HalsNaseOhren

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Hals­Nase­Ohren
Vorlesung: Grundlagen der Medizin
J. Frömke
Klinik für Herz­Thorax­Gefäßchirurgie
St. Johannes Hospital Dortmund
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Hals Nase Ohren
Die Einteilung des Fachgebietes in die drei Regionen Hals, Nase und Ohren zur HNO­
Heilkunde hat sich allgemein durchgesetzt, da es sich um zusammenhängende Strukturen handelt.
Aufgrund der engen anatomischen Nachbarschaft, funktioneller Beziehungen und Krank­
heitslokalisationen werden zusätzlich die Bereiche Mund, Rachen und Kehlkopf hinzuge­
rechnet. Im internationalen Sprachgebrauch werden alle diese Bereiche unter dem Begriff der Oto­
Rhino­Laryngologie zusammengefaßt.
Von den insgesamt sechs Sinnen des Menschen, sind vier im HNO­Bereich lokalisiert: Riechen, Schmecken, Hören, Gleichgewicht. Stimm­ und Sprachbildung sind ebenfalls eng mit den oben genannten Organstrukturen verknüpft.
Die Bedeutung dieses Fachgebietes zeigt sich in der Tatsache, daß Infektionskrankheiten des Nasenrachenraumes zu den häufigsten Erkrankung des Menschen zählen und eine entsprechende nicht nur medizinische, sondern auch ökonomische Bedeutung haben.
Die Beteiligung an bösartigen Erkrankungen mit etwa 3% unterstreicht die Notwendigkeit einer Früherkennung, die gerade im HNO­Gebiet relativ einfach durchführbar ist.
Ständige Weiterentwicklung hat insbesondere auf dem Gebiet der Mittel­ und Innenohr­
chirurgie, unter Einsatz mikrochirurgischer Techniken (Operationsmikroskop), einen enormen Fortschritt eingeleitet, der zum heutigen Standard weiterentwickelt wurde und zur drastischen Reduktion schwerster Komplikationen führte.
Darstellung der am Ohr beteiligten anatomischen Strukturen. Mittel­ und Innenohr nehmen einen kleinen Platz ein. 3
Mittel­Ohr mit Gehörknöchelchen
Innen­Ohr mit Bogengängen und Schnecke
Äußeres Ohr mit Gerhörgang
Trommelfell
Ohrtrompete
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Inhaltsverzeichnis
Nase und Nasennebenhöhlen
4
Mund und Rachen
10
Kehlkopf
16
Ohren, Gehör, Gleichgewicht
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Anhang
33
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6
Nase und Nasennebenhöhlen
Aufbau und Funktion
1. Anatomie
Der gesamte, nicht nur sichtbare Teil des Nasenraumes besteht aus ­ der äußeren Form, der sichtbaren Nase und ­ der Nasenhöhle
sowie den dazugehörenden, miteinander kommunizierenden ­ Nasennebenhöhlen
1.1. Nase
Aus knöchernen und knorpeligen Anteilen werden Nasenwurzel, Nasenrücken, Nasenspitze und Nasenflügel gebildet und geben so der Nase ihre äußere Form.
Getrennt durch eine senkrechte Knorpel­Knochenwand (Nasenscheidewand oder Septum) werden zwei Höhlen gebildet, deren Eingang (Nasenloch) durch Haare gekennzeichnet ist. Jede Nasenhöhle wird wiederum durch drei Nasenmuscheln weiter unterteilt, die allesamt von einer Schleimhaut überzogen werden.
Hier münden auch die einzelnen Verbindungsgänge zu den Nebenhöhlen.
Der hintere Teil der Nasenhöhlen bildet eine trichterförmige Öffnung (Choanen) zum Rachen (Pharynx) hin und stellt so den Übergang des Nasenrachenraums dar. 1.2. Nasennebenhöhlen
Der knöcherne Schädel in unmittelbarer Nachbarschaft zur Nase ist nicht einheitlich kompakt strukturiert, sondern mit Hohlräumen (=Sinus) durchsetzt.
Diese Höhlen (Nasennebenhöhlen = NNH) sind paarig angelegt, befinden sich in enger anatomischer Beziehung zur Nase und stehen über Gangsysteme mit dieser in Verbindung. Hierzu gehören:
­ 1 Kieferhöhle (Sinus maxillaris)
­ 2 Stirnhöhle (Sinus frontalis)
2
3, 4
7
­ 3 Keilbeinhöhle (Sinus sphenoidalis)
­ 4 Siebbeinzellen (Sinus ethmoidalis)
1
Kommunikationen all dieser Hohlräume mit der Nasenhaupthöhle sowie weiteren Ver­
bindungswegen zum äußeren Auge (Tränennasengang) und dem Mittelohr (Ohrtrompete),
lassen eine breite Streuung krankheitserregender Keime dieser ineinandergreifenden Strukturen zu und erklären die zahlreichen Infektionswege in diesem Gebiet.
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2. Physiologie
Die zahlreichen Aufgaben der Nase werden durch Vorhandensein einer speziellen Zellauskleidung der Luftwege wahrgenommen. Es sind dies das Schleimhautepithel und das Sinnesepithel.
• Ein­ und Ausatmung
Als vorgeschalteter Teil des Atmungsvorganges dient die Nase der Reinigung, Anwärmung und Anfeuchtung der Atemluft. Das hierfür zuständige Schleimhautepithel kleidet die gesamte innere Nase und die Nasennebenhöhlen aus und besitzt einen rachenwärts gerichteten, durch Flimmerhärchen aufrechterhaltenen Sekretstrom.
Die Wichtigkeit dieser selbstverständlichen Vorgänge wird bei Ausfall der Nasenatmung (schwerer Infekt, Nasentamponade nach Operation) mit Austrocknung und Reizung der oberen Luftwege deutlich vor Augen geführt. • Geruchssinn
Im obersten Nasengang befindet sich die Riechschleimhaut mit den Riechzellen. Diese enthalten spezialisierte Nervenzellendigungen (Sinneshärchen), die über den Riechnerv (Nervus olfactorius) die aufgenommene Witterung zum Riechhirn weiterleiten, welches an der Spitze des Schläfenlappens gelegen ist.
Der Geruch dient dem Erkennen und Genießen aber auch dem Schutz der Atemorgane (z.B. bei stechend riechenden und damit giftigen Gasen). Die Geruchsemfindung von angenehmen und unangenehmen Gerüchen führt reflektorisch zur Sekretetionssteigerung im Magentrakt, andererseits zum Erbrechen.
Man schätzt, daß 30 Millionen Riechzellen vorhanden sind und etwa 1 000 Geruchs­
qualitäten unterschieden werden können. Pro Duft kommen somit etwa 30 000 Geruchszellen. Gegenüber dem eher groben Geschmacksinn mit nur 4 unterschiedlichen Wahrnehmungs­
qualitäten wird erst in Kombination mit dem feineren Geruchsinn die volle Bedeutung beider Sinnesorgane bewußt.
• Sprachbildung Der normale anatomische Aufbau der Nasenstrukturen trägt zur Sprache entscheidend bei. Dabei werden Nase und Nasennebenhöhlen als Resonanzraum gebraucht. Zusammen mit dem Rachen und Mundraum erfolgt hier die akustische Ausformung des gesprochenen Wortes.
Sind abnorme Verbindungen zwischen Mund­Rachenraum und Nasenraum (z.B. bei der angeborenen Lippen­Kieferspalte) vorhanden, kommt es zur gestörten Konsonanten­
aussprache, dem offenen Näseln. Störungen der Gaumensegelbeweglichkeit infolge Lähmungen (z.B. bei Diphtherie) führen ebenfalls zum Näseln.
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Erkrankungen
1. Entzündungen
1.1. Schnupfen
Bedeutung:
Bedeutung und Verlauf einer banalen Erkältung sind jedem von uns geläufig. Da der menschliche Körper mit dieser Viruserkrankung in aller Regel gut um­
zugehen vermag, geht eine Gefährdung davon nicht aus. Liegt ein intaktes Abwehrsystem vor, ist unser Organismus durchaus in der Lage damit ohne weiters fertig zu werden, was einer "Testreaktion" unseres Immunsystems gleichkommt. Problematisch bis hin zu lebensgefährlichen Situationen kann es jedoch bei denjenigen Patienten kommen, die unter Immunsuppressiva (Organtrans­
plantierte) stehen oder als Tumorpatienten sich in einer ungünstigen Abwehr­
lage befinden. Hier kann auch ein "einfacher Schnupfen" tödlich enden!
