Höhere Analysis I - Prof. Dr. Daniel Lenz

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Höhere Analysis I
Sommersemester 2012
Prof. Dr. D. Lenz
Blatt 2 Lösungsvorschläge1
(1) Sei (X, T ) ein topologischer Raum und M ⊆ X. Zeigen Sie:
M◦ =
[
O
O⊆M, O∈T
M=
\
F
M ⊆F, X\F ∈T
∂M = {x ∈ X : für alle Umgebungen U von x gilt U ∩M 6= ∅ und U ∩(X \M ) 6= ∅}.
Lösung: (Melchior Wirth)
In der Vorlesung wurden M ◦ , M , ∂M wiefolgt definiert:
M ◦ = {x ∈ X : M ist Umgebung von x},
M = {x ∈ X : für jede Umgebung U von x gilt U ∩ M 6= ∅},
∂M = M \ M ◦ .
Setze
int M :=
[
O⊂M
O∈T
O, cl M :=
\
A
A⊃M
Ac ∈T
fr M := {x ∈ X | für jede Umgebung U von x gilt: U ∩ M 6= ∅, U ∩ M c 6= ∅}
◦
Für
offene Menge Ux mit x ∈ Ux ⊂ M , also ist M ◦ =
S jedes x ∈ M gibt es eine
◦
x∈M ◦ Ux offen und somit M ⊂ int M . Andererseits gibt es für jedes x ∈ int M ein
O ⊂ M offen mit x ∈ O, also ist M eine Umgebung für alle x ∈ int M und somit
int M ⊂ M ◦ .
Für x ∈
/ M gibt es eine Umgebung U mit U ∩M = ∅, also y ∈
/ M für alle y ∈ U . Somit
c
ist (M ) offen, also M ⊃ M abgeschlossen und daher M ⊂ cl M . Ist andererseits
x ∈ M und U eine Umgebung von x, so gilt U ∩ M 6= ∅, denn anderenfalls wäre
1
Es handelt sich nicht um eine Musterlösung. Kommentare sind willkommen.
M = cl M ∩ U c 6= cl M eine abgeschlossene Menge, die M enthält. Somit gilt auch
cl M ⊂ M . Es ist x ∈ ∂M = M \ M ◦ genau dann, wenn für jede Umgebung U von
x gilt: U ∩ M 6= ∅ und U ist keine Teilmenge von M , das heißt U ∩ M c 6= ∅. Also ist
x ∈ ∂M genau dann, wenn x ∈ fr M ist.
ˆ und (N̂ , ê).
(2) Seien (M, d) und (N, e) metrische Räume mit Vervollständigungen (M̂ , d)
Zeigen Sie:
(a) Jede gleichmäßig stetige Funktion f : M → N lässt sich eindeutig zu einer
gleichmäßig stetigen Funktion fˆ : M̂ → N̂ fortsetzen (wenn man M bzw. N als
Unterräume von M̂ bzw. N̂ auffasst)
(b) Für stetige Funktionen gilt (a) im allgemeinen nicht.
Erinnerung: Sei (M, d) ein metrischer Raum. Ein vollständiger metrischer Raum
ˆ heißt Vervollständigung von (M, d), falls es eine Isometrie ι : M → M̂ gibt,
(M̂ , d)
sodass ι(M ) dicht in M̂ liegt.
Lösung: (Melchior Wirth)
(a) Sei x ∈ M̂ . Dann gibt es eine Cauchy-Folge (xn ) in M mit xn → x und es
gibt für jedes ε > 0 ein δ > 0 mit e(f (xn ), f (xm )) < ε für d(xn , xm ) < δ, da f
gleichmäßig stetig ist. Daher ist f (xn ) eine Cauchy-Folge in N und hat daher
einen Grenzwert y ∈ N̂ . Setze nun fˆ(x) = y.
Diese Definition ist unabhängig von der Cauchy-Folge (xn ) : Gilt x̃n → x, so
folgt mit Dreiecksungleichung d(xn , x̃n ) → 0 und daher e(f (xn ), f (x̃n )) → 0 und
so e(y, ỹ) ≤ d(y, f (xn )) + d(ỹ, f (x̃n )) → 0, also ỹ = y.
Die Funktion fˆ ist gleichmäßig stetig: Sei ε > 0 beliebig und sei δ > 0 mit
e(f (ξ), f (η)) < ε für alle ξ, η ∈ M mit d(ξ, η) < δ. Für x, y ∈ M̂ mit d(x, y) < 2δ
wähle Folgen (xn ), (yn ) in M mit xn → x, yn → y und daher d(xn , yn ) < δ für
n ∈ N hinreichend groß. Dann gilt:
(∗)
e(f (x), f (y)) ≤ e(f (x), f (xn )) + e(f (xn ), f (yn )) +e (f (yn ), f (y))
|
{z
} |
{z
}
|
{z
}
→0, n→∞
<ε
→0, n→∞
=⇒ e(f (x), f (y)) ≤ ε.
Ist insbesondere f eine Kontraktion2 , so ist auch fˆ eine Kontraktion, denn:
e(f (xn ), f (yn )) ≤ d(xn , yn ) ≤ d(xn , x) +d(x, y) + d(y, yn )
| {z }
| {z }
→0, n→∞
→0, n→∞
(∗)
=⇒ e(f (x), f (y)) ≤ d(x, y)
2
Für alle ξ, η ∈ M gilt e(f (ξ), f (η)) ≤ d(ξ, η), das heißt, es wird keine strikte Kontraktivität gefordert.
