GESUNDHEITSRATGEBER Bewegungsapparat & Rheuma verstehen Euro 4,95 6. Rheumatoide Arthritis erweite r Auflagete Knochenerosion Knorpel entzündete ­Gelenkinnenhaut Meniskus G IG UNA Rheumatoide Arthritis B H ÄN U tenExper üft gepr GIG B UNA HÄN Gesundes Gelenk verkleinerter Gelenkspalt • Früherkennung • Aktuelle Therapiemöglichkeiten • Von Betroffenen & Selbsthilfegruppen empfohlen N AB HÄNG IG Bewegungsapparat & Rheuma verstehen SEITE EDITORIAL 5, 7 LEBEN MIT RHEUMA8 ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN 20 HEUMATOIDE ARTHRITIS R (CHRONISCHE POLYARTHRITIS) 21 JUVENILE IDIOPATHISCHE ARTHRITIS (JIA) 27 MORBUS BECHTEREW (SPONDYLOARTHRITIS) 32 PSORIASIS-ARTHRITIS 38 GICHT 43 MEDIKAMENTÖSE THERAPIE 46 BIOSIMILARS: ERGÄNZUNG DER MEDIKAMENTÖSEN OPTIONEN 54 NICHT-MEDIKAMENTÖSE THERAPIE 56 REGELMÄSSIGE KONTROLLEN UND THERAPIEANPASSUNG62 2 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 INHALT SEITE VERSCHLEISSRHEUMATISMUS64 ARTHROSE 65 OSTEOPOROSE 71 WEICHTEILRHEUMATISMUS76 FIBROMYALGIE 77 POLYMYALGIA RHEUMATICA (PMR) 80 SLE83 SYSTEMISCHER LUPUS ERYTHEMATODES 84 SCHMERZ: URSACHE UND THERAPIE88 HILFE AUS DER APOTHEKE96 BEWEGUNG & SPORT108 IMPFUNGEN 112 SELBSTTESTS 95, 111 SELBSTHILFEGRUPPEN118 IMPRESSUM: Herausgeber und Medieninhaber: MedMedia Verlags- und Mediaservice GesmbH, 1070 Wien‚ Seidengasse 9 / Top 1.1. Projektleitung: Alexandra Hindler. Redaktion: Mag. Nicole Gerfertz. Layout und Grafik: creativedirector.cc lachmair gmbh. Lektorat: Mag. Andrea Crevato. Druck: Ferdinand Berger & Söhne GmbH, 3580 Horn. Fotos: shutterstock.com, fotolia.com Die gesetzliche Offenlegung gemäß § 25 MedienG finden Sie unter www.medmedia.at/home/impressum. Alle Texte in „Bewegungsapparat & Rheuma verstehen“ wurden nach bestem Wissen recherchiert. Irrtümer sind vorbehalten. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Verlag und Medieninhaber keine Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird jeweils nur die männliche Form der Bezeichnung von Personen ( z.B. der Patient ) verwendet, damit ist aber sowohl die weibliche als auch die männliche Form gemeint. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt, verwertet oder verbreitet werden. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 3 MITWIRKENDE WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT DIESER AUSGABE: Prim. Dr. Gabriele Eberl, MBA Ärztliche Direktorin des Klinikums Malcherhof Baden, Baden bei Wien Univ.-Prof. Dr. Winfried Graninger Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie, LKH-Universitätsklinikum Graz Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher Leiter der 2. Medizinischen Abteilung, SMZ-Süd, Wien Prim. Prof. Dr. Günter Höfle Leiter der Abteilung für Innere Medizin, LKH Hohenems MITWIRKENDE DIESER AUSGABE: Dr. Georg Rüdiger Barisani Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie Leiter der Abteilung für Unfallchirurgie, Sanatorium Hera, Wien Univ.-Prof. Dr. Hans Peter Dimai Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Knochen und Mineralstoffwechsel Vizerektor für Studium und Lehre Universitätsklinik für Innere Medizin, Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, Medizinische Universität Graz Univ.-Doz. Dr. Johann Gruber Universitätsklinik für Innere Medizin VI, Rheumatologie, Innsbruck Prim. Univ.-Prof. Dr. Burkhard Gustorff, DEAA Vorstand der Abteilungen für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin, Wilhelminenspital der Stadt Wien Univ.-Doz. Dr. Ursula Hollenstein Vorstand Reisemedizinisches Zentrum Traveldoc, Wien Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian Huemer Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, LKH Bregenz Prim. Priv.-Doz. Dr. Burkhard Leeb Vorstand der 2. Medizinischen Abteilung, Niederösterreichisches Kompetenzzentrum für ­Rheumatologie, Landesklinikum Stockerau Prim. Dr. Monika Mustak-Blagusz Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie SKA-RZ Gröbming, Pensionsversicherungsanstalt Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Quittan, MSc Vorstand des Instituts für Physikalische Medizin und ­Rehabilitation, SMZ-Süd und SMZ-Floridsdorf, Wien OÄ Dr. Andrea Studnicka-Benke Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Universitätsklinik für Innere Medizin III, Salzburg Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Trautinger Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten, ­Universitätsklinikum St. Pölten, Karl-Landsteiner-Universität für Gesundheitswissenschaften OÄ Dr. Maria-Christina Walter 2. Medizinische Abteilung, SMZ-Süd, Wien Wir danken allen Mitwirkenden und dem wissenschaftlichen Beirat für die Unterstützung und den Einsatz. Erstellt in Kooperation mit dem 4 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 EDITORIAL © Harald Eisenberger Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher, Wien Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Hiermit dürfen wir Ihnen bereits die 6. überarbeitete und aktualisierte Neuauflage des Patientenratgebers „Rheuma verstehen“ präsentieren. Wie auch in den früheren Auflagen wurden die Texte wieder gemeinsam von Experten und Medizinjournalisten erstellt. Sie finden in diesem Ratgeber umfassende Informationen zu den unterschiedlichen rheumatischen Erkrankungen. Diese wurden klar strukturiert und verständlich aufbereitet. Der bewährte „Frage-Antwort-Modus“ hilft Ihnen dabei, möglichst leicht genau jene Antworten zu finden, die für Sie wichtig sind. Betroffene können – so meine langjährige Erfahrung als Facharzt für Rheumatologie – sehr davon profitieren, mehr über ihre Erkrankung zu wissen. Dies gilt besonders bei chronischen Erkrankungen, beispielsweise in Bezug auf den alltäglichen Umgang mit der Krankheit etc. Wichtig dabei ist natürlich immer die Absprache mit den behandelnden Ärzten. Gemeinsames Ziel von Arzt und Patient ist es, die Lebensqualität des Betroffenen wieder herzustellen bzw. zu erhalten und Gelenkentzündungen rechtzeitig zu behandeln und so Gelenkzerstörungen zu verhindern. Dieser Ratgeber soll Ihnen daher auch eine Hilfestellung anbieten für die Gespräche mit Ihrem Arzt, damit Sie gemeinsam die für Sie am besten geeignete Therapie festlegen können. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und alles Gute für die Zukunft! Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 5 WERBEEINSCHALTUNGEN Entgeltliche Einschaltungen dieser Ausgabe: SEITE KWIZDA KRÄUTERGROSSHANDEL17 ATEIA SPF30 ALPIN GESICHTS- UND LIPPENSOFTGEL63 ALPINAMED® MOBILITÄTSKAPSELN FORTE99 DR. PEITHNER KG: ZEEL, SALBE UND TABLETTEN101 DR. BÖHM® TEUFELSKRALLE 600 MG FILMTABLETTEN 103 DOLO-MENTHONEURIN-GEL 104/105 MOBIFLEX® CLASSIC UND CARE120 6 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 EDITORIAL Mag. pharm. Dr. Christian Müller-Uri, Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Die Serie „Gesundheit verstehen“ erfreut sich bei den Apothekenkundinnen und -kunden großer Beliebtheit. So liegt der Ratgeber „Rheuma verstehen“ hiermit nun bereits in der 6. überarbeiteten und erweiterten Auflage vor. Zum ersten Mal wurde auch ein Kapitel zum Thema Impfungen hinzugefügt. Gerade chronisch kranke Menschen haben oftmals viele Fragen und sind auf der Suche nach zuverlässigen und kompetenten Informationen. Hier will der Gesundheitsratgeber „Rheuma verstehen“ leicht verständlich und jedenfalls auch wissenschaftlich fundiert Antworten zur Verfügung stellen. Der wissenschaftliche Beirat, mit dessen Unterstützung die Texte erarbeitet wurden, stellt sicher, dass die Inhalte auf dem neuesten Stand der Medizin sind. Es werden die wichtigsten Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, wie z.B. rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Morbus Bechterew, Gicht sowie Arthrose und Osteoporose, umfassend und übersichtlich erläutert. Neben Therapieoptionen enthält dieser Ratgeber auch Tipps für den Umgang mit der Erkrankung. Ein eigenes Kapitel „Hilfe aus der Apotheke“ bietet einen Überblick über das unterstützende Angebot, das die Apothekerinnen und Apotheker für Sie bereithalten. Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre! Mag. pharm. Dr. Christian Müller-Uri, Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 7 LEBEN MIT RHEUMA Früherkennung ist bei rheumatischen Erkrankungen von großer Bedeutung, um entsprechend behandeln zu können. Denn mit einer konsequenten Therapie sind die Erkrankungen gut in den Griff zu bekommen! Leben mit Rheuma Rheuma – was ist das eigentlich? Der Begriff „Rheuma“ kann übersetzt werden mit „Schmerzen im Bewegungsapparat“. Unter diesem Begriff fasst man alle Schmerzen und Funktionsstörungen am Bewegungsapparat (dazu gehören Knochen, Gelenke und Muskeln) zusammen. „Rheuma“ dient daher als Oberbegriff für rund 400 Erkrankungen, hinter denen sich eine unendliche Vielzahl an Beschwerden und Ursachen verbirgt. Ist Rheuma eine seltene Erkrankung? Im Gegenteil: Jeder Dritte ist im Laufe seines Lebens von einer rheumatischen Erkrankung betroffen. Früherkennung, d.h. frühzeitige Diagnose, ist dabei besonders wichtig. Heilt Rheuma von alleine wieder? Leider nein! Daher sollten Sie gleich beim Auftreten der ersten Warnsignale (Gelenkschmerzen und -schwellungen, Morgensteifigkeit etc.; siehe Kasten, S. 11) einen Arzt aufsuchen, damit frühzeitig eine entsprechende Therapie eingeleitet werden kann. Doch viele Betroffene setzen sich erst zu spät mit der Möglichkeit, an Rheuma erkrankt zu sein, auseinander. Für die Gesunderhaltung der Gelenke ist es wertvolle Zeit, die hier verstreicht! Für alle rheumatischen Krankheitsbilder gilt: Wer einmal daran erkrankt ist, braucht oft eine Therapie auf Dauer. Insbesondere der Entzündungsrheumatismus schreitet, wird er nicht entsprechend behandelt, in jedem Fall fort. Dies führt zu Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates und irreversiblen (nicht umkehrbaren) Gelenkzerstörungen. Es dro- hen Behinderungen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. Neben den Schmerzen bringt die Erkrankung für die Betroffenen auch eine massive seelische Belastung mit sich. Ist Rheuma eine „Alte-Leute-­ Krankheit“? Nein! Rheuma ist nicht zwangsläufig an ein hohes Lebensalter gekoppelt. Zum Beispiel: • Der typische Patient, der an einer chronischen entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung (z.B. rheumatoide Arthritis) leidet, ist oft um die 40 Jahre jung und weiblich. • Patienten, die an Fibromyalgie erkranken, sind im Durchschnitt 35 Jahre alt. • Morbus Bechterew, eine weitere entzündliche rheumatoide Erkrankung, tritt mit seinen ersten Symptomen um das 23. Lebensjahr auf. • Auch Arthrose ist nicht zwangsläufig eine Alterserscheinung. Welche Erkrankungen gehören zu „Rheuma“? Die diversen rheumatischen Erkrankungen werden entsprechend ihren Ursachen in verschiedene Gruppen eingeteilt („rheumatischer Formenkreis“). Eine Übersicht über Symptome und Therapie finden Sie auf Seite 18/19. 1. Entzündungsrheumatismus: entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung, z.B. rheumatoide Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis, Psoriasis-Arthritis 2. Abnutzungsrheumatismus: degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenveränderung, z.B. Arthrose Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 9 Leben mit Rheuma 3. Weichteilrheumatismus: auch als extraartikulärer Rheumatismus bezeichnet, das bedeutet „außerhalb der Gelenkkapsel eines Gelenks gelegen“, z.B. Fibromyalgie. Auch Erkrankungen aufgrund von Abnützung und Überlastung von Sehnen oder Schleimbeuteln bei lokalen Schmerzen in nur einem Gelenk werden dazu gezählt, z.B. Kalkschulter. 