Definition:
Die Entzündung der Nasenschleimhaut wird als Schnupfen (=Rhinitis) be­
zeichnet. Sie tritt in akuter oder chronischer Form auf.
Ursachen:
• Krankheitserreger (meist Folge nach Erkältungen durch Viren)
• thermische Reize
• chemische Reize
• Allergien (Heuschnupfen) Bei den häufigsten Schnupfenerregern handelt es sich um Rhinoviren, von
denen über 100 Typen bekannt sind. Klinik:
Als Reaktion der Schleimhautentzündung wird ein glasiger Schleim gebildet,
der zum Teil aus der Nase herausläuft und dann als Katarrh bezeichnet wird.
Die folgende Bildung eines gelblich­zähen Schleimes (eitriges Sekret) ist
Ausdruck der Auseinandersetzung und Zerstörung der Erreger, wobei meist
zusätzliche Infektionen mit weiteren Erregern (Bakterien) hinzukommen.
Folgen:
Eine Mitbeteiligung von Nasennebenhöhlen und Ohr (infolge anatomischer Verbindungswege) ist durch Fortleitung der Erreger möglich: ­Nasennebenhöhlenentzündung
­Mittelohrentzündung
Therapie:
• Eine spezifische Therapie ist bei viralen Erkrankungen nicht möglich.
• Fiebersenkende Maßnahmen dienen dem Wohlgefühl, sind aber nicht un­
bedingt sinnvoll. • Abschwellende Tropfen erleichtern das Atmen.
Eine Antiobiotikatherapie ist bei unkompliziertem Schnupfen nicht erforderlich.
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Eine spontane Rückbildung mit Abklingen der Entzündungszeichen ist nach etwa 10 Tagen zu erwarten.
1.2. Nebenhöhlenentzündung
Bedeutung:
Entsprechend der Nachbarbeziehungen im Nasenrachenraum sind Ent­
zündungen der Nasennebenhöhlen häufig. Sie werden als Sinusitis bezeichnet, wobei Kieferhöhle und Stirnhöhle oft, Siebbein­ und Keilbeinhöhle selten befallen sind. Kommt es zur Entzündung aller Nebenhöhlen spricht man von einer Pansinusitis.
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Röntgen­Aufnahme der Stirn­
beinhöhlen:
Man sieht eine waagerechte Linie (Pfeile) als Zeichen einer Flüssigkeitsansamm­lung mit dadrüber gelegener Luft.
Ursache:
meist fortgeleitet aus der Umgebung (z.B. nach Rhinitis)
Klink:
je nach Lokalisation:
• lokale Schmerzen (oft beim Bücken)
• Kopfschmerzen Diagnose:
• Spiegelung
• Röntgen (Verschattung, Flüssigkeitsansammlung)
Therapie:
• Abschwellung (Nasentropfen)
• Wärmeanwendung
• Antibiotika
• Entlastung und Entleerung der Höhle bei Eiterung dies geschieht durch:
­Punktion
­Bohrung
Beispiele für Punktionen von Stirnhöhle (A) und Kieferhöhle (B):
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B
A
Die akute Sinusitis verläuft allgemein unkompliziert und sollte nach 1­2 Wochen abgeheilt sein. Chronische Formen müssen durch den HNO­Arzt kontrolliert werden, um Kompli­
kationen (Mitbeteiligung von Knochen, Auge, Gehirn) zu verhüten.
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2. Gutartige Veränderungen
2.1. Polypen
Die allgemein als Polypen geltenden Wucherungen des hinteren Nasenraumes sind Vergrößerungen der Rachenmandel und nicht der eigentlichen Nase, so daß sie bei den Rachenerkrankungen besprochen werden.
Primäre Nasenpolypen sind selten. Ausgehend von einer chronischen Sinusitis der Siebbeinhöhle können sich jedoch häufig polypöse Wucherungen zur Nasenhöhle hin entwickeln.
2.2. Knollennase (= Rhinophym)
Von den Talgdrüsen stammend, tritt diese sehr auffällige gutartige knollige Nasenwucherung meist bei älteren Männern auf. Ursache:
• letztlich ungeklärt (oft nach thermischer Schädigung, Fettstoffwechselstörung)
Folgen:
• sekundäre Entzündungen möglich
Therapie:
• Abtragen durch Abschälung (Dermabrasio)
3. Bösartige Veränderungen
Maligne Tumoren (Karzinome, Sarkome) gehören zu den seltenen Nasenerkrankungen.
Eine Sonderform bildet das relativ häufige, im Alter auftretende Basaliom.
3.1. Basaliom
Ursache:
Basaliome zählen zu den sogenannten semimalignen Tumoren der Haut und kommen häufig im Gesichtsbereich, speziell der Nasenhaut ( in etwa 30%),
vor. Der Ausdruck semimaligne beschreibt die Diskrepanz eines örtlich inva­
siven und damit malignen Wachstumsverhaltens einerseits, zum anderen die sehr geringe Metastasierungsrate.
• anhaltende UV­Licht Exposition bei hellhäutigen Menschen
Diagnose:
• Probeentnahme aus der sichtbaren Hautveränderung
Bedeutung:
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Risiken:
• zerstörendes Wachstum: Im Gegensatz zum gefährlicheren echten Krebs (Karzinom) besteht beim
Basaliom keine Metastasierung. Infolge örtlicher Destruktion durch Druck
auf Nachbarstrukturen (Knochen, Knorpel) zählt es jedoch zu den bös­
artigen Tumoren.
Therapie:
• Ausschneiden (Exzision) mit plastischer Rekonstruktion
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4. Verletzungen und Formänderungen
Septumdeviation (Nasenscheidewandverbiegung)
Bedeutung:
Bei fast allen Menschen ist eine gewisse Verbiegung nachweisbar. Einen
Krankheitswert erlangt diese Störung erst aufgrund des Behinderungsgrades bei der Nasenatmung.
Ursache:
• angeborene oder als • Verletzungsfolge entstandene Verkrümmung der Nasenscheidewand
Klinik:
• Atmungsbehinderung • Kopfschmerzen (Spannungsschmerz)
• Schnarchen
• Sprachstörung (Näseln)
Folgen:
Störungen der Nasenatmung führen zum Übergang auf Mundatmung mit
Austrocknung der Schleimhäute (→ häufige Rachen­Kehlkopfentzün­
dungen)
Therapie:
• Operation: Septumplastik
Darstellung des Septums und Entnahme:
Nach Entnahme entsteht eine Formänderung der Nase (links), die nach Einsetzen wieder begradigt wird (rechtes Bild):
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Mund und Rachen Aufbau und Funktion
1. Anatomie
1.1. Mund
Die eigentliche Mundhöhle wird nach vorne durch den Mundvorhof (Raum zwischen innerer Lippen­Wangenhaut und Zähnen), nach oben durch den Gaumen (harter und weicher Gaumen) und nach hinten als Übergang zum Rachenraum (Mundrachen = Oropharynx) begrenzt.
Sie wird von der Zunge fast vollständig ausgefüllt.
Für die Speichelbildung sind drei Drüsen zuständig, die auch als Kopfspeicheldrüsen bezeichnet werden. Diese heißen:
­ Glandula parotis (Drüse unterhalb des Ohres)
­ Glandula sublingualis (Drüse unter der Zunge)
­ Glandula submandibularis (Drüse unter dem Unterkiefer)
1.2. Rachenraum
Aufgrund zahlreicher anatomischer Strukturen, Krankheitsbegriffen und engen Bezie­
hungen zu Nachbarorganen ist dieser Raum meist schwer verständlich. Die Existenz seiner Lage "hinten im Hals" ist zwar topographisch korrekt, wenn auch in der Vorstellung ver­
schwommen. Unterschieden werden:
­Nasenrachen
­Mundrachen
­Kehlkopfrachen
Als muskulärer, vor der Wirbelsäule gelegener Schlauch, verläuft der Rachenraum von der Schädelbasis bis zum Luftröhreneingang. Er besteht aus nach vorne offenen, ineinander übergehenden Etagen, wobei sowohl vom Mund als auch Nasenraum der Zutritt zum Rachen möglich ist.
Nasenrachen (Nasopharynx):
Lage:
Er befindet sich unmittelbar unterhalb der Schädelbasis. Die hinteren Nasen­
löcher (Choanen) bilden den nasalen Übergang zum Nasopharynx, der nach
vorne unten vom weichen Gaumen begrenzt wird.
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Inhalt:
Die unpaarige Rachenmandel mit den seitlich davon mündenden beiden
Tubengängen (Verbindungsgänge zum Mittelohr = Eustach'sche Röhre).
