Oktober 2010 Diagnostic Update Fallbericht Von Kollegen für Kollegen: Chronische Ehrlichiose Aus der Tierärztlichen Klinik Dr. Hagmayer & Fruth in Nürnberg. Vorbericht Der ca. 10 Jahre alte Hund Chucky wurde von seinem Besitzer erstmals im März 2010 in der Tierärztlichen Klinik Dr. Hagmayer und Fruth vorgestellt. Ursprünglich kam dieser Hund 2008 über eine Tierhilfeorganisation aus Portugal nach Deutschland. Schon damals wurde von einem Kollegen eine klinisch manifeste Ehrlichiose diagnostiziert. Chucky zeigte 2008 infolge der Ehrlichiose eine einseitige Uveitis mit einem postinflammatorischen Glaukom am linken Auge. Der Visus dieses Auges war verloren. Weiterhin bestanden eine geringgradige Anämie (Erythrozyten 5.68 T/l) und eine milde Thrombozytopenie (108 G/l). Der Hund wurde daraufhin vom Haustierarzt mit Doxycyclin behandelt. Ein Reisekrankheitenprofil wurde durchgeführt. Der Ehrlichia canis Antikörperspiegel betrug >1:800. Der Test auf Leishmanien-Antikörper war negativ. Weiterhin waren ein Hepatozoon canis Antigen-Test und ein Knott-Test auf Mikrofilarien negativ. Für Babesien wurde ein grenzwertiger Titer von 1:50 ermittelt. Bei einer Kontrolluntersuchung des Hundes 2009 wurde ein Ehrlichia canis Antikörpertiter von 1:2560 festgestellt, jedoch nicht erneut mit Doxycyclin behandelt. (Die Titerdifferenz kann nicht als eindeutiger Titeranstieg gewertet werden, da bei der Erstuntersuchung eine niedrigere Endtiterhöhe befundet wurde.) Klinische Untersuchung Bei der Untersuchung durch einen Augenspezialisten im März 2010 wurde eine Degeneration des Glaskörpers des linken Auges mit Visusverlust festgestellt. Es bestand ein Mikrophthalmus mit hochgradiger Hornhauttrübung. Am rechten Auge wurde eine beginnende Glaskörperdegeneration festgestellt. Chucky wurde zur weiteren Abklärung der Ehrlichiose an die Tierklinik überwiesen. Diagnostik Zum Zeitpunkt der Vorstellung in der Tierklinik wurde ein Geriatrisches Profil, ein Ehrlichia canis Antikörpertiter und eine Ehrlichia canis PCR angefordert. Ergebnisse Es bestanden keine Auffälligkeiten in der klinischen Chemie. Im Blutbild wurde eine leichte Leukozytopenie (4,7 G/l) und eine geringgradige Thrombozytopenie (144 G/l) nachgewiesen. Der Hämatokrit war mit 46 % im Normbereich. Der Ehrlichia canis Antikörpertiter betrug >1: 2560, die E. canis PCR war negativ. Aufgrund der beginnenden Uveitis am rechten Auge, des hohen Antikörpertiters und der Veränderungen im Blutbild wurde Chucky wieder mit Doxycyclin behandelt. Zur Therapie der Uveitis wurden alle 2 h Voltaren Augentropfen appliziert. Bei der Blutbildkontrolle nach 10 Tagen mittels des klinikseigenen Analysegerätes (IDEXX LaserCyte®) hatte sich der Leukozytenwert verbessert (7,03 T/l) und die Thrombozyten waren weiterhin subnormal mit 134 G/l. Nach 4 Wochen wurde das Doxycyclin abgesetzt, die Thrombozyten waren wieder im Normbereich (548 G/l) und auch die anderen Werte des Blutbildes waren unauffällig. Chucky ging es klinisch sehr gut und er wies eine erhöhte Leistungsbereitschaft auf. Weiterer Verlauf Diskussion Ende Mai wurde der Hund erneut zur Kontrolle vorgestellt. Chucky war müde und hatte erbrochen sowie vermehrt getrunken. Auf eine symptomatische Therapie der gastrointestinalen Symptome hatte der Hund gut angesprochen. Es wurde eine Kontrolle der Laborwerte eingeleitet. Der E. canis Antikörperspiegel war 1:2560. Das zusätzlich angeforderte Geriatrische Profil wies keine signifikanten Veränderungen auf. Aufgrund des weiterhin hohen Antikörperspiegels wurde dem Hund Imidocarb (Carbesia®) zweimalig im Abstand von 14 Tagen verabreicht. Zusätzlich wurde Chucky erneut mit Doxycyclin behandelt. Das rechte Auge ist heute wieder symptomfrei. Chucky ist aktiv und weist