2
Die Fortsetzung fˆ ist eindeutig bestimmt: Für jede Fortsetzung f˜ von f muss
wegen der Stetigkeit gelten: xn → x =⇒ f˜(xn ) → f (x). Dadurch ist f˜(x) =
limn→∞ f (xn ) = fˆ(x) für alle x ∈ M̂ und alle Folgen (xn ) in M mit xn → x.
(b) Betrachte die Vervollständigung [0, 1] von (0, 1] bzgl. der Standardmetrik auf R.
Es ist (0, 1] → [0, 1], x 7→ sin x1 stetig, aber es gibt keine stetige Fortsetzung auf
[0, 1], denn limx→0 sin x1 existiert nicht.
(3) Zeigen Sie, dass zwei Vervollständigungen eines metrischen Raumes isometrisch isomorph sind. Hinweis: Wenden Sie Aufgabe 2 in geeigneter Weise auf die durch die
Vervollständigungen gegebenen Isometrien an.
Lösung: Seien (M1 , d1 ) und (M2 , d2 ) zwei Vervollständigungen eines metrischen
Raumes (M, d) mit zugehörigen Isometrien ϕ1 , ϕ2 . Wir betrachten die Abbildung
ι : ϕ2 (M ) → ϕ1 (M ), x 7→ ϕ1 ◦ ϕ−1
2 (x).
Da ϕ2 injektiv ist, ist diese sinnvoll definiert. ι ist eine Isometrie, also insbesondere
gleichmäßig stetig. Nach Aufgabe 2 können wir sie daher eindeutig zu einer gleichmäßig stetigen Funktion
ι̂ : M2 → M1
fortsetzen. Wir zeigen nun, dass ι̂ eine surjektive Isometrie ist.
ι̂ ist Isometrie: Seien x, y ∈ M2 . Da ϕ2 (M ) dicht in M2 liegt, existieren Folgen
(xn ), (yn ) ⊆ ϕ2 (M ) mit d2 (x, xn ) → 0, d2 (yn , y) → 0. Dann gilt:
d2 (x, y) = lim d2 (xn , yn )
n→∞
(ι ist Isometrie) = lim d1 (ι(xn ), ι(yn ))
n→∞
= lim d1 (ι̂(xn ), ι̂(yn ))
n→∞
= d1 (ι̂(x), ι̂(y))
ι̂ ist surjektiv: Sei y ∈ M1 beliebig. Da ϕ1 (M ) dicht in M1 liegt gibt es eine Folge
(xn ) ⊆ ϕ1 (M ) mit d1 (xn , y) → 0. Da ι eine Isometrie ist, ist (ι−1 (xn )) eine Cauchyfolge in M2 . M2 ist vollständig, also konvergiert ι−1 (xn ) gegen ein x ∈ M1 . Man rechnet
nun leicht nach, dass ι̂(x) = y.
(4) Sei (M, d) ein metrischer Raum und Cb (M, R) der Raum aller beschränkten stetigen
(reellwertigen) Funktionen auf M . Für f, g ∈ Cb (M, R) sei
d∞ (f, g) = sup{|f (x) − g(x)| : x ∈ M }.
Zeigen Sie:
(a) (Cb (M, R), d∞ ) ist ein vollständiger metrischer Raum.
3
(b) Es gibt eine Isometrie ι : M → Cb (M, R). Hinweis: Sei x0 ∈ M fest gewählt.
Betrachten Sie die Funktionen
ϕx : M → R, t 7→ d(x, t) − d(x0 , t).
(c) (ι(M ), d∞ ) ist eine Vervollständigung von (M, d).
Lösung: (Melchior Wirth)
(a) Sei (fn ) eine Cauchy-Folge in Cb (M, R). Dann gilt für alle x ∈ M nach Definition
|fn (x) − fm (x)| ≤ d∞ (fn , fm ). Also ist (fn (x)) eine Cauchy-Folge in R und hat somit
einen Grenzwert y =: f (x).
Für jedes ε > 0 gibt es dann ein Nε ∈ N, sodas für alle n, m ≥ Nε gilt: d∞ (fn , fm ) <
m→∞
ε =⇒ |fn (x) − fm (x)| < ε für alle x ∈ M =⇒ |fn (x) − f (x)| < ε für alle x ∈ M
und damit supx∈M |f (x) − fn (x)| < .
Daraus folgt: supx∈M |f (x)| ≤ ε + supx∈M |fn (x)| < ∞, also ist f beschränkt.
Außerdem konvergiert (fn ) gleichmäßig gegen f und f ist somit stetig. Also gilt
d∞ (fn , f ) → 0.
(b) Sei x0 ∈ M beliebig. Dann ist eine Isometrie gegeben durch i : M → Cb (M, R),
x 7→ ix mit ix (ξ) = d(x, ξ) − d(x, x0 ):
Die Funktion ix ist beschränkt, denn |ix (ξ)| = |d(x, ξ)−d(ξ, x0 )| ≤ d(x, x0 ), und stetig
nach umgekehrter Dreiecksungleichung. Weiterhin gilt für x, y ∈ M : |ix (ξ) − iy (ξ)| =
|d(x, ξ) − d(y, ξ)| ≤ d(x, y) und |ix (x) − iy (x)| = d(x, y), also d∞ (ix , iy ) = d(x, y).
(c) Der Raum i(M ) ist als abgeschlossene Teilmenge eines vollständigen metrischen
Raums selbst vollständig und außerdem ist nach Definition i(M ) dicht. Die Isometrie
der Einbettung wurde in (b) gezeigt.
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