Mundrachen (Oropharynx):
Lage:
Inhalt:
Er reicht vom Zäpfchen (= Uvula) bis zum Kehldeckelrand (= Epiglottis) und
öffnet sich nach vorne zur Mundhöhle.
Zungengrund, Gaumenbögen mit zwei Gaumenmandeln Kehlkopfrachen (Hypopharynx):
Lage:
Raum vom Kehldeckel bis zum Speiseröhreneingang. Er bildet eine offene
Verbindung zum Kehlkopf.
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Anatomie des Mund­Nasen­Rachenraumes:
Kehlkopf
Ösophagus
Trachea
Erläuterungen:
Sinus frontalis
Sinus sphenoidals
Concha nasalis Cavum oris
Lingua
Cartilago epiglottica
Trachea
Ösophagus
= Stirnbeinhöhle
= Keilbeinhöle
= Nasenmuschel (obere, mittlere, untere)
= Mundhöhle = Zunge
= Kehldeckel­Knorpel
= Luftröhre
= Speiseröhre
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2. Physiologie
2.1. Mund
Neben der Speiseaufnahme und Zerkleinerung mit Hilfe der Zähne wird das Aufweichen der Speisen und damit Vorbereitung zum Schlucken durch den Speichelsaft herbeigeführt, der von den drei Speicheldrüsen geliefert wird.
Die Zunge, als Sitz des Geschmacksinns, trägt wesentlich zur Orientierung (Gefahr­
abwendung) und zum Genießen beim Essen bei. Die auf der Oberfläche gelegenen Geschmacksknospen (Papillen) stellen Sinneszellen dar, die zur Wahrnehmung von vier Geschmacksqualitäten befähigt sind. Dazu zählen: süß, salzig, sauer, bitter. Abgestufte Geschmacksempfindungen (z.B. Aromastoffe) werden nur unter Zuhilfenahme des Riech­
vermögens erzielt.
Die Zunge trägt zudem entscheidend zur Sprachfunktion bei, indem sie als beweglicher Sprechmuskel unsere Wortlaute bei der Aussprache dadurch formt, daß sie den Resonanzraum ständig verändert.
Aufgaben: ­Nahrungsaufnahme
­Geschmackssinn
­Sprachfunktion
Darstellung des Mundraumes und der Zungenposition bei der Lautbildung:
(aus: Schmidt, Thews; Physiologie des Menschen; Springer Verlag 1997)
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2.2. Rachen
Die Abschnitte des Rachenraumes befinden sich im Anfangsteil lebenswichtiger Vorgänge, nämlich des Atmens und dem Schluckakt. Hier kreuzen sich beide Wege und müssen bei der Weiterbeförderung an tiefergelegene Strukturen doch getrennt werden. Durch kompliziertes Ineinandergreifen und Feinabstimmung der Schlundmuskulatur mit der Kehlkopfbeweglichkeit (Reflexsteuerung) wird der Schluckakt koordiniert und damit gefahrlos durchgeführt.
Zum weiteren werden diese Räume zur Sprachformung benötigt.
Durch das Vorhandensein zahlreicher lymphatischer Organe besteht hier ein Ort der
Immunabwehr.
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Somit kommen dem Rachenraum drei wesentliche Funktionen zu:
Aufgaben:
­Schluckakt
­Sprachbildung
­Abwehrfunktion
Schluckakt:
Dieser Vorgang wird eingeleitet duch eine willkürlich gesteuerte Phase mit Anpressen der Zunge gegen den Gaumen und Kontraktion des Mundbodens. Dadurch wird das Tiefertreten der Nahrung (fest oder flüssig) zum weichen Gaumen hin bewirkt.
Die anfolgende reflektorische Phase dient der Sicherung der Luftwege mit Anhebung des weichen Gaumens (Abtrennung des oberen, nasalen Luftweges) und führt mit Hilfe des kontrahierten Mundbodenmuskels zum Verschluß des Luftröhreneingangs durch den Kehl­
deckel (Epiglottis). Gleichzeitig ist auch die Stimmritze verschlossen. Durch den Verschluß der Luftwege wird ein versehentliches Aspirieren von Speise vermieden.
Für die regelrechte Funktion und Koordination dieses komplizierten und genau aufeinander abgestimmten Vorganges ist das Schluckzentrum mit Sitz im verlängerten Mark (Medulla oblongata) verantwortlich.
Sprachbildung:
Als wesentlicher Ort der Sprachbildung fungiert der Kehlkopf mit seiner Feinstruktur, so daß dort der wesentliche Vorgang der Sprachbildung erläutert wird. Die Bedeutung der Rachens besteht in der Vorgabe eines Resonanzraumes und damit der Lautausformung.
Abwehrfunktion:
Hauptorte lymphatischen Gewebes sind die Tonsillen des Rachenraumes. Dieses sind die Gaumenmandeln, eine Rachenmandel und eine Zungenmandel. Mit ihrer kreisförmigen Anordnung werden sie als Waldeyer­ Rachenring bezeichnet. Entsprechend ihrem Aufbau und ihrer Funktion tragen sie durch Bildung spezialisierter Zellen zur Immunabwehr des Organismus bei.
Bildung von Lymphozyten ø
Prägen von Antigenen
ø
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Anregung der Antikörperbildung
Je nach Funktion werden B­ und T­Lymphozyten unterschieden, wobei erstere zur soge­
nannten humoralen Immunabwehr (d.h. auf dem Blutwege vermittelten), letztere für die durch Zellen zuständige (zelluläre) Abwehr verantwortlich sind.
Nach Größenzunahme der Tonsillen bis zur Pubertät, verkleinern sie sich danach wieder.
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Erkrankungen
1. Entzündungen
Entzündungen des Rachenraumes gehören zu den häufigsten Erkrankungen des Menschen überhaupt. Sie werden unter dem Begriff Pharyngitis zusammengefaßt und meist durch Viren oder Bakterien verursacht. Aus medizinischer Sicht können sie im Spätverlauf zu schweren Organschädigungen führen.
Entsprechend ihrem gehäuften Auftreten in jedem Lebensalter sind sie aus ökonomischer Sicht für zahlreichen Arbeitsausfall (Schule, Beruf) verantwortlich.
Die Abbildung zeigt die akute Entzündung des Rachens (= Pharyngitis) einschließlich der Rachen­
mandeln (Tonsillen)
1.1. Mandelentzündung (Tonsillitis)
Bedeutung: Entzündungen der Gaumenmandeln (Angina tonsillaris) und auch kombi­
nierte Formen mit Beteiligung anderer Mandeln (Rachenmandeln) sind be­
sonders bei Kindern häufig. Das Wort Angina kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Enge (Enge des Rachens infolge Schwellungen).
Bild einer eitrigen Tonsillitis (Pfeil).
Ursachen:
• meist Bakterien (Streptokokken)
• selten Viren oder Diphtherie
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Klinik:
• hohes Fieber (Schüttelfrost)
• Schluckbeschwerden
• Kopfschmerzen Folgen:
• Erbrechen • örtliche Vereiterung (Peritonsillarabszeß)
• Organkomplikationen als Zweiterkrankung (Gelenke, Niere, Herz)
­als Gelenkrheuma (akutes rheumatisches Fieber) nach 2­3 Wochen
­als Nierenentzündung (Glomerulonephritis)
­als Herzinnenhautentzündung (Endokarditis) mit Klappenschäden nach 10­20 Jahren
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Therapie:
• Mundspülungen
• Bettruhe
• Antibiotika (Penicillin) • operative Abtragung (Tonsillektomie) Operationsschlinge mit abgetragener Rachen­
mandel.
2. Gutartige Veränderungen
2.1. Wucherungen der Rachenmandel (= Adenoide oder adenoide Vegetationen) Ursache:
Diese sehr häufige Störung im Kindesalter beruht auf der Tatsache, daß das
lymphatische Tonsillengewebe infolge einer funktionellen Beanspruchung
(Abwehrvorgänge) wuchert und sich häufig auch entzündet. Im Erwachsenenalter bildet sich die Tonsille zurück.
Folgen:
Aufgrund ihrer Lokalisation am hinteren Nasenausgang entsteht bei Größen­
zunahme eine Verlegung der Nasenatmung. Da die hier mündenden
Tubengänge miteinbezogen werden, kommt es zusätzlich zum Sekretstau
des Mittelohres und einer Mittelohrbeteiligung.
