 0 0 0 H (D , ψ, ∆ ) ⇒ H , σ → ψ, ∆ \ {σ} . σ→ψ Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆0 ψ. Daraus folgt ∆0 \ {σ} σ → ψ nach Lemma 37 d) (mit Σ = ∆0 \ {σ}). →-elim: Der letzte Schritt der Herleitung ist H (D0 , ψ, ∆0 ) und H (D00 , ψ → ϕ, ∆00 ) ⇒ 0 D D00 0 00 H , ϕ, ∆ ∪ ∆ , ϕ es gilt also ∆0 ψ und ∆00 ψ → ϕ. Daraus folgt ∆0 ∪ ∆00 ϕ. ∀-einf: Der letzte Schritt der Herleitung ist D0 0 , ∀x ψ [x/v] , ∆ , H (D , ψ, ∆) ⇒ H ∀x ψ [x/v] mit v ∈ / FV(∆). Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆ ψ. Mit Lemma 34 folgt daraus ∆ ∀x ψ [x/v]. 49 ∀-elim: Der letzte Schritt der Herleitung ist 0 H (D , ∀x ψ [x/v] , ∆) ⇒ H D0 , ψ [t/v] , ∆ . ψ [t/v] Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆ ∀x ψ [x/v]. Mit Lemma 40 erhalten wir ∆ ψ [t/v]. ∃-einf: Der letzte Schritt der Herleitung ist D0 0 , ∃x ψ [x/v] , ∆ . H (D , ψ, ∆) ⇒ H ∃x ψ [x/v] Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆ ψ. Somit gilt ∆ ∃x ψ [x/v] nach Lemma 36. ∃-elim: Der letzte Schritt der Herleitung ist H (D0 , ∃x ψ [x/v] , ∆0 ) und H (D00 , ϕ, ∆00 ∪ {ψ}) ⇒ 0 00 D D 0 00 , ϕ, ∆ ∪ ∆ , H ϕ mit v ∈ / FV(∆00 ∪ {ϕ}). Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆0 ∃x ψ [x/v] und ∆00 ∪ {ψ} ϕ. Mit Lemma 37d) erhalten wir ∆00 ψ → ϕ. Mit Lemma 34 erhalten wir ∆00 ∀x (ψ → ϕ) [x/v] . Mit Lemma 35 erhalten wir ∆00 ∃x ψ [x/v] → ϕ. Insgesamt gilt somit ∆0 ∪ ∆00 ϕ. 50 ⊥-regel: Der letzte Schritt der Herleitung ist 0 D 0 0 0 H (D , ⊥, ∆ ) ⇒ H , ϕ, ∆ \ {¬ϕ} . ϕ Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆0 ⊥. Somit gilt auch (∆0 \ {¬ϕ}) ∪ {¬ϕ} ⊥ . Mit Lemma 37d) folgt ∆0 \ {¬ϕ} ¬ϕ →⊥ . Mit ¬¬ϕ → ϕ erhalten wir ∆0 \ {¬ϕ} ϕ. . =1 : Die Herleitung besteht aus . . H (t = t, t = t, ∅) . . Es gilt t = t. . =2 : Der letzte Schritt der Herleitung ist D0 . . , t = s, ∆ . t=s . Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆ s = t. Mit . H (D , s = t, ∆) ⇒ H 0 . . s=t→t=s . folgt ∆ t = s. . =3 : Der letzte Schritt der Herleitung ist . . H (D0 , r = s, ∆0 ) und H (D00 , s = t, ∆00 ) ⇒ 0 00 D D . 0 00 H . , r = t, ∆ ∪ ∆ . r=t . . Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆0 r = s und ∆00 s = t. Mit . . . r =s∧s=t→r =t . folgt ∆0 ∪ ∆00 r = t. 51 . =4 : Der letzte Schritt der Herleitung ist . H (D0 , s = t, ∆) ⇒ D0 . , r [s/v] = r [t/v] , ∆ . H . r [s/v] = r [t/v] . Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆ s = t. Mit Lemma 41 erhalten wir ∆ ϕ [t/v]. . =5 : Der letzte Schritt der Herleitung ist . H (D0 , s = t, ∆0 ) und H (D00 , ψ [s/v] , ∆00 ) ⇒ 0 00 D D 0 00 H , ψ [t/v] , ∆ ∪ ∆ . ψ [t/v] . Nach Induktionsvoraussetzung gilt ∆0 s = t und ∆00 ψ [s/v]. Mit Lemma 42 erhalten wir ∆0 ∪ ∆00 ψ [t/v]. Korollar 2. Es gilt 0⊥ . 