Die rezessive Variante des Lynch

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Die rezessive Variante des Lynch-Syndroms – der
Wolf im Schafspelz: Biallelische (Constitutionelle)
Mismatch-Repair Mutationen (BMMRD – CMMRD)
C. Schneider1, M. Stodolski2, M. Taghavi2, N. Rahner3, G. Möslein4
Abteilung für Chirurgie, Wertachklinik Schwabmünchen
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, HELIOS Klinikum Duisburg
3 Institut für Humangenetik Universität Düsseldorf
4 Zentrum für Hereditäre Tumorerkrankungen, HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal
1
2
Das „Constitutional Mismatch Repair Deficiency Syndrome (CMMRD)“ ist ein biallelischer Defekt
eines der Mismatch Repair Proteine (synonym auch BMMRD genannt) und somit eng verwandt mit
dem Lynch-Syndrom (LS), bei dem allerdings nur ein monoallelischer Defekt vorliegt. Der Erbgang ist
rezessiv, die Familienanamnese bei den Eltern oft negativ oder mit einzelnen Tumoren des LS vergesellschaftet mit betroffenen Geschwistern. Die Mutationen befinden sich in der Regel in den niedrigpenetranten MMR-Genen und der Verlauf ist meist im jungen Alter deletär. Es kommt bereits in der
Kindheit oder jungem Erwachsenenalter zu onkologischen Erkrankungen wie Lymphomen, Leukämien, Hirntumoren, intestinalen Polypen sowie kolorektalen Karzinomen (KRK) und anderen mit
dem Lynch-Syndrom assoziierten Malignomen. Der Haut-Phänotyp ist teilweise dem der Neurofibromatose Typ 1 (NF1) sehr ähnlich. Die genetische Disposition wird oft nicht erkannt. Betroffene haben
eine schlechte Prognose – könnten aber von einer intensivierten Vorsorge, sowie einer medikamentösen oder chirurgischen Prävention an Lebenszeit und -qualität gewinnen. Eine Standorterhebung.
Das Lynch-Syndrom (LS) wird mit einer Prävalenz von 1:279 weiterhin
unterdiagnostiziert und ist die häufigste heute bekannte monogenetische Erkrankung – verantwortlich
für etwa 5 % der kolorektalen Karzinome (KRK). Ursache ist ein Defekt in einem der Mismatch-Reparatur-(MMR)-Gene, wobei abhängig
von dem betroffenen Gen eine unterschiedlich hohe Penetranz (und
damit variierendes Karzinomrisiko)
des Patienten vorliegt. Defekte
von MLH1 und MSH2 sind durch hohe Penetranz, MSH2 insbesondere
auch in Bezug auf extraintestinale
Tumore, gekennzeichnet, während
Defekte bei den niedrig-penetranten MSH6 und PMS2 oft ein spätes
Auftreten der Karzinome und eine
meist negative Familienanamnese
aufweisen. Mit dem Filter der klinischen Amsterdam- oder BethesdaKriterien, die in der aktuellen S3-
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Leitlinie als Diagnostiktrigger weiterhin verankert sind, werden
schätzungsweise 50 % der LS-assoziierten KRK-Patienten übersehen.
Charakteristisch für eine verminderte Expression der MMR-Proteine im
Tumor ist eine Mikrosatelliteninstabilität (MSI), d. h. eine Längenvariabilität kurzer repetetiver DNA-Sequenzen, bzw. eine verminderte
Proteinexpression eines der MMRProteine in der immunhistochemischen Färbung des Tumorgewebes.
Das Screening nach dem Vorliegen
eines LS (nach der S3-Leitlinie des
kolorektalen Karzinoms [1] bei Vorliegen eines der revidierten Bethesda-Kriterien) umfasst die Analyse
der MSI durch PCR oder die immunhistochemische Untersuchung auf
MMR-Gene (IHC) im Präparat oder
in einer Biopsie des KRK. Für andere
extrakolonische Tumore – führend
bei Hirntumoren – mangelt es oft an
einem pathognomonischen klinischen oder molekularpathologischen Marker als Hinweis auf das
Vorliegen der Disposition oft. Zunehmend wird der Ansatz eines
Multipaneltests (NGS sequencing)
routinemäßig und kosteneffizient
eingesetzt, so dass eine MSI bzw.
