M.A. Philosophie MASTERARBEIT Wider die Verachtung der Philosophie Überlegungen zum kritischen Potential des Bildungsbegriffs in einer Gesellschaft der Halbbildung vorgelegt von: Oldenburg, den 30.04.2013 Steffen Stolzenberger Inhalt I. EINLEITUNG: DIE VERACHTUNG DER PHILOSOPHIE ................................................................. 4 1. VON SUBJEKTIVEN GRÜNDEN UND OBJEKTIVEN URSACHEN DER VERACHTUNG .......... 4 2. BILDUNG UND PHILOSOPHIE ALS GEGENSTÄNDE DER VERACHTUNG ............................. 7 II. ZUM VERHÄLTNIS VON FREIHEIT UND BILDUNG ....................................................................... 9 1. WOZU NOCH PHILOSOPHIE? – ÜBER EINE BERECHTIGTE FRAGE ..................................... 9 2. FREIHEIT UND BEGRIFFSBILDUNG IN DER PHILOSOPHIE ................................................. 12 III. SUBJEKTIVE FREIHEIT UND OBJEKTIVE BILDUNG ............................................................... 14 1. DENKEN ALS SELBSTTÄTIGKEIT DES SUBJEKTS .................................................................. 14 2. DIE DEGRADIERUNG DES SUBJEKTS ZUM OBJEKT ............................................................... 15 3. ERFAHRUNG UND BEGRIFF: KONTINUITÄT DES BEWUSSTSEINS UND IHRE DESTRUKTION ........................................................................................................................................ 16 A) DIE UNBEDINGTHEIT DES DENKENDEN ICHS .................................................................. 16 B) SYSTEMATISCHE TRENNUNG VON SUBJEKT UND GEGENSTAND ................................. 18 C) HISTORISCHE ENTMÜNDIGUNG DES SUBJEKTS DURCH DIE KULTURINDUSTRIE .... 20 4. FREIHEIT UND UNFREIHEIT DES VERSTANDES ................................................................... 25 5. HALBBILDUNG ALS KOLLEKTIVER NARZISSMUS ................................................................. 29 6. DIE HYBRIS DES DEUTSCHEN IDEALISMUS ........................................................................... 30 7. DIE IMMANENZ DER SPONTANEN BEGRIFFSGENESE .......................................................... 33 8. DAS ANTINOMISCHE WESEN DER FREIHEIT ......................................................................... 36 9. DIE GRENZE DER THEORIE ....................................................................................................... 39 10. DAS INTELLIGIBLE ICH UND SEINE PROZESSUALE AUFHEBUNG ................................. 40 11. BILDUNG ALS SYNTHESE VON PHAENOMENA UND NOUMENA ................................... 47 IV. OBJEKTIVE UNFREIHEIT UND SUBJEKTIVE BILDUNG ......................................................... 49 1. BILDUNG ALS PROZESS DER BESONDERUNG ........................................................................ 49 2. BILDUNG ALS GESELLSCHAFTLICHE ANPASSUNG ................................................................ 51 3. DER ANSPRUCH KATEGORISCHER BILDUNGSKRITIK BEI KANT ...................................... 54 4. V. GESELLSCHAFTSTHEORETISCHE BILDUNGSKRITIK MIT KANT ........................................ 56 FAZIT: EIN PLÄDOYER FÜR DIE PHILOSOPHIE ......................................................................... 59 1. VI. SCHLUSSBETRACHTUNG : WOZU NOCH PHILOSOPHIE? ...................................................... 59 ANHANG ......................................................................................................................................... 62 1. LITERATURVERZEICHNIS ........................................................................................................... 62 2. ERKLÄRUNG .................................................................................................................................. 64 4 I. EINLEITUNG: DIE VERACHTUNG DER PHILOSOPHIE 1. VON SUBJEKTIVEN GRÜNDEN UND OBJEKTIVEN URSACHEN DER VERACHTUNG Wider die Verachtung der Philosophie schreiben und zugleich Überlegungen zum kritischen Potential des Bildungsbegriffs anstellen zu wollen, scheinen auf den ersten Blick zwei gänzlich verschiedene Projekte zu sein, die schon immanent dermaßen viele Probleme aufweisen, dass ihre Verknüpfung umso schwieriger wird. Zunächst muss begründet werden, inwieweit von der Philosophie als einem Objekt der Verachtung zu sprechen ist. Bestimmt als Entzug jedes moralischen Stellenwerts, wird Verachtung vornehmlich auf Personen bezogen. Der Versuch, wider die Verachtung der Philosophie zu schreiben, wurde inspiriert durch den Sammelband Über die Verachtung der Pädagogik (2007), in dem Burkhard Liebsch in einem sozialphilosophischen Aufsatz das pädagogische Denken als Objekt der Verachtung zu identifizieren versucht, obwohl er diese zuvor als ein intersubjektives Phänomen bestimmt hat. So geht er aus von einzelnen Pädagogen, deren Zurückbleiben hinter den eigenen (wissenschaftlichen) Ansprüchen ihre Verachtung provoziere. Liebsch nennt als Beispiele die „mittelmäßigen“ und „langweiligen“ Typen von Pädagogen des 18. Jahrhunderts, die bei all ihrer persönlichen Mittelmäßigkeit sich nicht scheuten, „alle Werte und Normen der Zivilisierung, der Moralisierung und Kultivierung im Namen der Aufklärung als eines die ganze Menschheit zum Fortschritt zwingenden Prozess im Munde [zu führen], um sie für sich als Berechtigung zur erzieherischer Gewalt von Berufswegen in Anspruch zu nehmen“1. Diese Kenntnisnahme eines Missverhältnisses von Anspruch und Wirklichkeit, als Ausdruck individueller Unauthentizität, werde sodann von den Pädagogen auf die Institutionen projiziert, in denen jene wirken. So gilt die Verachtung „am Ende nicht nur einer Schule (mit der man seine eigenen Erfahrungen gemacht hat), sondern der Schule als Institution schlechthin und pädagogischen Institutionen im Allgemeinen und pädagogischem Denken als solchem, insofern es überhaupt nicht versprechen kann, jenes auf Dauer gestellte Missverhältnis zu beheben.“2 Dass Pädagogen heute wie damals nicht vermögen, dasjenige wirklich werden zu lassen, was sie intendieren, mithin ihren eigenen Theorien nicht entsprechen, ist als berechtigte Diagnose festzuhalten. Wegen dieses gruppenspezifischen oder gar individuellen Unvermögens aber die Daseinsberechtigung einer ganzen Wissenschaft in Frage zu stellen, ist 1 2 Liebsch, Spielarten der Verachtung, 71. A.a.O., 72. 5 vollkommen verfehlt, da die Legitimität wissenschaftlicher Erkenntnisse, zumal sie moralische Implikationen bergen, überhaupt nicht an subjektiven Einzelpersonen zu messen ist, sondern an der Objektivität der jeweiligen Gedanken. Solche Vorbehalte entsprechen dem eines halbgebildeten Geistes, der erstens nicht zwischen moralischen und empirischen Befunden zu differenzieren vermag und zweitens gänzlich von den gesellschaftlichen Bedingungen abstrahiert, die erfolgreiches pädagogisches Handeln unmöglich machen. Bei allem kritischen Unterton gegenüber der Verachtung der Pädagogik stimmt Liebsch in diesen unreflektierten Kanon ein, wenn er die Verachtung des pädagogischen Denkens als eine verallgemeinerte Verachtung von pädagogisch wirkenden Einzelpersonen erklären zu können beansprucht. Die Behauptung, dass die generalisierte Verachtung den ganzen Komplex Pädagogik der moralischen Vernichtung preisgäbe und „auch für die Zukunft nichts anderes mehr erwarten [ließe] als eine Wiederholung eben der Erfahrungen, die Grund zu ihr gegeben haben“, so dass die Verachtung letztlich „unvermeidlich zum Vorurteil und Ressentiment“3 werde, verkehrt das Problem von einer Sach- zu einer Bedeutungsfrage. Indem die Gründe für die Verachtung einer wissenschaftlichen Disziplin in bloßen Etikettierungseffekten verortet werden, verleugnet Liebsch gänzlich, dass es sich bei einer Wissenschaft um eine auf Sachfragen gerichtete und insofern gesellschaftlich bestimmte Tätigkeit handelt. So kommt er letztlich dazu, Adornos Ausführungen über die Erziehung zur Mündigkeit aus ihren Kontext zu reißen und dessen pädagogischen Ziele, die „Herstellung richtigen Bewußtseins“, die „Überwindung der Entfremdung“ oder das „Beibringen von Erfahrung“ als Symptome der Verachtung vor-adornitischer Pädagogik abzutun, die sich aus einer anmaßenden Geringschätzung der Subjekte speise und so eine maßlose Steigerung pädagogischer Ansprüche konstruiere.4 Würde Liebsch zur Kenntnis nehmen, dass diese hehren Ziele als ein Imperativ gegen einen sich sedimentierenden negativen objektiven Geist formuliert werden, der sich in sozialisierter Halbbildung manifestiert, müsste er zugestehen, dass Adorno vielmehr die Grenzen der Pädagogik aufzuzeigen bestrebt ist, wenn es darum geht, einer Bildungskrise beizukommen, die aus objektiven gesellschaftlichen Bewegungsgesetzen entspringt.5 Keineswegs aber möchte Adorno sich bloß über vorherige pädagogische Konzepte erheben oder ihnen vorwerfen, die genuinen Ziele der Pädagogik nicht verwirklicht zu haben. Da es sich für Adorno bei der Halbbildung um einen durch gesellschaftliche Bewegungsgesetze determinierten Prozess hanLiebsch, Spielarten der Verachtung, 72. Vgl. ebd. 5 Vgl. Adorno, Theorie der Halbbildung, 93. 3 4 6 delt, ist diesem durch isolierte pädagogische Reformen gar nicht beizukommen. Aus der Kritischen Theorie nahtlos eine Kritische Erziehungswissenschaft ableiten zu wollen, wäre deshalb auch Ausdruck einer verkürzten Rezeption der Frankfurter Schule. Für den historischen Versuch einer kritischen Erziehungswissenschaft stand die Veränderung des Individuums im Vordergrund, was zur Folge hatte, „dass sie die verändernde Kraft von Pädagogik innerhalb eines gesellschaftlich institutionalisierten Bildungswesens deutlich überschätzte.“6 Erziehungswissenschaft kommt darum nicht ohne den politischen Anspruch aus, sich auf den gesellschaftlichen Kontext pädagogischen Handelns zu beziehen und auf einer Veränderung der Bildungsverhältnisse zu beharren, da ihre Reformen ansonsten „in argloser Unbekümmertheit gegenüber der Macht der außerpädagogischen Realität […], eher die Krise verstärken [könnten].“7 In dieser außerpädagogischen Realität verbirgt sich eine andere Begründung für die Verachtung der Pädagogik. Da die Pädagogik zwar von gesellschaftlichen Prozessen affiziert wird, keinesfalls aber über Mittel verfügt, diese Prozesse ihrerseits zu beeinflussen, wird das pädagogische Handeln in eine ohnmächtige Position versetzt, weil sie an der Realität nichts zu ändern vermag. Dass sich diese Ohmacht in Ablehnung gegenüber einzelnen Pädagogen oder pädagogischen Institutionen artikuliert, ist dann nur als eine pathologische Folge bei denjenigen anzusehen, die über den Gesamtzusammenhang – eben auch in den Schulen und Universitäten - überhaupt nicht mehr aufgeklärt werden. Die anhaltende Verachtung einer wissenschaftlichen Disziplin lässt sich auch kommunikationstheoretisch nicht auf erschöpfende Weise erklären. Dies versucht Liebsch, wenn er festhält, dass sich aus dem Missverhältnis zwischen dem hohen Selbstanspruch und dem faktischen Versagen einer Wissenschaft nicht eindeutig ergäbe, gegen welches der beiden Momente man sich zu wenden habe. Ungeachtet dessen, dass beide Varianten – isoliert genommen – letztlich auf die Affirmation derjenigen Bedingungen hinausliefen, die sie hervorrufen, argumentiert Liebsch, dass diejenigen, „die ‘Pädagogik‘ überhaupt preisgeben“, sich „in den Augen derer, die an ihrem eigenen pädagogischen Anspruch festhalten“, ihrerseits Verachtung zuzögen, „weil sie genau das gleichsam wegwerfen, was Grund der Kritik war.“8 In der Folge „vertauschen Verächter und Verachtete die Rollen, ohne dass noch an eine produkti- Dammer, Brauchen wir noch eine „kritische Erziehungswissenschaft“?, 7. Adorno, Theorie der Halbbildung, 93. 8 Liebsch, Spielarten der Verachtung, 73. 6 7 7 ve Auseinandersetzung zu denken wäre. Denn mit Verachteten spricht man nicht, allenfalls über sie.“9 Solche Argumentation, welche die Gründe der Verachtung einer Disziplin in der Grundstruktur der Kommunikation über sie, mithin auf einer Metaebene verortet, könnte man schnell als naiv abtun, würde sie selbst nicht hochgradig ideologisch und insofern von einem kritischen Standpunkt aus ernst zu nehmen sein. So wird die Disparität zwischen Selbstanspruch einer Wissenschaft und ihrem objektiven Versagen als ein nur immanentes Problem aufgefasst, ohne auf ihre gesellschaftlich vermittelten und damit historisch spezifischen Zwecke, mithin die Dynamik ihres Begriffs zu reflektieren, an dem gemessen ein Versagen sich überhaupt erst konstatieren ließe. So ist mit Adorno gerade zu zeigen, dass in einer kapitalistischen Gesellschaft die Geisteswissenschaft heteronomen Zwängen unterworfen ist, die sie daran hindert, ihrer begrifflichen Bestimmung gemäß zu arbeiten. Liebsch Erklärung der Verachtung der Pädagogik entbehrt jeder Kritik an diesen Zwängen, ist mithin als Ausdruck einer in Widersprüchen verstrickten Pädagogik zu beurteilen. 2. BILDUNG UND PHILOSOPHIE ALS GEGENSTÄNDE DER VERACHTUNG In ähnlicher Weise wie die Pädagogik ist auch die Philosophie dem negativen objektiven Geist der Halbbildung anheimgefallen, der die Subjekte in einer Weise affiziert, dass sie die Philosophie (mitunter noch aus vermeintlich rationalen Gründen) für in jeder Hinsicht wert- und nutzlos befinden. Nicht zuletzt, um dem noch zu erläuternden Begriff der Philosophie gerecht zu werden, soll über das letztlich affirmative Projekt Liebschs hinausgegangen werden, indem nicht über, sondern wider die Verachtung der Philosophie geschrieben wird. Angesichts der vielen inhaltlichen wie methodischen Ausformungen der Philosophie, die sich in der historischen Auseinandersetzung entwickelt haben, gilt es nicht, die Philosophie als einen Subsumtionsbegriff oder eine bloß leere Form zu verteidigen, sondern in ihrer Bestimmung, wie sie im Ausgang der Klassischen Deutschen Philosophie von Kant und Hegel auf den Begriff gebracht wurde. Dieses Vorgehen legitimiert sich aus vier Gründen, die zunächst als Thesen zu formulieren sind. Obgleich Hegel es sich so vorgestellt hat, ist die Philosophie mit seinem System keineswegs zu einem historischen Abschluss bekommen. Seine Philosophie soll also nicht als eine philosophia perennis verteidigt werden, der eine kritiklose Gültigkeit zukäme und deren Geltungsanspruch darum als gesichert zu erachten wäre. Doch 9 Liebsch, Spielarten der Verachtung, 73. 8 sind aus der kritischen Auseinandersetzung Hegels mit Kant begriffliche Bestimmungen hervorgegangen, hinter denen heutige Philosophie nicht zurückfallen darf (1.). Dabei ist insbesondere an die Genese des Freiheitsbegriffs zu denken, ohne den die Philosophie sich nicht als kritische Disziplin hätte etablieren können. Aus diesem Grund soll in der vorliegenden Arbeit die Kantische Bestimmung des Freiheitsbegriffs vor dem Hintergrund seiner kritischen Ausweitung durch Hegels Begriffslehre rekonstruiert werden. Diese Kritik hatte unmittelbare Auswirkungen auf Hegels Bildungsbegriff, der hier von herausragender Bedeutung ist, weil die Verachtung der Philosophie in dieser Arbeit als Ausdruck der Halbbildung identifiziert werden soll. Bildung ist in der Philosophie als Selbsttätigkeit eines denkenden und handelnden Subjekts bestimmt und ist in diesem Sinne deutlich von der Erziehung abzugrenzen. Weil Philosophie durch den Freiheitsbegriff als einen ihrer genuinen Gegenstände allein in der Lage ist, Bildung in ihrem umfassenden Sinne zu reflektieren, wird die Philosophie in dieser Arbeit durch den Nachweis eines kritischen Potentials des längst schon für obsolet befundenen Bildungsbegriffs verteidigt. Keineswegs wird Philosophie der Bildung gleichgesetzt, was eine Anmaßung wäre, doch kann gezeigt werden, dass ein adäquater Bildungsbegriff ohne philosophische Reflexion der Freiheit nicht zu begründen ist (2.). So soll anhand der Diskussion des Freiheitsbegriffs die Bestimmung dessen, was Bildung ist, herausgearbeitet und zugleich auf der negativen Folie der Symptomatik der Halbbildung kritisch dargelegt werden, wie die Entfaltung des Bildungspotentials (also auch das kritische Philosophieren) heute systematisch boykottiert wird (3.). Die immanenten Probleme des Freiheitsbegriffs, die sich dabei zeigen, werden eine Erklärung dessen ermöglichen, dass Adorno zufolge die Halbbildung genetisch aus der Bildung hervorgegangen ist, um so mit der Bestimmung Halbbildung dasjenige begrifflich einzuholen, was zunächst nur vorausgesetzt wurde. Entsprechend Hegels Freiheitsbegriff reduziert sich auch dessen Verständnis von Bildung – entgegen allen Vorurteilen gegenüber philosophischen Bildungsidealen – nicht auf die Tätigkeit eines reinen, von allen heteronom bestimmten Partikularinteressen losgelösten intellektuellen Wesens, sondern ist wesentlich auf die Allgemeinheit der Gesellschaft und deren Gestaltung bezogen. Eine Tätigkeit, der damit auch heteronome Bestimmungen innewohnen und die sich nicht bloß auf subjektiver Ebene abspielt, sondern einen objektiven Prozess ausmacht. Ein objektiver Prozess, der sich Adorno zufolge mit dem Aufkommen der kapitalistischen Gesellschaftsstrukturen verselbständigt und die Autonomie des Subjekts verunmöglicht habe. „Objektiv produziert 9 ist […] die subjektive Beschaffenheit, welche die objektiv mögliche Einsicht unmöglich macht.“10 Bei aller Berechtigung von Adornos Diagnose der Halbbildung soll in einem abschließenden Ausblick problematisiert werden, dass Adornos Theorie in der Konsequenz all die subjektiven Bedingungen für destruiert erachtet, die zugleich Voraussetzung für die Erfüllung seiner Forderung wären, dass die Philosophie nicht „kindlich hinter ihrer Geschichte und der realen hertrottet [und] ihren Lebensnerv am Widerstand gegen die heute gängige Übung“11 zu haben hat. Diese als weiterhin gegeben nachzuweisen ist nicht nur für eine Rehabilitierung der Philosophie von eminenter Bedeutung, sondern auch dafür, Adornos Theorie der Halbbildung weiterzudenken, um die Widerstände gegen die Bildung aufzudecken, wie sie sich in den vergangenen fünfzig Jahren entwickelt haben. II. ZUM VERHÄLTNIS VON FREIHEIT UND BILDUNG 1. WOZU NOCH PHILOSOPHIE? – ÜBER EINE BERECHTIGTE FRAGE „Bei einer Frage wie ‚Wozu noch Philosophie‘, für deren Formulierung ich selbst verantwortlich bin, obwohl ich den amateurhaften Klang nicht überhöre, wird man im allgemeinen die Antwort erraten, einen Gedankengang erwarten, der alle möglichen Schwierigkeiten und Bedenken anhäuft, um schließlich, mehr oder minder vorsichtig, in ein Jedennoch zu münden und das rhetorisch Bezweifelte zu bejahen. Dieser allvertraute Ablauf entspricht konformistischer und apologetischer Haltung; sie trägt sich als positiv vor und rechnet vorweg mit Einverständnis. Vollends traut man einem nichts Besseres zu, der von Amts wegen Philosophie lehrt, dessen bürgerliche Existenz davon abhängt, daß sie weiter betrieben wird, und der die eigenen handgreiflichen Interessen verletzt, sobald er sich dagegen äußert. Einiges Recht, trotzdem die Frage aufzuwerfen, habe ich bloß deshalb, weil ich der Antwort keineswegs gewiß bin.“ 12 So isoliert genommen, wie sich Adornos Standpunkt in diesem Zitat äußert, manifestiert sich darin auf den ersten Blick eine gewisse Devotion. Eine Legitimation der Frage nach der Daseinsberechtigung der Philosophie inmitten eines Zeitgeistes, der sie „als veraltet und überflüssig abtut“13, lediglich daraus abzuleiten, dass ihre Beantwortung keineswegs gewiss sei, mutet als ein Zurückweichen vor der allemal unberechtigten Kritik an, eine solche Frage würde nur aus subjektivem Interesse heraus entstehen. Weil die Philosophie für eine der Zeit nicht mehr adäquate Form Weltbewältigung befunden wird, man selbst aber ein renommierter Berufsphilosoph ist, kündigt man die eigene Ungewissheit hinsichtlich des Nutzens der PhilosoAdorno, Theorie der Halbbildung, 117. Adorno, Eingriffe, 13. 12 A.a.O., 11. 13 Adorno, Eingriffe, 11. 