2 2.1 Gruppen, Ringe, Körper, Algebren Gruppen Definition 2.1. Sei G eine Menge, 1G ∈ G, sowie · : G×G → G eine Abbildung (statt ·(g, h) schreiben wir meistens g ·h und nennen · eine binäre Verknüpfung). Wir nennen (G, ·, 1G ) eine Gruppe, wenn gilt: (G1) (g · h) · k = g · (h · k) für alle g, h, k ∈ G. (G2) Es ist 1G · g = g für jedes g ∈ G. (G3) Zu jedem g ∈ G gibt es h ∈ G mit h · g = 1G Bemerkung 2.2. Wir nennen 1G das neutrale Element der Gruppe, und das in (G3) definierte Element h auch g −1 und nennen es das zu g inverse Element (wir werden gleich sehen, dass es eindeutig bestimmt ist). Ferner heißt G abelsch, wenn g · h = h · g für alle g, h ∈ G gilt. Beispiel 2.3. (1.) Additive Gruppe eines Vektorraums, Addition in einem Körper K, Multiplikation in K \ {0}. Diese Gruppen sind abelsch. (2.) (Z, +, 0) ist eine abelsche Gruppe. (3.) Die bijektiven Abbildungen ϕ : M → M bilden eine Gruppe SM mit der Verknüpfung ◦. Das neutrale Element ist idM . Bezeichnung: symmetrische Gruppe. Ist M = {1, . . . , n}, so sprechen wir oft von Sn . Es gilt |Sn | = n!. Diese Gruppe ist nicht abelsch für n > 2. (3.) Die Menge der invertierbaren linearen Abbildungen Kn → Kn (invertierbare n×n-Matrizen) bilden eine Gruppe. Bezeichnung: GL(n, K). Auch die invertierbaren unteren Dreiecksmatrizen L(n, K) oder die invertierbaren unteren Dreiecksmatrizen mit Diagonale 1 (B(n, K)) bilden jeweils Gruppen. Weitere Matrixgruppen: Invertierbare Diagonalmatrizen D(n, K), invertierbare Diagonalmatrizen mit konstanter Diagonale, also Z(n, K) := {λ · I : λ ∈ K \ {0}}. (4.) Z ist bezüglich der Multiplikation keine Gruppe, auch nicht, wenn wir 0 herausnehmen, also auch Z \ {0} ist keine Gruppe. Lemma 2.4. Sei (G, ·, 1G ) eine Gruppe. Dann gilt: (1.) g · 1G = g für alle g ∈ G. (2.) Gilt f · g = g für ein g ∈ G, dann ist f = 1G . (3.) Ist h · g = 1G , so gilt auch g · h = 1G . Ferner ist h eindeutig durch g bestimmt. (Achtung. Wir schreiben jetzt oft hg statt h · g). 8 Beweis. Sei hg = 1G und kh = 1G , also h ist invers zu g und k invers zu h. Dann g = 1G g = (kh)g = k(hg) = k1G und gh = (k1G )h = k(1G h) = kh = 1G , also ist h auch rechtsinvers (das ist der erste Teil der Aussage (3.)). Dann gilt g1G = g(hg) = (gh)g = 1G g = g, also (1.). Gilt nun f g = g, dann f = f 1G = f (hg) = f (gh) = (f g)h = gh = 1G , also (2.). Fehlt noch die Eindeutigkeit des inversen Elementes: Angenommen, h′ g = 1G und hg = 1G , dann h′ = h′ 1G = h′ (hg) = h′ (gh) = (h′ g)h = 1G h = h. Mit ähnlichen elementaren Überlegungen kann man zeigen: Proposition 2.5. Sei (G, +, 1G ) eine Gruppe. Dann gilt: (1.) (g −1 )−1 = g für alle g ∈ G. (2.) (gh)−1 = h−1 g −1 für alle g, h ∈ G. (3.) Zu g, h ∈ G gibt es eindeutig bestimmte Elemente x, y ∈ G mit gx = h = yg (Gleichungslösbarkeit). Bemerkung 2.6. Ab jetzt schreiben wir meistens nur: Sei G eine Gruppe. Ausserdem lassen wir oft den Index G an 1G weg. Definition 2.7. Sei (G, ·, 1G ) eine Gruppe. Eine Teilmenge U ⊆ G heißt Untergruppe von G, wenn gilt: (U1) U 6= { }. (U2) Für je zwei Elemente u, v ∈ U gilt u · v ∈ U (Abgeschlossenheit). (U3) Ist u ∈ U , so gilt auch u−1 ∈ U . Bezeichnung: U ≤ G. Bemerkung 