IHC basierte Diagnostik als Prescreening-Methode zunehmend in den
Hintergrund treten wird. Mutationsnegative Patienten allerdings
blieben unentdeckt, so dass der Algorithmus mit besserer Datenlage
verfeinert werden muss. Unlängst
konnten Yürgulun et al. feststellen
[18], dass bei einem Multipanel
Test von (nur) 25 Genen 10 % der
unselektionierten KRK eine bekannte pathogene, krankheitsverursachende Mutation aufwiesen.
Hierbei waren erwartungsgemäß
3 % auf das Vorliegen eines LS zurückzuführen und nur diese weisen
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eine MSI auf. 7 % gingen auf Mutationen zurück, die keine Instabilität
im Tumor verursachen.
Während beim LS nur ein Gen betroffen ist und es damit eines somatischen „second hit“ zur Entstehung
eines Karzinoms bedarf, findet sich
beim CMMRD (oder auch oft
BMMRD = Biallelic Mismatch Repair
Deficiency bzw. CCS = Childhood
Cancer Syndrome abgekürzt) ein biallelischer Gendefekt. Dadurch tritt
bei den Betroffenen ein Spektrum
an Malignomen auf, welches an die
extraintestinalen Manifestationen
des LS erinnert, aber in deutlich früherem Lebensalter und mit teilweise LS-untypischen klinischen Manifestationen.
Die ersten Veröffentlichungen des
CMMRD datieren aus dem Jahr 1999
[3, 4], beide bei konsangiunen Familien aus der Türkei bzw. Nordafrika
mit MLH1-Mutationen, wobei die
bei ca. 60 % aller CMMRD-Betroffenen gehörenden Café-au-lait-Flecken noch als de novo Manifestation einer NF1 betrachtet wurden.
In der Online Mendelian Inheritance in Man [OMIM] wird CMMRD
unter der Nummer 276300 geführt.
Genetik
Das LS ist aufgrund des monoallelischen Geschehens gekennzeichnet
durch einen autosomal-dominanten Erbgang mit inkompletter Penetranz, so dass die Wiederholungswahrscheinlichkeit direkter Nachkommen 50 % beträgt. CMMRD dagegen zeigt (EAbb. 1) einen autosomal-rezessiven Erbgang, d.h. beide Eltern sind LS-Mutationsträger.
Die Nachkommen eines CMMRDPatienten sind, sofern der Partner
keinen MMR-Defekt besitzt, zu
100 % an einem LS erkrankt, weil sie
auf jeden Fall ein krankheitsverursachendes Allel erben werden. Sollte der Partner zufällig ebenfalls ei-
Abb. 1: Supraanaler adenomatöser Polyp bei einem Patienten mit MSH3 CMMRD
Histologie: polypöses tubuläres Adenom mit niedriggradiger intraepithelialer
Neoplasie
ne klinisch bislang nicht manifeste
Mutation in demselben MMR-Gen
tragen, erhöht sich die Risikokonstellation derart, dass weiterhin alle
Nachkommen ein LS haben werden,
50 % jedoch ein CMMRD.
Klinik
Generell ist CMMRD charakterisiert
durch das Auftreten von Hirntumoren, hämatologischen Krebserkrankungen und LS-assoziierten Tumoren, die oft bereits im Kindesalter
auftreten. Die Schwere der Ausprägung hängt nicht nur von dem betroffenen Gen, sondern ebenfalls
von der Art der Mutation ab (z.B.
trunkierend oder nicht). Schwerwiegender sind generell die Ausprägungen bei MSH2 bzw. MLH1 vs.
MSH6 und PMS2. Bei 2 Geschwistern mit MLH1-CMMRD wurden
im 10-Jahres-Vorsorgeprogramm 15
asymptomatische maligne Tumoren
bzw. deren Vorstufen entdeckt [5].
In der Kohorte des CMMRD-Konsortiums, bestehend aus 23 Kindern [6]
entwickelten diese insgesamt 40
verschiedene Tumoren. Neunzehn
hiervon (48 %) waren Hirntumore,
13 (32 %) gastrointestinale Tumore,
6 (15 %) hämatologische und Weitere (ein Nierenzellkarzinom und
ein plexiformes Neurofibrom).