10 11 10 phie an, lässt eine definite Stellungnahme offen, um den Eindruck zu vermeiden, es gehe einem nur um die Wahrung seiner sicheren gesellschaftlichen Stellung oder den Schutz des eigenen Lebensentwurfs. Auf diese Weise zweckrationalisiert bzw. psychologisiert man die Gründe, weshalb Philosophie zu betreiben ist, was selbst schon als Ausdruck dessen zu beurteilen ist, was Adorno Halbbildung nennt. Aus diesem Grund sind die unterschiedlichen subjektiven Voraussetzungen des Verfassers der vorliegenden Arbeit keine zureichende Begründung dafür, „wider die Verachtung der Philosophie“ zu schreiben, mithin eindeutig Stellung für die Philosophie und ihre Notwendigkeit zu beziehen. Zwar ist der Verfasser dieser Arbeit wirtschaftlich (noch) nicht abhängig von der Philosophie, aber eine Verteidigung der Philosophie bei seinen subjektiven Voraussetzungen zu beginnen, wäre mit der renommierten Person Adornos verglichen nicht nur ungleich langweiliger, sondern – um mit Hegel zu sprechen – überhaupt ein bloßes Anfangen, „in dem Sinne einer zufälligen Art und Weise, den Vortrag einzuleiten“14, keineswegs aber ein objektiver Anfang. Es gilt also mit objektiven Gründen gegen die Philosophie zu beginnen, was wiederum eine Definition der Philosophie voraussetzt. Dies in einer philosophischen Arbeit zu vollziehen impliziert den Anspruch, dass es eine über eine bloße Definition hinausgehende, objektive Bestimmung der Philosophie gibt, nämlich als eine Disziplin mit wissenschaftlichem Anspruch. Zugleich befördert der Versuch, die Philosophie in einer philosophischen Arbeit zu verteidigen, durchaus den Verdacht, dass sie in der Tat etwas nur rhetorisch Bezweifeltes ist, das sich ohne weiteres durch sich selbst rehabilitieren ließe. Entgegen dem ersten Eindruck erwachsen Adornos Zweifel an einem verbliebenen Potential der Philosophie aber aus objektiven Gründen, die zunächst nicht in der Philosophie selbst liegen. So betont Adorno die Rolle der Philosophie als „Lehre vom objektiven, über die bloße psychologische Einzelperson hinausgehenden Charakter des Geistes“ als „das Prinzip der Bildung als das eines Geistigen, das nicht unmittelbar einem anderen dienstbar, nicht unmittelbar an seinem Zweck zu messen ist.“ 15 Diese Bestimmung der Philosophie als ein Selbstzweckhaftiges geht auf den kritischen Weg Kants und dessen Erweiterung durch den spekulativen Idealismus Hegels zurück. Ihre Bestimmung von Philosophie soll diejenige sein, gegen deren Ver- 14 15 Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 51. Adorno, Theorie der Halbbildung, 106. 11 achtung hier geschrieben wird, nicht zuletzt, weil Adorno zufolge der „unwiderrufliche Sturz“ dieser Geistesmetaphysik die „Bildung unter sich begraben“ hat.16 Die Vorstellung von der Bildung als „Zweckmäßigkeit ohne Zweck“17, als eine Selbsttätigkeit, die sich nicht aus heteronomen Erfordernissen ergibt, ist theoretisch geknüpft an die philosophische Bestimmung von Freiheit, wie sie von Kant systematisch entwickelt worden ist. Diese Bestimmung zu begreifen ist maßgebliche Voraussetzung für das Verständnis von Bildung, die nach Adorno zur Halbbildung degeneriert ist, und soll darum zum Ausgangspunkt der folgenden Untersuchungen gemacht werden. Dabei soll der Kantische Freiheitsbegriff in einen kritischen Dialog mit der Begriffslehre Hegels gestellt werden, nicht nur, um seine Schwächen aufzuzeigen, sondern auch, um den philosophiehistorischen Fortschritt zu Hegels Freiheitsbegriff und die damit einhergehenden Konsequenzen für den Bildungsbegriff nachzuvollziehen, die für Adorno nicht weniger drastisch aussehen, als dass „in Hegels Bildungslehre, unterm Namen Entäußerung, […] das Desiderat der Anpassung inmitten des Humanismus selber triumphiert.“18 Dies ist zunächst nur als Behauptung dahingestellt, um die paradoxe Struktur von Adornos Theorie der Halbbildung zu problematisieren. So weist Adorno diejenige Bildungsidee, die als einzige Antithese zur Kritik taugt, zugleich als Ursache für den Verfall der Bildung in die Halbbildung aus. „Nach Genesis und Sinn geht sie [die Halbbildung; S.S.] nicht der Bildung voran, sondern folgt auf sie.“19 Damit ist der vorliegende Versuch, der die Verachtung der Philosophie als Ausdruck der Halbbildung identifizieren will, seinerseits mit der Aufgabe konfrontiert, die Philosophie in doppelter Hinsicht zu verteidigen. Einmal gegen den „negativen objektiven Geist“20 der Halbbildung, zum anderen gegen das ihr vermeintlich immanente ideologische Potential. Konfrontiert insofern, als die Aufgabe zunächst aus dem Dilemma der Adornoschen Theorie erwächst, die „einerseits den Gegenstand der Theorie zwangsläufig affirmativ als erkannten Gegenstand [bestimmt], andererseits den Gegenstand der Theorie als unvernünftigen jedoch [ablehnt]“21, wie es Till Streichert sehr treffend formuliert. Dieser Einwand, der, wie sich zeigen wird, nicht bloß eine methodologische Metafrage betrifft, macht es umso dringender, die Stellung des Subjekts in der Theorie der Halbbildung zu prüfen. Adorno, Theorie der Halbbildung, 106. A.a.O., 97. 18 A.a.O., 95. 19 A.a.O., 93. 20 Ebd. 21 Streichert, Von der Freiheit und ihrer Verkehrung, 3. 16 17 12 2. FREIHEIT UND BEGRIFFSBILDUNG IN DER PHILOSOPHIE Im Gegensatz zu Hegel thematisiert Kant die Bildung nicht explizit, doch aber ergeben sich aus seiner Bestimmung von Freiheit und deren konstitutiver Rolle für das menschliche Erkennen explizite Aufschlüsse für einen adäquaten Bildungsbegriff. Die Vorgehensweise, den Geltungsanspruch der Philosophie aus der systematischen Auseinandersetzung mit spezifischen philosophiehistorischen Positionen zu entwickeln, ist eine Notwendigkeit, da die Philosophie – wie sich zeigen wird – eine tätige Auseinandersetzung mit Inhalten darstellt, welche sich nicht auf einer Metaebene begründen lässt. Angesichts dessen, dass der Philosophie historisch immer mehr Bezirke „entrissen und verwissenschaftlicht“22 wurden, ist eine Rettung der Philosophie entscheidend an die Identifizierung ihr genuiner Gegenstände gekoppelt. Und ohne einen adäquaten Inhalt wäre sogleich ein Verweis auf das Philosophieren im Sinne eines Vermögens müßig. Entgegen der im heutigen kompetenzorientierten Bildungswesen verbreiteten Vorstellung lässt sich die Fähigkeit des Philosophierens nicht ohne allen Kontext erwerben, sondern hat sich an bereits Gedachtem zu entzünden. Dass der Kantische Freiheitsbegriff nicht in seiner Isolation betrachtet wird, sondern vor dem Hintergrund seiner kritischen Ausweitung durch Hegel, soll exemplarisch illustrieren, dass die in der Philosophiegeschichte generierten Positionen nicht bloß ein Vorrat von zufälligen philosophischen Meinungen sind23, sondern einen inwendigen und notwendigen Zusammenhang haben. „In der Moderne hat Descartes die Scholastik der Dogmatisierung bloßen Meinens überführt. Leibniz war der Kritiker des Empirismus; Kant der Leibnizens und Humes in eins; Hegel der Kants, Marx der Hegels. […] [Ihre Kritik] dokumentierte keinen nach Geschmack einzunehmenden Standpunkt. Sondern sie lebte im triftigen Argument. Jene Denker hatten in Kritik die eigene Wahrheit. Sie allein, als Einheit des Problems und der Argumente, nicht die Übernahme von Thesen, hat gestiftet, was als produktive Einheit der Geschichte der Philosophie gelten mag.“24 Gleichwohl muss betont werden, um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen, dass die Analyse der Philosophiegeschichte ihrerseits nur eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung ernstzunehmender Philosophie darstellt. So setzt Kritik ein autonom denkendes Subjekt voraus, das die Gedanken nicht nur empirisch aufliest – was für Hegel Ausdruck bloßer Gelehrsamkeit wäre25 - sondern sie durchs Denken einer Prüfung unterzieht, ein Denken also, das eine Selbsttätigkeit ist und Mühen erfordert, sich nicht von selbst einstellt. Der Zugang zu den Gedanken ist Adorno, Eingriffe, 12. Vgl. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, 28 f. 24 Adorno, Eingriffe, 14 f. 25 Vgl. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, 29. 22 23 13 also kein unmittelbarer, sondern vermittelt durch das Denken, ohne dessen Tätigkeit die Gegenstände entweder verdinglicht oder in die Irrationalität entrückt würden. „Der Unbefangene wird weder wissen, was diese Definitionen sollen, noch, welcher Rechtsgrund ihnen innewohnt. Er wird sie entweder als Galimathias verwerfen und danach leicht in subalternen Hochmut gegen Philosophie überhaupt sich vermauern, oder er wird sie, unter der Autorität des berühmten Namens, telles quelles schlucken und so autoritär wenden, wie etwa in weltanschaulichen Manuskripten von Dilettanten Zitate sogenannter großer Denker zur Bekräftigung ihrer unmaßgeblichen Meinung umgeistern. […] Das aber ist in flagrantem Widerspruch zum Willen einer Philosophie, die als letzte Quelle der Erkenntnis, zu Recht oder Unrecht, nur das unmittelbar Einsichtige anerkannte. Analoges gilt wie für alle Philosophen für die gesamte Kunst. Die Vorstellung, daß das Geniale und Große unmittelbar aus sich selbst wirke und verständlich werde, der Aufhub einer auf dem Geniekult basierenden Ästhetik, täuscht darüber, daß nichts, was mit Fug Bildung heißen darf, voraussetzungslos ergriffen werden kann.“26 Gedanken sind demnach nicht ohne Denken und das Denken ist nicht ohne Gedanken. Dergleichen Verschränkung von Denktätigkeit und Denkinhalt ist das, was Hegel als Aufhebung des Gegensatzes von Unmittelbarkeit und Vermittlung Dialektik heißt und womit er die Disjunktion von Dogmatismus und Skeptizismus überwunden zu haben beansprucht.27 Die Philosophie entbehre des Vorteils, „der den anderen Wissenschaften zugute kommt, ihre Gegenstände als unmittelbar von der Vorstellung zugegeben sowie die Methode des Erkennens für Anfang und Fortgang als bereits angenommen voraussetzen zu können.“28 Ganz entsprechend der Kantischen Frage danach, was wir wissen können, kann die Philosophie für das Hervorbringen ihrer Gegenstände ihre Methode nicht schlicht voraussetzen, sondern hat erst im Prozess des Denkens zu entfalten und macht sich insofern immer auch selbst kritisch zum Gegenstand. „Die Philosophie, indem sie Wissenschaft sein soll, kann […] hierzu ihre Methode nicht von einer untergeordneten Wissenschaft […] borgen, so wenig als es bei kategorischen Versicherungen innerer Anschauung bewenden lassen oder sich des Räsonnements aus Gründen der äußeren Reflexion bedienen. Sondern es kann nur die Natur des Inhalts sein, welche sich im wissenschaftlichen Erkennen bewegt, indem zugleich diese eigne Reflexion des Inhalts es ist, welche seine Bestimmung selbst erst setzt und erzeugt.“29 Auf den Gegenstand Freiheit bezogen bedeutet dies, dass das Begreifen dessen, was sie ist, schon Freiheit voraussetzt, da sie nicht aus inhaltlichen oder methodischen Hypothesen zu entwickeln ist. Freiheit würde sich gleichsam selbst widersprechen, wäre sie aus Anderem abzuleiten bzw. hätte sie ihren Ursprung in einem unbefanAdorno, Theorie der Halbbildung, 112 f. Vgl. Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 51. 28 Hegel, Enzyklopädie I, § 1. 29 Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 6. 26 27 14 genen, d.h. leeren Denken. Diese offenkundig zirkuläre Argumentation wird einerseits zu rechtfertigen sein, um die logische Konsistenz von Hegels Darstellungen aufzuzeigen, andererseits, um dasjenige hinreichend zu bestimmen, wodurch dem Menschen Freiheit zukommt. III. SUBJEKTIVE FREIHEIT UND OBJEKTIVE BILDUNG 1. DENKEN ALS SELBSTTÄTIGKEIT DES SUBJEKTS In der Kritik der reinen Vernunft (1781/88) legt Kant das erkenntnistheoretische Fundament für seine Bestimmung des Freiheitsbegriffs. Das aufklärerische Projekt seines Hauptwerks besteht darin, über die Möglichkeitsbedingungen funktionierender Erkenntnis – von der er angesichts der historisch erfolgreichen Entwicklung der Wissenschaften ausgeht – hinreichend Rechenschaft abzulegen, indem die philosophiehistorischen Positionen der dogmatischen Metaphysik und des skeptizistischen Empirismus gleichermaßen kritisiert werden. Dabei verwirft er keine der einander augenscheinlich widerstreitenden Seiten, sondern bemüht sich um deren Synthese. Das Erbe des Empirismus tritt er insofern an, als er davon ausgeht, „daß alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange […]; denn wodurch sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung geweckt werden, geschähe es nicht durch Gegenstände, die unsere Sinne rühren und teils von selbst Vorstellungen bewirken, teils unsere Verstandestätigkeit in Bewegung bringen, diese zu vergleichen, sie zu verknüpfen oder zu trennen, und so den rohen Stoff sinnlicher Eindrücke zu einer Erkenntnis der Gegenstände zu verarbeiten, die Erfahrung heißt?“30 Diese unsere Sinne rührenden Gegenstände sind bei Kant empirische, d.h. in Raum und Zeit fallende Gegenstände, die ihren Existenzgrund außerhalb des denkenden Subjekts haben. Sie unterliegen naturkausalen Zusammenhängen und sind insofern nach Gesetzen determiniert, die nicht in die Freiheit des Menschen fallen. Fasst man darüber hinaus den Menschen selbst als ein in Naturzusammenhänge eingebundenes Wesen auf, was er ja zweifellos ist, so scheint auch für ihn jedes Freiheitspotential zumindest dann ausgeschlossen, wenn er nichts ist als ein solches Naturwesen. Da sowohl sein Wille als auch sein Erkennen vollständig der Naturkausalität unterworfen wären, könnte er nichts sein als ein bloßer Automat bzw. passiver Rezipient des Weltgeschehens. Vor diesem Hintergrund hat auch Hegel den historischen Empirismus kritisiert. 30 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 1. 15 „Indem nun dies Sinnliche für den Empirismus ein Gegebenes ist und bleibt, so ist dies eine Lehre der Unfreiheit, denn die Freiheit besteht gerade darin, dass ich kein absolut Anderes gegen mich habe, sondern abhänge von einem Inhalt, der ich selbst bin. Weiter sind auf diesem Standpunkt Vernunft und Unvernunft nur subjektiv, d.h. wir haben uns das Gegebene gefallen zu lassen, so wie es ist, und wir haben kein Recht danach zu fragen, ob und inwiefern dasselbe in sich vernünftig ist.“31 Kant bestimmt gegen solche Passivität das theoretische Erkennen als aktive Tätigkeit des menschlichen Verstandes. Zwar inhäriert der Erfahrung als Anfang des Erkennens angesichts der uns äußerlichen Gegenstände ein Moment der Passivität, allerdings bleibt Kants Erfahrungsbegriff nicht bei einer bloßen Rezeptivität stehen, sondern verweist auf einen Zusammenhang unserer sinnlichen Eindrücke, der nur dann hergestellt werden kann, wenn der Verstand a priori über etwas verfügt, das er an die Gegenstände heranträgt und ohne das eine Erkenntnis nicht zustande kommen könnte. Damit hat Kant die Kopernikanische Wende der Denkungsart eingeläutet, in der die Tätigkeit des denkenden Subjekts nunmehr zur konstitutiven Bedingung der Erkenntnis wird. „Es ist hiemit eben so, als mit den ersten Gedanken des Copernicus bewandt, der, nachdem es mit der Erklärung der Himmelsbewegungen nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich drehen, und dagegen die Sterne in Ruhe ließ. In der Metaphysik kann man | nun, was die Anschauung der Gegenstände betrifft, es auf ähnliche Weise versuchen. Wenn die Anschauung sich nach der Beschaffenheit der Gegenstände richten müßte, so sehe ich nicht ein, wie man a priori von ihr etwas wissen könne; richtet sich aber der Gegenstand (als Objekt der Sinne) nach der Beschaffenheit unseres Anschauungsvermögens, so kann ich mir diese Möglichkeit ganz wohl vorstellen.“32 2. DIE DEGRADIERUNG DES SUBJEKTS ZUM OBJEKT Die autonome Selbsttätigkeit eines denkenden Subjekts als Konstituens des Erkennens ist weder in der Philosophie noch anderswo eine selbstverständliche Voraussetzung. So ist in den heutigen bildungstheoretischen Debatten vielmehr die gegenteilige Auffassung verbürgt, dass das Subjekt vollends determiniert wäre. So wird es als eine Instanz vorausgesetzt, dessen Denken durch eine Vielzahl von heteronomen Faktoren bestimmt sei, seien es seine psychischen Dispositionen, die neuronale Verfasstheit seines Gehirns, sein soziales Umfeld oder sein familiärer Hintergrund, seine gesellschaftliche Stellung oder seine Erziehung. Ohne die Wichtigkeit solcher Reflexionen in Frage stellen zu müssen, kann es doch als sehr bedenklich angesehen werden, dass dem Freiheitspotential des Subjekts in diesen Zusammenhängen nur we31 32 Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, § 38 (Zusatz). Kant, KrV, B XVI. 16 nig bis gar keine Beachtung geschenkt wird. Ein Phänomen, das sich nicht zuletzt der gerade in den pädagogischen Auseinandersetzungen häufig vollzogenen Gleichsetzung von Erziehung und Bildung verdankt. So konstatiert Jochen Krautz in seinem Buch Ware Bildung ein Abrücken von dem Verständnis, dass „Bildung […] eigentlich Selbstbildung [meint]. Man wird nicht gebildet, sondern man bildet sich. Niemand kann gezwungen werden, sich zu bilden. Der Mensch kann nur aus eigenem Entschluss zur Bildung kommen. […] Er ist Herr seiner selbst. Das ist seit der Aufklärung gemeinsame Überzeugung in Europa: Der Mensch ist frei und darf von niemandem zu irgendwas gemacht oder gebraucht werden. Er wird nicht gebildet und erzogen für den Staat, für die Wirtschaft oder die Kirche – sondern nur um seiner selbst willen.“33 In dem letzten Satz dieser Passage rückt Krautz selbst von dem ab, was er unterstreichen möchte. Hier wird der Mensch gebildet, ist also, bei aller gewollten Unabhängigkeit von institutionellen Zwängen, passiv. Diese Passivität ist mit einer Vorstellung von der Bildung als einer autonomen Tätigkeit unvereinbar. Vielmehr wird auf diese Weise das Subjekt, als ein rein empirisches, zu einem Objekt der Bildung degradiert. Zweifellos ist die pathetische Forderung der Freiheit des Subjekts kein zureichender Grund für ihre Wahrhaftigkeit. Vielmehr bedarf die Freiheit einer substantiellen Bestimmung, um als eine Antithese zu den heutigen Ausformungen von „Bildung“ fungieren zu können. Dieses Begreifen der Freiheit hat sich die Klassische Deutsche Philosophie maßgeblich zur Aufgabe gestellt. Die Rekonstruktion der Freiheitsbestimmung von Kant und Hegel wird erweisen, dass Freiheit keineswegs das Resultat von, sondern die Voraussetzung für Bildung ist, was letztlich auch deren Differenz zur Erziehung begründet und Adornos Auffassung fundiert, dass der Bildungskrise durch pädagogische Reformen allein nicht beizukommen ist.34 3. ERFAHRUNG UND BEGRIFF: KONTINUITÄT DES BEWUSSTSEINS UND IHRE DESTRUKTION A) DIE UNBEDINGTHEIT DES DENKENDEN ICHS Kant erachtet den Verstand als selbsttätig und gesteht ihm ein Moment der Unabhängigkeit von der Affizierung durch heteronome Faktoren zu. Wenn er von der Erfahrung als dem Anfang der Erkenntnis spricht, so ist dies in einem zeitlichen Sinne zu verstehen35, wohingegen der logisch-systematische Anfang immer schon mit Krautz, Ware Bildung, 14. Vgl. Adorno, Theorie der Halbbildung, 93. 35 Vgl. Kant, KrV, B 1 f. 33 34 17 den apriorischen Formen des Verstandes gegeben ist. Diese Formen, die reinen Verstandesbegriffe, konstituieren eine ursprüngliche Einheit, ohne die „alle Beziehung der Erkenntnis auf Gegenstände weg[fiele], weil ihr die Verknüpfung nach allgemeinen und notwendigen Gesetzen mangelte, mithin würde sie zwar gedankenlose Anschauung, aber niemals Erkenntnis, also für uns so viel als gar nichts sein“.36 So könne erst vor dem Hintergrund apriorischer Verstandesbegriffe, die „die Gründe anderer Urteile in sich enthalten [und] selbst nicht in höhern und allgemeinern Erkenntnissen gegründet sind“37, die Möglichkeit allgemeiner und notwendiger Erkenntnisse hinreichend erklärt werden. Diese Verstandesbegriffe sind in ihrer Unabhängigkeit von anderen, ursächlich zu bestimmenden Faktoren rein, d.h. sie haben ihren Ursprung allein in der Spontaneität des Verstandesdenkens. Indem die reinen Verstandesbegriffe auf die Gegenstände bezogen werden, könne das Denken dasjenige generieren, was Kant synthetische Urteile a priori nennt. Synthetische Urteile unterscheiden sich nach Kant insofern von analytischen, als letztere einem Begriff – gemäß dem Satz vom zu vermeidenden Widerspruch - ein Prädikat zu- oder abschreiben, je nachdem, ob es in jenem enthalten ist oder nicht. Ein analytisches Urteil drückt also ein Verhältnis der Identität oder des Widerspruchs aus, wohingegen synthetische Urteile a priori einen Begriff mit einem nicht in ihm schon enthaltenen anderen in ein Verhältnis setzen, „welches daher niemals, weder ein Verhältnis der Identität, noch des Widerspruchs ist, und wobei dem Urteile an ihm selbst weder die Wahrheit, noch der Irrtum angesehen werden kann.“38 Die in dieser Bestimmung implizierte Frage nach einem vermittelnden Dritten führt Kant zur transzendentalen Einheit der Apperzeption, dem denkenden Ich, „das alle meine Vorstellungen begleiten können [muss].“39 Denn während durch ein analytisches Urteil ein Begriff in seine in ihm enthaltenen Bestandteile zergliedert wird, verbindet ein synthetisches Urteil den Begriff mit einem anderen Begriff, „was nur vom Subjekte selbst verrichtet werden kann, weil sie [die Verbindung; S.S.] ein Actus seiner Selbsttätigkeit ist.“40 Kant argumentiert, dass solcherlei Verbindung als „Vorstellung der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen“41 nicht nur Voraussetzung für die Möglichkeit analytischer Urteile ist, sondern dass ihr auch die Einheit jenes Mannigfaltigen immanent ist. Diese Einheit ergibt sich nicht aus der Verbindungstätigkeit, sondern geht a priori aller Verbindung der Begriffe vorher, da ein reiner BeKant, KrV, A 111. A.a.O., B 188. 38 A.a.O., B 194. 