4. Stoffwechselbedingte Gelenkerkrankungen, z.B. Gicht 5. Autoimmunerkrankungen/Kollagenosen: Das Immunsystem führt zu Entzündungen im Körper (Gelenkschwellungen, Entzündungen der Nieren, der Lunge usw.) Was passiert bei den verschiedenen rheumatischen Erkrankungen? Beim Entzündungsrheumatismus kommt es in unterschiedlichen Gelenken des Körpers zu immer wiederkehrenden oder ständig bestehenden (chronischen) Entzündungen eines Gelenks (Monarthritis), einiger (Oligoarthritis) oder mehrerer Gelenke (Polyarthritis). Der Grund liegt in einer überschießenden Reaktion des Immunsystems, das sich gegen den eigenen Körper richtet. Daher spricht man auch von einer Autoimmunerkrankung. Häufigkeit von rheumatoider Arthritis in Österreich: 70.000–80.000 Menschen. Beim Abnutzungsrheuma nutzt sich der Gelenkknorpel ab und der darunter liegende Knochen verändert sich. Dies kann so weit gehen, dass die Knochen aneinander reiben. Es kann dabei auch zu einer Entzündung der Gelenkinnenhaut kommen, Schwellungen sind die Folge. Häufigkeit: rund 1,3 Mio. Arthrose-Erkrankte in Österreich 10 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Gelenkentzündungen, -schwellungen und -schmerzen sind typisch für rheumatische Erkrankungen. Unter Weichteilrheumatismus werden Erkrankungen der Sehnen, Sehnenscheiden, Muskeln, Bänder und Schleimbeutel, die örtlich eingegrenzt werden können, verstanden. Eine Sonderform stellt die Fibromyalgie (chronisch weit verteilter Schmerz) dar. Häufigkeit: ca. 5% der Bevölkerung. Zu den stoffwechselbedingten rheumatischen Erkrankungen zählt beispielsweise Gicht. Dabei kommt es zu einer Ablagerung von Harnsäurekristallen in den Gelenken. Welche Beschwerden deuten auf Rheuma hin? Die ersten Beschwerden werden von Betroffenen oft als diffus und schwer zuordenbar dargestellt. Meist denken sie, sie hätten nur wieder schlecht gelegen oder ihren Körper überanstrengt. Wie sich nach mitunter monatelangen Schmerzen Leben mit Rheuma herausstellt, waren dies jedoch die Vorboten einer rheumatischen Erkrankung. Wichtiger Hinweis: Gerade bei rheumatischen Erkrankungen gilt: Je früher diagnostiziert und mit einer entsprechenden Therapie begonnen wird, desto besser sind die Behandlungserfolge! So können Sie bleibende Schäden verhindern. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Immunsystem und Rheuma? Unser Immunsystem ist dafür verantwortlich, Fremdkörper inklusive Bakterien, die in unseren Körper eindringen, wirksam auszuschalten. Bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen kommt es jedoch zu einer Störung des Immunsystems: Es kann nicht mehr exakt zwischen fremden und eigenen Substanzen unterscheiden. Daher greift der Körper seine eigenen Strukturen, wie beispielsweise bei der rheumatoiden Arthritis die Gelenk­ innenhaut, an. Die Folge: Das betroffene Gelenk schwillt an, wird unter Umständen warm und es kommt zu Auswirkungen auf den ganzen Körper. Man spricht daher von einer entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung. Die Gelenkveränderungen bei Arthrosen sind überwiegend nicht entzündlich bedingt. Hier ist das Immunsystem nicht beteiligt. Entzündungsrheumatismus – was sind die Ursachen? Ein eindeutiger Auslöser für die Fehlfunktion des Immunsystems bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen konnte bisher noch nicht gefunden werden. In einigen Fällen wurden jedoch familiäre und geschlechtsspezifische Häufungen festgestellt. Der Einfluss von Erbfaktoren ist bewiesen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die jeweilige rheumatische Erkran- Mögliche erste Symptome – bitte ärztlich abklären lassen! 1. G elenkschmerzen und -schwellung ohne nachvollziehbaren Grund, Nachtschweiß, Müdigkeit, Morgensteifigkeit; häufig sind zunächst Finger und Zehen betroffen, später auch die großen Gelenke; oftmals symmetrische Schwellungen der gleichen Gelenke auf beiden Körperseiten: Verdacht einer chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankung 2. S chmerzen, die am Beginn einer körperlichen Tätigkeit auftreten und nach kurzer Zeit der Bewegung wieder nachlassen („Anlaufschmerzen“) sowie ein Gefühl der Spannung in den Gelenk­ en vor allem bei Wetterumschwung zu nasskalten Perioden: Verdacht auf Abnützung (degenerative Erkrankung) 3. S chmerzen in bestimmten Muskeln, Sehnen und Gelenken; die Schmerzattacken können auch einmal diese, einmal jene Körperregion betreffen: Verdacht auf Weichteilrheumatismus („wandernder Rheumatismus“) 4. S chmerz, Druckempfindlichkeit und Schwellung von Gelenken über Nacht; mitunter kurz vor dem Anfall intensiver Alkoholkonsum: Verdacht auf Gicht Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 11 Leben mit Rheuma kung eine Erbkrankheit ist. Es besteht bei Kindern von Entzündungsrheumatikern eine nur gering erhöhte Wahrscheinlichkeit, eine rheumatische Entzündungserkrankung zu entwickeln. Kann eine anderweitige Entzündung schuld an Arthritis sein? Grundsätzlich ja. Hier muss jedoch klar unterschieden werden: Bei der bakteriellen Arthritis kann beispielsweise eine Infektion eine bakterielle Gelenkeiterung hervorrufen – nachweisbar in der Gelenkflüssigkeit. Diese Akuterkrankung lässt sich in der Regel mit Antibiotika und Gelenkspülungen gut sanieren. Davon zu unterscheiden ist die reaktive Arthritis, bei der eine Infektion anderer Organe (Harntrakt, Atemwege, Darm) als Auslöser für eine Gelenkentzündung verantwortlich ist. Dabei können in den betroffenen Gelenken selbst keine Keime festgestellt werden, sehr wohl aber im Harn oder in einer Stuhlprobe. Welche Ursachen hat Verschleiß­ rheumatismus? Zu den Ursachen für degenerative Erkrankungen gehören u.a. Gelenkfehlstellungen, Überlastung der Gelenke durch Beruf, Übergewicht oder Leistungssport. Was ist eine Anamnese und wozu dient sie? Unter Anamnese versteht man die individuelle Krankheitsgeschichte eines Menschen. Diese liefert Hinweise für eine richtige Diagnose (Krankheitsbezeichnung). Sinnvoll ist es, wenn der Betroffene schon vor dem ersten Arztbesuch die 12 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 drei so genannten „W“-Fragen für sich beantwortet (siehe Kasten). Zu wem gehe ich, wenn ich ­Gelenkschmerzen habe? • Allgemeinmediziner/praktischer Arzt („Hausarzt“): Er ist die erste Anlaufstelle. Der Allgemeinmediziner leitet seine Patienten bei Bedarf an einen Facharzt weiter. Deuten die Untersuchungsergebnisse auf eine rheumatische Erkrankung hin, wird er den Patienten im Sinne der optimalen Betreuung einem Rheumatologen zuweisen. • Orthopäde: Fachärzte, die einerseits chirurgische Operationen durchführen, andererseits mittels Spritzen (Infiltrationen, Injektionen) und Manualtherapie (sog. konservative Orthopädie) die Schmerzen behandeln, aber auch Fehlhaltungen korrigieren. Orthopäden können die Zusatzspezialisierung für Rheumatologie haben. • Rheumatologe: Facharzt für Innere Medizin mit einer dreijährigen Zusatzausbildung im Bereich der Rheumatologie Zur Vorbereitung auf den ­Arztbesuch: die 3 „W“-Fragen • Wann – zu welcher Tageszeit, bei welchem Wetter tritt der Schmerz auf? • Wo – an welchen Gelenken tritt der Schmerz/die Schwellung auf? • Wie – kann man eine Schwellung bemerken, wird das Gelenk warm, ist es am Morgen steif etc.? Leben mit Rheuma Bei rheumatoider Arthritis machen sich die Beschwerden oft zuerst an den Fingergelenken bemerkbar. und Immunologie. Er hat spezielle Kenntnisse in der Diagnose und Therapie von Patienten mit entzündlichen und degenerativen Skelett-, Weichteil- und Autoimmunerkrankungen. Rheumatologen sind dafür ausgebildet, gezielte körperliche, laborchemische und radiologische Untersuchungen durchzuführen oder zu veranlassen. Darauf aufbauend erstellen sie einen Befund und besprechen geeignete Behandlungsformen und Maßnahmen mit dem Patienten. Wie geht der Diagnoseablauf vor sich? Die erste Anlaufstelle ist, wie bereits erwähnt, in der Regel der praktische Arzt. Dieser wird die Krankengeschichte aufnehmen und den Patienten, falls der Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung besteht, in ein Labor zu einem Blutbe- fund und zum Röntgen schicken. Erhärtet sich der Verdacht durch die Laborwerte und den Röntgenbefund, soll der Patient an einen Rheumatologen weitergeleitet werden, damit umgehend mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden kann. Sind die Laborergebnisse nicht aussagekräftig genug, um eine klare Entscheidung zu treffen – was zu 80% in einem frühen Stadium der Fall ist –, bestehen aber weiterhin Gelenkschmerzen, müssen genauere Untersuchungen, welche die Entzündungen darstellen können (z.B. Magnetresonanztomografie mit Kontrastmittel, hochauflösender Gelenk­ ultraschall), durchgeführt werden. „Moderne Rheumatherapie“ – was heißt das? Wichtigstes Element der Therapie ist die Übereinkunft zwischen Arzt und Patient Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 13 Leben mit Rheuma über die Ziele der Behandlung. Der Betroffene muss sich von seinem behandelnden Arzt verstanden fühlen. Das Therapiekonzept soll maßgeschneidert sein. Die Auswahl der Medikation richtet sich nach Ursache und Verlauf der rheumatischen Erkrankung. In einem ersten Schritt ist es wesentlich, die Schmerzen des Betroffenen in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig kann man heute das Fortschreiten der Erkrankung verzögern, im besten Fall sogar stoppen. Ziel einer rechtzeitigen und richtigen Therapie ist es, die Gelenkzerstörung zu verhindern und die Gelenkfunktionen zu erhalten. Wird nicht oder nur unzureichend behandelt, bedeutet das für den Patienten ein Leben mit Schmerzen und fortschreitender körperlicher Behinderung. Welche Rolle spielt die Psyche? Für die Betroffenen bringt die Erkrankung eine starke psychische Belastung mit sich, da es sich um eine chronische – oft lebenslange – Erkrankung handelt. Viel Selbstdisziplin ist für die oft jahrelange medikamentöse Therapie vonnö- Entspannungstechniken können helfen, mit der Belastung einer chronischen Rheumaerkrankung umzugehen. 14 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 ten. Schmerz- und Stressmanagement spielen eine wichtige Rolle. Psychologische Hilfe – vom Stresstraining über autogenes Training bis zur Verhaltenstherapie – kann sich vorteilhaft auf den Krankheitsverlauf auswirken. Warum gelten so viele Menschen mit Rheuma als „nicht therapiert“? In Österreich ist die Versorgung mit den entsprechenden Medikamenten, Physiotherapien und anderen Hilfestellungen sehr gut bis ausgezeichnet. Das Problem ist an anderer Stelle zu suchen: Jeder zweite Rheumatiker war mit seinen Beschwerden noch nie beim Arzt! Die Betroffenen ordnen ihre Beschwerden oft erst spät einer rheumatischen Erkrankung zu. Somit kann der Allgemeinmediziner die Zuweisung zu einer Laboruntersuchung oder zu einem Rheumatologen gar nicht veranlassen. Gibt es bei rheumatischen ­Erkrankungen geschlechtsspezifische Unterschiede? Ja. Frauen sind insgesamt häufiger von rheumatischen Erkrankungen betroffen. Hier ein Überblick über den Anteil Frauen – Männer bei den verschiedenen rheumatischen Erkrankungen: • Rheumatoide Arthritis (RA): Frauen erkranken zwei- bis dreimal häufiger an RA als Männer. Einen maßgeblichen Einfluss dürften Hormone haben. • Systemischer Lupus erythematodes (SLE): Der SLE findet sich bei etwa 1 Promille der Bevölkerung und tritt zehnmal häufiger bei Frauen auf als bei Männern. Abgesehen von genetischen Faktoren spielen auch hier hormonelle Leben mit Rheuma Faktoren bei der Entstehung der Erkrankung eine große Rolle. • Fibromyalgie: Auch diese Erkrankung betrifft Frauen etwa sechsmal häufiger als Männer. • Morbus Bechterew: Diese Erkrankung betrifft Männer gleichermaßen wie Frauen. Allerdings verläuft Morbus Bechterew bei Frauen meist deutlich milder als bei Männern. Können auch Kinder an Rheuma erkranken? Ja. Diese Form von Rheuma nennt man „juvenile idiopathische Arthritis“ (JIA). Sie ist eine Autoimmunerkrankung und kann vom Säugling bis zum Jugendlichen jeden treffen. Die Ursachen für die Fehlreaktion des Immunsystems sind bisher nicht gänzlich geklärt. Ist von einer Schwangerschaft bei Rheuma abzuraten? Eine Schwangerschaft ist prinzipiell möglich, allerdings sollte sie nur in Phasen niedriger bis keiner Krankheitsaktivität und in Absprache mit dem behandelnden Arzt geplant werden. Eine erhöhte Krankheitsaktivität der Mutter bedeutet unabhängig von der genauen Diagnose der rheumatischen Erkrankung ein geringgradig erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt, Frühgeburtlichkeit und Wachstumsstörungen des Kindes. Vorsicht: Viele Medikamente müssen rechtzeitig vor einer geplanten Schwangerschaft pausiert werden! Verändert sich die Krankheitsaktivität in bzw. nach der Schwangerschaft? Bei der Mutter hängt die Prognose von Für RheumaBetroffene gilt: Schwangerschaften immer vorab mit einem Arzt besprechen! der genauen Diagnose ab: So ist bei rheumatoider Arthritis und Morbus Bechterew eine Verbesserung der Krankheitsaktivität während der Schwangerschaft zu erwarten. Allerdings kann es bei einem Drittel der Patientinnen zu einer Zunahme der Krankheitsaktivität kommen. Die verminderte Krankheitsaktivität wird auf die veränderte Immunsituation in der Schwangerschaft, sozusagen das „ToleBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 15 Leben mit Rheuma Rheuma und Schwangerschaft – Hinweise für die werdende Mutter: • Neben der üblichen Schwangerschaftsvorsorge sollten engmaschige rheumatologische Kontrollen erfolgen. • Sinnvoll ist es, wenn sich die behandelnden Fachärzte (Rheumatologen, Gynäkologen sowie evtl. Kinderärzte) untereinander besprechen, um gemeinsam mit der schwangeren Patientin die beste Vorgehensweise zu wählen. rieren eines Fremden“, zurückgeführt. Bei Kollagenosen, wie z.B. systemischem Lupus erythematodes, ist eine Verschlechterung möglich, vor allem bei Mitbeteiligung der Nieren. Daher erfolgt eine Zusammenarbeit mit Organspezialisten (z.B. für Nephrologie = Nierenkrankheiten; Dermatologie = Hauterkrankungen; Neurologie = chronische Nervenentzündungen). Was bedeutet eine Schwangerschaft für die Einnahme von Medikamenten? Im Beipacktext findet sich bei fast allen Medikamenten der Hinweis: Nicht in der Schwangerschaft einnehmen! Dies bezieht sich darauf, dass kein Medikament bei Schwangeren auf Unbedenklichkeit getestet wurde. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass einzelne Medikamente in der Schwangerschaft durchaus eingenommen werden können. Hier ist aber in jedem Fall Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zu halten! 16 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Hinweis für männliche Rheumapatienten: Das Thema Medikamente betrifft nicht nur Frauen. Auch Männer mit einer rheumatischen Erkrankung sollten bei Kinderwunsch ihre Medikation nicht einfach absetzen, sondern das Thema ebenfalls mit ihrem behandelnden Arzt besprechen. Können während der Schwangerschaft Komplikationen auftreten? Ja, gerade deshalb ist die regelmäßige Rücksprache mit den behandelnden Ärzten so wichtig! Bei sich abzeichnenden Problemen empfiehlt sich die Kontrolle an einer Risikoambulanz. In der Regel verlaufen Schwangerschaft und Geburt problemlos. Oft kommt es jedoch nach der Geburt zu einem Rheumaschub. Dies sollte im Rahmen der Vorbereitung besprochen werden, um dann rasch eine geeignete Therapie beginnen zu können. Neigt mein Kind wahrscheinlich auch zu Rheuma? Die angeborene (vererbte, genetische) Neigung, Rheuma zu bekommen, gibt es. Studien bei eineiigen Zwillingen haben jedoch gezeigt, dass sie nur zu einem geringen Teil am tatsächlichen Ausbruch der Erkrankung beteiligt ist. Zusammenfassend kann man sagen: Eine Schwangerschaft ist ein wunderbares Ereignis. Frauen, die an einer rheumatischen Erkrankung leiden, wird die Planung gemeinsam mit dem behandelnden Rheumatologen empfohlen, damit die Zeit, die so wichtig für Mutter und Kind ist, auch weitgehend sorgenfrei verlaufen kann. Leben mit Rheuma Übersicht Symptome 1. Chronisch-entzündliche Erkrankungen a. Rheumatoide Arthritis, RA (= CP; chronische Polyarthritis) Gelenkschmerzen oder -schwellung, Druckschmerz, Morgensteifigkeit von mindestens einer halben Stunde b. Juvenile idiopathische Arthritis (= JIA) Schmerzen/Schwellung, Überwärmung der Gelenke, Morgensteifigkeit, Müdigkeit, Weinerlichkeit c. M orbus Bechterew tief sitzende Kreuzschmerzen, morgendliche Steifigkeit der Wirbelsäule, Brustkorb- oder Rückenschmerzen, Hüftschmerzen in der Leiste, Versteifung der Wirbelsäule d. Psoriasis-Arthritis (= PsA; Schuppenflechte mit Gelenkerkrankung) strahlenförmige Entzündung der Gelenke von Händen und Zehen, damit einhergehende Hautprobleme, Sehnenansatzentzündung mit ­Schwellung 2. Nicht-entzündliche rheumatische Erkrankungen a. Arthrose (= Abnutzungserkrankung der Gelenke) Schmerzen bei Beginn einer Bewegung, ­Bewegungseinschränkungen, Muskelverspannungen, Gelenkverformungen b. Fibromyalgie (= eine Form des „Weichteilrheumatismus“) großflächige Schmerzen von Kopf bis Fuß, Schlafoder Angststörungen, chronische Müdigkeit, ­Depressionen, u.U. Schwellungsgefühle in Händen, Füßen und Gesicht, Kälteempfindlichkeit 18 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Leben mit Rheuma Therapie – medikamentös Therapie – nicht-medikamentös Seite NSAR (= nicht-steroidale Antirheumatika), Basistherapeutika (z.B. Methotrexat, Sulfasalazin, Leflunomid), Kortison, Biologika (TNF-alpha-Blocker, Interleukin1-Rezeptor-Blocker, T-Zell-Hemmer, B-Zell-Antikörper, Interleukin-6-RezeptorBlocker) Heilgymnastik, Ergotherapie, Thermotherapie, Elektrotherapie, Ultraschall 21 NSAR, Kortison, Basistherapeutika (Methotrexat), TNF-alpha-Blocker, Interleukin-6-Rezeptor-Blocker, T-Zell-Hemmer Physiotherapie, Ergotherapie, gelenk­ schonende Sportarten 27 NSAR, TNF-alpha-Blocker tägliche Gymnastik, Wärme-, Kältetherapie, Massagen 32 NSAR, Kortison bei Schüben, Basistherapeutika, Phosphodiesterase-Hemmer, TNF-alpha-Blocker, Interleukin-12/23Blocker Physiotherapie 38 Rheumasalben/-gels, NSAR (= nichtsteroidale Antirheumatika), Kortison bei aktivierter Arthrose (in die Gelenke gespritzt), evtl. Hyaluronsäure ausreichend Bewegung, Gelenkschutz (z.B. durch Hilfsmittel), Abbau von Übergewicht, Ergo-, Wärme- und Kältetherapie, Elektrotherapie, Aquatraining, Alltagshilfen (Stöcke oder festes Schuhwerk) 65 Antidepressiva, Analgetika (Schmerzmedikamente), muskelentspannende Präparate, Substanzen gegen neuropathische Schmerzen psychologische Betreuung, Bewegungs-/­ Trainingstherapie 77 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 19 ENTZÜNDLICHRHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN Die rheumatoide Arthritis ist die häufigste und bekannteste der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. 20 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 RHEUMATOIDE ARTHRITIS (CHRONISCHE POLYARTHRITIS) Blick: Auf einen ritis oide Arth Rheumat dlich- gste entzün • ist die häufi rkrankung E rheumatische bweise • verläuft schu wellungen ündlichen Sch tz en it m t eh • g enhaut einher der Gelenkinn ie ingt so früh w • sollte unbed elt werden, um d möglich behan en zu verhindern ng ru ö st er Gelenkz tika gut asistherapeu • kann mit B den behandelt wer Was ist rheumatoide Arthritis? Rheumatoide Arthritis (kurz: RA) oder auch chronische Polyarthritis (kurz: CP) ist eine Form der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Sie verläuft oftmals schubweise. Charakteristisch sind entzündliche Schwellungen der Gelenk­ innenhaut und der gelenknahen Struk­ turen (z.B. Schleimbeutel). Wer ist betroffen? Die rheumatoide Arthritis betrifft Frauen dreimal häufiger als Männer, mit einem Altersgipfel zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. In Österreich leiden rund 70.000–80.000 Menschen an rheumatoider Arthritis. Jährlich gibt es zwischen 2.400 und 4.800 Neuerkrankungen. Welche Auslöser gibt es? Nach derzeitigem Erkenntnisstand sind keine einzelnen Auslöser für den Ausbruch von RA verantwortlich, sondern ein Zusammenspiel von erblicher Veranlagung und äußeren Faktoren. Dies kann zu einer Fehlleistung des Immunsystems führen. Das heißt, die Abwehrkräfte richten sich gegen den eigenen Körper, in diesem Fall gegen die Gelenke. In den letzten Jahren ist man zu der Erkenntnis gelangt, dass in Tiermodellen Viren am Ausbruch der Erkrankung beteiligt sein dürften. Allerdings gibt es dazu beim Menschen bisher noch keine beweisenden Untersuchungsergebnisse, sodass eine ursächliche Behandlung derzeit noch nicht existiert. Was passiert bei RA im Körper? Normalerweise produziert die Gelenk­ innenhaut (= Membrana synovialis) die Gelenkschmiere. Diese ist für reibungsarme Bewegungen des Gelenks verantwortlich und versorgt das Knorpelgewebe. Bei RA kommt es durch das überschießende Immunsystem zu einer Entzündung dieser Gelenkinnenhaut. Schlüsselrolle in dieser Entzündungskaskade spielen die so genannten proinflammatorischen (entzündungsfördernden) Zytokine. Das sind Proteine und Botenstoffe, die im Immunsystem die körpereigene Abwehr steigern und Entzündungen verursachen oder verstärken. Zu den bekanntesten proinflam­ matorischen Zytokinen gehören beispielsBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 21 Rheumatoide Arthritis weise TNF-alpha (Tumor-Nekrose-Faktor alpha), Interleukin-1 und Interleukin-6. Unter dem Einfluss dieser proinflammatorischen Zytokine kommt es nun zu einer erhöhten Produktion von entzündlich veränderter Gelenkschmiere. Daraus resultieren schmerzhafte Schwellungen der Gelenke und unter Umständen eine Ergussbildung. Später wächst die Gelenkinnenhaut wie ein gutartiger Tumor in das Gelenk hinein. Knorpelgewebe und auch der darunter liegende Knochen werden angegriffen und das Gelenk verformt sich. Woran merke ich, dass ich RA habe? Die RA zeigt sich individuell unterschiedlich, sie kann plötzlich ausbrechen oder sich schleichend durch unspezifischere Symptome ankündigen. Am häufigsten ist die klassische Verlaufsform: • Gelenkschmerzen oder -schwellungen, wovon zunächst meist symmetrisch die Fingergrund- und -mittelgelenke betroffen sind, im höheren Lebensalter auch größere Gelenke • Schwellung, Überwärmung und Druckschmerzhaftigkeit mehrerer Gelenke • schmerzhafte Bewegungseinschrän­ kungen • uncharakteristische Vorboten wie Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, starkes Schwitzen, erhöhte Temperatur und Abgeschlagenheit • Morgensteifigkeit (mindestens eine Stunde lang), die das Anziehen und Waschen erschwert; die Symptome verschwinden je nach Schwere und Aktivität der Erkrankung im Laufe des Tages. • nach Jahren: Auftreten von Rheumaknoten (= derbe Knötchen unter der Haut, oft an der Streckseite der Ellbogengelenke) 22 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Kennzeichnend für RA: Entzündungen der Gelenke Was passiert, wenn keine Therapie eingeleitet wird? Wird das fehlgesteuerte Immunsystem nicht eingebremst, schreitet die Zerstörung der Gelenke innerhalb weniger Monate und Jahre unaufhaltsam voran. Entzündungen bilden sich teilweise nach Wochen zurück, um dann schubweise wieder aufzutreten und dabei die Gelenkstrukturen weiter anzugreifen. Da es sich bei der rheumatoiden Arthritis um eine Systemerkrankung handelt, ist bei längerer Krankheitsdauer auch ein entzündlicher Befall innerer Organe möglich, z.B. an den Gefäßen sowie Herz, Nieren und Lunge. Die Krankheit birgt per se ein gesteigertes Infektionsrisiko. Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit, an Lymphdrüsenkrebs zu erkranken, erhöht. Mit fortschreitender Gelenkzerstörung kann die Krankheit durch Gelenkversteifungen und Gelenkdeformationen bis zur Invalidität führen. Was kann einen Schub auslösen? Einhellige Meinung herrscht darüber, dass psychische Aspekte oft eine Rolle Rheumatoide Arthritis spielen. Denn Stress, Sorgen und ungelöste Probleme können das Immunsystem beeinflussen. Für einen an RA Erkrankten kann dies einen neuen Schub zur Folge haben. Bemerkbar für den Betroffenen macht sich ein Schub durch die Zunahme der Gelenkschmerzen und -schwellungen, vermehrte Abgeschlagenheit und deutlich stärkere Bewegungs- und/oder Ruheschmerzen. Wie erfolgt die Diagnose? Zunächst erhebt der Arzt die Anamnese (= Krankengeschichte) durch Befragung des Patienten und führt eine klinische Untersuchung durch – idealerweise einschließlich der Erfassung des so genannten „Rheumastatus“. Besteht danach der Verdacht auf RA, erfolgt die Diagnoseabsicherung mittels bildgebender Verfahren sowie Laboruntersuchungen. Wenn die Befunde vorliegen und der Verdacht bestätigt wurde, sollte der Patient unbedingt zur Beratung und optimalen Therapieeinstellung einen Rheumatologen aufsuchen. Was zeigen die Befunde? Laborbefunde allein liefern keinen eindeutig gesicherten Beweis für das Vorliegen einer RA. Ergänzend zum klinischen Befund (= Schmerzen des Patienten und Schwellungen der Gelenke) sind sie aber oft bestätigend. Weiters sind sie bei vorliegender Diagnose nützlich, um die Aktivität der Krankheit zu beurteilen. Die Blutwerte zeigen bei einer Entzündung häufig eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit und ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP). Der Wert der Blutsenkung und des CRP gibt jedoch lediglich an, dass eine Entzündung im Körper vorliegt, enthält aber keine Aussage darüber, ob es sich um eine Entzündung der Gelenke handelt und damit tatsächlich eine RA vorliegt. Was sind Rheumafaktoren? Rheumafaktoren (RF) sind körpereigene Abwehrstoffe, die sich an die eigenen Immunglobuline (= Antikörper) binden, die also gegen ihresgleichen gerichtet sind. Sie werden im Blut nachgewiesen. Der Rheumafaktor kann den ärztlichen Verdacht des Vorliegens einer RA bestätigen, ist jedoch alleine noch kein Beweis für eine Rheumaerkrankung. Bei bis zu 85% der Patienten mit RA werden im Laufe der Erkrankung Rheumafaktoren im Blutserum nachgewiesen. Ein eindeutiger Nachweis für das Vorliegen einer RA ist dies aber nicht, da es auch Patienten mit RA gibt, die keinen Rheumafaktor haben (= negativ, seronegativ). Auch der Umkehrschluss stimmt nicht. Denn wer diesen Faktor im Blut aufweist, muss nicht zwangsläufig an Rheuma erkranken. Bis zu 20% der gesunden älteren Menschen weisen einen erhöhten Rheumafaktor auf. Die modernste Labormethode zur Diagnosesicherung ist der ACPA-Test (= Test zum Nachweis „anti-citrullinierter Peptid-Antikörper“, wie z.B. AntiCCP- oder Anti-MCV-Antikörper). Bei Bestehen klinischer Beschwerden des Patienten ohne eindeutigen Blutbefund bedarf es in jedem Fall weiterer Schritte, um eine eindeutige Diagnose zu stellen. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 23 Rheumatoide Arthritis Welche Bedeutung haben ­bildgebende Verfahren? Im Röntgen können die für die RA typischen Veränderungen nachgewiesen und der Zustand der Gelenke sichtbar gemacht werden. Es sind dies gelenknahe Erosionen (= Defekte im Bereich der KnorpelKnochen-Grenze). Mittels Röntgen können jedoch nur bereits vorhandene Zerstörungen nachgewiesen werden. Bei Frühformen einer RA und (noch) unauffälligem Röntgen ist der Einsatz einer MRT (Magnetresonanztomografie oder Kernspintomografie) sinnvoll. Mittels MRT gelingt es, ohne Strahlenbelastung aktive Gelenkentzündungen frühzeitig zu erkennen, noch bevor schwer wiegende Zerstörungen an Knorpel oder Knochen eingetreten sind. Zu diesem Zweck wird ein Kontrastmittel in die Vene injiziert. Vorteil eines hochauflösenden Ultraschalls (Gelenkultraschall) ist einerseits das Fehlen jeglicher Strahlenbelastung und andererseits, dass die Beobachtung Bei RA führen Entzündungen zu Gelenk­ verformungen. 24 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 in Bewegung gemacht werden kann. Es können hier mithilfe des Schalls Entzündungen der Gelenkinnenhaut nachgewiesen und betroffene Bereiche genau lokalisiert werden. Ultraschalluntersuchungen kommen vor allem bei Handund Fingergelenken, aber auch bei Vorfuß-, Fußwurzel- und Schultergelenken zum Einsatz. Warum ist eine fachärztliche ­Untersuchung notwendig? Wenn ein Patient mit klinischen Beschwerden zum Rheumatologen kommt, kann dieser aufgrund seiner speziellen Ausbildung weitere Aspekte abklären und so die Bestätigung für eine rheumatologische Erkrankung liefern. Der Facharzt ist speziell darauf geschult, diese sehr individuellen Faktoren, wie z.B. Schwellungen, Funktionsbeeinträchtigungen, Hautveränderungen etc., zu bewerten. Welche Ziele verfolgt eine Therapie der RA? An erster Stelle stehen Schmerzlinderung und Beseitigung der Entzündung. Die abschwellenden Rheumaschmerzmittel (NSAR = nicht-steroidale Antirheumatika) sind dabei sehr wirksam. Der Rheumatologe wird unmittelbar nach Diagnosestellung versuchen, mithilfe eines so genannten Basistherapeutikums die Entzündung und das fehlgesteuerte Immunsystem in den Griff zu bekommen. Dazu ist eine oft lebenslange Einnahme dieser Medikamente notwendig. Am häufigsten kommt hier der Wirkstoff Methotrexat (MTX) zum Einsatz. Die Wirkung des Basistherapeutikums tritt oft Rheumatoide Arthritis erst nach ein bis zwei Monaten ein, wobei nicht alle Patienten auf die Basistherapie sofort ansprechen. In der Regel tritt bei 40% der Betroffenen eine Besserung der Entzündungsreaktion ein. In 15% der Fälle kann sogar von einer gänzlichen Remission (= Wegfall der Krankheitssymptome) gesprochen werden. Aufgrund des verzögerten Wirkeintritts schlägt der Rheumatologe oft vor, das körpereigene Nebennierenhormon Kortison für die Zeit der Überbrückung bis zum Wirkeintritt der Basistherapie einzusetzen. Bei gleichzeitiger Einnahme von Kortison und einem NSAR muss in jedem Fall ein Magenschutzpräparat gegeben werden, um das Risiko für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre zu senken. Obwohl viele Patienten die Kortisonmedikamente zuerst skeptisch betrachten, ist die Wirkung vor allem bei ausgeprägten Gelenkschwellungen doch meist so befreiend, dass Betroffene die Präparate gerne einige Wochen einnehmen. Was ist, wenn die Basistherapie keinen Erfolg bringt? Kommt es mit der Basistherapie nicht zum gewünschten Erfolg – also zu einem Aufhalten der Entzündung –, kann zu einem anderen Basistherapeutikum gewechselt oder ein zweites dazugegeben werden (Kombinationstherapie). Eine weitere viel versprechende Option stellen die so genannten Biologika dar. Dazu gehören die TNF-alpha-Blocker (Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab) sowie Abatacept, welches die Aktivierung von T-Zellen bremst, und der Interleukin6-Blocker Tocilizumab. Sie kommen zum Einsatz, wenn die Behandlung mit herkömmlichen chemischen Basistherapeutika oder die Kombination von Basistherapeutika nicht erfolgreich war. Biologika wirken am besten in Kombination mit herkömmlichen Basistherapeutika. Innerhalb von wenigen Wochen weiß man, ob die gewünschte Wirkung mit Biologika eintritt. Sollte dies nicht der Fall sein, besteht die Möglichkeit, zu einem anderen Biologikum zu wechseln. Wird die Entzündung nicht dauerhaft reduziert oder gestoppt, stehen dem Rheumatologen noch weitere immuntherapeutische Konzepte zur Verfügung, die ebenfalls zu den Biologika gehören: Hemmung der B-Zellen mittels der Substanz Rituximab. Langfristig sollte es zu einem Rückgang der entzündlichen Aktivität kommen. Damit wird auch die Gelenkzerstörung eingedämmt bzw. gestoppt und Schmerzfreiheit erzielt. Was ist entscheidend für eine erfolgreiche Therapie? Der Behandlungserfolg ist abhängig vom Behandlungsbeginn: Ein optimales Behandlungsergebnis ist bei Frühtherapie schon 12–16 Wochen nach Krankheitsbeginn zu erwarten. Die Entwicklung der Erkrankung hängt von der Mitarbeit des Patienten ab: Es ist unbedingt notwendig, dass die Medikamente konsequent eingenommen werden! Auch regelmäßige Kontrolltermine sind notwendig. Der Rheumatologe wird die Therapie so lange anpassen, bis die Krankheit zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität oder eine völlige Remission aufweist; dieses Vorgehen wird Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 25 heute fachärztlich „Treat to Target“ genannt. Welche Zusatzbehandlungen gibt es bei RA? Eine Kräftigung der Muskulatur wird mit Physiotherapie und gezielter Heilgymnastik erreicht. Massagen tragen zur Steigerung der Durchblutung und zur Muskelentspannung bei, denn Patienten mit RA leiden nicht selten an massiven Muskelverspannungen. Abgesehen von der medikamentösen Therapie machen Zusatzbehandlungen vor allem im Schmerzbereich immer Sinn, wenn der Patient damit sein subjektives Wohlbefinden und seine Lebensqualität steigern kann. Grundsätzlich sollte bei RA die Anwendung von starker Wärme oder der Aufenthalt in zu heißem Wasser (über 32 °C) vermieden werden. Besonders bei einem akuten Schub sind Kryotherapien (Kryo = Kälte) empfehlenswert, wenn dies subjektiv vom Patienten als angenehm empfunden wird. Vorsicht: Bei einem akuten Schub sind Heilgymnastik und Elektrotherapie nicht zielführend und sollten daher nicht angewendet werden! Welche Hilfen gibt es für den Alltag? Das ist die Domäne der Ergotherapeuten. Wenn alltägliche Tätigkeiten wie das Halten einer Kaffeetasse, das Schneiden von Brot oder das Zuknöpfen des Hemdes unmöglich werden, gibt es Hilfsmittel im gut sortierten Fachhandel. Finger- und Handhalterungsschalen können ebenso helfen wie die so genannten Knopfloch- und Schwanenhalsschienen oder Metakarpal26 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Kühlung kann bei entzündeten und geschwollenen Gelenken Schmerzen lindern. spangen. Spezielle Messer (der Griff ist 90 Grad von der Klinge weggebogen) und spezielle Flaschenöffner erweisen ebenfalls gute Dienste. Wann ist eine Operation unumgänglich? Operationen werden nur dann durchgeführt, wenn andere Therapieformen nicht den erwarteten Erfolg bringen. Bei der so genannten Synovektomie – das ist eine gelenkerhaltende Therapiemaßnahme – wird die entzündete Gelenkinnenhaut durch Ausschälen des betroffenen Gelenks operativ entfernt (siehe S. 56). Innerhalb einiger Wochen wächst die Gelenk­ innenhaut wieder nach (Regenerat). Tipps für den Alltag • Tragen Sie Lasten mit Rucksack, damit das Gewicht gleichmäßig verteilt wird. • Vermeiden Sie Erschütterungen der Gelenke (vibrierende Geräte, Schütteln der Gelenke). • Überschreiten Sie Ihre Belastungsgrenze nicht, muten Sie sich nicht zu viel zu. • Unterstützen Sie Ihre Handgelenke bei belastenden Tätigkeiten. • Sorgen Sie mit Freizeitaktivitäten, die Spaß machen, für glückliche Momente. JUVENILE IDIOPATHISCHE ­ARTHRITIS (JIA) Blick: Auf einenpathische io Juvenile id is Arthrit etes ufig wie Diab n ebenso hä er d in K ei b • ist mellitus Gelenk­ den, um eine er w t el d an • muss beh verhindern zerstörung zu bemerkterschiedlich un hr se ch si nen Facharzt • macht ung durch ei är kl b A er ah bar, d notwendig sowie : Schmerzen en ch ei nz A te • Ers Gelenke überwärmte , ne lle o w ch ­ges llen Therapie nen individue ei t n, er te rd o en rf e am • ik ation aus Med sycho­sozialer plan (Kombin p , ie ie, Ergotherap ­Physiotherap ) Unterstützung Was bedeutet „juvenile idiopathische Arthritis“? Juvenil = kindlich/jugendlich; idiopathisch = Erkrankung ungeklärter Ursache; Arthritis = Gelenkentzündung Verschwindet Rheuma bei Kindern wieder? Von alleine nicht, daher muss kindliches Rheuma behandelt werden! In vielen Fällen ist es jedoch möglich, die Erkrankung mit der richtigen Therapie zum Stillstand zu bringen oder sie so stark zu verlangsamen, dass es sich gut mit ihr leben lässt. Wichtig ist, während des Stadiums einer aktiven Gelenkentzündung vor allem mit medikamentöser Therapie zu verhindern, dass bleibende Gelenkschäden entstehen. Wie häufig ist kindliches Rheuma? In Österreich gibt es jährlich ungefähr 140 Neuerkrankungen, bundesweit sind etwa 1.700 Kinder und Jugendliche an chronischer Arthritis erkrankt. Rheuma ist somit bei Kindern ebenso häufig zu finden wie Diabetes mellitus. Wie äußert sich eine JIA? Rheuma bei Kindern macht sich sehr unterschiedlich bemerkbar: Die Anzahl betroffener Gelenke kann variieren, Haut, Bänder und Sehnen können ebenfalls am Entzündungsprozess beteiligt sein. Auch der Krankheitsverlauf ist unterschiedBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 27 Juvenile idiopathische Arthritis lich: Bei manchen Kindern entzünden sich die Gelenke immer wieder, bei anderen nur selten; oft ist auch nur ein Gelenk betroffen. Ärzte sprechen von einer JIA, wenn die Gelenkentzündung mindestens sechs Wochen anhält und die Erkrankung vor dem 16. Lebensjahr beginnt. Was können erste Anzeichen sein? So unterschiedlich die JIA auch verlaufen kann, allen Verlaufsformen gemeinsam ist die Gelenkentzündung. Erste Anzeichen sind Schmerzen sowie geschwollene, überwärmte Gelenke. Am Morgen ist auch oft eine Steifigkeit der Gelenke festzustellen. Welche weiteren Beschwerden ­können auftreten? Wachstumsstörungen, Entzündung der Augen oder Beeinträchtigung des Entwicklungszustandes Wie verläuft eine JIA? Wie sich eine JIA entwickelt und ob sie sich bis ins Erwachsenenalter bemerkbar macht, lässt sich schwer voraussagen. Der Verlauf ist oft von der genauen Erkrankungsform abhängig. Ärzte unterscheiden folgende Formen der JIA: • Oligoarthritis: Ein bis vier Gelenke sind betroffen, sehr häufig das Kniegelenk. Oft verläuft die Erkrankung nicht gleichmäßig an beiden Körperhälften, sondern asymmetrisch. Augenentzündungen sind häufig. Die Krankheit beginnt im Kleinkindalter. 