Bei 31 französischen Patienten [11]
wurden 67 Tumore beobachtet, 25
(37 %) LS-assoziierte Malignome,
22 (33 %) Hirntumore, 17 (25 %)
hämatologische Malignome und 3
(5 %) Sarkome. Das mediane Manifestationsalter des ersten Malignoms war 6,9 Jahre (1,2–33,5).
145/146 der Patienten des EUConsortium Care for CMMRD
(C4CMMRD) [12] entwickelten Neoplasien des Magen-Darm-Taktes
mit einem medianen Erkrankungsalter von 16 Jahren, dies konnte
auch bei einer größeren Anzahl Patienten bestätigt werden [15]. Polypen traten im Alter von 5–10 Jahren
auf, was differentialdiagnostisch an
eine familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) denken lässt.
Insgesamt fanden sich 48 hämatologische Neoplasien mit einem media-
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nen Erkrankungsalter von 5 Jahren,
davon 31 Non-Hodgkin-Lymphome,
vorwiegend von T-Zellen stammend.
Von den insgesamt 81 Tumoren des
ZNS dominierten 58 hochmaligne
Gliome, mit einem medianen Erkrankungsalter von 7–9 Jahren.
88 zeigten LS-assoziiierte Tumore,
dabei führend das KRK mit 59 Fällen, zum Teil synchron auftretend.
Trotz einer großen Variabilität hinsichtlich der Altersverteilung in diesen drei Hauptgruppen, scheinen
sich die hämatologischen Manifestationen generell früher als die ZNSTumore zu entwickeln. Die LS-assoziierten Karzinome manifestierten
sich eher erst danach, in einem etwas höheren Alter. Hirntumore sind
bei der zugrunde liegenden PMS2Mutation häufiger als bei einem
MLH1- oder MSH2-Defekt – diese
Defekte scheinen eher für die hämatologischen Manifestationen zu
prädisponieren. Auch scheint das
Erkrankungsalter bei den sonst
penetranteren Genen MLH1/MSH2
niedriger zu liegen.
Bezüglich neoplastischer Vorstufen
des CRC zeigten sich bei 36 % der
Patienten des C4CMMRD [12] Polypen des Gastrointestinaltraktes, die
aufgrund ihrer Anzahl (einige bis
fast 100) klinisch an eine attenuierte
FAP erinnern.
In sämtlichen Veröffentlichungen
fanden sich Café-au-lait-Flecken bei
Kriterium; bei mehr als einem Merkmal werden die Punkte addiert
Karzinom aus dem LS-Spektrum im Alter von <25 Jahren
Multiple Adenome im Darm im Alter von <25 Jahren bei Fehlen von APC/
MUTYH Mutation(en) oder ein einzelnes Adenom mit High-grade Dysplasie im
Alter von <25 Jahren
Gliom WHO Grad III oder IV im Alter von <25 Jahren
T-Zell-NHL oder sPNETim Alter <18 Jahre
Jedes Malignom im Alter <18 Jahre
Zusätzliche optionale Merkmale; bei mehr als einer Eigenschaft werden die
Punkte addiert.
Kinische Zeichen von NF1 und/oder ≥2 hyperpigmentierte und/oder
hypopigmentierte Hautalterationen Ø>1 cm bei dem Patienten
Diagnose eines LS bei erst- oder zweitgradigen Verwandten
Karzinom aus dem LS-Spektrum* vor dem 61. Lebensjahr bei einem erst-,
zweit- oder drittgradigem Verwandten
Geschwister mit Karzinom aus dem LS-Spektrum*, high-grade glioma, sPNET
or NHL
Ein Geschwisterkind mit einem Malignom, welches typischerweise in der
Kindheit auftritt
Multiple Pilomatricome bei dem Patienten
Ein Pilomatricom bei dem Patienten
Agenesie des Corpus callosum ein Kavernom bei dem Pateinten, welches nicht
durch Therapie verursacht wurde
Konsanguinität der Eltern
Defizienz/reduzierte Spiegel von IgG2/4 und/oder IgA
Indikation zur Testung auf CMMRD bei Karzinompatienten
Geschwister mit Karzinom aus dem LS-Spektrum*, high-grade Gliom, sPNET
oder NHL
Geschwister mit irgendeinem Malignom
Multiple Pilomatricome beim Patienten
Ein Pilomatricom beim Patienten
Agenesie des Corpus callosum oder nicht therapieinduziertes Kavernom beim
Patienten
Konsanguinität der Eltern
Defizienz/reduzierte Spiegel von IgG2/4 und/oder IgA
Tab. 1: Kriterien zur Testung auf CMMRD des C4MMR-D
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Punktzahl
3
3
2
2
1
2
2
1
über 60 % der Betroffenen, 27 der
146 Patienten zeigten Café-au-laitFlecken gemeinsam mit anderen
Zeichen von NF1 [12].
