Wider die Verachtung der Philosophie

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M.A. Philosophie
MASTERARBEIT
Wider die Verachtung der
Philosophie
Überlegungen zum kritischen Potential des
Bildungsbegriffs in einer Gesellschaft der
Halbbildung
vorgelegt von:
Oldenburg, den 30.04.2013
Steffen Stolzenberger
Inhalt
I.
EINLEITUNG: DIE VERACHTUNG DER PHILOSOPHIE ................................................................. 4
1.
VON SUBJEKTIVEN GRÜNDEN UND OBJEKTIVEN URSACHEN DER VERACHTUNG .......... 4
2.
BILDUNG UND PHILOSOPHIE ALS GEGENSTÄNDE DER VERACHTUNG ............................. 7
II.
ZUM VERHÄLTNIS VON FREIHEIT UND BILDUNG ....................................................................... 9
1.
WOZU NOCH PHILOSOPHIE? – ÜBER EINE BERECHTIGTE FRAGE ..................................... 9
2.
FREIHEIT UND BEGRIFFSBILDUNG IN DER PHILOSOPHIE ................................................. 12
III.
SUBJEKTIVE FREIHEIT UND OBJEKTIVE BILDUNG ............................................................... 14
1.
DENKEN ALS SELBSTTÄTIGKEIT DES SUBJEKTS .................................................................. 14
2.
DIE DEGRADIERUNG DES SUBJEKTS ZUM OBJEKT ............................................................... 15
3.
ERFAHRUNG UND BEGRIFF: KONTINUITÄT DES BEWUSSTSEINS UND IHRE
DESTRUKTION ........................................................................................................................................ 16
A) DIE UNBEDINGTHEIT DES DENKENDEN ICHS .................................................................. 16
B) SYSTEMATISCHE TRENNUNG VON SUBJEKT UND GEGENSTAND ................................. 18
C)
HISTORISCHE ENTMÜNDIGUNG DES SUBJEKTS DURCH DIE KULTURINDUSTRIE .... 20
4.
FREIHEIT UND UNFREIHEIT DES VERSTANDES ................................................................... 25
5.
HALBBILDUNG ALS KOLLEKTIVER NARZISSMUS ................................................................. 29
6.
DIE HYBRIS DES DEUTSCHEN IDEALISMUS ........................................................................... 30
7.
DIE IMMANENZ DER SPONTANEN BEGRIFFSGENESE .......................................................... 33
8.
DAS ANTINOMISCHE WESEN DER FREIHEIT ......................................................................... 36
9.
DIE GRENZE DER THEORIE ....................................................................................................... 39
10.
DAS INTELLIGIBLE ICH UND SEINE PROZESSUALE AUFHEBUNG ................................. 40
11.
BILDUNG ALS SYNTHESE VON PHAENOMENA UND NOUMENA ................................... 47
IV.
OBJEKTIVE UNFREIHEIT UND SUBJEKTIVE BILDUNG ......................................................... 49
1.
BILDUNG ALS PROZESS DER BESONDERUNG ........................................................................ 49
2.
BILDUNG ALS GESELLSCHAFTLICHE ANPASSUNG ................................................................ 51
3.
DER ANSPRUCH KATEGORISCHER BILDUNGSKRITIK BEI KANT ...................................... 54
4.
V.
GESELLSCHAFTSTHEORETISCHE BILDUNGSKRITIK MIT KANT ........................................ 56
FAZIT: EIN PLÄDOYER FÜR DIE PHILOSOPHIE ......................................................................... 59
1.
VI.
SCHLUSSBETRACHTUNG : WOZU NOCH PHILOSOPHIE? ...................................................... 59
ANHANG ......................................................................................................................................... 62
1.
LITERATURVERZEICHNIS ........................................................................................................... 62
2.
ERKLÄRUNG .................................................................................................................................. 64
4
I. EINLEITUNG: DIE VERACHTUNG DER PHILOSOPHIE
1. VON SUBJEKTIVEN GRÜNDEN UND OBJEKTIVEN URSACHEN DER VERACHTUNG
Wider die Verachtung der Philosophie schreiben und zugleich Überlegungen zum
kritischen Potential des Bildungsbegriffs anstellen zu wollen, scheinen auf den ersten Blick zwei gänzlich verschiedene Projekte zu sein, die schon immanent dermaßen viele Probleme aufweisen, dass ihre Verknüpfung umso schwieriger wird. Zunächst muss begründet werden, inwieweit von der Philosophie als einem Objekt der
Verachtung zu sprechen ist. Bestimmt als Entzug jedes moralischen Stellenwerts,
wird Verachtung vornehmlich auf Personen bezogen.
Der Versuch, wider die Verachtung der Philosophie zu schreiben, wurde inspiriert
durch den Sammelband Über die Verachtung der Pädagogik (2007), in dem Burkhard
Liebsch in einem sozialphilosophischen Aufsatz das pädagogische Denken als Objekt
der Verachtung zu identifizieren versucht, obwohl er diese zuvor als ein intersubjektives Phänomen bestimmt hat. So geht er aus von einzelnen Pädagogen, deren Zurückbleiben hinter den eigenen (wissenschaftlichen) Ansprüchen ihre Verachtung
provoziere. Liebsch nennt als Beispiele die „mittelmäßigen“ und „langweiligen“ Typen von Pädagogen des 18. Jahrhunderts, die bei all ihrer persönlichen Mittelmäßigkeit sich nicht scheuten, „alle Werte und Normen der Zivilisierung, der Moralisierung und Kultivierung im Namen der Aufklärung als eines die ganze Menschheit
zum Fortschritt zwingenden Prozess im Munde [zu führen], um sie für sich als Berechtigung zur erzieherischer Gewalt von Berufswegen in Anspruch zu nehmen“1.
Diese Kenntnisnahme eines Missverhältnisses von Anspruch und Wirklichkeit, als
Ausdruck individueller Unauthentizität, werde sodann von den Pädagogen auf die
Institutionen projiziert, in denen jene wirken. So gilt die Verachtung „am Ende nicht
nur einer Schule (mit der man seine eigenen Erfahrungen gemacht hat), sondern der
Schule als Institution schlechthin und pädagogischen Institutionen im Allgemeinen
und pädagogischem Denken als solchem, insofern es überhaupt nicht versprechen
kann, jenes auf Dauer gestellte Missverhältnis zu beheben.“2 Dass Pädagogen heute
wie damals nicht vermögen, dasjenige wirklich werden zu lassen, was sie intendieren, mithin ihren eigenen Theorien nicht entsprechen, ist als berechtigte Diagnose
festzuhalten. Wegen dieses gruppenspezifischen oder gar individuellen Unvermögens aber die Daseinsberechtigung einer ganzen Wissenschaft in Frage zu stellen, ist
1
2
Liebsch, Spielarten der Verachtung, 71.
A.a.O., 72.
5
vollkommen verfehlt, da die Legitimität wissenschaftlicher Erkenntnisse, zumal sie
moralische Implikationen bergen, überhaupt nicht an subjektiven Einzelpersonen zu
messen ist, sondern an der Objektivität der jeweiligen Gedanken. Solche Vorbehalte
entsprechen dem eines halbgebildeten Geistes, der erstens nicht zwischen moralischen und empirischen Befunden zu differenzieren vermag und zweitens gänzlich
von den gesellschaftlichen Bedingungen abstrahiert, die erfolgreiches pädagogisches
Handeln unmöglich machen. Bei allem kritischen Unterton gegenüber der Verachtung der Pädagogik stimmt Liebsch in diesen unreflektierten Kanon ein, wenn er die
Verachtung des pädagogischen Denkens als eine verallgemeinerte Verachtung von
pädagogisch wirkenden Einzelpersonen erklären zu können beansprucht. Die Behauptung, dass die generalisierte Verachtung den ganzen Komplex Pädagogik der
moralischen Vernichtung preisgäbe und „auch für die Zukunft nichts anderes mehr
erwarten [ließe] als eine Wiederholung eben der Erfahrungen, die Grund zu ihr gegeben haben“, so dass die Verachtung letztlich „unvermeidlich zum Vorurteil und
Ressentiment“3 werde, verkehrt das Problem von einer Sach- zu einer Bedeutungsfrage. Indem die Gründe für die Verachtung einer wissenschaftlichen Disziplin in
bloßen Etikettierungseffekten verortet werden, verleugnet Liebsch gänzlich, dass es
sich bei einer Wissenschaft um eine auf Sachfragen gerichtete und insofern gesellschaftlich bestimmte Tätigkeit handelt. So kommt er letztlich dazu, Adornos Ausführungen über die Erziehung zur Mündigkeit aus ihren Kontext zu reißen und dessen
pädagogischen Ziele, die „Herstellung richtigen Bewußtseins“, die „Überwindung der
Entfremdung“ oder das „Beibringen von Erfahrung“ als Symptome der Verachtung
vor-adornitischer Pädagogik abzutun, die sich aus einer anmaßenden Geringschätzung der Subjekte speise und so eine maßlose Steigerung pädagogischer Ansprüche
konstruiere.4
Würde Liebsch zur Kenntnis nehmen, dass diese hehren Ziele als ein Imperativ gegen einen sich sedimentierenden negativen objektiven Geist formuliert werden, der
sich in sozialisierter Halbbildung manifestiert, müsste er zugestehen, dass Adorno
vielmehr die Grenzen der Pädagogik aufzuzeigen bestrebt ist, wenn es darum geht,
einer Bildungskrise beizukommen, die aus objektiven gesellschaftlichen Bewegungsgesetzen entspringt.5 Keineswegs aber möchte Adorno sich bloß über vorherige pädagogische Konzepte erheben oder ihnen vorwerfen, die genuinen Ziele der
Pädagogik nicht verwirklicht zu haben. Da es sich für Adorno bei der Halbbildung
um einen durch gesellschaftliche Bewegungsgesetze determinierten Prozess hanLiebsch, Spielarten der Verachtung, 72.
Vgl. ebd.
5 Vgl. Adorno, Theorie der Halbbildung, 93.
3
4
6
delt, ist diesem durch isolierte pädagogische Reformen gar nicht beizukommen. Aus
der Kritischen Theorie nahtlos eine Kritische Erziehungswissenschaft ableiten zu
wollen, wäre deshalb auch Ausdruck einer verkürzten Rezeption der Frankfurter
Schule. Für den historischen Versuch einer kritischen Erziehungswissenschaft stand
die Veränderung des Individuums im Vordergrund, was zur Folge hatte, „dass sie die
verändernde Kraft von Pädagogik innerhalb eines gesellschaftlich institutionalisierten Bildungswesens deutlich überschätzte.“6 Erziehungswissenschaft kommt darum
nicht ohne den politischen Anspruch aus, sich auf den gesellschaftlichen Kontext
pädagogischen Handelns zu beziehen und auf einer Veränderung der Bildungsverhältnisse zu beharren, da ihre Reformen ansonsten „in argloser Unbekümmertheit
gegenüber der Macht der außerpädagogischen Realität […], eher die Krise verstärken [könnten].“7
In dieser außerpädagogischen Realität verbirgt sich eine andere Begründung für die
Verachtung der Pädagogik. Da die Pädagogik zwar von gesellschaftlichen Prozessen
affiziert wird, keinesfalls aber über Mittel verfügt, diese Prozesse ihrerseits zu beeinflussen, wird das pädagogische Handeln in eine ohnmächtige Position versetzt,
weil sie an der Realität nichts zu ändern vermag. Dass sich diese Ohmacht in Ablehnung gegenüber einzelnen Pädagogen oder pädagogischen Institutionen artikuliert,
ist dann nur als eine pathologische Folge bei denjenigen anzusehen, die über den
Gesamtzusammenhang – eben auch in den Schulen und Universitäten - überhaupt
nicht mehr aufgeklärt werden.
Die anhaltende Verachtung einer wissenschaftlichen Disziplin lässt sich auch kommunikationstheoretisch nicht auf erschöpfende Weise erklären. Dies versucht
Liebsch, wenn er festhält, dass sich aus dem Missverhältnis zwischen dem hohen
Selbstanspruch und dem faktischen Versagen einer Wissenschaft nicht eindeutig
ergäbe, gegen welches der beiden Momente man sich zu wenden habe. Ungeachtet
dessen, dass beide Varianten – isoliert genommen – letztlich auf die Affirmation derjenigen Bedingungen hinausliefen, die sie hervorrufen, argumentiert Liebsch, dass
diejenigen, „die ‘Pädagogik‘ überhaupt preisgeben“, sich „in den Augen derer, die an
ihrem eigenen pädagogischen Anspruch festhalten“, ihrerseits Verachtung zuzögen,
„weil sie genau das gleichsam wegwerfen, was Grund der Kritik war.“8 In der Folge
„vertauschen Verächter und Verachtete die Rollen, ohne dass noch an eine produkti-
Dammer, Brauchen wir noch eine „kritische Erziehungswissenschaft“?, 7.
Adorno, Theorie der Halbbildung, 93.
8 Liebsch, Spielarten der Verachtung, 73.
6
7
7
ve Auseinandersetzung zu denken wäre. Denn mit Verachteten spricht man nicht,
allenfalls über sie.“9
Solche Argumentation, welche die Gründe der Verachtung einer Disziplin in der
Grundstruktur der Kommunikation über sie, mithin auf einer Metaebene verortet,
könnte man schnell als naiv abtun, würde sie selbst nicht hochgradig ideologisch
und insofern von einem kritischen Standpunkt aus ernst zu nehmen sein. So wird
die Disparität zwischen Selbstanspruch einer Wissenschaft und ihrem objektiven
Versagen als ein nur immanentes Problem aufgefasst, ohne auf ihre gesellschaftlich
vermittelten und damit historisch spezifischen Zwecke, mithin die Dynamik ihres
Begriffs zu reflektieren, an dem gemessen ein Versagen sich überhaupt erst konstatieren ließe. So ist mit Adorno gerade zu zeigen, dass in einer kapitalistischen Gesellschaft die Geisteswissenschaft heteronomen Zwängen unterworfen ist, die sie
daran hindert, ihrer begrifflichen Bestimmung gemäß zu arbeiten. Liebsch Erklärung der Verachtung der Pädagogik entbehrt jeder Kritik an diesen Zwängen, ist
mithin als Ausdruck einer in Widersprüchen verstrickten Pädagogik zu beurteilen.
2. BILDUNG UND PHILOSOPHIE ALS GEGENSTÄNDE DER VERACHTUNG
In ähnlicher Weise wie die Pädagogik ist auch die Philosophie dem negativen objektiven Geist der Halbbildung anheimgefallen, der die Subjekte in einer Weise affiziert,
dass sie die Philosophie (mitunter noch aus vermeintlich rationalen Gründen) für in
jeder Hinsicht wert- und nutzlos befinden. Nicht zuletzt, um dem noch zu erläuternden Begriff der Philosophie gerecht zu werden, soll über das letztlich affirmative
Projekt Liebschs hinausgegangen werden, indem nicht über, sondern wider die Verachtung der Philosophie geschrieben wird. Angesichts der vielen inhaltlichen wie
methodischen Ausformungen der Philosophie, die sich in der historischen Auseinandersetzung entwickelt haben, gilt es nicht, die Philosophie als einen Subsumtionsbegriff oder eine bloß leere Form zu verteidigen, sondern in ihrer Bestimmung,
wie sie im Ausgang der Klassischen Deutschen Philosophie von Kant und Hegel auf
den Begriff gebracht wurde. Dieses Vorgehen legitimiert sich aus vier Gründen, die
zunächst als Thesen zu formulieren sind.
Obgleich Hegel es sich so vorgestellt hat, ist die Philosophie mit seinem System keineswegs zu einem historischen Abschluss bekommen. Seine Philosophie soll also
nicht als eine philosophia perennis verteidigt werden, der eine kritiklose Gültigkeit
zukäme und deren Geltungsanspruch darum als gesichert zu erachten wäre. Doch
9
Liebsch, Spielarten der Verachtung, 73.
8
sind aus der kritischen Auseinandersetzung Hegels mit Kant begriffliche Bestimmungen hervorgegangen, hinter denen heutige Philosophie nicht zurückfallen darf
(1.). Dabei ist insbesondere an die Genese des Freiheitsbegriffs zu denken, ohne den
die Philosophie sich nicht als kritische Disziplin hätte etablieren können. Aus diesem
Grund soll in der vorliegenden Arbeit die Kantische Bestimmung des Freiheitsbegriffs vor dem Hintergrund seiner kritischen Ausweitung durch Hegels Begriffslehre
rekonstruiert werden. Diese Kritik hatte unmittelbare Auswirkungen auf Hegels
Bildungsbegriff, der hier von herausragender Bedeutung ist, weil die Verachtung der
Philosophie in dieser Arbeit als Ausdruck der Halbbildung identifiziert werden soll.
Bildung ist in der Philosophie als Selbsttätigkeit eines denkenden und handelnden
Subjekts bestimmt und ist in diesem Sinne deutlich von der Erziehung abzugrenzen.
Weil Philosophie durch den Freiheitsbegriff als einen ihrer genuinen Gegenstände
allein in der Lage ist, Bildung in ihrem umfassenden Sinne zu reflektieren, wird die
Philosophie in dieser Arbeit durch den Nachweis eines kritischen Potentials des
längst schon für obsolet befundenen Bildungsbegriffs verteidigt. Keineswegs wird
Philosophie der Bildung gleichgesetzt, was eine Anmaßung wäre, doch kann gezeigt
werden, dass ein adäquater Bildungsbegriff ohne philosophische Reflexion der Freiheit nicht zu begründen ist (2.).
So soll anhand der Diskussion des Freiheitsbegriffs die Bestimmung dessen, was
Bildung ist, herausgearbeitet und zugleich auf der negativen Folie der Symptomatik
der Halbbildung kritisch dargelegt werden, wie die Entfaltung des Bildungspotentials (also auch das kritische Philosophieren) heute systematisch boykottiert wird
(3.). Die immanenten Probleme des Freiheitsbegriffs, die sich dabei zeigen, werden
eine Erklärung dessen ermöglichen, dass Adorno zufolge die Halbbildung genetisch
aus der Bildung hervorgegangen ist, um so mit der Bestimmung Halbbildung dasjenige begrifflich einzuholen, was zunächst nur vorausgesetzt wurde. Entsprechend
Hegels Freiheitsbegriff reduziert sich auch dessen Verständnis von Bildung – entgegen allen Vorurteilen gegenüber philosophischen Bildungsidealen – nicht auf die
Tätigkeit eines reinen, von allen heteronom bestimmten Partikularinteressen losgelösten intellektuellen Wesens, sondern ist wesentlich auf die Allgemeinheit der Gesellschaft und deren Gestaltung bezogen. Eine Tätigkeit, der damit auch heteronome
Bestimmungen innewohnen und die sich nicht bloß auf subjektiver Ebene abspielt,
sondern einen objektiven Prozess ausmacht. Ein objektiver Prozess, der sich Adorno
zufolge mit dem Aufkommen der kapitalistischen Gesellschaftsstrukturen verselbständigt und die Autonomie des Subjekts verunmöglicht habe. „Objektiv produziert
9
ist […] die subjektive Beschaffenheit, welche die objektiv mögliche Einsicht unmöglich macht.“10
Bei aller Berechtigung von Adornos Diagnose der Halbbildung soll in einem abschließenden Ausblick problematisiert werden, dass Adornos Theorie in der Konsequenz all die subjektiven Bedingungen für destruiert erachtet, die zugleich Voraussetzung für die Erfüllung seiner Forderung wären, dass die Philosophie nicht „kindlich hinter ihrer Geschichte und der realen hertrottet [und] ihren Lebensnerv am
Widerstand gegen die heute gängige Übung“11 zu haben hat. Diese als weiterhin gegeben nachzuweisen ist nicht nur für eine Rehabilitierung der Philosophie von eminenter Bedeutung, sondern auch dafür, Adornos Theorie der Halbbildung weiterzudenken, um die Widerstände gegen die Bildung aufzudecken, wie sie sich in den vergangenen fünfzig Jahren entwickelt haben.
II. ZUM VERHÄLTNIS VON FREIHEIT UND BILDUNG
1. WOZU NOCH PHILOSOPHIE? – ÜBER EINE BERECHTIGTE FRAGE
„Bei einer Frage wie ‚Wozu noch Philosophie‘, für deren Formulierung ich
selbst verantwortlich bin, obwohl ich den amateurhaften Klang nicht überhöre,
wird man im allgemeinen die Antwort erraten, einen Gedankengang erwarten,
der alle möglichen Schwierigkeiten und Bedenken anhäuft, um schließlich,
mehr oder minder vorsichtig, in ein Jedennoch zu münden und das rhetorisch
Bezweifelte zu bejahen. Dieser allvertraute Ablauf entspricht konformistischer
und apologetischer Haltung; sie trägt sich als positiv vor und rechnet vorweg
mit Einverständnis. Vollends traut man einem nichts Besseres zu, der von Amts
wegen Philosophie lehrt, dessen bürgerliche Existenz davon abhängt, daß sie
weiter betrieben wird, und der die eigenen handgreiflichen Interessen verletzt,
sobald er sich dagegen äußert. Einiges Recht, trotzdem die Frage aufzuwerfen,
habe ich bloß deshalb, weil ich der Antwort keineswegs gewiß bin.“ 12
So isoliert genommen, wie sich Adornos Standpunkt in diesem Zitat äußert, manifestiert sich darin auf den ersten Blick eine gewisse Devotion. Eine Legitimation der
Frage nach der Daseinsberechtigung der Philosophie inmitten eines Zeitgeistes, der
sie „als veraltet und überflüssig abtut“13, lediglich daraus abzuleiten, dass ihre Beantwortung keineswegs gewiss sei, mutet als ein Zurückweichen vor der allemal
unberechtigten Kritik an, eine solche Frage würde nur aus subjektivem Interesse
heraus entstehen. Weil die Philosophie für eine der Zeit nicht mehr adäquate Form
Weltbewältigung befunden wird, man selbst aber ein renommierter Berufsphilosoph ist, kündigt man die eigene Ungewissheit hinsichtlich des Nutzens der PhilosoAdorno, Theorie der Halbbildung, 117.
Adorno, Eingriffe, 13.
12 A.a.O., 11.
13 Adorno, Eingriffe, 11.
10
11
10
phie an, lässt eine definite Stellungnahme offen, um den Eindruck zu vermeiden, es
gehe einem nur um die Wahrung seiner sicheren gesellschaftlichen Stellung oder
den Schutz des eigenen Lebensentwurfs. Auf diese Weise zweckrationalisiert bzw.
psychologisiert man die Gründe, weshalb Philosophie zu betreiben ist, was selbst
schon als Ausdruck dessen zu beurteilen ist, was Adorno Halbbildung nennt.
Aus diesem Grund sind die unterschiedlichen subjektiven Voraussetzungen des Verfassers der vorliegenden Arbeit keine zureichende Begründung dafür, „wider die
Verachtung der Philosophie“ zu schreiben, mithin eindeutig Stellung für die Philosophie und ihre Notwendigkeit zu beziehen. Zwar ist der Verfasser dieser Arbeit wirtschaftlich (noch) nicht abhängig von der Philosophie, aber eine Verteidigung der
Philosophie bei seinen subjektiven Voraussetzungen zu beginnen, wäre mit der renommierten Person Adornos verglichen nicht nur ungleich langweiliger, sondern –
um mit Hegel zu sprechen – überhaupt ein bloßes Anfangen, „in dem Sinne einer
zufälligen Art und Weise, den Vortrag einzuleiten“14, keineswegs aber ein objektiver
Anfang.
Es gilt also mit objektiven Gründen gegen die Philosophie zu beginnen, was wiederum eine Definition der Philosophie voraussetzt. Dies in einer philosophischen Arbeit zu vollziehen impliziert den Anspruch, dass es eine über eine bloße Definition
hinausgehende, objektive Bestimmung der Philosophie gibt, nämlich als eine Disziplin mit wissenschaftlichem Anspruch. Zugleich befördert der Versuch, die Philosophie in einer philosophischen Arbeit zu verteidigen, durchaus den Verdacht, dass sie
in der Tat etwas nur rhetorisch Bezweifeltes ist, das sich ohne weiteres durch sich
selbst rehabilitieren ließe.
Entgegen dem ersten Eindruck erwachsen Adornos Zweifel an einem verbliebenen
Potential der Philosophie aber aus objektiven Gründen, die zunächst nicht in der Philosophie selbst liegen. So betont Adorno die Rolle der Philosophie als „Lehre vom
objektiven, über die bloße psychologische Einzelperson hinausgehenden Charakter
des Geistes“ als „das Prinzip der Bildung als das eines Geistigen, das nicht unmittelbar einem anderen dienstbar, nicht unmittelbar an seinem Zweck zu messen ist.“ 15
Diese Bestimmung der Philosophie als ein Selbstzweckhaftiges geht auf den kritischen Weg Kants und dessen Erweiterung durch den spekulativen Idealismus Hegels zurück. Ihre Bestimmung von Philosophie soll diejenige sein, gegen deren Ver-
14
15
Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 51.
Adorno, Theorie der Halbbildung, 106.
11
achtung hier geschrieben wird, nicht zuletzt, weil Adorno zufolge der „unwiderrufliche Sturz“ dieser Geistesmetaphysik die „Bildung unter sich begraben“ hat.16
Die Vorstellung von der Bildung als „Zweckmäßigkeit ohne Zweck“17, als eine Selbsttätigkeit, die sich nicht aus heteronomen Erfordernissen ergibt, ist theoretisch geknüpft an die philosophische Bestimmung von Freiheit, wie sie von Kant systematisch entwickelt worden ist. Diese Bestimmung zu begreifen ist maßgebliche Voraussetzung für das Verständnis von Bildung, die nach Adorno zur Halbbildung
degeneriert ist, und soll darum zum Ausgangspunkt der folgenden Untersuchungen
gemacht werden. Dabei soll der Kantische Freiheitsbegriff in einen kritischen Dialog
mit der Begriffslehre Hegels gestellt werden, nicht nur, um seine Schwächen aufzuzeigen, sondern auch, um den philosophiehistorischen Fortschritt zu Hegels Freiheitsbegriff und die damit einhergehenden Konsequenzen für den Bildungsbegriff
nachzuvollziehen, die für Adorno nicht weniger drastisch aussehen, als dass „in Hegels Bildungslehre, unterm Namen Entäußerung, […] das Desiderat der Anpassung
inmitten des Humanismus selber triumphiert.“18 Dies ist zunächst nur als Behauptung dahingestellt, um die paradoxe Struktur von Adornos Theorie der Halbbildung
zu problematisieren. So weist Adorno diejenige Bildungsidee, die als einzige Antithese zur Kritik taugt, zugleich als Ursache für den Verfall der Bildung in die Halbbildung aus. „Nach Genesis und Sinn geht sie [die Halbbildung; S.S.] nicht der Bildung voran, sondern folgt auf sie.“19 Damit ist der vorliegende Versuch, der die Verachtung der Philosophie als Ausdruck der Halbbildung identifizieren will, seinerseits
mit der Aufgabe konfrontiert, die Philosophie in doppelter Hinsicht zu verteidigen.
Einmal gegen den „negativen objektiven Geist“20 der Halbbildung, zum anderen gegen das ihr vermeintlich immanente ideologische Potential. Konfrontiert insofern,
als die Aufgabe zunächst aus dem Dilemma der Adornoschen Theorie erwächst, die
„einerseits den Gegenstand der Theorie zwangsläufig affirmativ als erkannten Gegenstand [bestimmt], andererseits den Gegenstand der Theorie als unvernünftigen
jedoch [ablehnt]“21, wie es Till Streichert sehr treffend formuliert. Dieser Einwand,
der, wie sich zeigen wird, nicht bloß eine methodologische Metafrage betrifft, macht
es umso dringender, die Stellung des Subjekts in der Theorie der Halbbildung zu
prüfen.
Adorno, Theorie der Halbbildung, 106.
A.a.O., 97.
18 A.a.O., 95.
19 A.a.O., 93.
20 Ebd.
21 Streichert, Von der Freiheit und ihrer Verkehrung, 3.
16
17
12
2. FREIHEIT UND BEGRIFFSBILDUNG IN DER PHILOSOPHIE
Im Gegensatz zu Hegel thematisiert Kant die Bildung nicht explizit, doch aber ergeben sich aus seiner Bestimmung von Freiheit und deren konstitutiver Rolle für das
menschliche Erkennen explizite Aufschlüsse für einen adäquaten Bildungsbegriff.
Die Vorgehensweise, den Geltungsanspruch der Philosophie aus der systematischen
Auseinandersetzung mit spezifischen philosophiehistorischen Positionen zu entwickeln, ist eine Notwendigkeit, da die Philosophie – wie sich zeigen wird – eine tätige
Auseinandersetzung mit Inhalten darstellt, welche sich nicht auf einer Metaebene
begründen lässt. Angesichts dessen, dass der Philosophie historisch immer mehr
Bezirke „entrissen und verwissenschaftlicht“22 wurden, ist eine Rettung der Philosophie entscheidend an die Identifizierung ihr genuiner Gegenstände gekoppelt. Und
ohne einen adäquaten Inhalt wäre sogleich ein Verweis auf das Philosophieren im
Sinne eines Vermögens müßig. Entgegen der im heutigen kompetenzorientierten
Bildungswesen verbreiteten Vorstellung lässt sich die Fähigkeit des Philosophierens
nicht ohne allen Kontext erwerben, sondern hat sich an bereits Gedachtem zu entzünden. Dass der Kantische Freiheitsbegriff nicht in seiner Isolation betrachtet wird,
sondern vor dem Hintergrund seiner kritischen Ausweitung durch Hegel, soll
exemplarisch illustrieren, dass die in der Philosophiegeschichte generierten Positionen nicht bloß ein Vorrat von zufälligen philosophischen Meinungen sind23, sondern
einen inwendigen und notwendigen Zusammenhang haben.
„In der Moderne hat Descartes die Scholastik der Dogmatisierung bloßen Meinens überführt. Leibniz war der Kritiker des Empirismus; Kant der Leibnizens
und Humes in eins; Hegel der Kants, Marx der Hegels. […] [Ihre Kritik] dokumentierte keinen nach Geschmack einzunehmenden Standpunkt. Sondern sie
lebte im triftigen Argument. Jene Denker hatten in Kritik die eigene Wahrheit.
Sie allein, als Einheit des Problems und der Argumente, nicht die Übernahme
von Thesen, hat gestiftet, was als produktive Einheit der Geschichte der Philosophie gelten mag.“24
Gleichwohl muss betont werden, um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen, dass die Analyse der Philosophiegeschichte ihrerseits nur eine notwendige,
nicht aber eine hinreichende Bedingung ernstzunehmender Philosophie darstellt. So
setzt Kritik ein autonom denkendes Subjekt voraus, das die Gedanken nicht nur empirisch aufliest – was für Hegel Ausdruck bloßer Gelehrsamkeit wäre25 - sondern sie
durchs Denken einer Prüfung unterzieht, ein Denken also, das eine Selbsttätigkeit ist
und Mühen erfordert, sich nicht von selbst einstellt. Der Zugang zu den Gedanken ist
Adorno, Eingriffe, 12.
Vgl. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, 28 f.
24 Adorno, Eingriffe, 14 f.
25 Vgl. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, 29.
22
23
13
also kein unmittelbarer, sondern vermittelt durch das Denken, ohne dessen Tätigkeit die Gegenstände entweder verdinglicht oder in die Irrationalität entrückt würden.
„Der Unbefangene wird weder wissen, was diese Definitionen sollen, noch, welcher Rechtsgrund ihnen innewohnt. Er wird sie entweder als Galimathias verwerfen und danach leicht in subalternen Hochmut gegen Philosophie überhaupt sich vermauern, oder er wird sie, unter der Autorität des berühmten
Namens, telles quelles schlucken und so autoritär wenden, wie etwa in weltanschaulichen Manuskripten von Dilettanten Zitate sogenannter großer Denker
zur Bekräftigung ihrer unmaßgeblichen Meinung umgeistern. […] Das aber ist
in flagrantem Widerspruch zum Willen einer Philosophie, die als letzte Quelle
der Erkenntnis, zu Recht oder Unrecht, nur das unmittelbar Einsichtige anerkannte. Analoges gilt wie für alle Philosophen für die gesamte Kunst. Die Vorstellung, daß das Geniale und Große unmittelbar aus sich selbst wirke und verständlich werde, der Aufhub einer auf dem Geniekult basierenden Ästhetik,
täuscht darüber, daß nichts, was mit Fug Bildung heißen darf, voraussetzungslos ergriffen werden kann.“26
Gedanken sind demnach nicht ohne Denken und das Denken ist nicht ohne Gedanken. Dergleichen Verschränkung von Denktätigkeit und Denkinhalt ist das, was Hegel als Aufhebung des Gegensatzes von Unmittelbarkeit und Vermittlung Dialektik
heißt und womit er die Disjunktion von Dogmatismus und Skeptizismus überwunden zu haben beansprucht.27 Die Philosophie entbehre des Vorteils, „der den anderen Wissenschaften zugute kommt, ihre Gegenstände als unmittelbar von der Vorstellung zugegeben sowie die Methode des Erkennens für Anfang und Fortgang als
bereits angenommen voraussetzen zu können.“28 Ganz entsprechend der Kantischen
Frage danach, was wir wissen können, kann die Philosophie für das Hervorbringen
ihrer Gegenstände ihre Methode nicht schlicht voraussetzen, sondern hat erst im
Prozess des Denkens zu entfalten und macht sich insofern immer auch selbst kritisch zum Gegenstand.
„Die Philosophie, indem sie Wissenschaft sein soll, kann […] hierzu ihre Methode nicht von einer untergeordneten Wissenschaft […] borgen, so wenig als es
bei kategorischen Versicherungen innerer Anschauung bewenden lassen oder
sich des Räsonnements aus Gründen der äußeren Reflexion bedienen. Sondern
es kann nur die Natur des Inhalts sein, welche sich im wissenschaftlichen Erkennen bewegt, indem zugleich diese eigne Reflexion des Inhalts es ist, welche
seine Bestimmung selbst erst setzt und erzeugt.“29
Auf den Gegenstand Freiheit bezogen bedeutet dies, dass das Begreifen dessen, was
sie ist, schon Freiheit voraussetzt, da sie nicht aus inhaltlichen oder methodischen
Hypothesen zu entwickeln ist. Freiheit würde sich gleichsam selbst widersprechen,
wäre sie aus Anderem abzuleiten bzw. hätte sie ihren Ursprung in einem unbefanAdorno, Theorie der Halbbildung, 112 f.
Vgl. Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 51.
28 Hegel, Enzyklopädie I, § 1.
29 Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 6.
26
27
14
genen, d.h. leeren Denken. Diese offenkundig zirkuläre Argumentation wird einerseits zu rechtfertigen sein, um die logische Konsistenz von Hegels Darstellungen
aufzuzeigen, andererseits, um dasjenige hinreichend zu bestimmen, wodurch dem
Menschen Freiheit zukommt.
III. SUBJEKTIVE FREIHEIT UND OBJEKTIVE BILDUNG
1. DENKEN ALS SELBSTTÄTIGKEIT DES SUBJEKTS
In der Kritik der reinen Vernunft (1781/88) legt Kant das erkenntnistheoretische
Fundament für seine Bestimmung des Freiheitsbegriffs. Das aufklärerische Projekt
seines Hauptwerks besteht darin, über die Möglichkeitsbedingungen funktionierender Erkenntnis – von der er angesichts der historisch erfolgreichen Entwicklung der
Wissenschaften ausgeht – hinreichend Rechenschaft abzulegen, indem die philosophiehistorischen Positionen der dogmatischen Metaphysik und des skeptizistischen
Empirismus gleichermaßen kritisiert werden. Dabei verwirft er keine der einander
augenscheinlich widerstreitenden Seiten, sondern bemüht sich um deren Synthese.
Das Erbe des Empirismus tritt er insofern an, als er davon ausgeht, „daß alle unsere
Erkenntnis mit der Erfahrung anfange […]; denn wodurch sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung geweckt werden, geschähe es nicht durch Gegenstände,
die unsere Sinne rühren und teils von selbst Vorstellungen bewirken, teils unsere
Verstandestätigkeit in Bewegung bringen, diese zu vergleichen, sie zu verknüpfen
oder zu trennen, und so den rohen Stoff sinnlicher Eindrücke zu einer Erkenntnis
der Gegenstände zu verarbeiten, die Erfahrung heißt?“30 Diese unsere Sinne rührenden Gegenstände sind bei Kant empirische, d.h. in Raum und Zeit fallende Gegenstände, die ihren Existenzgrund außerhalb des denkenden Subjekts haben. Sie unterliegen naturkausalen Zusammenhängen und sind insofern nach Gesetzen determiniert, die nicht in die Freiheit des Menschen fallen. Fasst man darüber hinaus den
Menschen selbst als ein in Naturzusammenhänge eingebundenes Wesen auf, was er
ja zweifellos ist, so scheint auch für ihn jedes Freiheitspotential zumindest dann
ausgeschlossen, wenn er nichts ist als ein solches Naturwesen. Da sowohl sein Wille
als auch sein Erkennen vollständig der Naturkausalität unterworfen wären, könnte
er nichts sein als ein bloßer Automat bzw. passiver Rezipient des Weltgeschehens.
Vor diesem Hintergrund hat auch Hegel den historischen Empirismus kritisiert.
30
Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 1.
15
„Indem nun dies Sinnliche für den Empirismus ein Gegebenes ist und bleibt, so
ist dies eine Lehre der Unfreiheit, denn die Freiheit besteht gerade darin, dass
ich kein absolut Anderes gegen mich habe, sondern abhänge von einem Inhalt,
der ich selbst bin. Weiter sind auf diesem Standpunkt Vernunft und Unvernunft
nur subjektiv, d.h. wir haben uns das Gegebene gefallen zu lassen, so wie es ist,
und wir haben kein Recht danach zu fragen, ob und inwiefern dasselbe in sich
vernünftig ist.“31
Kant bestimmt gegen solche Passivität das theoretische Erkennen als aktive Tätigkeit des menschlichen Verstandes. Zwar inhäriert der Erfahrung als Anfang des Erkennens angesichts der uns äußerlichen Gegenstände ein Moment der Passivität,
allerdings bleibt Kants Erfahrungsbegriff nicht bei einer bloßen Rezeptivität stehen,
sondern verweist auf einen Zusammenhang unserer sinnlichen Eindrücke, der nur
dann hergestellt werden kann, wenn der Verstand a priori über etwas verfügt, das er
an die Gegenstände heranträgt und ohne das eine Erkenntnis nicht zustande kommen könnte. Damit hat Kant die Kopernikanische Wende der Denkungsart eingeläutet, in der die Tätigkeit des denkenden Subjekts nunmehr zur konstitutiven Bedingung der Erkenntnis wird.
„Es ist hiemit eben so, als mit den ersten Gedanken des Copernicus bewandt,
der, nachdem es mit der Erklärung der Himmelsbewegungen nicht gut fort
wollte, wenn er annahm, das ganze Sternheer drehe sich um den Zuschauer,
versuchte, ob es nicht besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich
drehen, und dagegen die Sterne in Ruhe ließ. In der Metaphysik kann man |
nun, was die Anschauung der Gegenstände betrifft, es auf ähnliche Weise versuchen. Wenn die Anschauung sich nach der Beschaffenheit der Gegenstände
richten müßte, so sehe ich nicht ein, wie man a priori von ihr etwas wissen
könne; richtet sich aber der Gegenstand (als Objekt der Sinne) nach der Beschaffenheit unseres Anschauungsvermögens, so kann ich mir diese Möglichkeit ganz wohl vorstellen.“32
2. DIE DEGRADIERUNG DES SUBJEKTS ZUM OBJEKT
Die autonome Selbsttätigkeit eines denkenden Subjekts als Konstituens des Erkennens ist weder in der Philosophie noch anderswo eine selbstverständliche Voraussetzung. So ist in den heutigen bildungstheoretischen Debatten vielmehr die gegenteilige Auffassung verbürgt, dass das Subjekt vollends determiniert wäre. So wird es
als eine Instanz vorausgesetzt, dessen Denken durch eine Vielzahl von heteronomen
Faktoren bestimmt sei, seien es seine psychischen Dispositionen, die neuronale Verfasstheit seines Gehirns, sein soziales Umfeld oder sein familiärer Hintergrund, seine
gesellschaftliche Stellung oder seine Erziehung. Ohne die Wichtigkeit solcher Reflexionen in Frage stellen zu müssen, kann es doch als sehr bedenklich angesehen werden, dass dem Freiheitspotential des Subjekts in diesen Zusammenhängen nur we31
32
Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, § 38 (Zusatz).
Kant, KrV, B XVI.
16
nig bis gar keine Beachtung geschenkt wird. Ein Phänomen, das sich nicht zuletzt
der gerade in den pädagogischen Auseinandersetzungen häufig vollzogenen Gleichsetzung von Erziehung und Bildung verdankt.
So konstatiert Jochen Krautz in seinem Buch Ware Bildung ein Abrücken von dem
Verständnis, dass „Bildung […] eigentlich Selbstbildung [meint]. Man wird nicht gebildet, sondern man bildet sich. Niemand kann gezwungen werden, sich zu bilden.
Der Mensch kann nur aus eigenem Entschluss zur Bildung kommen. […] Er ist Herr
seiner selbst. Das ist seit der Aufklärung gemeinsame Überzeugung in Europa: Der
Mensch ist frei und darf von niemandem zu irgendwas gemacht oder gebraucht
werden. Er wird nicht gebildet und erzogen für den Staat, für die Wirtschaft oder die
Kirche – sondern nur um seiner selbst willen.“33 In dem letzten Satz dieser Passage
rückt Krautz selbst von dem ab, was er unterstreichen möchte. Hier wird der
Mensch gebildet, ist also, bei aller gewollten Unabhängigkeit von institutionellen
Zwängen, passiv. Diese Passivität ist mit einer Vorstellung von der Bildung als einer
autonomen Tätigkeit unvereinbar. Vielmehr wird auf diese Weise das Subjekt, als
ein rein empirisches, zu einem Objekt der Bildung degradiert.
Zweifellos ist die pathetische Forderung der Freiheit des Subjekts kein zureichender
Grund für ihre Wahrhaftigkeit. Vielmehr bedarf die Freiheit einer substantiellen
Bestimmung, um als eine Antithese zu den heutigen Ausformungen von „Bildung“
fungieren zu können. Dieses Begreifen der Freiheit hat sich die Klassische Deutsche
Philosophie maßgeblich zur Aufgabe gestellt. Die Rekonstruktion der Freiheitsbestimmung von Kant und Hegel wird erweisen, dass Freiheit keineswegs das Resultat
von, sondern die Voraussetzung für Bildung ist, was letztlich auch deren Differenz
zur Erziehung begründet und Adornos Auffassung fundiert, dass der Bildungskrise
durch pädagogische Reformen allein nicht beizukommen ist.34
3. ERFAHRUNG UND BEGRIFF: KONTINUITÄT DES BEWUSSTSEINS UND IHRE DESTRUKTION
A) DIE UNBEDINGTHEIT DES DENKENDEN ICHS
Kant erachtet den Verstand als selbsttätig und gesteht ihm ein Moment der Unabhängigkeit von der Affizierung durch heteronome Faktoren zu. Wenn er von der
Erfahrung als dem Anfang der Erkenntnis spricht, so ist dies in einem zeitlichen Sinne zu verstehen35, wohingegen der logisch-systematische Anfang immer schon mit
Krautz, Ware Bildung, 14.
Vgl. Adorno, Theorie der Halbbildung, 93.
35 Vgl. Kant, KrV, B 1 f.
33
34
17
den apriorischen Formen des Verstandes gegeben ist. Diese Formen, die reinen Verstandesbegriffe, konstituieren eine ursprüngliche Einheit, ohne die „alle Beziehung
der Erkenntnis auf Gegenstände weg[fiele], weil ihr die Verknüpfung nach allgemeinen und notwendigen Gesetzen mangelte, mithin würde sie zwar gedankenlose Anschauung, aber niemals Erkenntnis, also für uns so viel als gar nichts sein“.36
So könne erst vor dem Hintergrund apriorischer Verstandesbegriffe, die „die Gründe
anderer Urteile in sich enthalten [und] selbst nicht in höhern und allgemeinern Erkenntnissen gegründet sind“37, die Möglichkeit allgemeiner und notwendiger Erkenntnisse hinreichend erklärt werden. Diese Verstandesbegriffe sind in ihrer Unabhängigkeit von anderen, ursächlich zu bestimmenden Faktoren rein, d.h. sie haben
ihren Ursprung allein in der Spontaneität des Verstandesdenkens.