2.8. Es ist klar, dass U selber wieder eine Gruppe ist (mit der von G vererbten Verknüpfung ·, die nun aber auf U eingeschränkt ist). Beachten Sie, dass das neutrale Element in U liegt, da u−1 · u = 1G gilt und es mindestens ein Element in U gibt. Beispiel 2.9. (1.) {1G } und G sind die (trivialen) Untergruppen von G. 9 (2.) Die additiven Gruppen von Unterräumen eines Vektorraumes sind Untergruppen von (V, +, 0). (3.) In GL(n, K): Die invertierbaren unteren Dreiecksmatrizen L(n, K) sowie die invertierbaren unteren Dreiecksmatrizen mit Diagonale 1 (wir haben diese Gruppe B(n, K) genannt), die invertierbaren Diagonalmatrizen D(n, K) sowie die skalaren Diagonalmatrizen Z(n, K) (siehe Beispiel 2.3) sind Unterguppen von GL(n, K). Es gilt Z(n, K) ≤ D(n, K) ≤ L(n, K) ≤ GL(n, K) sowie B(n, K) ≤ L(n, K) ≤ GL(n, K). Proposition 2.10. Die einzigen Untergruppen von (Z, +, 0) sind die Mengen dZ := {dz : z ∈ Z} (also die Vielfachen von d) für nicht negative ganze Zahlen d. Beweis. d ist das kleinste positive Element in U . Definition 2.11. Sei G eine Gruppe und U eine Untergruppe von G. Dann definieren wir zwei Relationen auf G: g ∼r h :⇔ gh−1 ∈ U, (3) g ∼l h :⇔ h−1 g ∈ U. (4) Bemerkung 2.12. In abelschen Gruppen sind beide Relationen dasselbe, in nicht abelschen Gruppen sind sie in der Regel verschieden. Proposition 2.13. Die Relationen ∼r und ∼l sind Äquivalenzrelationen. Die Äquivalenzklassen sind im Fall ∼r die Rechtsnebenklassen U h := {uh : u ∈ G} und im Fall ∼l die Linksnebenklassen hU := {hu : u ∈ G}. Beweis. Recht elementar, Vorlesung. Beispiel 2.14. Ist U = dZ eine Untergruppe von Z, dann bestehen die Nebenklassen dZ + a aus allen Elementen z ∈ Z mit z ≡ a mod d. Ist U endlich, so gilt |U | = |U g| = |gU | für alle g ∈ G. Das liefert den Satz: 10 Satz 2.15 (Satz von Lagrange). Ist G eine Gruppe mit |G| < ∞, und ist U ≤ G, dann gilt |U | teilt |G|. Die Anzahl der Links- (oder auch Rechts-)Nebenklassen ist dann gleich, und zwar |G| . |U | Wir nennen diese Zahl auch den Index von U in G, geschrieben [G : U ]. Beispiel 2.16. In der Vorlesung bestimmen wir die Ordnungen der Gruppen aus Beispiel 2.9 für n = 2 und K = F3 und illustrieren daran den Satz von Lagrange. Satz 2.17. Sei Ui mit i ∈ I eine Familie von Untergruppen von G. Dann ist T i∈I Ui = {g ∈ G : für alle i ∈ I gilt g ∈ UI } eine Untergruppe von G. Beweis. Wie für Unterräume. Definition 2.18. Sei G eine Gruppe und S ⊆ G. Dann heißt \ U S⊆U ≤G die von S erzeugte Untergruppe. Bezeichnung: hSi. Bemerkung 2.19. Diese Untergruppe heißt die von S erzeugte Untergruppe. Im Fall, dass S ⊆ V und wir das Vektorraumerzeugnis betrachten, ist hSi die Menge der Linearkombinationen von S. Eine ebensolche einfache Beschreibung gibt es im Gruppenfall in der Regel nicht. Eine Ausnahme ist, wenn S = {g} nur aus einem Element besteht. Dazu definieren wir g n = g · · · g als das n-fache ”Produkt”von g, sowie g −n = (g −1 )n für n ∈ N. Ferner sei g 0 = e. Damit ist g z für alle z ∈ Z definiert. Proposition 2.20. Sei (G, ·, 1G ) eine Gruppe und g ∈ G. Dann ist hgi = {g z : z ∈ Z}. (5) Die Ordnung dieser Gruppe heißt die Ordnung des Elementes g und