Nozizeption und Schmerz Zsuzsanna Kerekes Institut für Verhaltenwissenschaften Was ist Schmerz? • Nozizeption: Schmerzleitung zum Hirn • Schmerz: Ergebnis zentralnervöser Schmerzverarbeitung Schmerzdefinition Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebsschädigung verknüpft ist Schmerzdefinition Definition von Schmerz International Association for the Study of Pain: „Schmerz ist eine unangenehme sensorische und gefühlsmäßige Erfahrung, die mit bereits eingetretenen oder drohenden Verletzungen einhergeht oder als solche empfunden wird. Schmerz ist das, was der Patient als solches empfindet“. Komponenten des Schmerzes • Sensorisch-diskriminativ • bewusste Sinnesempfindung durch Erregungen der Schmerzrezeptoren (= Nozizeptoren) im ZNS und im autonomen Nervensystem • Chemisch bestimmbare Schmerzstoffe wie Substanz P, Serotonin • Lokalisation, Beginn, Intensität, Ende • Affektiv-motivational • stört Wohlbefinden, unlustbetont, wird vermieden • Vegetative Komponente • reflektorische Reaktion des ANS (Blutdruck, Herzrate, Pupillen) Psychomotorische Komponente muskuläre Reaktion z.B. das reflektorische Zurückziehen der Hand von der heißen Herdplatte andere Verhaltensäußerungen Veränderung der Ausdrucksmotorik (Mimik), Wehklagen Kognitive Komponente Schmerzbewertung durch Vergleich mit dem Langzeitgedächtnis (beeinflusst alle vier Komponenten) Operante Komponente Konsequenzen des Schmerzverhaltens (soziale Zuwendung, schmerzlindernde Medikamente, Schonhaltungen) Angeborene Unempfindlichkeit gegenüber Schmerz Warnsystem Schmerz fehlt - Selbst stärkste Verletzungen werden nicht wahrgenommen z.B. in Gelenken - Früher Todnta Drei-Ebenen-Konzept des Schmerzes • subjektiv-psychologische Ebene: • offene Reaktionen ( Klagen, Stöhnen...) • verdeckte Reaktionen (Gedanken, Gefühle, Vorstellungen..) • Motorisch-verhaltensmäßige Ebene: • muskuläre Reaktion • z.B. das reflektorische Zurückziehen der Hand von der heißen Herdplatte, Schonhaltung • Ausdrucksmotorik • physiologisch-organische Ebene: • Erregungen der Schmerzrezeptoren (= Nozizeptoren) • Ausschüttung chemisch bestimmbarer Substanzen Gering • Vom Vorhandensein eines Schmerzindikators auf einer Ebene, kann nicht auf das Vorhandensein auf einer anderen Ebene geschlossen werden • Nur durch Datenerhebung auf allen drei Ebenen möglich • Objektivierung durch ein unsystematisches Gespräch oder die ausschließliche Erhebung des organischen Befundes wird in vielen Fällen zu Fehleinschätzungen des Schmerzproblems führen Schmerzmessung (Algesimetrie) • subjektiv-psychologische Ebene: • Verhältnisschätzmethoden (visuelle Analogskala) • Fragebögen (z.B. McGill-Pain-Questionnaire) • Vergleich mit experimentell erzeugtem Schmerz • motorisch-verhaltensmäßige Ebene: • Verhaltensbeobachtung • physiologisch-organische Ebene: • evozierte Potenziale • Pupillendurchmesser als Maß für den Sympathikustonus Zerebrale Schmerzverarbeitung affektiv-emotional kognitiv-evaluativ sensorisch-diskriminativ SI ACC PFC PC SII PFC IC medialer Thalamus lateraler Thalamus Schmerz: Zahlen • 8 Mio. Deutsche: chronischer Schmerz • 80% der Bevölkerung: mind. einmal im Leben akute Rückenschmerzen • 15 Mio.: rheumatische Beschwerden • 25-30%: Spannungskopfschmerz • 10 %: Migräne-Anfälle Ausstrahlungsgebiete von NackenmuskelVerspannung Akuter vs. chronischer Schmerz Lang andauernd (4-6 Monate) bzw. wiederkehrend Dauer Nur kurz andauernd Ursache Bekannt und ggf. therapierbar Unbekannt, vielschichtig oder bekannt und nicht (z.B. Verletzung, Entzündung) therapierbar