TUM School of Education Technische Universität München Ergänzende Übungen Lineare Algebra I Wintersemester 2010/11 Prof. Dr. Kristina Reiss Heinz Nixdorf-Stiftungslehrstuhl für Didaktik der Mathematik München, 05.11.2010 1 Äquivalenz TUM School of Education Technische Universität München Was bedeutet Äquivalenz? Wie wird der Begriff im Alltag gebraucht? Der Begriff heißt in der einfachen Übertragung (aus dem Lateinischen) soviel wie „Gleichwertigkeit“: aequus Valenz München, 05.11.2010 wird übersetzt mit „gleich“ ist ein eingedeutschtes Fremdwort und bedeutet hier „Wertigkeit“ 2 Äquivalenz im Alltag: Noten TUM School of Education Technische Universität München Schulnoten kann man in Ziffern oder in Worten schreiben: 1 2 3 4 5 6 sehr gut gut befriedigend ausreichend mangelhaft ungenügend Im Grunde ist es egal, welche Darstellung man wählt, denn Ziffern und Worte entsprechen sich; sie sind äquivalent. München, 05.11.2010 3 Äquivalenz im Alltag: Noten TUM School of Education Technische Universität München Auch in der Schweiz werden Schulnoten in Ziffern oder in Worten geschrieben: 6 5 4 3 2 1 sehr gut gut genügend ungenügend schlecht sehr schlecht Auch hier ist es egal, welche Darstellung man wählt, denn Ziffern und Worte entsprechen sich; sie sind äquivalent. München, 05.11.2010 4 TUM School of Education Technische Universität München Äquivalenz im Alltag: Noten Frage: Sind Schulnoten in Deutschland und der Schweiz äquivalent, gilt also 6S 5S 4S 3S 2S 1S entspricht entspricht entspricht entspricht entspricht entspricht 1D 2D 3D 4D 5D 6D ? ? ? ? ? ? Konsequenz: Wenn es schon bei so einfachen Dingen kompliziert wird, dann brauchen wir für etwas wie „mathematische Äquivalenz“ eine wohlüberlegte (und klare) Definition. München, 05.11.2010 5 Äquivalenz in einem Beispiel aus der Mathematik: Vektoren TUM School of Education Technische Universität München Vielleicht erinnern Sie sich? Das stand früher im Lehrplan für das Gymnasium in Bayern (Klasse 8): Vektorbegriff • Verschieben einer Strecke • Vektoraddition (mit Anwendung in der Physik) Wie wurde in diesem Zusammenhang der Begriff „Vektor“ erklärt? München, 05.11.2010 6 Äquivalenz in einem Beispiel aus der Mathematik: Vektoren TUM School of Education Technische Universität München Ein Vektor im Anschauungsraum (in der Anschauungsebene) ist eine Klasse gleichlanger, paralleler und gleichgerichteter Pfeile. „Kennt man einen, kennt man alle.“ Die Pfeile sind äquivalent. München, 05.11.2010 7 Äquivalenz in einem Beispiel aus der Mathematik: Vektoren TUM School of Education Technische Universität München Man kann • gleichlang • parallel • gleichgerichtet jeweils als Relation auf der Menge der Pfeile des Anschauungsraums (bzw. der Anschauungsebene) auffassen. Also kann man • repräsentiert den gleichen Vektor als Relation auf der Menge der Vektoren des Anschauungsraums (bzw. der Anschauungsebene) auffassen. München, 05.11.2010 8 Äquivalenz in einem Beispiel aus der Mathematik: Vektoren TUM School of Education Technische Universität München Welche Eigenschaften hat diese Relation? a b c (i) Wenn a den gleichen Vektor wie b repräsentiert und b den gleichen Vektor wie c repräsentiert, dann repräsentiert a auch den gleichen