Klinik:
• chronische Entzündungen der oberen Luftwege
­der Nase (Rhinitis), ­der Tuben (Tubenkatharr)
­des Rachens (Pharyngitis)
­des Kehlkopfs (Laryngitis)
­der Atemwege (Bronchitis)
Therapie:
• Operation: Adenotomie → Abtragen der Rachenmandel (Ringmesser)
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3. Bösartige Veränderungen
Maligne Tumoren des Mund­Rachenraumes sind meist Karzinome der Tonsillen (80%). Bei Diagnosestellung liegen bereits in über 35% Metastasen vor.
Klinik:
• Schluckbeschwerden
• Lymphknotenschwellung am Hals (Metastasierung)
Therapie:
• Operation (Resektion) nur bei einseitigem Befall (lokale Operabilität)
Op.­Verfahren: Neck dissection (radikale Entfernung der Halsweichteile)
• Bestrahlung der Lymphabflußwege
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Kehlkopf
Aufbau und Funktion
1. Anatomie
Der Kehlkopf stellt ein kompliziert zusammengesetztes Gebilde aus Knochen, Knorpel, Bändern und Muskulatur auf engstem Raum dar.
Den Eingang zum Kehlkopf bildet der Kehldeckel (Epiglottis). Das Kehlkopfskelett besteht aus drei Knorpeln:
Zwei Knorpelplatten formen den Schildknorpel, der den oberen vorderen Anteil bildet und nach hinten offen ist. Ein Ringknorpel sitzt unmittelbar darunter. Er formt von vorne ringförmig und nach hinten plattenförmig die Kehlkopfanatomie und grenzt nach unten zur ersten Knorpelspange der Luftröhre.
Der kleine Stellknorpel befindet sich an der Rückseite zwischen Schild­ und Ringknorpel und dient aufgrund seiner muskulären und gelenkigen Verbindungen der Stimmband­
beweglichkeit.
Linkes und rechtes Stimmband bilden das wichtigste Sprachwerkzeug. Der Raum zwischen beiden Stimmbändern wird als Glottis bezeichnet.
Der Kehlkopf befindet sich am Übergang vom Rachenraum zur Luftröhre. Seitliche Ansicht des Kehlkopfs:
Zungengrund
Zungenbein
Schildknorpel
Kehldeckel (Epiglottis)
Stimmband
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Erster Ringknorpel Eintritt in die Luftröhre
Kehlkopf­Ringknorpel (Cricoid)
(Abbildung aus: Sobotta Becher, Atlas der Anatomie)
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Stimmbildung
Durch unterschiedlich ausgeprägtes Wachstum während der Entwicklungsphase wird schließlich die Erwachsenenstimmlage ausgebildet. Beim Mann kommt es infolge des stärkeren Kehlkopfwachstums zur Längenzunahme der Stimmbänder um etwa 1 cm, bei der Frau um etwa 4 mm. Somit wird die männliche Stimmlage um eine Oktave, die weibliche um eine Terz gesenkt. Im Vordergrund der Kehlkopffunktion steht die Stimmbildung. Die beiden Stimmlippen werden vom Luftstrom (Anblasedruck) in Schwingungen versetzt und bilden so den Grundton. Dabei entsteht durch die bewegliche Schleimhaut eine nicht nur in einer Ebene schwingende Figur, sondern ein zusammengesetztes wellenförmiges Gebilde, was zur individuellen Stimmgebung beiträgt.
Technisch betrachtet fungieren die Stimmlippen als Tongenerator
die Mundhöhle mit Zunge und Lippen als Ansatzrohr zur Umformung in Sprache.
Stimmbildung (Phonation):
A
B
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A:
Stimmbandstellung bei Atmung (Respiration)
B:
Stimmbandstellung bei Sprachbildung (Phonation)
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Erkrankungen
1. Entzündungen
Laryngitis
Ursachen:
• häufig durch Viren
• begleitet von Zusatzinfektion mit Bakterien
• toxisch (Reizung durch Chemikalien, Gase)
Klinik:
• Heiserkeit bis zur Stimmlosigkeit (Aphonie)
• Halsschmerzen
• leichtes Fieber
Therapie:
• Schonung durch Rauch­ und Sprechverbot
• warme Halswickel (Schal)
• Antibiotika bei bakterieller Ursache
Die Laryngitis kann bei fortbestehenden Reizungen oder ungenügender Ausheilung zur
chronischen Form übergehen.
2. Gutartige Veränderungen
2.1. Stimmbandknötchen
Ursache:
• funktionell (Überbelastung)
Klinik:
• Heiserkeit
Therapie:
• Sprachschulung durch logopädische Behandlung
2.2. Simmbandpolypen
Zählen zu den häufigsten gutartigen Störungen der Stimme.
Ursache:
• möglicherweise durch: Überlastung, Rauchen, Entzündungsfolge
Klinik:
• Heiserkeit
Therapie:
• chirurgische Abtragung (danach 3 Tage Sprachverbot)
großer Stimmbandpolyp 35
36
3. Bösartige Veränderungen
Bedeutung:
Ausgehend vom Epithel der Schleimhäute (Plattenepithel) ist das Kehlkopf­
karzinom mit 35% aller Tumoren des HNO­Bereichs am häufigsten vertreten.
Ursache:
• Rauchen (häufigste Risikofaktor der männlichen Raucher)
• Entzündungen (chronische Laryngitis)
Klinik:
• Heiserkeit
• Schluckstörungen (Dysphagie)
• Atemstörungen (Dyspnoe) bei fortgeschrittenem Befall
• Lymphknotenschwellung am Hals
Diagnose:
• klinische Symptomatik, insbesondere länger andauernde Heiserkeit (über 2 Wochen)
• Spiegelung
• Probeentnahme
Tumor
Therapie:
• Operation:
1. Stimmlippenentfernung (Chordektomie) bei örtlich begrenztem Befund 2. Teilentfernung des Kehlkopfes (partielle Resektion)
3. Totalentfernung des Kehlkopfes (Laryngektomie)
Diese ausgedehnte Operation bedeutet einen Stimmverlust und fehlende
Nasenatmung (Patient atmet nur noch über ein Luftröhrenloch (Tracheo­
stoma). Atem­ und Speiseweg sind vollkommen getrennt.
Operationssitus bei Kehlkopfentfernung
Operationspräparat (man erkennt das Kehlkopfskelett mit den Stimmlippen)
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Nachsorge:
Nach Radikaloperationen kann der Stimmverlust teilweise kompensiert
werden durch:
• Ersatzstimme durch Stimmbildung in der Speiseröhre mittels Luft (Rülps­
stimme oder Ruktusstimme).
Unter entspechender Anleitung kann sie in etwa 75% erlernt werden.
• Einsatz elektronischer Sprechhilfen
Prognose:
• Operative Erfolgsraten von über 90% im Frühstadium unterstreichen den
Wert der Früherkennung
künstlicher Luftröhrenaustritt
Schematische Darstellung nach Kehlkopfentfernung (Laryngektomie)
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Ohren
Aufbau und Funktion
Ebenso wie bei der Nase wird das Ohr nicht nur aus seiner äußeren Form gebildet, sondern durch ein kompliziertes tiefergelegenes System aufgebaut.
Entsprechend seinen Funktionen wird es in ein Gehör­ und Gleichgewichtsorgan gegliedert.
1. Anatomie
Eingeteilt wird das Ohr in drei Abschnitte:
­ das äußere Ohr
­ das Mittelohr
­ das Innenohr
Äußeres Ohr:
­Ohrmuschel (Auricula oder Concha),
­äußerer Gehörgang ( ca. 3 cm lang)
Mittelohr:
­Trommelfell (Trennfläche von Außen­ zum Mittelohr; ca. 1 cm Durch­
messer)
­Ohrtrompete (Eustach' sche Röhre: Verbindung von Paukenhöhle
und Nasenrachenraum)
­Paukenhöhle (mit den drei Gehörknöchelchen: Hammer, Amboß,
Steigbügel)
­Lufträume (an Zahl und Größe variabel angelegte und mit Schleim­
haut ausgekleidete Höhlen)
Innenohr: ­innerer Gehörgang
­Labyrinth (im Felsenbein gelegenes, mit Lymphe gefülltes Gang­
system: Bogengänge, Schnecke) ­achter Hirnnerv Anatomischer Aufbau:
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äußeres Ohr
Mittelohr
Innenohr
Schädelknochen
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Mit Hilfe der genannten anatomischen Strukturen werden Sinneseindrücke (Schallwellen: Sprache, Musik) aufgenommen, den entsprechenden Sinnesepithelien (Haarzellen in der Schnecke) zugeleitet und dem Gehirn zur Weiterverarbeitung zugeführt.