Indem die reinen Verstandesbegriffe auf die Gegenstände bezogen werden, könne
das Denken dasjenige generieren, was Kant synthetische Urteile a priori nennt. Synthetische Urteile unterscheiden sich nach Kant insofern von analytischen, als letztere einem Begriff – gemäß dem Satz vom zu vermeidenden Widerspruch - ein Prädikat zu- oder abschreiben, je nachdem, ob es in jenem enthalten ist oder nicht. Ein
analytisches Urteil drückt also ein Verhältnis der Identität oder des Widerspruchs
aus, wohingegen synthetische Urteile a priori einen Begriff mit einem nicht in ihm
schon enthaltenen anderen in ein Verhältnis setzen, „welches daher niemals, weder
ein Verhältnis der Identität, noch des Widerspruchs ist, und wobei dem Urteile an
ihm selbst weder die Wahrheit, noch der Irrtum angesehen werden kann.“38
Die in dieser Bestimmung implizierte Frage nach einem vermittelnden Dritten führt
Kant zur transzendentalen Einheit der Apperzeption, dem denkenden Ich, „das alle
meine Vorstellungen begleiten können [muss].“39 Denn während durch ein analytisches Urteil ein Begriff in seine in ihm enthaltenen Bestandteile zergliedert wird,
verbindet ein synthetisches Urteil den Begriff mit einem anderen Begriff, „was nur
vom Subjekte selbst verrichtet werden kann, weil sie [die Verbindung; S.S.] ein Actus
seiner Selbsttätigkeit ist.“40 Kant argumentiert, dass solcherlei Verbindung als „Vorstellung der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen“41 nicht nur Voraussetzung
für die Möglichkeit analytischer Urteile ist, sondern dass ihr auch die Einheit jenes
Mannigfaltigen immanent ist. Diese Einheit ergibt sich nicht aus der Verbindungstätigkeit, sondern geht a priori aller Verbindung der Begriffe vorher, da ein reiner BeKant, KrV, A 111.
A.a.O., B 188.
38 A.a.O., B 194.
39 A.a.O., B 132.
40 Kant, KrV, B 130.
41 Ebd.
36
37
18
griff der Einheit (der über den Verstandesbegriff der Einheit hinausgeht) den Grund
der Einheit verschiedener Begriffe in Urteilen bildet. Aus diesem Grund kann auch
von einer ursprünglichen Einheit der Apperzeption gesprochen werden, „weil sie
dasjenige Selbstbewusstsein ist, was, indem es die Vorstellung Ich denke hervorbringt, die alle anderen muß begleiten können, und in allem Bewußtsein ein und
dasselbe ist, von keiner weiter begleitet werden kann.“42
„Auf solche Weise sind synthetische Urteile a priori möglich, wenn wir die formalen Bedingungen der Anschauung a priori, der Synthesis der Einbildungskraft,
und die notwendige Einheit derselben in einer transzendentalen Apperzeption,
auf ein mögliches Erfahrungserkenntnis überhaupt beziehen, und sagen: die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen
der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung, und haben darum objektive Gültigkeit in einem synthetischen Urteile a priori.“43
Diese Einheit der Apperzeption ist damit von Kant dem Anspruch nach nicht dogmatisch behauptet, sondern transzendental erschlossen als Bedingung der Möglichkeit
von Erkenntnis überhaupt. Angesichts der Möglichkeit von Erkenntnis offenbare
sich ein notwendig zu denkendes, einheitliches Ich, das sich erst durch das Moment
seiner Unabhängigkeit in tätige Auseinandersetzung mit der Welt begeben und auf
diese Weise eine beständige Beziehung zu dieser herstellen kann. Eine Form der
Subjektivität, die, so Adornos Diagnose, von den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen boykottiert wird. Diese zwingen einen dazu, „Selbsterhaltung ohne Selbst“44,
also ohne ein nicht-affiziertes Ich, zu betreiben, was die Möglichkeit von Bildung
ebenso aushöhlt, wie ihr objektiv alles entgegen ist.
„Erfahrung, die Kontinuität des Bewusstseins, in der das Nichtgegenwärtige
dauert, in der Übung und Assoziation im je Einzelnen Tradition stiften, wird ersetzt durch die punktuelle, unverbundene, auswechselbare und ephemere Informiertheit, der schon anzusehen ist, daß sie im nächsten Augenblick durch
andere Informationen weggewischt werden wird. […] Halbbildung ist eine
Schwäche zur Zeit, zur Erinnerung, durch welche allein jene Synthesis des Erfahrenen im Bewußtsein geriet, welche einmal Bildung meinte. Nicht umsonst
rühmt sich der Halbgebildete seines schlechten Gedächtnisses, stolz auf seine
Vielbeschäftigtheit und Überlastung.“45
B) SYSTEMATISCHE TRENNUNG VON SUBJEKT UND GEGENSTAND
In seiner auf sehr problematische Weise an Adorno anknüpfende Theorie der Unbildung verdeutlicht Konrad Paul Liessmann das mit den Massenmedien zusammenhängende Paradox, dass gerade in den heutigen Wissensgesellschaften niemand
mehr lernt, um etwas zu wissen, sondern um des Lernens selbst willen. Denn alles
Kant, KrV, B 132.
A.a.O., B 197
44
Adorno, Theorie der Halbbildung, 115.
45 Adorno, Theorie der Halbbildung, 115 f.
42
43
19
Wissen, so das Credo ausgerechnet der Wissensgesellschaft, veraltet rasch und verliert seinen Wert.“46 Aufrecht erhalten kann dieses Credo aber nur, so Liessmann,
weil der Begriff des Wissens mit dem der Information gleichgesetzt wird. In der Tat
werden den Menschen durch die kanalisierten Medien heutzutage ungewollt mehr
Informationen zugänglich denn je, aber „Wissen ist mehr als Information. Wissen
erlaubt es nicht nur, aus einer Fülle von Daten jene herauszufiltern, die Informationswert haben, Wissen ist überhaupt einer Form der Durchdringung der Welt: erkennen, verstehen, begreifen.“47 Aus diesem Grund lässt sich Wissen auch nicht medial auslagern. Es kann weder gespeichert noch gemanagt noch präsentiert werden,
da die partikularen Informationen nur dann zum Wissen werden, „wenn sie nach
logischen und konsistenten Kriterien derart miteinander verknüpft werden können,
daß sie einen sinnvollen und überprüfbaren Zusammenhang ergeben. Dieser Zusammenhang richtet sich allerdings nicht nach externen Kriterien, sondern nach der
Logik dieses Wissens selbst“48, eine Logik, die sich nach Kant aus der tätigen Verknüpfung von Erfahrung und Begriff durch das Subjekt ergibt. Es ist also vor dem
Irrtum zu warnen, dass die bessere Verfügbarkeit von Informationen notwendigerweise einen Bildungsprozess befördere. „Daß Halbbildung, aller Aufklärung und
verbreiteten Information zum Trotz und mit ihrer Hilfe, zur herrschenden Form des
gegenwärtigen Bewußtseins wird – eben das erheischt weiter ausgreifende Theorie.“49
Zu betonen, dass Wissen in den von einem beständigen Bewusstsein verarbeiteten
Dingen begründet liegt, ist in diesem Zusammenhang umso wichtiger, will man nicht
all das als Wissen gelten lassen, was auf Grund gesellschaftlicher Zwecke als solches
ausgewiesen wird. Die Vorstellung, das Wissen lagere gleichsam außerhalb des Subjekts und müsse von diesem sodann angeeignet werden, trennt auf fatale Weise den
Wissenden vom Wissensgegenstand, indem sie das Subjekt zwar für den Erwerb des
Wissens verantwortlich macht, keineswegs aber für den Inhalt dieses Wissens. Fatal
darum, weil es sich nicht schlicht um einen erkenntnistheoretischen Fehlschluss
handelt, sondern um eine Konsequenz der gesellschaftlich vermittelten Auffassung,
Wissen sei ein Mittel zur Anpassung an ökonomische Erfordernisse.
„[…] Weisheit ist nicht das Ziel des lebenslangen Lernens, weil dieses nämlich
gar kein Ziel mehr kennt, sondern das Mittel selbst zum Ziel erklärt. Natürlich:
Marktverhältnisse und technologische Innovationen, die der Rationalisierung
dienen, ändern sich rasch. An diese Veränderungs- und Entwicklungsschübe
Liessmann, Theorie der Unbildung, 27.
A.a.O., 29.
48 A.a.O., 31.
49 Adorno, Theorie der Halbbildung, 94.
46
47
20
müssen die Menschen angepaßt werden. Obgleich auch dies nicht unbedingt
etwas Neues ist, sind diese Prozesse durch eine bisher kaum gekannte Dynamik
und Intensität gekennzeichnet. Nicht nur, daß viele, vor allem ältere Menschen
dadurch objektiv überfordert werden können, dient die Ideologie des lebenslangen Lernens auch, vielleicht vor allem dazu, die Risiken dieser Entwicklung
einseitig den einzelnen zuzurechnen. Welche Kurse besucht, wie viel Privatkapital auch immer in Weiterbildung investiert werden, man wird im Ernstfall
stets sagen können: Es war zu wenig.“50
Das, was Wissen ist, wird auf diese Weise der Willkür anheimgestellt und die „sich
selbst zur Norm, zur Qualifikation gewordene, kontrollierbare Bildung ist als solche
so wenig mehr eine wie die zum Geschwätz des Verkäufers degenerierte Allgemeinbildung. Das Moment der Unwillkürlichkeit […] verdirbt im grellen Licht der Überprüfbarkeit.“51 Eine Überprüfbarkeit, die sich in der Forderung nach permanenten
Vergleichsprüfungen und Evaluationen artikuliert. So erzeugte Sachzwänge affizieren die Menschen nicht nur ökonomisch, sondern insbesondere auch psychologisch,
denn sie suggerieren, dass Wissen – und letztlich auch Bildung - ausschließlich von
einer dem Subjekt gegenüber fremdgesetzlichen Welt abhänge. Auf diese Weise wirken ökonomische Zwänge auf die Erkenntnistätigkeit selbst zurück und affizieren
diese.
Wenn Adorno also ein Moment der Unwillkürlichkeit einfordert, dann ist damit keineswegs gemeint, dass die Generierung von Wissen ein beliebiger Prozess sei. Das
wäre gerade mit Kant nicht zu vereinbaren, der, wie sich zeigen wird, allgemeine
und notwendige Erkenntnisse auch auf eine vernünftige Willensbestimmung zurückführt. Unwillkürlichkeit meint deshalb vielmehr, dass die Notwendigkeit dessen,
was zu wissen ist, nicht aus sich stetig wandelnden, heteronomen Erfordernisse
abzuleiten ist, sondern aus den Erkenntnisgegenständen selbst.
C) HISTORISCHE ENTMÜNDIGUNG DES SUBJEKTS DURCH DIE K ULTURINDUSTRIE
Einen Erkenntnisgegenstand zu begreifen, lässt sich nicht ohne den Typus von Erfahrung bewerkstelligen, der den Subjekten heute verstellt ist. Gesellschaftshistorisch führt Adorno dies auf das junge Bürgertum zurück, dessen gesellschaftlicher
Aufstieg sich nicht primär der intellektuellen Emanzipation, sondern politischökonomischen Gründen verdankte.
Bei den daraus sich ergebenden gesellschaftlichen Aufgaben in Wirtschaft und Verwaltung waren die Qualitäten, die das Bürgertum auszeichnete, hilfreich, so dass
50
51
Liessmann, Theorie der Unbildung, 34.
Adorno, Theorie der Halbbildung, 106 f.
21
diese „nachträglich den Namen Bildung empfingen“52. Von jeher an klassenspezifische ökonomische Voraussetzungen gebunden, wurden in der Folge dem Proletariat
alle Voraussetzungen für Bildung vorenthalten, wozu angesichts der „Entmenschlichung durch den kapitalistischen Produktionsprozeß“53 insbesondere Muße gehört
hätte. Diese Vereinnahmung der arbeitenden Menschen für den Produktionsprozess,
die sich in langen Arbeitszeiten, Niedriglöhnen und einem damit einhergehenden
Druck der Lebensbedingungen ausdrückte, bildete damit die eigentliche objektiv
gesetzte Grenze von Bildung, weshalb alle Versuche pädagogischer Abhilfe (Volksbildung) zur Karikatur missrieten.54 Infolge dieses Drucks hat das „Apriori des eigentlich bürgerlichen Bildungsbegriffs […], die Autonomie, […] keine Zeit gehabt,
sich zu formieren.“55
Autonomie lässt sich, gerade wenn sie als Entwicklungspotential verstanden wird,
nicht auf das Apriori im Sinne der Kantischen Verstandesbegriffe reduzieren, sondern schließt auch – wie sich zeigen wird – einen dynamischen Prozess der Selbstbildung ein, durch den das Subjekt zu einer individuellen Identität gelangt (deren
Genese Kant wohlgemerkt nicht erklären möchte). Dies war dem Proletariat zu Beginn des Hochkapitalismus verstellt, da es Objekt der Produktionsverhältnisse, Subjekt nur als Produzent war.56 Eine maßgebliche Ursache dafür bildet, so Adorno, die
Kulturindustrie. Sie transformiert die Bildungsgehalte in Güter, denen nunmehr eine
wertschöpfende Funktion zukommt. Solcher zweckrationalen Logik folgend ist es
notwendige Konsequenz, dass möglichst alle Bildungsgehalte in einer Weise modifiziert werden, dass sie auf beschleunigte und insofern verkürzte Weise möglichst
vielen von denen zukommen, die gesellschaftlich vom Bildungsprivileg ausgeschlossen sind.
„Die Massen werden durch zahllose Kanäle mit Bildungsgütern beliefert. Diese
helfen als neutralisierte, versteinerte die bei der Stange zu halten, für die nichts
zu hoch und teuer sei. Das gelingt, indem die Gehalte von Bildung, über den
Marktmechanismus, dem Bewußtsein derer angepasst werden, die vom Bildungsprivileg ausgesperrt waren und die zu verändern erst Bildung wäre. Der
Prozeß ist objektiv determiniert, nicht erst mala fide veranstaltet.“ 57
Aus diesem Grund kommt nach Adorno auch der Integration eine ideologische Funktion zu. Ideologisch insofern, als auf Grund ökonomischer Interessen eine Veränderung von Bildungsgehalten in Kauf genommen wird, die sie qualitativ reduziert, gar
Adorno, Theorie der Halbbildung, 98.
A.a.O., 99.
54 Vgl. ebd.
55 Ebd.
56 Vgl. a.a.O., 100.
57 Ebd.
52
53
22
ihrem Gehalt nach entstellt. „Daß Technik und höherer Lebensstandard ohne weiteres der Bildung dadurch zugute komme, daß alle von Kulturellem erreicht werden“
entpuppt sich vor diesem Hintergrund als „pseudodemokratische Verkäuferideologie“.58 Jenseits ihrer inhaltlichen Verbindlichkeit gelangen die Bildungsgehalte
nur als etwas Halbverstandenes und Halberfahrenes in das Bewusstsein der Menschen, was nicht etwa „die Vorstufe der Bildung sondern ihr Todfeind [ist]: Bildungselemente, die ins Bewußtsein geraten, ohne in dessen Kontinuität eingeschmolzen zu werden, verwandeln sich in böse Giftstoffe, tendenziell in Aberglauben
[…].“59 Gelenkt auf die Anforderung, die Erfüllung gesellschaftlicher Funktionen zu
sichern, „reduziert Bildung sich auf die Kennmarke gesellschaftlicher Immanenz und
Integriertheit und wird unverhohlen sich selber ein Tauschbares, Verwertbares.“60
Bildungsgehalte werden so mit einem ihnen äußerlichen Maßstab versehen und
darum nur noch an die passiven Subjekte herangetragen, deren Geist dazu bereit ist,
„unter Verzicht auf toil and trouble, die geistige Existenz komfortabel einzurichten
und zu schlucken, was in ihn hineingestopft wird.“61
„Die Leistung, die der kantische Schematismus noch von den Subjekten erwartet hatte, nämlich die sinnliche Mannigfaltigkeit vorweg auf die fundamentalen
Begriffe zu beziehen, wird dem Subjekt von der Industrie abgenommen. Sie betreibt den Schematismus als ersten Dienst am Kunden. In der Seele sollte ein
geheimer Mechanismus wirken, der die unmittelbaren Daten bereits so präpariert, daß sie ins System der reinen Vernunft hineinpassen.“62
So erklärt sich auch, dass Adorno zufolge der gesellschaftliche Ausschluss vom Bildungsprivileg nicht bloß „in Unbildung alten Stils“63 mündete, die als bloße Naivität
ein unmittelbares Verhältnis zu den Objekten gestattete und so zum kritischen Bewusstsein gesteigert werden konnte.64 Das Dilemma der Halbbildung besteht gerade
darin, dass auf Grund objektiver gesellschaftlicher Bedingungen das Verhältnis des
Subjekts zur Welt präformiert wird. Dies ist auch der Grund, weshalb Liessmann nur
auf sehr problematische Weise an Adorno anknüpft, wie oben bereits befunden
wurde. Liessmann diagnostiziert der heutigen Gesellschaft einen Zustand der Unbildung im Sinne einer selbstbewusst gewordenen Bildungslosigkeit, die auch nicht
mehr den Attitüden der Halbbildung gehorche.65 Letzteres mag zutreffen, wenn man
die Frage auf die Physiognomik des Geistes reduziert. Die Unbildung kann genetisch
Adorno, Theorie der Halbbildung, 110.
A.a.O., 112.
60 A.a.O., 115.
61 A.a.O., 106.
62 Adorno, Dialektik der Aufklärung, 132.
63 Adorno, Theorie der Halbbildung, 99.
64 Vgl. a.a.O., 104 f.
65 Vgl. Liessmann, Theorie der Unbildung, 73.
58
59
23
aber keinesfalls aus der Halbbildung hervorgehen, da diese als Resultat der gesellschaftlichen Implementierung von Bildung jene gerade verunmöglicht und man sich
den Gegenständen darum nicht mehr unvoreingenommen zuwenden kann.
Karl-Heinz Dammer, der in einem Essay die Möglichkeit einer auf den gesellschaftlichen Kontext pädagogischen Handelns bezogenen kritischen Erziehungswissenschaft als Motor praktischer Veränderungen reflektiert – ein Anspruch, der für Adorno zunächst nicht zu erfüllen ist – betont in ebenso deutlicher Weise, welche
drastischen Wirkungen die Diskontinuität derjenigen Erfahrungen hat, die ein
Mensch heute noch zu machen vermag und die ihn gerade daran hindert, ein mit
sich identisches Subjekt zu werden.
„Er ist um seines Selbsterhalts willen gezwungen, gegebenenfalls private, soziale oder kulturelle Bindungen aufzugeben und mit der permanenten Entwertung
seiner Erfahrungen und Fähigkeiten zu leben, aus deren Kontinuität erst das
konkrete Bild einer individuellen Persönlichkeit entstehen kann.“ 66
Die schon von Liessmann kritisierte Rhetorik des „lebenslangen Lernens“ wird von
Dammer noch pointierter angegriffen, indem er darauf hinweist, dass die Subjekte
„dadurch enteignet [werden], dass sie ‚zugleich ihre Autonomie auf vorgegebene
Bereiche im Dienst von vorbestimmten Zwecken begrenzen‘ sollen […]. Aus Kants
‚Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit‘ wird damit unter der Hand der
‚Eintritt in die fremdbestimmte Mündigkeit‘.“67 Aus diesem Grund kommt er zu dem
treffenden Schluss, dass sich Mündigkeit heute in einer Haltung manifestiert, „die
aus pädagogischer und entwicklungspsychologischer Sicht als Regression zu bezeichnen wäre.“68 Auch hier ist nicht zu vergessen, dass diese Regression als Folgeerscheinung und nicht als Ursache der Halbbildung zu betrachten ist.
Dass die Entmündigung der Subjekte ein historisch sich vollziehender Prozess ist,
der maßgeblich der pädagogischen und bildungspolitischen Praxis geschuldet ist,
lässt sich anschaulich demonstrieren, wenn man den Bedeutungswandel des Autonomiebegriffs in der pädagogischen Auseinandersetzung nachzeichnet. Alfred
Schirlbauer konstatiert schon in Bezug auf die neukantianische Pädagogik ein (vermeintliches) Paradox: War sie einerseits bis ins 20. Jahrhundert hinein durch Kants
Konzeption des Kategorischen Imperativs bestimmt, spielte andererseits der von ihr
nicht loszulösende Begriff der Autonomie, in dem Sinne einer Selbstgesetzgebung
für das Handeln, eine nur periphere Rolle. Der von Kant kategorisch bestimmte Begriff der Autonomie, der nicht ohne eine politische Konnotation zu denken ist, erfuhr
vielmehr eine Relativierung, da die pädagogische Praxis zusehends von staatlichen
Dammer, Brauchen wir noch eine „kritische Erziehungswissenschaft“? 10.
A.a.O. 13.
68 Ebd.
66
67
24
Bildungsinteressen präformiert wurde, ihre erste Reaktion aber nur darin bestand,
„den Staat als eine Instanz zu imaginieren, die sich ‘in ihrer Machtausübung selbst
beschränkt und [ihre] Legitimität nur unter Wahrung der pädagogischen Sachkompetenz ausspielt‘.“69 Angeregt durch die Kritische Theorie wurde diese relative Selbständigkeit zwar als Verschleierung der staatlichen Omnipräsenz verdächtigt, aber
dies führte letztlich nur zu einer Umdeutung der Unabhängigkeit pädagogischer
Praxis in einer Demokratisierung pädagogischer Institutionen. Der Verzicht auf autoritäre Durchgriffe domestizierte in der Folge die pädagogische Freiheit der Lehrer
als Thema der Auseinandersetzung, da die Ambitionen von Lehrern kaum an politische Grenzen stießen. In der 1980er Jahren kam sodann die Kritik an der mangelnden Qualität und Effektivität des Bildungswesens auf, die mit einem Delegitimationsprozess des staatsbürokratischen Bildungssystems einher ging. Es überrascht
darum wenig, dass gerade von bildungspolitischer Seite das Thema „Autonomie“
wieder in die Diskussion eingebracht wurde, dieses Mal aber als sog. „Schul- und
Hochschulautonomie“. Statt der erhofften Selbstentmachtung der Bürokratie mündete die Realisierung jener Autonomie in einer den einzelnen Institutionen auferlegten Mängelverwaltung.
„Die in Autonomie entlassenen Institutionen dürfen/müssen nun selbständig
ihre Selbstreglementierung betreiben. Der Alltagssprachgebrauch hat also
durchaus recht daran getan, das altehrwürdige Vokabel der Autonomie in bloße Selbstständigkeit umzudeuten. Das dürfte auch das heute umlaufende Verständnis von Autonomie sein. Angepeilt ist unter diesem Titel ziemlich exakt
das, was G.W.F. Hegel ‘knechtische Selbstständigkeit‘ nannte: Nur der selbstständige Knecht entlastet den Herren wahrhaft. Hinter unselbstständigen
Knechten müsste man ständig hinterher sein.“70
So wurden Mechanismen in das Bildungssystem implementiert, in denen „sich die
über Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit dem Geldgeber gesteuerten Institutionen via (Selbst-)Evaluation und Qualitätsmanagement selbst steuern“.71 Solcherlei
Steuerungsformen wurden insbesondere von vielen internationalen Agenturen forciert, die zur Aufhebung der durch die Mängel des staatsbürokratischen Bildungswesens verursachten Blockaden Rezepte diskutierten, „die der privatwirtschaftlichen Ökonomie entlehnt waren, nämlich Dezentralisierung, Autonomie und Eigenverantwortung, Wettbewerb […], manageriale Formen der Lenkung und betriebswirtschaftliche Rechnungslegung“72. Bildungsqualität wurde auf diesem Weg mit
ihrer Effizienz gleichgesetzt, einer Effizienz, die messbar gemacht werden kann.