Funktion Warnfunktion Physiologisch: keine; evtl. soziale Funktion Intervention Schonung, Behandlung der Schmerzursache, analgetische Behandlung Abbau schmerzunterstützender Faktoren Schmerzfreiheit Linderung der Schmerzen, besserer Umgang mit dem Schmerz, Minderung der Beeinträchtigung Behandlungsziel e Arten von Schmerz Erkältungsschmerzen Menstruationsschmerzen Zahnschmerzen Kopfschmerzen Arten von Schmerz Rückenschmerzen Neuralgien Gelenkschmerzen Tumorschmerzen Neuropathische Schmerzsyndrome • 1. Pathophysiologie • 2. Symptome und Diagnostik • 3. Formen neuropathischer Schmerzsyndrome • 4. Therapie neuropathischer Schmerzsyndrome Pathophysiologie Akuter Schmerz nach 3 – 6 Monaten chronischer Schmerz Schmerzkrankheit Pathophysiologie • Akuter Schmerz biologisch durchaus sinnvoll • Chronischer Schmerz biologisch nicht sinnvoll, Entwicklung zur komplexen, eigenständigen Schmerzkrankheit Chronischer Schmerz • Schmerzzustand mit oder ohne medizinisches Substrat • besteht länger als 6 Monate • 5% aller Schmerzpatienten entwickeln chron. Schmerz • diese Patienten verursachen höchste Diagnose- und Behandlungskosten • Kopfschmerz > Rückenschmerz > Gesichtsschmerz > Krebsschmerz Formen chronischer Schmerzen Nozizeptive Schmerzen Neuropathische Schmerzen = Schmerzen nach Gewebetraumen,bei denen die peripheren und zentralenNervenstrukturen der Nozizeption intakt sind = Schmerzen, die nach Schädigung nervaler Strukturen entstehen Einschießende Schmerzattacken Brennende Dauerschmerzen Zentrale Schmerzsyndrome Chronische Schmerzstörung • Dauer von mindestens 6 Monaten • Reihe von erfolgloser Behandlungsversuche • Deutliche Beeinträchtigung auf verschiedenen Ebenen des Verhaltens und Erlebens: • Kognitiv-emotional: Befindlichkeit, Stimmung, Denken • Behavioral: Verstärktes schmerzbezogenes Verhalten, Reduktion von Alternativverhalten • Sozial: Arbeitsunfähigkeit, Beeinträchtigungen der Interaktion mit Familie und Freunden, Bekannten • Psychologisch-organisch: Mobilitätsverlust Diagnostische Kriterien für Schmerzstörung nach DSM IV • Schmerzen in einer oder mehreren anatomischen Region(en) stehen im Vordergrund des klinisches Bildes und sind von ausreichendem Schweregrad, um klinische Beachtung zu rechtfertigen • Der Schmerz verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. • Psychische Faktoren wird eine wichtige Rolle für Beginn, Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen beigemessen • Das Symptom oder der Ausfall wird nicht absichtlich erzeugt oder vorgetäuscht • Der Schmerz kann nicht besser durch eine Affektive, Angstoder Psychotische Störung erklärt werden. Quellen für chron. Schmerz 1. Inflammatorische Reizung • Entzündung: Prostaglandine, die das Gewebe schädigen • Körperstelle wird für Schmerzen sensitiviert, die Reizschwelle ist herabgesetzt • Nozizeptoren signalisieren bei geringen Reizen Schmerz 2. Sensitivierung von Neuronen • Neurone im Rückenmark/Gehirn werden durch kontinuierlichen Reiz überempfindlich. • z.B. Berührung der Haut wird als Schmerz empfunden (Allodynie) Quellen für chron. Schmerz 3. Spontane Aktivierung von Neuronen • Dauerschmerz verändert Nervenzellen des nozizeptiven Systems, • sie aktivieren sich selbst • Folge: Brennen oder Stechen ohne Ursache Quellen für chron. Schmerz 4. Zerstörung des Schmerzhemmsystems • Opioidsystem: aktiv bei extrem schweren Verletzungen • Dauerschmerzen können das System zerstören Quellen für chron. Schmerz 5. Neuorganisation von Nervenfasern • Dauerschmerzen