39 A.a.O., B 132. 40 Kant, KrV, B 130. 41 Ebd. 36 37 18 griff der Einheit (der über den Verstandesbegriff der Einheit hinausgeht) den Grund der Einheit verschiedener Begriffe in Urteilen bildet. Aus diesem Grund kann auch von einer ursprünglichen Einheit der Apperzeption gesprochen werden, „weil sie dasjenige Selbstbewusstsein ist, was, indem es die Vorstellung Ich denke hervorbringt, die alle anderen muß begleiten können, und in allem Bewußtsein ein und dasselbe ist, von keiner weiter begleitet werden kann.“42 „Auf solche Weise sind synthetische Urteile a priori möglich, wenn wir die formalen Bedingungen der Anschauung a priori, der Synthesis der Einbildungskraft, und die notwendige Einheit derselben in einer transzendentalen Apperzeption, auf ein mögliches Erfahrungserkenntnis überhaupt beziehen, und sagen: die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung, und haben darum objektive Gültigkeit in einem synthetischen Urteile a priori.“43 Diese Einheit der Apperzeption ist damit von Kant dem Anspruch nach nicht dogmatisch behauptet, sondern transzendental erschlossen als Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt. Angesichts der Möglichkeit von Erkenntnis offenbare sich ein notwendig zu denkendes, einheitliches Ich, das sich erst durch das Moment seiner Unabhängigkeit in tätige Auseinandersetzung mit der Welt begeben und auf diese Weise eine beständige Beziehung zu dieser herstellen kann. Eine Form der Subjektivität, die, so Adornos Diagnose, von den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen boykottiert wird. Diese zwingen einen dazu, „Selbsterhaltung ohne Selbst“44, also ohne ein nicht-affiziertes Ich, zu betreiben, was die Möglichkeit von Bildung ebenso aushöhlt, wie ihr objektiv alles entgegen ist. „Erfahrung, die Kontinuität des Bewusstseins, in der das Nichtgegenwärtige dauert, in der Übung und Assoziation im je Einzelnen Tradition stiften, wird ersetzt durch die punktuelle, unverbundene, auswechselbare und ephemere Informiertheit, der schon anzusehen ist, daß sie im nächsten Augenblick durch andere Informationen weggewischt werden wird. […] Halbbildung ist eine Schwäche zur Zeit, zur Erinnerung, durch welche allein jene Synthesis des Erfahrenen im Bewußtsein geriet, welche einmal Bildung meinte. Nicht umsonst rühmt sich der Halbgebildete seines schlechten Gedächtnisses, stolz auf seine Vielbeschäftigtheit und Überlastung.“45 B) SYSTEMATISCHE TRENNUNG VON SUBJEKT UND GEGENSTAND In seiner auf sehr problematische Weise an Adorno anknüpfende Theorie der Unbildung verdeutlicht Konrad Paul Liessmann das mit den Massenmedien zusammenhängende Paradox, dass gerade in den heutigen Wissensgesellschaften niemand mehr lernt, um etwas zu wissen, sondern um des Lernens selbst willen. Denn alles Kant, KrV, B 132. A.a.O., B 197 44 Adorno, Theorie der Halbbildung, 115. 45 Adorno, Theorie der Halbbildung, 115 f. 42 43 19 Wissen, so das Credo ausgerechnet der Wissensgesellschaft, veraltet rasch und verliert seinen Wert.“46 Aufrecht erhalten kann dieses Credo aber nur, so Liessmann, weil der Begriff des Wissens mit dem der Information gleichgesetzt wird. In der Tat werden den Menschen durch die kanalisierten Medien heutzutage ungewollt mehr Informationen zugänglich denn je, aber „Wissen ist mehr als Information. Wissen erlaubt es nicht nur, aus einer Fülle von Daten jene herauszufiltern, die Informationswert haben, Wissen ist überhaupt einer Form der Durchdringung der Welt: erkennen, verstehen, begreifen.“47 Aus diesem Grund lässt sich Wissen auch nicht medial auslagern. Es kann weder gespeichert noch gemanagt noch präsentiert werden, da die partikularen Informationen nur dann zum Wissen werden, „wenn sie nach logischen und konsistenten Kriterien derart miteinander verknüpft werden können, daß sie einen sinnvollen und überprüfbaren Zusammenhang ergeben. Dieser Zusammenhang richtet sich allerdings nicht nach externen Kriterien, sondern nach der Logik dieses Wissens selbst“48, eine Logik, die sich nach Kant aus der tätigen Verknüpfung von Erfahrung und Begriff durch das Subjekt ergibt. Es ist also vor dem Irrtum zu warnen, dass die bessere Verfügbarkeit von Informationen notwendigerweise einen Bildungsprozess befördere. „Daß Halbbildung, aller Aufklärung und verbreiteten Information zum Trotz und mit ihrer Hilfe, zur herrschenden Form des gegenwärtigen Bewußtseins wird – eben das erheischt weiter ausgreifende Theorie.“49 Zu betonen, dass Wissen in den von einem beständigen Bewusstsein verarbeiteten Dingen begründet liegt, ist in diesem Zusammenhang umso wichtiger, will man nicht all das als Wissen gelten lassen, was auf Grund gesellschaftlicher Zwecke als solches ausgewiesen wird. Die Vorstellung, das Wissen lagere gleichsam außerhalb des Subjekts und müsse von diesem sodann angeeignet werden, trennt auf fatale Weise den Wissenden vom Wissensgegenstand, indem sie das Subjekt zwar für den Erwerb des Wissens verantwortlich macht, keineswegs aber für den Inhalt dieses Wissens. Fatal darum, weil es sich nicht schlicht um einen erkenntnistheoretischen Fehlschluss handelt, sondern um eine Konsequenz der gesellschaftlich vermittelten Auffassung, Wissen sei ein Mittel zur Anpassung an ökonomische Erfordernisse. „[…] Weisheit ist nicht das Ziel des lebenslangen Lernens, weil dieses nämlich gar kein Ziel mehr kennt, sondern das Mittel selbst zum Ziel erklärt. Natürlich: Marktverhältnisse und technologische Innovationen, die der Rationalisierung dienen, ändern sich rasch. An diese Veränderungs- und Entwicklungsschübe Liessmann, Theorie der Unbildung, 27. A.a.O., 29. 48 A.a.O., 31. 49 Adorno, Theorie der Halbbildung, 94. 46 47 20 müssen die Menschen angepaßt werden. Obgleich auch dies nicht unbedingt etwas Neues ist, sind diese Prozesse durch eine bisher kaum gekannte Dynamik und Intensität gekennzeichnet. Nicht nur, daß viele, vor allem ältere Menschen dadurch objektiv überfordert werden können, dient die Ideologie des lebenslangen Lernens auch, vielleicht vor allem dazu, die Risiken dieser Entwicklung einseitig den einzelnen zuzurechnen. Welche Kurse besucht, wie viel Privatkapital auch immer in Weiterbildung investiert werden, man wird im Ernstfall stets sagen können: Es war zu wenig.“50 Das, was Wissen ist, wird auf diese Weise der Willkür anheimgestellt und die „sich selbst zur Norm, zur Qualifikation gewordene, kontrollierbare Bildung ist als solche so wenig mehr eine wie die zum Geschwätz des Verkäufers degenerierte Allgemeinbildung. Das Moment der Unwillkürlichkeit […] verdirbt im grellen Licht der Überprüfbarkeit.“51 Eine Überprüfbarkeit, die sich in der Forderung nach permanenten Vergleichsprüfungen und Evaluationen artikuliert. So erzeugte Sachzwänge affizieren die Menschen nicht nur ökonomisch, sondern insbesondere auch psychologisch, denn sie suggerieren, dass Wissen – und letztlich auch Bildung - ausschließlich von einer dem Subjekt gegenüber fremdgesetzlichen Welt abhänge. Auf diese Weise wirken ökonomische Zwänge auf die Erkenntnistätigkeit selbst zurück und affizieren diese. Wenn Adorno also ein Moment der Unwillkürlichkeit einfordert, dann ist damit keineswegs gemeint, dass die Generierung von Wissen ein beliebiger Prozess sei. Das wäre gerade mit Kant nicht zu vereinbaren, der, wie sich zeigen wird, allgemeine und notwendige Erkenntnisse auch auf eine vernünftige Willensbestimmung zurückführt. Unwillkürlichkeit meint deshalb vielmehr, dass die Notwendigkeit dessen, was zu wissen ist, nicht aus sich stetig wandelnden, heteronomen Erfordernisse abzuleiten ist, sondern aus den Erkenntnisgegenständen selbst. C) HISTORISCHE ENTMÜNDIGUNG DES SUBJEKTS DURCH DIE K ULTURINDUSTRIE Einen Erkenntnisgegenstand zu begreifen, lässt sich nicht ohne den Typus von Erfahrung bewerkstelligen, der den Subjekten heute verstellt ist. Gesellschaftshistorisch führt Adorno dies auf das junge Bürgertum zurück, dessen gesellschaftlicher Aufstieg sich nicht primär der intellektuellen Emanzipation, sondern politischökonomischen Gründen verdankte. Bei den daraus sich ergebenden gesellschaftlichen Aufgaben in Wirtschaft und Verwaltung waren die Qualitäten, die das Bürgertum auszeichnete, hilfreich, so dass 50 51 Liessmann, Theorie der Unbildung, 34. Adorno, Theorie der Halbbildung, 106 f. 21 diese „nachträglich den Namen Bildung empfingen“52. Von jeher an klassenspezifische ökonomische Voraussetzungen gebunden, wurden in der Folge dem Proletariat alle Voraussetzungen für Bildung vorenthalten, wozu angesichts der „Entmenschlichung durch den kapitalistischen Produktionsprozeß“53 insbesondere Muße gehört hätte. Diese Vereinnahmung der arbeitenden Menschen für den Produktionsprozess, die sich in langen Arbeitszeiten, Niedriglöhnen und einem damit einhergehenden Druck der Lebensbedingungen ausdrückte, bildete damit die eigentliche objektiv gesetzte Grenze von Bildung, weshalb alle Versuche pädagogischer Abhilfe (Volksbildung) zur Karikatur missrieten.54 Infolge dieses Drucks hat das „Apriori des eigentlich bürgerlichen Bildungsbegriffs […], die Autonomie, […] keine Zeit gehabt, sich zu formieren.“55 Autonomie lässt sich, gerade wenn sie als Entwicklungspotential verstanden wird, nicht auf das Apriori im Sinne der Kantischen Verstandesbegriffe reduzieren, sondern schließt auch – wie sich zeigen wird – einen dynamischen Prozess der Selbstbildung ein, durch den das Subjekt zu einer individuellen Identität gelangt (deren Genese Kant wohlgemerkt nicht erklären möchte). Dies war dem Proletariat zu Beginn des Hochkapitalismus verstellt, da es Objekt der Produktionsverhältnisse, Subjekt nur als Produzent war.56 Eine maßgebliche Ursache dafür bildet, so Adorno, die Kulturindustrie. Sie transformiert die Bildungsgehalte in Güter, denen nunmehr eine wertschöpfende Funktion zukommt. Solcher zweckrationalen Logik folgend ist es notwendige Konsequenz, dass möglichst alle Bildungsgehalte in einer Weise modifiziert werden, dass sie auf beschleunigte und insofern verkürzte Weise möglichst vielen von denen zukommen, die gesellschaftlich vom Bildungsprivileg ausgeschlossen sind. „Die Massen werden durch zahllose Kanäle mit Bildungsgütern beliefert. Diese helfen als neutralisierte, versteinerte die bei der Stange zu halten, für die nichts zu hoch und teuer sei. Das gelingt, indem die Gehalte von Bildung, über den Marktmechanismus, dem Bewußtsein derer angepasst werden, die vom Bildungsprivileg ausgesperrt waren und die zu verändern erst Bildung wäre. Der Prozeß ist objektiv determiniert, nicht erst mala fide veranstaltet.“ 57 Aus diesem Grund kommt nach Adorno auch der Integration eine ideologische Funktion zu. Ideologisch insofern, als auf Grund ökonomischer Interessen eine Veränderung von Bildungsgehalten in Kauf genommen wird, die sie qualitativ reduziert, gar Adorno, Theorie der Halbbildung, 98. A.a.O., 99. 54 Vgl. ebd. 55 Ebd. 56 Vgl. a.a.O., 100. 57 Ebd. 52 53 22 ihrem Gehalt nach entstellt. „Daß Technik und höherer Lebensstandard ohne weiteres der Bildung dadurch zugute komme, daß alle von Kulturellem erreicht werden“ entpuppt sich vor diesem Hintergrund als „pseudodemokratische Verkäuferideologie“.58 Jenseits ihrer inhaltlichen Verbindlichkeit gelangen die Bildungsgehalte nur als etwas Halbverstandenes und Halberfahrenes in das Bewusstsein der Menschen, was nicht etwa „die Vorstufe der Bildung sondern ihr Todfeind [ist]: Bildungselemente, die ins Bewußtsein geraten, ohne in dessen Kontinuität eingeschmolzen zu werden, verwandeln sich in böse Giftstoffe, tendenziell in Aberglauben […].“59 Gelenkt auf die Anforderung, die Erfüllung gesellschaftlicher Funktionen zu sichern, „reduziert Bildung sich auf die Kennmarke gesellschaftlicher Immanenz und Integriertheit und wird unverhohlen sich selber ein Tauschbares, Verwertbares.“60 Bildungsgehalte werden so mit einem ihnen äußerlichen Maßstab versehen und darum nur noch an die passiven Subjekte herangetragen, deren Geist dazu bereit ist, „unter Verzicht auf toil and trouble, die geistige Existenz komfortabel einzurichten und zu schlucken, was in ihn hineingestopft wird.“61 „Die Leistung, die der kantische Schematismus noch von den Subjekten erwartet hatte, nämlich die sinnliche Mannigfaltigkeit vorweg auf die fundamentalen Begriffe zu beziehen, wird dem Subjekt von der Industrie abgenommen. Sie betreibt den Schematismus als ersten Dienst am Kunden. In der Seele sollte ein geheimer Mechanismus wirken, der die unmittelbaren Daten bereits so präpariert, daß sie ins System der reinen Vernunft hineinpassen.“62 So erklärt sich auch, dass Adorno zufolge der gesellschaftliche Ausschluss vom Bildungsprivileg nicht bloß „in Unbildung alten Stils“63 mündete, die als bloße Naivität ein unmittelbares Verhältnis zu den Objekten gestattete und so zum kritischen Bewusstsein gesteigert werden konnte.64 Das Dilemma der Halbbildung besteht gerade darin, dass auf Grund objektiver gesellschaftlicher Bedingungen das Verhältnis des Subjekts zur Welt präformiert wird. Dies ist auch der Grund, weshalb Liessmann nur auf sehr problematische Weise an Adorno anknüpft, wie oben bereits befunden wurde. Liessmann diagnostiziert der heutigen Gesellschaft einen Zustand der Unbildung im Sinne einer selbstbewusst gewordenen Bildungslosigkeit, die auch nicht mehr den Attitüden der Halbbildung gehorche.65 Letzteres mag zutreffen, wenn man die Frage auf die Physiognomik des Geistes reduziert. Die Unbildung kann genetisch Adorno, Theorie der Halbbildung, 110. A.a.O., 112. 60 A.a.O., 115. 61 A.a.O., 106. 62 Adorno, Dialektik der Aufklärung, 132. 63 Adorno, Theorie der Halbbildung, 99. 64 Vgl. a.a.O., 104 f. 65 Vgl. Liessmann, Theorie der Unbildung, 73. 58 59 23 aber keinesfalls aus der Halbbildung hervorgehen, da diese als Resultat der gesellschaftlichen Implementierung von Bildung jene gerade verunmöglicht und man sich den Gegenständen darum nicht mehr unvoreingenommen zuwenden kann. Karl-Heinz Dammer, der in einem Essay die Möglichkeit einer auf den gesellschaftlichen Kontext pädagogischen Handelns bezogenen kritischen Erziehungswissenschaft als Motor praktischer Veränderungen reflektiert – ein Anspruch, der für Adorno zunächst nicht zu erfüllen ist – betont in ebenso deutlicher Weise, welche drastischen Wirkungen die Diskontinuität derjenigen Erfahrungen hat, die ein Mensch heute noch zu machen vermag und die ihn gerade daran hindert, ein mit sich identisches Subjekt zu werden. „Er ist um seines Selbsterhalts willen gezwungen, gegebenenfalls private, soziale oder kulturelle Bindungen aufzugeben und mit der permanenten Entwertung seiner Erfahrungen und Fähigkeiten zu leben, aus deren Kontinuität erst das konkrete Bild einer individuellen Persönlichkeit entstehen kann.“ 66 Die schon von Liessmann kritisierte Rhetorik des „lebenslangen Lernens“ wird von Dammer noch pointierter angegriffen, indem er darauf hinweist, dass die Subjekte „dadurch enteignet [werden], dass sie ‚zugleich ihre Autonomie auf vorgegebene Bereiche im Dienst von vorbestimmten Zwecken begrenzen‘ sollen […]. Aus Kants ‚Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit‘ wird damit unter der Hand der ‚Eintritt in die fremdbestimmte Mündigkeit‘.“67 Aus diesem Grund kommt er zu dem treffenden Schluss, dass sich Mündigkeit heute in einer Haltung manifestiert, „die aus pädagogischer und entwicklungspsychologischer Sicht als Regression zu bezeichnen wäre.“68 Auch hier ist nicht zu vergessen, dass diese Regression als Folgeerscheinung und nicht als Ursache der Halbbildung zu betrachten ist. Dass die Entmündigung der Subjekte ein historisch sich vollziehender Prozess ist, der maßgeblich der pädagogischen und bildungspolitischen Praxis geschuldet ist, lässt sich anschaulich demonstrieren, wenn man den Bedeutungswandel des Autonomiebegriffs in der pädagogischen Auseinandersetzung nachzeichnet. Alfred Schirlbauer konstatiert schon in Bezug auf die neukantianische Pädagogik ein (vermeintliches) Paradox: War sie einerseits bis ins 20. Jahrhundert hinein durch Kants Konzeption des Kategorischen Imperativs bestimmt, spielte andererseits der von ihr nicht loszulösende Begriff der Autonomie, in dem Sinne einer Selbstgesetzgebung für das Handeln, eine nur periphere Rolle. Der von Kant kategorisch bestimmte Begriff der Autonomie, der nicht ohne eine politische Konnotation zu denken ist, erfuhr vielmehr eine Relativierung, da die pädagogische Praxis zusehends von staatlichen Dammer, Brauchen wir noch eine „kritische Erziehungswissenschaft“? 10. A.a.O. 13. 68 Ebd. 66 67 24 Bildungsinteressen präformiert wurde, ihre erste Reaktion aber nur darin bestand, „den Staat als eine Instanz zu imaginieren, die sich ‘in ihrer Machtausübung selbst beschränkt und [ihre] Legitimität nur unter Wahrung der pädagogischen Sachkompetenz ausspielt‘.“69 Angeregt durch die Kritische Theorie wurde diese relative Selbständigkeit zwar als Verschleierung der staatlichen Omnipräsenz verdächtigt, aber dies führte letztlich nur zu einer Umdeutung der Unabhängigkeit pädagogischer Praxis in einer Demokratisierung pädagogischer Institutionen. Der Verzicht auf autoritäre Durchgriffe domestizierte in der Folge die pädagogische Freiheit der Lehrer als Thema der Auseinandersetzung, da die Ambitionen von Lehrern kaum an politische Grenzen stießen. In der 1980er Jahren kam sodann die Kritik an der mangelnden Qualität und Effektivität des Bildungswesens auf, die mit einem Delegitimationsprozess des staatsbürokratischen Bildungssystems einher ging. Es überrascht darum wenig, dass gerade von bildungspolitischer Seite das Thema „Autonomie“ wieder in die Diskussion eingebracht wurde, dieses Mal aber als sog. „Schul- und Hochschulautonomie“. Statt der erhofften Selbstentmachtung der Bürokratie mündete die Realisierung jener Autonomie in einer den einzelnen Institutionen auferlegten Mängelverwaltung. „Die in Autonomie entlassenen Institutionen dürfen/müssen nun selbständig ihre Selbstreglementierung betreiben. Der Alltagssprachgebrauch hat also durchaus recht daran getan, das altehrwürdige Vokabel der Autonomie in bloße Selbstständigkeit umzudeuten. Das dürfte auch das heute umlaufende Verständnis von Autonomie sein. Angepeilt ist unter diesem Titel ziemlich exakt das, was G.W.F. Hegel ‘knechtische Selbstständigkeit‘ nannte: Nur der selbstständige Knecht entlastet den Herren wahrhaft. Hinter unselbstständigen Knechten müsste man ständig hinterher sein.“70 So wurden Mechanismen in das Bildungssystem implementiert, in denen „sich die über Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit dem Geldgeber gesteuerten Institutionen via (Selbst-)Evaluation und Qualitätsmanagement selbst steuern“.71 Solcherlei Steuerungsformen wurden insbesondere von vielen internationalen Agenturen forciert, die zur Aufhebung der durch die Mängel des staatsbürokratischen Bildungswesens verursachten Blockaden Rezepte diskutierten, „die der privatwirtschaftlichen Ökonomie entlehnt waren, nämlich Dezentralisierung, Autonomie und Eigenverantwortung, Wettbewerb […], manageriale Formen der Lenkung und betriebswirtschaftliche Rechnungslegung“72. Bildungsqualität wurde auf diesem Weg mit ihrer Effizienz gleichgesetzt, einer Effizienz, die messbar gemacht werden kann. Dzierzbicka/Schirlbauer (Hrsg.), Pädagogisches Glossar der Gegenwart, 15. A.a.O., 18. 71 Ebd. 72 Klausenitzer (2002) zitiert in: Dzierzbicka/Schirlbauer (Hrsg.), Pädagogisches Glossar der Gegenwart, 19. 69 70 25 „Orientierungspunkt für die sogenannten autonomen Schulprogramme wird wohl in Zukunft nichts anderes sein können als PISA-kompatible Bildungsstandards, wie ja überhaupt das von der OECD inszenierte internationale Schulleistungsvergleichsspektakel ein deutliches Zeichen dafür abgibt, dass es hier weder um Autonomisierung noch um Individualisierung geht, sondern um Standardisierung und Harmonisierung in den ökonomisch relevanten Kernbereichen.“73 Damit ist die Rolle eines Staates drastisch reduziert, „nämlich auf diejenige eines Vermittlers der Ansprüche der Ökonomie an eine Pädagogik, die sich wesentlich als psychologische Lernwissenschaft und empirisch-vergleichende Bildungsforschung zu verstehen hat.