Dzierzbicka/Schirlbauer (Hrsg.), Pädagogisches Glossar der Gegenwart, 15.
A.a.O., 18.
71 Ebd.
72 Klausenitzer (2002) zitiert in: Dzierzbicka/Schirlbauer (Hrsg.), Pädagogisches Glossar der Gegenwart, 19.
69
70
25
„Orientierungspunkt für die sogenannten autonomen Schulprogramme wird
wohl in Zukunft nichts anderes sein können als PISA-kompatible Bildungsstandards, wie ja überhaupt das von der OECD inszenierte internationale Schulleistungsvergleichsspektakel ein deutliches Zeichen dafür abgibt, dass es hier weder um Autonomisierung noch um Individualisierung geht, sondern um Standardisierung und Harmonisierung in den ökonomisch relevanten Kernbereichen.“73
Damit ist die Rolle eines Staates drastisch reduziert, „nämlich auf diejenige eines
Vermittlers der Ansprüche der Ökonomie an eine Pädagogik, die sich wesentlich als
psychologische Lernwissenschaft und empirisch-vergleichende Bildungsforschung
zu verstehen hat.“74 Eine Wissenschaft, in der das transzendentale Subjekt Kants
keinen Platz findet.
Mit dem Zweck der Bildung, qua freier Selbsttätigkeit ein mit sich identisches Subjekt zu werden (sofern dies angesichts der zuvor demonstrierten Hemmnisse überhaupt möglich ist), ist freilich schon mehr vorausgesetzt worden, als durch die bisherige philosophische Argumentation begrifflich eingeholt wurde. Dies ist umso
nötiger, da nicht nur die bisher skizzierten gesellschaftlichen Bedingungen die vermeintlich freie Selbsttätigkeit des menschlichen Verstandes affizieren, sondern am
gegenwärtigen Stand der Diskussion auch philosophische Gründe gegen sie sprechen. Mit Adornos Metapher des Kantischen Verstandes, den die Kulturindustrie als
Platzhalter ersetzt, wurde bereits das Problem seiner Hypostasierung vorweg genommen, die selbst als Folge eines halbverstandenes Bildungsgutes zu verstehen
wäre. Solche Fehldeutung stellt die Verstandestätigkeit lediglich als ein mechanisches Verfahren vor, innerhalb dessen die zweckrationale Vereinnahmung des Denkens begrifflich bereits angelegt ist. Diese Missdeutung ist also durch eine umfassendere Bestimmung der Freiheit auszuräumen, um letztlich den Erfahrungsbegriff
verstehen zu können, der für autonome Bildung Voraussetzung ist.
4. FREIHEIT UND UNFREIHEIT DES VERSTANDES
Hegel würdigt Kants Anspruch, das Verstandesdenken als maßgeblich für das Erkennen nachzuweisen, also herauszufinden, „inwieweit überhaupt Formen des Denkens fähig seien, zur Erkenntnis der Wahrheit zu verhelfen.“75 Zugleich geht Hegel
aber über den Anspruch Kants hinaus, indem er dessen Trennung von Denken und
Erkennen kritisiert und das Bewusstsein von dem Irrtum befreien möchte, dass das
Wahre immer etwas Anderes, Äußerliches, Fremdes sei.
73Klausenitzer
(2002) zitiert in: Dzierzbicka/Schirlbauer (Hrsg.), Pädagogisches Glossar der Gegenwart, 20.
74 A.a.O., 21.
75 Hegel, Enzyklopädie I, § 41 (Zusatz I).
26
Dieser Vorwurf trifft Kant insofern, als „durch eine reine Kategorie nun, in welcher
von aller Bedingung der sinnlichen Anschauung, als der einzigen, die uns möglich ist,
abstrahiert wird, […] also kein Objekt bestimmt [wird], sondern nur das Denken
eines Objekts überhaupt, nach verschiedenen modis ausgedrückt.“76 Das Verstandesdenken ist also kein Erkennen, da es trotz seiner Unbedingtheit einer doppelten
Beschränkung unterliegt. Es ist einerseits beschränkt durch den nicht durch es
selbst herzustellenden Erkenntnisgehalt: Bei aller konstitutiven Funktion für die
Erkenntnis kann der Verstand ebenso wenig wie die Anschauung aus sich heraus
eine Erkenntnis generieren. Diese beiden Erkenntnisstämme sind bei Kant wechselseitig aufeinander verwiesen, da ersterer nur der Form nach, letzterer dem Inhalt
nach für eine Erkenntnis maßgebend ist, so dass eine solche nur durch Verknüpfung
von Begriffen und Anschauung zustande kommen kann. „Gedanken ohne Inhalt sind
leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“77
Andererseits weist das Verstandesdenken ein reflexives Unvermögen auf, „sich
selbst die Grenzen seines Gebrauchs zu bestimmen, und zu wissen, was innerhalb
oder außerhalb seiner ganzen Sphäre liegen mag.“78 Bedenkt man diese Zugeständnisse Kants hinsichtlich der Beschränkung des Verstandes, so lässt sich mit Berechtigung die Frage stellen, ob und inwieweit in den reinen Verstandesbegriffen überhaupt ein Freiheitsmoment enthalten ist, da der Bezug der Verstandesbegriffe auf
die Gegenstände der Erfahrung durch die Form der Begriffe wie auch den Erfahrungsgegenstand selbst vorgegeben ist.79 So konstatiert auch Hegel den Verstand in
dieser Konzeption als ein Unselbständiges.
„Der Verstand ist auf diese Weise eine für sich leere Form, welche teils nur
durch jenen gegebenen Inhalt Realität erhält, teils von ihm abstrahiert, nämlich
ihn als etwas, aber nur für den Begriff Unbrauchbares wegläßt. Der Begriff ist in
dem einen und dem andern Tun nicht das Unabhängige, nicht das Wesentliche
und Wahre jenes vorausgehenden Stoffes, welches vielmehr die Realität an und
für sich ist, die sich aus dem Begriffe nicht herausklauben läßt.“80
Nach Kant kommen wir durch transzendentale Deduktion, d.i. die Reflexion auf die
Bedingungen der Möglichkeit des Erkennens, auf die Spontaneität der Verstandesbegriffe, so dass ein Moment der Freiheit im aktiven Vollzug dieser Reflexion gesehen werden kann. Schließlich ist dies ein Denkakt, zu dem wir keineswegs auf Grund
äußerer Ursachen determiniert sind. Um eine freie Reflexion würde es sich aber nur
Kant, KrV, B 304.
A.a.O. B 75.
78 A.a.O., B 297.
79 Es wird zur Kenntnis genommen, dass bei Kant die reinen Verstandesbegriffe auch auf nichtempirische Gegenstände, wie beispielsweise Gott, bezogen werden können. Dies ist allerdings kein
Argument gegen die Begrenztheit der Begriffe durch ihren Gegenstand, da die Zuweisung begrenzter
Begriffe auf einen unbegrenzten Gegenstand logisch unzulässig ist.
80 Hegel, Wissenschaft der Logik, Zweiter Band, 225.
76
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27
dann handeln, wenn sie keinen vorausgesetzten Inhalt aufzeigt, sondern diesen
selbst spontan hervorbringt.
Für Kant stellen die reinen Verstandesbegriffe apriorische Urteile dar, das bedeutet,
sie sind einerseits unbedingte Voraussetzung, andererseits Resultat. Diese widersprüchlich anmutende Auffassung lässt sich verteidigen, wenn man bedenkt, dass
die Begriffe zur Konstitution unserer Erfahrung immer schon da sein müssen, ihr
Nachweis aber gerade deshalb nur rekursiv durch transzendentale Reflexion erbracht werden kann und sie – auf philosophischer Ebene – ein Resultat darstellen.
Aus diesem Grund fällt diese Reflexion, für die sodann ein anderes Vermögen als der
Verstand selbst angenommen werden muss, nicht in den Gegenstandsbereich der
empirischen Einzelwissenschaften, sondern in den der Philosophie.
Obzwar hiermit ein genuiner Gegenstand der Philosophie benannt ist, genügt die
Kantische Vorgehensweise nicht ihrem Selbstanspruch einer transzendentalen Methodik, zumindest sofern die Hegelsche Auffassung des Kantischen Selbstanspruchs
gültig ist. So kann die transzendentale Deduktion nicht als eine Erkenntnis ausgewiesen werden, da sie nicht auf einen empirischen Gegenstand bezogen ist, Kant
selbst dies aber zu einer notwendigen Bedingung der Erkenntnis macht. Hegel fordert darum letztlich ein, die bei Kant noch vorhandene Trennung von Erkenntnisgrund und Seinsgrund eines Begriffs (hier: reiner Verstandesbegriff) aufzugeben.
Für ihn sind die Bestimmungen der Allgemeinheit und Notwendigkeit in der Kantischen Philosophie - genauso wie beim Skeptizismus David Humes – „nichts anderes
als ein vorausgesetztes Faktum […]; man kann nach der gewöhnlichen Sprache in
den Wissenschaften sagen, daß sie nur eine andere Erklärung jenes Faktums aufgestellt habe.“81
Kant selbst sieht, dass die Analyse der Erfahrung, in der die reinen Verstandesbegriffe auftauchen, lediglich ihre „Illustration“, nicht aber der Beweis ihrer notwendigen Geltung wäre.82 Diese der Philosophie obliegende Aufgabe kann mit Kant weder
durch das Verstandesvermögen noch durch die transzendentale Einheit der Apperzeption erfüllt werden. Ersteres ist eine nur formal-operierende Instanz, letztere
eine nur durch ihn gedachte Funktionsbestimmung.
Erschöpft sich Philosophie in der formalen Anwendung gegebener Kategorien, so
manövriert man sie, wenn überhaupt, in jenes under-labourer-Verhältnis zu den
Einzelwissenschaften zurück, in dem Hume sie noch sah.83 Eine Bedrohung, deren
Eintreffen Adorno durchaus konstatiert. „Schließlich hat Philosophie in der allgeHegel, Enzyklopädie I, § 40.
Vgl. Kant, KrV, B 126.
83 Vgl. Hume. An Essay Concerning Human Understanding, xxxv.
81
82
28
meinen Situation von Verfachlichung selbst ebenfalls als Spezialfall sich etabliert,
dem des von allen Sachgehalten Gereinigten. Sie hat dadurch verleugnet, woran sie
ihren eigenen Begriff besaß: Freiheit des Geistes, der dem Diktat des Fachwissens
nicht pariert. Sie hat zugleich durch Abstinenz von bestimmtem Inhalt, […] als formale Logik und Wissenschaftslehre […], ihren realen Bankrott den realen gesellschaftlichen Zwecken gegenüber erklärt.“84
Hier wird zuerst die Bedeutung des einleitend angeführten Anspruchs deutlich, dass
Philosophie sich auf Grundlage ihres Begriffs selbst zu kritisieren hat. Das Aufkommen des logischen Positivismus, als der für Adorno neben der Existentialontologie
prägnanteste Ausdruck des Verfalls der Philosophie, verweist auf das Problem, dass
diese nur auf Grundlage ihrer substantiellen Bestimmung verteidigt werden kann.
Schließlich ist die positivistische Strömung nicht nur institutionell als Philosophie
verbürgt, sondern sie speist sich auch inhaltlich aus den ihr vorangegangenen philosophischen Positionen – darunter auch Kant - und erhält so Einzug in die Geschichte
der Philosophie als, so Adorno, objektiver Einheit. Will man diese Entwicklung kritisieren und nicht als notwendigen Gang einer teleologisch angelegten Geistesgeschichte tolerieren müssen, unter den die Philosophie nur ihr Siegel setzt, ist der
Philosophiebegriff als teilweise unabhängig von den gesellschaftlichen Bewegungsgesetzen – die „darwinistische Naturgeschichte“85 - zu denken, die ihn (auch) bestimmen. Adorno zufolge ist der konstatierte Verfall der Philosophie maßgeblich
einer heteronomen Bestimmung durch gesellschaftliche Bedingungen geschuldet,
gegenüber denen die Philosophie sich zu verteidigen hat, soll sie nicht als „eine winzige und tolerierte Enklave enden, die als solche bereits dem widerstreitet, was sie
sein möchte: ein nicht Partikulares.“86
„Der emphatische Begriff von Philosophie, den die Bewegung des deutschen
Idealismus intendierte, als der Geist der Zeit mir ihr war, fügte nicht Philosophie als Sparte den Wissenschaften hinzu, sondern suchte sie in der lebendigen
Selbstbesinnung des wissenschaftlichen Geistes. Betrachtet man aber den Prozeß der Spezialisierung, der diese Idee der Philosophie zur Phrase von Festrednern erniedrigte, tatsächlich als ein Schlechtes, als Ausdruck der Verdinglichung des Geistes, die dieser mit der zunehmend verdinglichten Tauschgesellschaft erfuhr, so wird man Philosophie geradezu an der Kraft des Widerstands
durchs eigene Denken ablesen können, den der Einzelne der bornierten Aneignung von Kenntnissen, wären es auch die sogenannten Fachphilosophien, entgegensetzt.“87
Abgesehen davon, dass die hier eingeforderte Philosophie des Widerstands eine
noch zu bestimmende Freiheit voraussetzt, gilt es insbesondere zu betonen, dass aus
Adorno, Eingriffe, 12.
Adorno, Theorie der Halbbildung, 96.
86 Adorno, Eingriffe, 12.
87 Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, 33.
84
85
29
Adornos Kritik am logischen Positivismus und an der Existentialontologie keine
fraglose Affirmation Kantischer oder Hegelscher Philosophie als die einzig Wahren
abzuleiten wäre. Sie sind ebenso konstruktiver Kritik auszusetzen, in deren Fortgang „auch diejenigen Philosophien ihren Zeitkern, ihren geschichtlichen Stellenwert [gewinnen], deren Lehrgehalt auf dem Ewigen und Zeitlosen beharrte.“88 Kritik
weist sich allerdings gerade dadurch aus, dass sie sich nicht affirmativ zu hypothetischen gesellschaftlichen Zwecken verhält, sondern ganz unnaiv und unmittelbar sich
mit den Gegenständen auseinandersetzt. Was Kant und Hegel noch als der Philosophie immanent zu begründen versuchten, verkommt Adorno zufolge mit dem Positivismus, da dieser sich jenseits aller Gesellschaftskritik lediglich die allgemeine
Form der gesellschaftlich vereinnahmten Einzelwissenschaften zum Gegenstand
mache.89
5. HALBBILDUNG ALS KOLLEKTIVER NARZISSMUS
In der Bestimmung der Philosophie als einer nicht-partikularen Disziplin klingt
zwangsläufig ein Totalitätsanspruch mit, der – so Adorno – von Apologetik nicht zu
trennen ist. Insofern sei es ein absurdes Unterfangen, wollte die Philosophie heute
noch beanspruchen, sich als ein Gesamtsystem zu konstituieren, das aus sich heraus
das Ganze entfalte. Verzichte sie aber darauf, bringe sie sich zugleich „in Konflikt mit
ihrer ganzen Überlieferung.“90 Eine Überlieferung, auf die sich gerade Adorno in
seiner Kritik an der Halbbildung beruft.
Auf die Werke von Horaz, Schiller wie überhaupt die „goldenen Klassiker“91 verweist
Adorno nicht nur als äußerliche Demonstrationsbeispiele für das, was einst klassenintern als der Kanon bestimmt wurde, der fortan Bildung definierte. Darüber hinaus
gesteht er diesen Kulturgütern einen eigenen Begriff zu, d.h. sie zeichnen sich dem
Inhalt nach durch eine gleichsam zwanglose Verbindlichkeit aus, die jeder notwendig einsehen würde, könnte er sich einmal jenseits aller Bewusstseinspräformation
mit ihnen auseinandersetzen. Bedingt durch die indoktrinal wirkende Kulturindustrie, ist das Subjekt dazu aber gar nicht in der Lage, da seine Rezeption der Kulturgüter nunmehr keinen immanenten Kriterien gehorcht, sondern bloß dem, was es davon zu haben glaubt.92 Dies kann durchaus auch Bildung selbst sein, die ohne verbindliche Einsichten aber zu einer bloß formalen Kategorie verkommt, die man zu
besitzen versucht. Halbbildung ist darum für Adorno ein Zustand von kollektivem
Adorno, Eingriffe, 15.
Vgl. a.a.O., 18.
90 Adorno, Eingriffe, 13.
91 Adorno, Theorie der Halbbildung, 109.
92 Vgl. Adorno, Theorie der Halbbildung, 110.
88
89
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Narzissmus93, da sie intellektuell verbindliche Gehalte in Statusembleme verwandelt, um seine eigenes Bewusstsein aufzuwerten.
„Weil jedoch Halbbildung gleichwohl an die traditionellen Kategorien sich
klammert, die sie nicht mehr erfüllt, so weiß die neue Gestalt des Bewußtseins
unbewußt von ihrer eigenen Deformation. Darum ist Halbbildung gereizt und
böse; das allseitige Bescheidwissen immer zugleich auch ein BesserwissenWollen.“94
Hier zeigt sich gleichsam ein circulus vitiosus, denn erst auf diesem narzisstischen
Bedürfnis heraus erwächst eine Aufgabe für die Kulturindustrie. „Wer der Kontinuität von Urteil und Erfahrung enträt, wird von solchen Systemen mit Schemata zur
Bewältigung der Realität beliefert, welche an diese zwar nicht heranreichen, aber
die Angst vorm Unbegriffenen kompensieren.“95 Auf diese Weise erhält der Narzissmus zusammen mit der Paranoia seine „objektive gesellschaftliche Funktion. Sie
ersetzen jene wesentliche Einsicht, die von der Halbbildung versperrt wird.“96
Dies ist gänzlich dem Begriff von Bildung zuwider, wie er sich aus der Philosophie
Kants und Hegels ergibt. Bei ihnen sind die Gehalte der Bildung nicht als dem Denken äußere Kategorien zu verstehen. Unter kapitalistischen Bedingungen werden sie
aber gleichsam konserviert und vermöge partikularer Interessen auf Kosten ihres
Wahrheitsgehaltes fortgeschleppt. Dies gilt zweifelsohne auch für die Schriften
Kants und Hegels selbst, deren Reflexionen über die Freiheit von konstitutiver Bedeutung für Adornos Theorie der Halbbildung sind.
„Nicht mehr bloß für die nicht mehr Gebildeten sind die Bildungsgüter zerbröckelt sondern an sich, ihrem Wahrheitsgehalt nach. Dieser ist nicht, wie der
Idealismus es wollte, zeitlos invariant, sondern hat sein Leben in der geschichtlich-gesellschaftlichen Dynamik wie die Menschen und kann vergehen.“ 97
6. DIE HYBRIS DES DEUTSCHEN IDEALISMUS
In dem theoretischen Bemühen, die Idee der Freiheit nachzuweisen, zeige „die Philosophie eine Würde, welche, wenn sie ihre Anmaßung nur behaupten könnte, den
Wert aller anderen menschlichen Wissenschaft weiter unter sich lassen würde, indem sie die Grundlage zu unseren größten Erwartungen und Aussichten auf die letzten Zwecke, in welchen alle Vernunftbemühungen sich endlich vereinigen müssen,
verheißt.“98 Das Projekt, das Kant 1787 noch als Anmaßung bezeichnet, wird von
Vgl. Adorno, Theorie der Halbbildung, 114.
A.a.O., 116.
95 A.a.O., 116 f.
96 Ebd.
97 Adorno, Theorie der Halbildung, 109.
98 Kant, KrV, B 491.
93
94
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Hegel ungemildert fortgeführt, wenn er zu Beginn der Phänomenologie des Geistes
(1806) die Philosophie als Selbstzweck artikuliert.99 Schon Hegels Auffassung der
Wissenschaft als ein Kreislauf in sich selbst zeigt an, dass sie ein in sich geschlossenes System sei. Dieses System (als ein System von Begriffen), so Hegel in der Phänomenologie, sei die „Gestalt der Wahrheit“, „das Element ihrer Existenz“ und könne
allein durch die Darstellung der Philosophie befriedigend erklärt werden.100
Dieser zunächst als Hybris anmutende Versuch, die Philosophie über alle anderen
möglichen Weltzugänge zu setzen und ideologisch zu verklären, ist vielmehr ein
Bemühen, diese Gegensätze in einer Einheit zu befassen, mithin zwischen ihnen zu
vermitteln und anstatt in der Verschiedenheit nur den Widerspruch zu sehen, die
unterschiedlichen Formen „zu Momenten der organischen Einheit [zu machen], worin sie sich nicht nur nicht widerstreiten, sondern eins so notwendig als das andere
ist, und diese gleiche Notwendigkeit macht erst das Leben des Ganzen aus.“101 Aus
diesem Grund erschöpft sich sein Projekt auch in der Darstellung der Philosophie,
warnt er gar davor, die Philosophie für erbaulich zu befinden.102 Wenn Hegel die
Philosophie also an die Spitze der Wissenschaft stellt, dann nur, weil sie alle wissenschaftlichen Disziplinen sowie Religion und Kunst in ihrem inwendigen Zusammenhang und damit als Ausdruck eines umfassenden Begriffs von Bildung verstehen
will. Ein Anspruch, der nicht zuletzt berechtigt ist, da die Einzelwissenschaften in
der Philosophie einen gemeinsamen historisch-systematischen Ursprung haben.
Und auch wenn ihre jeweilige Emanzipation von der Philosophie gut und notwendig
war, um der inhaltlichen Differenzierung gerecht zu werden und das methodische
Fortschreiten zu befördern, so darf heute nicht die Reflexion auf den objektiven
Wissenschaftsbegriff wie auch ihre gemeinsame Zwecksetzung, nämlich den der
Wahrheitsfindung, in Vergessenheit geraten. Gerade in einer Zeit, da die einzelnen
wissenschaftlichen Disziplinen durch deren Abhängigkeit von Drittmitteln in ein
Konkurrenzverhältnis gedrängt werden und ihre anschließende Vernetzung nur
anhand von externen Kriterien erfolgt statt aus einem inhaltlichen Zusammenhang
heraus.103
Obgleich nicht auf die Einzelwissenschaften reduziert, gehört die Tätigkeit des Verstandes auch zu deren Möglichkeitsbedingungen. Die Kantische Reflexion geht insofern auf ein Denken als ersten Grund für die Gültigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse. Da aber die desolate psychische Beschaffenheit des Subjekts in der KulturinVgl. Hegel, Phänomenologie des Geistes, 3 f.
A.a.O., 6.