Aufbau des Mittelohres
Das Mittelohr wird auch Paukenhöhle bezeichnet. Hier befinden sich die für die Schalleitung entscheidenden knöchernen Strukturen, die drei Gehörknöchelchen, die in gelenkigen
Verbindungen zueinander stehen. Diese kleinsten Knochen des menschlichen Körpers
stellen die Verbindung vom äußeren zum inneren Ohr her, indem sie zwischen Trommelfell (Endabschnitt des äußeren Ohres) und ovalem Fenster (Beginn des Innenohres) zwischen­
geschaltet sind. Gegenüber einer Fläche von 55 mm2 des Trommelfells wird am ovalen Fenster der Schall auf eine nur 3,2 mm2 große Fläche übertragen. Dies bedeutet eine Schallintensivierung von 17 zu 1. Benötigt wird dieser Effekt dazu, um die relativ trägen Schwingungseigenschaften der Innenohrflüssigkeit (Lymphe) entsprechend anzuregen.
Von Bedeutung ist die physiologische Wandauskleidung mit Schleimhautepithel. Trommel­
felldefekte, wie sie bei der chronischen Mittelohrentzündung regelmäßig vorkommen, schaffen eine Kontaktstelle zwischen der Mittelohrschleimhaut und dem Plattenepithel­
überzug des Gehörgangs, ein entscheidender Mechanismus in der Entstehung einer früher tödlichen Komplikation, nämlich des Cholesteatoms (siehe unter Mittelohrentzündung).
Der Verlauf eines Hirnnerven (Nervus facialis) in unmittelbarer Nachbarschaft ist für die
Mittelohrchirurgie von wesentlicher Bedeutung. Vor der Ära der operationsmikroskopischen Technik war eine Schiefstellung des Gesichts (Verletzung und nachfolgende Lähmung des Facialis­Nerven) bei Eingriffen im Mittelohr sehr häufig.
B e d e u t u n g des M i t t e l o h r s:
Ankopplung (Impedanzanpassung)
Anatomische Größen:
• Oberfläche Trommelfell
• Oberfläche ovales Fenster (Steigbügel)
55 mm2
3,2 mm2
Verstärkung:
• Faktor
Trommelfell : Steigbügelplatte = 1 : 17
• Faktor
Gehörknöchelchen (Hebelwirkung) 1 : 1,3
Summe:
• Gesamtbetrag • Lautstärkebetrag
1 : 22 (Verstärkungsgrad)
26 Dezibel
43
Aufbau des Innenohres: Hörorgan
Die Form des Hörorgans gleicht einer Schnecke, was zur Namensgebung Cochlea (=Schnecke) führte. Sie wird aus einem äußeren, knöchernen Teil und dem inneren, häutigen Teil gebildet. Die knöcherne Schnecke umgibt dabei schützend die weichen Strukturen, wobei hiervon Nervenfasern zu den Sinneszellen herangeführt werden. Das Nervenende mündet über eine vorspringende knöcherne Leiste in die Spitze eines dreieckigen Raumes, der als bindegewebiger Schlauch mit Flüssigkeit (der Endolymphe) gefüllt ist. Dieser Raum wird als häutiges Labyrinth des Innenohres bezeichnet und ist der eigentliche Sitz des Gehörs. 44
Er beinhaltet eine große Anzahl von Sinneshärchen (15 000 bis 25 000), die auf einer Membran (der Basilarmembran) sitzen und als Corti'sches Organ bezeichnet werden. Physikalisch gesehen handelt es sich dabei um ein Transformationsorgan, welches Schallenergie in elektrische Impulse (Aktionspotentiale) umzuwandeln vermag, bevor diese auf die Reise in das Gehirn geschickt werden.
Durch Anordnung zwei weiterer, flüssigkeitsgefüllter Räume (jeweils oberhalb und unterhalb des Schneckenganges) entsteht im Querschnitt das Bild einer Treppe. Dies führte zur Namensgebung dieser Räume in eine obere Vorhoftreppe (Schalleintritt in das Innenohr am ovalen Fenster, dem Beginn der Vorhoftreppe) und der unterer Paukentreppe (die am runden Fenster zur Paukenhöhle abgrenzt), wo es zum Schallaustritt kommt.
Die Schneckenspitze stellt eine offene Verbindung beider Räume dar, die mit der Perilymphe gefüllt sind. Dieser Bereich ist bei Erkrankungen des Innenohres von klinischer Bedeutung, da über einen Gang eine direkte Kommunikation zur Hirnflüssigkeit besteht (Fortleiten von Entzündungen zum Gehirn möglich).
Aufbau des Innenohres:
Gleichgewichtsorgan
Das Gleichgewichtsorgan (=Vestibularapparat) bildet im rechten Winkel zueinander ange­
ordnete drei Bogengänge, die über einen Hohlraum miteinander in Verbindung stehen. Dieser schlauchartige, als Vorraum fungierende Anteil, wird auch als großes Vorhof­
säckchen (Utriculus) bezeichnet. Miteinander verbunden, befindet sich hierzu ein zweites, rundliches Gebilde, welches kleines Säckchen (Sacculus) heißt.
Sowohl in den Bogengängen als auch beiden Säckchen sind Sinnesepithelien mit entsprechenden Sinneshärchen vorhanden, die ebenfalls als Haarzellen bezeichnet werden.
Eine gallertige Masse, in welche die Sinneshärchen hineinragen, befindet sich in allen drei Bogengängen an einer besonderen, leicht erweiterten Stelle (Ampulle), und heißt Cupula. Der übrige Anteil der Bogengänge ist mit der Endolymphe gefüllt.
Die Gallertmasse in den beiden Innenohrsäckchen wird zusätzlich durch eine besondere Kristallschicht (aus Kalziumkarbonat) ergänzt und aufgrund ihres steinartigen Aussehens als Otolithenmembran bezeichnet.
3 Bogengänge
45
Hörnerven
Sinnesfelder Schnecke
46
2. Physiologie
• Hörschall, Infraschall, Ultraschall
Das menschliche Gehör reagiert auf Schallwellen zwischen 16 ­ 16 000 Hertz (oberer und unterer Hörbereich). Nicht hörbare Frequenzen (d.h. Frequenzen, die keine Erregungen auslösen) liegen demnach unterhalb von 16 Hertz und werden als Infraschall oder oberhalb von 16 000 Hertz und werden als Ultraschall bezeichnet. Diese genannten Bereiche gelten jedoch nur unter Bedingungen der Schalleitung in der Luft. Verwendet man ein anderes Medium, z.B. den Schädelknochen, können auch niedrigere Frequenzen wahrgenommen werden.
Der Mindestdruck, der zum Hörempfinden führt, die sogenannte Hörschwelle, liegt bei 2 x 10­5 Pascal (= Newton pro Quadratzentimeter) bei einer vorgegebenen Tonhöhe (Frequenz) von 1000 Hertz.
Zur Objektivierung des Schalldruckes wird der Schalldruckpegel in Dezibel (dB) angegeben. Dabei wird ein gerade hörbarer Ton (Schalldruck) als Null Dezibel­Wert definiert.
Als logarithmisch gemessener Wert bedeutet eine Zunahme von 6 dB eine Verdoppelung des Schalldruckes.
Für das subjektive Empfinden eines Hörschalls kann die Schallstärke in Phon angegeben werden. Ein gerade wahrnehmbarer Ton entspricht einem Phon. 130 Phon sind schmerzhaft und führen zum Hörschaden.
Das Verfahren mit dessen Hilfe die Hörfunktion bestimmt wird nennt man Audiometrie.
Zusammenfassung:
Infraschall • Frequenzen unterhalb der menschlichen Wahrnehmung
Bereich: < 16 Hz
Hörschall
• Frequenzen im menschlichen Hörbereich
Bereich: 16 ­ 20 000 Hz
Ultraschall • Frequenzen oberhalb der menschlichen Hörgrenze
Bereich: > 20 000 Hz
1 Hz → 1 Schwingung pro Sekunde
1 kHz → 1 000 Schwingungen pro Sekunde
1 MHz → 1 000 000 Schwingungen pro Sekunde
47
Messung der Lautstärke:
• als objektive Hörmessung (Schalldruckbestimmung) in Dezibel (dB­Skala)
• als subjektive Hörmessung in Phon (Phonskala)
Beispiele:
normale Sprache
→ 50­70 Phon
Straßenlärm → über 70 Phon
Diskolärm → 100­120 Phon Schmerzgrenze
→ ab 130 Phon
48
• Sprechen und Musik
Einzelne Wörter bilden, nach grammatikalischen Regeln zusammengestellt, verständliche Sätze, die als menschliche Sprache formuliert, das wichtigste Kommunikationsmittel darstellen.