“74 Eine Wissenschaft, in der das transzendentale Subjekt Kants keinen Platz findet. Mit dem Zweck der Bildung, qua freier Selbsttätigkeit ein mit sich identisches Subjekt zu werden (sofern dies angesichts der zuvor demonstrierten Hemmnisse überhaupt möglich ist), ist freilich schon mehr vorausgesetzt worden, als durch die bisherige philosophische Argumentation begrifflich eingeholt wurde. Dies ist umso nötiger, da nicht nur die bisher skizzierten gesellschaftlichen Bedingungen die vermeintlich freie Selbsttätigkeit des menschlichen Verstandes affizieren, sondern am gegenwärtigen Stand der Diskussion auch philosophische Gründe gegen sie sprechen. Mit Adornos Metapher des Kantischen Verstandes, den die Kulturindustrie als Platzhalter ersetzt, wurde bereits das Problem seiner Hypostasierung vorweg genommen, die selbst als Folge eines halbverstandenes Bildungsgutes zu verstehen wäre. Solche Fehldeutung stellt die Verstandestätigkeit lediglich als ein mechanisches Verfahren vor, innerhalb dessen die zweckrationale Vereinnahmung des Denkens begrifflich bereits angelegt ist. Diese Missdeutung ist also durch eine umfassendere Bestimmung der Freiheit auszuräumen, um letztlich den Erfahrungsbegriff verstehen zu können, der für autonome Bildung Voraussetzung ist. 4. FREIHEIT UND UNFREIHEIT DES VERSTANDES Hegel würdigt Kants Anspruch, das Verstandesdenken als maßgeblich für das Erkennen nachzuweisen, also herauszufinden, „inwieweit überhaupt Formen des Denkens fähig seien, zur Erkenntnis der Wahrheit zu verhelfen.“75 Zugleich geht Hegel aber über den Anspruch Kants hinaus, indem er dessen Trennung von Denken und Erkennen kritisiert und das Bewusstsein von dem Irrtum befreien möchte, dass das Wahre immer etwas Anderes, Äußerliches, Fremdes sei. 73Klausenitzer (2002) zitiert in: Dzierzbicka/Schirlbauer (Hrsg.), Pädagogisches Glossar der Gegenwart, 20. 74 A.a.O., 21. 75 Hegel, Enzyklopädie I, § 41 (Zusatz I). 26 Dieser Vorwurf trifft Kant insofern, als „durch eine reine Kategorie nun, in welcher von aller Bedingung der sinnlichen Anschauung, als der einzigen, die uns möglich ist, abstrahiert wird, […] also kein Objekt bestimmt [wird], sondern nur das Denken eines Objekts überhaupt, nach verschiedenen modis ausgedrückt.“76 Das Verstandesdenken ist also kein Erkennen, da es trotz seiner Unbedingtheit einer doppelten Beschränkung unterliegt. Es ist einerseits beschränkt durch den nicht durch es selbst herzustellenden Erkenntnisgehalt: Bei aller konstitutiven Funktion für die Erkenntnis kann der Verstand ebenso wenig wie die Anschauung aus sich heraus eine Erkenntnis generieren. Diese beiden Erkenntnisstämme sind bei Kant wechselseitig aufeinander verwiesen, da ersterer nur der Form nach, letzterer dem Inhalt nach für eine Erkenntnis maßgebend ist, so dass eine solche nur durch Verknüpfung von Begriffen und Anschauung zustande kommen kann. „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“77 Andererseits weist das Verstandesdenken ein reflexives Unvermögen auf, „sich selbst die Grenzen seines Gebrauchs zu bestimmen, und zu wissen, was innerhalb oder außerhalb seiner ganzen Sphäre liegen mag.“78 Bedenkt man diese Zugeständnisse Kants hinsichtlich der Beschränkung des Verstandes, so lässt sich mit Berechtigung die Frage stellen, ob und inwieweit in den reinen Verstandesbegriffen überhaupt ein Freiheitsmoment enthalten ist, da der Bezug der Verstandesbegriffe auf die Gegenstände der Erfahrung durch die Form der Begriffe wie auch den Erfahrungsgegenstand selbst vorgegeben ist.79 So konstatiert auch Hegel den Verstand in dieser Konzeption als ein Unselbständiges. „Der Verstand ist auf diese Weise eine für sich leere Form, welche teils nur durch jenen gegebenen Inhalt Realität erhält, teils von ihm abstrahiert, nämlich ihn als etwas, aber nur für den Begriff Unbrauchbares wegläßt. Der Begriff ist in dem einen und dem andern Tun nicht das Unabhängige, nicht das Wesentliche und Wahre jenes vorausgehenden Stoffes, welches vielmehr die Realität an und für sich ist, die sich aus dem Begriffe nicht herausklauben läßt.“80 Nach Kant kommen wir durch transzendentale Deduktion, d.i. die Reflexion auf die Bedingungen der Möglichkeit des Erkennens, auf die Spontaneität der Verstandesbegriffe, so dass ein Moment der Freiheit im aktiven Vollzug dieser Reflexion gesehen werden kann. Schließlich ist dies ein Denkakt, zu dem wir keineswegs auf Grund äußerer Ursachen determiniert sind. Um eine freie Reflexion würde es sich aber nur Kant, KrV, B 304. A.a.O. B 75. 78 A.a.O., B 297. 79 Es wird zur Kenntnis genommen, dass bei Kant die reinen Verstandesbegriffe auch auf nichtempirische Gegenstände, wie beispielsweise Gott, bezogen werden können. Dies ist allerdings kein Argument gegen die Begrenztheit der Begriffe durch ihren Gegenstand, da die Zuweisung begrenzter Begriffe auf einen unbegrenzten Gegenstand logisch unzulässig ist. 80 Hegel, Wissenschaft der Logik, Zweiter Band, 225. 76 77 27 dann handeln, wenn sie keinen vorausgesetzten Inhalt aufzeigt, sondern diesen selbst spontan hervorbringt. Für Kant stellen die reinen Verstandesbegriffe apriorische Urteile dar, das bedeutet, sie sind einerseits unbedingte Voraussetzung, andererseits Resultat. Diese widersprüchlich anmutende Auffassung lässt sich verteidigen, wenn man bedenkt, dass die Begriffe zur Konstitution unserer Erfahrung immer schon da sein müssen, ihr Nachweis aber gerade deshalb nur rekursiv durch transzendentale Reflexion erbracht werden kann und sie – auf philosophischer Ebene – ein Resultat darstellen. Aus diesem Grund fällt diese Reflexion, für die sodann ein anderes Vermögen als der Verstand selbst angenommen werden muss, nicht in den Gegenstandsbereich der empirischen Einzelwissenschaften, sondern in den der Philosophie. Obzwar hiermit ein genuiner Gegenstand der Philosophie benannt ist, genügt die Kantische Vorgehensweise nicht ihrem Selbstanspruch einer transzendentalen Methodik, zumindest sofern die Hegelsche Auffassung des Kantischen Selbstanspruchs gültig ist. So kann die transzendentale Deduktion nicht als eine Erkenntnis ausgewiesen werden, da sie nicht auf einen empirischen Gegenstand bezogen ist, Kant selbst dies aber zu einer notwendigen Bedingung der Erkenntnis macht. Hegel fordert darum letztlich ein, die bei Kant noch vorhandene Trennung von Erkenntnisgrund und Seinsgrund eines Begriffs (hier: reiner Verstandesbegriff) aufzugeben. Für ihn sind die Bestimmungen der Allgemeinheit und Notwendigkeit in der Kantischen Philosophie - genauso wie beim Skeptizismus David Humes – „nichts anderes als ein vorausgesetztes Faktum […]; man kann nach der gewöhnlichen Sprache in den Wissenschaften sagen, daß sie nur eine andere Erklärung jenes Faktums aufgestellt habe.“81 Kant selbst sieht, dass die Analyse der Erfahrung, in der die reinen Verstandesbegriffe auftauchen, lediglich ihre „Illustration“, nicht aber der Beweis ihrer notwendigen Geltung wäre.82 Diese der Philosophie obliegende Aufgabe kann mit Kant weder durch das Verstandesvermögen noch durch die transzendentale Einheit der Apperzeption erfüllt werden. Ersteres ist eine nur formal-operierende Instanz, letztere eine nur durch ihn gedachte Funktionsbestimmung. Erschöpft sich Philosophie in der formalen Anwendung gegebener Kategorien, so manövriert man sie, wenn überhaupt, in jenes under-labourer-Verhältnis zu den Einzelwissenschaften zurück, in dem Hume sie noch sah.83 Eine Bedrohung, deren Eintreffen Adorno durchaus konstatiert. „Schließlich hat Philosophie in der allgeHegel, Enzyklopädie I, § 40. Vgl. Kant, KrV, B 126. 83 Vgl. Hume. An Essay Concerning Human Understanding, xxxv. 81 82 28 meinen Situation von Verfachlichung selbst ebenfalls als Spezialfall sich etabliert, dem des von allen Sachgehalten Gereinigten. Sie hat dadurch verleugnet, woran sie ihren eigenen Begriff besaß: Freiheit des Geistes, der dem Diktat des Fachwissens nicht pariert. Sie hat zugleich durch Abstinenz von bestimmtem Inhalt, […] als formale Logik und Wissenschaftslehre […], ihren realen Bankrott den realen gesellschaftlichen Zwecken gegenüber erklärt.“84 Hier wird zuerst die Bedeutung des einleitend angeführten Anspruchs deutlich, dass Philosophie sich auf Grundlage ihres Begriffs selbst zu kritisieren hat. Das Aufkommen des logischen Positivismus, als der für Adorno neben der Existentialontologie prägnanteste Ausdruck des Verfalls der Philosophie, verweist auf das Problem, dass diese nur auf Grundlage ihrer substantiellen Bestimmung verteidigt werden kann. Schließlich ist die positivistische Strömung nicht nur institutionell als Philosophie verbürgt, sondern sie speist sich auch inhaltlich aus den ihr vorangegangenen philosophischen Positionen – darunter auch Kant - und erhält so Einzug in die Geschichte der Philosophie als, so Adorno, objektiver Einheit. Will man diese Entwicklung kritisieren und nicht als notwendigen Gang einer teleologisch angelegten Geistesgeschichte tolerieren müssen, unter den die Philosophie nur ihr Siegel setzt, ist der Philosophiebegriff als teilweise unabhängig von den gesellschaftlichen Bewegungsgesetzen – die „darwinistische Naturgeschichte“85 - zu denken, die ihn (auch) bestimmen. Adorno zufolge ist der konstatierte Verfall der Philosophie maßgeblich einer heteronomen Bestimmung durch gesellschaftliche Bedingungen geschuldet, gegenüber denen die Philosophie sich zu verteidigen hat, soll sie nicht als „eine winzige und tolerierte Enklave enden, die als solche bereits dem widerstreitet, was sie sein möchte: ein nicht Partikulares.“86 „Der emphatische Begriff von Philosophie, den die Bewegung des deutschen Idealismus intendierte, als der Geist der Zeit mir ihr war, fügte nicht Philosophie als Sparte den Wissenschaften hinzu, sondern suchte sie in der lebendigen Selbstbesinnung des wissenschaftlichen Geistes. Betrachtet man aber den Prozeß der Spezialisierung, der diese Idee der Philosophie zur Phrase von Festrednern erniedrigte, tatsächlich als ein Schlechtes, als Ausdruck der Verdinglichung des Geistes, die dieser mit der zunehmend verdinglichten Tauschgesellschaft erfuhr, so wird man Philosophie geradezu an der Kraft des Widerstands durchs eigene Denken ablesen können, den der Einzelne der bornierten Aneignung von Kenntnissen, wären es auch die sogenannten Fachphilosophien, entgegensetzt.“87 Abgesehen davon, dass die hier eingeforderte Philosophie des Widerstands eine noch zu bestimmende Freiheit voraussetzt, gilt es insbesondere zu betonen, dass aus Adorno, Eingriffe, 12. Adorno, Theorie der Halbbildung, 96. 86 Adorno, Eingriffe, 12. 87 Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, 33. 84 85 29 Adornos Kritik am logischen Positivismus und an der Existentialontologie keine fraglose Affirmation Kantischer oder Hegelscher Philosophie als die einzig Wahren abzuleiten wäre. Sie sind ebenso konstruktiver Kritik auszusetzen, in deren Fortgang „auch diejenigen Philosophien ihren Zeitkern, ihren geschichtlichen Stellenwert [gewinnen], deren Lehrgehalt auf dem Ewigen und Zeitlosen beharrte.“88 Kritik weist sich allerdings gerade dadurch aus, dass sie sich nicht affirmativ zu hypothetischen gesellschaftlichen Zwecken verhält, sondern ganz unnaiv und unmittelbar sich mit den Gegenständen auseinandersetzt. Was Kant und Hegel noch als der Philosophie immanent zu begründen versuchten, verkommt Adorno zufolge mit dem Positivismus, da dieser sich jenseits aller Gesellschaftskritik lediglich die allgemeine Form der gesellschaftlich vereinnahmten Einzelwissenschaften zum Gegenstand mache.89 5. HALBBILDUNG ALS KOLLEKTIVER NARZISSMUS In der Bestimmung der Philosophie als einer nicht-partikularen Disziplin klingt zwangsläufig ein Totalitätsanspruch mit, der – so Adorno – von Apologetik nicht zu trennen ist. Insofern sei es ein absurdes Unterfangen, wollte die Philosophie heute noch beanspruchen, sich als ein Gesamtsystem zu konstituieren, das aus sich heraus das Ganze entfalte. Verzichte sie aber darauf, bringe sie sich zugleich „in Konflikt mit ihrer ganzen Überlieferung.“90 Eine Überlieferung, auf die sich gerade Adorno in seiner Kritik an der Halbbildung beruft. Auf die Werke von Horaz, Schiller wie überhaupt die „goldenen Klassiker“91 verweist Adorno nicht nur als äußerliche Demonstrationsbeispiele für das, was einst klassenintern als der Kanon bestimmt wurde, der fortan Bildung definierte. Darüber hinaus gesteht er diesen Kulturgütern einen eigenen Begriff zu, d.h. sie zeichnen sich dem Inhalt nach durch eine gleichsam zwanglose Verbindlichkeit aus, die jeder notwendig einsehen würde, könnte er sich einmal jenseits aller Bewusstseinspräformation mit ihnen auseinandersetzen. Bedingt durch die indoktrinal wirkende Kulturindustrie, ist das Subjekt dazu aber gar nicht in der Lage, da seine Rezeption der Kulturgüter nunmehr keinen immanenten Kriterien gehorcht, sondern bloß dem, was es davon zu haben glaubt.92 Dies kann durchaus auch Bildung selbst sein, die ohne verbindliche Einsichten aber zu einer bloß formalen Kategorie verkommt, die man zu besitzen versucht. Halbbildung ist darum für Adorno ein Zustand von kollektivem Adorno, Eingriffe, 15. Vgl. a.a.O., 18. 90 Adorno, Eingriffe, 13. 91 Adorno, Theorie der Halbbildung, 109. 92 Vgl. Adorno, Theorie der Halbbildung, 110. 88 89 30 Narzissmus93, da sie intellektuell verbindliche Gehalte in Statusembleme verwandelt, um seine eigenes Bewusstsein aufzuwerten. „Weil jedoch Halbbildung gleichwohl an die traditionellen Kategorien sich klammert, die sie nicht mehr erfüllt, so weiß die neue Gestalt des Bewußtseins unbewußt von ihrer eigenen Deformation. Darum ist Halbbildung gereizt und böse; das allseitige Bescheidwissen immer zugleich auch ein BesserwissenWollen.“94 Hier zeigt sich gleichsam ein circulus vitiosus, denn erst auf diesem narzisstischen Bedürfnis heraus erwächst eine Aufgabe für die Kulturindustrie. „Wer der Kontinuität von Urteil und Erfahrung enträt, wird von solchen Systemen mit Schemata zur Bewältigung der Realität beliefert, welche an diese zwar nicht heranreichen, aber die Angst vorm Unbegriffenen kompensieren.“95 Auf diese Weise erhält der Narzissmus zusammen mit der Paranoia seine „objektive gesellschaftliche Funktion. Sie ersetzen jene wesentliche Einsicht, die von der Halbbildung versperrt wird.“96 Dies ist gänzlich dem Begriff von Bildung zuwider, wie er sich aus der Philosophie Kants und Hegels ergibt. Bei ihnen sind die Gehalte der Bildung nicht als dem Denken äußere Kategorien zu verstehen. Unter kapitalistischen Bedingungen werden sie aber gleichsam konserviert und vermöge partikularer Interessen auf Kosten ihres Wahrheitsgehaltes fortgeschleppt. Dies gilt zweifelsohne auch für die Schriften Kants und Hegels selbst, deren Reflexionen über die Freiheit von konstitutiver Bedeutung für Adornos Theorie der Halbbildung sind. „Nicht mehr bloß für die nicht mehr Gebildeten sind die Bildungsgüter zerbröckelt sondern an sich, ihrem Wahrheitsgehalt nach. Dieser ist nicht, wie der Idealismus es wollte, zeitlos invariant, sondern hat sein Leben in der geschichtlich-gesellschaftlichen Dynamik wie die Menschen und kann vergehen.“ 97 6. DIE HYBRIS DES DEUTSCHEN IDEALISMUS In dem theoretischen Bemühen, die Idee der Freiheit nachzuweisen, zeige „die Philosophie eine Würde, welche, wenn sie ihre Anmaßung nur behaupten könnte, den Wert aller anderen menschlichen Wissenschaft weiter unter sich lassen würde, indem sie die Grundlage zu unseren größten Erwartungen und Aussichten auf die letzten Zwecke, in welchen alle Vernunftbemühungen sich endlich vereinigen müssen, verheißt.“98 Das Projekt, das Kant 1787 noch als Anmaßung bezeichnet, wird von Vgl. Adorno, Theorie der Halbbildung, 114. A.a.O., 116. 95 A.a.O., 116 f. 96 Ebd. 97 Adorno, Theorie der Halbildung, 109. 98 Kant, KrV, B 491. 93 94 31 Hegel ungemildert fortgeführt, wenn er zu Beginn der Phänomenologie des Geistes (1806) die Philosophie als Selbstzweck artikuliert.99 Schon Hegels Auffassung der Wissenschaft als ein Kreislauf in sich selbst zeigt an, dass sie ein in sich geschlossenes System sei. Dieses System (als ein System von Begriffen), so Hegel in der Phänomenologie, sei die „Gestalt der Wahrheit“, „das Element ihrer Existenz“ und könne allein durch die Darstellung der Philosophie befriedigend erklärt werden.100 Dieser zunächst als Hybris anmutende Versuch, die Philosophie über alle anderen möglichen Weltzugänge zu setzen und ideologisch zu verklären, ist vielmehr ein Bemühen, diese Gegensätze in einer Einheit zu befassen, mithin zwischen ihnen zu vermitteln und anstatt in der Verschiedenheit nur den Widerspruch zu sehen, die unterschiedlichen Formen „zu Momenten der organischen Einheit [zu machen], worin sie sich nicht nur nicht widerstreiten, sondern eins so notwendig als das andere ist, und diese gleiche Notwendigkeit macht erst das Leben des Ganzen aus.“101 Aus diesem Grund erschöpft sich sein Projekt auch in der Darstellung der Philosophie, warnt er gar davor, die Philosophie für erbaulich zu befinden.102 Wenn Hegel die Philosophie also an die Spitze der Wissenschaft stellt, dann nur, weil sie alle wissenschaftlichen Disziplinen sowie Religion und Kunst in ihrem inwendigen Zusammenhang und damit als Ausdruck eines umfassenden Begriffs von Bildung verstehen will. Ein Anspruch, der nicht zuletzt berechtigt ist, da die Einzelwissenschaften in der Philosophie einen gemeinsamen historisch-systematischen Ursprung haben. Und auch wenn ihre jeweilige Emanzipation von der Philosophie gut und notwendig war, um der inhaltlichen Differenzierung gerecht zu werden und das methodische Fortschreiten zu befördern, so darf heute nicht die Reflexion auf den objektiven Wissenschaftsbegriff wie auch ihre gemeinsame Zwecksetzung, nämlich den der Wahrheitsfindung, in Vergessenheit geraten. Gerade in einer Zeit, da die einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen durch deren Abhängigkeit von Drittmitteln in ein Konkurrenzverhältnis gedrängt werden und ihre anschließende Vernetzung nur anhand von externen Kriterien erfolgt statt aus einem inhaltlichen Zusammenhang heraus.103 Obgleich nicht auf die Einzelwissenschaften reduziert, gehört die Tätigkeit des Verstandes auch zu deren Möglichkeitsbedingungen. Die Kantische Reflexion geht insofern auf ein Denken als ersten Grund für die Gültigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse. Da aber die desolate psychische Beschaffenheit des Subjekts in der KulturinVgl. Hegel, Phänomenologie des Geistes, 3 f. A.a.O., 6. 101 A.a.O., 4. 102 A.a.O., 9. 103 Vgl. Konrad Paul Liessmann, Theorie der Unbildung, 112 ff. 99 100 32 dustrie eine gesellschaftliche Funktion bekommen hat, und auch die pädagogische Praxis auf empirische Subjekte gerichtet wurde, ist das Ich selbst zum „Material der Analyse“ und „einmal unter die Dinge eingereiht, deren Nichtigkeit überantwortet“104 worden. Ohne das Denken des Kantischen Ich, dessen subjektive Bedingungen objektive Gültigkeit beanspruchen, verbleibt „kein Maß […] fürs Maß aller Dinge, es verfällt der Kontingenz und wird zur Unwahrheit.“105 Der Wissenschaft, die das empirische Ich zu ihrem Gegenstand hat – die Psychologie – wird in diesem Gesamtzusammenhang die Funktion oktroyiert, den Menschen erst recht zu einem Objekt zu machen. „Die Verdrängung der Philosophie durch die Wissenschaft [aber] hat, wie man weiß, zu einer Trennung der beiden Elemente geführt, deren Einheit Hegel zufolge das Leben von Philosophie ausmacht, Reflexion und Spekulation.“106 Hegels dialektischer Wissenschaftsbegriff wird, so Adorno, von einer rein empiristischen Wissenschaft abgelöst, die den Menschen als Objekt durch bloße Analyse in seine Fähigkeiten zerlegt, was, ohne erneute Vermittlung, nichts als „eine Projektion der Arbeitsteilung auf deren vorgebliche Subjekte [ist], untrennbar vom Interesse, sie mit höherem Nutzen einzusetzen, überhaupt manipulieren zu können.“107 Dieses Manipulationsinteresse ist der Analyse immanent, die das Kontingente und Unfreie an Menschen, die „nicht kontroverse Seite der Erscheinung, ihr[en] unbefragt hingenommene[n] Abdruck, die aus klassifizierten Daten genügte Fassade“108 zum Objektiven erklärt. Aber der Wert eines Gedankens „mißt sich an seiner Distanz von der Kontinuität des Bekannten. Er nimmt objektiv mit der Herabsetzung dieser Distanz ab; je mehr er sich dem vorgegebenen Standard annähert, um so mehr schwindet seine antithetische Funktion […].“109 Auf diese Weise endet man bei einer affirmativen Wissenschaft, die mangels Reflexion auf ihr eigenes Denken leicht zu vereinnahmen ist. Beispielhaft zu erwähnen wäre die Angewandte Psychologie, die schon zu Anbeginn des 20. Jahrhundert sich der Aufgabe verschrieb, zur Erfüllung heteronomer Interessen adäquate Prüfungstechniken zu entwickeln.110 Diese heteronomen Interessen sind hauptsächlich ökonomischer Natur. Ein Mittel für sie, sich durchzusetzen, ist die bereits erwähnte, durch die Forschungspolitik initiierte Drittmittelkonkurrenz, in der vor allem die Fächer begünstigt werden, „die eine rasche ökonomische Verwertbarkeit erwarten lassen“111 und in der den GeisAdorno, Minima Moralia, Nr. 39. Ebd. 106 A.a.O., Nr. 76. 107 A.a.O., Nr. 39. 108 A.a.O., Nr. 43. 109 A.a.O., Nr. 50. 110 Vgl. Gelhard, Kritik der Kompetenz, 71 ff. 111 Dzierzbicka/Schirlbauer (Hrsg.), Pädagogisches Glossar der Gegenwart, 294. 