Vektor wie c („Erblichkeit“ oder besser: Es gilt Transitivität zwischen den Repräsentanten*). (ii) Es sind a und b „austauschbar“ (oder besser: Es gilt Symmetrie zwischen den Repräsentanten). * das Wort wird später noch eine Rolle spielen. München, 05.11.2010 9 Äquivalenz in einem Beispiel aus der Mathematik: Gleichheit TUM School of Education Technische Universität München Gibt es diese Eigenschaften auch in einem anderen (mathematischen) Zusammenhang? (i) Wenn a, b und c reelle Zahlen mit a = b und b = c sind, dann gilt auch a = c. Es gilt auch hier Transitivität. (ii) Natürlich gilt auch die Symmetrie, denn aus a = b folgt b = a. Langweilig, oder? Dann erhöhen wir die Langeweile noch einmal ;-) : (i) Es gilt a = a, und das nennt man Reflexivität. München, 05.11.2010 10 Äquivalenz in einem Beispiel aus der Mathematik: Kongruenz TUM School of Education Technische Universität München Gibt es diese Eigenschaften (und jetzt alle drei) in einem weiteren (mathematischen) Zusammenhang? München, 05.11.2010 11 Äquivalenz in einem Beispiel aus der Mathematik: Kongruenz TUM School of Education Technische Universität München Wir betrachten natürliche Zahlen* und konzentrieren uns auf die Reste beim Teilen durch 7. Welche Reste kann es geben? Ganz klar: 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6. Nun kann man • • • • • 1, 8, 15, 22, 29, 36 und z.B. 78 nicht unterscheiden, denn alle lassen bei Division durch 7 den Rest 1; 2, 9, 16, 23, 30, 37 und z.B. 93 nicht unterscheiden, denn alle lassen bei Division durch 7 den Rest 2; .... 6, 13, 20, 27, 34, 41 und z.B. 146 nicht unterscheiden, denn alle lassen bei Division durch 7 den Rest 6; 0, 7, 14, 21, 28, 35 und z.B. 147 nicht unterscheiden, denn alle lassen bei Division durch 7 den Rest 0. * und mit ganzen Zahlen geht es genauso. München, 05.11.2010 12 Äquivalenz in einem Beispiel aus der Mathematik: Kongruenz München, 05.11.2010 TUM School of Education Technische Universität München 13 Äquivalenz in einem Beispiel aus der Mathematik: Kongruenz TUM School of Education Technische Universität München Ganz offensichtlich gilt für natürliche Zahlen a, b und c: Wenn a bei Division durch 7 denselben Rest lässt wie b und b bei Division durch 7 denselben Rest lässt wie c, dann lässt a bei Division durch 7 denselben Rest wie c. Die Relation „lässt bei Division durch 7 denselben Rest wie“ ist auf der Menge der natürlichen Zahlen transitiv. Ist die Relation „lässt bei Division durch 7 denselben Rest wie“ auch symmetrisch und reflexiv? München, 05.11.2010 14 Gegenbeispiel TUM School of Education Technische Universität München Gilt das für jede Relation auf einer beliebigen Menge A? NEIN! (a) Wenn g, h ung k Geraden sind, sodass g senkrecht auf h steht und h senkrecht auf k steht, dann steht g nicht senkrecht auf k, sondern ist parallel zu k. Die Relation „steht senkrecht auf“ auf der Mengen der Geraden in der Ebene ist symmetrisch, aber nicht transitiv. (b) Die Relation „≤“ ist auf der Menge der natürlichen Zahlen transitiv und reflexiv, aber nicht symmetrisch. (c) Die Relation „<“ ist auf der Menge der natürlichen Zahlen transitiv, aber nicht reflexiv und nicht symmetrisch. München, 05.11.2010 15 Gegenbeispiel München, 05.11.2010 