Gesprochenen Wörter stellen Schallwellen unterschiedlicher Frequenz dar. Diese liegt zwischen 80 und 12 000 Hertz. Von den über 100 000 Worten, die ein Erwachsener kennt, gelangen einige beim Sprechvorgang zum Ohr des Zuhörers. Mit Hilfe dieses Sinnesorgans wird zum einen die Wortfolge empfangen, andererseits eine Bedeutung entnommen und eine Gegenantwort formuliert.
Für die Entwicklung und Kommunikation des Menschen trägt das Gehör dadurch ent­
scheidend bei, daß es eine wichtige Voraussetzung zur Sprachentwicklung bedeutet.
Die mit einer bestimmten Frequenz auftretenden, periodisch wiederkehrenden Druck­
schwankungen der Luft führen zum Tonhören, während eine Mischung verschiedener Töne das Phänomen des Klanghörens beinhaltet.
• Hörvorgang
Bevor es zum Sinneseindruck kommt, muß der zurückgelegte Schall im Ohr transportiert, in der Schnecke umgewandelt und über den Nerven zum Gehirn geleitet werden. Äußeres Ohr
Trommelfell, Mittelohr
•Aufnahme und
Fortleitung der Schallwellen zum welches in Schwingungen versetzt wird (Funktion eines Druckempfängers). •Übertragung und Intensivierung des Schalls
Schnecke •Umwandlung mechanischer Energie in elektrische Energie
Gehirn
Hörzentrum, Hörinformation)
•Wahrnehmung: Leitung über zentrale Hörbahn zum Richtungshören (Ausnutzung der beidseitigen 49
Das am Anfangsteil stehende Trommelfell kann seine Funktion, nämlich die Schwingungs­
fähigkeit, optimal nur unter Druckgleichheit der davor und dahinter befindlichen Luft wahr­
nehmen. Hierfür sorgt die Gehörtube (Eustach'sche Röhre), die das Mittelohr (den an das Trommelfell angrenzenden Raum) mit dem Nasenraum und damit nach außen verbindet. Auf diesem Wege kommt es zum Druckausgleich. Bei Druckänderungen (z.B. bei raschen Höhenänderungen) kommt es zum bekannten Phänomen des Ohrknackens und Schwerhörigkeit, was durch Schlucken oder Gähnen über eine Druckanpassung des Mittelohres beseitigt wird.
50
Bedeutung des Innenohres:
Wie bereits im Anatomieabschnitt geschildert beinhaltet dieser mit Flüssigkeit gefüllte Teil die Empfangsorgane (Rezeptoren) für das Hören und für das Gleichgewicht. Der spiralartig gewundene Schlauch der Schnecke wird in gesamter Länge durch eine Membran in zwei Hälften (oberes und unteres Kompartment) getrennt und ist mit einer Flüssigkeit (=Perilymphe) gefüllt. Entlang dieser Membran befinden sich die für den Hörvorgang entscheidenden Sinnesstrukturen, die Sinneshärchen.
Frequenzdispersion:
Ähnlich wie beim Klavier, wo jeder Tastenanschlag einer Frequenz zuzuordnen ist, entspricht auch jeder Ort an der Trennwand in der Gehörschnecke einer bestimmten Tonhöhe.
Vergleichend mit den tiefen Tönen links und den hohen Tönen rechts am Klavier, sind im Innenohr die hohen Töne unmittelbar hinter dem Steigbügelknochen (Beginn der Cochlea) und die tiefen Töne zur Cochleaspitze hin lokalisiert.
Unter Beanspruchung eines geringen Raumes kann dabei insgesamt eine sehr große Zahl von etwa 7 000 Tonhöhen durch das Hörorgan unterschieden werden, wobei die cochleare Funktion zusammen mit der neuronalen Verrechnung erst die Gesamtleistung erbringt.
Die Fähigkeit der Tonhöhenzuordnung (Abbildung) wird auch als Frequenzdispersion be­
zeichnet. Rezeptorfunktionen:
Da sich Schallwellen in ihrer Amplitude stark unterscheiden und der Empfangsraum des Innenohres klein dimensioniert ist, sind spezielle Sinnesrezeptoren (sogenannte äußere Haarzellen) hier gelegen, die mit ihrem Feinaufbau in der Lage sind, Vibrationen der Schneckentrennwand aufzunehmen und zu verstärken. Mit Hilfe dieser etwa hundertfachen Verstärkung wird die sich ausbreitende Schallwelle im Bereich ihrer Frequenzmaxima (Amplituden) derart präzise geformt, daß die große Abbildungzahl, mit der daraus sich ergebenden hohen Wahrnehmungszahl verschiedener Tonhöhen, resultiert.
Im Experiment können die Zelleiber der äußeren Haarzellen ihre Länge bis zu 30 000 pro Sekunde verändern.
Ein beidseitiger Ausfall der Cochleafunktionen führt zur Taubheit.
• Gleichgewichtsvorgang
Vorgänge, die das Gleichgewicht halten und zum Orientierungssinn beitragen laufen unbewußt ab. Die hierfür zuständigen anatomischen Strukturen befinden sich ebenfalls im Innenohr und setzen sich (pro Ohr) aus fünf Gebilden zusammen, wo sie die Vestibularorgane bilden.
51
Gleichgewichtsorgan: drei Bogengänge = ductus semicircularis mit Sinneszellen
zwei Säckchen = utriculus und sacculus mit Sinnesfeldern (Macula­Organe: macula utriculi, macula sacculi)
52
Physiologie der Bogengänge:
Entsprechend den drei Dimensionen des Raumes sind die drei Bogengänge angeordnet. Die hier befindlichen Sinneszellen sprechen auf Winkelbeschleunigungen an und machen sie für den Drehsinn verantwortlich.
Bei Kopfrotation bewegen sich die Bogengänge und die mit ihnen verwachsene trägere Gallertmasse (Cupula) mit. Die beweglichere Endolymphe führt dabei durch ihr Trägheits­
verhalten zur Verbiegung und damit zur Reizung der Sinneshärchen. Physiologie der Macula (in den Säckchen):
Die zwei Aussackungen des Innenohres (Utriculus und Sacculus) besitzen ein mit Härchen versehenes Sinnesfeld, das Macula genannt wird. Diese beiden Sinnesorgane sprechen auf lineare Beschleunigungen an. Entsprechend ihrer Fähigkeit, die von der Schwerkraft ausgeübte Beschleunigung (Schweresinneszellen) zu registrieren, sind sie für unser Gleichgewicht und Körperhaltung zuständig. Durch ihre waagerecht im Raum angeordneten Sinneszellen ist die Macula utriculi für horizontale Bewegungsvorgänge, die Macula sacculi, mit ihrem senkrecht im Raum stehenden Sinnesfeld, für vertikale Bewegungen zuständig.
Infolge des Gewichtes der auf den Sinnesfeldern aufliegenden Kristallschicht, entsteht eine Reizung, die über eine neuronale Verrechnung im Gehirn zum Raumgefühl führt.
D r e h s i n n :
• Bogengangsapparat registriert Winkelbeschleunigungen
(→ Drehbewegungen des Kopfes)
L a g e s i n n :
• Utriculus registriert horizontale Beschleunigungsvorgänge (→ Sprünge, Auf­ und Abstieg des Flugzeuges, Fahrstuhlgefühl)
• Sacculus registriert vertikale Beschleunigungsvorgänge
(→ Anfahr­ und Bremsvorgänge)
Drehschwindel und Seekrankheit zeigen Empfindungsstörungen der Gleichgewichtsorgane an.
Erkrankungen
53
1. Entzündungen
1.1. Gehörgangsentzündung (Otitis externa)
Ursache:
• meist Bakterien (Staphylokokken, Pseudomonas)
Klinik:
• Schmerzen (Druckschmerz am Ohr)
• Ausfluß
• Schwerhörigkeit
Folgen:
• Schwellung bis hin zum Verschluß des Gehörgangs 54
1.2. Mittelohrentzündung (Otitis media)
Ursache:
• aufsteigende Infektion, meist nach Nasen­Rachenentzündung (aufgrund unterschiedlicher Tubengangslänge tritt bei Kindern eine Mittelohrentzündung wesentlich häufiger als bei Erwachsenen auf)
Formen:
Eingeteilt wird in eine • akute Entzündung mit gutartigem Verlauf und eine
• chronische Entzündung mit dem Risiko schwerwiegender Komplikationen
Klinik:
Akute Form (auch als Tubenkatarrh bezeichnet):
• Fieber
• deutliches Krankheitsgefühl
• Ohrschmerzen
• heftige, oft pulsierende Kopfschmerzen
• Schwerhörigkeit
Trommelfellbefund bei akuter
Mittelohrentzündung mit Rötung, Gefäßvermehrung und Vorwölbung:
Chronische Form (mit Trommelfelldefekt einhergehend):
• Ohrausfluß
• Schwerhörigkeit
• meist ohne Schmerzen
Schmerzen, Schwerhörigkeit
Normalgehör
Typischer Verlauf bei Mittelohrentzündung in den ersten 2 Wochen:
Rötung Sekretion
grau­matt
spiegelnd
39°
38°
37°
Parazentese
1.