101 A.a.O., 4.
102 A.a.O., 9.
103 Vgl. Konrad Paul Liessmann, Theorie der Unbildung, 112 ff.
99
100
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dustrie eine gesellschaftliche Funktion bekommen hat, und auch die pädagogische
Praxis auf empirische Subjekte gerichtet wurde, ist das Ich selbst zum „Material der
Analyse“ und „einmal unter die Dinge eingereiht, deren Nichtigkeit überantwortet“104 worden. Ohne das Denken des Kantischen Ich, dessen subjektive Bedingungen
objektive Gültigkeit beanspruchen, verbleibt „kein Maß […] fürs Maß aller Dinge, es
verfällt der Kontingenz und wird zur Unwahrheit.“105 Der Wissenschaft, die das empirische Ich zu ihrem Gegenstand hat – die Psychologie – wird in diesem Gesamtzusammenhang die Funktion oktroyiert, den Menschen erst recht zu einem Objekt zu
machen. „Die Verdrängung der Philosophie durch die Wissenschaft [aber] hat, wie
man weiß, zu einer Trennung der beiden Elemente geführt, deren Einheit Hegel zufolge das Leben von Philosophie ausmacht, Reflexion und Spekulation.“106 Hegels
dialektischer Wissenschaftsbegriff wird, so Adorno, von einer rein empiristischen
Wissenschaft abgelöst, die den Menschen als Objekt durch bloße Analyse in seine
Fähigkeiten zerlegt, was, ohne erneute Vermittlung, nichts als „eine Projektion der
Arbeitsteilung auf deren vorgebliche Subjekte [ist], untrennbar vom Interesse, sie
mit höherem Nutzen einzusetzen, überhaupt manipulieren zu können.“107 Dieses
Manipulationsinteresse ist der Analyse immanent, die das Kontingente und Unfreie
an Menschen, die „nicht kontroverse Seite der Erscheinung, ihr[en] unbefragt hingenommene[n] Abdruck, die aus klassifizierten Daten genügte Fassade“108 zum Objektiven erklärt. Aber der Wert eines Gedankens „mißt sich an seiner Distanz von der
Kontinuität des Bekannten. Er nimmt objektiv mit der Herabsetzung dieser Distanz
ab; je mehr er sich dem vorgegebenen Standard annähert, um so mehr schwindet
seine antithetische Funktion […].“109 Auf diese Weise endet man bei einer affirmativen Wissenschaft, die mangels Reflexion auf ihr eigenes Denken leicht zu vereinnahmen ist. Beispielhaft zu erwähnen wäre die Angewandte Psychologie, die schon
zu Anbeginn des 20. Jahrhundert sich der Aufgabe verschrieb, zur Erfüllung heteronomer Interessen adäquate Prüfungstechniken zu entwickeln.110
Diese heteronomen Interessen sind hauptsächlich ökonomischer Natur. Ein Mittel
für sie, sich durchzusetzen, ist die bereits erwähnte, durch die Forschungspolitik
initiierte Drittmittelkonkurrenz, in der vor allem die Fächer begünstigt werden, „die
eine rasche ökonomische Verwertbarkeit erwarten lassen“111 und in der den GeisAdorno, Minima Moralia, Nr. 39.
Ebd.
106 A.a.O., Nr. 76.
107 A.a.O., Nr. 39.
108 A.a.O., Nr. 43.
109 A.a.O., Nr. 50.
110 Vgl. Gelhard, Kritik der Kompetenz, 71 ff.
111 Dzierzbicka/Schirlbauer (Hrsg.), Pädagogisches Glossar der Gegenwart, 294.
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teswissenschaften ein naturwissenschaftlich geprägtes Forschungsmodell übergestülpt wird.112 In solcher bloß auf die Gestaltung des Lebens ausgerichteten Wissenschaft „verklärt Reflexion die gesellschaftlich anbefohlene Trennung von körperlicher und geistiger Arbeit.“113 Sie erfordert keine kritische Reflexion, sondern vielmehr ein der Natur sich Gleichmachen, um das Daseiende kontrollieren zu können.
7. DIE IMMANENZ DER SPONTANEN BEGRIFFSGENESE
Kritische Reflexion kann nicht durch den Verstand geleistet werden. Er muss mit
einer anderen Instanz zusammenhängen, welche die Begriffe als Bedingung der
Selbsttätigkeit generiert. Diese Instanz ist die Vernunft, die qua transzendentaler
Deduktion die Einheit der Apperzeption als „Prinzip der Möglichkeit der Erfahrung“114 erschließt. Bei Kant ist die Vernunft überhaupt „das Vermögen der Prinzipien“115 und hat damit das Potential, die Verstandesregeln in eine Einheit zu bringen. Insofern kann die Deduktion des transzendentalen Ichs nur in das Vermögen
der Vernunft fallen, da der Verstand synthetische Erkenntnisse aus Begriffen gar
nicht verschaffen kann.116
Hegels Kritik an der Kantischen Erkenntnistheorie scheint darauf hinauszulaufen,
die Differenz von Verstand und Vernunft einzuebnen. Zunächst geht Kant ihm nicht
weit genug, da dessen Reflexion auf die reinen Verstandesbegriffe lediglich eine auf
deren Rechtmäßigkeit gehende Deduktion de iure, nicht aber de facto darstellt. Deshalb macht Hegel darüber hinausgehend die Daseinsbegründung der reinen Verstandesbegriffe in seiner Wissenschaft der Logik zum Projekt und versucht eine Lehre vom Begriff überhaupt zu entwickeln. Eine solche einheitliche Lehre ist dann tatsächlich als Argument dafür anzusehen, dass sowohl Verstandes- als auch Vernunftbegriffe der Genese nach einen Ursprung haben und sich von diesem Standpunkt aus
nicht unterscheiden.
Ohne dies hier im Detail zu erörtern, soll Hegels Punkt aufgegriffen werden, dass
Kant sich in einen Widerspruch verstrickt, wenn er die reinen Verstandesbegriffe
einerseits als unbedingt aufzeigt, sie andererseits aber durch ihren formalen Charakter, auf Grund dessen sie immer nur in der Anwendung gezeigt werden können,
begrenzt. Schließlich weiß auch Kant, dass „das Unbedingte allein die Totalität der
Bedingungen möglich macht, und umgekehrt die Totalität der Bedingungen jederzeit
Vgl. Münch, Die akademische Elite, 75.
Adorno, Theorie der Halbbildung, 96.
114 Kant, KrV, B 168.
115 A.a.O., B 356.
116 Vgl. a.a.O., B 357.
112
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selbst unbedingt ist: so kann ein reiner Vernunftbegriff überhaupt durch den Begriff
des Unbedingten, sofern er einen Grund der Synthesis des Bedingten erhält, erklärt
werden.“117 Wenn also die Vernunft einen Grund der Synthesis des Bedingten darstellt, muss sie mithin Grund der die Kategorien enthaltenen transzendentalen Einheit sein und kann sich eben nicht darin erschöpfen, ein ihr Äußerliches in einem
Prinzip zu fassen. Genau das meint Hegel, wenn er der Kantischen Philosophie vorwirft, es sich mit der Auffindung der Kategorien sehr bequem gemacht zu haben.
„Ich, die Einheit des Selbstbewußtseins, ist ganz abstrakt und völlig unbestimmt; wie ist also zu den Bestimmungen des Ich, den Kategorien, zu kommen? Glücklicherweise finden sich in der gewöhnlichen Logik die verschiedenen Arten des Urteils bereits empirisch angegeben vor. […] Wenn das Denken
irgend etwas zu beweisen fähig sein soll, wenn die Logik fordern muss, daß
Beweise gegeben werden, und wenn sie das Beweisen lehren will, so muß sie
doch vor allem ihren Inhalt zu beweisen, dessen Notwendigkeit einzusehen, fähig sein.“118
Anderenfalls ginge die Funktion der Vernunft qualitativ nicht über die des Verstandes
hinaus, etwas ihm Fremdes in eine Ordnung zu bringen. Und tatsächlich spricht Kant
der Vernunft ein über das Verstehen des Verstandes hinausgehendes Begreifen zu119,
gesteht aber zugleich, dass ein Vernunftschluss sich durch „formale und logische Verfahren“120 auszeichne und selbst nichts anderes sei „als ein Urteil, vermittelst der Subsumtion seiner Bedingung unter eine allgemeine Regel.“121 So dienen die reinen Vernunftbegriffe, auch als Ideen bezeichnet, als bloße Ordnungsprinzipien der Verstandesbegriffe, so dass das Resultat - gemäß der Kantischen Differenzierung - kein geschlossener Begriff wäre, sondern ein bloß reflektierter.122 Bliebe es bei einem rein
formalen Verfahren, könnte man zudem nicht erklären, auf welcher Grundlage die
einzelnen Verstandesbegriffe inhaltlich voneinander unterschieden werden.
Hegel gesteht dem Denken dagegen das Potential zu, allgemeine und notwendige Inhalte aus sich heraus hervorzubringen, und beansprucht so, das Problem zu lösen,
dass Kant - bezogen auf die Verstandesbegriffe - den Begriff „als das Objektive der
Erkenntnis“ angibt, „somit als Wahrheit“, ihn auf der anderen Seite aber als etwas
„bloß Subjektives“ nimmt, aus dem sich „die Objektivität […] nicht herausklauben
lasse.“123 Auf diese Weise begehe die Kantische Philosophie denselben Fehler wie die
„alte Metaphysik“, nämlich eine „bloße Verstandesansicht der Vernunftgegenstän-
Kant, KrV, B 379.
Hegel, Enzyklopädie I, § 42.
119 Vgl. Kant, KrV, B 367.
120 A.a.O., B 363.
121 A.a.O., B 364.
122 Vgl. a.a.O., B 366.
123 Hegel, Wissenschaft der Logik, Zweiter Band, 223.
117
118
35
de“124 durchzuführen, in der vorausgesetzt sei, „daß die Erkenntnis des Absoluten in
der Weise geschehen könne, daß ihm Prädikate beigelegt werden.“125 So werde versäumt, „die Verstandesbestimmungen [also die Prädikate; S.S.] ihrem eigentümlichen
Inhalte und Werte nach“ zu untersuchen und in diesem Zusammenhang zu fragen, „ob
solche Prädikate an und für sich etwas Wahres seien.“126
Über den Kantischen Anspruch hinaus, die objektive Gültigkeit subjektiver Bedingungen des Denkens nachzuweisen127, geht es Hegel darum, diese Bedingungen
selbst als das Objektive zu identifizieren. Dazu müssen „die Formen des Denkens
selbst zum Gegenstand des Erkennens gemacht werden“, ohne dem Irrtum zu unterliegen, „vor dem Erkennen schon erkennen oder nicht eher ins Wasser gehen zu
wollen, bevor man schwimmen gelernt hat.“128 Um die Formen des Denkens aber
nicht unhinterfragt zu gebrauchen, müssen diese zum Erkenntnisgegenstand gemacht werden, so dass „die Tätigkeit der Denkformen und ihre Kritik im Erkennen
vereinigt“129 sind. Dies setzt ein Potential des Denkens voraus, in einem Prozess die
beim Denken schon immer vorausgesetzten Formen zugleich als dessen Resultat zu
erweisen, ohne dabei in einen Zirkel zu verfallen.
Hegel verweist mit diesem Anspruch auf das Denken als eine in sich differenzierende Totalität, die sich durch die Aufhebung ihrer immanenten Gegensätze entfaltet.
Bezogen auf die Kantischen Verstandesbegriffe soll also gezeigt werden, dass der
Begriff „in sich selbst eine Einheit unterschiedener Bestimmungen“130 ist. „Wenn die
Wahrheit also weiter nichts wäre als der Mangel des Widerspruchs, so müßte bei
jedem Begriffe zuerst betrachtet werden, ob er nicht für sich einen solchen inneren
Widerspruch enthalte.“131
Erst durch den Nachweis, dass das Denken in seiner Bewegung den Begriff generiert, wäre die Vernunft hinreichend als ein spontanes Vermögen bestimmt, das neben dem formalen auch einen „realen Gebrauch“ habe, „da sie selbst den Ursprung
gewisser Begriffe und Grundsätze enthält, die sie weder von den Sinnen, noch vom
Verstande entlehnt“.132 So würde zugleich das bisher noch sehr unvermittelt erscheinende Verhältnis von Verstand und Vernunft geklärt, mithin gezeigt werden
können, dass die Vernunft der höchste, also ihr eigener Grund ist. Dieser Anspruch
Hegel, Enzyklopädie I, § 27.
Hegel, Enzyklopädie I, § 28.
126 Ebd.
127 Vgl. Kant, KrV, B 122.
128 Hegel, Enzyklopädie I, § 41 (Zusatz I).
129 Ebd.
130 A.a.O., § 33.
131 A.a.O., § 33.
132 Kant, KrV, B 355.
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125
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ist schon im Projekt der Kritik der reinen Vernunft angelegt, in deren ambivalentem
Titel die Vernunft das Kritisierende und das Kritisierte zugleich ist. Bei Kant ist das
Subjekt, das sich seiner Vernunft bedient, unhintergehbare Bedingung, da die Vernunft lediglich ein Moment von dessen Bestimmung ausmacht. Wenn Kant diesem in
seiner Vernunfttätigkeit ein erzeugendes Potential zusprechen will, so zielt dies auf
nichts anderes als die Begründung jenes freien und selbstbewussten Subjekts, das
notwendige Bedingung aller Bildung ist.
8. DAS ANTINOMISCHE WESEN DER FREIHEIT
Ein spontanes Vermögen, das ohne äußere Anstöße etwas bewirkt, ist die theoretische Bedeutung des Freiheitsbegriffs, den Kant dezidiert in der Dritten Antinomie
innerhalb der transzendentalen Dialektik verhandelt. Dieser Freiheitsbegriff ist –
und das ist angesichts der Trennung von Verstand und Vernunft konsequent - abzugrenzen von den reinen Verstandesbegriffen. Freiheit fällt bei Kant unter die reinen
Vernunftbegriffe, die er auch als transzendentale Ideen bezeichnet.133
Das unbedingte Vernunftvermögen unterstellt dessen Unmittelbarkeit und führt
Kant zu der These, dass die Kausalität nach Gesetzen der Natur nicht die einzige sei,
„aus welcher die Erscheinungen der Welt insgesamt abgeleitet werden können. Es
ist noch eine Kausalität durch Freiheit zur Erklärung derselben anzunehmen nötig.“134 Freiheit ist bei Kant also zunächst negativ bestimmt, d.h. er bedient sich eines
apagogischen Beweises, indem er die Antithese der Antinomie, es sei keine Freiheit,
„sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur“135, als
selbstwidersprüchlich identifiziert. So impliziere das Absolutsetzen des Kausalitätsparadigmas, dass die Ursache einer jeden Wirkung selbst nicht unbedingt, sondern
ihrerseits in der Zeit geworden ist, d.h. einen je vorigen Zustand und dessen Kausalität, dieser aber ebenso einen noch älteren voraussetzt usw.“136 „So gibt es jederzeit
nur einen subalternen, niemals aber einen ersten Anfang, und also überhaupt keine
Vollständigkeit auf der Seite der voneinander abstammenden Ursachen. Nun besteht
aber darin eben das Gesetz der Natur: dass ohne hinreichend a priori bestimmte
Ursache nichts geschehe. Also widerspricht der Satz, als wenn alle Kausalität nur
Vgl. Kant, KrV, B 368.
A.a.O., B 472.
135 A.a.O., B 473.
136 A.a.O., B 472.
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134
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nach Naturgesetzen möglich sei, sich selbst in seiner unbeschränkten Allgemeinheit,
und diese kann also nicht als die einzige angenommen werden.“137
An dieser Stelle könnte man den Verstand, der den Erkenntnisgegenständen die
Formen des Erkenntnisvermögens beilegt, als die „absolute Spontaneität“138 setzen,
deren Notwendigkeit sich für Kant aus dem soeben demonstrierten negativen Beweis ergibt. Dies ist aber unzulässig, da die Spontaneität des Verstandes als Gedankending im negativen Verstande bei Kant nur eine Reflexionsbestimmung ist, von
der es fraglich ist, ob sie innerhalb der empirischen Welt kausal wirken kann. So
erscheint es durchaus unbefriedigend, wie Kant selbst bemerkt, dass unter der Bedingung eines solchen Freiheitspotentials eine Reihe von aufeinander folgenden
Wirkungen nicht bloß spontan anfängt, „sondern die Bestimmung dieser Spontaneität selbst zur Hervorbringung der Reihe“139 würde. Hier findet sich implizit der Hegelsche Anspruch wieder, dass das Denken eines Gegenstandes zugleich das hervorbringt, was mit ihm gedacht wird.
Mit Kant ist diese ‘Initialzündung‘ nicht zu rechtfertigen, jedenfalls nicht auf dieser
theoretischen Ebene, da sein formeller Vernunftbegriff keinen Hinweis auf jene Bestimmung der Spontaneität liefert, durch die eine Reihe hervorgebracht werden soll.
In der Kritik der reinen Vernunft ist der Sprung von der Spontaneität als Denkbestimmung hin zu den kausalen Ereignissen der empirischen Welt nicht zu zeigen.
Kant sieht an dieser Stelle vielmehr einen Anfang behauptet, der gleichsam aus dem
Nichts erfolgt, weil er keinen Zustand einer „noch nicht handelnden Ursache“140 voraussetzt und vielmehr selbst ohne jeden Zusammenhang mit den empirisch wirkenden Ursachen sein soll. Damit ist, so schlussfolgert Kant im Beweis der Antithese,
„die transzendentale Freiheit dem Kausalgesetze entgegen, und eine solche Verbindung der sukzessiven Zustände wirkender Ursachen, nach welcher keine Einheit der
Erfahrung möglich ist, die also in keiner Erfahrung angetroffen wird, mithin ein leeres Gedankending.“141
Indem Kant also sowohl die Kausalität aus Freiheit als auch die Kausalität nach Naturgesetzen beweist, indem er die jeweils entgegen gesetzte These auf eine immanente Widersprüchlichkeit zurückführt, weist er beide als in einen antinomischen
Widerspruch verstrickt auf. Antinomisch darum, weil sich dieser Widerspruch nicht
auflösen lässt, indem eine der Positionen als falsch identifiziert wird. Kants Lösung
Kant, KrV, B 474.
A.a.O., B 474.
139 A.a.O., B 473.
140 A.a.O., B 473.
141 A.a.O., B 457.
137
138
38
besteht darin, aufzuzeigen, dass beiden Positionen jeweils andere Bedingungen zugrunde liegen und sie sich darum doch nicht widersprechen.
„Die kritische Philosophie hat es mit dem Empirismus gemein, die Erfahrung
für den einzigen Boden der Erkenntnisse anzunehmen, welche sie aber nicht
für Wahrheiten, sondern nur für Erkenntnisse von Erscheinungen gelten
lässt.“142
Hegel referiert korrekt, dass bei Kant jede Erkenntnis auf das bezogen ist, was uns in
der Erfahrung erscheint. Keine der zwölf von ihm benannten Kategorien vermag im
transzendentalen Gebrauche zu sein, d.h. „daß die Grundsätze des reinen Verstandes
nur in Beziehung auf die allgemeinen Bedingungen einer möglichen Erfahrung, auf
Gegenstände der Sinne, niemals aber auf Dinge überhaupt […] bezogen werden können.“143 Hierbei muss aber vorbehalten werden, dass wir die Gegenstände „auch als
Dinge an sich selbst, wenngleich nicht erkennen, doch wenigstens müssen denken
können. Denn sonst würde der ungereimte Satz daraus folgen, daß Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint.“144 Denken ist bei Kant – in Abgrenzung zum Erkennen - als die Handlung bestimmt, „gegebene Anschauung auf einen Gegenstand
zu beziehen.“145 Da das Ding an sich aber ein Gegenstand jenseits unserer Anschauung (und damit auch jenseits unserer Erkenntnis) ist, handelt es sich um die Reflexionsbestimmung eines intelligiblen Gegenstandes, dem beim Erkennen eine nur regulative Funktion zukommt und der uns darum nicht erscheinen kann, wie Kant in
der Vorrede (s.o.) zu behaupten scheint. Das Ding an sich ist kein ontologisches Korrelat der Erscheinung. Als prinzipiell Unerkennbares (nur reflektiertes) ist dieses
Ding an sich als ein nicht in Raum und Zeit zu verortendes, nicht in die phänomenale
Welt fallendes Wesen, ein Noumenon im negativen Verstande.146
Diese Differenzierung zwischen einer phänomenalen Welt der in Raum und Zeit
fallenden Erscheinungen, die vom Subjekt in der Form der kausalen Gesetzmäßigkeit gedacht werden, und einer noumenalen Welt als unabhängig von dieser Form,
ist für Kant insofern die Auflösung der Antinomie, als sie so von einem Widerspruch
zu einem Gegensatz wird. Fasst man Freiheit theoretisch als Unbedingtheit auf, dann
ist sie ausschließlich als ein Ding an sich zu denken (nicht zu erkennen), dem keine
spezifische Bestimmung durch das Konstitutionsvermögen des Subjekts zukommen
kann und das insofern die Totalität aller Bedingungen umfasst. So erklärt sich letztHegel, Enzyklopädie I, § 40.
Kant, KrV, B 303.
144 A.a.O., B XXVI.
145 A.a.O., B 304.
146 Dass dieses Wesen bei Kant durch den Verstand gedacht wird, dieser mithin entgegen seinem ihm
zuvor zugewiesenen Potential sich selbst die eigenen Grenzen aufzeigt – nämlich nur mit Erscheinungen operieren zu können – ist ein Folgeproblem des undefinierten Verhältnisses von Verstand und
Vernunft.
142
143
39
lich, dass das Ding an sich als Begriff im Singular zu benennen ist. Von Dingen an
sich zu sprechen ist nur vor dem Hintergrund zulässig, dass das Ding an sich, als
Totalität der Bedingungen, sich auf der Erscheinungsebene enthüllt und vom Subjekt in den spezifischen Erkenntnisgegenständen (als Momente des Ganzen) im positiven Sinne gewusst wird. Faktisch sind die Dinge an sich aber als gewusste Gegenstände nicht mehr an sich, sondern für das Subjekt. Ein Übergang, der im Übrigen
möglich sein muss, soll die Freiheit nicht in einer Parallelwelt von der Sphäre der
Erscheinungen abgeschlossen bleiben.
9. DIE GRENZE DER THEORIE
Auf begrifflicher Ebene verbleibt der Vorwurf, die Kantische Freiheitsidee als bloßes
Phantasma abzutun. Zwar will Kant zeigen, dass Freiheit widerspruchsfrei neben
der Naturkausalität gedacht werden kann, aber gerade in diesem Denken verbleibt
sie – das nimmt er auch zur Kenntnis – im Bereich des Möglichen, jenseits der Darlegung ihrer Realität durch die Tat.147 Das Ding an sich, das bei ihm die theoretische
Bestimmung der Freiheit ausmacht, bleibt ein negatives Verstandesresultat und ist
angesichts der Realität eine bloße Möglichkeit, deren Bestimmung als „absolute und
perennierende […] und ihre Beziehung auf das, was sie will, überhaupt auf ihre Realität, nur für eine Anwendung auf einen gegebenen Soff an[zusehen], die nicht zum
Wesen der Freiheit selbst gehöre; er hat es auf diese Weise nur mit dem Abstraktum,
nicht mit ihrer Idee [im Hegelschen Sinne; S.S.] und Wahrheit zu tun.“148 Und Kant
selbst gesteht, dass dieser theoretische Nachweis alles ist, was die Kritik der reinen
Vernunft innerhalb ihrer Grenzen zu leisten vermag.