52 7 Der Gödelsche Vollständigkeitssatz Definition. Eine Menge von Formeln Σ ist erfüllbar, falls es ein Modell A und eine Belegung b über A gibt mit A Σ [b]. Proposition 4. Jede konsistente negationstreue Henkin-Menge T ist erfüllbar. Beweis. Die Relation def . s∼t ⇔ T `s=t auf der Menge τ ist eine Äquivalenzrelation. Setze t̃ = {s | s ∼ t} . Wir definieren ein Modell A und eine Belegung b. Setze A = t̃ | t ∈ τ . Als Belegung b wählen wir die Abbildung v 7→ ṽ. Für jedes Konstantensymbol c setze ĉ = c̃. Für jedes m-stellige Relationszeichen R definieren wir eine m-stellige Relation R̂ auf A durch def (t̃1 , . . . , t̃m ) ∈ R̂ ⇔ T ` R(t1 , . . . , tm ). Für jedes n-stellige Funktionszeichen f definieren wir eine n-stellige Funktion fˆ auf A durch fˆ(t̃1 , . . . , t̃n ) = f (t1^ , . . . , tn ). Wir stellen fest, dass diese Begriffe wohldefiniert sind und dass für jeden Term t von gilt: tA b = t̃, d.h. t̂ = t̃. Wir zeigen durch Induktion über die Definition von A ϕ [b], dass für alle Formeln ϕ A ϕ [b] ⇔ T ` ϕ gilt. 1. A ⊥ [b] ⇔ T `⊥ 53 2. A R(t1 , . . . , tm ) [b] ⇔ (e t1 , . . . , e tm ) ∈ R̂ ⇔ T ` R(t1 , . . . , tm ) . . 3. A (s = t) [b] ⇔ sb = b t ⇔ se = e t⇔s∼t⇔T `s=t 4. A (σ ∧ ψ) [b] ⇔ (A σ [b] und A ψ [b]) ⇔ (T ` σ und T ` ψ) ⇔ T `σ∧ψ 5. A (σ ∨ ψ) [b] ⇔ (A σ [b] oder A ψ [b]) ⇔ (T ` σ oder T ` ψ) ⇔ T `σ∨ψ (mit Lemma 24) 6. A (σ → ψ) [b] ⇔ (A σ [b] impliziert A ψ [b]) ⇔ (T ` σ impliziert T ` ψ) ⇔ T `σ→ψ (mit Lemma 25) 7. A ∀x ψ [x/v] [b] ⇔ für alle a ∈ A gilt A ψ [bav ] ⇔ h i für alle Terme t gilt A ψ betv ⇔ 54 h i für alle Terme t gilt A ψ bt̂v ⇔ für alle Terme t gilt A ψ [t/v] [b] ⇔ für alle Terme t gilt T ` ψ [t/v] ⇔ T ` ∀x ψ [x/v] (mit Lemma 39 und Lemma 26) 8. A ∃x ψ [x/v] [b] ⇔ es gibt ein a ∈ A mit A ψ [bav ] ⇔ h i es gibt einen Terme t mit A ψ betv ⇔ h i es gibt einen Terme t mit A ψ bt̂v ⇔ es gibt einen Terme t mit A ψ [t/v] [b] ⇔ es gibt einen Terme t mit T ` ψ [t/v] ⇔ T ` ∃x ψ [x/v] (mit Lemma 39 und Lemma 27) Korollar 3. Jede konsistente Formelmenge Σ ist erfüllbar. Beweis. Sei Σ eine konsistente Formelmenge in einer Sprache L. Nach Proposition 2 gibt es eine Erweiterung L∗ von L und eine Erweiterung Σ∗ von Σ, so dass Σ∗ (eine Formelmenge der Sprache L∗ ) konsistente negationstreue Henkin-Menge ist. Nach Proposition 4 gibt es also ein Modell A (der Sprache L∗ ) und eine Belegung b mit A Σ∗ [b] . Für die Einschränkung B von A auf die ursprüngliche Sprache L gilt nach Lemma 43 B Σ [b] . Somit ist Σ erfüllbar. 55 Proposition 5. (Gödelscher Vollständigkeitssatz) Für jede Formelmenge Σ und jede Formel ϕ gilt: Σ`ϕ ⇔ Σϕ Beweis. Gelte Σ ϕ. Die zu zeigende Aussage, Σ ` ϕ, ist äquivalent zu Σ ∪ {¬ϕ} `⊥. Wäre dies falsch, gäbe es ein Modell A und eine Belegung b über A mit A Σ ∪ {¬ϕ} [b] . Dies widerspricht der Voraussetzung Σ ϕ. Als Folgerung erhalten wir den Kompaktheitssatz. Korollar 4. Für jede Formelmenge Σ gilt: Σ ist erfüllbar ⇔ jede endliche Teilmenge von Σ ist erfüllbar Beweis. Angenommen, Σ ist nicht erfüllbar. Wegen Korollar 3 ist Σ dann inkonsistent, somit ist eine endliche Teilmenge von Σ inkonsistent, ein Widerspruch. 