verändern im Lauf der Zeit das Zusammenspiel der Neurone • Das reorganisierte Gehirn meldet Schmerzen, auch wenn eigentliche Ursache im Körper behoben ist Therapie • Schmerzen vermeiden • Schmerzgedächtnis blockieren (NMDA-Antagonisten) Schmerztypen Nozizeptiver Schmerz Physiologische Reaktion auf schmerzhafte Stimuli am Nozizeptor Neuropathischer Schmerz Reaktion aufgrund einer Dysfunktion nervaler Strukturen Wie entsteht im Körper Schmerz? • Das nozizeptive System: • 80% peripherer Nervenfasern gehören zum Schmerzsystem Neuroanatomie der Schmerzbahnen Periphere Schmerzrezeptoren z. B. in der Haut Neuroanatomie der Schmerzbahnen Afferente Nociception • Laterales System (Tractus neospinothalamicus) für sensorisch-diskriminative Schmerzkomponente • Mediales System (Tractus paläo-spinothalamicus) für affektiv-emotionale Schmerzkomponente Deszendierende Hemmung • • • • Serotonin (N. raphé) Noradrenalin (N. Coeruleus) Dopamin (A11 - Diencephalon) Endorphine (u.a. periaquäduktales Höhlengrau/PAG) Hirnrinde: Stärke, Lokalisation, Aufmerksamkeit, Schmerzgedächtnis. Mittelhirn: Gefühl, vegetative Reaktionen. Rückenmark: Reflexe Medizinische Vorgeschichte (Anamnese) neuropathischer Schmerzsyndrome • Periphere Ursachen • Metabolische Störungen • Vaskuläre Erkrankungen • Amputation (traumatisch, elektiv) • Virusinfektion • Kompression durch Tumor • Toxine, Medikamente Alkohol • Zentrale Ursachen • Trauma (Querschnitt) • Infektion (Borreliose) • Tumorinfiltration • Multiple Sklerose • Schlaganfall (Thalamus) Periphere Läsion periphere Mechanismen - Ektope Entladungen - Gekreuzte Erregungen - Sensibilisierung der Nozizeptoren - Sympathisch-sensorische Kopplung Zentrale Läsion zentrale Mechanismen - Änderungen des modulierenden Systems - Zentrale Sensibilisierung - Zentrale Neuroplastizität Neuropathische Schmerzen Symptome des neuropathischen Schmerzsyndroms Î Stimulusunabhängiger Schmerz (Symptome vom Patienten beschrieben) Î Brennender Dauerschmerz Î Paroxysmaler, einschießender, stechender Schmerz Î Elektrisierender Schmerz Î Parästhesien Î Dysästhesien Befunde bei neuropathischem Schmerz • Stimulusevozierter Schmerz (vom Untersucher ausgelöst) Î Hyperalgesie Î Allodynie Hyperalgesie versus Allodynie Hyperalgesie Übersteigertes Schmerzempfinden auf einen normalen Reiz Allodynie Schmerzempfinden aufgrund eines Reizes, der normalerweise nicht schmerzhaft ist Veränderung kortikaler Antworten bei chronischen Schmerzen • Magnetisch evozierte Felder auf Schmerzreize am Schmerzort Schmerzfreie Kontrollpersonen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen Aus Birbaumer et al. (1995), The corticalization of chronic pain Chronifizierungsmechanismen • Für ein wirkungsvolles therapeutisches Konzept ist eine Aufdeckung der Chronifizierungsmechanismen wichtige Voraussetzung: • Schmerzgedächtnis • Plastische Veränderungen im Nervensystem durch Genexpression • Wiederholte traumatisierende Ereignisse führen zu einer Sensibilisierung von Nozizeptoren und zentraler Neurone • Dekonditionierungssyndrom: Körperliche Inaktivität und ungünstige Ernährungsgewohnheiten Missverhältnis zwischen Belastung der Stützung-/Bewegungsorgane und schwindender Funktionskapazität des Körpers Auftreten von Mikroschäden (Ö Schmerz) Vermeidung weiterer Schmerzen durch Schonung und Angst vor Bekämpfung des Funktionsdefizits Chronifizierungsmechanismen • Neben den genannten biomechanischen Chronifizierungsfaktoren bedingen auch eine Reihe psychologischer Faktoren die Aufrechterhaltung des