TU Ilmenau Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik Institut für Werkstofftechnik Ausgabe: September 2017 Dr. Kups Wiedemann-Franz-Lorenzsches Gesetz (Wiede) 1 Versuchsziel Ziel des Versuches ist es, die Zusammenhänge zwischen den thermischen und elektrischen Eigenschaften eines metallischen Werkstoffs kennen zu lernen. Aus den einzelnen Untersuchungsergebnissen der Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit soll das WiedemannFranz-Lorenzsche Gesetz bestätigt werden. 2 Grundlagen 2.1 Die elektrische Leitfähigkeit in Metallen In Metallen und deren Legierungen sind aufgrund der metallischen Bindung freie Elektronen (ca. 1022 cm−3 ) vorhanden. Beim Anlegen eines elektrischen Potentials überlagert sich der ungerichteten thermischen Bewegung der Leitungselektronen eine zusätzliche gerichtete Driftbewegung. Die mittlere Driftgeschwindigkeit ist der elektrischen Feldstärke E proportional. Der Quotient aus beiden Größen ist als Elektronenbeweglichkeit µ definiert. Für die elektrische Leitfähigkeit κ gilt: κ=e·n·µ (1) e: Elementarladung n: Elektronenkonzentration Der elektrische Widerstand eines Metalls lässt sich aus der Streuung seiner Leitungselektronen an Störstellen des Kristallgitters und an Gitterschwingungen (Phononen) verstehen. Der spezifische elektrische Widerstand % eines metallischen Leiters setzt sich dabei aus zwei Anteilen zusammen: einem temperaturunabhängigen spezifischen Restwiderstand %0 (Störstellenanteil) und einem temperaturabhängigen Anteil %(T) (Phononenanteil): % = %0 + %(T ) (2) Der temperaturunabhängige Restwiderstand %0 ist folglich ein Maß für die Störstellenkonzentration im Metallgitter. Die Störstellen können dabei ganz verschiedener Natur sein: Fremdatome auf Gitter- oder Zwischengitterplätzen (feste Lösungen); physikalische Gitterfehler wie Leerstellen, Versetzungen und Korngrenzen, die Streuzentren bilden. In einfachen Fällen nimmt %0 mit der Konzentration an Störstellen zu. Am genauesten prüft man dieses Verhalten durch Messung von %0 bei tiefen Temperaturen. Es gilt: lim %(T ) = 0 T →0 (3) Für nicht zu große Störstellenkonzentration gilt jedoch die Matthiessche Regel, die besagt, dass %(T) unabhängig vom Störstellengehalt ist. In diesen Fällen kann man den spezifischen elektrischen TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik - FG Werkstoffe der Elektrotechnik 1 Versuch Wiedemann-Franz-Lorenzsches Gesetz (Wiede) Widerstand bei Raumtemperatur messen, denn Änderungen des Widerstandes bei Raumtemperatur sind dann allein auf die Änderungen des Restwiderstandes zurückzuführen. Der Widerstand hängt von der Temperatur T des Körpers wie folgt ab: %T = %20o C · (1 + α20o C · ∆T ) α20o C : Temperaturkoeffizient bei 20o C (4) ∆T : Temperaturdifferenz T − 20o C Hierbei gibt der Temperaturkoeffizient α20o C die prozentuale änderung des spezifischen elektrischen Widerstandes bei einer von 20o C abweichenden Temperatur an. Seine Temperaturabhängigkeit macht sich erst bei Temperaturänderungen von mehr als 100o C bemerkbar. Wird der Temperaturkoeffizient ohne Indizes angegeben, so ist immer der α20o C - Wert gemeint. Die elektrische Leitfähigkeit κ ist dabei der Kehrwert des spezifischen elektrischen Widerstands %: κ= 1 % (5) Für einen elektrischen Leiter mit bekannter Geometrie (Messlänge l und Querschnittsfläche A) lässt sich die Leitfähigkeit mit folgender Formel aus dem Ohmschen Gesetz berechnen. R=%· l A =⇒ κ= 1 l · R A mit R= U I (6) 2.2 Die thermische Leitfähigkeit in Metallen Wenn eine Temperaturdifferenz zwischen unterschiedlichen Orten eines Körpers besteht, so findet ein Temperaturausgleich statt. Der Wärmetransport in Festkörpern