wird oft mit o(g) bezeichnet. Wir nennen eine Gruppe G zyklisch, wenn es ein g ∈ G gibt mit G = hgi. Beweis. Es ist klar, dass alle Elemente g z in der von g erzeugten Untergruppe liegen müssen. Ebenso klar ist, dass die g z mit z ∈ Z eine Gruppe bilden. Damit ist alles gezeigt. Beachten Sie bitte, dass die Ordnung eines Elementes natürlich endlich sein kann, auch wenn die rechte Seite von (5) zunächst einmal “unendlich” aussieht. Proposition 2.21. Die Ordnung eines Elementes ist ∞ oder die kleinste natürliche Zahl n ≥ 1 mit g n = 1G . 11 Beweis. Vorlesung! Korollar 2.22. Ist G eine endliche Gruppe, dann gilt o(g)|G|. Ferner gilt g |G| = e. Beweis. Vorlesung! Korollar 2.23. Sei g 6≡ 0 mod p, wobei p eine Primzahl ist. Dann gilt g p−1 ≡ 1 mod p. Beweis. Wende Korollar 2.22 in der multiplikativen Gruppe von Fp an. In den meisten Fällen gilt für Zahlen n, die keine Primzahlen sind, g n−1 6≡ 1 mod n für vergleichsweise kleine Zahlen g 6≡ 0 mod n. Das liefert vergleichsweise einfache Tests auf “nicht prim”. 2.2 Normalteiler und Homomorphismen Definition 2.24. Eine Untergruppe N von G heißt Normalteiler, wenn N g = gN für alle g ∈ G gilt. Bezeichnung: N ⊳ G. Bemerkung 2.25. In abelschen Gruppen sind alle Untergruppen Normalteiler. Hier kommt eine ganz wichtige Konstruktion, die Ihnen in der Mathematik ganz häufig (manchmal vielleicht etwas versteckt), begegnen wird. Es geht darum, dass man auf Äquivalenzklassen eine neue Struktur definieren kann, in unserem Fall Gruppen. Satz 2.26. Sei G eine Gruppe und N sei ein Normalteiler. Dann bezeichnen wir mit G/N die Menge der Nebenklassen von N (weil N Normalteiler ist, müssen wir nicht zwischen Rechts- und Linksnebenklassen unterscheiden). Dann definieren wir auf G/N eine Verknüpfung · wie folgt: (N g) · (N h) := N (gh). Dadurch wird G/N zu einer Gruppe mit neutralem Element N = N 1G . Wir nennen dies die Faktorgruppe. Beweis. Neutrales Element: Klar. Assoziativität: Klar. Inverses Element: Klar ((N g)−1 = N (g −1 )). Was ist eigentlich zu zeigen, und wo haben wir die Normalteilereigenschafft benutzt? Zu zeigen ist die sogenannte Wohldefiniertheit: Wenn N g = N g ′ und N h = N h′ gilt, warum ist dann N (gh) = N (g ′ h′ )? Das Problem ist nämlich, dass wir die Verknüpfung der Nebenklassen durch Auswahl eines Repräsentanten der Äquivalenzklasse definieren, aber es gibt viele Möglichkeiten, den Repräsentanten zu wählen, und warum soll das Ergebnis unabhängig von der Auswahl der Repräsentanten sein? Das genau nennt man das Problem der Wohldefiniertheit. Es gilt N (gh) = N (g ′ h′ ) genau dann wenn (gh)(g ′ h′ )−1 ∈ N . Nun gilt (gh)(g ′ h′ )−1 = ghh′−1 g ′−1 . 12 Weil N h = N h′ , gilt hh′−1 ∈ N , sagen wir hh′−1 = n. Wir fügen nun künstlich ein g ′−1 g ′ = 1G ein: ghh′−1 g ′−1 = gg ′−1 g ′ ng ′−1 . (6) Wegen N g = N g ′ gilt gg ′−1 ∈ N . Weil N Normalteiler ist (und nur hier brauchen wir das!) ist g ′ ng ′−1 ein Element von N . Wir haben also in (6) ein Produkt von zwei Elementen aus N , also liegt das Element in N , was zu zeigen war! Beispiel 2.27. Die Faktorgruppe Z/dZ ist eine abelsche Gruppe der Ordnung d. Sie ist zyklisch und wird von 1 + dZ erzeugt. Bemerkung 2.28. Ist V ein Vektorraum und U ≤ V , so können wir natürlich wie oben die Faktorgruppe V /U definieren. Man überlegt sich leicht, dass V /U sogar ein Vektorraum ist mit skalarer Multiplikation λ(v + U ) := (λv) + U. Zu überlegen ist hier nur, warum die Verknüpfung wohldefiniert ist. Machen Sie das bitte als Übung. Definition 2.29. Seien (G, +, 1G ) und (H, ·, 1H ) Gruppen. Eine Abbildung ϕ : G → H mit ϕ(g + h) = ϕ(g) · ϕ(h) heißt Gruppenhomomorphismus von G nach H. Ist G = H nennen wir dies einen Endomorphismus, ist ϕ injektiv einen Monomorphismus und ist ϕ surjektiv einen Epimorphismus. Ein Isomorphismus zwischen G und H ist ein bijektiver Homomorphismus. Wenn es zwischen zwei Gruppen einen Isomorphismus gibt, dann nennt man die Gruppen isomorph, geschrieben G ∼ = H. Isomorphismen G → G heißen Automorphismen. Beispiel 2.30. (1.) Ein trivialer Homomorphismus zwischen G und H ist die Abbildung ϕ mit ϕ(g) = 1H , also die Abbildung, die alles auf das neutrale Element in H abbildet. Ein trivialer Isomorphismus G → G ist die identische Abbildung. (2.) Jede lineare Abbildung V → W ist auch ein Gruppenhomomorphismus (V, +) → (W, +) In den Übungen sollen Sie sich überlegen, dass nicht jeder Homomorphismus zwischen den additiven Gruppen von Vektorräumen auch linear ist. (3.) Die Abbildung exp : (R, +) → (R \ {0}, ·) mit exp(x) = ex ist ein Monomorphismus. (4.) Ist G eine Gruppe und g ∈ G fest, so ist die Abbildung ϕg : x 7→ g −1 xg ein Automorphismus von G. Wir nennen dies die inneren Automorphismen. Die Menge aller Automorphismen von G bilden eine Gruppe (bzgl ◦), Bezeichnung Aut(G). Die inneren Automorphismen Inn(G) sind eine Unterguppe von Aut(G). Beachten Sie, dass innere Automorphismen von abelschen Gruppen stets trivial (also die Identität) sind. 13 Bemerkung 2.31. Eine Untergruppe N ≤ G ist genau dann ein Normalteiler, wenn ϕg (N ) = N für alle g ∈ G gilt. Dabei ist ϕg (N ) = {gng −1 : n ∈ N }. Beispiel 2.32. Inn(G) ist Normalteiler in Aut(G). Genaueres dazu in der Vorlesung! Lemma 2.33. Ist ϕ : (G, +, 1G ) → (H, ·, 1H ) ein Homomorphismus, so gilt: (1.) ϕ(1G ) = 1H . (2.) ϕ(g −1 ) = ϕ(g)−1 . (3.) Bild(ϕ) := {ϕ(g) : g ∈ G} ist eine Untergruppe von H. Beweis. Recht einfach, Vorlesung. Ähnlich wie für lineare Abbildungen definieren wir auch den Kern eines Homomorphismus: Definition 2.34. Sei ϕ : (G, +, 1G ) → (H, ·, 1H ) ein Homomorphismus. Dann definieren wir Kern(ϕ) := {g ∈ G : ϕ(g) = 1H }. Proposition 2.35. Sei ϕ : G → H ein Homomorphismus. Dann gilt: Kern(ϕ) ist ein Normalteiler von G. Beweis. Einfach, Vorlesung! Bemerkung 2.36. Das Bild eines Homomorphismus G → H muss kein Normalteiler in H sein. (Beispiel: Übung). Beispiel 2.37. (1.) Die Abbildung z → 7 dz ist ein Homomorphismus (Z, +) → (Z, +). Es gilt Bild(ϕ) = dZ und Kern(ϕ) = {0}. (2.) Man kann zeigen: Die Abbildung Ψ : G → ϕg ist ein Homomorphismus G → Aut(G). Das Bild dieses Homomorphismus sind die inneren Automorphismen. Der Kern sind all die Elemente n mit gn = ng für alle g ∈ G. Ist G = GL(n, K), so kann man sich überlegen (Übung!), dass Kern(Ψ) = Z(n, K) gilt, siehe Beispiel 2.9. Nun drängt sich