104 105 33 teswissenschaften ein naturwissenschaftlich geprägtes Forschungsmodell übergestülpt wird.112 In solcher bloß auf die Gestaltung des Lebens ausgerichteten Wissenschaft „verklärt Reflexion die gesellschaftlich anbefohlene Trennung von körperlicher und geistiger Arbeit.“113 Sie erfordert keine kritische Reflexion, sondern vielmehr ein der Natur sich Gleichmachen, um das Daseiende kontrollieren zu können. 7. DIE IMMANENZ DER SPONTANEN BEGRIFFSGENESE Kritische Reflexion kann nicht durch den Verstand geleistet werden. Er muss mit einer anderen Instanz zusammenhängen, welche die Begriffe als Bedingung der Selbsttätigkeit generiert. Diese Instanz ist die Vernunft, die qua transzendentaler Deduktion die Einheit der Apperzeption als „Prinzip der Möglichkeit der Erfahrung“114 erschließt. Bei Kant ist die Vernunft überhaupt „das Vermögen der Prinzipien“115 und hat damit das Potential, die Verstandesregeln in eine Einheit zu bringen. Insofern kann die Deduktion des transzendentalen Ichs nur in das Vermögen der Vernunft fallen, da der Verstand synthetische Erkenntnisse aus Begriffen gar nicht verschaffen kann.116 Hegels Kritik an der Kantischen Erkenntnistheorie scheint darauf hinauszulaufen, die Differenz von Verstand und Vernunft einzuebnen. Zunächst geht Kant ihm nicht weit genug, da dessen Reflexion auf die reinen Verstandesbegriffe lediglich eine auf deren Rechtmäßigkeit gehende Deduktion de iure, nicht aber de facto darstellt. Deshalb macht Hegel darüber hinausgehend die Daseinsbegründung der reinen Verstandesbegriffe in seiner Wissenschaft der Logik zum Projekt und versucht eine Lehre vom Begriff überhaupt zu entwickeln. Eine solche einheitliche Lehre ist dann tatsächlich als Argument dafür anzusehen, dass sowohl Verstandes- als auch Vernunftbegriffe der Genese nach einen Ursprung haben und sich von diesem Standpunkt aus nicht unterscheiden. Ohne dies hier im Detail zu erörtern, soll Hegels Punkt aufgegriffen werden, dass Kant sich in einen Widerspruch verstrickt, wenn er die reinen Verstandesbegriffe einerseits als unbedingt aufzeigt, sie andererseits aber durch ihren formalen Charakter, auf Grund dessen sie immer nur in der Anwendung gezeigt werden können, begrenzt. Schließlich weiß auch Kant, dass „das Unbedingte allein die Totalität der Bedingungen möglich macht, und umgekehrt die Totalität der Bedingungen jederzeit Vgl. Münch, Die akademische Elite, 75. Adorno, Theorie der Halbbildung, 96. 114 Kant, KrV, B 168. 115 A.a.O., B 356. 116 Vgl. a.a.O., B 357. 112 113 34 selbst unbedingt ist: so kann ein reiner Vernunftbegriff überhaupt durch den Begriff des Unbedingten, sofern er einen Grund der Synthesis des Bedingten erhält, erklärt werden.“117 Wenn also die Vernunft einen Grund der Synthesis des Bedingten darstellt, muss sie mithin Grund der die Kategorien enthaltenen transzendentalen Einheit sein und kann sich eben nicht darin erschöpfen, ein ihr Äußerliches in einem Prinzip zu fassen. Genau das meint Hegel, wenn er der Kantischen Philosophie vorwirft, es sich mit der Auffindung der Kategorien sehr bequem gemacht zu haben. „Ich, die Einheit des Selbstbewußtseins, ist ganz abstrakt und völlig unbestimmt; wie ist also zu den Bestimmungen des Ich, den Kategorien, zu kommen? Glücklicherweise finden sich in der gewöhnlichen Logik die verschiedenen Arten des Urteils bereits empirisch angegeben vor. […] Wenn das Denken irgend etwas zu beweisen fähig sein soll, wenn die Logik fordern muss, daß Beweise gegeben werden, und wenn sie das Beweisen lehren will, so muß sie doch vor allem ihren Inhalt zu beweisen, dessen Notwendigkeit einzusehen, fähig sein.“118 Anderenfalls ginge die Funktion der Vernunft qualitativ nicht über die des Verstandes hinaus, etwas ihm Fremdes in eine Ordnung zu bringen. Und tatsächlich spricht Kant der Vernunft ein über das Verstehen des Verstandes hinausgehendes Begreifen zu119, gesteht aber zugleich, dass ein Vernunftschluss sich durch „formale und logische Verfahren“120 auszeichne und selbst nichts anderes sei „als ein Urteil, vermittelst der Subsumtion seiner Bedingung unter eine allgemeine Regel.“121 So dienen die reinen Vernunftbegriffe, auch als Ideen bezeichnet, als bloße Ordnungsprinzipien der Verstandesbegriffe, so dass das Resultat - gemäß der Kantischen Differenzierung - kein geschlossener Begriff wäre, sondern ein bloß reflektierter.122 Bliebe es bei einem rein formalen Verfahren, könnte man zudem nicht erklären, auf welcher Grundlage die einzelnen Verstandesbegriffe inhaltlich voneinander unterschieden werden. Hegel gesteht dem Denken dagegen das Potential zu, allgemeine und notwendige Inhalte aus sich heraus hervorzubringen, und beansprucht so, das Problem zu lösen, dass Kant - bezogen auf die Verstandesbegriffe - den Begriff „als das Objektive der Erkenntnis“ angibt, „somit als Wahrheit“, ihn auf der anderen Seite aber als etwas „bloß Subjektives“ nimmt, aus dem sich „die Objektivität […] nicht herausklauben lasse.“123 Auf diese Weise begehe die Kantische Philosophie denselben Fehler wie die „alte Metaphysik“, nämlich eine „bloße Verstandesansicht der Vernunftgegenstän- Kant, KrV, B 379. Hegel, Enzyklopädie I, § 42. 119 Vgl. Kant, KrV, B 367. 120 A.a.O., B 363. 121 A.a.O., B 364. 122 Vgl. a.a.O., B 366. 123 Hegel, Wissenschaft der Logik, Zweiter Band, 223. 117 118 35 de“124 durchzuführen, in der vorausgesetzt sei, „daß die Erkenntnis des Absoluten in der Weise geschehen könne, daß ihm Prädikate beigelegt werden.“125 So werde versäumt, „die Verstandesbestimmungen [also die Prädikate; S.S.] ihrem eigentümlichen Inhalte und Werte nach“ zu untersuchen und in diesem Zusammenhang zu fragen, „ob solche Prädikate an und für sich etwas Wahres seien.“126 Über den Kantischen Anspruch hinaus, die objektive Gültigkeit subjektiver Bedingungen des Denkens nachzuweisen127, geht es Hegel darum, diese Bedingungen selbst als das Objektive zu identifizieren. Dazu müssen „die Formen des Denkens selbst zum Gegenstand des Erkennens gemacht werden“, ohne dem Irrtum zu unterliegen, „vor dem Erkennen schon erkennen oder nicht eher ins Wasser gehen zu wollen, bevor man schwimmen gelernt hat.“128 Um die Formen des Denkens aber nicht unhinterfragt zu gebrauchen, müssen diese zum Erkenntnisgegenstand gemacht werden, so dass „die Tätigkeit der Denkformen und ihre Kritik im Erkennen vereinigt“129 sind. Dies setzt ein Potential des Denkens voraus, in einem Prozess die beim Denken schon immer vorausgesetzten Formen zugleich als dessen Resultat zu erweisen, ohne dabei in einen Zirkel zu verfallen. Hegel verweist mit diesem Anspruch auf das Denken als eine in sich differenzierende Totalität, die sich durch die Aufhebung ihrer immanenten Gegensätze entfaltet. Bezogen auf die Kantischen Verstandesbegriffe soll also gezeigt werden, dass der Begriff „in sich selbst eine Einheit unterschiedener Bestimmungen“130 ist. „Wenn die Wahrheit also weiter nichts wäre als der Mangel des Widerspruchs, so müßte bei jedem Begriffe zuerst betrachtet werden, ob er nicht für sich einen solchen inneren Widerspruch enthalte.“131 Erst durch den Nachweis, dass das Denken in seiner Bewegung den Begriff generiert, wäre die Vernunft hinreichend als ein spontanes Vermögen bestimmt, das neben dem formalen auch einen „realen Gebrauch“ habe, „da sie selbst den Ursprung gewisser Begriffe und Grundsätze enthält, die sie weder von den Sinnen, noch vom Verstande entlehnt“.132 So würde zugleich das bisher noch sehr unvermittelt erscheinende Verhältnis von Verstand und Vernunft geklärt, mithin gezeigt werden können, dass die Vernunft der höchste, also ihr eigener Grund ist. Dieser Anspruch Hegel, Enzyklopädie I, § 27. Hegel, Enzyklopädie I, § 28. 126 Ebd. 127 Vgl. Kant, KrV, B 122. 128 Hegel, Enzyklopädie I, § 41 (Zusatz I). 129 Ebd. 130 A.a.O., § 33. 131 A.a.O., § 33. 132 Kant, KrV, B 355. 124 125 36 ist schon im Projekt der Kritik der reinen Vernunft angelegt, in deren ambivalentem Titel die Vernunft das Kritisierende und das Kritisierte zugleich ist. Bei Kant ist das Subjekt, das sich seiner Vernunft bedient, unhintergehbare Bedingung, da die Vernunft lediglich ein Moment von dessen Bestimmung ausmacht. Wenn Kant diesem in seiner Vernunfttätigkeit ein erzeugendes Potential zusprechen will, so zielt dies auf nichts anderes als die Begründung jenes freien und selbstbewussten Subjekts, das notwendige Bedingung aller Bildung ist. 8. DAS ANTINOMISCHE WESEN DER FREIHEIT Ein spontanes Vermögen, das ohne äußere Anstöße etwas bewirkt, ist die theoretische Bedeutung des Freiheitsbegriffs, den Kant dezidiert in der Dritten Antinomie innerhalb der transzendentalen Dialektik verhandelt. Dieser Freiheitsbegriff ist – und das ist angesichts der Trennung von Verstand und Vernunft konsequent - abzugrenzen von den reinen Verstandesbegriffen. Freiheit fällt bei Kant unter die reinen Vernunftbegriffe, die er auch als transzendentale Ideen bezeichnet.133 Das unbedingte Vernunftvermögen unterstellt dessen Unmittelbarkeit und führt Kant zu der These, dass die Kausalität nach Gesetzen der Natur nicht die einzige sei, „aus welcher die Erscheinungen der Welt insgesamt abgeleitet werden können. Es ist noch eine Kausalität durch Freiheit zur Erklärung derselben anzunehmen nötig.“134 Freiheit ist bei Kant also zunächst negativ bestimmt, d.h. er bedient sich eines apagogischen Beweises, indem er die Antithese der Antinomie, es sei keine Freiheit, „sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur“135, als selbstwidersprüchlich identifiziert. So impliziere das Absolutsetzen des Kausalitätsparadigmas, dass die Ursache einer jeden Wirkung selbst nicht unbedingt, sondern ihrerseits in der Zeit geworden ist, d.h. einen je vorigen Zustand und dessen Kausalität, dieser aber ebenso einen noch älteren voraussetzt usw.“136 „So gibt es jederzeit nur einen subalternen, niemals aber einen ersten Anfang, und also überhaupt keine Vollständigkeit auf der Seite der voneinander abstammenden Ursachen. Nun besteht aber darin eben das Gesetz der Natur: dass ohne hinreichend a priori bestimmte Ursache nichts geschehe. Also widerspricht der Satz, als wenn alle Kausalität nur Vgl. Kant, KrV, B 368. A.a.O., B 472. 135 A.a.O., B 473. 136 A.a.O., B 472. 133 134 37 nach Naturgesetzen möglich sei, sich selbst in seiner unbeschränkten Allgemeinheit, und diese kann also nicht als die einzige angenommen werden.“137 An dieser Stelle könnte man den Verstand, der den Erkenntnisgegenständen die Formen des Erkenntnisvermögens beilegt, als die „absolute Spontaneität“138 setzen, deren Notwendigkeit sich für Kant aus dem soeben demonstrierten negativen Beweis ergibt. Dies ist aber unzulässig, da die Spontaneität des Verstandes als Gedankending im negativen Verstande bei Kant nur eine Reflexionsbestimmung ist, von der es fraglich ist, ob sie innerhalb der empirischen Welt kausal wirken kann. So erscheint es durchaus unbefriedigend, wie Kant selbst bemerkt, dass unter der Bedingung eines solchen Freiheitspotentials eine Reihe von aufeinander folgenden Wirkungen nicht bloß spontan anfängt, „sondern die Bestimmung dieser Spontaneität selbst zur Hervorbringung der Reihe“139 würde. Hier findet sich implizit der Hegelsche Anspruch wieder, dass das Denken eines Gegenstandes zugleich das hervorbringt, was mit ihm gedacht wird. Mit Kant ist diese ‘Initialzündung‘ nicht zu rechtfertigen, jedenfalls nicht auf dieser theoretischen Ebene, da sein formeller Vernunftbegriff keinen Hinweis auf jene Bestimmung der Spontaneität liefert, durch die eine Reihe hervorgebracht werden soll. In der Kritik der reinen Vernunft ist der Sprung von der Spontaneität als Denkbestimmung hin zu den kausalen Ereignissen der empirischen Welt nicht zu zeigen. Kant sieht an dieser Stelle vielmehr einen Anfang behauptet, der gleichsam aus dem Nichts erfolgt, weil er keinen Zustand einer „noch nicht handelnden Ursache“140 voraussetzt und vielmehr selbst ohne jeden Zusammenhang mit den empirisch wirkenden Ursachen sein soll. Damit ist, so schlussfolgert Kant im Beweis der Antithese, „die transzendentale Freiheit dem Kausalgesetze entgegen, und eine solche Verbindung der sukzessiven Zustände wirkender Ursachen, nach welcher keine Einheit der Erfahrung möglich ist, die also in keiner Erfahrung angetroffen wird, mithin ein leeres Gedankending.“141 Indem Kant also sowohl die Kausalität aus Freiheit als auch die Kausalität nach Naturgesetzen beweist, indem er die jeweils entgegen gesetzte These auf eine immanente Widersprüchlichkeit zurückführt, weist er beide als in einen antinomischen Widerspruch verstrickt auf. Antinomisch darum, weil sich dieser Widerspruch nicht auflösen lässt, indem eine der Positionen als falsch identifiziert wird. Kants Lösung Kant, KrV, B 474. A.a.O., B 474. 139 A.a.O., B 473. 140 A.a.O., B 473. 141 A.a.O., B 457. 137 138 38 besteht darin, aufzuzeigen, dass beiden Positionen jeweils andere Bedingungen zugrunde liegen und sie sich darum doch nicht widersprechen. „Die kritische Philosophie hat es mit dem Empirismus gemein, die Erfahrung für den einzigen Boden der Erkenntnisse anzunehmen, welche sie aber nicht für Wahrheiten, sondern nur für Erkenntnisse von Erscheinungen gelten lässt.“142 Hegel referiert korrekt, dass bei Kant jede Erkenntnis auf das bezogen ist, was uns in der Erfahrung erscheint. Keine der zwölf von ihm benannten Kategorien vermag im transzendentalen Gebrauche zu sein, d.h. „daß die Grundsätze des reinen Verstandes nur in Beziehung auf die allgemeinen Bedingungen einer möglichen Erfahrung, auf Gegenstände der Sinne, niemals aber auf Dinge überhaupt […] bezogen werden können.“143 Hierbei muss aber vorbehalten werden, dass wir die Gegenstände „auch als Dinge an sich selbst, wenngleich nicht erkennen, doch wenigstens müssen denken können. Denn sonst würde der ungereimte Satz daraus folgen, daß Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint.“144 Denken ist bei Kant – in Abgrenzung zum Erkennen - als die Handlung bestimmt, „gegebene Anschauung auf einen Gegenstand zu beziehen.“145 Da das Ding an sich aber ein Gegenstand jenseits unserer Anschauung (und damit auch jenseits unserer Erkenntnis) ist, handelt es sich um die Reflexionsbestimmung eines intelligiblen Gegenstandes, dem beim Erkennen eine nur regulative Funktion zukommt und der uns darum nicht erscheinen kann, wie Kant in der Vorrede (s.o.) zu behaupten scheint. Das Ding an sich ist kein ontologisches Korrelat der Erscheinung. Als prinzipiell Unerkennbares (nur reflektiertes) ist dieses Ding an sich als ein nicht in Raum und Zeit zu verortendes, nicht in die phänomenale Welt fallendes Wesen, ein Noumenon im negativen Verstande.146 Diese Differenzierung zwischen einer phänomenalen Welt der in Raum und Zeit fallenden Erscheinungen, die vom Subjekt in der Form der kausalen Gesetzmäßigkeit gedacht werden, und einer noumenalen Welt als unabhängig von dieser Form, ist für Kant insofern die Auflösung der Antinomie, als sie so von einem Widerspruch zu einem Gegensatz wird. Fasst man Freiheit theoretisch als Unbedingtheit auf, dann ist sie ausschließlich als ein Ding an sich zu denken (nicht zu erkennen), dem keine spezifische Bestimmung durch das Konstitutionsvermögen des Subjekts zukommen kann und das insofern die Totalität aller Bedingungen umfasst. So erklärt sich letztHegel, Enzyklopädie I, § 40. Kant, KrV, B 303. 144 A.a.O., B XXVI. 145 A.a.O., B 304. 146 Dass dieses Wesen bei Kant durch den Verstand gedacht wird, dieser mithin entgegen seinem ihm zuvor zugewiesenen Potential sich selbst die eigenen Grenzen aufzeigt – nämlich nur mit Erscheinungen operieren zu können – ist ein Folgeproblem des undefinierten Verhältnisses von Verstand und Vernunft. 142 143 39 lich, dass das Ding an sich als Begriff im Singular zu benennen ist. Von Dingen an sich zu sprechen ist nur vor dem Hintergrund zulässig, dass das Ding an sich, als Totalität der Bedingungen, sich auf der Erscheinungsebene enthüllt und vom Subjekt in den spezifischen Erkenntnisgegenständen (als Momente des Ganzen) im positiven Sinne gewusst wird. Faktisch sind die Dinge an sich aber als gewusste Gegenstände nicht mehr an sich, sondern für das Subjekt. Ein Übergang, der im Übrigen möglich sein muss, soll die Freiheit nicht in einer Parallelwelt von der Sphäre der Erscheinungen abgeschlossen bleiben. 9. DIE GRENZE DER THEORIE Auf begrifflicher Ebene verbleibt der Vorwurf, die Kantische Freiheitsidee als bloßes Phantasma abzutun. Zwar will Kant zeigen, dass Freiheit widerspruchsfrei neben der Naturkausalität gedacht werden kann, aber gerade in diesem Denken verbleibt sie – das nimmt er auch zur Kenntnis – im Bereich des Möglichen, jenseits der Darlegung ihrer Realität durch die Tat.147 Das Ding an sich, das bei ihm die theoretische Bestimmung der Freiheit ausmacht, bleibt ein negatives Verstandesresultat und ist angesichts der Realität eine bloße Möglichkeit, deren Bestimmung als „absolute und perennierende […] und ihre Beziehung auf das, was sie will, überhaupt auf ihre Realität, nur für eine Anwendung auf einen gegebenen Soff an[zusehen], die nicht zum Wesen der Freiheit selbst gehöre; er hat es auf diese Weise nur mit dem Abstraktum, nicht mit ihrer Idee [im Hegelschen Sinne; S.S.] und Wahrheit zu tun.“148 Und Kant selbst gesteht, dass dieser theoretische Nachweis alles ist, was die Kritik der reinen Vernunft innerhalb ihrer Grenzen zu leisten vermag. „Ferner haben wir auch gar nicht einmal die Möglichkeit der Freiheit beweisen wollen; denn dieses wäre auch nicht gelungen, weil wir überhaupt von keinem Realgrunde und keiner Kausalität, aus bloßen Begriffen a priori, die Möglichkeit erkennen können. Die Freiheit wird hier nur als transzendentale Idee behandelt, wodurch die Vernunft die Reihe der Bedingungen in der Erscheinung durch das Sinnlichunbedingte schlechthin anzuheben denkt, dabei sich aber in eine Antinomie mit ihren eigenen Gesetzen, welche sie dem empirischen Gebrauche des Verstandes vorschreibt, verwickelt. Daß nun diese Antinomie auf einem bloßen Scheine beruhe, und, daß Natur der Kausalität aus Freiheit wenigstens nicht widerstreite, das war das einzige, was wir leisten konnten, woran es uns auch einzig und allein gelegen war.“ 149 Angesichts dessen, dass die Dritte Antinomie auf Grundlage der Differenz von Phaenomena und Noumena formuliert worden ist und diese nicht als theoretische Auflösung eines Widerspruchs, sondern als Grundlage eines wohlgemerkt konstitutiven Vgl. Kant, KrV, A 3. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 10. 149 Kant, KrV, B 586. 147 148 40 Gegensatzes angesehen werden darf150, entpuppt sich die theoretische Freiheitsdiskussion augenscheinlich als gänzlich belanglos für das praktische Handeln. In dieses fällt auch das tätige Erkennen, da bei Kant „diejenige Bewirkung eines Zwecks Praxis [ist], welche als Befolgung gewisser im allgemeinen vorgestellten Prinzipien des Verfahrens gedacht wird.“151 Es scheint wenig gewonnen durch das Denken einer Freiheit, die von der realen Welt gänzlich abgerückt ist. Ein darüber hinausgehender, substantieller Beweis der menschlichen Freiheit ist also notwendig, im Übrigen nicht nur, um den Geltungsanspruch der Philosophie über das Denken und Dichten hinauszuheben.152 Aus den bisherigen Ausführungen sollte hervorgegangen sein, dass das Problem der Unbedingtheit keineswegs nur die Philosophie affiziert, sondern ebenso die Einzelwissenschaften und die gesamte Sphäre der Bildung überhaupt. Der Versuch einer Lösung hat, auch Adorno zufolge, die Bildung nicht nur in ihrer theoretischen Bestimmung, sondern auch in ihrer gesellschaftlichen Realisation maßgeblich befördert. Zwar hat „die deutsche Bildung in ihrer großen Epoche nicht durchweg die Kenntnis der gleichzeitigen Philosophie eingeschlossen, die selbst in den Jahren zwischen 1790 und 1830 wenigen reserviert war. Aber jene Philosophie war doch der Bildung immanent. Nicht nur hat sie genetisch Figuren wie Humboldt und Schleiermacher zu ihren Konzeptionen des Bildungswesens veranlaßt. Sondern der Kern des spekulativen Idealismus, die Lehre vom objektiven, über die bloße psychologische Einzelperson hinausgehenden Charakter des Geistes, war zugleich das Prinzip der Bildung als das eines Geistigen, das nicht unmittelbar einem anderen dienstbar, nicht unmittelbar an seinem Zweck zu messen ist.“153 Ein Hinweis, welcher der Philosophie ein enormes Potential zuspricht, gesellschaftlich wirkmächtig zu sein, der zugleich aber weitergehende Erläuterungen des Freiheitsbegriffs notwendig macht. 