28 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 • Polyarthritis: Mindestens fünf Gelenke sind betroffen. Am häufigsten sind Hand-, Finger-, Ellbogen-, Knie- und Sprunggelenke entzündet. • Systemische Arthritis: Beginnt meist mit hohem Fieber und Hautausschlägen im Kleinkindalter. Neben den Gelenken sind auch Organe, wie z.B. Herz, Lymphknoten, Milz, Leber, Nieren oder Lunge, beteiligt. • Psoriasis-Arthritis: Beschwerden des Kniegelenks und der kleineren Gelenke (Hände, Füße) treten hier gemeinsam mit einer Schuppenflechte (Psoriasis) auf. Anzeichen: scharf begrenzte, rötliche Areale auf der Haut, die mit silbrig-weißen Schuppen bedeckt sind. Bevor es zu einer Psoriasis kommt, zeigen sich oft Nagelveränderungen sowie auch ein Anschwellen ganzer Finger oder Zehen. • Enthesitis-assoziierte Arthritis: Gelenkbeschwerden sowie Entzündung von Bändern und Sehnen, insbesondere der Ferse. Diese Form der JIA beginnt meist im Schulalter und kommt häufiger bei Buben vor. Die Gelenke sind in der Regel asymmetrisch betroffen, vorzugsweise die Knie- und Sprunggelenke. Wo finde ich ärztliche Hilfe, die auf kindliche Bedürfnisse eingeht? Aufgrund der Besonderheiten kindlichrheumatischer Erkrankungen sollte die Therapie durch ein spezialisiertes Team (Kinderrheumatologen, Kinderphysiound -ergotherapeuten, -orthopäden, -psychologen sowie pädiatrisch geschulte Augenärzte) erfolgen. In Österreich gibt es elf Spitäler, deren Kinderabtei- Juvenile idiopathische Arthritis Die Therapie der JIA sollte durch ein ­spezialisiertes Team erfolgen. lung über eine kinderrheumatologische Ambulanz verfügt. In besonders schwierigen Phasen der Erkrankung kann auch ein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus notwendig werden. Wie wird Rheuma bei einem Kind festgestellt? An erster Stelle steht das ausführliche Gespräch mit dem Kinderrheumatologen. Wichtige Fragen sind: • Gibt es in der Familie Rheumatiker? • Wann haben die Schmerzen angefangen? • Wie oft treten die Schmerzen auf? • Wurde auch eine Veränderung beispielsweise an der Haut oder den Augen bemerkt? Diese Fragen dienen dazu, möglichst viele Informationen aus der Vorgeschichte des jungen Patienten zu sammeln und Zusammenhänge mit den aktuellen Beschwerden herzustellen. Neben der gründlichen Untersuchung der entzündeten Gelenke erfolgt eine weitere Einschätzung der Krankheit mittels bildgebender Verfahren wie Ultraschall, Röntgen, Magnetresonanz und selten Computertomografie. Wichtig für die Diagnose ist auch ein Blutbild. Bei der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) wird das Verhalten der roten Blutkörperchen beobachtet. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf eine Entzündung im Körper ziehen. Auch die Menge des Creaktiven Proteins (CRP) – eines Eiweißstoffes im Blut – nimmt zu, wenn eine Entzündung im Körper vorliegt: je höher die Werte, desto aktiver das Entzündungsgeschehen. Wie wird kindliches Rheuma ­behandelt? Hauptziel der Behandlung ist es, die Entzündung vollständig zu stoppen und damit bleibende Schäden an den Gelenken zu verhindern. Der Therapieplan ist je nach Patient unterschiedlich und besteht aus einer Kombination von Medikamenten, Physiotherapie, Ergotherapie, psychosozialer Unterstützung und selten auch Operationen. Welche Medikamente kommen zum Einsatz? Häufig sind mehrere Medikamente notwendig, um die verschiedenen Symptome der Entzündung und der Schmerzen in den Griff zu bekommen: • Nicht-steroidale Antirheumatika wirken entzündungshemmend und zum Teil auch schmerzlindernd. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 29 Juvenile idiopathische Arthritis • Kortikoide hemmen die Entzündung. Sie werden Kindern und Jugendlichen nicht nur in Form von Tabletten oder Infusionen verabreicht, sondern häufig auch als Injektion. Die Gabe wird sorgfältig dosiert und die Dauer der Einnahme möglichst kurz gehalten. Eine einmalige hohe Verabreichung erfolgt nur in seltenen Fällen, etwa wenn die Entzündung besonders stark ist und schnell eingedämmt werden muss. • Basistherapeutika kommen bei schweren Formen der JIA zum Einsatz. Sie nehmen direkten Einfluss auf den Krankheitsprozess und damit auf den Krankheitsverlauf. Methotrexat ist eines der am häufigsten eingesetzten Basismedikamente. • Biologika greifen ebenfalls direkt in das Krankheitsgeschehen ein. Biologika wie Etanercept oder Adalimumab blockieren den körpereigenen Botenstoff Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-α) und kommen dann zum Einsatz, wenn andere Medikamente keine ausreichende Wirkung zeigen oder nicht vertragen werden. Oft werden Biologika (z.B. Abatacept) mit Basistherapeutika kombiniert, um gezielt den Entzündungsprozess zu beeinflussen. Auch der Interleukin-6-Hemmer Tocilizumab kommt bei der Behandlung des kindlichen Rheumas zum Einsatz. Die Wirkung der Biologika tritt im Unterschied zu den klassischen Basistherapien schon innerhalb weniger Wochen ein. • Schmerztherapie: Bei schweren Verläufen der JIA können starke Schmerzen auftreten. Hier sind neben der medikamentösen Behandlung auch ­ 30 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 physikalische Methoden zielführend. Gerade die medikamentöse Schmerztherapie beim Kind braucht viel Erfahrung zur angemessenen Dosierung und Verträglichkeit der Schmerzmittel. Welche therapieunterstützenden Maßnahmen gibt es? Die Physiotherapie hilft, Fehlstellungen und Versteifungen von Gelenken, die z.B. durch Schonhaltungen entstehen können, zu verhindern oder zu korrigieren. Wichtig ist es, die Übungen nach ausführlicher Einschulung durch einen Therapeuten auch zu Hause regelmäßig durchzuführen, um die Beweglichkeit zu erhalten und zu fördern. Mithilfe der Ergotherapie werden gelenkschonende Bewegungsabläufe geübt, die auch alltägliche Handgriffe ­erleichtern sollen. Hilfsmittel, wie z.B. individuell angefertigte Schienen, Griffverstärkungen für Schreibgeräte oder spezielle Dreiräder, können nützlich sein. Ein Bett in richtiger Sitzhöhe erleichtert beispielweise das Aufstehen, ein höhenverstellbarer Schreibtisch und ein ergonomischer Schreibtischsessel sind ebenfalls wichtige Hilfen im Alltag. Was ist bei der Ernährung zu ­beachten? Da sich bei Kindern und Jugendlichen der Körper noch in der Wachstumsphase befindet, sollte man besonders auf eine ausgewogene Ernährung mit frischem Obst und Gemüse, Milch- und Vollkornprodukten, Fisch und pflanzlichen Fetten achten. Einseitige Diäten sind unbedingt zu vermeiden! Juvenile idiopathische Arthritis Anzeichen der JIA sind geschwollene, überwärmte Gelenke. Wann muss operiert werden? Wenn bereits Schäden am Bewegungsapparat entstanden sind, können Operationen an rheumatisch deformierten Gelenken helfen, die Funktion wiederherzustellen bzw. eine weitere Beeinträchtigung zu vermeiden. Eine häufig angewandte ­invasive Maßnahme besteht in der Durchführung einer so genannten intraartikulären Steroidinjektion: Das heißt, durch die einmalige Verabreichung eines entzündungshemmenden Medikaments mittels Injektion kann die Gelenkentzündung sehr effektiv unterdrückt werden. Wie soll die Familie mit der ­Erkrankung umgehen? malen Tagesablauf haben. Es ist wichtig, die Krankheit nicht zu verschweigen, sondern sie zu akzeptieren. Es gilt das Kind zu ermutigen, das Beste aus der Situation zu machen. Dazu gehört auch, bewusst darauf schauen, welche Hobbys oder Bewegungsformen trotz körperlicher Einschränkung möglich sind. Der Erfahrungsaustausch mit anderen Eltern betroffener Kinder über die Österreichische Rheumaliga oder eine Selbsthilfegruppe (www.rheumaliga.at, www. rheumalis.org) kann viele wertvolle und praktische Tipps für die Eltern bringen. Aber auch für die jungen Rheumapatienten selbst kann es wichtig sein, mit anderen Betroffenen in Kontakt zu kommen. Kann mein Kind Sport betreiben? Ja, unbedingt! Sport wirkt sich positiv auf die Beweglichkeit aus. Auch wenn bei schweren Verläufen manche Sportarten, wie Tennis oder Fußball, nicht empfohlen werden, so gibt es Alternativen, trotzdem beweglich zu bleiben. Gelenkschonende und daher empfehlenswerte Sportarten sind z.B. Schwimmen, Reiten, Tanzen, Radfahren oder etwa Tischtennis. Schwimmen zählt bei JIA zu den empfohlenen Sportarten. Zunächst sollten alle im unmittelbaren Verwandten- und Bekanntenkreis von der Krankheit des Kindes informiert werden, also Lehrer, Schulkollegen, Freunde etc. Arztbesuche und Therapiemaßnahmen müssen in den Alltag integriert werden; abgesehen davon soll das Kind aber trotzdem einen möglichst norBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 31 MORBUS BECHTEREW (SPONDYLOARTHRITIS) Blick: Auf einenhritis (AS) art Spondylo r auch ode echterew Morbus B Erkrankung h-entzündliche tuell der sc ni ro ch ne en d ev • ist ei mgelenke un der Kreuzdar elenke g kleinen Wirbel merzen f sitzende Sch zen im tie nd si ch is chmer • Typ eich sowie S im Gesäßber elsäule. Zusätzlich ist irb er Bereich der W ng der Beweglichkeit d ku än hr sc in E eine öglich. Wirbelsäule m heumatologie Facharzt für R m ne ei n vo • sollte den behandelt wer erden. s therapiert w ik eine tö en am ik ed Gymnast • muss m regelmäßige . Zudem spielt Rolle bei der Behandlung e d en d ei ch ts en Was ist eine Spondyloarthritis? Eine Spondyloarthritis ist eine Entzündung der Kreuzdarmgelenke und der kleinen Gelenke in der Wirbelsäule. Der Begriff bezieht sich auf eine Gruppe von Erkrankungen, manchmal kann es auch zu Entzündungen in anderen Gelenken, wie z.B. im Kniegelenk, kommen. Begriffserklärung: Spondyl = Wirbel; Arthros = Gelenk; -itis = Entzündung; „entzündetes Wirbelgelenk“ In kompletter Ausprägung wird eine Spondyloarthritis Morbus Bechterew (lat.: Spondylitis ankylosans) genannt. 32 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 „Ankylosierend“ = knöchern zusammenwachsen; „Spondylitis“ = Entzündung der Wirbelkörper Was passiert bei Spondyloarthritis im Körper? Die Entzündung spielt sich in den Kreuzdarmgelenken und zum Teil in den kleinen Gelenken der Wirbelsäule ab. Dabei können diese Gelenke teilweise knöchern durchbaut werden und in der Folge verliert die Wirbelsäule ihre Beweglichkeit. Formen der Erkrankung: • undifferenzierte Spondyloarthritis • nicht-radiografische axiale Spondylo­ arthritis • Spondyloarthritis bei reaktiver Arthritis • Spondyloarthritis assoziiert mit Psoriasis vulgaris Morbus Bechterew • Spondyloarthritis assoziiert mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn) Was versteht man unter einer nicht-radiografischen axialen ­Spondyloarthritis? Patienten mit einer nicht-radiografischen axialen Spondyloarthritis haben im normalen Übersichtsröntgen der Sakroiliakalgelenke (SIG = „Kreuz-DarmbeinGelenke“) einen unauffälligen Befund. Mithilfe der Magnetbilduntersuchung (MRI) kann die Entzündung allerdings sehr oft nachgewiesen werden. Was bedeutet die Unterscheidung „axial“ und „peripher“? Eine Spondyloarthritis kann auch als „axial“ oder „peripher“ klassifiziert werden, je nachdem, ob hauptsächlich die Wirbelsäule oder die Gelenke der Extremitäten betroffen sind. Bei einer axialen Spondyloarthritis bestehen hauptsächlich Symptome im Bereich der Wirbelsäule. Bei Patienten mit peripherer Spondyloarthritis treten vorwiegend Gelenkschwellungen in den Gelenken der unteren Extremität auf. Welche Symptome treten bei ­Spondyloarthritis auf? Das häufigste Symptom ist ein tief sitzender Schmerz im Bereich der Kreuzdarmgelenke und somit im Gesäßbereich. Weitere typische Symptome sind Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule. In Spätstadien treten manchmal eine verminderte Beweglichkeit sowie ein Gefühl der Steifigkeit in der Wirbelsäule auf. Weitere typische Anzeichen der Entzündung der Kreuzdarmgelenke sind: Verschlechterung durch Ruhe, nachts eher Schmerzen in den frühen Morgenstunden, Besserung durch Bewegung. Zusätzlich können folgende Beschwerden vorkommen: Entzündung des Hüftgelenks („Coxarthritis“) mit Schmerzausstrahlung in die Leisten oder Schmerzen beim Gehen; Entzündungen und Schmerzen in anderen Gelenken (Knie, Sprunggelenke); Entzündungen an den Ansatzpunkten großer Sehnen an den Knochen – hauptbetroffen: Achillessehne). Allgemeinsymptome: Augenentzündung, Müdigkeit, Krankheitsgefühl, erhöhte Entzündungswerte Wie erfolgt die Diagnose? Die Diagnose wird aufgrund der Symptome, der Krankenuntersuchung und der Bildgebung (Röntgen, MRI) gestellt. Bei entsprechenden Beschwerden wird sie auch durch den Nachweis von HLAB27 in der Blutuntersuchung unterstützt. Es gibt keinen Labortest, der definitiv die Diagnose einer Spondyloarthritis bestätigt oder ausschließt. Bildgebung: Es zeigen sich typische Veränderungen in den Sakroiliakalgelenken (Gelenke, die die Wirbelsäule mit dem Becken verbinden). Diese Veränderungen sind in Spätstadien auf Röntgenbildern zu erkennen, früher jedoch mittels Magnetresonanz-Imaging (MRI). Was ist HLA-B27? Das Merkmal HLA-B27 ist ein angeborenes Merkmal der weißen Blutkörperchen. Es verändert sich im Laufe des Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 33 Morbus Bechterew Lebens nicht. Der Nachweis, dass man Träger dieses Merkmals ist, bedeutet eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Spondyloarthritis zu erkranken. HLAB27 kann aber auch bei völlig Gesunden vorkommen. Was sind weitere Risikofaktoren für eine Spondyloarthritis? Diese Erkrankung kann in manchen Familien gehäuft auftreten, vor allem bei Verwandten ersten Grades (Eltern, Geschwister). AS ist bei Männern häufiger als bei Frauen. Sie wird häufig schon im Alter zwischen 20 und 30 Jahren diagnostiziert. Welche Komplikationen können auftreten? Uveitis anterior: Eine chronische Entzündung der Lederhaut des Auges ist die häufigste Mitbeteiligung neben den Gelenken. Sie führt zu Schmerzen im Auge, verschwommenem Sehen und Lichtempfindlichkeit. Auffallend ist eine Rötung des Augapfels. Diese Komplikation sollte sofort behandelt werden, um bleibende Schäden am Auge zu verhindern; unbehandelt kann sie langfristig zu Blindheit führen. Osteoporose: Osteoporose ist bei Patienten mit Morbus Bechterew häufig, deshalb sollte bei jedem Patienten eine Knochendichtemessung durchgeführt werden. Brüche (Frakturen) der Wirbelsäule und Verletzungen des Rückenmarks: Brüche der Wirbelsäule und Verletzungen des Rückenmarks sind bei AS-Patienten vier- bzw. elfmal häufiger als bei Gesunden. 