56 Teil II Rekursion und Unvollständigkeit 8 Rekursive Funktionen Schreibweise: Für ein n-Tupel (k1 , . . . , kn ) natürlicher Zahlen schreiben wir auch ~k. Definition. 1. Für m ≥ 1 und eine m-stellige Relation R auf N, d.h. R ⊆ Nm , sei 1R : Nm → N ~k 7→ 0 1 falls ~k ∈ R sonst die Indikatorfunktion von R. 2. Für 1 ≤ i ≤ n sei prni : Nn → N ~k 7→ ki die Projektion auf die i-te Komponente. 3. Sei n ≥ 1. Eine n + 1-stellige Funktion g heißt zulässig, falls es für jedes n-Tupel ~k ein l gibt mit g(~k, l) = 0. In diesem Fall setze gµ : Nn → N ~k n o ~ 7 → min l | g(k, l) = 0 . Wir schreiben auch gµ (~k) = µl : g(~k, l) = 0 . Definition. Die Menge R der rekursiven Funktionen ist induktiv definiert. (R1) die Funktionen prni , +, · , 1< sind rekursiv 57 (R2) sind f, g1 , . . . , gm rekursiv, so ist auch ~k 7→ f (g1 (~k), . . . , gm (~k)) rekursiv (R3) ist g zulässig und rekursiv, so ist auch gµ rekursiv Eine Relation R heißt rekursiv, wenn 1R rekursiv ist. Lemma 44. (R4) Seien Q und f1 , , . . . , fm rekursiv. Dann ist auch ~k ∈ P def ⇔ (f1 (~k), . . . , fm (~k)) ∈ Q rekursiv. (R5) Die rekursiven Funktionen sind abgeschlossen unter beliebigen endlichen Kompositionen. Sind etwa g und h rekursiv, so ist auch def f (k, l) = g(h(k, k, l), l, k) rekursiv. (R6) Sei P ⊆ Nn rekursiv und zulässig, d.h. es gelte: für alle ~k gibt es ein l mit (~k, l) ∈ P . Dann ist f : Nn → N ~k n o 7→ min l | (~k, l) ∈ P rekursiv. Wir schreiben f (~k) = µl : (~k, l) ∈ P . (R7) Die konstanten Funktionen sind rekursiv. (R8) Seien P, Q ⊆ Nm rekursiv. Dann sind auch Nm \ P , P ∩ Q und P ∪ Q rekursiv. (R9) Die Relationen <, ≤, >, ≥ und = sind rekursiv. 58 (R10) Sei R rekursiv, dann sind auch def (~k, m) ∈ P ⇔ es gibt ein l < m mit (~k, l) ∈ R und def (~k, m) ∈ Q ⇔ für alle l < m gilt (~k, l) ∈ R rekursiv. (R11) Die Funktion −̇ : N × N → N (k, l) 7→ k−l 0 falls k ≥ l sonst ist rekursiv. (R12) Seien g1 , . . . , gn rekursive Funktionen. Seien R1 , . . . , Rn rekursive Relationen und für alle ~k gebe es genau ein 1 ≤ i ≤ n mit ~k ∈ Ri . Dann ist die durch f (~k) = gi (~k) wobei ~k ∈ Ri definierte Funktion rekursiv. Eine entsprechende Aussage gilt auch für Relationen. Lemma 45. Für jede Funktion f : Nn → N gilt: n o n ~ ~ ~ f ist rekursiv ⇔ die Relation R = (k, f (k)) | k ∈ N ist rekursiv Beweis. “⇒” Wegen (~k, l) ∈ R ⇔ f (~k) = l und (R4) ist R rekursiv. “⇐” Die Relation R ist zulässig und es gilt f (~k) = µl : (~k, l) ∈ R . Setze π : N×N → N (k, l) 7→ (k + l)(k + l) + k + 1 . Lemma 46. 