„Ferner haben wir auch gar nicht einmal die Möglichkeit der Freiheit beweisen
wollen; denn dieses wäre auch nicht gelungen, weil wir überhaupt von keinem
Realgrunde und keiner Kausalität, aus bloßen Begriffen a priori, die Möglichkeit
erkennen können. Die Freiheit wird hier nur als transzendentale Idee behandelt, wodurch die Vernunft die Reihe der Bedingungen in der Erscheinung
durch das Sinnlichunbedingte schlechthin anzuheben denkt, dabei sich aber in
eine Antinomie mit ihren eigenen Gesetzen, welche sie dem empirischen Gebrauche des Verstandes vorschreibt, verwickelt. Daß nun diese Antinomie auf
einem bloßen Scheine beruhe, und, daß Natur der Kausalität aus Freiheit wenigstens nicht widerstreite, das war das einzige, was wir leisten konnten, woran
es uns auch einzig und allein gelegen war.“ 149
Angesichts dessen, dass die Dritte Antinomie auf Grundlage der Differenz von Phaenomena und Noumena formuliert worden ist und diese nicht als theoretische Auflösung eines Widerspruchs, sondern als Grundlage eines wohlgemerkt konstitutiven
Vgl. Kant, KrV, A 3.
Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 10.
149 Kant, KrV, B 586.
147
148
40
Gegensatzes angesehen werden darf150, entpuppt sich die theoretische Freiheitsdiskussion augenscheinlich als gänzlich belanglos für das praktische Handeln. In dieses
fällt auch das tätige Erkennen, da bei Kant „diejenige Bewirkung eines Zwecks Praxis
[ist], welche als Befolgung gewisser im allgemeinen vorgestellten Prinzipien des
Verfahrens gedacht wird.“151
Es scheint wenig gewonnen durch das Denken einer Freiheit, die von der realen
Welt gänzlich abgerückt ist. Ein darüber hinausgehender, substantieller Beweis der
menschlichen Freiheit ist also notwendig, im Übrigen nicht nur, um den Geltungsanspruch der Philosophie über das Denken und Dichten hinauszuheben.152 Aus den
bisherigen Ausführungen sollte hervorgegangen sein, dass das Problem der Unbedingtheit keineswegs nur die Philosophie affiziert, sondern ebenso die Einzelwissenschaften und die gesamte Sphäre der Bildung überhaupt. Der Versuch einer Lösung hat, auch Adorno zufolge, die Bildung nicht nur in ihrer theoretischen Bestimmung, sondern auch in ihrer gesellschaftlichen Realisation maßgeblich befördert.
Zwar hat „die deutsche Bildung in ihrer großen Epoche nicht durchweg die Kenntnis
der gleichzeitigen Philosophie eingeschlossen, die selbst in den Jahren zwischen
1790 und 1830 wenigen reserviert war. Aber jene Philosophie war doch der Bildung
immanent. Nicht nur hat sie genetisch Figuren wie Humboldt und Schleiermacher zu
ihren Konzeptionen des Bildungswesens veranlaßt. Sondern der Kern des spekulativen Idealismus, die Lehre vom objektiven, über die bloße psychologische Einzelperson hinausgehenden Charakter des Geistes, war zugleich das Prinzip der Bildung als
das eines Geistigen, das nicht unmittelbar einem anderen dienstbar, nicht unmittelbar an seinem Zweck zu messen ist.“153 Ein Hinweis, welcher der Philosophie ein
enormes Potential zuspricht, gesellschaftlich wirkmächtig zu sein, der zugleich aber
weitergehende Erläuterungen des Freiheitsbegriffs notwendig macht.
10. DAS INTELLIGIBLE ICH UND SEINE PROZESSUALE AUFHEBUNG
Hegel erweitert die Kantische Philosophie, indem er entgegnet, dass man durchaus
wissen könne, was das Ding an sich sei. Ausgehend von der Kantischen Bestimmung
des Dings an sich als des von jeder Gedanken- und Empfindungsbestimmung losgeWenn Kant es als Gesetz der Natur ausgibt, dass ohne hinreichend a priori bestimmte Ursache nichts
geschehe, und das Potential der transzendentalen Freiheit proklamiert, dass die Bestimmung der Spontaneität zum Anfang einer Reihe wird, dann ist der Unterschied von phaenomena und noumena bereits
in der Dritten Antinomie erhalten, diese also auf der Grundlage jenes Unterschieds formuliert und nicht
dadurch aufgelöst.
151 Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, A
201.
152 Vgl. Kant, KrV, B 497.
153 Adorno, Theorie der Halbbildung, 106.
150
41
lösten Gegenstandes, schließt Hegel folgerichtig, dass das Ding an sich „das völlige
Abstraktum“, eine inhaltsleere Identität sei und insofern vollkommen der Unbestimmtheit der „ursprünglichen Identität des Ich im Denken“ entspreche.154 Damit
setzt Hegel Kants Ding an sich und das denkende Ich auf noumenaler Ebene gleich.
„Was hier Vernunftgegenstand heißt, das Unbedingte oder Unendliche, ist
nichts anderes als das Sich-selbst-Gleiche, oder es ist die […] ursprüngliche
Identität des Ich im Denken. Vernunft heißt dies abstrakte Ich oder Denken,
welches diese reine Identität sich zum Gegenstande oder Zweck macht. […] Dieser schlechthin bestimmungslosen Identität sind die Erfahrungserkenntnisse
unangemessen, weil sie überhaupt von bestimmtem Inhalte sind.“ 155
Dies ist insofern plausibel, als die Kantische Erkenntnistheorie als theoretischen
Fundaments eines transzendentalen Objekts bedarf, das als ein nicht-empirisches in
keinem Bedingungsverhältnis zu einem Anderen steht und darum nicht als Akzidens, sondern als Substanz zu denken ist. Wäre das Ding an sich eine den Erscheinungen korrespondierende Größe, so gäbe es notwendig genau so viele Dinge an
sich wie Erscheinungen, was dem Ich als einer tätigen Substanz widerspricht.
Wie gezeigt wurde, ist dieses Tätige nicht die transzendentale Einheit der Apperzeption, denn ob ihrer gleichfalls inhaltsleeren Bestimmung macht sie als Verstandesgröße nur ein Moment der Vernunft aus, das allein nicht prozessual sein kann. Die
Vernunft macht sich jenes transzendentale Objekt zum Gegenstand, das Kant als
intellektuelles Ich bestimmt und von dem Kant in der Grundlegung der Metaphysik
der Sitten darlegt, dass es notwendigerweise angenommen werden muss.
„Sogar sich selbst und zwar nach der Kenntnis, die der Mensch durch innere
Empfindung von sich hat, darf er sich nicht anmaßen zu erkennen, wie er an
sich selbst sei. Denn da er doch sich selbst nicht gleichsam schafft und seinen
Begriff nicht a priori, sondern empirisch bekommt, so ist natürlich, daß er auch
von sich durch den inneren Sinn und folglich nur durch die Erscheinung seiner
Natur und die Art, wie sein Bewußtsein affiziert wird, Kundschaft einziehen
könne, indessen er doch notwendigerweise über diese aus lauter Erscheinungen zusammengesetzte Beschaffenheit seines eigenen Subjekts noch etwas anderes zum Grunde liegendes, nämlich sein Ich, sowie es an sich selbst beschaffen sein mag, annehmen und sich also in Absicht auf die bloße Wahrnehmung
und Empfänglichkeit der Empfindungen zur Sinnenwelt, in Ansehung dessen
aber, was in ihm reine Tätigkeit sein mag […], sich zur intellektuellen Welt zählen muß, die er doch nicht weiter kennt.“156
Da das Ding an sich als das der Erscheinung zum Grund liegende Objekt bestimmt ist
und insofern außerhalb des Ichs liegt, dürfen beide keineswegs als identisch angenommen werden, sondern nur als zwei Größen mit analoger Bestimmung. Zwar ist
das intellektuelle Ich gleich dem Ding an sich im Kantischen Sinne nicht erkennbar
und kann lediglich negativ erschlossen werden, allerdings geht die Bestimmung des
Hegel, Enzyklopädie I, §§ 44, 45.
A.a.O., § 45.
156 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 87.
154
155
42
Ichs als „reine Tätigkeit“ über die Bestimmung des Dings an sich hinaus. Tätigkeit
setzt eine zwecksetzende Instanz voraus, die bei Kant explizit in der Vernunft besteht und nicht in dem prinzipiell unerkennbaren Ding an sich hinter den Erscheinungen.157 Vermöge der Vernunft kann der Mensch seinem Verstand erst seine
Grenzen aufzeigen, indem er sich einerseits als intelligibles (autonomes), andererseits als empirisches (heteronomes) Wesen erkennt. Erst dieser Gegensatz macht
eine autonome Zweckbestimmung überhaupt erst möglich und erforderlich.
Diese Möglichkeit beansprucht Kant in der Kritik der praktischen Vernunft (1788)
nachzuweisen und damit die über die Kritik der reinen Vernunft hinausgehende Argumentation für das Dasein der Freiheit zu liefern. Dort soll „der praktische Gebrauch der Vernunft mit den Elementen des theoretischen verknüpft [werden]. Und
dieses Bedürfnis ist nicht etwa ein hypothetisches, einer beliebigen Ansicht der Spekulation, daß man etwas annehmen müsse, wenn man zur Vollendung des Vernunftgebrauchs in der Spekulation hinaufsteigen will, sondern ein gesetzliches, etwas anzunehmen, ohne welches nicht geschehen kann, was man sich zur Absicht seines
Tuns und Lassens unnachlaßlich setzen soll.“158
Analog zum theoretischen Erkennen, das zwar bei unbedingten Formen seinen Ausgang nimmt, wegen der Notwendigkeit und Allgemeinheit dieser Formen jedoch
nicht beliebig ist, besteht Kants praktisches Freiheitsverständnis nicht darin, dass
man tut, was man will - ein Ansatz, der grundsätzlich von Hegel übernommen wird.
„Die gewöhnlichste Vorstellung, die man bei der Freiheit hat, ist die der Willkür,
- die Mitte der Reflexion zwischen dem Willen als bloß durch die natürlichen
Triebe bestimmt, und dem an und für sich freien Willen. Wenn man sagen hört,
die Freiheit überhaupt sei dies, daß man tun könne, was man wolle, so kann
solche Vorstellung nur für gänzlichen Mangel an Bildung des Gedankens genommen werden, in welcher sich von dem, was der an und für sich freie Wille,
Recht, Sittlichkeit usf. ist, noch keine Ahnung findet.“ 159
Nach Kant ist man noch nicht frei, wenn man tut, was man will, weil in dieser Pauschalaussage noch keine Reflexion auf die möglichen Bestimmungsgründe des Willens
enthalten ist. Schließlich wirken nicht zuletzt innerhalb der Kulturindustrie heteronome Einflüsse auf den Menschen, die dessen Willen kausal determinieren. Insofern
also ein Mensch seinen Willen gemäß diesen praktischen Grundsätzen bestimmt,
kann von einem freien Willen in keiner Weise gesprochen werden. Kant bezeichnet
diese Grundsätze als subjektive Maximen, da sie einen kontingenten Ursprung haben,
ihre Bedingung also „nur als für den Willen des Subjekts gültig von ihm angesehen
Vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 78.
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, A 7.
159 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 15.
157
158
43
wird.“160 Freiheit bedeutet demnach bei Kant zuerst die Unabhängigkeit von heteronomen Bestimmungsgründen. Zugleich bedarf es aber einer über dieses negative
Moment hinausgehenden, positiven Bestimmung des freien Willens, da bei der Abstraktion von jedweden Bestimmungsgründen ansonsten ein nichts wollender, mithin
durch Zufall bestimmter Wille übrig bliebe, der ebenso wenig frei wäre.161
Ein freier Wille liegt für Kant nur dann vor, wenn das Subjekt – im wörtlichen Sinne
von Autonomie - sich selbst das Gesetz seines Handelns vorschreibt. Dies sei nur der
Fall, wenn der Wille durch die Vernunft als jene unbedingte Instanz bestimmt werde, als die sie bereits erschlossen worden ist. Diese Konstruktion, in der die menschliche Vernunft sich als frei weiß, sofern sie dasjenige ist, was den Willen bestimmt,
weist auf den ersten Blick eine zirkuläre Struktur auf, die Kant selbst in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten problematisiert.
„Es zeigt sich hier, man muß es frei gestehen, eine Art von Zirkel, aus dem, wie
es scheint, nicht herauszukommen ist. Wir nehmen uns in der Ordnung der
wirkenden Ursachen als frei an, um uns in der Ordnung der Zwecke unter sittlichen Gesetzen zu denken, und wir denken uns nachher als diesen Gesetzen unterworfen, weil wir uns die Freiheit des Willens beigelegt haben; denn Freiheit
und eigene Gesetzgebung des Willens sind beides Autonomie, mithin Wechselbegriffe, davon aber einer eben um deswillen nicht dazu gebraucht werden
kann, um den anderen zu erklären und von ihm Grund anzugeben, sondern
höchstens nur, um in logischer Absicht verschieden scheinende Vorstellungen
von ebendemselben Gegenstande auf einen einzigen Begriff […] zu bringen.“162
Dieser Zirkel wird von Kant in der Kritik der praktischen Vernunft aufgelöst. Dort
gründet seine transzendentale Deduktion der Freiheit auf der Unterscheidung von
Erkenntnis- und Existenzgrund. Über die negative Verstandesbestimmung hinausgehend bildet für Kant ein apodiktisches moralisches Gesetz die positive Bestimmung der Freiheit. Diese Deduktion zeichnet sich durch zwei Gedankenschritte aus,
die nicht voneinander zu isolieren sind, sondern eine Denkbewegung ausmachen. In
dem ersten Schritt dieser Bewegung wird das moralische Gesetz als Faktum gesetzt.
Es wird also davon ausgegangen, „daß die bloße gesetzgebende Form der Maximen
allein der zureichende Bestimmungsgrund eines Willens sei.“163 Als Form ist dieser
Bestimmungsgrund ein Produkt der Vernunft und fällt nicht in das Reich der Erscheinungen. Befindet sich der durch diese Form bestimmte Wille alsdann jenseits
der Erscheinungen, ist er unabhängig von der Naturkausalität. „Eine solche Unabhängigkeit aber heißt Freiheit im strengsten, d.i. transzendentalen Verstande. Also
ist ein Wille, dem die bloße gesetzgebende Form der Maxime allein zum Gesetze
Kant, KpV, § 1.
Vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, A 446.
162 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, A 450.
163 Kant, KpV, § 5.
160
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44
dienen kann, einer freier Wille.“164 Das in der Vernunft gegründete moralische Gesetz macht hier den Erkenntnisgrund der Freiheit aus, da man nur durch jenes vermittelt auf diese als Bedingung seiner Möglichkeit schließen kann. Das Selbstbewusstsein einer reinen praktischen Vernunft kann ihren Ausgang nicht bei der Freiheit nehmen, „denn deren können wir uns weder unmittelbar bewußt werden, weil
ihr erster Begriff negativ ist, noch daraus aus der Erfahrung schließen, denn Erfahrung gibt uns nur das Gesetz der Erscheinungen, mithin den Mechanism der Natur,
das gerade Widerspiel der Freiheit, zu erkennen.“165
Ihr Erkenntnisgrund kann nicht mit dem Existenzgrund der Freiheit zusammen fallen, da diese für die moralische Willensbestimmung, vermittelst deren wir auf sie
schließen, immer schon vorausgesetzt ist. Von dieser Voraussetzung hebt Kants
zweiter Gedankenschritt an. „Vorausgesetzt, daß ein Wille frei sei, das Gesetz zu
finden, welches ihn allein notwendig zu bestimmen tauglich ist“166, kann notwendigerweise „die gesetzgebende Form, so fern sie in der Maxime enthalten ist, das einzige [sein], was einen Bestimmungsgrund des Willens ausmachen kann.“167 Denn
weil ein freier Willen unabhängig von hypothetischen Inhalten sein muss, zugleich
aber durch etwas bestimmt sein muss – wie oben gezeigt wurde – bleibt als Bestimmungsgrund nichts als die gesetzgebende Form der Maxime. So erweist sich die
Freiheit als Existenzgrund des moralischen Gesetzes in seiner notwendigen Beschaffenheit.
Da es sich bei beiden Momenten dieser Denkbewegung nicht um qualitativ gleiche
Schlüsse handelt, kann der Einwand entkräftet werden, dass es sich bei der Kantischen Argumentation um einen Zirkel handle, bei dem ganz nach Belieben mal mit
der einen und mal mit der anderen Voraussetzung angefangen werde. Im Sinne von
Hegels Bestimmung des Denken als eines Prozesses, in dem die in ihm vorausgesetzten Formen zugleich als dessen Resultat erwiesen werden und somit der auch philosophiehistorisch verbürgte Gegensatz von Vermittlung und Unmittelbarkeit aufgehoben wird.
„Hier mag daraus nur dies angeführt werden, daß es nichts gibt, nichts im
Himmel oder in der Natur oder im Geiste oder wo es sei, was nicht ebenso die
Unmittelbarkeit enthält als die Vermittlung und also die Erörterung ihre Gegensatzes sich als ein Nichtiges zeigt. Was aber die wissenschaftlicher Erörterung betrifft, so ist es jeder logische Satz, in welchem die Bestimmungen der
Unmittelbarkeit und der Vermittlung und also die Erörterung ihres Gegensatzes und ihrer Wahrheit vorkommt.“168
Kant, KpV, §5..
A.a.O., A 53.
166 Kant, KpV, § 6.
167 Ebd.
168 Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 52.
164
165
45
Dieser Prozess nimmt für Kant seinen Ausgang beim Subjekt, das die transzendentale Deduktion der Freiheit als Bedingung der Möglichkeit des moralischen Gesetzes,
dessen es unmittelbar habhaft ist, vollzieht. Diese Vermittlungsleistung ist ein
„Rückgang in den Grund, zu dem Ursprünglichen und Wahrhaften […], von dem das,
womit der Anfang gemacht wurde, abhängt und in der Tat hervorgebracht wird.“ 169
So erschließt die Vernunft vermittelt über das moralische Gesetz die Freiheit als
dessen Seinsgrund, weshalb diese zugleich als das Resultat zu betrachten ist, „in
welches die Bewegung als in seinen Grund zurückgeht“170.
Analog zur Erkenntnistätigkeit der Vernunft ist die selbsttätige Willensbestimmung
durch das moralische Gesetz kein Akt der Beliebigkeit, sondern immerzu auf Allgemeinheit und Notwendigkeit bezogen, womit sich eine Verbindlichkeit für alle Subjekte ergibt und der Wille die Form eines Imperativs erhält, er zur Pflicht wird. Damit ergibt sich eine Pflicht im Sinne Kants nicht aus äußeren Zwängen, sondern ausschließlich aus einer objektiven Einsicht heraus und ist allein durch das Subjekt gesetzt. Schon hier kristallisiert sich heraus, dass eine Bildung, die sich ausschließlich
aus ökonomischen Erfordernissen ergibt, mit dem Kantischen Pflichtbegriff unvereinbar ist.
Um einen Imperativ handelt es sich bei der moralischen Selbstgesetzgebung dennoch, weil in der praktischen Erkenntnis „Grundsätze, die man sich macht, darum
noch nicht Gesetze [sind], darunter man unvermeidlich stehe, weil die Vernunft im
Praktischen es mit dem Subjekte zu tun hat, nämlich dem Begehrungsvermögen,
nach dessen besonderer Beschaffenheit sich die Regel vielfältig richten kann.“ 171
Kant erachtet also den Willen als durch die Vernunft bestimmbar und betont dieses
Potential gerade in Abgrenzung zu anderen möglichen Bestimmungsgründen des
Willens. Weil in „einem pathologisch-affizierten Willen eines vernünftigen Wesens
[…] ein Widerstreit der Maximen, wider die von ihm selbst erkannte praktische Gesetze, angetroffen werden“172 kann, steckt in der Willensbestimmung ein Moment
der Nötigung, die allerdings von einem selbst ausgeht. Diese Nötigung erfordert
Selbsttätigkeit und setzt ein sich im Willen realisierendes Denken voraus, durch das
die Motive des Handelns bestimmt werden. Denken und Handeln sind demnach keine zwei voneinander zu trennenden Vermögen, wie es auch Hegel bemerkte.
„Diejenigen, welche das Denken als ein besonderes, eigentümliches Vermögen,
getrennt vom Willen, als einem gleichfalls eigentümlichen Vermögen, betrachHegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 55.
A.a.O., 56. Für eine umfassende Erklärung dieses dialektischen Prozesses vgl. Ruschig, Ulrich. Metaphysik und Metaphysikkritik bei Kant, 11 ff.
171 Kant, KpV; § 1, Anmerkung.
172 A.a.O., § 1.
169
170
46
ten und weiter gar das Denken als dem Willen, besonders dem guten Willen für
nachteilig halten, zeigen sogleich von vornherein, daß sie gar nichts von der Natur des Willens wissen […]“173
Dies ist, zunächst bei Kant, keineswegs so zu verstehen, als wären Vernunft und Wille unmittelbar aufeinander bezogen oder gar identisch. Zwar gibt es eine inwendige
Beziehung von Vernunft und Wille, aber diese bedarf der Vermittlung durch das
tätige Subjekt, indem es seinen Willen durch die Vernunft bestimmt. Die produktive
Reflexion des Zwecks, bestimmt als der Begriff von einem Objekt, der „zugleich den
Grund der Wirklichkeit dieses Objekts enthält“174, wird folglich bestimmend für moralisches Handeln. So unterscheidet sich die Kausalität aus Freiheit qualitativ darin
von der Naturkausalität, dass keine zeitlich vorgeschaltete, heteronome Ursache
bestimmend für eine Handlung ist, sondern der Wille, dem der Zweck „zum objektiven Grunde seiner Selbstbestimmung dient […], und dieser, wenn er durch bloße
Vernunft gegeben wird, muß für alle vernünftige Wesen gleich gelten.“175 Der freie
Wille Kants ist also nicht wirkursächlich, sondern zweckursächlich bestimmt, d.h.
ein bloß gedachter, nicht realer Begriff wird verursachend für dessen Realisierung.