beruht dabei überwiegend auf der Wärmeleitung. Dabei wird die Wärme innerhalb des Metalls von Teilchen zu Teilchen fortgeleitet, ohne dass die Teilchen mehrheitlich selbst transportiert werden. Dabei spielen verschiedene Mechanismen der Wärmeleitung eine Rolle: 1. in jedem Werkstoff: Wärme bzw. Temperatur ist ein Maß für den Schwingungszustand der Atome innerhalb eines Körpers. Stark schwingende Atome (d.h mit hohem Wärmegehalt bzw. hoher Temperatur) stoßen über ihre Bindungen die schwächer schwingenden Atome an, und geben damit einen Teil ihrer Wärme an das zweite Atom ab, usw. So wird die Wärme innerhalb eines Körpers transportiert und weitergeleitet. 2. zusätzlich in metallischen Werkstoffen: In einem Metall kann Wärme auch über die freibeweglichen Elektronen weitergeleitet werden. Dabei stößt ein schwingendes Atom ein freies Elektron an, welches dadurch stark beschleunigt wird und sich durch das Kristallgitter um mehrere Elementarzellen vorwärts bewegt. Dort stößt es wieder mit einem weiteren Atom zusammen und regt es somit zum stärkeren Schwingen an. Dieser Prozess ist viel effektiver und geht schneller als von Atom zu Atom von statten. Zur Vereinfachung wird die Wärmeleitung zum Ausgleich eines Temperaturgradienten hier nur eindimensional, d.h. entlang eines Stabes, betrachtet (Bild 1). Die Wärmeleitungsgleichung beschreibt TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik - FG Werkstoffe der Elektrotechnik 2 Versuch Wiedemann-Franz-Lorenzsches Gesetz (Wiede) Bild 1: Schematische Darstellung der Wärmeleitung entlang eines Stabs dabei die Wärmemenge dQ, welche in einer Zeitspanne dt aufgrund des Temperaturgradienten entlang der Stabachse transportiert wird: ∂T dQ = −λ · A · dt ∂x ∂T ∂x (7) dQ dt : übertragene Wärmemenge pro Zeit λ : Wärmeleitfähigkeit des Stabmaterials schnittsfläche des Stabes ∂T ∂x : Temperaturgradient A : Quer- Die Temperaturverteilung entlang des Stabes ist dabei abhängig von der Messposition und der vergangene Zeit und kann mit folgender Gleichung bestimmt werden: λ ∂2T ∂T = · ∂t ρ · c ∂x2 ρ : Dichte (8) c : spezifische Wärmekapazität Bringt man beide Enden des Stabes auf unterschiedliche Temperaturen, so bildet sich nach einer gewissen Zeit ein Gleichgewichtszustand mit einem konstanten Temperaturgradienten aus. Diese kann mit der Formel: T1 − T2 ∂T = grad T = ∂x l und der Länge l = ltherm. beschrieben werden. Dabei kann in den oben angegebenen Gleichungen ∂ bzw. d durch ∆ ersetzt werden. Mit: ∆Q = c · m · ∆T , ∆T = T3 (t) − T3 (t = 0) (9) (10) kann man die Wärmeleitfähigkeit λ des Metallstabes mit folgender Gleichung berechnen: λ= c·m = cW asser ·mW asser +CKalorimeter ∆QStab ∆t (11) A · grad T cW asser = 4.1826 J/g ·K CKalorimeter = 75.7 J/K TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik - FG Werkstoffe der Elektrotechnik 3 Versuch Wiedemann-Franz-Lorenzsches Gesetz (Wiede) Die (gemessene) Gesamtwärmemenge ∆QGesamt setzt sich dabei aus zwei Bestandteilen zusammen. Das ist zum einen die Wärmemenge ∆QStab , die durch den Metallstab übertragen wird und zum anderen die Wärmemenge ∆QU mgebung , die durch Verluste im unteren Kaloriemeter durch Wärmeabgabe an die Umgebung abgegeben wird: ∆QGesamt ∆QStab ∆QU mgebung = + ∆t ∆t ∆t (12) ∆QU mgebung /∆t bestimmt sich durch eine einfache Kalorimetermessung zur Bestimmung der Wärmekapazität des unteren Kalorimeters. 