59 1. π ist rekursiv 2. π(k, l) > k, l 3. π ist injektiv Lemma 47. Es gibt rekursive Funktionen π1 , π2 : N → N mit folgenden Eigenschaften: 1. π1 (π(k, l)) = k 2. π2 (π(k, l)) = l 3. π1 (k) ≤ k −̇1 4. π2 (k) ≤ k −̇1 Lemma 48. Die Funktion r : N×N → N (m, n) 7→ das i < n mit m = k · n + i für ein k 0 falls n 6= 0 falls n = 0 ist rekursiv. Lemma 49. (Chinesischer Restsatz) Seien k1 , . . . , kn paarweise teilerfremd. Seien l1 , . . . , ln gegeben mit li < ki für i = 1, . . . , n. Dann gibt es ein l mit r(l, ki ) = li für i = 1, . . . , n. Beweis. Setze m = k1 · . . . · kn und M = {0, . . . , m − 1} . Für i = 1, . . . , n setze Mi = {0, . . . , ki − 1} . Setze κ : M → M1 × . . . × Mn l 7→ (r(l, k1 ), . . . , r(l, kn )) . κ ist injektiv und wegen |M | = |M1 × . . . × Mn | auch surjektiv. 60 Lemma 50. Seien 1 ≤ i < j < n. Dann sind 1+i·n! und 1+j ·n! teilerfremd. Lemma 51. Es gibt eine rekursive Funktion β : N × N → N mit folgenden Eigenschaften: 1. für alle k, i ist β(k, i) ≤ k −̇1 2. für alle k0 , . . . , kn gibt es ein k mit β(k, i) = ki für alle 0 ≤ i ≤ n Definition. Für (k1 , . . . , kn ) ∈ Nn sei def hk1 , . . . , kn i = min {l | β(l, 0) = n und β(l, i) = ki für alle 1 ≤ i ≤ n} . Für die “leere Folge” () sei h () i = 0. Sei ferner def l ∈ fol ⇔ es existieren k1 , . . . , kn mit l = hk1 , . . . , kn i. Proposition 6. a) Für alle n, m und k1 , . . . , kn , l1 , . . . , lm gilt: hk1 , . . . , kn i = hl1 , . . . , lm i ⇒ n = m und (k1 , . . . , kn ) = (l1 , . . . , ln ). b) Für festes n ist die Funktion Nn h·i : → N (k1 , . . . , kn ) 7→ hk1 , . . . , kn i rekursiv. c) Die Relation fol ist rekursiv. Definition. Setze def |k| = β(k, 0) und für i ∈ N def (k)i = β(k, i + 1). Setze für j ∈ N def anf(k, j) = µl : |l| = j und für alle i < j gilt (l)i = (k)i . Setze def n∗m = µl : (|l| = |n| + |m| und für alle i < |n| gilt (l)i = (n)i und für alle i < |m| gilt (l)|n|+i = mi ) . 61 Lemma 52. Die Funktionen k 7→ |k| , (k, i) 7→ (k)i , (k, j) 7→ anf(k, j), (k, l) 7→ k ∗ l sind rekursiv. Lemma 53. a) β(0, 0) = 0 b) |0| = 0 c) anf(k, 0) = 0 d) für k, l ∈ fol gilt: k = l ⇔ |k| = |l| und für alle i < |k| gilt (k)i = (l)i e) |hk1 , . . . , kn i| = n f ) hk1 , . . . , kn i ∗ hl1 , . . . , lm i = hk1 , . . . , kn , l1 , . . . , lm i g) anf(hk1 , . . . , kn i, j) = hk1 , . . . , kj i für j≤n Definition. Für f : Nn → N setze hf i : N → N k 7→ f ((k)0 , . . . , (k)n−1 ) . Für R ⊆ Nm setze def k ∈ hRi ⇔ ((k)0 , . . . , (k)m−1 ) ∈ R . Für g : Nn+1 → N setze g : Nn+1 → N (~k, m) 7→ hg(~k, 0), . . . , g(~k, m − 1)i Lemma 54. a) f ist rekursiv ⇔ hf i ist rekursiv b) R ist rekursiv ⇔ hRi ist rekursiv 62 c) g ist rekursiv ⇔ g ist rekursiv Beweis. a) “⇒” ist klar. “⇐” folgt aus f (~k) = hf i (hk1 , . . . , kn i) . b) “⇒” ist klar. “⇐” folgt aus ~k ∈ R ⇔ hk1 , . . . , kn i ∈ hRi . c) “⇒” ist klar. “⇐” folgt aus g(~k, m) = (g(~k, m + 1))m . Proposition 7. (Wertverlaufsatz) Sei g : Nn+1 → N eine rekursive Funktion. Dann ist auch die durch die Gleichung f (~k, m) = g(~k, f (~k, m)) eindeutig bestimmte Funktion f rekursiv. Beweis. Wir zeigen, dass für alle ~k und m ∈ N f (~k, m) = µl : l ∈ fol und |l| = m und für alle i < m : (l)i = g(~k, anf(l, i)) , damit