34 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Ein Röntgenbefund gibt Auskunft, wie weit Morbus Bechterew fortgeschritten ist. Kardiovaskuläre Erkrankungen: Selten kommt es zu einer Beteiligung der Aortenklappe, die nicht mehr ganz schließt. Lungenerkrankungen: Viele AS-Patienten können aufgrund der Versteifung der Gelenke im Brustraum die Lunge nicht mehr voll entfalten. In der Folge kommt es zu Veränderungen der Lungenfunktion. Darmentzündungen: Einige Patienten mit AS entwickeln Entzündungen im Darm. Beeinflusst die AS den Alltag? AS kann den Alltag insbesondere in folgenden Bereichen behindern: beim Anziehen, vom Sessel Aufstehen, vom Boden Hochkommen, gerade Stehen, Stiegensteigen, auf die Seite oder über die Schulter Schauen, Verrichten von Haushaltsarbeiten. Diese Einschränkungen können durch die verminderte Gelenk- und Wirbelsäulenbeweglichkeit auftreten und haben Auswirkungen sowohl auf den Patienten als auch seine Familie. Wie wird AS behandelt? Die Behandlung wird an die spezifi- Morbus Bechterew schen Beschwerden angepasst. Folgende Elemente sollten Teil des Behandlungsplans sein: Heilgymnastische Übungen: „Bechterew-Gymnastik“ sollte bei jedem Patienten mit Spondyloarthritis Teil des Behandlungsplans sein. Die Übungen umfassen täglich selbstständig durch­ zuführende Heimübungen sowie Ein­­­­­­­­zel- oder ­Gruppentherapie mit einem Physiotherapeuten oder auch physiotherapeutische Anwendungen wie Wärme/Strom/Ultraschall/Massagen. Die Heimübungen sollten Haltungstraining, Atemtherapie, Rückenkräftigung und Dehnungsübungen beinhalten. Welche Medikamente kommen zum Einsatz? Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR): NSAR werden häufig eingesetzt, um Schmerzen zu verringern. Diese Medikamente können regelmäßig genommen werden. Leider sind sie manchmal nicht gut verträglich und können zu ernsthaften Nebenwirkungen führen. Deshalb sollte die Tageshöchstdosis nicht überschritten werden und verschiedene NSAR sollten nicht gleichzeitig eingenommen werden. Sulfasalazin: Dieses Basistherapeutikum kommt bei entzündlicher Mitbeteiligung peripherer Gelenke zum Einsatz, hat jedoch auf die Entzündung der Wirbelsäule selbst keinen Einfluss. Es kann gleichzeitig mit NSAR verordnet werden. Anti-Tumornekrosefaktor-Therapie: Diese gentechnisch hergestellten Medikamente sind als Spritzen bzw. Pen oder Infusionen verfügbar. Bei AS zeigen sie oftmals eine hohe Wirksamkeit hinsichtlich der Schmerzen und der allgemeinen Entzündung. Wirkstoffe: Infliximab, Etanercept, Adalimumab, Certolizumab pegol sowie Golimumab Glukokortikoide: Eine Kortisoninjektion in ein besonders geschwollenes oder schmerzhaftes Gelenk zeigt zumeist eine gute Wirksamkeit. Operationen: Hüftgelenk- oder Wirbelsäulenoperationen können manchmal notwendig werden. Insbesondere die Hüftgelenkersatz-Operation kommt häufiger vor: Bei dauerhaften starken Schmerzen oder schwerer Bewegungseinschränkung wird gelegentlich eine Prothese notwendig. Welche allgemeinen Maßnahmen können zur Besserung beitragen? Es gibt einige Maßnahmen, von denen alle Patienten profitieren: • Rauchstopp: Rauchen schädigt die Lunge, die auch durch die Erkrankung selbst schon angegriffen sein kann. Deshalb ist ein Nikotinstopp doppelt sinnvoll! • Achten Sie auf eine gute Körperhaltung und die Teilnahme an einem Übungsprogramm. • Achten Sie auf eine adäquate Einnahme von Kalzium und Vitamin D, um das Risiko von Knochenschwund (Osteoporose) zu verringern. Produkte, die Kalzium und Vitamin D enthalten, sind Milchprodukte wie Milch, Käse und Jogurt. • Medikamente zur Behandlung von Osteoporose können empfohlen werden, wenn bereits ein Knochenschwund nachweisbar ist. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 35 Morbus Bechterew 1A 2A 1B Mobilisieren der Wirbelsäule 2B Stärkung der oberen Rückenmuskulatur 3 Stärkung der Bauch- und Gesäßmuskeln Tägliche Gymnastik bei Morbus Bechterew In der Therapie des Morbus Bechterew ist die regelmäßige (tägliche) und gezielte Gymnastik ein fixer Bestandteil. Das gezielte Muskeltraining trägt zur Schmerzlinderung und zum Erhalt der Beweglichkeit der Wirbelsäule bei. Damit beugt man auch der frühzeitigen Versteifung der Wirbelsäule und Fehlhaltungen vor. Grundsätzlich ist es sinnvoll, in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Therapeuten die Übungen dem Krankheitsstadium angepasst zusammenzustellen. Im Folgenden sind einige Übungen beispielhaft angeführt, die Sie einfach zu Hause ausprobieren können. Die Übungen sollten auf einer Turnunterlage in bequemer Kleidung mindestens 5x wiederholt werden. Wichtig ist es dabei, die Spannung ca. 5 Sekunden lang zu halten. Sollten Sie Schmerzen haben, hören 36 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 4 Stärkung der Bauchmuskeln Sie mit der Übung auf und sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber. Bei den Übungen müssen Sie auf Ihre bestehenden Bewegungseinschränkungen Rücksicht nehmen. 1. Mobilisieren der Wirbelsäule Gehen Sie auf die Knie und stützen Sie sich mit den Händen schulterbreit auf. Die Hände sind leicht gebeugt, die Knie stehen unter den Hüftgelenken, die Halswirbelsäule ist gestreckt (Blick auf den Boden, Nacken lang machen). In dieser Position („Vierfüßlerstand“) machen Sie nun abwechselnd einen „Buckel“ – dabei ziehen Sie das Kinn zur Brust – und danach bewusst ein Hohlkreuz – Kopf wieder in die Ausgangsposition. 2. S tärkung der oberen Rückenmuskulatur Legen Sie sich auf den Bauch und ver- Morbus Bechterew schränken Sie die Hände vor dem Kopf. Dabei liegen die Handflächen auf dem Boden, die Stirn stützen Sie darauf ab. Heben Sie nun die Ellbogen langsam an und ziehen Sie den Kopf nach oben. Halten Sie diese Position. Danach legen Sie sich wieder flach auf die Matte und entspannen, bevor Sie die Übung wiederholen. 3. S tärkung der Rücken- und ­Gesäßmuskeln Gehen Sie in den „Vierfüßlerstand“. Strecken Sie abwechselnd einen Arm oder ein Bein in Verlängerung des Rückens aus. Halten Sie den Rumpf stabil. Fällt Ihnen diese Übung leicht, strecken Sie den linken Arm und das rechte Bein bzw. den rechten Arm und das linke Bein gleichzeitig aus. 4. Stärkung der Bauchmuskeln Legen Sie sich auf den Rücken und winkeln Sie Ihr rechtes Bein so ab, dass ein rechter Winkel in der Hüfte entsteht. Drücken Sie nun den linken Arm gegen das rechte Knie und halten Sie gleichzeitig mit dem Bein dagegen. Spüren Sie dabei, wie Sie Ihre Bauchmuskeln anspannen. Wiederholen Sie das mit dem anderen Arm und Bein. 5. Stärkung der Schultermuskulatur Setzen Sie sich gerade auf eine harte Unterlage (z.B. Sesselkante). Neigen Sie den Oberkörper leicht nach vorne und strecken Sie dabei die Arme nach oben. Die Daumen zeigen nach hinten, der Rücken bleibt gerade. Atmen Sie tief ein und aus und versuchen Sie dabei, die Spannung zu halten. 5 Stärkung der Schultermuskulatur Weitere Empfehlungen Gezielte Atemübungen: Diese müssen eigentlich in jedes Therapieprogramm von Morbus Bechterew miteinbezogen werden, da die Atmung durch den Beweglichkeitsverlust der Wirbelsäule sowie durch Schmerzen eingeschränkt sein kann. Diese Übungen können nach Anweisung durch einen Spezialisten zu Hause regelmäßig – eingebunden in das Gymnastikprogramm – ausgeführt werden. Damit wird sich Ihre Lungenfunktion merkbar verbessern, das konnte auch in Studien nachgewiesen werden. Ebenso werden Rotationsübungen für den Brustkorb, Dehnungsübungen sowie Gymnastikübungen für die Halswirbelsäule seitens der physikalischen Medizin angeraten. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, er wird Sie gegebenenfalls an einen Spezialisten überweisen. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 37 PSORIASIS-ARTHRITIS Was ist Psoriasis-Arthritis? Blick: Auf einen -Arthritis Psoriasis einsam mit n enflechte gem • Tritt Schupp ungen auf, spricht man vo nd zü Gelenkent itis (PsA). Psoriasis-Arthr leichermaßen Frauen sind g riasis-Arthritis d un r ne än so • M Kindern tritt P betroffen. Bei ne Rolle. selten auf. agung spielt ei nl ra Ve e ch is • Die genet n zumeist erden beginne • Die Beschw 35. und 45. Lebensjahr. zwischen dem ng kann itige Behandlu • Eine frühze ngen verhindern. ru Gelenkzerstö 38 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Die Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) ist eine chronische Hauterkrankung, die sich durch gerötete und meist stark schuppende Hautveränderungen, die entweder nur an bestimmten Stellen (z.B. Ellbogen, Knie, Kopfhaut, Nägel) oder manchmal auch am ganzen Körper auftreten, äußert. In Österreich leiden vermutlich 2–3% der Bevölkerung an Schuppenflechte, davon erkranken 10– 20% auch an schmerzhaften Gelenkentzündungen. Was sind die Ursachen? Sowohl bei Psoriasis als auch bei Pso­ riasis-Arthritis handelt es sich um Autoimmunerkrankungen, bei denen das Psoriasis-Arthritis Immunsystem körpereigenes Gewebe als Fremdkörper bekämpft. Voraussetzung für die Entstehung der Krankheit ist eine genetische Veranlagung. Das heißt, dass Menschen mit bestimmten Erbanlagen eine Neigung zur Entwicklung von Psoriasis und Psoriasis-Arthritis besitzen, unter der es entweder von selbst oder durch äußere Auslöser – wie etwa Infektionskrankheiten – zu diesem Fehlverhalten des Immunsystems kommt. Wie äußert sich die Erkrankung? Oft zeigen sich einige Jahre nach Auftreten der Schuppenflechte schmerzhafte entzündliche Veränderungen der Gelenke. Nur bei etwa jedem zehnten Betroffenen stellt sich der Hautbefall erst nach der Gelenkerkrankung ein. Meist treten Haut- und Gelenkbeschwerden jedoch gleichzeitig auf. Welche Körperteile sind hauptsächlich betroffen? Körperteil ist vom Ansatz bis zur Spitze wurstförmig geschwollen und verursacht starke Schmerzen. • Sehr häufig sind die Mittel- und Endgelenke betroffen (Daktylitis). Dies unterscheidet die Psoriasis-Arthritis von anderen Formen des entzündlichen Rheumas, bei denen körpernähere Gelenke befallen sind. • Entzündung des Sehnenansatzes, die sich in ausgeprägter Schwellung und Schmerzen äußert (häufig z.B. am Fersenbein, wo die Achillessehne ansetzt). • Es kommt zu einer Entzündung der Iliosakralgelenke, also der Gelenkverbindungen zwischen Becken und Kreuzbein. Die Betroffenen klagen oft über Schmerzen in den Gesäßbacken. • Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis ist die Gelenkbeteiligung bei der Psoriasis-Arthritis oft asymmetrisch, d.h. es sind an der rechten oder an der linken Körperhälfte unterschiedliche Gelenke befallen. Gelenke, Knochen und teilweise auch Sehnen sind in unterschiedlicher Ausprägung von der Erkrankung betroffen. Am häufigsten zeigt sich die