Schmerzes • Prädisposition auf Stress mit Muskelverspannungen zu reagieren • Fear-Avoidance-Belief: Angst vor Aktivität und Schmerz • Katastrophengedanken • Psychosoziales Krankheitsverhalten (Depression, Inaktivität und Schmerzvermeidungsverhalten) • Umdenken in der Behandlung chronischer Schmerzen Zwischen dem pathologischen Prozess und dem Erleben von Schmerzen muss nicht unmittelbar eine Beziehung bestehen. Zu einem dauerhaften Behandlungserfolg gehört das rechtzeitige Erkennen und Behandeln psychosozialer Probleme. Chronifizierungsmechanismen Iatrogene Probleme: Passivierung, Postdisektomie-Syndrom NSAID = Non-steroidal anti-inflammatory drugs (z.B. Ibuprofen, entzündungshemmend) Traktion = Streckung TENS = transkutane elektrische Nervenstimulation Spondylodese = Wirbelsäulenversteifung Klinische Symptome assoziiert mit Neuropathien Î Schlafstörungen Î Angststörungen Î Depression Î Gewichtsverlust Î verringerte Lebensqualität Formen neuropathischer Schmerzsyndrome (klinischätiologisch) Î Schmerzhafte diabetische Neuropathie Î Postzosterische Neuralgie Î Neuropathische Schmerzen bei Multipler Sklerose Î Trigeminusneuralgie Î Radikulopathie bei chronischen Rückenschmerzen Î Phantomschmerzen nach Amputation Î Neuropathische Schmerzen bei malignen Erkrankungen Î Komplex-regionales Schmerzsyndrom (CRPS) Î Neuropathische Schmerzen nach Rückenmarkstrauma Î HIV-assoziierte neuropathische Schmerzen Î Zentrale Schmerzen, Thalamusschmerzen, z. B. nach Schlaganfall Tumorbedingter Neuropathischer Schmerz Schmerzen bei Tumoren: 63 - 80 % somatisch 9 - 16 % neuropathisch Neuropathische Schmerzen durch: Infiltration / Kompression des Plexus brachialis bei Mamma-Tumor des Plexus lumbosacralis bei Unterbauch-Tumor der Gesichtsnerven bei Melanom, HNO-Tumor Radikuläre Syndrome bei Metastasen verschiedener Malignome Melzack-Wall: Gatecontrol Theorie Aufrechterhaltungsbedingungen: Psychologisch • Knost, Flor & Birbaumer (1999): „Schmerzverhalten, Partnerreaktionen und somatosensorisch evozierte Potentiale chronischer Schmerzpatienten bei akuten Schmerztests“ : • Experimentelles Design: • Es wurde überprüft, ob Patienten mit chronischen Schmerzen, deren Partner sich „zuwendend“ verhielten, mehr Schmerzverhalten zeigten als Patienten mit nicht-zuwendendem Partner oder gesunde Personen. • tonischer Schmerztest (Handkraftdynamometer) mit ischämischem Schmerzreiz mit Befragung nach der Schmerzeinstufung durch den Partner. Das Verhalten des Partners wurde von unabhängigen Beobachtern erfasst • je 300 schmerzhafte und nicht schmerzhafte elektrische Reize am Rücken und am linken Zeigefinger. Einschätzung der Schmerzintensität nach je 75 Reizen Parallele Aufzeichnung des EEG. • Eiswassertest Aufrechterhaltungsbedingungen: Psychologisch • Ergebnisse: 1. Patienten mit zuwendendem Partner zeigten signifikant mehr Schmerzverhalten als Patienten mit nichtzuwendendem Partner oder gesunde Personen (das erhöhte Schmerverhalten schlug sich aber nicht in erhöhten Schmerzeinstufungen nieder) Aufrechterhaltungsbedingungen: Psychologisch Aufrechterhaltungsbedingungen: Psychologisch • Ergebnisse: 2. Die EEG-Aktivität war bei schmerzhafter Rückenstimulation bei Anwesenheit eines zuwenden Partners signifikant stärker als bei nicht zuwendendem Partner oder Gesunden. Nicht allerdings bei Stimulation am Finger Psychophysiologische Schmerztherapie • Biofeedback zur Reduktion der Muskelspannung • Aktivitätstraining gegen Schonhaltung • Abbau schmerzkontingenter Medikamenteneinnahme • Abbau der