Diagnostik
Die Diagnosefindung beim CMMRD
ist oft schwierig – am entscheidendsten wäre es, dass man an diese diagnostische Möglichkeit beim Ersttumor denkt. Zum einen wird in allen
Veröffentlichungen
übereinstimmend berichtet, dass eine KeimbahnMMR-Mutation in der immunhistochemischen Analyse durchaus einen
Normalbefund ergeben kann – was
bei dem LS sehr selten ist und beim
CMMRD schnell zu einer Fehldiagnose führt. Hier konnte durch Ingham
et al. [9] zumindest für PMS2 und
MSH2 eine neue Nachweismethode
entwickelt werden. MLH1 wurde allerdings nicht getestet und MSH6
konnte hierdurch ebenfalls nicht
nachgewiesen werden. Bakry [6]
2014 berichtet allerdings, dass in der
Zusammenschau die IHC-Analyse
letztendlich 100 % sensitiv und spezifisch zur Detektion von CMMRD
eingesetzt wurde. „Dagegen waren
insgesamt 20/28 Läsionen MSI-stabil“, was allerdings vorwiegend Hirntumore und niedriggradig maligne
Kolonpolypen betraf.
2
1
2
1
1
1
1
2
1
2
1
1
1
1
Das Problem, dass häufig Varianten
mit unbekannter funktioneller Signifikanz bei einem CMMRD beteiligt sind (in etwa 30 % der Fälle),
d. h. mit Mutationen, die nicht sicher als pathogen zu betrachten
sind, konnte durch Kombination
von MSI-PCR mit Toleranz gegenüber methylierenden Agenzien
ausgeräumt werden [16].
Für den Pathologen diagnostisch
verunsichernd im Rahmen der IHCFärbung kann die Beobachtung
sein, dass bei CMMRD nicht nur der
Tumor, sondern sämtliche Zellen
(auch nicht-neoplastische) einen
MMR-Verlust aufweisen.
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CME
Zum Zweiten fällt auf, dass bei vielen berichteten Familien [5, 6, 11]
der Familienstammbaum erstaunlich wenig LS-assoziiierte Karzinome aufweist, bei [5] sogar trotz der
normalerweise hoch penetranten
MLH1-Mutation. Anscheinend finden sich in den häufig konsanguinen Familien dennoch die typischen CMMRD-assoziierten Neoplasien, d. h. auffallend viele Hirntumore. Und zum Dritten birgt das Vorliegen von Café-au-lait-Flecken bei
60–100 % der Betroffenen ein großes Verwechslungsrisiko mit der bedeutend bekannteren NF1. Desweiteren ist oft die Abgrenzung
zu anderen Erkrankungen wie
Li-Fraumeni-Syndrom, Turcot-Syndrom Fanconi Anämie, Nijmegen
breakage syndrome, Bloom syndrome, Noonan syndrome schwierig.
Auf der anderen Seite ist die Sicherung der Diagnose von eminenter
Wichtigkeit für die Betroffenen, da
das Risiko an einer oft gänzlich anderen aggressiven Sekundärblastomatose zu erkranken erheblich erhöht ist. Weiterhin sind die typischerweise MMR-defizienten Tumoren gegenüber bestimmten Medikamenten resistent bzw. deren
Toxizität ist erhöht. Die Geschwister der Betroffenen weisen ein
25 %iges Risiko, ebenfalls ein
CMMRD-Träger zu sein und ein
50%iges Risiko für ein LS. Beide Eltern sind LS-Träger – und nur 25 %
deren Nachkommen haben nach
der Vererbungslehre ein intaktes
MMR-System.
2014 wurden vom 2013 gegründeten EU-Consortium Care for
CMMRD (C4CMMRD) [12] anhand
von 146 Patienten klinische Kriterien entwickelt, als Basis und Algorithmus für eine Empfehlung zur
Testung auf ein CMMRD (E Tab. 1).