Antibiotika, Bettruhe, Wärme,
Fiebersenkung, Ohrentropfen
2.
Woche
3.
55
56
Folgen:
Akute Form
Bedingt durch die Schleimhautschwellung in der Ohrtrompete kommt es zum
Verschluß des Tubengangs. Infolge fehlender Belüftung des Mittelohres ent­
steht, nach Resorption der dort vorhandenen Luft, ein Unterdruck dieses
Raumes, der das Trommelfell verbiegt und teilweise schwingungsunfähig
macht. Folgen sind eine Hörminderung und Ergußbildung.
Chronische Form
Eine besonders schwerwiegende Komplikation einer nicht abgeheilten,
chronischen Mittelohrentzündung ist die Wucherung der Epithelzellen des
Gehörgangs in den Mittelohrraum (infolge Trommelfelldefektes besteht hier
eine pathologische Verbindung), die schließlich zur Destruktion der knöcher­
nen Strukturen führt. Dieser chronisch­eitrige Umbauprozeß wird als Cholesteatom bezeichnet und kann zur Mittelohrzerstörung (Taubheit) und Hirnstörungen (Hirnhaut­
entzündung, Hirnabszeß) führen.
Ein charakteristisches Merkmal der chronischen Form stellt der Trommelfell­
defekt dar, welcher zu einer ständigen Keimbesiedlung des Mittelohrraumes
beiträgt.
Akutstörung:
Spätfolgen:
Therapie:
• passagere Schwerhörigkeit
• chronische Mittelohrentzündung
• Gefahr der Mittelohrzerstörung Akute Form:
• Abschwellende Maßnahmen (z.B. Nasentropfen)
• Antibiotika
• Schmerzstillende Medikamente
In der Akutphase können etwa 80% der Entzündungen durch die genannten Maßnahmen ausheilen. Kommt es zur Flüssigkeitsansammlung (Bild A) im Mittelohr, muß Abfluß über das Trommelfell geschaffen werden. Hier wird nach einer Stichinzision (Parazentese) ein kleines Röhrchen (Pfeil in Bild B) in den Trommelfelldefekt zum Mittelohr eingelegt (sogenanntes Pauken­
röhrchen), welches die Abflußöffnung bis zur Ausheilung offen hält.
Mittelohr (= Paukenhöhle)
Trommelfell
Ohrtrompete (Eustach­Tube)
57
Bild A
Paukenröhrchen
Bild B
58
Chronische Form:
• Operation (Sanierung des Trommelfelldefektes durch Tympanoplastik, evtl. mit Rekonstruktion der Gehörknöchelchen).
Die Diagnose eines Cholesteatoms stellt eine absolute Operationsindikation dar!
1.3. Mastoiditis
Bedeutung: Gilt als häufigste Komplikation nach einer Mittelohrentzündung. Ursache:
Nach einer Mittelohrentzündung können aus der Paukenhöhle Erreger in die lufthaltigen Räume des Felsenbeins fortgeleitet werden.
Klinik:
• Druckschmerz über dem Warzenfortsatz
• Ohrausfluß
• schweres Krankheitsgefühl mit Fieber
• Abstehendes Ohr infolge Schwellung hinter dem Ohr
Folgen:
• Eiterbildung der Nachbarstrukturen (Gesicht, Gehirn)
Diagnose:
• typische klinische Symptomatik • Röntgen (Verschattung der Mastoidzellen)
Therapie:
• Eröffnung des Trommelfells (Parazentese)
• Einlage eines Paukenröhrchens
oft nicht ausreichend
(Entlasten durch Eröffnen oder Wegschneiden des • Antibiotika
• Operation Warzenfortsatzes = Mastoidektomie) 2. Gehörstörungen
Je nach Lokalisation im Ohr kann die Schalleitung (Strukturen des Mittelohres) oder die Schallempfindung (Strukturen des Innenohres) gestört sein.
Einteilung der Hörstörungen
ausgehend vom Mittelohr
ausgehend vom Innenohr Schallempfindungsstörung
• Schalleitungsstörung
•
59
60
2.1. Innenohrschwerhörigkeit Hörsturz
Ursache:
Störung der Mikrozirkulation des Innenohrs (Gefäßspastik, Bluteindickung)
Klinik:
• einseitig auftretende akute Hörminderung • meist mit Ohrgeräuschen (Tinnitus) einhergehend
Therapie:
• Verbesserung der Mikrozirkulation durch Infusionsbehandlung (Zufuhr gefäßerweiternder Medikamente) über 7­10 Tage. • auch im Spontanverlauf ist mit einer Besserung von über 90% zu rechnen
Prognose:
Zur vollständigen Wiederherstellung des Gehörs sollte der Therapiebeginn so früh wie möglich nach Auftreten der Schwerhörigkeit einsetzen.
Lärmschwerhörigkeit Bedeutung:
Lärmbelästigung am Arbeitsplatz (chronische Hörstörung)
Lärm als Abfallprodukt der heutigen Zeit ist zu einem Umweltproblem ge­
worden. Beträgt der am Arbeitsplatz gemessene Lärmpegel mehr als 85 dB mit nachfolgender Schwerhörigkeit, so wird diese als entschädigungspflichti­
ge Berufskrankheit anerkannt, wenn eine Hörbeeinträchtigung von über 20% nachgewiesen wird.
Lärmvergnügen privat (akute Hörstörung)
Nach 5jährigem Walkmanhören entstehen bei 10% der Jugendlichen Hörver­
luste von über 10 dB (bei 4 kHz). Regelmäßige Diskothekenbesuche erhöhen das Risiko und beeinträchtigen deutlich die Sprachhörfähigkeit.
Folgen:
• Irreparable Schädigung der Haarzellen • Einschränkung der Berufsfähigkeit und Kommunikation Therapie:
• Eine kausale Therapie der chron. Lärmschwerhörigkeit existiert nicht!
• Deshalb ist eine Prophylaxe (Schallschutz) unumgänglich
Infektiös­toxische Formen
Ursache:
Folgen:
Defekte der cochlearen Sinnesorgane (Haarzellen)
Diese können auftreten nach:
• Infektionen (Mumps­ und Rötelnerreger)
• Medikamentöser Therapie (ototoxische Wirkung bei: speziellen Antibiotika, Diuretika, Salizylsäure)
• Unfähigkeit Trommelfellschwingungen in elektrische Impulse umzuwandeln
61
Klinik:
• Taubheit (kann bereits vor der Geburt eintreten)
Therapie:
• Behandlung der Grunderkrankung • Absetzen entsprechender Medikamente
• Innenohrprothesen (sogenannte Cochleaimplantate) Bei irreparabler Schädigung des Corti­Organs kann die Implantation von Innenohrprothesen erwogen werden.
62
Voraussetzungen:
­ leitungsfähige Nervenfasern
angestrebtes Ziel: Prinzip: externe Anteile
­ entsprechende Mitarbeit des Patienten
­ Sprachschulung
­ Fähigkeit der Spracherkennung
­ Schallempfang über Mikrophon
­ Senden zum Sprachprozessor
­ Kodieren und Übertragen des Signals zur Sendespule
interne Anteile ­ Informationsübertragung durch die Haut zum Stimulator
­ Umwandlung der Codes in ein elektrisches Reizmuster
­ Ansprechen der Cochlea­Elektroden, die den Hörnerv stimulieren
­ Weiterleitung der Signale und Wahrnehmung im Gehirn
Bei Störungen der Nervenleitung (Hörbahn) wird derzeit die Implantation von Elektroden in den Hirnstamm getestet, wobei erste positive Resultate vor­
liegen.