10. DAS INTELLIGIBLE ICH UND SEINE PROZESSUALE AUFHEBUNG Hegel erweitert die Kantische Philosophie, indem er entgegnet, dass man durchaus wissen könne, was das Ding an sich sei. Ausgehend von der Kantischen Bestimmung des Dings an sich als des von jeder Gedanken- und Empfindungsbestimmung losgeWenn Kant es als Gesetz der Natur ausgibt, dass ohne hinreichend a priori bestimmte Ursache nichts geschehe, und das Potential der transzendentalen Freiheit proklamiert, dass die Bestimmung der Spontaneität zum Anfang einer Reihe wird, dann ist der Unterschied von phaenomena und noumena bereits in der Dritten Antinomie erhalten, diese also auf der Grundlage jenes Unterschieds formuliert und nicht dadurch aufgelöst. 151 Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, A 201. 152 Vgl. Kant, KrV, B 497. 153 Adorno, Theorie der Halbbildung, 106. 150 41 lösten Gegenstandes, schließt Hegel folgerichtig, dass das Ding an sich „das völlige Abstraktum“, eine inhaltsleere Identität sei und insofern vollkommen der Unbestimmtheit der „ursprünglichen Identität des Ich im Denken“ entspreche.154 Damit setzt Hegel Kants Ding an sich und das denkende Ich auf noumenaler Ebene gleich. „Was hier Vernunftgegenstand heißt, das Unbedingte oder Unendliche, ist nichts anderes als das Sich-selbst-Gleiche, oder es ist die […] ursprüngliche Identität des Ich im Denken. Vernunft heißt dies abstrakte Ich oder Denken, welches diese reine Identität sich zum Gegenstande oder Zweck macht. […] Dieser schlechthin bestimmungslosen Identität sind die Erfahrungserkenntnisse unangemessen, weil sie überhaupt von bestimmtem Inhalte sind.“ 155 Dies ist insofern plausibel, als die Kantische Erkenntnistheorie als theoretischen Fundaments eines transzendentalen Objekts bedarf, das als ein nicht-empirisches in keinem Bedingungsverhältnis zu einem Anderen steht und darum nicht als Akzidens, sondern als Substanz zu denken ist. Wäre das Ding an sich eine den Erscheinungen korrespondierende Größe, so gäbe es notwendig genau so viele Dinge an sich wie Erscheinungen, was dem Ich als einer tätigen Substanz widerspricht. Wie gezeigt wurde, ist dieses Tätige nicht die transzendentale Einheit der Apperzeption, denn ob ihrer gleichfalls inhaltsleeren Bestimmung macht sie als Verstandesgröße nur ein Moment der Vernunft aus, das allein nicht prozessual sein kann. Die Vernunft macht sich jenes transzendentale Objekt zum Gegenstand, das Kant als intellektuelles Ich bestimmt und von dem Kant in der Grundlegung der Metaphysik der Sitten darlegt, dass es notwendigerweise angenommen werden muss. „Sogar sich selbst und zwar nach der Kenntnis, die der Mensch durch innere Empfindung von sich hat, darf er sich nicht anmaßen zu erkennen, wie er an sich selbst sei. Denn da er doch sich selbst nicht gleichsam schafft und seinen Begriff nicht a priori, sondern empirisch bekommt, so ist natürlich, daß er auch von sich durch den inneren Sinn und folglich nur durch die Erscheinung seiner Natur und die Art, wie sein Bewußtsein affiziert wird, Kundschaft einziehen könne, indessen er doch notwendigerweise über diese aus lauter Erscheinungen zusammengesetzte Beschaffenheit seines eigenen Subjekts noch etwas anderes zum Grunde liegendes, nämlich sein Ich, sowie es an sich selbst beschaffen sein mag, annehmen und sich also in Absicht auf die bloße Wahrnehmung und Empfänglichkeit der Empfindungen zur Sinnenwelt, in Ansehung dessen aber, was in ihm reine Tätigkeit sein mag […], sich zur intellektuellen Welt zählen muß, die er doch nicht weiter kennt.“156 Da das Ding an sich als das der Erscheinung zum Grund liegende Objekt bestimmt ist und insofern außerhalb des Ichs liegt, dürfen beide keineswegs als identisch angenommen werden, sondern nur als zwei Größen mit analoger Bestimmung. Zwar ist das intellektuelle Ich gleich dem Ding an sich im Kantischen Sinne nicht erkennbar und kann lediglich negativ erschlossen werden, allerdings geht die Bestimmung des Hegel, Enzyklopädie I, §§ 44, 45. A.a.O., § 45. 156 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 87. 154 155 42 Ichs als „reine Tätigkeit“ über die Bestimmung des Dings an sich hinaus. Tätigkeit setzt eine zwecksetzende Instanz voraus, die bei Kant explizit in der Vernunft besteht und nicht in dem prinzipiell unerkennbaren Ding an sich hinter den Erscheinungen.157 Vermöge der Vernunft kann der Mensch seinem Verstand erst seine Grenzen aufzeigen, indem er sich einerseits als intelligibles (autonomes), andererseits als empirisches (heteronomes) Wesen erkennt. Erst dieser Gegensatz macht eine autonome Zweckbestimmung überhaupt erst möglich und erforderlich. Diese Möglichkeit beansprucht Kant in der Kritik der praktischen Vernunft (1788) nachzuweisen und damit die über die Kritik der reinen Vernunft hinausgehende Argumentation für das Dasein der Freiheit zu liefern. Dort soll „der praktische Gebrauch der Vernunft mit den Elementen des theoretischen verknüpft [werden]. Und dieses Bedürfnis ist nicht etwa ein hypothetisches, einer beliebigen Ansicht der Spekulation, daß man etwas annehmen müsse, wenn man zur Vollendung des Vernunftgebrauchs in der Spekulation hinaufsteigen will, sondern ein gesetzliches, etwas anzunehmen, ohne welches nicht geschehen kann, was man sich zur Absicht seines Tuns und Lassens unnachlaßlich setzen soll.“158 Analog zum theoretischen Erkennen, das zwar bei unbedingten Formen seinen Ausgang nimmt, wegen der Notwendigkeit und Allgemeinheit dieser Formen jedoch nicht beliebig ist, besteht Kants praktisches Freiheitsverständnis nicht darin, dass man tut, was man will - ein Ansatz, der grundsätzlich von Hegel übernommen wird. „Die gewöhnlichste Vorstellung, die man bei der Freiheit hat, ist die der Willkür, - die Mitte der Reflexion zwischen dem Willen als bloß durch die natürlichen Triebe bestimmt, und dem an und für sich freien Willen. Wenn man sagen hört, die Freiheit überhaupt sei dies, daß man tun könne, was man wolle, so kann solche Vorstellung nur für gänzlichen Mangel an Bildung des Gedankens genommen werden, in welcher sich von dem, was der an und für sich freie Wille, Recht, Sittlichkeit usf. ist, noch keine Ahnung findet.“ 159 Nach Kant ist man noch nicht frei, wenn man tut, was man will, weil in dieser Pauschalaussage noch keine Reflexion auf die möglichen Bestimmungsgründe des Willens enthalten ist. Schließlich wirken nicht zuletzt innerhalb der Kulturindustrie heteronome Einflüsse auf den Menschen, die dessen Willen kausal determinieren. Insofern also ein Mensch seinen Willen gemäß diesen praktischen Grundsätzen bestimmt, kann von einem freien Willen in keiner Weise gesprochen werden. Kant bezeichnet diese Grundsätze als subjektive Maximen, da sie einen kontingenten Ursprung haben, ihre Bedingung also „nur als für den Willen des Subjekts gültig von ihm angesehen Vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 78. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, A 7. 159 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 15. 157 158 43 wird.“160 Freiheit bedeutet demnach bei Kant zuerst die Unabhängigkeit von heteronomen Bestimmungsgründen. Zugleich bedarf es aber einer über dieses negative Moment hinausgehenden, positiven Bestimmung des freien Willens, da bei der Abstraktion von jedweden Bestimmungsgründen ansonsten ein nichts wollender, mithin durch Zufall bestimmter Wille übrig bliebe, der ebenso wenig frei wäre.161 Ein freier Wille liegt für Kant nur dann vor, wenn das Subjekt – im wörtlichen Sinne von Autonomie - sich selbst das Gesetz seines Handelns vorschreibt. Dies sei nur der Fall, wenn der Wille durch die Vernunft als jene unbedingte Instanz bestimmt werde, als die sie bereits erschlossen worden ist. Diese Konstruktion, in der die menschliche Vernunft sich als frei weiß, sofern sie dasjenige ist, was den Willen bestimmt, weist auf den ersten Blick eine zirkuläre Struktur auf, die Kant selbst in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten problematisiert. „Es zeigt sich hier, man muß es frei gestehen, eine Art von Zirkel, aus dem, wie es scheint, nicht herauszukommen ist. Wir nehmen uns in der Ordnung der wirkenden Ursachen als frei an, um uns in der Ordnung der Zwecke unter sittlichen Gesetzen zu denken, und wir denken uns nachher als diesen Gesetzen unterworfen, weil wir uns die Freiheit des Willens beigelegt haben; denn Freiheit und eigene Gesetzgebung des Willens sind beides Autonomie, mithin Wechselbegriffe, davon aber einer eben um deswillen nicht dazu gebraucht werden kann, um den anderen zu erklären und von ihm Grund anzugeben, sondern höchstens nur, um in logischer Absicht verschieden scheinende Vorstellungen von ebendemselben Gegenstande auf einen einzigen Begriff […] zu bringen.“162 Dieser Zirkel wird von Kant in der Kritik der praktischen Vernunft aufgelöst. Dort gründet seine transzendentale Deduktion der Freiheit auf der Unterscheidung von Erkenntnis- und Existenzgrund. Über die negative Verstandesbestimmung hinausgehend bildet für Kant ein apodiktisches moralisches Gesetz die positive Bestimmung der Freiheit. Diese Deduktion zeichnet sich durch zwei Gedankenschritte aus, die nicht voneinander zu isolieren sind, sondern eine Denkbewegung ausmachen. In dem ersten Schritt dieser Bewegung wird das moralische Gesetz als Faktum gesetzt. Es wird also davon ausgegangen, „daß die bloße gesetzgebende Form der Maximen allein der zureichende Bestimmungsgrund eines Willens sei.“163 Als Form ist dieser Bestimmungsgrund ein Produkt der Vernunft und fällt nicht in das Reich der Erscheinungen. Befindet sich der durch diese Form bestimmte Wille alsdann jenseits der Erscheinungen, ist er unabhängig von der Naturkausalität. „Eine solche Unabhängigkeit aber heißt Freiheit im strengsten, d.i. transzendentalen Verstande. Also ist ein Wille, dem die bloße gesetzgebende Form der Maxime allein zum Gesetze Kant, KpV, § 1. Vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, A 446. 162 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, A 450. 163 Kant, KpV, § 5. 160 161 44 dienen kann, einer freier Wille.“164 Das in der Vernunft gegründete moralische Gesetz macht hier den Erkenntnisgrund der Freiheit aus, da man nur durch jenes vermittelt auf diese als Bedingung seiner Möglichkeit schließen kann. Das Selbstbewusstsein einer reinen praktischen Vernunft kann ihren Ausgang nicht bei der Freiheit nehmen, „denn deren können wir uns weder unmittelbar bewußt werden, weil ihr erster Begriff negativ ist, noch daraus aus der Erfahrung schließen, denn Erfahrung gibt uns nur das Gesetz der Erscheinungen, mithin den Mechanism der Natur, das gerade Widerspiel der Freiheit, zu erkennen.“165 Ihr Erkenntnisgrund kann nicht mit dem Existenzgrund der Freiheit zusammen fallen, da diese für die moralische Willensbestimmung, vermittelst deren wir auf sie schließen, immer schon vorausgesetzt ist. Von dieser Voraussetzung hebt Kants zweiter Gedankenschritt an. „Vorausgesetzt, daß ein Wille frei sei, das Gesetz zu finden, welches ihn allein notwendig zu bestimmen tauglich ist“166, kann notwendigerweise „die gesetzgebende Form, so fern sie in der Maxime enthalten ist, das einzige [sein], was einen Bestimmungsgrund des Willens ausmachen kann.“167 Denn weil ein freier Willen unabhängig von hypothetischen Inhalten sein muss, zugleich aber durch etwas bestimmt sein muss – wie oben gezeigt wurde – bleibt als Bestimmungsgrund nichts als die gesetzgebende Form der Maxime. So erweist sich die Freiheit als Existenzgrund des moralischen Gesetzes in seiner notwendigen Beschaffenheit. Da es sich bei beiden Momenten dieser Denkbewegung nicht um qualitativ gleiche Schlüsse handelt, kann der Einwand entkräftet werden, dass es sich bei der Kantischen Argumentation um einen Zirkel handle, bei dem ganz nach Belieben mal mit der einen und mal mit der anderen Voraussetzung angefangen werde. Im Sinne von Hegels Bestimmung des Denken als eines Prozesses, in dem die in ihm vorausgesetzten Formen zugleich als dessen Resultat erwiesen werden und somit der auch philosophiehistorisch verbürgte Gegensatz von Vermittlung und Unmittelbarkeit aufgehoben wird. „Hier mag daraus nur dies angeführt werden, daß es nichts gibt, nichts im Himmel oder in der Natur oder im Geiste oder wo es sei, was nicht ebenso die Unmittelbarkeit enthält als die Vermittlung und also die Erörterung ihre Gegensatzes sich als ein Nichtiges zeigt. Was aber die wissenschaftlicher Erörterung betrifft, so ist es jeder logische Satz, in welchem die Bestimmungen der Unmittelbarkeit und der Vermittlung und also die Erörterung ihres Gegensatzes und ihrer Wahrheit vorkommt.“168 Kant, KpV, §5.. A.a.O., A 53. 166 Kant, KpV, § 6. 167 Ebd. 168 Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 52. 164 165 45 Dieser Prozess nimmt für Kant seinen Ausgang beim Subjekt, das die transzendentale Deduktion der Freiheit als Bedingung der Möglichkeit des moralischen Gesetzes, dessen es unmittelbar habhaft ist, vollzieht. Diese Vermittlungsleistung ist ein „Rückgang in den Grund, zu dem Ursprünglichen und Wahrhaften […], von dem das, womit der Anfang gemacht wurde, abhängt und in der Tat hervorgebracht wird.“ 169 So erschließt die Vernunft vermittelt über das moralische Gesetz die Freiheit als dessen Seinsgrund, weshalb diese zugleich als das Resultat zu betrachten ist, „in welches die Bewegung als in seinen Grund zurückgeht“170. Analog zur Erkenntnistätigkeit der Vernunft ist die selbsttätige Willensbestimmung durch das moralische Gesetz kein Akt der Beliebigkeit, sondern immerzu auf Allgemeinheit und Notwendigkeit bezogen, womit sich eine Verbindlichkeit für alle Subjekte ergibt und der Wille die Form eines Imperativs erhält, er zur Pflicht wird. Damit ergibt sich eine Pflicht im Sinne Kants nicht aus äußeren Zwängen, sondern ausschließlich aus einer objektiven Einsicht heraus und ist allein durch das Subjekt gesetzt. Schon hier kristallisiert sich heraus, dass eine Bildung, die sich ausschließlich aus ökonomischen Erfordernissen ergibt, mit dem Kantischen Pflichtbegriff unvereinbar ist. Um einen Imperativ handelt es sich bei der moralischen Selbstgesetzgebung dennoch, weil in der praktischen Erkenntnis „Grundsätze, die man sich macht, darum noch nicht Gesetze [sind], darunter man unvermeidlich stehe, weil die Vernunft im Praktischen es mit dem Subjekte zu tun hat, nämlich dem Begehrungsvermögen, nach dessen besonderer Beschaffenheit sich die Regel vielfältig richten kann.“ 171 Kant erachtet also den Willen als durch die Vernunft bestimmbar und betont dieses Potential gerade in Abgrenzung zu anderen möglichen Bestimmungsgründen des Willens. Weil in „einem pathologisch-affizierten Willen eines vernünftigen Wesens […] ein Widerstreit der Maximen, wider die von ihm selbst erkannte praktische Gesetze, angetroffen werden“172 kann, steckt in der Willensbestimmung ein Moment der Nötigung, die allerdings von einem selbst ausgeht. Diese Nötigung erfordert Selbsttätigkeit und setzt ein sich im Willen realisierendes Denken voraus, durch das die Motive des Handelns bestimmt werden. Denken und Handeln sind demnach keine zwei voneinander zu trennenden Vermögen, wie es auch Hegel bemerkte. „Diejenigen, welche das Denken als ein besonderes, eigentümliches Vermögen, getrennt vom Willen, als einem gleichfalls eigentümlichen Vermögen, betrachHegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 55. A.a.O., 56. Für eine umfassende Erklärung dieses dialektischen Prozesses vgl. Ruschig, Ulrich. Metaphysik und Metaphysikkritik bei Kant, 11 ff. 171 Kant, KpV; § 1, Anmerkung. 172 A.a.O., § 1. 169 170 46 ten und weiter gar das Denken als dem Willen, besonders dem guten Willen für nachteilig halten, zeigen sogleich von vornherein, daß sie gar nichts von der Natur des Willens wissen […]“173 Dies ist, zunächst bei Kant, keineswegs so zu verstehen, als wären Vernunft und Wille unmittelbar aufeinander bezogen oder gar identisch. Zwar gibt es eine inwendige Beziehung von Vernunft und Wille, aber diese bedarf der Vermittlung durch das tätige Subjekt, indem es seinen Willen durch die Vernunft bestimmt. Die produktive Reflexion des Zwecks, bestimmt als der Begriff von einem Objekt, der „zugleich den Grund der Wirklichkeit dieses Objekts enthält“174, wird folglich bestimmend für moralisches Handeln. So unterscheidet sich die Kausalität aus Freiheit qualitativ darin von der Naturkausalität, dass keine zeitlich vorgeschaltete, heteronome Ursache bestimmend für eine Handlung ist, sondern der Wille, dem der Zweck „zum objektiven Grunde seiner Selbstbestimmung dient […], und dieser, wenn er durch bloße Vernunft gegeben wird, muß für alle vernünftige Wesen gleich gelten.“175 Der freie Wille Kants ist also nicht wirkursächlich, sondern zweckursächlich bestimmt, d.h. ein bloß gedachter, nicht realer Begriff wird verursachend für dessen Realisierung. „Dieses Sollen nun drückt eine mögliche Handlung aus, davon der Grund nichts anders, als ein bloßer Begriff ist; da hingegen von einer bloßen Naturhandlung der Grund jederzeit eine Erscheinung sein muß.“ 176 So gelangt Kant zu der Vorstellung von einem durch die Vernunft bestimmten Willen, der als ein allgemein-zweckmäßiger nicht auf Partikularinteressen bezogen bleibt und insofern gut ist. Dieser an sich gute Wille, dem ungeachtet seiner „Tauglichkeit zu Erreichung irgendeines vorgesetzten Zweckes“177 oder seiner Resultate nichts von seinem Werte abgesprochen werden kann, bleibt angesichts der heteronomen Bestimmungen eines Subjekts nur ein (notwendiges) Moment des kritischen Gegensatzes von Sein und Sollen. Somit ist die Erkenntnis dieses Gegensatzes notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung der autonomen Zweckbestimmung. Schließlich gilt es zugleich, diesen notwendigen Gegensatz wieder aufzuheben und zwischen beiden Bestimmungen des Ichs zu vermitteln, um nicht bei einem zerrissenen Ich stehen zu bleiben, was gerade jede freie Selbstbestimmung verunmöglichen würde. Diese Vermittlung setzt ein Denken voraus, was soweit mit Kant vereinbar ist: „Allein wenn reine Vernunft für sich praktisch sein kann und es wirklich ist, wie das Bewußtsein des moralischen Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 5. Kant, Kritik der Urteilskraft, B XXVIII. 175 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, A 427. 176 Kant, KrV, B 575. 177 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, A 394. 173 174 47 Gesetzes es ausweiset, so ist es doch immer nur eine und dieselbe Vernunft, die, es sei in theoretischer oder praktischer Absicht, nach Prinzipien a priori urteilt.“178 11. BILDUNG ALS SYNTHESE VON PHAENOMENA UND NOUMENA Ausgehend von einer Vernunft muss es ein und dasselbe Denken sein, das den Erkenntnisgrund sowohl des Dings an sich wie auch des tätigen intellektuellen Ichs bildet. Die Gegenstände haben einen vom Ich unabhängigen Existenzgrund und sind diesem nur als Erscheinungen zugänglich. Deshalb muss es einen Bezug zwischen intellektuellem Ich und der Erscheinungswelt geben, beide müssen mithin vereinigt werden. „Wenn die kritische Philosophie das Verhältnis […] so versteht, daß wir die Gedanken zwischen uns und zwischen die Sachen als Mitte stellen in dem Sinne, daß diese Mitte uns von den Sachen vielmehr abschließt, statt uns mit denselben zusammenzuschließen, so ist dieser Ansicht die einfache Bemerkung entgegenzusetzen, daß eben diese Sachen, die jenseits unser und jenseits der sich auf sie beziehenden Gedanken auf dem anderen Extreme stehen sollen, selbst Gedankendinge, und als ganz unbestimmte, nur Ein Gedankending, - das sogenannte Ding-an-sich der leeren Abstraktion selbst sind.“ 179 Das bedeutet, dass sowohl das Ding an sich als auch das Ich an sich – wenn man es so nennen will - gleichermaßen innere Bestimmungen sind. Als transzendentales Objekt ist das Ding an sich negativ als ein der Erscheinung Zugrundeliegendes bestimmt, also durch die Erscheinung vermittelt. Damit dem in analoger Weise bestimmten Ich ein Unterschied zum Ding an sich zukommt, muss es sich in seiner Selbsttätigkeit von diesem besondern, d.h. sich partikulare Zwecke setzen und sie verwirklichen. Dies ist nur im Reich der Erscheinungen möglich, weil das intelligible Ich als Vernunftprodukt ein formal Allgemeines ist. Ding an sich und Ich sind damit in der phänomenalen Welt vermittelt, weshalb für Hegel die Dinge nicht nur für das Ich, sondern an sich bloße Erscheinungen [sind] und „die eigene Bestimmung der hiermit endlichen Dinge [ist], den Grund ihres Seins nicht in sich selbst […] zu haben.“180 Durch die prozessuale Aufhebung der Differenz von Phaenomena und Noumena rückt Hegel das Ding an sich von einer dem Erkennen jenseitigen Welt in eine monistische Welt des Bewusstseins und wird als ein vom Subjekt unterschiedenes Sein begriffen, das gewusst werden kann. „Ob es nun schon als ein sehr wichtiges Resultat der Kantischen Philosophie anzuerkennen ist, daß dieselbe die Endlichkeit der bloß auf Erfahrung beruhenden Verstandeserkenntnis geltend gemacht und den Inhalt derselben als Erscheinung bezeichnet hat, so ist doch bei diesem negativen Resultat nicht Kant, KpV, A 218. Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 15. 180 Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, § 45 (Zusatz). 178 179 48 stehenzubleiben und die Unbedingtheit der Vernunft nicht bloß auf die abstrakte, den Unterschied ausschließende Identität mit sich zu reduzieren. Indem die Vernunft auf solche Weise bloß als das Hinausschreiten über das Endliche und Bedingte der Verstandes betrachtet wird, so wird dieselbe hiermit in der Tat selbst zu einem Endlichen und Bedingten herabgesetzt, denn das wahrhaft Unendliche ist nicht ein bloßes Jenseits des Endlichen, sondern es enthält dasselbe als aufgehoben in sich selbst.“181 In der Konsequenz ist vernünftiges Denken, verstanden als Begriffsgenese, immer auf ein Sein bezogen, das nicht im Subjekt aufgeht, sondern auch eine diesem äußerliche Realität ausmacht. Dieser Seinsbegriff geht über den Existenzbegriff Kants hinaus, was bei Hegel konsequenterweise auch Auswirkungen auf den Erfahrungsbegriff hat. Erfahrung ist nunmehr kein kanalisiertes Verfassen empirischer Gegenstände, sondern Bewusstseinserfahrung überhaupt, in die neben der Wissenschaft auch ästhetische und religiöse Erfahrung sowie die des eigenen Selbst (als ein Seiendes) fällt. Dass auch Kant uns, beispielsweise in der Kritik der Urteilskraft (1795), andere Weltzugänge als die reglementierte Naturerkenntnis zugesteht, soll keineswegs bestritten werden. Schließlich gehen die Erfahrungsmöglichkeiten jenes kontinuierlichen Bewusstseins, das von Adorno als Bedingung von Bildung angeführt wurde, über die Wissenschaft als nur eine Objektivation des Geistes hinaus. Eine Vorstellung, die gänzlich Wilhelm von Humboldts Bestimmung von Bildung „als die Verknüpfung unseres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung“ entspricht, die für den Menschen a priori nichts zum Zwecke hat außer „vor sich selbst verständlich [zu werden] und soviel Welt, als möglich zu ergreifen, und so eng, als er nur kann, mit sich zu verbinden“ und „dem Begriff der Menschheit in unsrer Person [...] einen so großen Inhalt, als möglich, zu verschaffen […].“182 Das Motiv dieser regen Wechselwirkung ist Kants Werk zuallererst immanent und kann gegen dessen Auslegung als eine Forderung nach einer entzaubernden Zweckrationalität angeführt werden. „Die philosophische Bildungsidee auf ihrer Höhe wollte natürliches Dasein bewahrend formen. Sie hatte beides gemeint, Bändigung der animalischen Menschen durch ihre Anpassung aneinander und Rettung des Natürlichen im Widerstand gegen den Druck der hinfälligen, von Menschen gemachten Ordnung.“183 Die von Kant proklamierte Selbsttätigkeit des Verstandes ist gerade mit Blick auf den Imperativ der moralischen Willensbestimmung nicht mit der durch die Kulturindustrie implementierten Entmündigung der Subjekte vereinbar. Ebenso wenig kann sie als ein historischer Vorstoß zur unbegrenzten Naturaneignung verstanden Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, § 45 (Zusatz). Humboldt, Theorie der Bildung des Menschen, 283. 183 Adorno, Theorie der Halbbildung, 95. 181 182 49 werden. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass das Spannungsverhältnis von Anpassung und Widerstand, in dem Bildung sich zu realisieren hat, nicht in der Kantischen Antinomie von Freiheit und Natur aufgeht. Alle bisher identifizierten Widerstände gegenüber der Bildung und damit auch der Philosophie sind auf gesellschaftliche Bedingungen zurückzuführen, die – als von Menschen gemachte – eine gänzlich andere Form der Heteronomie darstellen als die Natur. Die Möglichkeit der von Humboldt geforderten freien Wechselwirkung mit der Welt ist insofern maßgeblich daran geknüpft, wie die Welt eingerichtet ist - ein Moment, das Humboldt, Hegel und – wie sich zeigen wird – auch Kant allesamt gesehen haben, auch wenn ihre Philosophien und Bildungskonzeptionen oftmals in einer verkürzten Weise rezipiert werden, die sie auf eine realitätsferne und traumtänzerische Bewusstseinsimmanenz reduziert. IV. OBJEKTIVE UNFREIHEIT UND SUBJEKTIVE BILDUNG 1. BILDUNG ALS PROZESS DER BESONDERUNG Hegel geht einen wichtigen Schritt, wenn er den Freiheitsbegriff auf eine objektive Realität (das Sein) bezieht und spezifische gesellschaftliche Bedingungen zur Voraussetzung seiner Realisierung macht. So liegt der erste Grund der Wechselwirkung zwischen Ich und Sein nicht in einem rein intelligiblen Ich. Zwar begrüßt Hegel den Kantischen Ansatz, „auf das Benehmen des Erkennens zu achten“ und so „das subjektive Tun als wesentliches Moment der objektiven Wahrheit“184 zu erfassen, aber das Ich bildet nicht den Ausgangspunkt dieser Wahrheit. Das Setzen des Subjekts als Anfang richtet sich gegen dogmatisches Philosophieren, das einen beliebigen Inhalt fraglos voraussetzt, und fasst diesen stattdessen als durch vernünftige Denkstrukturen vermittelt auf. Kant komme damit aber nicht über die historische Alternative zum Dogmatismus, den Skeptizismus, hinaus, da „auch die Kantische Objektivität des Denkens insofern selbst nur wieder subjektiv [ist], als nach Kant die Gedanken, obschon allgemeine und notwendige Bestimmungen, doch nur unsere Gedanken und von dem, was das Ding an sich ist, durch eine unübersteigbare Kluft unterschieden sind.“185 Weil das Ding an sich einen negativen Verstandesbegriff darstellt, ist das denkende Ich entgegen Kants eigener Intention keine unmittelbare Instanz, sondern durch Reflexion vermittelt. Eine Reflexion, die zwar als „reine Selbsttätigkeit“ anzusehen ist, aber doch von der Erscheinungswelt 184 185 Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 52. Hegel, Enzyklopädie I, § 41 (Zusatz 2). 50 anhebt. Damit ein allgemeines Ich der Anfang der Philosophie sein kann, bedürfte es nach Hegel einer Abstraktion vom empirischen Ich als die „einfache Gewißheit seiner selbst“.186 So sei gerade das empirische Ich als „das Bewußtsein seiner als unendlich mannigfaltiger Welt“187 unmittelbar sich bewusst und es müsste zunächst von sich selbst gereinigt werden und als abstraktes Ich in sein Bewusstsein treten, womit „gerade der Vorteil verloren [gehe], der aus diesem Anfange der Philosophie entspringen soll, daß er nämlich etwas schlechthin Bekanntes sei, was jeder unmittelbar in sich finde, und daran die weitere Reflexion anknüpfen könne.“188 Das Ich ist bei Hegel nicht als rein intelligible Instanz zu denken, da es als ein freies überhaupt nicht an sich verbleiben kann, sondern sich durch partikulare Zwecksetzung auf der Erscheinungsebene besondert und erst durch diese hindurch vermittelt das An-sichsein begreift, das es in seiner Reinheit nicht sein kann und dieses nunmehr zu seiner bloß formellen Bestimmung wird. Sofern das Ding an sich als Seiendes bestimmt wurde, ist es „das durch die aufgehobene Vermittlung vorhandene, wesentliche Unmittelbare.“189 Es handelt sich gleichsam um das reine Sein, das in seiner inhaltlichen Bestimmungslosigkeit nicht vom Nichts zu unterscheiden ist und damit auch das besondere Ich in der Indifferenz zergehen lässt. Dass dieses reine Sein nur als eine negative Reflexionsbestimmung im Sinne Kants zu begreifen ist, macht deutlich, dass es Resultat einer Reflexionstätigkeit ist und insofern ein Subjekt vorausgesetzt werden muss, durch dessen Tätigkeit die gleichgültigen Bestimmungen des reinen Seins negiert werden, so dass das reine Sein nicht dem reinen Nichts gleichzusetzen ist, sondern einem „Nichts, von dem etwas ausgehen soll.“190 Die lebendige Substanz, das Sein als Subjekt191, ist folglich ebenso „das Übergehen aus unterschiedsloser Unbestimmtheit zur Unterscheidung, Bestimmen und Setzen einer Bestimmtheit als eines Inhalts und Gegenstands. […] Durch dies Setzen seiner selbst als eines bestimmten tritt Ich in das Dasein überhaupt; - das absolute Moment der Endlichkeit oder Besonderung des Ich.“192 Dies hat drastische Konsequenzen für den Begriff der Freiheit, da sich diese nunmehr nicht als bloßes Noumenon im negativen Verstande denken lässt. Stattdessen nimmt das Ich gerade in seiner freien Tätigkeit der Besonderung heteronome Bestimmungen in sich auf. Wenngleich auch Hegel im Willen dasjenige sieht, was am Menschen frei ist, kritisiert er die Kantische Vorstellung, dass ausschließlich ein Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 61. Ebd. 188 Ebd. 189 Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 106. 190 A.a.O., 58. 191 Hegel, Phänomenologie des Geistes, 14. 192 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 6. 186 187 51 guter, vernunftbestimmter Wille frei sei. Für ihn macht vielmehr Freiheit die „Substanz und Bestimmung“193 des Willens überhaupt aus. So ist die „schrankenlose Unendlichkeit der absoluten Abstraktion oder Allgemeinheit“194 zwar ein wesentliches, doch aber nur ein Moment des freien Willens, das zugleich „das absolute Moment der Endlichkeit oder Besonderung des Ich“195 sei. Dieses Ich ist bei Hegel das Subjekt, das als in sich reflektierter Wille die Freiheit seiner Willensbestimmung als unterschieden vom Dasein der Freiheit in einer äußerlichen Sache weiß.196 Diese Unterscheidung und Besonderung bedeutet nicht, wie bei Kant, eine vollständige Unabhängigkeit von äußeren Faktoren. Stattdessen nimmt Hegel zur Kenntnis, dass Freiheit sich nicht in einer Abstraktion von allen Äußerlichkeiten erschöpft, sondern vielmehr ein selbstbestimmtes Verhältnis zu den äußeren Begebenheiten einschließt, was gerade eine Auseinandersetzung mit ihnen voraussetzt. Insofern schließt der freie Wille autonome und heteronome Bestimmungen gleichermaßen ein und er bleibt ob der letzteren dennoch frei, weil er beide Bestimmungen als die seinigen gesetzt hat. Diese Auffassung verspricht potentiell die Lösung zweier Probleme, die Kants Freiheitskonzeption inhärent sind. Erstens die Ineinssetzung von moralischem und freiem Handeln, die impliziert, dass unmoralisches Handeln per se unfrei ist197, was bedeutete, dass das Subjekt für unmoralisches Handeln auch nicht verantwortlich gemacht werden kann. Zweitens, dass Kants reiner guter Wille ein intelligibler Gegenstand ist, der gerade darum zu einer unbedingten Pflicht erhoben werden kann. Der gute Wille ist damit der Innerlichkeit des Subjekts vorbehalten und kann gerade dem Kantischen Verständnis zufolge nicht bewiesen werden. Hegel erkennt dagegen die Handlung als tätliche Äußerung der Freiheit an und unterstellt schon damit, dass auch ein empirisch bestimmter Wille frei sein kann, sofern dessen Gegenstand von ihm „selbst gewußt und gewollt“198 ist. 2. BILDUNG ALS GESELLSCHAFTLICHE ANPASSUNG Aus der Bezogenheit des Subjekts auf heteronome Bestimmungen folgt für Hegel nicht, dass Freiheit mit bloßer Willkür im Sinne Kants gleichzusetzen wäre. Zwar ist das Subjekt in diesem Verhältnis nur ein Moment einer objektiven Realität, aber diese Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 4. A.a.O., § 5. 195 A.a.O., § 6. 196 Vgl. Hegel, Enzyklopädie III, § 503. 197 In seiner Schrift Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft unternimmt Kant seinerseits einen Versuch, dieses Problem zu lösen. Wegen des begrenzten Umfangs dieser Arbeit kann er hier aber nicht verhandelt werden. 198 Hegel, Enzyklopädie III, § 503. 193 194 52 bildet auch das Material, welches die Subjekte gestalten und im Zuge dessen sich bilden. Die „auf die Triebe sich beziehende Reflexion bringt, als sie vorstellend, berechnend, sie untereinander und dann mit ihren Mitteln, Folgen usf. und mit einem Ganzen der Befriedigung – der Glückseligkeit – vergleichend, die formelle Allgemeinheit an diesen Stoff, und reiniget denselben auf diese äußerliche Weise von seiner Rohheit und Barbarei. Dies Hervortreiben der Allgemeinheit des Denkens ist der absolute Wert der Bildung […].“199 Im Prozess der Bildung hat sich nach Hegel also die Allgemeinheit, die zunächst den Anfang bildete, ihrerseits als Resultat zu erweisen. Jenes „Ganze der Befriedigung“ erfordert ein gesellschaftliches System, in dem der Widerspruch zwischen subjektiven Bedürfnissen und der dazu erforderlichen arbeitsteiligen Organisation der Allgemeinheit aufgehoben wird. Die Realisation der Freiheit, die nunmehr als ein Prozess zu verstehen ist, kann bei Hegel nicht isoliert von der Einrichtung der Gesellschaft gedacht werden. „Daß der Wille frei und was Wille und Freiheit ist – die Deduktion hiervon kann, wie schon bemerkt ist […] allein im Zusammenhang des Ganzen stattfinden.“200 Insofern stellt Freiheit immer auch das Resultat einer historischen Entwicklung dar, mit der die Begriffsgenese der Freiheit inwendig verschränkt ist und insofern ein Moment der Unabhängigkeit gegenüber der Denktätigkeit des Subjekts aufweist. „Das bewegende Prinzip des Begriffs, als die Besonderungen des Allgemeinen nicht nur auflösend, sondern auch hervorbringend, heiße ich die Dialektik. […] Diese Dialektik ist dann nicht äußeres Tun eines subjektiven Denkens, sondern die eigene Seele des Inhalts, die organisch ihre Zweige und Früchte hervortreibt. Dieser Entwickelung der Idee als eigener Tätigkeit ihrer Vernunft sieht das Denken als subjektives, ohne seinerseits eine Zutat hinzuzufügen, nur zu.“201 In diesem Entwicklungsprozess spezifiziere sich der freie Wille in drei Stufen, in denen ihm je eine andere Erscheinungsform zukomme: zunächst als Person, dann als Subjekt, letztlich als Mensch. Hierbei wird eine Stufe nicht schlicht von der ihr folgenden abgelöst, sondern jene bleibt als aufgehoben in dieser enthalten. Damit beansprucht Hegel, die Freiheit als etwas historisch Gewordenes darzustellen. Zwar realisiert sich der freie Wille, wie bei Kant, in der Moralität des Einzelnen, geht in dieser aber nicht auf. Vielmehr ist sie historisch erst mit der bürgerlichen Gesellschaft aufgekommen202, die den Subjekten erstmals als rechtlich Gleiche gestatteten, sich parti- Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 20. A.a.O., § 4. 201 A.a.O., § 32. 202 Es muss bemerkt werden, dass in den in dieser Arbeit zitierten Werken, nämlich der Enzyklopädie III und den Grundlinien der Philosophie des Rechts, der begriffliche Zusammenhang von Recht, Morali199 200 53 kulare Zwecke zu setzen, auf diese Weise sich zu besondern und vermittelst dieser Besonderung in die Allgemeinheit als eine Form sittlicher Einheit zurückzukehren. „Die konkrete Person, welche sich als besondere Zweck ist, als ein Ganzes von Bedürfnissen und eine Vermischung von Naturnotwendigkeit und Willkür, ist das eine Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft, - aber die besondere Person als wesentlich in Beziehung auf andere solche Besonderheit, so daß jede durch die andere und zugleich schlechthin nur als durch die Form der Allgemeinheit, das andere Prinzip, vermittelt sich geltend macht und befriedigt.“ 203 Erst unter diesen bürgerlichen Bedingungen war die in die Dialektik von Freiheit und Unfreiheit fallende Bildung als der Prozess möglich, „die Einzelnheit und Natürlichkeit [der Idee; S.S:] durch die Naturnotwendigkeit ebenso als durch die Willkür der Bedürfnisse zur formellen Freiheit und formellen Allgemeinheit des Wissens und Wollens zu erheben, die Subjektivität in ihrer Besonderheit zu bilden.“204 Bildung ist für Hegel darum mit Befreiung konnotiert. Befreiung als ein Fortschreiten zu der „nicht mehr unmittelbaren, natürlichen, sondern geistigen, ebenso zur Gestalt der Allgemeinheit erhobenen unendlich subjektiven Substantialität der Sittlichkeit. Diese Befreiung ist im Subjekt die harte Arbeit gegen die bloße Subjektivität des Benehmens […], die einen Teil der Ungunst aus[macht], der auf sie fällt.“205 Hiermit rekurriert Hegel auf das widersprüchliche Verhältnis von Sittlichkeit und Wirklichkeit, das für Kants Moralitätsbegriff konstitutiv ist, von Hegel aber als in der Idee aufhebbar befunden wird. Hegel zufolge verhält das Denken sich nicht gegenüber einem äußerlichen Sein, sondern ist selbst das Sein, mehr noch, das „Ansichsein des Gegenständlichen überhaupt.“206 Der Anfang bildet damit einen Übergang von Sein und Nichts in das Werden und hebt darin den Widerspruch von Vermittlung und Unmittelbarkeit auf. Bildung ist aus diesem Grund sowohl auf individueller als auch auf geistesgeschichtlicher Ebene als ein Prozess zu denken, eben als sich bildende Vernunft oder als jene produktive Einheit der Philosophiegeschichte, von der Adorno spricht. „Die lebendige Substanz ist ferner das Sein, welches in Wahrheit Subjekt, oder was dasselbe heißt, welches in Wahrheit wirklich ist, nur insofern sie die Bewegung des sich selbst Setzens, oder die Vermittlung des sich anders Werdens mit sich selbst ist. Sie ist als Subjekt die reine einfache Negativität, ebendadurch die Entzweiung des Einfachen, oder die entgegensetzende Verdopplung, welche wieder die Negation dieser gleichgültigen Verschiedenheit und ihres Gegenstandes ist; nur diese sich wiederherstellende Gleichheit oder die Reflexion im Anderssein in sich selbst – nicht eine ursprüngliche Einheit als solche, oder unmittelbare als solche, ist das Wahre. Es ist das Werden seiner selbst, der tät und Sittlichkeit zur Darstellung kommt. Die historische Genese des freien Willens wird hingegen in der Phänomenologie des Geistes behandelt, die hier nicht Gegenstand der Untersuchung ist. 203 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 182. 204 A.a.O., § 187. 205 Ebd. 206 Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, § 41 (Zusatz II). 54 Kreis, der sein Ende als seinen Zweck voraussetzt und zum Anfange hat, und nur durch die Ausführung und sein Ende wirklich ist.“ 207 Dieses Ende ist Anlass für Adornos Hegel Kritik. Zunächst ist die dialektische Bestimmung des Bildungsbegriffs konstitutiv für Adornos Theorie der Halbbildung. Die Bestimmung des Begriffs als eine nicht bloß intellektuelle, sondern auf eine objektive Realität bezogene Entität, die sich mit jener Realität verändert, wird von Adorno auf die Bildung bezogen. Zwar analysiert er hauptsächlich die subjektiven Symptome, in denen Halbbildung sich artikuliert, allerdings spricht er vom Verfall der Bildung in die Halbbildung als einem objektiv-determinierten Prozess, der aus gesellschaftlichen Bedingungen hervorgegangen ist. Die Bewegung des objektiven Geistes vollzieht sich nach Adorno ins Negative. „Sie [die Idee der Bildung] ist in sich antinomischen Wesens. Sie hat als ihre Bedingung Autonomie und Freiheit, verweist jedoch zugleich, bis heute, auf Strukturen einer dem je Einzelnen gegenüber vorgegebenen, in gewissem Sinn heteronomen und darum hinfälligen Ordnung, an der allein er sich zu bilden vermag. Daher gibt es in dem Augenblick, in dem es Bildung gibt, sie eigentlich schon nicht mehr. In ihrem Ursprung ist ihr Verfall teleologisch bereits gesetzt.“208 Grund dafür ist seine affirmative Lesart der Hegelschen Bildungslehre, die sich affirmativ auf die in sich widersprüchliche bürgerliche Gesellschaftsform bezieht. Widersprüche, die auch schon Hegel zur Kenntnis nimmt209, die aber erst durch Marx‘ Kapitalkritik in einem Umfang begriffen werden, dass sie jene die Halbbildung bedingenden Prozesse zu erklären vermögen. Bedenkt man zudem, dass auch bei Hegel das tätige Subjekt notwendige Bedingung für das objektive Denken ist, muss man die Frage, ob Hegels Begriff der bürgerlichen Gesellschaft mit der Kapitalgesellschaft identisch ist, auf eine weitere Diskussion verschieben. 3. DER ANSPRUCH KATEGORISCHER BILDUNGSKRITIK BEI KANT Kant scheint im Gegensatz zu Hegel seinen Freiheitsbegriff als unhistorischen verstanden wissen zu wollen. Dies allerdings kann für einen kritischen Moralitätsbegriff auch als notwendig erachtet werden, da ein solcher überhaupt nur auf Grundlage einer kritischen Differenz von Sein und Sollen formuliert werden kann. „Denn hier ist es um den Kanon der Vernunft (im Praktischen) zu tun, wo der Wert der Praxis gänzlich auf ihrer Angemessenheit zu der ihr untergelegten Theorie beruht und alles verloren ist, wenn die empirischen, und daher zufälligen Bedingungen der Ausführung des Gesetzes zu Bedingungen des Gesetzes selbst gemacht, und so eine Praxis, welche auf einen nach bisheriger Erfahrung Hegel, Phänomenologie des Geistes, 14. Adorno, Theorie der Halbbildung, 104. 209 Vgl. Enzyklopädie III, § 510. 207 208 55 wahrscheinlichen Ausgang berechnet ist, die für sich selbst bestehende Theorie zu meistern berechtigt ist.“210 Kant ist es explizit um die Begründung eines apodiktischen moralischen Gesetzes zu tun, das nur sein kann, wenn es nicht an kontextuelle Bedingungen geknüpft ist. Koppelte man die moralische Gebotenheit einer Handlung an gesellschaftsspezifische Zwecke, dann ergäben sich aus diesen Zwecken zwar Imperative, die aber als bedingte „nicht den Willen schlechthin als Willen, sondern nur in Ansehung einer begehrten Wirkung bestimmen, d.i. hypothetische Imperativen sind […].