ist f und somit auch f rekursiv. Korollar 5. (Primitive Rekursion) Seien g, h rekursive Funktionen. Dann gibt es genau eine rekursive Funktion f mit f (~k, 0) = g(~k) f (~k, l + 1) = h(~k, f (~k, l), l). Definition. Eine Relation R ⊆ Nm heißt rekursiv aufzählbar, falls es eine rekursive Relation Q ⊆ Nm+1 gibt, so dass für alle ~k die Äquivalenz ~k ∈ R ⇔ es gibt ein l mit (~k, l) ∈ Q gilt. 63 Lemma 55. Eine rekursive Relation ist rekursiv aufzählbar. Lemma 56. Eine nichtleere Teilmenge R von N ist genau dann rekursive aufzählbar, wenn es eine rekursive Funktion f : N → N gibt mit R = {f (n) | n ∈ N} . Beweis. Sei f mit der betreffenden Eigenschaft gegeben. Die Relation def (m, n) ∈ Q ⇔ f (n) = m ist rekursiv und es gilt m ∈ R ⇔ es gibt ein n mit (m, n) ∈ Q. Somit ist R rekursiv aufzählbar. Sei nun R rekursiv aufzählbar. Es gibt also eine rekursive Relation Q mit m ∈ R ⇔ es gibt ein n mit (m, n) ∈ Q . Sei l ∈ R. Für die rekursive Funktion f : N → N n 7→ (n)0 l falls ((n)0 , (n)1 ) ∈ Q sonst gilt R = {f (n) | n ∈ N}. Proposition 8. Eine Teilmenge R von Nm ist genau dann rekursiv, wenn sowohl R als auch Nm \ R rekursiv aufzählbar sind. Beweis. Seien Q1 und Q2 rekursive Relationen mit ~k ∈ R ⇔ es gibt ein l mit (~k, l) ∈ Q1 und ~k ∈ / R ⇔ es gibt ein l mit (~k, l) ∈ Q2 . def Dann ist Q = Q1 ∪ Q2 rekursiv und zulässig. Setze f (~k) = µl : (~k, l) ∈ Q . Wegen ~k ∈ R ⇔ (~k, f (~k)) ∈ Q1 , ist auch R rekursiv. 64 Definition. Eine rekursiv aufzählbare einstellige Relation P heißt universell, wenn es eine zweistellige rekursive Funktion f gibt mit folgender Eigenschaft: Für jede einstellige rekursive Relation Q gibt es ein q, so dass für alle n die Äquivalenz n ∈ Q ⇔ f (q, n) ∈ P gilt. Lemma 57. Eine universelle Relation ist nicht rekursiv. Beweis. Angenommen, es gibt eine Relation P ⊆ N, die sowohl universell als auch rekursiv ist. Es gibt also eine rekursive Funktion f : N × N → N mit obiger Eigenschaft. Definiere eine rekursive Relation Q durch def n ∈ Q = f (n, n) ∈ / P. Es gibt dann ein q mit n ∈ Q ⇔ f (q, n) ∈ P für alle n ∈ N. Insbesondere gilt diese Eigenschaft für q, und wir erhalten einen Widerspruch wie folgt: f (q, q) ∈ / P ⇔ q ∈ Q ⇔ f (q, q) ∈ P. 65 9 Gödelisierung Sei p(n) die n-te Primzahl. Setze def β 0 (k, i) = µm : p(i)m+1 ist kein Teiler von k . Lemma 58. a) die Funktion n 7→ p(n) ist rekursiv b) die Funktion β 0 ist rekursiv c) für alle k, i ist β 0 (k, i) ≤ k −̇1 d) für alle k0 , . . . , kn gibt es ein k mit β 0 (k, i) = ki Seien nun alle auf β basierenden Funktionen mit β 0 anstelle von β definiert. Lemma 59. a) hk1 , . . . , kn i = p(0)n · p(1)k1 · . . . · p(n)kn b) Für alle k < n und 1 ≤ i1 < . . . < ik ≤ n gilt hki1 , ki2 , . . . , kik i < hk1 , . . . , kn i. c) Es gilt k < hki. Sei L eine endliche1 Sprache. Sei SN : L → N injektiv. Setze p q : L∗ → N ω1 ω2 . . . ωn 7→ hSN(ω1 ), . . . , SN(ωn )i . Definition. Eine Menge Z ⊆ L∗ heißt rekursiv, wenn p Z q = {pωq | ω ∈ Z} rekursiv ist. Lemma 60. Die Menge F ist rekursiv. 