„Dieses Sollen nun drückt eine mögliche Handlung aus, davon der Grund nichts
anders, als ein bloßer Begriff ist; da hingegen von einer bloßen Naturhandlung
der Grund jederzeit eine Erscheinung sein muß.“ 176
So gelangt Kant zu der Vorstellung von einem durch die Vernunft bestimmten Willen, der als ein allgemein-zweckmäßiger nicht auf Partikularinteressen bezogen
bleibt und insofern gut ist. Dieser an sich gute Wille, dem ungeachtet seiner „Tauglichkeit zu Erreichung irgendeines vorgesetzten Zweckes“177 oder seiner Resultate
nichts von seinem Werte abgesprochen werden kann, bleibt angesichts der heteronomen Bestimmungen eines Subjekts nur ein (notwendiges) Moment des kritischen
Gegensatzes von Sein und Sollen.
Somit ist die Erkenntnis dieses Gegensatzes notwendige, nicht aber hinreichende
Bedingung der autonomen Zweckbestimmung. Schließlich gilt es zugleich, diesen
notwendigen Gegensatz wieder aufzuheben und zwischen beiden Bestimmungen
des Ichs zu vermitteln, um nicht bei einem zerrissenen Ich stehen zu bleiben, was
gerade jede freie Selbstbestimmung verunmöglichen würde. Diese Vermittlung setzt
ein Denken voraus, was soweit mit Kant vereinbar ist: „Allein wenn reine Vernunft
für sich praktisch sein kann und es wirklich ist, wie das Bewußtsein des moralischen
Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 5.
Kant, Kritik der Urteilskraft, B XXVIII.
175 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, A 427.
176 Kant, KrV, B 575.
177 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, A 394.
173
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47
Gesetzes es ausweiset, so ist es doch immer nur eine und dieselbe Vernunft, die, es
sei in theoretischer oder praktischer Absicht, nach Prinzipien a priori urteilt.“178
11. BILDUNG ALS SYNTHESE VON PHAENOMENA UND NOUMENA
Ausgehend von einer Vernunft muss es ein und dasselbe Denken sein, das den Erkenntnisgrund sowohl des Dings an sich wie auch des tätigen intellektuellen Ichs
bildet. Die Gegenstände haben einen vom Ich unabhängigen Existenzgrund und sind
diesem nur als Erscheinungen zugänglich. Deshalb muss es einen Bezug zwischen
intellektuellem Ich und der Erscheinungswelt geben, beide müssen mithin vereinigt
werden.
„Wenn die kritische Philosophie das Verhältnis […] so versteht, daß wir die Gedanken zwischen uns und zwischen die Sachen als Mitte stellen in dem Sinne,
daß diese Mitte uns von den Sachen vielmehr abschließt, statt uns mit denselben zusammenzuschließen, so ist dieser Ansicht die einfache Bemerkung entgegenzusetzen, daß eben diese Sachen, die jenseits unser und jenseits der sich
auf sie beziehenden Gedanken auf dem anderen Extreme stehen sollen, selbst
Gedankendinge, und als ganz unbestimmte, nur Ein Gedankending, - das sogenannte Ding-an-sich der leeren Abstraktion selbst sind.“ 179
Das bedeutet, dass sowohl das Ding an sich als auch das Ich an sich – wenn man es
so nennen will - gleichermaßen innere Bestimmungen sind. Als transzendentales
Objekt ist das Ding an sich negativ als ein der Erscheinung Zugrundeliegendes bestimmt, also durch die Erscheinung vermittelt. Damit dem in analoger Weise bestimmten Ich ein Unterschied zum Ding an sich zukommt, muss es sich in seiner
Selbsttätigkeit von diesem besondern, d.h. sich partikulare Zwecke setzen und sie
verwirklichen. Dies ist nur im Reich der Erscheinungen möglich, weil das intelligible
Ich als Vernunftprodukt ein formal Allgemeines ist. Ding an sich und Ich sind damit
in der phänomenalen Welt vermittelt, weshalb für Hegel die Dinge nicht nur für das
Ich, sondern an sich bloße Erscheinungen [sind] und „die eigene Bestimmung der
hiermit endlichen Dinge [ist], den Grund ihres Seins nicht in sich selbst […] zu haben.“180 Durch die prozessuale Aufhebung der Differenz von Phaenomena und Noumena rückt Hegel das Ding an sich von einer dem Erkennen jenseitigen Welt in eine
monistische Welt des Bewusstseins und wird als ein vom Subjekt unterschiedenes
Sein begriffen, das gewusst werden kann.
„Ob es nun schon als ein sehr wichtiges Resultat der Kantischen Philosophie
anzuerkennen ist, daß dieselbe die Endlichkeit der bloß auf Erfahrung beruhenden Verstandeserkenntnis geltend gemacht und den Inhalt derselben als
Erscheinung bezeichnet hat, so ist doch bei diesem negativen Resultat nicht
Kant, KpV, A 218.
Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 15.
180 Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, § 45 (Zusatz).
178
179
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stehenzubleiben und die Unbedingtheit der Vernunft nicht bloß auf die abstrakte, den Unterschied ausschließende Identität mit sich zu reduzieren. Indem die
Vernunft auf solche Weise bloß als das Hinausschreiten über das Endliche und
Bedingte der Verstandes betrachtet wird, so wird dieselbe hiermit in der Tat
selbst zu einem Endlichen und Bedingten herabgesetzt, denn das wahrhaft Unendliche ist nicht ein bloßes Jenseits des Endlichen, sondern es enthält dasselbe
als aufgehoben in sich selbst.“181
In der Konsequenz ist vernünftiges Denken, verstanden als Begriffsgenese, immer
auf ein Sein bezogen, das nicht im Subjekt aufgeht, sondern auch eine diesem äußerliche Realität ausmacht.
Dieser Seinsbegriff geht über den Existenzbegriff Kants hinaus, was bei Hegel konsequenterweise auch Auswirkungen auf den Erfahrungsbegriff hat. Erfahrung ist
nunmehr kein kanalisiertes Verfassen empirischer Gegenstände, sondern Bewusstseinserfahrung überhaupt, in die neben der Wissenschaft auch ästhetische und religiöse Erfahrung sowie die des eigenen Selbst (als ein Seiendes) fällt. Dass auch Kant
uns, beispielsweise in der Kritik der Urteilskraft (1795), andere Weltzugänge als die
reglementierte Naturerkenntnis zugesteht, soll keineswegs bestritten werden.
Schließlich gehen die Erfahrungsmöglichkeiten jenes kontinuierlichen Bewusstseins, das von Adorno als Bedingung von Bildung angeführt wurde, über die Wissenschaft als nur eine Objektivation des Geistes hinaus. Eine Vorstellung, die gänzlich
Wilhelm von Humboldts Bestimmung von Bildung „als die Verknüpfung unseres Ichs
mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung“ entspricht, die für den Menschen a priori nichts zum Zwecke hat außer „vor sich selbst
verständlich [zu werden] und soviel Welt, als möglich zu ergreifen, und so eng, als er
nur kann, mit sich zu verbinden“ und „dem Begriff der Menschheit in unsrer Person
[...] einen so großen Inhalt, als möglich, zu verschaffen […].“182 Das Motiv dieser regen Wechselwirkung ist Kants Werk zuallererst immanent und kann gegen dessen
Auslegung als eine Forderung nach einer entzaubernden Zweckrationalität angeführt werden.
„Die philosophische Bildungsidee auf ihrer Höhe wollte natürliches Dasein bewahrend formen. Sie hatte beides gemeint, Bändigung der animalischen Menschen durch ihre Anpassung aneinander und Rettung des Natürlichen im Widerstand gegen den Druck der hinfälligen, von Menschen gemachten Ordnung.“183
Die von Kant proklamierte Selbsttätigkeit des Verstandes ist gerade mit Blick auf
den Imperativ der moralischen Willensbestimmung nicht mit der durch die Kulturindustrie implementierten Entmündigung der Subjekte vereinbar. Ebenso wenig
kann sie als ein historischer Vorstoß zur unbegrenzten Naturaneignung verstanden
Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, § 45 (Zusatz).
Humboldt, Theorie der Bildung des Menschen, 283.
183 Adorno, Theorie der Halbbildung, 95.
181
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werden. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass das Spannungsverhältnis von Anpassung und Widerstand, in dem Bildung sich zu realisieren hat,
nicht in der Kantischen Antinomie von Freiheit und Natur aufgeht. Alle bisher identifizierten Widerstände gegenüber der Bildung und damit auch der Philosophie sind
auf gesellschaftliche Bedingungen zurückzuführen, die – als von Menschen gemachte
– eine gänzlich andere Form der Heteronomie darstellen als die Natur. Die Möglichkeit der von Humboldt geforderten freien Wechselwirkung mit der Welt ist insofern
maßgeblich daran geknüpft, wie die Welt eingerichtet ist - ein Moment, das Humboldt, Hegel und – wie sich zeigen wird – auch Kant allesamt gesehen haben, auch
wenn ihre Philosophien und Bildungskonzeptionen oftmals in einer verkürzten Weise rezipiert werden, die sie auf eine realitätsferne und traumtänzerische Bewusstseinsimmanenz reduziert.
IV.
OBJEKTIVE UNFREIHEIT UND SUBJEKTIVE BILDUNG
1. BILDUNG ALS PROZESS DER BESONDERUNG
Hegel geht einen wichtigen Schritt, wenn er den Freiheitsbegriff auf eine objektive
Realität (das Sein) bezieht und spezifische gesellschaftliche Bedingungen zur Voraussetzung seiner Realisierung macht. So liegt der erste Grund der Wechselwirkung zwischen Ich und Sein nicht in einem rein intelligiblen Ich. Zwar begrüßt Hegel
den Kantischen Ansatz, „auf das Benehmen des Erkennens zu achten“ und so „das
subjektive Tun als wesentliches Moment der objektiven Wahrheit“184 zu erfassen,
aber das Ich bildet nicht den Ausgangspunkt dieser Wahrheit.
Das Setzen des Subjekts als Anfang richtet sich gegen dogmatisches Philosophieren,
das einen beliebigen Inhalt fraglos voraussetzt, und fasst diesen stattdessen als
durch vernünftige Denkstrukturen vermittelt auf. Kant komme damit aber nicht
über die historische Alternative zum Dogmatismus, den Skeptizismus, hinaus, da
„auch die Kantische Objektivität des Denkens insofern selbst nur wieder subjektiv
[ist], als nach Kant die Gedanken, obschon allgemeine und notwendige Bestimmungen, doch nur unsere Gedanken und von dem, was das Ding an sich ist, durch eine
unübersteigbare Kluft unterschieden sind.“185 Weil das Ding an sich einen negativen
Verstandesbegriff darstellt, ist das denkende Ich entgegen Kants eigener Intention
keine unmittelbare Instanz, sondern durch Reflexion vermittelt. Eine Reflexion, die
zwar als „reine Selbsttätigkeit“ anzusehen ist, aber doch von der Erscheinungswelt
184
185
Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 52.
Hegel, Enzyklopädie I, § 41 (Zusatz 2).
50
anhebt. Damit ein allgemeines Ich der Anfang der Philosophie sein kann, bedürfte es
nach Hegel einer Abstraktion vom empirischen Ich als die „einfache Gewißheit seiner selbst“.186 So sei gerade das empirische Ich als „das Bewußtsein seiner als unendlich mannigfaltiger Welt“187 unmittelbar sich bewusst und es müsste zunächst
von sich selbst gereinigt werden und als abstraktes Ich in sein Bewusstsein treten,
womit „gerade der Vorteil verloren [gehe], der aus diesem Anfange der Philosophie
entspringen soll, daß er nämlich etwas schlechthin Bekanntes sei, was jeder unmittelbar in sich finde, und daran die weitere Reflexion anknüpfen könne.“188 Das Ich ist
bei Hegel nicht als rein intelligible Instanz zu denken, da es als ein freies überhaupt
nicht an sich verbleiben kann, sondern sich durch partikulare Zwecksetzung auf der
Erscheinungsebene besondert und erst durch diese hindurch vermittelt das An-sichsein begreift, das es in seiner Reinheit nicht sein kann und dieses nunmehr zu seiner
bloß formellen Bestimmung wird. Sofern das Ding an sich als Seiendes bestimmt
wurde, ist es „das durch die aufgehobene Vermittlung vorhandene, wesentliche Unmittelbare.“189 Es handelt sich gleichsam um das reine Sein, das in seiner inhaltlichen Bestimmungslosigkeit nicht vom Nichts zu unterscheiden ist und damit auch
das besondere Ich in der Indifferenz zergehen lässt.
Dass dieses reine Sein nur als eine negative Reflexionsbestimmung im Sinne Kants
zu begreifen ist, macht deutlich, dass es Resultat einer Reflexionstätigkeit ist und
insofern ein Subjekt vorausgesetzt werden muss, durch dessen Tätigkeit die gleichgültigen Bestimmungen des reinen Seins negiert werden, so dass das reine Sein
nicht dem reinen Nichts gleichzusetzen ist, sondern einem „Nichts, von dem etwas
ausgehen soll.“190 Die lebendige Substanz, das Sein als Subjekt191, ist folglich ebenso
„das Übergehen aus unterschiedsloser Unbestimmtheit zur Unterscheidung, Bestimmen und Setzen einer Bestimmtheit als eines Inhalts und Gegenstands. […]
Durch dies Setzen seiner selbst als eines bestimmten tritt Ich in das Dasein überhaupt; - das absolute Moment der Endlichkeit oder Besonderung des Ich.“192
Dies hat drastische Konsequenzen für den Begriff der Freiheit, da sich diese nunmehr nicht als bloßes Noumenon im negativen Verstande denken lässt. Stattdessen
nimmt das Ich gerade in seiner freien Tätigkeit der Besonderung heteronome Bestimmungen in sich auf. Wenngleich auch Hegel im Willen dasjenige sieht, was am
Menschen frei ist, kritisiert er die Kantische Vorstellung, dass ausschließlich ein
Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 61.
Ebd.
188 Ebd.
189 Hegel, Wissenschaft der Logik, Erster Band, 106.
190 A.a.O., 58.
191 Hegel, Phänomenologie des Geistes, 14.
192 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 6.
186
187
51
guter, vernunftbestimmter Wille frei sei. Für ihn macht vielmehr Freiheit die „Substanz und Bestimmung“193 des Willens überhaupt aus. So ist die „schrankenlose Unendlichkeit der absoluten Abstraktion oder Allgemeinheit“194 zwar ein wesentliches,
doch aber nur ein Moment des freien Willens, das zugleich „das absolute Moment
der Endlichkeit oder Besonderung des Ich“195 sei. Dieses Ich ist bei Hegel das Subjekt, das als in sich reflektierter Wille die Freiheit seiner Willensbestimmung als
unterschieden vom Dasein der Freiheit in einer äußerlichen Sache weiß.196 Diese
Unterscheidung und Besonderung bedeutet nicht, wie bei Kant, eine vollständige
Unabhängigkeit von äußeren Faktoren. Stattdessen nimmt Hegel zur Kenntnis, dass
Freiheit sich nicht in einer Abstraktion von allen Äußerlichkeiten erschöpft, sondern
vielmehr ein selbstbestimmtes Verhältnis zu den äußeren Begebenheiten einschließt, was gerade eine Auseinandersetzung mit ihnen voraussetzt. Insofern
schließt der freie Wille autonome und heteronome Bestimmungen gleichermaßen
ein und er bleibt ob der letzteren dennoch frei, weil er beide Bestimmungen als die
seinigen gesetzt hat. Diese Auffassung verspricht potentiell die Lösung zweier Probleme, die Kants Freiheitskonzeption inhärent sind. Erstens die Ineinssetzung von
moralischem und freiem Handeln, die impliziert, dass unmoralisches Handeln per se
unfrei ist197, was bedeutete, dass das Subjekt für unmoralisches Handeln auch nicht
verantwortlich gemacht werden kann. Zweitens, dass Kants reiner guter Wille ein
intelligibler Gegenstand ist, der gerade darum zu einer unbedingten Pflicht erhoben
werden kann. Der gute Wille ist damit der Innerlichkeit des Subjekts vorbehalten
und kann gerade dem Kantischen Verständnis zufolge nicht bewiesen werden. Hegel
erkennt dagegen die Handlung als tätliche Äußerung der Freiheit an und unterstellt
schon damit, dass auch ein empirisch bestimmter Wille frei sein kann, sofern dessen
Gegenstand von ihm „selbst gewußt und gewollt“198 ist.
2. BILDUNG ALS GESELLSCHAFTLICHE ANPASSUNG
Aus der Bezogenheit des Subjekts auf heteronome Bestimmungen folgt für Hegel
nicht, dass Freiheit mit bloßer Willkür im Sinne Kants gleichzusetzen wäre. Zwar ist
das Subjekt in diesem Verhältnis nur ein Moment einer objektiven Realität, aber diese
Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 4.
A.a.O., § 5.
195 A.a.O., § 6.
196 Vgl. Hegel, Enzyklopädie III, § 503.
197 In seiner Schrift Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft unternimmt Kant seinerseits
einen Versuch, dieses Problem zu lösen. Wegen des begrenzten Umfangs dieser Arbeit kann er hier
aber nicht verhandelt werden.
198 Hegel, Enzyklopädie III, § 503.
193
194
52
bildet auch das Material, welches die Subjekte gestalten und im Zuge dessen sich bilden. Die „auf die Triebe sich beziehende Reflexion bringt, als sie vorstellend, berechnend, sie untereinander und dann mit ihren Mitteln, Folgen usf. und mit einem Ganzen der Befriedigung – der Glückseligkeit – vergleichend, die formelle Allgemeinheit an
diesen Stoff, und reiniget denselben auf diese äußerliche Weise von seiner Rohheit
und Barbarei. Dies Hervortreiben der Allgemeinheit des Denkens ist der absolute
Wert der Bildung […].“199
Im Prozess der Bildung hat sich nach Hegel also die Allgemeinheit, die zunächst den
Anfang bildete, ihrerseits als Resultat zu erweisen. Jenes „Ganze der Befriedigung“
erfordert ein gesellschaftliches System, in dem der Widerspruch zwischen subjektiven Bedürfnissen und der dazu erforderlichen arbeitsteiligen Organisation der Allgemeinheit aufgehoben wird. Die Realisation der Freiheit, die nunmehr als ein Prozess zu verstehen ist, kann bei Hegel nicht isoliert von der Einrichtung der Gesellschaft gedacht werden. „Daß der Wille frei und was Wille und Freiheit ist – die Deduktion hiervon kann, wie schon bemerkt ist […] allein im Zusammenhang des Ganzen stattfinden.“200 Insofern stellt Freiheit immer auch das Resultat einer historischen Entwicklung dar, mit der die Begriffsgenese der Freiheit inwendig verschränkt ist und insofern ein Moment der Unabhängigkeit gegenüber der Denktätigkeit des Subjekts aufweist.
„Das bewegende Prinzip des Begriffs, als die Besonderungen des Allgemeinen
nicht nur auflösend, sondern auch hervorbringend, heiße ich die Dialektik. […]
Diese Dialektik ist dann nicht äußeres Tun eines subjektiven Denkens, sondern
die eigene Seele des Inhalts, die organisch ihre Zweige und Früchte hervortreibt. Dieser Entwickelung der Idee als eigener Tätigkeit ihrer Vernunft sieht
das Denken als subjektives, ohne seinerseits eine Zutat hinzuzufügen, nur
zu.“201
In diesem Entwicklungsprozess spezifiziere sich der freie Wille in drei Stufen, in denen ihm je eine andere Erscheinungsform zukomme: zunächst als Person, dann als
Subjekt, letztlich als Mensch. Hierbei wird eine Stufe nicht schlicht von der ihr folgenden abgelöst, sondern jene bleibt als aufgehoben in dieser enthalten. Damit beansprucht Hegel, die Freiheit als etwas historisch Gewordenes darzustellen. Zwar realisiert sich der freie Wille, wie bei Kant, in der Moralität des Einzelnen, geht in dieser
aber nicht auf. Vielmehr ist sie historisch erst mit der bürgerlichen Gesellschaft aufgekommen202, die den Subjekten erstmals als rechtlich Gleiche gestatteten, sich parti-
Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 20.
A.a.O., § 4.
201 A.a.O., § 32.
202 Es muss bemerkt werden, dass in den in dieser Arbeit zitierten Werken, nämlich der Enzyklopädie
III und den Grundlinien der Philosophie des Rechts, der begriffliche Zusammenhang von Recht, Morali199
200
53
kulare Zwecke zu setzen, auf diese Weise sich zu besondern und vermittelst dieser
Besonderung in die Allgemeinheit als eine Form sittlicher Einheit zurückzukehren.
„Die konkrete Person, welche sich als besondere Zweck ist, als ein Ganzes von
Bedürfnissen und eine Vermischung von Naturnotwendigkeit und Willkür, ist
das eine Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft, - aber die besondere Person als
wesentlich in Beziehung auf andere solche Besonderheit, so daß jede durch die
andere und zugleich schlechthin nur als durch die Form der Allgemeinheit, das
andere Prinzip, vermittelt sich geltend macht und befriedigt.“ 203
Erst unter diesen bürgerlichen Bedingungen war die in die Dialektik von Freiheit
und Unfreiheit fallende Bildung als der Prozess möglich, „die Einzelnheit und Natürlichkeit [der Idee; S.S:] durch die Naturnotwendigkeit ebenso als durch die Willkür
der Bedürfnisse zur formellen Freiheit und formellen Allgemeinheit des Wissens und
Wollens zu erheben, die Subjektivität in ihrer Besonderheit zu bilden.“204
Bildung ist für Hegel darum mit Befreiung konnotiert. Befreiung als ein Fortschreiten zu der „nicht mehr unmittelbaren, natürlichen, sondern geistigen, ebenso zur
Gestalt der Allgemeinheit erhobenen unendlich subjektiven Substantialität der Sittlichkeit. Diese Befreiung ist im Subjekt die harte Arbeit gegen die bloße Subjektivität
des Benehmens […], die einen Teil der Ungunst aus[macht], der auf sie fällt.“205
Hiermit rekurriert Hegel auf das widersprüchliche Verhältnis von Sittlichkeit und
Wirklichkeit, das für Kants Moralitätsbegriff konstitutiv ist, von Hegel aber als in der
Idee aufhebbar befunden wird.
Hegel zufolge verhält das Denken sich nicht gegenüber einem äußerlichen Sein, sondern ist selbst das Sein, mehr noch, das „Ansichsein des Gegenständlichen überhaupt.“206 Der Anfang bildet damit einen Übergang von Sein und Nichts in das Werden und hebt darin den Widerspruch von Vermittlung und Unmittelbarkeit auf. Bildung ist aus diesem Grund sowohl auf individueller als auch auf geistesgeschichtlicher Ebene als ein Prozess zu denken, eben als sich bildende Vernunft oder als jene
produktive Einheit der Philosophiegeschichte, von der Adorno spricht.