Verstärkung durch Partner Psychologische Behandlung chronischer Schmerzen Variablen, die für den Therapieerfolg prognostisch • günstig sind • intakte Familien • geringere psychopathologische Störungen wie Angst und Depression • vorhandene soziale Kompetenz • geringe externe Verstärker für Krankheitsverhalten (Familie verstärkt Gesundheitsverhalten, keine Rentenproblematik) • ungünstig sind • Medikamentenmissbrauch • Chronizität • große Anzahl erfolgloser medizinischer und / oder psychologischer Therapien Operante Methoden • Erhöhung des Aktivitätsniveaus • Reduktion der Inanspruchnahme von klinischen Institutionen zur Diagnose und Behandlung des Schmerzproblems • Reduktion von Schmerzverhalten und Reduktion der Einnahme von schmerzreduzierende Medikation • Aufbau „gesunden Verhaltens“, einschließlich Verbesserung sozialer Fertigkeiten und interpersoneller Kommunikationsfähigkeiten • Modifikation der Verstärkerkontingenzen Schmerzgedächtnis • Intensive Schmerzreize können bereits nach Minuten zu anhaltenden strukturell-anatomischen und neurophysiologischen Veränderungen führen • Intensivierung der Weiterleitung und Verarbeitung v. Schmerzreizen • Intrazelluläre Aktivität der Transmitter erhöht • Dendriten bilden Verdickungen aus, mit vielen Membranrezeptoren für synaptische Überträgerstoffe • Stille synaptische Verbindungen im Kortex werden aktiviert. • Andauernde nozizeptive Reize führen bei reduzierten oder aufgehobenen Kontroll- oder Hemmsystemen zu einem Schmerzgedächtnis. • Autonome Schmerzwahrnehmung nach Beendigung des ursprünglichen Reizes. • Im Nervensystem finden durch Genexpression plastische Veränderungen statt, die die Entstehung chronischer Schmerzen begünstigen • Erhöhte evozierte Potentiale bei Schmerzpatienten auf Schmerzreize Schmerzgedächtnis Freisetzen von Transmitter (TM) auf der präsynaptischen Seite TM lagert sich an die Rezeptoren an Öffnen von Ionenkanälen Einstrom von Ca2+ Depolarisierung Reaktionskaska de Genaktivierung Proteinsynthese Mehr Rezeptormoleküle und Ionenkanäle Reaktionsbereitschaft der Zelle wird verändert Auch schwache Reize führen zu starken Schmerzempfindungen Dekonditionierungssyndrom Nachlassende Kardiovaskuläre Kondition Haltungsschwäche Mangelnder Trainingszustand Leichte Ermüdbarkeit Zunehmende Weichteilrigidität Herabgesetzte Stresstoleranz von Bändern, Sehnen und Muskeln Reduktion der Muskelkraft Stimmungsschwankungen Herabsetzung des Knochenmineral-salzgehalts Aufrechterhaltungsbedingungen Circulus vitiousus der Schmerzentstehung und Schmerzaufrechterhaltung Schmerzerfassung • Wo tut es weh? • Wie stark tut es weh? • Wie empfinden Sie den Schmerz? • Seit wann tut es weh? Tritt der Schmerz periodisch auf? • Haben Sie noch andere Probleme außer Schmerzen? • Woher kommen Ihrer Meinung nach Ihre Schmerzen? • Was löst den Schmerz aus? • Welche Schmerzmittel haben Sie bisher bekommen? Harte Männer – wehleidige Frauen? Geschlechtsspezifische Reaktionen auf Schmerz. Unterscheide • Schmerztoleranz • Schmerzwahrnehmung und –erleben • Frauen können besser zwischen zwei eng beieinander liegenden Berührungspunkten auf der Haut unterscheiden • Frauen haben niedrigere sensorische Schwellen (riechen, schmecken, hören) • Östrogene erhöhen in der Haut den Gehalt an Wasser -> erhöhte elektrische Leitfähigkeit -> erhöhte Empfindlichkeit für elektrische Reize • Schmerzstillende Geschlechtshormone: Schmerzempfindlichkeit nimmt gegen Ende der Schwangerschaft ab – Aktivierung der Produktion von körpereigenen, morphiumartigen