1 d.h. endlich viele Konstantensymbole, Funktionszeichen und Relationszeichen 66 Lemma 61. Es gibt eine rekursive Funktion Subf : N3 → N so dass für alle ϕ ∈ F, t ∈ T und v ∈ FV die Gleichung Subf(pϕq, pvq, ptq) = pϕ [t/v]q gilt. Für T ⊆ F setze Thm(T ) = {pϕq | T ` ϕ}. Proposition 9. Ist T rekursiv, so ist Thm(T ) rekursiv aufzählbar. Sei ϕ eine Formel und seien v1 , . . . , vn freie Variablen. Die Schreibweise ϕ(v1 , . . . , vn ) deutet an, dass wir uns für das eventuelle Vorkommen der vi in ϕ interessieren. Sind t1 , . . . , tn Terme, die keine freien Variablen enthalten, so schreiben wir ϕ(t1 , . . . , tn ) für ϕ [t1 /vn ] . . . [tn /vn ] . Die Sprache L enthalte nun ein Konstantensymbol 0 und ein einstelliges Funktionszeichen S. Wir definieren rekursiv eine Folgen (n)n∈N von Termen durch 0 = 0, n + 1 = S(n) . Definition. Sei T eine Formelmenge der Sprache L. Sei R ⊆ Nn eine nstellige Relation. Sei ϕ(v1 , . . . , vn ) eine Formel mit FV(ϕ) ⊆ {v1 , . . . , vn }. ϕ(v1 , . . . , vn ) repräsentiert R in T , falls für alle (k1 , . . . , kn ) ∈ Nn gilt: RR1) (k1 , . . . , kn ) ∈ R ⇒ T ` ϕ(k 1 , . . . , k n ) RR1) (k1 , . . . , kn ) ∈ / R ⇒ T ` ¬ϕ(k 1 , . . . , k n ) Eine Relation R heißt repräsentierbar in T , falls es eine Formel gibt, die R repräsentiert. Setze ferner: def repr(T ) ⇔ jede rekursive Relation ist in T repräsentierbar Lemma 62. Sei T konsistent. Die Formel ϕ(v1 , . . . , vn ) repräsentiere die Relation R in T . Dann gilt für alle (k1 , . . . , kn ) ∈ Nn : (k1 , . . . , kn ) ∈ R ⇔ T ` ϕ(k 1 , . . . , k n ) 67 Proposition 10. Sei T rekursiv, konsistent und gelte repr(T ). Dann ist Thm(T ) universell. Beweis. Nach Satz 9 ist Thm(T ) rekursiv aufzählbar. Wir fixieren eine freie Variable v. Die Funktion f : N2 → N (l, n) 7→ Subf(l, pvq, pnq) ist rekursiv. Sei Q eine einstellige rekursive Relation. Es gibt eine Formel ϕ(v), die Q in T repräsentiert. Wegen der Konsistenz von T gilt dann für alle n: n ∈ Q ⇔ T ` ϕ(n) Es gilt pϕ(n)q = Subf(pϕq, pvq, pnq) = f (pϕq, n) Somit gilt für alle n: n ∈ Q ⇔ T ` ϕ(n) ⇔ pϕ(n)q ∈ Thm(T ) ⇔ f (pϕq, n) ∈ Thm(T ) 68 10 Unvollständigkeit Definition. Die Sprache L0 besteht aus dem Konstantensymbol o, dem einstelligen Funktionszeichen S, den zweistelligen Funktionszeichen ⊕, und dem zweistelligen Relationszeichen <. Die Formelmenge N besteht aus folgenden Formeln: . N1) ∀x (S(x) = 6 o) . . N2) ∀x ∀y (S(x) = S(y) → x = y) . N3) ∀x (x ⊕ o = x) . N4) ∀x ∀y (x ⊕ S(y) = S(x ⊕ y)) . N5) ∀x (x o = o) . N6) ∀x ∀y (x S(y) = (x y) ⊕ x) N7) ∀x ¬(x < o) . N8) ∀x ∀y (x < S(y) ↔ x < y ∨ x = y) . N9) ∀x ∀y (x < y ∨ x = y ∨ y < x) Lemma 63. . a) N ` k ⊕ l = k + l . b) N ` k l = k · l Definition. Sei T eine Formelmenge der Sprache L. Eine Formel ϕ(v1 , . . . , vn , v) mit FV(ϕ) ⊆ {v1 , . . . , vn , v} repräsentiert eine Funktion f : Nn → N in T , wenn für alle n-Tupel (k1 , . . . , kn ) gilt: FR1) T ` ϕ k 1 , . . . , k n , f (k1 , . . . , kn ) 69 . FR2) T ` ∀y ϕ k 1 , . . . , k n , y → y = f (k1 , . . . , kn ) Eine Funktion f heißt repräsentierbar in T , falls es eine Formel gibt, die f repräsentiert. Lemma 64. Sei T eine Formelmenge der Sprache L. Sei f : Nn → N eine Funktion und sei ϕ(v1 , . . . , vn , v) eine Formel mit FV(ϕ) ⊆ {v1 , . . . , vn , v} . Dann sind äquivalent: i) ϕ repräsentiert f in T ii) für alle n-Tupel (k1 , . . . , kn ) gilt . T ` ∀y ϕ k 1 , . . . , k n , y ↔ y = f (k1 , . . . , kn ) . Lemma 65. Eine Relation R ist genau dann repräsentierbar in N , wenn 1T als Funktion repräsentierbar in N ist. Lemma 66. Seien ˆ , ˆ <) ˆ A = (A, ô, Ŝ, ⊕, ein Modell von L0 und b eine Belegung über A mit A N [b]. 1. Seien a ∈ A und k ∈ N mit Dann gibt es ein l < k mit ˆ kˆ . a< a = ˆl . 2. Für alle k, l ∈ N gilt: i) k = l ⇔ kˆ = ˆl ˆ ˆl ii) k < l ⇔ kˆ < 3. Falls die Formel ϕ(v1 , . . . , vn , v) die Funktion f : Nn → N 70 in N repräsentiert, gilt A ϕ(k 1 , . . . , k n , m) [b] ⇔ f (k1 , . . . , kn ) = m für alle k1 , . . . , kn , m ∈ N. Korollar 6. Für alle k, l ∈ N gilt: . i) k = l ⇔ N ` k = l ii) k < l ⇔ N ` k < l Lemma 67. a) N ` ¬ k < k b) N ` k < l ∧ l < m → k < m Lemma 68. a) N ` ¬ k < k b) N ` k < l ∧ l < m → k < m Proposition 11. Die rekursiven Funktionen sind repräsentierbar in N . Beweis. (R1) Die Funktion prni wird repräsentiert durch die Formel def . ϕ(v1 , . . . , vn , v) = (v = vi ) . Die Funktion + wird repräsentiert durch die Formel def . ϕ(v1 , v2 , v) = (v = v1 ⊕ v2 ) . Die Funktion · wird repräsentiert durch die Formel def . ϕ(v1 , v2 , v) = (v = v1 v2 ) . Die Relation < wird repräsentiert durch die Formel def ϕ(v1 , v2 ) = (v1 < v2 ) . 71 (R2) Sei f : N → N repräsentiert durch ϕ(v, w) und sei g : N → N repräsentiert durch ψ(u, v). Dann wird def h(k) = f (g(k)) repräsentiert durch def σ(u, w) = ∃x (ψ(u, x) ∧ ψ(x, w)) . (R3) Sei g : N2 → N zulässig und repräsentiert durch ϕ(v1 , v2 , v). Dann wird def f (k) = µl : g(k, l) = 0 repräsentierbar durch def ψ(v, w) ⇔ ϕ(v, w, o) ∧ ∀z(z < w → ¬ϕ(v, z, o)) . Korollar 7. Es gilt repr(N ). Definition. Sei R ⊆ N. Seien T eine Formelmenge und ϕ(v) eine Formel der Sprache L. ϕ(v) repräsentiert R schwach in T , falls für alle n ∈ N gilt: n ∈ R ⇔ T ` ϕ(n) Setze ferner: def sRepr(T ) ⇔ jede rekursive einstellige Relation ist in T schwach repräsentierbar Lemma 69. a) sRepr(T ) ⇒ T ist konsistent b) T ist konsistent und Repr(T ) ⇒ sRepr(T ) Lemma 70. Sei L eine Sprache mit L0 ⊆ L. Sei T eine Formelmenge der Sprache L, so dass N ∪ T konsistent ist. Dann gilt sRepr(T ). Beweis. Nach Korollar 7 gilt Repr(N ). Sei σ die Konjunktion der Formeln aus N . Sei R ⊆ N rekursiv. Dann gibt es eine Formel ϕ(v) der Sprache L0 , so