folgende Frage auf: Wenn wir wissen, dass Kerne von Homomorphismen Normalteiler sind, was ist dann die Faktorgruppe? Hat die etwas mit dem Homomorphismus zu tun? Die Antwort liefert der sogenannte Homomorphiesatz: 14 Satz 2.38. Sei ϕ : G → H ein Homomorphismus und N := Kern(ϕ). Es gibt dann genau einen Homomorphismus σ : G/N → H mit σ(N g) = ϕ(g) (Achtung: Die Eindeutigkeit wird durch die Zusatzbedingung σ(N g) = ϕ(g) hergestellt. Es ist nicht so, dass es nur einen Homomorphismus G/N → H gibt!). Dieses ϕ ist injektiv. Ist ϕ surjektiv, so ist σ ein Isomorphismus. In dem Fall gilt dann G/N ∼ = H, ansonsten G/N ∼ = Bild(ϕ). Beweis. Vorlesung! Das Hauptproblem ist, im Beweis nichts zu vergessen. Korollar 2.39. Sei ϕ : V → W eine lineare Abbildung. Dann gilt V /Kern(ϕ) ∼ = Bild(ϕ). Beweis. Sei U = Kern(ϕ). Hier müssen wir uns nur zusätzlich überlegen, dass der in Satz 2.38 definierte Monomorphismus σ eine lineare Abbildung ist. Beachten Sie, dass die Gruppenoperation jetzt additiv geschrieben wird. σ(λ(v + U )) = σ((λv) + U ) = ϕ(λv) = λϕ(v) = λ(σ(v + U )). Das 2. Gleichheitszeichen hier gilt nach Definition von σ, bei der dritten Gleichheit benutzen wir, dass ϕ linear ist. Abschließende Frage in diesem Kapitel: Tritt jeder Normalteiler als Kern eines Homomorphismus auf? Die Antwort ist ja: Proposition 2.40. Ist G eine Gruppe, N ⊳ G, dann ist ϕ : G → G/N mit ϕ(g) := N g ein surjektiver Homomorphismus. Ferner gilt Kern(ϕ) = N . Beweis. ϕ(gh) = N (gh) = (N g)(N h) nach Definition der Gruppenoperation in G/N . Nun ist aber (N g)(N h) = ϕ(g)ϕ(h). Zum Kern: g ∈ Kern(ϕ) genau dann wenn N g = N . Das ist aber nur für g ∈ N der Fall. 2.3 Ringe Definition 2.41. Sei R eine Menge mit mindestens einem Element 0. Auf R seien zwei binäre Verknüpfungen + und · definiert. Dann nennen wir (R, +, ·, 0) einen Ring, wenn gilt: (R1) (R, +, 0) ist eine abelsche Gruppe. (R2) r · (s · t) = (r · s) · t für alle r, s, t ∈ R. (R3) Es gilt r · (s + t) = r · s + r · t sowie (r + s) · t = r · t + s · t für alle r, s, t ∈ R. Der Ring heißt kommutativ wenn r · s = s · r für alle r, s ∈ R gilt. Der Ring heißt ein Ring mit 1 wenn es ein Element 1 6= 0 in R gibt mit 1 · r = r · 1 = r für alle r ∈ R. 15 Beispiel 2.42. (1.) Jeder Körper ist ein kommutativer Ring mit 1. Die ganzen Zahlen mit der Addition und Multiplikation bilden einen kommutativen Ring. (2.) Die Menge der linearen Abbildungen {ϕ : V → V : ϕ ist linear} bilden einen nicht kommutativen Ring mit 1. Ebenso sind die quadratischen Matrizen K(n,n) ein nicht kommutativer Ring mit der gewöhnlichen Addition und Multiplikation. (3.) Ähnlich kann man zeigen: Die Endomorphismen ϕ einer abelschen Gruppe bilden einen Ring mit der Addition (ϕ1 + ϕ2 )(g) := ϕ1 (g) + ϕ2 (g) und der Hintereinanderausführung von Abbildungen als Produkt. Lemma 2.43. Es sei (R, +, ·, 0) ein Ring. Dann gilt: (1.) g · 0 = 0 · g für alle g ∈ R. (2.) g · (−h) = (−g) · h = −(g · h) für alle g, h ∈ R. (3.) (−g) · (−h) = g · h für alle g, hinR. Hat R zusätzlich eine 1, so gilt: (−1) · g = −g für alle g ∈ G. Beweis. Mit ähnlichen Überlegungen und“Tricks wie Lemma 2.4. Bezüglich der Multiplikation ist