Neuropeptiden Psychologische Faktoren des Schmerzerlebens • Subjektive Bewertung der Bedrohlichkeit der Ursache des Schmerzes (Angst Ò) • Kontrollorientierung (internal vs external) • Normen • Allgemeine Stimmungslage (Depression Ò) • Muskuläre Verspannung Ò • Aufmerksamkeit Ò • Vorerfahrung mit ähnlichen Schmerzen Schmerztagebuch Numerische Ratingskala Medikations - Regeln • Nach Stufenschema • Orale Gabe • Nach festem Zeitschema Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufenschema der WHO Starke Opioide ± Nicht-Opioide z.B.: Morphin, Oxycodon, Hydromorphon, Buprenorphin, Fentanyl, Methadon Schwache Opioide ± Nicht-Opioide z.B.: Codein, Dihydrocodein, Tramadol, Tilidin/Naloxon Nicht-Opioide z.B.: ASS, Ibuprofen, Diclofenac, „Cox 2“ Paracetamol, Metamizol, Flupirtin Phantomschmerz Phantomschmerz Phantomschmerz Schmerzerfahrung im Phantom Phantomempfindungen telescoping Remapping: Phantomempfindungen durch Reizung von Gesichtsarealen Remapping: Phantomempfindungen durch Reizung von Gesichtsarealen Kortikale Reorganisation bei Phantomschmerz Auch im Motorkortex Reorganisation bei Phantomschmerz Erklärungsmodell kortikaler Reorganisation Erklärungsmodell kortikaler Reorganisation kortikale und subkortikale Reorganisation ist Basis für das Schmerzgedächtnis Phantomempfindungen: Umfang, Berührung, Bewegung Neurophysiologische Erklärungen • peripher: Spontanaktivität der Stumpfneurome • spinal: abnorme Aktivität der Hinterhornneurone • zentral: neuroplastische Veränderungen im Kortex und Thalamus Therapieansätze Abnahme des Phantomschmerz durch Opioide (MST) – doppelblind-Placebo-cross-over kontralateral zur am putierten Seite Plazebo Baseline M orphin kontralateral zur nicht-am putierten Seite Einfluß myoelektrischer Prothese auf Phantomschmerz und Reorganisation Signifikanter Rückgang von Phantomschmerz und Reorganisation “Diabetische Fuß“ • ca. 25 000 Amputationen/Jahr wegen Diabetes • 80% durch Trivialverletzungen (schlechte Fußpflege, Schuhe) Beginnende Fußgangrän bei Diabetes Diabetische Gangrän Testosteron... •...erhöht Häufigkeit/Intensität aggressiven Verhaltens bei Konkurrenzsituationen •...erhöht Risiko für Verletzung •Tierstudie (Hau et al., 2004) zeigt erhöhte Schmerztoleranz nach Testosterongabe, •geringere Toleranz nach Testosteron-Blockade •mgl. Mechanismus: Umwandlung in Estradiol im dorsalen Horn des Rückenmarks Migräne Begleiterscheinungen: Übelkeit und/oder Erbrechen Photophobie und Phonophobie Erkrankungsverlauf – mindestens 5 Attacken Migräneauslöser • Stress: Ärger, Antizipation von Mißerfolg, Mobbing • Hunger – unregelmäßiges Essen • Nahrung: Zitrusfrüchte, Alkohol, Schokolade, Fett, Käse • Licht: Fernsehen, Sonne • Schlaf-Wach-Rhythmus • Wetter - Föhn Schmerzpatienten – Stiefkinder der Medizin? Schmerz ist nicht nur das Reagieren spezialisierter Nerven auf Reize, sondern immer auch eine bewusste Erfahrung des betroffenen Menschen. Dabei spielen Lebensanschauung, die Vergangenheit, das Umfeld und die Lebenssituation eine Rolle. Sie beeinflussen vor allem den chronischen Schmerz. Während der akute Schmerz in der Regel ein Warnsignal des Körpers darstellt und durch die Behandlung der angezeigten Störung verschwindet, ist chronischer Schmerz oftmals das Resultat einer Verselbständigung und entwickelt sich zu einer eigenständigen Krankheit ohne direkt erkennbare organische Ursache. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Therapie. (Neue Zürcher Zeitung, 20./21.2.1999) Indianerherz kennt keinen Schmerz? 99