dass für alle k ∈ N gilt: 72 a) k ∈ R ⇒ N ` ϕ(k) b) k ∈ / R ⇒ N ` ¬ϕ(k) Somit gilt für alle k ∈ N: i) k ∈ R ⇒ ` σ → ϕ(k) ii) k ∈ / R ⇒ ` σ → ¬ϕ(k) def Setze ψ = (σ → ϕ). Sei k ∈ N. Wir zeigen: k ∈ R ⇔ T ` ψ(k) “⇒”: Gelte k ∈ R. Dann gilt nach i) ` σ → ϕ(k) und somit T ` ψ(k). “⇐”: Gelte T ` (σ → ϕ)(k). Angenommen, es gilt k ∈ / R. Dann gilt nach b) N ` ¬ϕ(k). Daraus folgt N ∪ T ` ¬σ, dies ist ein Widerspruch zur Konsistenz von N ∪ T . Proposition 12. Sei T rekursiv und gelte sRepr(T ). Dann ist Thm(T ) universell. Definition. Eine Formelmenge T der Sprache L heißt entscheidbar, falls Thm(T ) rekursiv ist. Andernfalls heißt T unentscheidbar. Proposition 13. Sei L eine Sprache mit L0 ⊆ L. Sei T eine rekursive Formelmenge der Sprache L, so dass T ∪ N konsistent ist. Dann ist T unentscheidbar. Beweis. Nach Lemma 70 gilt Srepr(T ). Nach Satz 12 ist T universell. Nach Lemma 57 ist Thm(T ) nicht rekursiv. Definition. Eine Formelmenge T heißt vollständig, falls sie negationstreu ist. Andernfalls heißt T unvollständig. Proposition 14. Eine rekursive und vollständige Formelmenge ist entscheidbar. 73 Beweis. Sei T rekursiv und vollständig. 1. Fall: T ist inkonsistent. Dann ist Thm(T ) = pFq, damit ist Thm(T ) entscheidbar. 2. Fall: T ist konsistent. Dann gilt T 0 ϕ ⇐⇒ T ` ¬ϕ . Nach Satz 9 ist Thm(T ) rekursiv aufzählbar. Deswegen und wegen Satz 8 genügt es zu zeigen, dass N \ Thm(T ) rekursiv aufzählbar ist. Es gibt eine rekursive Funktion f : N → N mit f (pϕq) = p¬ϕq für alle Formeln ϕ. Wir erhalten: n ∈ N \ Thm(T ) ⇐⇒ n ∈ / pFq oder f (n) ∈ Thm(T ) Die Vereinigung zweier rekursiv aufzählbarer Relationen ist rekursiv aufzählbar. Proposition 15. (Erster Gödelscher Unvollständigkeitssatz) Sei L eine Sprache mit L0 ⊆ L. Sei T eine rekursive Formelmenge der Sprache L, so dass T ∪ N konsistent ist. Dann ist T unvollständig. 74 11 Anhang Lemma 71. Die Mengen L∗ ist rekursiv. Lemma 72. Sei f ∈ L und n ∈ N. Dann gibt es eine rekursive Funktion kf k : Nn → N mit kf k (pw1 q, . . . , pwn q) = pf (w1 , . . . , wn )q für alle w1 , . . . , wn ∈ L∗ . Lemma 73. Die Menge T ist rekursiv. Lemma 74. Es gibt eine rekursive Funktion Subz : N3 → N so dass für jede Zeichenkette ω ∈ L∗ , jedes Zeichen v und jedes Zeichen x die Gleichungen Subz(pωq, pvq, pxq) = pω [x/v]q gilt. Damit folgt insbesondere Lemma 61. Beweis von Lemma 60. n ∈ pFq ⇐⇒ n = p⊥q oder es gibt ein m-stelliges Relationszeichen R und k1 , . . . , km < n mit k1 , . . . , km ∈ pT q und n = kRk (k1 , . . . , km ) oder es gibt k, l < n mit k, l ∈ pT q und . n = p(q ∗ k ∗ p=q ∗ l ∗ p)q oder es gibt k, l < n mit k, l ∈ pFq und i ∈ {p∧q, p∨q, p→q} mit n = p(q ∗ k ∗ i ∗ l ∗ p)q oder es gibt q, j, k < n mit 75 a) k ∈ L∗ b) q ∈ {p∃q, p∀q} c) j = pxq für eine gebundene Variable x. d) Subz(k, j, pv0 q) ∈ pFq e) n = p(q ∗ q ∗ j ∗ k ∗ p)q (beachte: Subz(k, pxq, pv0 q < k für k ∈ L∗ ) 76