R keine Gruppe. Die Menge der invertierbaren Elemente in R bildet aber eine Gruppe: Proposition 2.44. Sei R ein Ring mit 1. Ein Element r ∈ R heißt invertierbar wenn es ein s ∈ R gibt mit r · s = s · r = 1. Solche Elemente heißen Einheiten. Die Menge U (R) der Einheiten bilden eine Gruppe bezüglich der Multiplikation in R. Beweis. Man muss sich nur überlegen, dass das Produkt invertierbarer Elemente wieder invertierbar ist. Definition 2.45. Seien R, S Ringe. Eine Abbildung ϕ : R → S heißt ein RingHomomorphismus wenn ϕ(r + s) = ϕ(r) + ϕ(s) sowie ϕ(r · s) = ϕ(r) · ϕ(s) für alle r, s ∈ R gilt. Begriffe wie Isomorphismus, Monomorphismus, Kern usw übertragen sich wörtlich, wobei der Kern aus den Elementen besteht, die auf 0 geschickt werden! Proposition 2.46. Sei V ein K-Vektorraum der Dimension n. Die Ringe der linearen Abbildungen V → V sowie der Matrizenring K(n,n) sind isomorph. Beweis. Wähle eine Basis B von V . Dann ist ϕ 7→ [ϕ]B B ein Isomorphismus. Definition 2.47. Ein Ideal I in einem Ring R ist bezüglich der Addition eine Untergruppe von R und es gilt r · n ∈ I und n · r ∈ I für alle r ∈ R, n ∈ I. Bezeichnung: I ≤ R. 16 Beispiel 2.48. Die trivialen Beispiele sind {0} und R. Nicht triviale Beispiele in Z sind dZ. Beachten Sie, dass Z keine weiteren Ideale haben kann, denn Z hat keine weiteren Untergruppen, siehe Proposition 2.10. Proposition 2.49. Ist R kommutativ, so ist d · R := {d · r : d ∈ R} ein Ideal. Wir bezeichnen diese Ideale als Hauptideale oder auch als von d erzeugt. Definition 2.50. Ein kommutativer Ring, in dem jedes Ideal ein Hauptideal ist, heißt Hauptidealring. Bemerkung 2.51. Seien p1 , . . . , ps ∈ R, wobei R ein kommutativer Ring ist. Dann definieren wir s X hp1 , . . . , ps i := { pi fi : fi ∈ R}. i=1 Das ist das kleinste Ideal, das p1 , . . . , ps enthält. Bemerkung 2.52. Z ist ein Hauptidealring. Beachten Sie, dass dies letztlich eine Folge der Tatsache ist, dass wir auf Z mit Rest dividieren können. Proposition 2.53. Sei I ein Ideal in R. Auf der Menge R/I (den Nebenklassen bezüglich der Addition!) definieren wir die übliche Addition (r + I) + (s + I) := (r + s) + I sowie eine Multiplikation (r + I) · (s + I) := rs + I. Dadurch wird R/I zu einem Ring. Beweis. Im Wesentlichen muss man die Wohldefiniertheit der Multiplikation nachweisen. Dazu benötigt man, dass I ein Ideal ist (siehe Vorlesung). Beispiel 2.54. Z/dZ =: Zd ist ein Ring, d.h. wir dürfen modulo d nicht nur addieren, sondern auch multiplizieren. Die Einheiten in diesem Ring sind genau die Elemente r + dZ mit ggT(r, d) = 1. Insbesondere sind die Zd genau dann Körper wenn d prim ist (und dann bezeichnen wir sie mit Fp ). Die Ordnung der Einheitengruppe von Zd ist die Anzahl Elemente 1 ≤ s ≤ d mit ggT(s, d) = 1. Diese Zahl nennt man Φ(d) (Eulersche Φ-Funktion). Der Satz von Lagrange zeigt sΦ(d) ≡ 1 mod d für alle s mit ggT(s, d) = 1. Man kann nun auch einen Isomorphiesatz für Ringe definieren, worauf wir hier verzichten. Wir halten nur fest: Proposition 2.55. Ist ϕ : R → S ein Ringhomomorphismus, so ist Kern(ϕ) = {r ∈ R : ϕ(r) = 0S } (0S das neutrale Element in S) ein Ideal in R. Beweis. Übung! 17