2.2. Mittelohrschwerhörigkeit
Ursache:
• Otosklerose (Verknöcherungsprozeß im Bereich von Steigbügel und
ovalem Fenster als häufigste Störung)
• Trommelfelldefekte
• Tumoren
Amboß
Steigbügel
Skleroseherd
Fazialisnerv
Klinik:
• langsam zunehmende (bei Otosklerose beidseitige) Taubheit
• Ohrgeräusche (Tinnitus)
63
Therapie:
• Operation (Steigbügelplastik bei Otosklerose)
Die Bedeutung einer Hörstörung wird oft unterschätzt, da sie, im Gegensatz zum Blinden, nicht wirklich imitiert werden kann. Sie führt infolge fehlender Kommunikationsmöglichkeiten sehr oft zu sozialer Kontaktarmut und damit Isolation.
Mit einer Hörminderung ist bei etwa 17% der Bevölkerung zu rechnen (entsprechend 17 Millionen Schwerhöriger)!
Mit Hörgeräten versorgt sind etwa 2,5 Millionen.
64
Anhang
A
Akustik
•Schallehre
Audiometrie
•Messung der Hörfunktion
Aphonie
•Stimmlosigkeit durch Stillstand der Stimmbänder (häufig nach Rachen­Kehlkopfinfektion)
B
Beschleunigung
•Änderung der Geschwindigkeit pro Zeiteinheit
lineare Beschleunigung: Objekt bewegt sich in gerader Linie
Winkelbeschleunigung: ergibt sich bei Drehbewegungen
C
Choanae
•hintere Nasenlöcher (Nasenöffnungen mit Übergang zum Rachen)
(griechisch: choanos = der Trichter)
Cholesteatom
•chronisch destruierende Mittelohrentzündung mit Knocheneiterung Concha
•Ohrmuschel (griechisch: konche = die Muschel)
(griechisch: choane = der Trichter)
Corti­Organ
• Sitz des Gehörsinns im Innenohr; bestehend aus etwa 3 400 Haarsinneszellen, die auf der Basilarmembran lokalisiert sind; technisch entsprechen sie elektroakustischen Wandlern
(nach dem Pathologen: Alfonso de Corti, 1822­1876)
Cupula
•gallertige Masse in den Ampullen der Bogengänge im Innenohr
(lateinisch: cupula = die Kuppel)
D
65
Dezibel (dB)
•objektive Maßeinheit für den Lautstärkepegel
(dabei wird das Verhältnis eines zu messenden Schalldruckes zur unteren Hörschwelle im Logarithmusmaßstab bestimmt)
(Dezi = 10, Benutzung des Zehner­Logarithmus;
Bel = Bell = Alexander Graham Bell, Erfinder des Telefons)
Dysphagie
•Schluckstörungen (griechisch: phagein = fressen)
66
E
ethmoidalis
•siebbeinförmig (griechisch: ethmos = das Sieb)
Endolymphe
•Flüssigkeit im Schneckengang (Innenohr)
Epiglottis
•Kehldeckel (griechisch: epi = auf, glotta = die Stimme)
Eustach­Röhre
•Ohrtrompete: Verbindungsröhre zwischen Mittelohr (Paukenhöhle) und dem Nasenrachen (nach dem italienischen Anatom: Bartolomeo Eustachi, 1524­1574)
F
Frequenz
•Schwingungen pro Zeiteinheit (1 Schwingung pro Sekunde = 1 Hertz)
frontalis
•zur Stirn gehörend, vorne gelegen (lateinisch: frons = die Stirn)
G
Geräusch
•besteht aus mindestens zwei (oder mehr) Tönen.
Glandula
•Bezeichnung für die drei Kopfspeicheldrüsen (lateinisch: glandula = die Drüse, Verkleinerungsform von glans)
Glottis
•Stimmritze (griechisch: glotta = die Stimme)
H
Hörbahn
• bezeichnet die Gesamtheit aller Neuronen, die mit der Verarbeitung von auditiven Reizen zu tun haben
Hörfeld
• in der Großhirnrinde gelegene Nervenzellansammlung (auditiver Cortex)
Hörnerv
• = Nervus acusticus. Besteht aus etwa 30 000 Nervenfasern. Er stellt 67
die Verbindung von Innenohr und Hörzentrum (Hörfeld) im Großhirn dar.
K
Katarrh
•bezeichnet einen Entzündungszustand mit Sekretfluß (griechisch: katerein = herunterfließen) 68
Klang
•Besteht aus einem Grundton und seinen Obertönen. Dieses sind wiederum ganzzahlige Vielfache des Grundtons. Ein Klang läßt sich mathematisch analysieren (Fourier Analyse).
L
Larynx
•Kehlkopf: Übergang zwischen den oberen und unteren Luftwegen (griechisch: larynx = die Kehle)
Lautstärke
•Die Interpretation der Schallstärke (siehe dort) durch unser Gehirm wird als Lautstärke empfunden.
Sie wird in Phon gemessen (siehe dort).
M
Macula
•Sinnesfelder des Innenohres (lateinisch: macula = der Fleck)
Mastoid
•Warzenfortsatz: hinter dem Ohr gelegener knöcherner Schädelanteil
(griechisch: mastoideus = warzenförmig)
maxillaris
•zum Oberkiefer gehörig (lateinisch: maxilla = der Oberkiefer)
Musik
•Musik ist nur ein Geräusch, bis sie einen empfänglichen Geist trifft. (Paul Hindemith, Komponist, 1895­1963)
O
oto
•das Ohr betreffend (griechisch: oticos = das Ohr)
P
Parazentese
•Sticheröffnung des Trommelfells zur Entlastung des Mittelohrs bei Entzündung Perilymphe
•Schneckenflüssigkeit des Innenohrs (oberer und unterer Raum)
69
Pharynx
•Rachen (griechisch: Pharyngos = der Schlund)
Phon
•relative Sensitivität des Ohres bei einer bestimmten Frequenz;
wird als Lautstärke (genauer: als Lautstärkepegel) bezeichnet und steht für die subjektiv empfundene Lautstärke
R
rhin
•die Nase betreffend (griechisch: rhinos = die Nase)
70
Rhinophym
•gutartiger äußerer Nasentumor (griechisch: phyma = die Wucherung)
S
Sacculus
•kleines Vorhofsäckchen (Gleichgewichtsorgan des Innenohres)
Schallstärke
•Sie gibt den physikalischen Druck der Schallwelle an und wird im Abstand zur Schallquelle in Dezibel gemessen.
sphenoidalis
•keilförmig (griechisch: sphenos = der Keil, eidos = die Gestalt)
Sinus
•Hohlraum (lateinisch: sinus = die Rundung, der Busen)
Sinusitis
•Entzündung einer Nasennebenhöhle
(Pansinusitis: Entzündung aller Nebenhöhlen)
Sprache
•Strukturen der Sprachbildung und Erkennung:
1. Kehlkopf mit Erzeugung der Stimme (Phonation)
2. Mund­ und Rachenraum mit Bildung von Vokalen und Konsonanten (Artikulation)
3. Motorisches Sprachzentrum (Broca­Areal) im Stirnlappen des Großhirns zur Steuerung von Phonation und Artikulation
4. Überprüfung von Phonation und Artikulation durch das Hören (Hör­
Sprachkreis als regulatives System)
T
Ton
•Besteht aus einer einzigen, definierten Frequenz (z.B. Kammerton a hat eine Frequenz von 440 Hz).
Die Tonstärke (= Lautstärke) ist abhängig von der Amplitude (Höhe des Ausschlags).
Die Tonstärke wird in Phon oder Dezibel gemessen.
Der leiseste, gerade wahrnehmbare Ton hat 1 Phon (Hörschwelle).
Tonsille
•Bezeichnung für die im Hals­Rachenraum vorkommenden lympha­
tischen Strukturen (lateinisch: tonsilla = die Mandel) Tubengang
•Tuba auditiva, identisch mit der Ohrtrompete (Eustachi­Röhre);
dient dem Luft­ und Druckausgleich des Mittelohres
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Tympanum
•Paukenhöhle (Mittelohrraum)
(griechisch: tympanon = die Pauke)
U
Utriculus
•großes Vorhofsäckchen (Gleichgewichtsorgan des Innenohres)
(lateinisch: uter = der Schlauch)
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Herausragende Leistungen in der Medizin:
Mit der Vergabe des Nobelpreises für Medizin 2004 wurden zwei Forscher aus dem Gebiet der Hals­Nasen­Ohrenheilkunde geehrt.
Es sind dies Richard Axel
Linda B. Buck
Ihre Arbeit zur Erforschung und Organisation des Geruchssinnes trägt den Titel:
″Odorant receptors and the organization of the olfactory system″.
Die nachfolgende Abbildung entstammt ihrer Arbeit mit Darstellung von Rezeptoren an der Riechschleimhaut.
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Letzte Änderung: November 2005
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