2.3 Das Wiedemann-Franz-Lorenzsches-Gesetz Für Metalle ist der spezifische elektrische Widerstand % bzw. die elektrische Leitfähigkeit κ mit der Wärmeleitfähigkeit durch das Wiedemann-Franz-Lorenzsches-Gesetz verknüpft. Dieser Zusammenhang kann durch die in Kap. 2.2. erläuterten Wärmeleitungsmechanismen erklärt werden. Das Wiedemann-Franz-Lorenzsches-Gesetz besagt, dass das Verhältnis von Wärmeleitfähigkeit λ und elektrischer Leitfähigkeit κ bei einer bestimmten Temperatur T (z.B. bei Raumtemperatur) eine Konstante ist, welche durch das Drude-Modell mathematisch beschrieben werden kann: (L : Lorenz-Zahl) λ =L·T κ , Ltheor. = 2 π 2 kB · 2 = 2.44 · 10−8 V 2 /K 2 3 e (13) 3 Versuchsdurchführung 3.1 Messung der elektrischen Leitfähigkeit Bauen Sie die Messapparatur entsprechend der folgenden Abbildung 2 auf. Messen Sie für verschiedene Positionen des Schiebewiderstands den elektrischen Strom I und die Spannung U . Übersteigen Sie dabei NICHT einen Strom von 2.5 Ampere. Bild 2: Aufbau zur Messung der elektrischen Leitfähigkeit TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik - FG Werkstoffe der Elektrotechnik 4 Versuch Wiedemann-Franz-Lorenzsches Gesetz (Wiede) • Bestimmen Sie die Messlänge lelektr. zwischen den beiden Anschlussstellen. • Tragen Sie U als Funktion von I auf und bestimmen Sie den Wert des elektrischen Widerstands R aus der Geradengleichung mittels linearer Regression (z.B in Excel, Origin, P hysP ract...) • Berechnen Sie mit Gleichung 6 die elektrische Leitfähigkeit κ von Al bzw. Cu. 3.2 Messung der Wärmeleitfähigkeit Die Apparatur dient zur Messung der Wärmeleitfähigkeit von Kupfer und von Aluminium. Sie besteht aus zwei Kalorimetergefäßen, die als Wärmespeicher mit deionisiertem Wasser (unten, Raumtemperatur) und siedendem Wasser (oben) gefüllt sind (siehe Bild 3). Der obere Kalorimetertopf besitzt zur Wärmeübertragung im Boden einen Wärmeleitanschluss, d.h. eine zylindrische Aussparung zur Aufnahme des zu untersuchenden Wärmeleitstabes. Die Wärmeleitstäbe bestehen aus massivem Kupfer bzw. Aluminium und sind mit Kunststoff ummantelt, um die seitlichen Wärmeverluste zu vermindern. Zur Messung des Temperaturverlaufs sind längs der Stäbe 10 äquidistante Messpunkte angebracht. Bild 3: Aufbau zur Messung der Wärmeleitfähigkeit TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik - FG Werkstoffe der Elektrotechnik 5 Versuch Wiedemann-Franz-Lorenzsches Gesetz (Wiede) Bauen Sie den Versuch entsprechend Bild 3 auf. • Messen Sie den Abstand l0 zwischen zwei benachbarten Messpunkten des Stabes und berechnen Sie die Querschnittsfläche des Stabes A. • Sorgen Sie für guten Wärmekontakt zwischen dem oberen Topf und der Stirnfläche des Wärmeleitstabes durch Verwendung von Wärmeleitpaste (nur dünn auftragen). • Füllen Sie ca. 400 g Wasser in das obere und 200 g Wasser in das untere Kalorimetergefäß. • Der Cu- bzw. Al-Stab muss eingebaut mit dem untersten Teil im Wasser sein. • Geben Sie zur Absenkung der Temperatur einige Eiswürfel in das untere Kalorimeter (Magnetrührer einschalten). • Bringen Sie das Wasser im oberen Kalorimeter mit dem Tauchsieder zum Sieden und halten Sie es am Sieden. • Achten Sie darauf, dass - der Tauchsieder immer mit Wasser bedeckt ist - während des Aufheizens reichlich Eiswürfel zur Kühlung des Wassers im unteren Kalorimetergefäß vorhanden sind. Zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit muss der Wärmestrom durch den Stab im stationären Zustand sein, d.h. entlang des Stabes muss sich ein konstanter Temperaturgradient einstellen: • Warten Sie nach dem Einsetzen des Siedens des Wassers im oberen Kalorimetergefäß ca. 5 Minuten bis zum Einstellen des stationären Zustands. • Messen Sie die Temperaturen T1 und T2 an zwei möglichst weit entfernten Messstellen des Stabes (z.B. 1. und 9. Messpunkt, Messlänge ltherm. = n · l0 ) und T3 im unteren Kalorimeter über einen Zeitraum von 5 Minuten im Abstand von 30 Sekunden. • Nach Beendigung der Messung