“211 Zur moralischen Gesetzgebung – im Sinne eines Sollens, nicht eines Müssens – „wird erfordert, dass sie bloß sich selbst vorauszusetzen bedürfe, weil die Regel nur alsdenn objektiv und allgemein gültig ist, wenn sie ohne zufällige, subjektive Bedingungen gilt, die ein vernünftig Wesen von den anderen unterscheiden.“212 Der anderenfalls resultierende moralische Relativismus wäre schwerlich in der Lage, ein objektives Urteil darüber zu fällen, ob die Maxime eines Willens moralisch richtig oder falsch ist. Dieser Anspruch ist auch für eine gesellschaftskritische Pädagogik unverzichtbar, deren Kritik politisch nur brauchbar ist, wenn sie theoretisch konsequent bleibt. „Methodisch geht diese Kritik zunächst immanent vor, indem sie sich auf eine gesellschaftliche Praxis bezieht, die im Widerspruch zu den normativen Grundlagen steht, mit denen sie sich legitimiert und aus denen zugleich die Kritik ihre logische wie moralische Berechtigung zieht. Eine solche Form der Kritik kann nur dann plausibel sein, wenn sie auf eine vernünftig begründete Möglichkeit des Andersseins verweisen kann. Diesen für die Kritische Theorie entscheidenden Aspekt betont Horkheimer mit dem Hinweis, die Kritische Theorie kenne nur eine Wahrheit. Dieser Wahrheitsanspruch mag apodiktisch erscheinen, ist aber konsequent, sobald eine Theorie aus dem vernünftigen Interesse der Gattung materiale Wertentscheidungen ableitet und sie zur Grundlage ihrer Kritik erklärt.“213 Gerade die materiale Bestimmung von Kants Moralphilosophie erweist sich, in der Hegelschen Interpretation, als problematisch. Denn wenn in einem Gesetz von allen hypothetischen Inhalten abstrahiert wird, bleibt letztlich nichts als ein sich selbst wollender guter Wille übrig, der keine konkrete Handlungsanweisung zu geben vermag. Dieser scheinbar nichts wollende Wille wäre damit Ausdruck des im Hegelschen Sinne rein intelligiblen Ichs. Kant bestätigt diesen Verdacht in der Kritik der praktischen Vernunft, in der er das moralische Gesetz nicht als inhaltliche Vorschrift, sondern als ein Prüfverfahren darauf formuliert, ob sich die Form einer Maxime zu allgemeinen Gesetzgebung schicke. So lautet die Formulierung des Kategorischen Imperativs in der Kritik der praktischen Vernunft: „Handle so, daß die Maxime deines Willens Kant, Über den Gemeinspruch, A 206. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 1. 212 Ebd. 213 Dammer, Brauchen wir noch einer „kritische Erziehungswissenschaft“?, 8. 210 211 56 jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“214 Mangels inhaltlicher Füllung, zu der eine Maxime in Widerspruch geraten kann, kann das moralische Gesetz in dieser Version tendenziell alle Handlungen moralisch legitimieren, auch die Instrumentalisierung der Subjekte für ökonomische Zwecke. 4. GESELLSCHAFTSTHEORETISCHE BILDUNGSKRITIK MIT KANT Wenngleich die moralische Gebotenheit von Eigentum rein formal nicht zu beweisen ist, kann Kant doch nicht vorgeworfen werden, in der Herleitung seines moralischen Gesetzes gänzlich von allen materialen Bestimmungen zu abstrahieren. Schließlich bestimmt er den Menschen als vernünftiges, aber endliches Wesen, dessen Bedürfnis nach Glück ein notwendiges Verlangen sei.215 Das, was Glück für den Einzelnen bedeutet, kann auch Kant zufolge nicht allgemein bestimmt werden, sondern ist immerzu subjektiv und hängt von kontingenten Bedingungen ab. Kontingent, weil der Mensch als endliches, d.h. empirisches Sinnenwesen in seinem Begehren durch materielle Objekte affiziert wird, weshalb nicht etwa eine Verstandeseinsicht, sondern ein Gefühl und dessen Intensität entscheidend darüber ist, was ihm Annehmlichkeit bereitet. Gleichwohl ist Glück durch den Verstand vermittelt und besteht nicht in einem bloßen Empfinden eines einzelnen, situativen Genusses. Durch Verstandesleistungen ist das Subjekt in der Lage, „Lust aus der Vorstellung der Existenz einer Sache“216 zu gewinnen, so dass das Glücksbegehren zwar weiterhin von materiellen Bedingungen abhängig bleibt, zugleich aber eine Vorstellung anstatt eines Gegenstands darstellt. Kants Bestimmung der Glückseligkeit als „Bewusstsein von der Annehmlichkeit des Lebens“217 ist insofern nicht als eine solipsistische Verklärung des Glücks misszudeuten, sondern als Hinweis, dass Glück nicht in einem akuten Zufriedenheitsgefühl besteht, sondern durch das Denken vermittelt ist und nur so überhaupt zum Zweck gesetzt werden kann. Das Begehren der eigenen Glückseligkeit ist für Kant, obwohl heteronom bestimmt, per se noch nicht unmoralisch. Vielmehr hat man, als allgemein-zweckmäßig handelndes Subjekt, auch eine Verpflichtung gegenüber sich selbst, sein Leben in einer Weise zu gestalten, dass die Bedingungen erfüllt sind, zum Wohle der Allgemeinheit handeln zu können. Keineswegs also impliziert die subjektive Vernunftbestimmung eine Forderung der Instrumentalisierung seiner selbst für heteronome Zwecke. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 7. Vgl. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 3, Anmerkung II. 216 A.a.O., § 2. 217 A.a.O., § 3, Lehrsatz II. 214 215 57 „Seine eigene Glückseligkeit sichern, ist Pflicht (wenigstens indirekt); denn Mangel der Zufriedenheit mit seinem Zustande in einem Gedränge von vielen Sorgen und mitten unter unbefriedigten Bedürfnissen könnte leicht eine große Versuchung zu Übertretung der Pflichten werden.“218 Kant verweist also explizit darauf, dass Moralität auch das Streben nach dem eigenen Glück sowie dessen Verwirklichung einschließt, die demjenigen entspricht, was Hegel als Besonderung des Subjekts bezeichnet. Für ihn hat das Subjekt das Recht, „daß die Besonderheit des Inhalts in der Handlung, der Materie nach, nicht eine ihm äußerliche sei, sondern die eigene Besonderheit des Subjekts, seine Bedürfnisse, Interessen und Zwecke enthalte, welche in einen Zweck gleichfalls zusammengefaßt, wie in der Glückseligkeit […], sein Wohl ausmachen.“219 Da die subjektiven Glücksbedürfnisse des Menschen bei Kant immer auf ein „Objekt der Materie“, auf einen empirischen Gegenstand bezogen sind, erfordert jene Verwirklichung spezifische materielle Voraussetzungen, um überhaupt vom Subjekt angestrebt werden zu können. Aus diesem Grund ist die moralische Willensbestimmung des intelligiblen Subjekts nur ein Moment eines dialektischen Verhältnisses von Vernunft- und Sinnenwelt. Gerade weil, wie Hegel gezeigt hat, die Freiheit des Verstandes dessen „Anwendung auf einen gegebenen Stoff“220 ist, kann das Scheitern des Prinzips der Selbstliebe nur dann demonstriert werden, wenn man materielle Vorstellungen bemüht. Das Prinzip der Selbstliebe ist bei Kant die Maxime, sich die eigene Glückseligkeit „zum höchsten Bestimmungsgründe der Willkür zu machen“221. Verfolgt ein jeder ausschließlich seine eigene Glückseligkeit, so führt dies notwendigerweise zu einem Kampf zwischen einander widerstreitenden, mithin inkommensurablen Interessen, von dem zu erwarten ist, dass er sich auf Grund von Machtverteilung entscheidet. Was bei Kant Resultat des Auseinanderfallens von Freiheit und Heteronomie ist, kann bei Hegel als Ausdruck von Freiheit überhaupt bestimmt werden. So befindet sich das Subjekt bei Kant in einem Spannungsverhältnis von der Möglichkeit einer freien Willensbestimmung und den unvernünftigen Bedingungen für das Handeln. Insofern also die freie Zweckverfolgung eines jeden möglich werden soll, gilt es, diese Bedingungen aus Freiheit heraus in einer Weise zu gestalten, dass „die Freiheit eines jeden mit der aller anderen zusammen bestehen kann.222 Für die Verwirklichung dieser Endabsicht, als den substantiellen Zweck jeder vorsätzlichen Handlung223, ist man auf ein menschKant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 16 f. Hegel, Enzyklopädie III, § 505. 220 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 10. 221 Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 3. 222 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 373. 223 Für die Unterscheidung von Vorsatz und Absicht vgl. Hegel, Enzyklopädie III, § 505. 218 219 58 liches Kollektiv verwiesen, das die Welt in einem arbeitsteilig organisierten, gesellschaftlichen Zusammenhang organisiert, innerhalb dessen der Einzelne niemals bloß als Mittel, sondern immer zugleich als Zweck behandelt wird. Dieses Kollektiv heißt Kant im emphatischen Sinne Idee der Menschheit, die gleichsam das Substrat des moralischen Gesetzes darstellt, dessen Mangel in der Hegel-Kritik beklagt wird. Diese Idee der Menschheit ist kein Begriff, dem ein empirisches Faktum korrespondiert, da hier der Mensch als ein intelligibles und insofern selbstzweckhaftes Wesen jenseits jeder heteronomen Bestimmung verstanden wird, dessen Potential einer vernünftigen Willensbestimmung ihn würdig mache, nicht zu einem Mittel für ihn äußerliche Zwecke instrumentalisiert zu werden. Diese Bestimmung des Menschen schließt alle Zufälligkeiten aus, keineswegs um den Menschen in seinen Besonderungen zu leugnen, sondern um niemanden auszuschließen und eine objektive Gleichheit zu bestimmen, die sich empirisch niemals finden ließe. Erst auf Grundlage einer Allgemeinheit kann auch eine notwendig gültige moralische Gleichheit, eben eine „allgemeine Gesetzgebung“ zur Gewährleistung einer vernünftigen Selbstbeschränkung der individuellen Willkür, begründet werden. Deshalb lautet der Kategorische Imperativ in der Variante der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785): „Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“224 Auch aus Kants Argumentation heraus ist also die Legitimität von Hegels Position zu entwickeln, dass Freiheit allein im Zusammenhange des Ganzen betrachtet werden kann und auf spezifische gesellschaftliche Bedingungen angewiesen ist, um verwirklicht zu werden. Dabei gilt es aber, das dialektische Spannungsverhältnis von Sittlichkeit und Glückseligkeit nicht aufzugeben. „Erstarrt das Kraftfeld, das Bildung hieß, zu fixierten Kategorien, sei es Geist oder Natur, Souveränität oder Anpassung, so gerät jede einzelne dieser isolierten Kategorien in Widerspruch zu dem von ihr Gemeinten und gibt sich her zur Ideologie, befördert die Rückbildung.“225 224 225 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 61. Adorno, Theorie der Halbbildung, 96. 59 V. FAZIT: EIN PLÄDOYER FÜR DIE PHILOSOPHIE 1. SCHLUSSBETRACHTUNG : WOZU NOCH PHILOSOPHIE? In Anbetracht der kritischen Intention dieser Arbeit darf sich die Schlussbetrachtung nicht darin erschöpfen, gleichsam schulphilosophische Resultate zu liefern. Sie muss stattdessen eine Forderung formulieren. Auch schulphilosophische Resultate sind zweifellos gewonnen worden, indem durch die diskursive Bestimmung des Kantischen Freiheitsbegriffs und dessen Herausforderung durch Hegels Kritik aufgezeigt wurde, dass Freiheit nicht allein in einem intelligiblen Selbst begründet ist, sondern darüber hinausgehend an eine vernünftige Einrichtung gesellschaftlicher Verhältnisse gebunden ist. Von dort ausgehend wurde anhand von Adornos Theorie der Halbbildung gezeigt, dass eine widerspruchsvoll eingerichtete Gesellschaft den individuellen wie allgemeinen Bildungsprozess boykottiert, der in der philosophischen Tradition als Prozess zur Verwirklichung der Freiheit bestimmt worden war. Diese Bestimmung war Resultat dessen, was Adorno als die produktive Einheit der Philosophiegeschichte bezeichnet und kulminierte im Bildungsbegriff des Deutschen Idealismus. Die Arbeit sollte vor diesem Hintergrund eine Kritik an den institutionellen wie ökonomischen Widerständen liefern, die heute der philosophischen Reflexion als ein wesentliches Moment von Bildung entgegen sind. Darum lag der Fokus weniger darauf, welche gesellschaftlichen Prozesse das philosophische Denken blockieren (ihre Erklärung erforderte eine Auseinandersetzung mit Marx‘ Kritik der politischen Ökonomie), sondern mehr darauf, in welcher Weise die sich verselbständigenden gesellschaftlichen Bedingungen das subjektive Denken psychologisch beeinträchtigen, dessen autonom bestimmte Beziehung für Kant wesentliche Voraussetzung für ein tätige Auseinandersetzung mit der Welt und für politische Mündigkeit ist. In diesem Zusammenhang hatte es eine zweifache Funktion, die Diskussion von Kant und Hegel aus zu führen. Zum einen sind ihre Werke als gesellschaftlich vermittelte Auseinandersetzungen mit einer spezifischen historischen Situation von eminenter Bedeutung, da sie uns helfen, unsere Denk- und Lebensbedingungen von ihren eigenen Voraussetzungen her zu begreifen. Ungeachtet dessen also, ob man die Halbbildung in Hegels Bildungsbegriff angelegt sieht oder nicht, ist das Studium dieser historischen Werke von herausragender Wichtigkeit, um die heutigen gesellschaftlichen Bedingungen verstehen und sodann auch kritisieren zu können. Zum anderen entfalten Kant und Hegel ein avanciertes Kritikverständnis, das nicht von hypothetischen Definitionen, sondern von hinreichend bestimmten Begriffen ausgeht und aus 60 dem sich zuerst eine legitime Gesellschaftskritik formulieren lässt. So beseitigt Philosophie den Irrtum, Freiheit stelle sich allein durch Bildung im Sinne einer subjektiven Denktätigkeit dar. Eine solche undialektische Annahme konnte in der Diskussion als ideologisch identifiziert werden. Diese Abstraktion von den für Bildung erforderlichen Bedingungen reduziert Freiheit auf die noumenale Ebene und ignoriert mithin, dass materiale Voraussetzungen das Denken nicht nur ins Leere laufen lassen, sondern es darüber hinaus präformieren können, so dass philosophische Reflexionen weder in ihrer historischen noch in ihrer systematischen Relevanz verstanden werden. Wie anhand von Adornos Theorie der Halbbildung gezeigt wurde, führt die Ökonomisierung der Bildung und ihre Domestizierung durch die Kulturindustrie dazu, dass die philosophischen Werke wie Bildungsgüter überhaupt ihren Wahrheitsgehalt verlieren. Da die Auseinandersetzung mit ihnen mangels gesellschaftlicher Notwendigkeit entweder ganz ausbleibt oder aber sie nur in Form verkürzter und aus dem Kontext gerissener kulturindustrieller Produkte an die Subjekte herangetragen werden, gehen sie nur halbverstanden in das Bewusstsein ein und ihre sich aus dem Gesamtzusammenhang ergebende inhaltliche Verbindlichkeit geht verloren. Unter Umständen wird ihre aufklärerische Funktion gar verkehrt, weil ihr unbedingter Wahrheitsanspruch und ihre Forderung nach Selbstbestimmung nur noch als purer Zynismus zur Kenntnis genommen werden. Angesichts dieser gesellschaftlich determinierten Prozesse muss Adornos Eingangsfrage „Wozu noch Philosophie?“ ernst genommen werden. Da die Philosophie ihrem eigenen Begriffe nach keinen ökonomischen Zwecken dienen kann und soll, steht sie vor der Wahl, sich dem Diktat der gesellschaftlichen Zwänge zu beugen, oder aber „die gesellschaftliche und politische Realität und ihre Dynamik in sich [hineinzunehmen]“226. „Die ungeminderte Dauer von Leiden, Angst und Drohung nötigt den Gedanken, der sich nicht verwirklichen durfte, dazu, nicht sich wegzuwerfen. Nach dem versäumten Augenblick hätte er ohne Beschwichtigung zu erkennen, warum die Welt, die jetzt, hier das Paradies sein könnte, morgen zur Hölle werden kann. Solche Erkenntnis wäre ja wohl Philosophie. Sie abzuschaffen um einer Praxis willen, die zu dieser Stunde unweigerlich eben den Zustand verewigte, dessen Kritik Sache der Philosophie ist, wäre anachronistisch.“ Mit dieser Forderung nach einer philosophischen Gesellschaftskritik macht Adorno ein implizites Zugeständnis an Kant, dessen moralisches Gesetz durch sein Insistieren auf einen negativen Freiheitsbegriff die theoretische Voraussetzung auch von Adornos Kritik ist. Indem diese Bestimmung aufgenommen wird, zeigt sich, dass die 226 Adorno, Eingriffe, 24. 61 Halbbildung noch nicht so weit fortgeschritten ist, dass Kants Werke nur noch versteinerte Kulturgüter wären. 62 VI. ANHANG 1. LITERATURVERZEICHNIS Adorno, Theodor W. / Horkheimer, Max. Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente (1969). Frankfurt a.M.: Fischer, 2008. Adorno, Theodor W. Drei Studien zu Hegel (1957). Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1970. Adorno, Theodor W. Eingriffe. Neun kritische Modelle (1962). Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1963. Adorno, Theordor W. Erziehung zur Mündigkeit. Vorträge und Gespräche mit Helmut Becker 1959-1969. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1971. Adorno, Theodor W. Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben (1951). Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2012. Adorno, Theodor W. Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit (1966). In: Gesammelte Schriften, Bd. 6. Hrsg. von Rolf Tiedemann. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1973. Adorno, Theodor W. Theorie der Halbbildung (1959). In: Gesammelte Schriften, Bd. 8, Soziologische Schriften I. Hrsg. v. Rolf Tiedemann. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1972. 93-121. Dammer, Karl-Heinz. Brauchen wir noch eine „kritische Erziehungswissenschaft“? In: Pädagogische Korrespondenz 22 (2008): 5-27. Dzierzbicka, Agnieszka / Schirlbauer, Alfred (Hg.). Pädagogisches Glossar der Gegenwart. Von Autonomie bis Zertifizierung. Wien: Löcker, 2006. Gelhard, Andreas. Kritik der Kompetenz. Zürich: Diaphanes, 2011. Hegel, G.W.F. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I (1830). Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1986. Hegel, G.W.F. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III (1830). Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1986. Hegel, G.W.F. Grundlinien der Philosophie des Rechts (1820). Hamburg: Meiner, 1995. Hegel, G.W.F. Phänomenologie des Geistes (1807). Hamburg: Meiner, 1998. Hegel, G.W.F. Wissenschaft der Logik (1813). Erster Band: Die objektive Logik. Zweites Buch: Die Lehre vom Sein. Hamburg: Meiner, 1963. Hegel, G.W.F. Wissenschaft der Logik (1813). Erster Band: Die objektive Logik. Zweites Buch: Die Lehre vom Wesen. Hamburg: Meiner, 1963. 63 Horkheimer, Max. Traditionelle und Kritische Theorie (1937). In: Gesammelte Schriften, Bd. 4. Hrsg. v. A. Schmidt & G. Schmid Noerr. Frankfurt a.M.: Fischer, 1988. 162-225. Humboldt, Wilhelm von. Theorie der Bildung des Menschen (1793). In: Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schriften. Bd. 1. Hrsg. v. Albert Leitzmann. Berlin: Gruyter, 1968. 282-287. Hume, David. An Essay Concerning Human Understanding (1690). Volume One. London: Dent, 1961. Jaeschke, Walter. Hegel Handbuch. Leben-Werk-Schule. Stuttgart/Weimar: Metzler, 2010. Kant, Immanuel. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785). Hamburg: Meiner, 1965. Kant, Immanuel. Kritik der praktischen Vernunft (1788). Hamburg: Meiner, 2003. Kant, Immanuel. Kritik der reinen Vernunft (1781/87). Hamburg: Meiner, 1998. Kant, Immanuel. Kritik der Urteilskraft (1790). Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1996. Kant, Immanuel. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre. Metaphysik der Sitten. Erster Teil (1797). Hamburg: Meiner: 1986. Kant, Immanuel. Über den Gemeinspruch: Das mag zwar in der Theorie richtig sein, taugt aber nichts für die Praxis (1793). Hamburg: Meiner, 1992. Krautz, Jochen. Bildung als Anpassung? Das Kompetenz-Konzept im Kontext einer ökonomisierten Bildung. In: Fromm Forum 13, 2009. 87-100. Krautz, Jochen. Ware Bildung. Schule und Universität unter dem Diktat der Ökonomie. München: Diederichs, 2007. Liebsch, Burkhard. Spielarten der Verachtung. Sozialphilosophische Überlegungen zwischen Gleichgültigkeit und Hass. In: Über die Verachtung der Pädagogik. Analysen – Materialien – Perspektiven. Hrsg. v. Norbert Ricken. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2007. 43-77. Liessmann, Konrad Paul. Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft. Wien: Zsolnay, 2006. Münch, Richard. Die akademische Elite. Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2007. Ruschig, Ulrich. Metaphysik und Metaphysikkritik bei Kant. In: Metaphysik und Metaphysikkritik in der Klassischen Deutschen Philosophie. Hegel-Studien Beiheft 57. Hrsg. v. Myriam Gerhard u.a. Hamburg: Meiner, 2012. 41-59. Streichert, Till. Von der Freiheit und ihrer Verkehrung. Eine Studie zu Kant und den Bedingungen der Möglichkeit einer kritischen Theorie der Gesellschaft. Berlin/New York: de Gruyter, 2003. 64 2. ERKLÄRUNG Hiermit versichere ich, dass ich die Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Außerdem versichere ich, dass ich die allgemeinen Prinzipien wissenschaftlicher Arbeit und Veröffentlichung, wie sie in den Leitlinien guter wissenschaftlicher Praxis der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg festgelegt sind, befolgt habe. Oldenburg, den 01.05.2013