„Die lebendige Substanz ist ferner das Sein, welches in Wahrheit Subjekt, oder
was dasselbe heißt, welches in Wahrheit wirklich ist, nur insofern sie die Bewegung des sich selbst Setzens, oder die Vermittlung des sich anders Werdens
mit sich selbst ist. Sie ist als Subjekt die reine einfache Negativität, ebendadurch
die Entzweiung des Einfachen, oder die entgegensetzende Verdopplung, welche
wieder die Negation dieser gleichgültigen Verschiedenheit und ihres Gegenstandes ist; nur diese sich wiederherstellende Gleichheit oder die Reflexion im
Anderssein in sich selbst – nicht eine ursprüngliche Einheit als solche, oder
unmittelbare als solche, ist das Wahre. Es ist das Werden seiner selbst, der
tät und Sittlichkeit zur Darstellung kommt. Die historische Genese des freien Willens wird hingegen in
der Phänomenologie des Geistes behandelt, die hier nicht Gegenstand der Untersuchung ist.
203 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 182.
204 A.a.O., § 187.
205 Ebd.
206 Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, § 41 (Zusatz II).
54
Kreis, der sein Ende als seinen Zweck voraussetzt und zum Anfange hat, und
nur durch die Ausführung und sein Ende wirklich ist.“ 207
Dieses Ende ist Anlass für Adornos Hegel Kritik. Zunächst ist die dialektische Bestimmung des Bildungsbegriffs konstitutiv für Adornos Theorie der Halbbildung. Die
Bestimmung des Begriffs als eine nicht bloß intellektuelle, sondern auf eine objektive Realität bezogene Entität, die sich mit jener Realität verändert, wird von Adorno
auf die Bildung bezogen. Zwar analysiert er hauptsächlich die subjektiven Symptome, in denen Halbbildung sich artikuliert, allerdings spricht er vom Verfall der Bildung in die Halbbildung als einem objektiv-determinierten Prozess, der aus gesellschaftlichen Bedingungen hervorgegangen ist. Die Bewegung des objektiven Geistes
vollzieht sich nach Adorno ins Negative.
„Sie [die Idee der Bildung] ist in sich antinomischen Wesens. Sie hat als ihre Bedingung Autonomie und Freiheit, verweist jedoch zugleich, bis heute, auf Strukturen einer dem je Einzelnen gegenüber vorgegebenen, in gewissem Sinn heteronomen und darum hinfälligen Ordnung, an der allein er sich zu bilden vermag. Daher gibt es in dem Augenblick, in dem es Bildung gibt, sie eigentlich
schon nicht mehr. In ihrem Ursprung ist ihr Verfall teleologisch bereits gesetzt.“208
Grund dafür ist seine affirmative Lesart der Hegelschen Bildungslehre, die sich affirmativ auf die in sich widersprüchliche bürgerliche Gesellschaftsform bezieht. Widersprüche, die auch schon Hegel zur Kenntnis nimmt209, die aber erst durch Marx‘
Kapitalkritik in einem Umfang begriffen werden, dass sie jene die Halbbildung bedingenden Prozesse zu erklären vermögen. Bedenkt man zudem, dass auch bei Hegel das tätige Subjekt notwendige Bedingung für das objektive Denken ist, muss man
die Frage, ob Hegels Begriff der bürgerlichen Gesellschaft mit der Kapitalgesellschaft
identisch ist, auf eine weitere Diskussion verschieben.
3. DER ANSPRUCH KATEGORISCHER BILDUNGSKRITIK BEI KANT
Kant scheint im Gegensatz zu Hegel seinen Freiheitsbegriff als unhistorischen verstanden wissen zu wollen. Dies allerdings kann für einen kritischen Moralitätsbegriff
auch als notwendig erachtet werden, da ein solcher überhaupt nur auf Grundlage
einer kritischen Differenz von Sein und Sollen formuliert werden kann.
„Denn hier ist es um den Kanon der Vernunft (im Praktischen) zu tun, wo der
Wert der Praxis gänzlich auf ihrer Angemessenheit zu der ihr untergelegten
Theorie beruht und alles verloren ist, wenn die empirischen, und daher zufälligen Bedingungen der Ausführung des Gesetzes zu Bedingungen des Gesetzes
selbst gemacht, und so eine Praxis, welche auf einen nach bisheriger Erfahrung
Hegel, Phänomenologie des Geistes, 14.
Adorno, Theorie der Halbbildung, 104.
209 Vgl. Enzyklopädie III, § 510.
207
208
55
wahrscheinlichen Ausgang berechnet ist, die für sich selbst bestehende Theorie
zu meistern berechtigt ist.“210
Kant ist es explizit um die Begründung eines apodiktischen moralischen Gesetzes zu
tun, das nur sein kann, wenn es nicht an kontextuelle Bedingungen geknüpft ist. Koppelte man die moralische Gebotenheit einer Handlung an gesellschaftsspezifische
Zwecke, dann ergäben sich aus diesen Zwecken zwar Imperative, die aber als bedingte „nicht den Willen schlechthin als Willen, sondern nur in Ansehung einer begehrten
Wirkung bestimmen, d.i. hypothetische Imperativen sind […].“211 Zur moralischen
Gesetzgebung – im Sinne eines Sollens, nicht eines Müssens – „wird erfordert, dass sie
bloß sich selbst vorauszusetzen bedürfe, weil die Regel nur alsdenn objektiv und allgemein gültig ist, wenn sie ohne zufällige, subjektive Bedingungen gilt, die ein vernünftig Wesen von den anderen unterscheiden.“212 Der anderenfalls resultierende
moralische Relativismus wäre schwerlich in der Lage, ein objektives Urteil darüber zu
fällen, ob die Maxime eines Willens moralisch richtig oder falsch ist.
Dieser Anspruch ist auch für eine gesellschaftskritische Pädagogik unverzichtbar,
deren Kritik politisch nur brauchbar ist, wenn sie theoretisch konsequent bleibt.
„Methodisch geht diese Kritik zunächst immanent vor, indem sie sich auf eine
gesellschaftliche Praxis bezieht, die im Widerspruch zu den normativen Grundlagen steht, mit denen sie sich legitimiert und aus denen zugleich die Kritik ihre
logische wie moralische Berechtigung zieht. Eine solche Form der Kritik kann
nur dann plausibel sein, wenn sie auf eine vernünftig begründete Möglichkeit
des Andersseins verweisen kann. Diesen für die Kritische Theorie entscheidenden Aspekt betont Horkheimer mit dem Hinweis, die Kritische Theorie kenne
nur eine Wahrheit. Dieser Wahrheitsanspruch mag apodiktisch erscheinen, ist
aber konsequent, sobald eine Theorie aus dem vernünftigen Interesse der Gattung materiale Wertentscheidungen ableitet und sie zur Grundlage ihrer Kritik
erklärt.“213
Gerade die materiale Bestimmung von Kants Moralphilosophie erweist sich, in der
Hegelschen Interpretation, als problematisch. Denn wenn in einem Gesetz von allen
hypothetischen Inhalten abstrahiert wird, bleibt letztlich nichts als ein sich selbst
wollender guter Wille übrig, der keine konkrete Handlungsanweisung zu geben vermag. Dieser scheinbar nichts wollende Wille wäre damit Ausdruck des im Hegelschen
Sinne rein intelligiblen Ichs. Kant bestätigt diesen Verdacht in der Kritik der praktischen Vernunft, in der er das moralische Gesetz nicht als inhaltliche Vorschrift, sondern als ein Prüfverfahren darauf formuliert, ob sich die Form einer Maxime zu allgemeinen Gesetzgebung schicke. So lautet die Formulierung des Kategorischen Imperativs in der Kritik der praktischen Vernunft: „Handle so, daß die Maxime deines Willens
Kant, Über den Gemeinspruch, A 206.
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 1.
212 Ebd.
213 Dammer, Brauchen wir noch einer „kritische Erziehungswissenschaft“?, 8.
210
211
56
jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“214 Mangels inhaltlicher Füllung, zu der eine Maxime in Widerspruch geraten kann, kann das
moralische Gesetz in dieser Version tendenziell alle Handlungen moralisch legitimieren, auch die Instrumentalisierung der Subjekte für ökonomische Zwecke.
4. GESELLSCHAFTSTHEORETISCHE BILDUNGSKRITIK MIT KANT
Wenngleich die moralische Gebotenheit von Eigentum rein formal nicht zu beweisen
ist, kann Kant doch nicht vorgeworfen werden, in der Herleitung seines moralischen
Gesetzes gänzlich von allen materialen Bestimmungen zu abstrahieren. Schließlich
bestimmt er den Menschen als vernünftiges, aber endliches Wesen, dessen Bedürfnis
nach Glück ein notwendiges Verlangen sei.215
Das, was Glück für den Einzelnen bedeutet, kann auch Kant zufolge nicht allgemein
bestimmt werden, sondern ist immerzu subjektiv und hängt von kontingenten Bedingungen ab. Kontingent, weil der Mensch als endliches, d.h. empirisches Sinnenwesen
in seinem Begehren durch materielle Objekte affiziert wird, weshalb nicht etwa eine
Verstandeseinsicht, sondern ein Gefühl und dessen Intensität entscheidend darüber
ist, was ihm Annehmlichkeit bereitet. Gleichwohl ist Glück durch den Verstand vermittelt und besteht nicht in einem bloßen Empfinden eines einzelnen, situativen Genusses. Durch Verstandesleistungen ist das Subjekt in der Lage, „Lust aus der Vorstellung der Existenz einer Sache“216 zu gewinnen, so dass das Glücksbegehren zwar weiterhin von materiellen Bedingungen abhängig bleibt, zugleich aber eine Vorstellung
anstatt eines Gegenstands darstellt. Kants Bestimmung der Glückseligkeit als „Bewusstsein von der Annehmlichkeit des Lebens“217 ist insofern nicht als eine solipsistische Verklärung des Glücks misszudeuten, sondern als Hinweis, dass Glück nicht in
einem akuten Zufriedenheitsgefühl besteht, sondern durch das Denken vermittelt ist
und nur so überhaupt zum Zweck gesetzt werden kann. Das Begehren der eigenen
Glückseligkeit ist für Kant, obwohl heteronom bestimmt, per se noch nicht unmoralisch. Vielmehr hat man, als allgemein-zweckmäßig handelndes Subjekt, auch eine
Verpflichtung gegenüber sich selbst, sein Leben in einer Weise zu gestalten, dass die
Bedingungen erfüllt sind, zum Wohle der Allgemeinheit handeln zu können. Keineswegs also impliziert die subjektive Vernunftbestimmung eine Forderung der Instrumentalisierung seiner selbst für heteronome Zwecke.
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 7.
Vgl. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 3, Anmerkung II.
216 A.a.O., § 2.
217 A.a.O., § 3, Lehrsatz II.
214
215
57
„Seine eigene Glückseligkeit sichern, ist Pflicht (wenigstens indirekt); denn
Mangel der Zufriedenheit mit seinem Zustande in einem Gedränge von vielen
Sorgen und mitten unter unbefriedigten Bedürfnissen könnte leicht eine große
Versuchung zu Übertretung der Pflichten werden.“218
Kant verweist also explizit darauf, dass Moralität auch das Streben nach dem eigenen
Glück sowie dessen Verwirklichung einschließt, die demjenigen entspricht, was Hegel
als Besonderung des Subjekts bezeichnet. Für ihn hat das Subjekt das Recht, „daß die
Besonderheit des Inhalts in der Handlung, der Materie nach, nicht eine ihm äußerliche
sei, sondern die eigene Besonderheit des Subjekts, seine Bedürfnisse, Interessen und
Zwecke enthalte, welche in einen Zweck gleichfalls zusammengefaßt, wie in der
Glückseligkeit […], sein Wohl ausmachen.“219
Da die subjektiven Glücksbedürfnisse des Menschen bei Kant immer auf ein „Objekt
der Materie“, auf einen empirischen Gegenstand bezogen sind, erfordert jene Verwirklichung spezifische materielle Voraussetzungen, um überhaupt vom Subjekt angestrebt werden zu können. Aus diesem Grund ist die moralische Willensbestimmung
des intelligiblen Subjekts nur ein Moment eines dialektischen Verhältnisses von Vernunft- und Sinnenwelt. Gerade weil, wie Hegel gezeigt hat, die Freiheit des Verstandes
dessen „Anwendung auf einen gegebenen Stoff“220 ist, kann das Scheitern des Prinzips
der Selbstliebe nur dann demonstriert werden, wenn man materielle Vorstellungen
bemüht. Das Prinzip der Selbstliebe ist bei Kant die Maxime, sich die eigene Glückseligkeit „zum höchsten Bestimmungsgründe der Willkür zu machen“221. Verfolgt ein
jeder ausschließlich seine eigene Glückseligkeit, so führt dies notwendigerweise zu
einem Kampf zwischen einander widerstreitenden, mithin inkommensurablen Interessen, von dem zu erwarten ist, dass er sich auf Grund von Machtverteilung entscheidet.
Was bei Kant Resultat des Auseinanderfallens von Freiheit und Heteronomie ist, kann
bei Hegel als Ausdruck von Freiheit überhaupt bestimmt werden. So befindet sich das
Subjekt bei Kant in einem Spannungsverhältnis von der Möglichkeit einer freien Willensbestimmung und den unvernünftigen Bedingungen für das Handeln. Insofern also
die freie Zweckverfolgung eines jeden möglich werden soll, gilt es, diese Bedingungen
aus Freiheit heraus in einer Weise zu gestalten, dass „die Freiheit eines jeden mit der
aller anderen zusammen bestehen kann.222 Für die Verwirklichung dieser Endabsicht,
als den substantiellen Zweck jeder vorsätzlichen Handlung223, ist man auf ein menschKant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 16 f.
Hegel, Enzyklopädie III, § 505.
220 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 10.
221 Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 3.
222 Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 373.
223 Für die Unterscheidung von Vorsatz und Absicht vgl. Hegel, Enzyklopädie III, § 505.
218
219
58
liches Kollektiv verwiesen, das die Welt in einem arbeitsteilig organisierten, gesellschaftlichen Zusammenhang organisiert, innerhalb dessen der Einzelne niemals bloß
als Mittel, sondern immer zugleich als Zweck behandelt wird. Dieses Kollektiv heißt
Kant im emphatischen Sinne Idee der Menschheit, die gleichsam das Substrat des moralischen Gesetzes darstellt, dessen Mangel in der Hegel-Kritik beklagt wird. Diese
Idee der Menschheit ist kein Begriff, dem ein empirisches Faktum korrespondiert, da
hier der Mensch als ein intelligibles und insofern selbstzweckhaftes Wesen jenseits
jeder heteronomen Bestimmung verstanden wird, dessen Potential einer vernünftigen Willensbestimmung ihn würdig mache, nicht zu einem Mittel für ihn äußerliche
Zwecke instrumentalisiert zu werden. Diese Bestimmung des Menschen schließt alle
Zufälligkeiten aus, keineswegs um den Menschen in seinen Besonderungen zu leugnen, sondern um niemanden auszuschließen und eine objektive Gleichheit zu bestimmen, die sich empirisch niemals finden ließe. Erst auf Grundlage einer Allgemeinheit kann auch eine notwendig gültige moralische Gleichheit, eben eine „allgemeine
Gesetzgebung“ zur Gewährleistung einer vernünftigen Selbstbeschränkung der individuellen Willkür, begründet werden. Deshalb lautet der Kategorische Imperativ in
der Variante der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785):
„Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person
eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel
brauchst.“224
Auch aus Kants Argumentation heraus ist also die Legitimität von Hegels Position zu
entwickeln, dass Freiheit allein im Zusammenhange des Ganzen betrachtet werden
kann und auf spezifische gesellschaftliche Bedingungen angewiesen ist, um verwirklicht zu werden. Dabei gilt es aber, das dialektische Spannungsverhältnis von Sittlichkeit und Glückseligkeit nicht aufzugeben. „Erstarrt das Kraftfeld, das Bildung hieß, zu
fixierten Kategorien, sei es Geist oder Natur, Souveränität oder Anpassung, so gerät
jede einzelne dieser isolierten Kategorien in Widerspruch zu dem von ihr Gemeinten
und gibt sich her zur Ideologie, befördert die Rückbildung.“225
224
225
Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 61.
Adorno, Theorie der Halbbildung, 96.
59
V.
FAZIT: EIN PLÄDOYER FÜR DIE PHILOSOPHIE
1. SCHLUSSBETRACHTUNG : WOZU NOCH PHILOSOPHIE?
In Anbetracht der kritischen Intention dieser Arbeit darf sich die Schlussbetrachtung nicht darin erschöpfen, gleichsam schulphilosophische Resultate zu liefern. Sie
muss stattdessen eine Forderung formulieren. Auch schulphilosophische Resultate
sind zweifellos gewonnen worden, indem durch die diskursive Bestimmung des
Kantischen Freiheitsbegriffs und dessen Herausforderung durch Hegels Kritik aufgezeigt wurde, dass Freiheit nicht allein in einem intelligiblen Selbst begründet ist,
sondern darüber hinausgehend an eine vernünftige Einrichtung gesellschaftlicher
Verhältnisse gebunden ist.
Von dort ausgehend wurde anhand von Adornos Theorie der Halbbildung gezeigt,
dass eine widerspruchsvoll eingerichtete Gesellschaft den individuellen wie allgemeinen Bildungsprozess boykottiert, der in der philosophischen Tradition als Prozess zur Verwirklichung der Freiheit bestimmt worden war. Diese Bestimmung war
Resultat dessen, was Adorno als die produktive Einheit der Philosophiegeschichte
bezeichnet und kulminierte im Bildungsbegriff des Deutschen Idealismus.
Die Arbeit sollte vor diesem Hintergrund eine Kritik an den institutionellen wie
ökonomischen Widerständen liefern, die heute der philosophischen Reflexion als ein
wesentliches Moment von Bildung entgegen sind. Darum lag der Fokus weniger darauf, welche gesellschaftlichen Prozesse das philosophische Denken blockieren (ihre
Erklärung erforderte eine Auseinandersetzung mit Marx‘ Kritik der politischen Ökonomie), sondern mehr darauf, in welcher Weise die sich verselbständigenden gesellschaftlichen Bedingungen das subjektive Denken psychologisch beeinträchtigen,
dessen autonom bestimmte Beziehung für Kant wesentliche Voraussetzung für ein
tätige Auseinandersetzung mit der Welt und für politische Mündigkeit ist.
In diesem Zusammenhang hatte es eine zweifache Funktion, die Diskussion von Kant
und Hegel aus zu führen. Zum einen sind ihre Werke als gesellschaftlich vermittelte
Auseinandersetzungen mit einer spezifischen historischen Situation von eminenter
Bedeutung, da sie uns helfen, unsere Denk- und Lebensbedingungen von ihren eigenen Voraussetzungen her zu begreifen. Ungeachtet dessen also, ob man die Halbbildung in Hegels Bildungsbegriff angelegt sieht oder nicht, ist das Studium dieser historischen Werke von herausragender Wichtigkeit, um die heutigen gesellschaftlichen Bedingungen verstehen und sodann auch kritisieren zu können. Zum anderen
entfalten Kant und Hegel ein avanciertes Kritikverständnis, das nicht von hypothetischen Definitionen, sondern von hinreichend bestimmten Begriffen ausgeht und aus
60
dem sich zuerst eine legitime Gesellschaftskritik formulieren lässt. So beseitigt Philosophie den Irrtum, Freiheit stelle sich allein durch Bildung im Sinne einer subjektiven Denktätigkeit dar. Eine solche undialektische Annahme konnte in der Diskussion als ideologisch identifiziert werden. Diese Abstraktion von den für Bildung erforderlichen Bedingungen reduziert Freiheit auf die noumenale Ebene und ignoriert
mithin, dass materiale Voraussetzungen das Denken nicht nur ins Leere laufen lassen, sondern es darüber hinaus präformieren können, so dass philosophische Reflexionen weder in ihrer historischen noch in ihrer systematischen Relevanz verstanden werden.
Wie anhand von Adornos Theorie der Halbbildung gezeigt wurde, führt die Ökonomisierung der Bildung und ihre Domestizierung durch die Kulturindustrie dazu,
dass die philosophischen Werke wie Bildungsgüter überhaupt ihren Wahrheitsgehalt verlieren. Da die Auseinandersetzung mit ihnen mangels gesellschaftlicher
Notwendigkeit entweder ganz ausbleibt oder aber sie nur in Form verkürzter und
aus dem Kontext gerissener kulturindustrieller Produkte an die Subjekte herangetragen werden, gehen sie nur halbverstanden in das Bewusstsein ein und ihre sich
aus dem Gesamtzusammenhang ergebende inhaltliche Verbindlichkeit geht verloren. Unter Umständen wird ihre aufklärerische Funktion gar verkehrt, weil ihr unbedingter Wahrheitsanspruch und ihre Forderung nach Selbstbestimmung nur noch
als purer Zynismus zur Kenntnis genommen werden.
Angesichts dieser gesellschaftlich determinierten Prozesse muss Adornos Eingangsfrage „Wozu noch Philosophie?“ ernst genommen werden. Da die Philosophie ihrem
eigenen Begriffe nach keinen ökonomischen Zwecken dienen kann und soll, steht sie
vor der Wahl, sich dem Diktat der gesellschaftlichen Zwänge zu beugen, oder aber
„die gesellschaftliche und politische Realität und ihre Dynamik in sich [hineinzunehmen]“226.
„Die ungeminderte Dauer von Leiden, Angst und Drohung nötigt den Gedanken,
der sich nicht verwirklichen durfte, dazu, nicht sich wegzuwerfen. Nach dem
versäumten Augenblick hätte er ohne Beschwichtigung zu erkennen, warum
die Welt, die jetzt, hier das Paradies sein könnte, morgen zur Hölle werden
kann. Solche Erkenntnis wäre ja wohl Philosophie. Sie abzuschaffen um einer
Praxis willen, die zu dieser Stunde unweigerlich eben den Zustand verewigte,
dessen Kritik Sache der Philosophie ist, wäre anachronistisch.“
Mit dieser Forderung nach einer philosophischen Gesellschaftskritik macht Adorno
ein implizites Zugeständnis an Kant, dessen moralisches Gesetz durch sein Insistieren auf einen negativen Freiheitsbegriff die theoretische Voraussetzung auch von
Adornos Kritik ist. Indem diese Bestimmung aufgenommen wird, zeigt sich, dass die
226
Adorno, Eingriffe, 24.
61
Halbbildung noch nicht so weit fortgeschritten ist, dass Kants Werke nur noch versteinerte Kulturgüter wären.
62
VI.
ANHANG
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63
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2. ERKLÄRUNG
Hiermit versichere ich, dass ich die Arbeit selbständig verfasst und keine anderen
als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Außerdem versichere ich,
dass ich die allgemeinen Prinzipien wissenschaftlicher Arbeit und Veröffentlichung,
wie sie in den Leitlinien guter wissenschaftlicher Praxis der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg festgelegt sind, befolgt habe.
Oldenburg, den 01.05.2013
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