ein unauffälliges Blutbild auf. Chucky ist ein typischer Fall eines chronisch mit Ehrlichien infizierten Hundes, wie wir sie unter den aus dem Mittelmeerraum importierten Hunden häufig sehen. Neben dem dauerhaft erhöhten Antikörperspiegel werden oft subklinische Laborveränderungen festgestellt. Die immunkomplexvermittelten Veränderungen können jedoch schwere, zum Teil irreversible Schäden an Organen, wie in diesem Fall den Augen, hervorrufen. Verbreitungsgebiet von Ehrlichia canis Die Ehrlichiose Ehrlichia canis ist ein obligat intrazelluläres, gramnegatives Bakterium der Ordnung Rickettsiales. Die Erreger werden in Südeuropa durch Rhipicephalus sanguineus auf den Hund übertragen. Diese Zecken kommen weltweit in tropischen und subtropischen Regionen vor und sind in Europa im gesamten Mittelmeerraum heimisch. Durch Einschleppung der Zecken nach Deutschland kann es auch hier zu Infektionen kommen. Enzootische Manifestationen dieser Zecken sind für den Raum Heidelberg und Oberhessen beschrieben. Wenige importierte Zecken reichen aus, um die Infektion zu verbreiten, da sowohl eine trans- als auch eine intrastadielle Übertragung von E. canis stattfinden kann. Autochthone Infektionen mit E. canis wurden bereits vereinzelt in Deutschland dokumentiert. Die Inkubationszeit beträgt bis zu 3 Wochen. Das 2 – 4 Wochen andauernde akute Krankheitsbild ist meist durch eine milde unspezifische klinische Symptomatik gekennzeichnet. Lebensbedrohliche Krankheitsbilder können jedoch ebenfalls auftreten. Klinische Symptome sind Fieber, Anorexie, Gewichtsverlust, hämorrhagische Diathesen und Lymphadenopathien. Auch ZNS-Symptome wurden beschrieben. Untherapiert geht die Erkrankung häufig in ein mehrere Jahre andauerndes subklinisches Stadium über. Chronisch erkrankte Tiere fallen durch Apathie, Gewichtsverlust sowie evtl. subkutane Ödeme auf und zeigen häufig aufgrund der Thrombozytopenie spontane Blutungen (z. B. Epistaxis). Labordiagnostisch weisen die meisten Patienten eine polyklonale Hyperglobulinämie auf. Als Folge können Immunkomplexerkrankungen wie z. B. Glomerulonephritis, Uveitis, Retinaablösung und Polyarthritis auftreten. Auch eine Suppression des Knochenmarks mit Panzytopenie und sekundären Infekionen ist infolge einer chronischen Ehrlichiose möglich. Labordiagnostik Im akuten Stadium gelingt der Nachweis der Infektion am besten mittels PCR. Bereits 4 – 10 Tage p. i., bevor eine Serokonversion auftritt, kann im EDTA-Blut E. canis nachgewiesen werden. Die PCR ist sensitiver als der lichtmikroskopische Nachweis von Morulae in Leukozyten im Blutausstrich und wird vor allem im akuten Stadium der Erkrankung empfohlen, da in späteren Stadien der Erkankung keine Erreger im Blut nachzuweisen sind. Ein Nachweis kann dann aus Milz- oder Knochenmarksbioptaten mittels PCR geführt werden. Ein negatives Ergebnis schließt eine Infektion jedoch nicht sicher aus. Der direkte Nachweis im Blutausstrich ist meist nur während des akuten Krankheitsstadiums im Giemsa gefärbten Blutausstrich möglich, idealerweise aus Kapillarblut. Direktnachweise (PCR bzw. lichtmikroskopischer Nachweis) können auch aus Feinnadelaspiraten (Milz, Lunge, Lymphknoten und Knochenmark) durchgeführt werden. Am sensitivsten ist der Nachweis aus Lymphknotenaspiraten. Serologische Untersuchungsmethoden Der Nachweis von Ehrlichia canis Antikörpern ist in der Regel ab 14 Tagen p. i. möglich. Manche Hunde zeigen erst 28 d nach der Infektion eine Serokonversion. Ein 4-facher Titeranstieg innerhalb von 14 Tagen gilt als hinweisend für eine klinische Infektion. Da die Titer auch nach Therapie monatelang erhöht bleiben können, ist der positive Nachweis nicht gleichbedeutend mit einer klinisch manifesten Erkankung. Fälle wie Chucky, die