TUM School of Education Technische Universität München 16 Gegenbeispiel München, 05.11.2010 TUM School of Education Technische Universität München 17 TUM School of Education Technische Universität München Äquivalenzrelation Definition (Äquivalenzrelation): Eine Relation auf einer Menge A heißt Äquivalenzrelation, falls sie reflexiv, symmetrisch und transitiv ist. Schreibweise: ~ Wir schreiben also nicht (a,b) ∈ R für irgendwelche Elemente a und b aus einer Menge A und eine Äquivalenzrelation R, € sondern schlicht: a ~ b. München, 05.11.2010 18 TUM School of Education Technische Universität München Äquivalenzrelation Mit der Schreibweise ~ kann man die Eigenschaften einer Äquivalenzrelation auf der Menge A (und mit den Elementen a, b, c ∈ A) so schreiben: € Eine Äquivalenzrelation ~ ist (i) reflexiv, d.h. es ist a ~ a für alle a ∈ A; (ii) symmetrisch, d.h. falls a ~ b €gilt, dann gilt auch b ~ a ; (iii) transitiv, d.h. falls a ~ b und b ~ c gilt, dann gilt auch a ~ c . München, 05.11.2010 19 Äquivalenzrelation TUM School of Education Technische Universität München Betrachten wir noch einmal die Reste bei Division durch 7: • • • • • 0, 7, 14, 21, 28, 35 und z.B. 77 lassen bei Division durch 7 den Rest 0; es gilt also 0 ~ 7 ~ 14 ~ 21 ~ 28 ~ ... ~ 77 ~ .... . 1, 8, 15, 22, 29, 36 und z.B. 78 lassen bei Division durch 7 den Rest 1; es gilt also 1 ~ 8 ~ 15 ~ 22 ~ 29 ~ ... ~ 78 ~ .... . .... .... 6, 13, 20, 27, 34, 41 und z.B. 146 lassen bei Division durch 7 den Rest 6; es gilt also 6 ~ 13 ~ 20 ~ 27 ~ 34 ~ ... ~ 146 ~ .... . München, 05.11.2010 20 Äquivalenzrelation TUM School of Education Technische Universität München Neuer Begriff: Die Elemente liegen jeweils in einer Äquivalenzklasse (und sind in Bezug auf die Äquivalenzrelation nicht zu unterscheiden). Wir definieren ... München, 05.11.2010 21 Äquivalenzrelation TUM School of Education Technische Universität München Definition (Äquivalenzklassen): Sei ~ eine Äquivalenzrelation auf einer Menge A und a ein Element aus A. Dann bilden alle Elemente b aus A mit a ~ b die Äquivalenzklasse von a. Schreibweise: Das Element a heißt Repräsentant der Äquivalenzklasse. Übrigens ist auch jedes Element b aus [a] ein Repräsentant der Äquivalenzklasse. Warum? München, 05.11.2010 22 Äquivalenzrelation TUM School of Education Technische Universität München Beispiele: (i) In Bezug auf die Division durch 7 ist [1] = {... -20, -13, -6, 1, 8, 15, ...} und [1] = [-27] = [36] = ... (ii) In Bezug auf die Division durch 7 ist [0] = {... -14, -7, 0, 7, 14, 21, 28, ...} und [0] = [-7] = [350] = ... Frage: Gibt es natürliche Zahlen, die in Bezug auf diese Relation in keiner Äquivalenzklasse liegen? Gibt es natürliche Zahlen, die in mehr als einer Äquivalenklasse liegen? München, 05.11.2010 23 Äquivalenzrelation München, 05.11.2010 TUM School of Education Technische Universität München 24 TUM School of Education Technische Universität München Äquivalenzrelation Sehen Sie den Bezug zur Vorlesung? = { 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6 } München, 05.11.2010 25 Äquivalenzrelation TUM School of Education Technische Universität München Beispiele: (iii) In Bezug auf die Division durch eine beliebige natürliche Zahl n ≠ 0 ist [0] = { ..., -3n, -2n, -n, 0, n, 2n, 3n, 4n, ... } und [0] = [-7] = [350] = ... (iv) In Bezug auf die Division durch eine beliebige natürliche Zahl n ≠ 0 ist [1] = { ..., -3n+1, -2n+1, -n+1, 1, n+1, 2n+1, 3n+1, ... } und [1] = [-5n+1] = [n+1] = ... Frage: Gibt es natürliche Zahlen, die in Bezug auf diese Relation in keiner Äquivalenzklasse liegen? Gibt es natürliche Zahlen, die in mehr als einer Äquivalenklasse liegen? München, 05.11.2010 26 Äquivalenzrelation TUM School of Education Technische Universität München Beispiele: Sei A die Mengen aller Geraden in der Ebene. Die Relation „ist parallel zu“ ist auf dieser Menge eine Äquivalenzrelation. Warum? Bestimmen Sie die Äquivalenzklassen. Frage: Gibt es Geraden in der Ebene, die in Bezug auf diese Relation in keiner Äquivalenzklasse liegen? Gibt es Geraden, die in mehr als einer Äquivalenklasse liegen? München, 05.11.2010 27 Äquivalenzrelation München, 05.11.2010 TUM School of Education Technische Universität München 28 Äquivalenzrelation TUM School of Education Technische Universität München Satz: Sei ~ eine Äquivalenzrelation auf einer Menge A. Dann sind die Äquivalenzklassen bezüglich ~ disjunkt und ihre Vereinigung ist die Menge A. Jedes Element a aus der Menge A liegt damit in genau einer Äquivalenzklasse. Die Äquivalenrelation bewirkt auf A eine Klasseneinteilung. München, 05.11.2010 29 Äquivalenzrelation München, 05.11.2010 TUM School of Education Technische Universität München 30 Äquivalenzrelation München, 05.11.2010 TUM School of Education Technische Universität München 31 TUM School of Education Technische Universität München „Klasseneinteilung“ !"#$%&$'()*$+&%','-'.&*/#01#*$#' ! ! !"#$$%&'& "#$""$#%"%! "&$""$#%"%! #=$""$#%"%! %H$"#$#%"%! "M$"#$#%"%! %M$%"$#%""! "Q$%"$#%""! #"$%"$#%""! #S$%"$#%""! %Q$%#$#%""! !"#$%&'(%#%%')*+,& !""#$ '()*+,-!.(/0,--! 12)-3,*4!5,-4(! 5,/3+,6!783)(92! 12,!>2((-2*! 12)!52?2*! 1IE,6!C)JJ0,--! '2*4+-,-4!5<3(B,I2*! '()*+,-!C+2*(02+2*! N,-+2(,!NG/9! 72B,6/+,-!>,(-242*! .-4*2,!OI;(! F,0)-,!L,(/2*! K3*+6/+-,!7/)JJ2(! 7+0)-2!C)((2?! 7I6,--2!>I/3! N)0+-+E!C)J0,--! DI(+,!FI;;,B2*! DI(+,!P(2B2*! 5,(/2!P24+-;! K3*+6/+,-2!L2+T! 7I6,--2!52/9;2*! 5,//3+,6!12+-+-;2*! D)-,/3,-!'I836! K3*+6/+-,!L2?2*0,--! .--+E,!5,+2*! !"#$$%&(& !(-#$%&'(.#%%')*+,& !""#$ 5,*/+-!:+(;2*! 7,-4*,!5<((2*! @3+(+AA!>*+2B(+-;! C,--26!'2*B2*! D,E)B!FG3*0)62*! K3*+6/+,-!L,(/2*! ',B+,-!5I-4/! 5,*EI6!O28E2*/! .-4*2,!P(2--2*! F,0)-,!P)683,*/9! 7I6,--2!P)((02+2*! K3*+6/)A3!OI662*! '()*+,-!1)30,+2*! @3+(+AA!5+((2*! R)B+,6!NG*+-;! 732+(,!7,B)8E! 7/2J,-!L,;-2*! ! 1,*6!.-42*62-UU! ! München, 05.11.2010 32 TUM School of Education Technische Universität München Übungsaufgaben 12.11.2010 Technische Universität München TUM School of Education Heinz Nixdorf-Stiftungslehrstuhl für Didaktik der Mathematik Prof. Dr. Kristina Reiss, Elisabeth Lorenz Ergänzungen zur Vorlesung Lineare Algebra I für Lehramt Gymnasium - Übungsblatt 1 Aufgabe 1 gilt. Aufgabe 2 München, 05.11.2010 Aufgabe 3 33 Aufgabe 2 Übungsaufgaben 12.11.2010 TUM School of Education Technische Universität München Aufgabe 3 Aufgabe 4 Die Aufgaben werden am 12.11.2010 in den Ergänzungen besprochen. Bitte überlegen Sie sich eine mögliche Lösung! München, 05.11.2010 34