Bei Patienten mit NF1-typischen
Malignomen sollte allerdings zunächst eine NF1 ausgeschlossen
Kind oder junger Erwachsener mit LS-assoziiertem Tumor
Kind oder junger Erwachsener mit adenomatösen Kolonpolypen, die nicht durch ein Polyposis-Syndrom erklärt werden können (familiäre adenomatöse Polyposis, MUTYH-assoziiierte
Polyposis)
Jedes Kind oder junger Erwachsener mit Malignom in Kombination mit elterlicher Konsanguinität, Café-au-lait-Flecken oder anderen Zeichen einer NF, die nicht durch andere Erbkrankheiten (z.B. NF) erklärt werden können
Jedes Malignom mit pathologischer IHC bezüglich der DANN-MMR-Proteine in normalem
und Tumorgewebe
Hirntumore, Lymphome oder Leukämie in der Anamnese ohne vorausgegangene Bestrahlung
Jedes Kind oder Erwachsener mit hypermutiertem Tumor
Tab. 2: Kriterien zur Testung auf CMMRD der American Gastroenterological Association
Malignomtyp
Gehirn
Gastrointestinaltrakt
Dünndarm
Screeningbeginn Untersuchung, Intervall
2 Jahre
MRT, 1x/6 – 12 Monate
Kolorektum
Hämatologisch
(Non-Hodgkin)
Lymphome
Leukämie
LS-assoziiert [2]
8 Jahre
Generell
10 Jahre
Videokapselendoskopie, Ösophagogastroduodenoskopie jährlich
Ileokoloskopie jährlich
1 Jahr
klinische Untersuchung, evtl. Sonographie
halbjährlich
1 Jahr
Blutbild halbjährlich
20 Jahre
Gynäkologische Untersuchung, transvaginale
Sonographie, Pipelle-Saugbiopsie jährlich;
Urinzytologie, Urinstix jährlich
Eltern und Patienten sollte angeraten werden, Ihren Arzt bei
ungewöhnlichen Anzeichen oder Symptomen zu kontaktieren.
Ihnen sollte ein Merkblatt ausgehändigt werden über mögliche
Anzeichen und Symptome.
Tab. 3: Vorsorgeempfehlungen der C4CMMR-D [13]
werden, ebenso verdient eine gewisse Überlappung des klinischen
Phänotyps mit dem Li-FraumeniSyndrom Beachtung.
Die jüngst erschienenen Leitlinien
der AGA beruhen auf Erfahrungen
mit etwa 200 CMMRD-Patienten
[10] (E Tab. 2).
Verdächtig sind immer: LS-assoziierte Tumore, eine adenomatöse Polyposis ohne Nachweis einer Mutation in dem APC- oder MUTYH-Gen,
ein hypermutierter Tumor, Expressionsverlust eines der MMR-Gene
in der immunhistochemischen Färbung des Tumors oder Biopsie und
im Normalgewebe, pädiatrische
Karzinome in dem Kontext der Konsanguinität sowie bei Café-au-laitFlecken ohne Nachweis einer NF1-
Diagnose. Sie empfehlen darüberhinaus eine Abklärung bei Betroffenen mit einem Hirntumor,
Lymphom oder Leukämie ohne Vorgeschichte einer Bestrahlung [10].
Die Abklärung umfasst die Untersuchung von Tumoren oder deren
Vorstufen durch IHC auf das Vorliegen der MMR-Proteine, wobei missense-Mutationen der MMR-Proteine in der IHC einen fälschlich MMRkompetenten Tumor vortäuschen
können. Da die PCR auf MSI
die oben erwähnten Fallstricke
zeigt, sollten primär beide Untersuchungen angewendet werden. Die
endgültige Diagnose erfolgt dann
nach einer genetischen Beratung
durch molekulargenetische Untersuchung auf das Vorliegen einer
Mutation.
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Vorsorgeempfehlungen
Die E Tabellen 3 und 4 zeigen die verschiedenen Vorsorgeprogramme.
Anmerkungen zum
Vorsorgeprogramm:
Generell empfiehlt sich bei der Koloskopie (da oft flache Läsionen
vorliegen), die Durchführung einer
Chromoendoskopie, bei Kindern in
Vollnarkose. Bei Vorliegen von
multiplen Adenomen muss das
Vorsorgeintervall evtl. auf 6 Monate verkürzt werden [13], ebenso
empfiehlt sich ein Team aus einem
pädiatrischen Gastroenterologen
und einem Gastroenterologen mit
Erfahrung in der Mukosaresektion.