aufgrund einer chronischen Infektion dauerhaft erhöhte Antikörpertiter aufweisen, sind häufig. Die Erreger Vektor Verbreitungsgebiet Erkrankung Symptomatik Laborwertveränderungen Bemerkung E. canis R. sanguineus D. variabilis Weltweit in tropischen und subtropischen Regionen, in Europa im gesamten Mittelmeerraum, in Deutschland kann auch mit Infektionen gerechnet werden Canine Monozytäre Ehrlichiose Fieber, Anorexie, Gewichtsverlust, hämorrhagische Diathese, ZNSSymptome, Lymphadenopathie Anämie (häufig nicht regenerativ), Leukopenie, deutliche Thrombozytopenie, Hyperglobulinämie, Panzytopenie, Proteinurie, mononukleäre Pleozytose Besondere Empfänglichkeit beim DSH E. chaffeensis Amblyomma USA, Asien spp. D. variabilis Haemophysalis spp. Ixodes spp. Humane Monozytäre Ehrlichiose kann gelegentlich auch Hunde infizieren Uveitis anterior, ThrombozytopeVomitus, nie, lymphozytäre Epistaxis, Pleozytose Erythema multiforme, Lymphadenopathie E. ewingii Granulozytäre Ehrlichiose Diagnostic Update Fallbericht Therapieempfehlungen Ausprägung der klinischen Symptome ist individuell unterschiedlich von klinisch unauffällig bis hin zu rezidivierenden und chronischen Veränderungen wie in diesem Fall. Häufig wird bei diesen chronisch infizierten Patienten kein signifikanter Titerabfall gesehen. Die Therapie der Wahl ist Doxycyclin 10 mg/kg KM 1x tägl. (oder auf 2 Gaben verteilt) für 4 Wochen p.o. Eventuell kann eine zusätzliche Therapie mit Imidocarb (6 mg/kg KM i.m., zweimal im Abstand von 14 Tagen) in Erwägung gezogen werden. Für die Therapiekontrolle werden kurzfristig die Besserung der klinischen Symptome und des Blutbildes herangezogen. Im akuten Stadium sprechen die Hunde innerhalb von Tagen auf die Therapie an. Mittelfristig sollten sich Verschiebungen im Gesamteiweiß (Hypoalbuminämie, Hyperglobulinämie) normalisieren. Auch ein Abfall von CRP kann einen Therapieerfolg dokumentieren. Eine Kontrolle des Antikörperspiegels ist (3 –) 6 Monate nach der Therapie sinnvoll. Erkrankte Tiere mit einer Erstinfektion können nach der Therapie einen signifikanten Titerabfall aufweisen. Tiere aus endemischen Gebieten sind häufig chronisch infiziert und weisen über lange Zeit hohe Antikörperspiegel trotz Therapie auf. Vor allem in der subklinischen und chronischen Phase gelingt trotz antibiotischer Therapie oft keine Erregerelimination. Für Welpen unter 5 Monaten wird die Therapie mit Chloramphenicol 15 – 25 mg/kg 3x täglich für 4 Wochen empfohlen. Für die Praxis steht mittlerweile ein Schnelltest als Screeningtest für Ehrlichien Antikörper zur Verfügung (SNAP® 4Dx®). Dieser Schnelltest kombiniert einen qualitativen Nachweis von Ehrlichien, Anaplasmen und Borrelien C6 Antikörpern mit einem Dirofilarien Antigentest. Ergänzende Laboruntersuchungen Häufige Laborveränderungen sind Anämie, Leukozytopenie, Thrombozytopenie oder Panzytopenie. In der klinischen Chemie ist in vielen Fällen eine Hyperproteinämie mit Hypoalbuminämie und Hyperglobulinämie sowie eine Erhöhung von Alkalischer Phosphatase (AP) und Alanin-Amino-Transferase (ALT) festzustellen. Auch das C-reaktive Protein (CRP) ist bei Hunden mit Ehrlichioseinfektion erhöht. Bei Hunden, die aus dem Mittelmeerraum importiert werden, ist es grundsätzlich wichtig, Koinfektionen mit anderen vektorübertragenen Erkrankungen abzuklären. © N. Pantchev, IDEXX Vet·Med·Labor Apfelgrüne Fluoreszenz der Ehrlichia canis-Morula in den Makrophagen im positiven IFAT (1000x) Vet Med Labor GmbH Division of IDEXX Laboratories IDEXX Vet•Med•Labor Mörikestr. 28/3 D – 71636 Ludwigsburg www.idexx.de Fachberatung Deutschland Tel: +49 (0)1802 8386 33 Fachberatung Österreich Tel: 0800 20 89 20 6 Cent pro Anruf aus dem dt. Festnetz Fax: +49 (0)7141 6483 555 D513-0810