ist die Gesamtmasse des Wassers (Summe aus den 200 g zu Beginn und der Masse der geschmolzenen Eiswürfel) im unteren Kalorimeter zu bestimmen. • Berechnen Sie für jeden Messwert t aus der Temperaturdifferenz ∆T zwischen T3 (t) und T3 (t = 0) die übertragene Wärmemenge ∆QGesamt . • Die graphische Darstellung von ∆QGesamt über der Zeit ∆t sollte annähernd auf einer Geraden liegen. Ist dies bei den ersten Messwerten nicht der Fall, so war der stationäre Zustand noch nicht erreicht und die Messwerte des betreffenden Bereiches entfallen bei der Auswertung. • Der Anstieg der Geraden ist der Wert für ∆QGesamt /∆t (Gleichung 12) • Für diesen Aufbau beträgt der Anteil der Wärmeabgabe an die Umgebung durch das untere Kalorimeter ∆QU mgebung /∆t = 4 J/s • Bestimmen Sie mit Gleichung 11 die Wärmeleitfähigkeit λ (mit grad T (tmax )). • Sollte bereits während der Messung der Wasserpegel im oberen Kalorimeter soweit abgesunken sein, dass ein Teil des Tauchsieders frei liegt, ist die Messung zu beenden. TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik - FG Werkstoffe der Elektrotechnik 6 Versuch Wiedemann-Franz-Lorenzsches Gesetz (Wiede) 4 Vorbereitungsaufgaben 1. Was versteht man unter dem Begriff Temperatur? Welche Temperaturskalen gibt es (mind. 4) und wie sind sie definiert? 2. Erklären Sie die allgemeinen Möglichkeiten der Wärmeausbreitung bzw. -übertragung! Unter welchen Bedingungen treten diese in verschiedenen Medien (im Vakuum, in Gasen, in Flüssigkeiten, in Festkörpern) auf! 3. Bei welcher Feinstruktur eines metallischen Werkstoffs (kristallin oder amorph) würden Sie eine bessere Wärmeleitfähigkeit erwarten? Begründen Sie Ihre Antwort! 4. Für welche Werkstoffklasse gilt das Wiedemann-Franz-Lorenzsches Gesetz und warum? 5. Warum sind Metalle bei Zimmertemperatur bessere Wärmeleiter als Isolatoren? Ändert sich dies bei höheren Temperaturen? 6. Skizzieren und erläutern Sie die Abhängigkeit des spezifischen elektrischen Widerstandes über der Temperatur für einen metallischen Werkstoff! 5 Praktikumsaufgaben 1. Stellen Sie die Messanordnungen zur Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit κ und der Wärmeleitfähigkeit λ auf. 2. Führen Sie die Messungen und Berechnungen für den Kupfer- bzw. Aluminiumstab durch. 3. Berechnen Sie die Lorenz-Zahl L. 4. Geben Sie einen Literaturwert (inkl. Quellenangabe und Gültigigkeitsbedingungen !) für die spezifische elektrische Leitfähigkeit κ bzw. Wärmeleitfähigkeit λ und die Lorenz-Zahl L für Kupfer und Aluminium unter Standardbedingungen und vergleichen Sie diese mit Ihren Ergebnissen. Woher kommen die möglichen Abweichungen? 5. Berücksichtigen und diskutieren Sie mögliche Fehlereinflüsse im Hinblick auf die Genauigkeit Ihres Ergebnisses. Eine detaillierte Aufgabenstellung liegt am Versuchsplatz im Meitnerbau, G.-Kirchhoff-Str. 5, Raum 3.2.310 aus! Literaturliste [1] Ashby, M. F. ; Jones, D. R. H.: Werkstoffe 1: Eigenschaften, Mechanismen und Anwendungen. Spektrum Akademischer Verlag, 2006 [2] Gobrecht, J.: Werkstofftechnik - Metalle. Oldenbourg-Verlag, 2009 [3] Dobrinski, P. ; Krakau, G. ; Vogel, A.: Physik für Ingenieure. Vieweg+Teubner Verlag, 2010 [4] Hornbogen, E. ; Warlimont, H.: Metalle: Struktur und Eigenschaften der Metalle und Legierungen. 5. neu bearbeitete Auflage. Berlin : Springer Verlag, 2006. – 383 S. – ISBN 978–3540340102 [5] Macherauch, E. ; Zoch, H.-W.: Praktikum in Werkstoffkunde. 11. Auflage. Wiesbaden : Vieweg+Teubner Verlag, 2011. – 602 S. – ISBN 978–3–8348–0343–6 [6] Schwab, R.: Werkstoffkunde und Werkstoffprüfung für Dummies. Wiley-VCH Verlag, 2011 TU Ilmenau, Institut für Werkstofftechnik - FG Werkstoffe der Elektrotechnik 7