Bei den Patienten im entsprechend engmaschigen Vorsorgeprogramm konnten Todesfälle durch
gastrointestinale Tumore vermieden werden [15]. Zur Erkennung
der zu erwartenden Dünndarmkarzinome empfiehlt Durno die
halbjährliche Kontrolle des Hämoglobinwertes. Insgesamt müssen sich die Wertigkeiten und Risiken der unterschiedlichen Vorsorgeprogramme angesichts fehlender Erfahrung in der Praxis beweisen.
Anmerkungen zur Therapie:
Nach [14] hat sich gezeigt, dass
MMR-defiziente Tumoren quasi resistent gegen 5-FU basierte Chemotherapieschemata zu sein scheinen,
Intervention
ÖGD und
Videokapsel-Endoskopie
Koloskopie
MRT Gehirn
Differentialblutbild
Untersuchung des Beckens
mit Endometriumsbiopsie
Urinuntersuchung
Ganzkörper-MRT
so dass die Indikationsstellung zur
Therapie kritisch gestellt werden
muss. Ebenso wird eine Resistenz
gegen O6-methylierende Agenzien
diskutiert, was angesichts der Verwendung von Temozolomid beim
Glioblastom von klinischer Relevanz ist [13, 12].
Nachdem ein MMR-Defekt zu
somatischen POLE/POLD1-Mutationen (und in der Konsequenz zu massiv hypermutiertenTumoren) führt,
war es zu erwarten, dass anti-PD1Inhibitoren wirksam werden, was
sich beim KRK mit Pembrolizumab
und beim Glioblastom mit Nivolumab bestätigte [10]. Die Erfolgsaussichten in der täglichen Praxis – vor
allem, aber nicht nur – für CMMRDPatienten bleiben abzuwarten, lassen aber hoffen!
Fazit
Zusammengefasst kann für das
CMMRD festgestellt werden, dass
an diese Erkrankung gedacht werden sollte, bei:
– Lymphomen, Hirntumoren und
gstrointestinalen Tumoren (Polyposis), Junges Erkrankungsalter
– Café au lait Flecken
– NF-ähnlichem Phänotyp ohne
Mutationsnachweis
– Konsanguinität
– Auch bei leerer Familienanamnese oder ebenso bei einem bekannten LS in der Familie
Empfehlung
Jährlich, Beginn mit 8 Jahren
Jährlich, Beginn mit 6 Jahren
Halbjährlich,
Beginn mit 2 Jahren
Halbjährlich,
Beginn mit 1 Jahr
Jährlich,
Beginn mit 20 Jahren
Jährlich,
Beginn mit 10 Jahren
Ungewiss
Alternative
–
nach Bakry [6]:
– Bei diesen Patienten sollte eine
intensivierte (frühe) Vorsorge
empfohlen werden
– Die Chemotherapie muss angepasst werden
– Checkpoint-Inhibitoren könnten
sehr gute Erfolge aufweisen
– Eine ASS-Einnahme ist (angelehnt an die Ergebnisse der
CAPP2-Studie beim LS) zu diskutieren.
Literatur: medizin.mgo-fachverlage.de
Korrespondenzadresse:
Prof. Gabriela Möslein
Direktorin Zentrum für Hereditäre
Tumorerkrankungen am
Chirurgischen Zentrum
HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal
Universität Witten/Herdecke
Heusnerstr. 40
42283 Wuppertal
Tel.: +49 202 896-2703
Fax.:+49 202 896-2704
www.helios-kliniken.de/wuppertal
–
Transfontanelläre Schädelsonographie, beginnend
mit 6 Monaten bis zum
Fontanellenschluss
–
–
MRT
Tab. 4: Vorsorgeempfehlungen der American Gastroenterological Society [15]
ONKOLOGIE heute 6/2017
Im Text verwendete
Abkürzungen:
CMMRD: Constitutional Mismatch Repair Deficiency
IHC: Immunhistochemie
KRK:Kolorektales Karzinom
LS: Lynch Syndrom
MMR: Mismatch Repair
(System)
MSI:Mikrosatelliteninstabilität
NF1:Neurofibromatose Typ 1
PCR:Polymerase chain reaction
Prof. Gabriela
Möslein
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