PsoriasisArthritis an den kleinen Gelenken von Fingern und Zehen. Wichtiger Hinweis: Wenn die PsoriasisArthritis nicht rechtzeitig behandelt wird, kann es ähnlich wie bei anderen rheumatischen Gelenkerkrankungen zu einer irreparablen Zerstörung der Gelenke kommen! Welche Symptome treten auf? • Strahlenförmige Entzündung einzelner Finger oder Zehen. Der betroffene Charakteristisch: wurstförmig geschwollener Finger Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 39 Psoriasis-Arthritis • Wenn die Schuppenflechte die Zehenoder Fingernägel befällt, ist das ein wichtiger Hinweis für das Vorliegen einer Psoriasis-Arthritis, wenn Gelenkschwellungen vorliegen. Man findet beispielsweise stecknadelkopfgroße Grübchen auf der Nagelplatte, die Nagelplatte kann gelblich verfärbt sein (sog. Ölflecke), der Nagel kann sich vom Nagelbett abheben und manchmal auch vollständig zerstört werden. Wie verläuft die Erkrankung? Sowohl die Psoriasis als auch die Psoriasis-Arthritis haben in der Regel einen chronisch-schubweisen Verlauf. Das heißt, Phasen der Verschlechterung wechseln sich mit Phasen der Besserung oder sogar Beschwerdefreiheit ab. Während der Hautbefall in jeder Erkrankungsphase zur vollständigen Rückbildung gebracht werden kann, können die Gelenkentzündungen zu bleibenden Schäden mit Bewegungseinschränkungen der betroffenen Gelenke führen. Krankheitsbild. Untersuchungen belegen, dass Kinder vor allem um das 2. und 5. Lebensjahr erkranken. Die kleinen Patienten leiden häufig an schmerzhaften Schwellungen und Entzündungen der Finger- oder Zehengelenke. Die Kinder belasten das betroffene Gelenk weniger und ­wollen getragen werden. Bei älteren Kindern zeigen sich Entzündungen der Sehnenansätze oder auch der Wirbelsäulengelenke, die sich durch Schmerzen in der Lendenwirbelsäule äußern können. Auch Fieber, das über einen längeren Zeitraum mit oder ohne begleitenden Hautausschlag auftritt, oder eine Entzündung der Regenbogenhaut am Auge kann ein erstes Anzeichen sein. Wie stellt der Arzt die Diagnose? Der Arzt beurteilt das Krankheitsbild nach • dem Befallmuster der Gelenke, • dem Erscheinungsbild der Haut, • dem Verlauf, • möglichen Begleiterscheinungen, • der Ausprägung der Erkrankung, • den Ergebnissen von Röntgen- und ­Laborbefunden. Was ist dabei zu ­beachten? Der Hautbefall kann zur vollständigen ­Rückbildung gebracht werden. Woran erkenne ich Psoriasis-Arthritis bei meinem Kind? Psoriasis-Arthritis im Kindesalter ist selten und zeigt kein einheitliches 40 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Bei Psoriasis-Arthritis ist es wichtig, die Erkrankung von anderen rheumatischen Krankheitsbildern, wie z.B. rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew oder Abnützungserscheinungen der Gelenke (Arthrose, Osteoarthritis), zu unterscheiden. Nicht immer zeigen Haut und Gelenke die oben beschriebenen typischen Veränderungen (siehe „Welche Symptome sind typisch für PsA?“); dann ist eine Psoriasis-Arthritis eindeutige Diagnose schwierig und kann oft längere Zeit benötigen. Durch Zusammenarbeit von Rheumatologen und Hautärzten ist es jedoch meist möglich, rasch eine eindeutige Diagnose zu stellen. Welche Laboruntersuchungen gibt es? Eine Blutuntersuchung kann hilfreich sein, auch wenn es keine eindeutigen Marker für die Psoriasis-Arthritis gibt. Neben allgemeinen Entzündungszeichen (Blutsenkungsgeschwindigkeit, CRP) wird dabei auch der so genannte Rheumafaktor bestimmt, der bei der Psoriasis-Arthritis im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis in aller Regel negativ (d.h. nicht nachweisbar) ist. Patienten mit Psoriasis und Psoriasis-Arthritis besitzen ein erhöhtes Risiko für Stoffwechselstörungen, daher ist auch die Untersuchung von Blutfetten und Harnsäure mit entsprechender Beratung sinnvoll. Welche bildgebenden Verfahren helfen bei der Diagnose? Das Skelettröntgen ist ein wesentliches bildgebendes Verfahren, sowohl an den Gelenken als auch an der Wirbelsäule. Häufig findet man asymmetrische Veränderungen mit so genannten Usuren (lochartigen Substanzdefekten) oder Proliferationen (knöchernen Anlagerungen). In sehr fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung entstehen schwere Verformungen der Knochen. Gelegentlich werden auch Ultraschall und Magnetresonanztomografie (MRT) zur Diagnostik eingesetzt. MRT ist eine Der MRT-Befund kann den Verdacht auf Psoriasis-Arthritis erhärten. besonders wertvolle Untersuchung zur früheren Erkennung von bereits eingetretenen Gelenkschäden und schweren Verlaufsformen der Psoriasis-Arthritis. Wie wird die Erkrankung behandelt? Die Gabe von Medikamenten zur Entzündungshemmung und Unterdrückung der Krankheitsaktivität ist die wichtigste therapeutische Maßnahme. Darüber hi­ naus stellt die Physiotherapie eine zusätz­ liche Behandlungsform dar. Sie stärkt die Muskulatur, entlastet die Gelenke und hilft den Betroffenen, richtige Bewegungsmuster zu erlernen. Sehr selten sind operative Eingriffe nötig. Welche Medikamente gibt es? Medikamente aus der Substanzgruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 41 Psoriasis-Arthritis (NSAR) lindern wirksam Schmerzen, können aber den Verlauf der PsoriasisArthritis nicht beeinflussen. NSAR werden vor allem dann eingesetzt, wenn die Erkrankung sehr mild ausgeprägt ist. Bei akuten Schüben der Psoriasis-Arthritis kann kurzfristig auch Kortison verabreicht werden. Langfristig werden vor allem so genannte immunmodulierende Substanzen (Basistherapeutika) eingesetzt, die als Langzeittherapie geeignet sind, die Krankheitsaktivität – meist sowohl an Haut als auch an Gelenken – zu unterdrücken. Zu diesen Medikamenten, die meistens in Tablettenform verabreicht werden, gehören in erster Linie Substanzen, die auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen eingesetzt werden, wie Methotrexat, aber auch Sulfasalazin und Leflunomid. Eine völlig neue Substanzklasse stellt der PhosphodiesteraseHemmer Apremilast dar, der ebenfalls in Tablettenform vorliegt. Eine gezieltere Wirkung auf das Immunsystem besitzen neuere Medikamente, die man unter dem Begriff Biologika zusammenfasst. Diese kommen seit Jahren in der Therapie der Schuppenflechte zum Einsatz und zeigen auch sehr gute Erfolge bei Psoriasis-Arthritis. Mit diesen Substanzen, die als Infusionen oder subkutane Injektionen verabreicht werden, können gezielt bestimmte körpereigene Botenstoffe, die die Entzündungen in Haut und Gelenken mitverursachen, blockiert werden. Zur Anwendung kommen derzeit so genannte TNF-alphaBlocker und Interleukin-12/23-Blocker, eine Reihe neuer Substanzen befindet sich in Entwicklung. Auch die Biologika 42 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 sind gleichermaßen zur Behandlung der Haut- wie auch der Gelenkerscheinungen und ähnlich wie die oben genannten älteren Medikamente auch für die Langzeittherapie geeignet. Biologika ­ kommen dann zum Einsatz, wenn Methotrexat nicht ausreichend wirksam oder unverträglich ist. Wichtiger Hinweis: Um eine sichere Langzeittherapie mit immunmodulierenden Substanzen zu gewährleisten, muss vor Therapiebeginn eine ausführliche Beratung und Aufklärung über erforderliche Vor- und Kontrollunter­ ­ suchungen, Nebenwirkungen und Komplikationen durch einen mit diesen Therapien erfahrenen Arzt erfolgen. Gibt es Begleiterkrankungen? Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass andere chronische Erkrankungen besonders häufig bei Personen mit Psoriasis oder Psoriasis-Arthritis auftreten. Dazu zählen beispielsweise Stoffwechselerkrankungen wie Übergewicht, Diabetes mellitus und Herzkranzgefäßverkalkung. Die Ursachen für diesen Zusammenhang sind noch nicht restlos geklärt, ebenso wenig wie die Frage, ob eine erfolgreiche Therapie der Psoriasis-Arthritis auch zu einer Besserung dieser Begleiterscheinungen führt. Sicher ist jedenfalls, dass Patienten mit schwerer Psoriasis und Psoriasis-Arthritis besonders auf einen gesunden Stoffwechsel und eine gesunde Lebensführung mit Vermeidung zusätzlicher Risikofaktoren (z.B. Zigarettenrauchen) achten sollen und diesbezügliche Beratung und Aufklärung Teil eines umfassenden Behandlungskonzeptes sein sollte. GICHT Blick: Auf einen Gicht , g der Gelenke he Erkrankun lic d ffe ün ro tz et b en in den • ist eine nsäurekristalle die durch Har rvorgerufen wird n he nen Gelenke ng von me: Schwellu to p ym S e ch merzen • Typis d starke Sch un n ke en el G ischen dem ht eist Männer zw • betrifft zum Lebensjahr (oftmals beste . 0 el 6 eg d R un er d 40. Frauen sind in Übergewicht); echseljahren betroffen. W erst nach den Entstehung spielt bei der Rolle. ng ru äh rn E e • Die entscheidend von Gicht eine ist daher eine ng ru der Ernäh ng lu el st m U rapie. • Die säule der The nd ru G e ig ht ic w abgelagerte Harnsäurekristalle Die Gelenkschmerzen beginnen häufig am Grundgelenk der großen Zehe. Was geschieht bei Gicht? Bei Gicht (Arthritis urica) kommt es durch Harnsäurekristalle in den betroffenen Gelenken zu einer Entzündung: Die Gelenke schwellen an und schmerzen. Welche Symptome treten auf? Der erste akute Gichtanfall tritt völlig unerwartet auf, zumeist nachts oder in den frühen Morgenstunden. Typische Symptome sind heftige Gelenkschmerzattacken. Meistens ist das Grundgelenk der großen Zehe betroffen. Es schwillt an und ist oft so prall, dass die Haut glänzend gespannt ist und sehr stark schmerzt. Das betroffene Gelenk kann kaum berührt oder bewegt werden. Auch andere Gelenke können beteiligt sein, wie z.B. Sprung- oder Daumengrundgelenk. In manchen Fällen ist der Allgemeinzustand schlecht, Fieber und Unwohlsein können hinzukommen. Nach einigen Tagen klingen die Symptome meistens wieder ab. Bis zu einem neuerlichen Gichtanfall können mitunter Wochen oder sogar Jahre vergehen. Halten die Symptome an, spricht man von chronischer Gicht. Sie kann zu dauerhaften Gelenkdeformationen führen und eventuell auch andere Organe schädigen. Warum ist der Harnsäurewert erhöht? Zeigen die Laborwerte eine zu hohe Harnsäurekonzentration, nehmen Sie Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 43 Gicht entweder über die Nahrung zu viele Purine auf (Purine sind neben Pyrimidinen wichtige Bausteine der Nukleinsäuren) und/oder Ihre Niere scheidet zu wenig Harnsäure aus. Lebensmittel tierischer Herkunft enthalten viele Purine. Bei Menschen werden die Purine zu Harnsäure abgebaut. Je höher der Harnsäurewert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, an einer Gichterkrankung zu leiden. Wie stellt der Arzt die Diagnose? Ein erhöhter Harnsäurespiegel kann bereits viele Jahre ohne Beschwerden bestehen, ehe es zum ersten Gichtanfall kommt. Während oder nach einem akuten Gichtanfall sind oft gar keine stark erhöhten Harnsäurewerte im Blut mehr festzustellen. Es sind lediglich erhöhte Entzündungswerte (CRP) festzustellen und die Leukozyten (weiße Blutkörperchen) sind ebenfalls häufig erhöht. Für eine sichere Diagnose sind daher oft Harnsäureuntersuchungen nicht aussagekräftig. Aufschlussreicher sind die Entnahme von Gelenkflüssigkeit und die anschließende Untersuchung dieses Punktats auf Harnsäurekristalle. Ob es schon zu dauerhaften Schädigungen von Gelenken gekommen ist, kann durch bildgebende Verfahren (Röntgen-, Ultraschall- und CT-Untersuchung) gut festgestellt werden. Wie kommt es zu einem Gichtanfall? Verantwortlich für Gicht kann vor allem die Ernährung gemacht werden. Schweres, üppiges (purinreiches) Essen oder hoher Alkoholkonsum löst nicht selten einen akuten Gichtanfall aus. Auch die 44 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 erbliche Veranlagung spielt eine wesentliche Rolle. Andere Krankheiten sowie Medikamenteneinnahme, Bewegungsmangel und Übergewicht begünstigen darüber hinaus den Ausbruch von Gicht. Wie sieht die Behandlung aus? Erster Schritt ist eine umfassende Ernährungsumstellung. Es gilt eine purinarme Ernährung einzuhalten. Das bedeutet: • Verzichten Sie auf Innereien und • essen Sie rotes Fleisch (z.B. Rind, Schwein oder Gans) nur in Maßen. • Fisch ist erlaubt, aber: • Makrelen, Sardinen, Heringe, Sardellen oder auch Meeresfrüchte (z.B. Krustentiere und Muscheln) können den Harnsäurespiegel erhöhen und sollten daher nur selten verzehrt werden. • Auf Alkohol sollten Sie besser ebenfalls verzichten. • Trinken Sie 2,5 Liter Mineral- oder Leitungswasser täglich, um die Harnsäure mit dem Harn auszuspülen. • Essen Sie viel Obst und Gemüse. • Nehmen Sie möglichst fettarme Speisen zu sich. • Zucker und Salz sollten nur in Maßen konsumiert werden. Bei Frauen tritt Gicht zumeist erst nach den Wechseljahren auf. Gicht Kein Widerspruch: Angegriffene Gelenke profitieren von Bewegung. Weitere Lebensstilmaßnahmen: • Bei Übergewicht ist eine vorsichtige Gewichtsreduktion hilfreich. • Sportliche Betätigung (spazieren gehen, Rad fahren, schwimmen) wirkt sich mehrfach positiv aus, nämlich einerseits auf das Körpergewicht und andererseits auch auf den erhöhten Harnsäurespiegel. Welche medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Genügt die Ernährungsumstellung nicht, um den Harnsäurespiegel in den Normalbereich zu bringen, ist bei wiederholten Gichtanfällen zusätzlich eine medikamentöse Therapie erforderlich, um eine dauerhafte Schädigung an Gelenken bzw. Organen zu verhindern. Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten alleine bringen jedoch wenig Erfolg, wenn nicht auch die erforderliche Umstellung der Lebensweise eingeleitet wird! Was kann man bei einem akuten Gichtanfall tun? Bei einem akuten Gichtanfall kommen Schmerzmittel sowie schmerz- und entzündungshemmende Antirheumatika (NSAR) zum Einsatz. Manchmal wird auch Kortison (als Tablette oder Injektion) eingesetzt. Durch die Akuttherapie können die Schmerzen innerhalb weniger Stunden deutlich verringert werden. Zur Langzeittherapie können purinsenkende Medikamente angewendet werden (Allopurinol, Febuxostat). Diese können auch erneuten Gichtanfällen vorbeugen. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 45 MEDIKAMENTÖSE BEHANDLUNG BEI ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHEN ­ERKRANKUNGEN Blick: Auf einen apie töse Ther n e m a ik d en Me h-rheumatisch entzündlic nen • Die meisten können heute mit moder en . g Erkrankun elt werden n gut behand können Medikamente erstörungen t kz en el G t, te • Das bedeu er zumindest verlangsam verhindert od werden. ch verringert. werden dadur n ze er m ch S • kommen so n und NSAR m Einsatz. o is rt o K en a zu • Neb istherapeutik genannte Bas nach einem ts ikamen wird der Arzt ed M es d l ah as ept, d • Die W Therapiekonz individuellen dem Patienten festlegt, it gemeinsam m n. getroffe e der liche Einnahm Bedeutung für er ui in nt ko ie • D ist von großer Medikamente folg. er den Therapie Welche Medikamente gibt es? Zu den Arzneimitteln, die vor allem schmerzstillend wirken, zählt die große Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR = kortisonfreie Rheumaschmerzmittel). Im Gegensatz dazu sind jene entzündungshemmenden Rheumaarzneien, die das körpereigene Hormon Kortison enthalten, zu erwähnen. Beide Medikamentengruppen entfalten eine rasche Wirkung. Sie wirken jedoch nur gegen die Krankheitszeichen, wie beispielsweise Schmerz und Schwellung, beeinflussen aber den längeren Krankheitsverlauf nicht oder – wie bei Kortison – nur beschränkt. Umso wichtiger ist der Einsatz von so genannten Basistherapeutika oder auch DMARDs (Disease Modifying Antirheumatic Drugs), die zumeist als Übersicht medikamentöse Therapie Schmerzbekämpfung und Entzündungshemmung Bekämpfung der Gelenkschwellung Bekämpfung der radiologischen Veränderung (Gelenkdeformation) NSAR ja ja nein Kortison ja ja nein (im Frühstadium ja)* Klassische Basistherapeutika ja ja ja Biologika/Biosimilars ja ja ja * keine Indikation für Langzeittherapie 46 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Medikamentöse Therapie Dauermedikation verabreicht werden. Sie sollen den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen, die aktive Entzündung über einen längeren Zeitraum zum Stillstand bringen und somit eine Erhaltung der Gelenkfunktion sicherstellen. Zur Gruppe der Basistherapeutika gehören die seit 1999 am Markt befindlichen so genannten Biologika sowie seit Kurzem auch deren „Nachbauten“, die Biosimilars. Was bedeutet Basistherapie oder DMARD? Basistherapeutika sind Medikamente, die bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zur Verbesserung der Gelenksymptomatik und zur Verminderung bzw. im Idealfall zum Stopp der Gelenkzerstörung führen. Der englische Begriff „Disease Modifying Antirheumatic Drug“ (DMARD), also krankheitsbeeinflussendes Medikament, trifft den Effekt der Substanz wohl am ehesten. Folgende Wirkstoffe – neben den Biologika/Biosimilars – zählen zu den Basistherapeutika und finden in Österreich häufig Anwendung: Sulfasalazin, Hydroxychloroquin, Leflunomid und Methotrexat. Die Dosierung liegt üblicherweise bei bis zu 30 mg einmal pro Woche. Die Verabreichung erfolgt entweder als Tablette oder als Spritze unter die Haut. Wie wirken Basistherapeutika? Sie „dämpfen“ bzw. normalisieren die „überschießende“ Antwort des Immunsystems. Dies führt zu einer Verringerung der entzündlichen Reaktionen in den Gelenken, wodurch Gelenkschwel- lungen verhindert werden sollen. Basistherapeutika üben eine Langzeitwirkung auf den Krankheitsverlauf aus, indem sie die fortschreitende Zerstörung der Knorpel und Knochen verhindern oder zumindest verzögern. Die Wirkung der Substanzen zeigt sich oft erst nach einigen Monaten. Nach längerer Einnahme sollte es zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden bis hin zur Beschwerdefreiheit und im Idealfall zum Stillstand der Erkrankung kommen. Sie müssen regelmäßig eingenommen werden und dürfen nur nach Absprache mit dem Arzt abgesetzt werden. Zumeist ist eine dauerhafte Einnahme erforderlich. Bei gutem Therapieansprechen des Patienten kann die Dosis reduziert werden. Kommt es bei Basistherapeutika zu Nebenwirkungen? Wie bei allen Medikamenten können vereinzelt Nebenwirkungen auftreten. Deshalb muss von Beginn an eine kontinuierliche Kontrolle durch den behandelnden Arzt erfolgen: anfangs alle vier bis sechs Wochen, danach in zwei- bis dreimonatigen Abständen. So können frühzeitig oft subjektiv nicht sichtbare Nebenwirkungen rasch und zielgerichtet behandelt werden. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Infektionen, Übelkeit, Durchfall, leichter Haarausfall sowie Leberfunktionsstörungen. Da eine Schädigung der Keimzellen durch Basistherapeutika nicht ausgeschlossen werden kann, raten Ärzte, eine Schwangerschaft erst mehrere Monate nach Abschluss der Behandlung in Betracht zu ziehen. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 47 Medikamentöse Therapie Wann kommen Basistherapeutika zum Einsatz? Bei: • rheumatoider Arthritis • juveniler idiopathischer Arthritis • Psoriasis-Arthritis • Spondyloarthritis mit Gelenkschwellungen • zum Teil bei Kollagenosen (z.B. systemischer Lupus erythematodes) Wie wirkt Kortison? Kortison bremst die Immunreaktionen und wirkt damit effizient gegen starke Entzündungen. Gerade bei rheumatischen Erkrankungen kommt dieser Effekt zum Tragen, denn Kortison unterdrückt die Entzündung in den Gelenken wirksam und schnell. Meist bessern sich die Beschwerden innerhalb von ein bis zwei Stunden nach der Einnahme. Oft wird Kortison zur Überbrückung eingesetzt, bis die Basistherapie greift. Wichtiger Hinweis: Kortison beseitigt aber nur das Symptom, eine Heilung kann dadurch nicht bewirkt werden. Warum ist Kortison so gefürchtet? In den 1970er-Jahren wurde Kortison häufig überdosiert und zu lange verabreicht. Dadurch kam es zu den bekannten Nebenwirkungen. Heute weiß man, dass große Mengen Kortison nur für kurze Zeit gezielt angewendet werden sollen, und handelt dementsprechend. Die Nebenwirkungen von vernünftig dosiertem Kortison sind wesentlich geringer ausgeprägt. 48 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Es stehen Wirkstoffe als ­Medikamente zur oralen Einnahme, als Fertigspritze bzw. Pen sowie in Form von Infusionen zur Verfügung. Medikamentöse Therapie Was ist bei der Einnahme von ­Kortison zu beachten? Kortisonpräparate müssen regelmäßig und zum vorgesehenen Zeitpunkt eingenommen werden. Sie sollten nach längerer Einnahme niemals plötzlich abgesetzt werden, sondern die Dosis muss Schritt für Schritt verringert werden. Denn der Körper kann während der Therapie die eigene Kortisonproduktion einstellen und daher kann es bei plötzlichem Absetzen des Präparats zu lebensgefährlichen Reaktionen kommen. Weiters muss das Risiko für das Auftreten von Osteoporose vor Beginn der Therapie mittels Knochendichtemessung abgeklärt werden. Ebenso sind regelmäßige Blutdruck-, Blutzucker- und Gewichtskontrollen sinnvoll. Wie wirken Biologika? Biologicals, auch Biologics oder Biologika genannt, sind mittels modernster Biotechnologie und unter sehr hohem technischem Aufwand hergestellte Eiweiße. Diese sind in der Lage, die Regulationsmechanismen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wesentlich zu beeinflussen. Dadurch unterscheiden sie sich von den restlichen in der Rheumatherapie einge­ setzten Präparaten. Biologika greifen gezielt in den immunologischen Abwehrmechanismus des Körpers ein: Sie schalten beispielsweise Zytokine – also Botenstoffe, die für die Immunantwort des Körpers zuständig sind – aus. Spätfolgen, wie z.B. Gelenkveränderungen bis hin zur Gelenkzerstörung, können mithilfe von Biologika gemin- dert, gestoppt oder zumindest hinausgezögert werden. Seit Kurzem stehen zudem „Nachbau“Präparate von Biologika, die so genannten Biosimilars, zur Verfügung (siehe Seite 54). Wie sieht der Therapieablauf aus? Die gängige Therapie besteht darin, dass die Gabe von Basistherapeutika beibehalten wird, wenn mit einer Biologikatherapie begonnen wird. Innerhalb von 2–4 Wochen tritt oftmals eine Besserung ein, nach rund 8–16 Wochen ist das Wirkungsmaximum erreicht. Sollte nach 3–4 Monaten kein entsprechender Therapieerfolg erzielt worden sein, sollte ein Wechsel auf ein anderes Biologikum oder ein anderes Wirkprinzip ins Auge gefasst werden. Wann wird mit einer Biologikatherapie begonnen und welche Vorteile hat sie? Biologika werden erst nach erfolglosen Versuchen mit Basistherapeutika eingesetzt. Die Biologika sind also für die Behandlung jener Patienten zugelassen, bei denen die Basismedikamente nicht oder nicht ausreichend wirken. Die gleichzeitige Einnahme von Biologika und Basistherapeutika ist in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis nahezu immer angezeigt (Kombinationstherapie). Patienten mit PsoriasisArthritis und Spondylarthropathien (Morbus Bechterew) können auch mit einer Biologika-Monotherapie behandelt werden. Bis zur Hälfte der mit den neuen Wirkstoffen behandelten Patienten berichtet, Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 49 Übersicht: Biologika in der Rheumatologie Wirkstoff Darreichungsform Zugelassen für Infliximab intravenöse Infusion, zunächst in Woche 0, 2 und 6, danach alle vier bis acht Wochen, abhängig von der Erkrankung rheumatoide Arthritis, PsoriasisArthritis, Morbus Bechterew, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn mit Fistelbildung, pädiatrischer Morbus Crohn Adalimumab subkutan: Fertigspritze oder Pen; Durchstechflasche ausschließlich für Kinder, alle zwei Wochen rheumatoide Arthritis, PsoriasisArthritis, Morbus Bechterew, Morbus Crohn, juvenile idiopathische Arthritis, Colitis ulcerosa Etanercept Durchstechflasche; subkutan: Fertigspritze oder Pen, ein- oder zweimal wöchentlich rheumatoide Arthritis, PsoriasisArthritis, Morbus Bechterew, juvenile idiopathische Arthritis Certolizumab subkutan: Fertigspritze, zwei Injektionen jeweils in Woche 0, 2 und 4, danach eine Injektion jede zweite Woche rheumatoide Arthritis, PsoriasisArthritis, Morbus Bechterew Golimumab subkutan: Fertigspritze oder Pen, einmal monatlich rheumatoide Arthritis, PsoriasisArthritis, Morbus Bechterew, Colitis ulcerosa Interleukin-12/23Blocker Ustekinumab subkutan: Durchstechflasche oder Fertigspritze, erste Injektion in Woche 0, zweite nach vier Wochen, danach alle zwölf Wochen Psoriasis-Arthritis B-Zell-Antikörper Rituximab intravenöse Infusion, in Woche 0 und 2 eine Infusion, danach alle sechs Monate bzw. nach Bedarf rheumatoide Arthritis Selektiver T-ZellCo-Stimulationshemmer Abatacept intravenöse Infusion: in Woche 0, 2 und 4 einmal, danach alle vier Wochen; subkutan: zu Beginn der Therapie optional einmalige intravenöse Infusion (Loading-Dose); generell: wöchentlich subkutane Injektion rheumatoide Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis IL-6-RezeptorInhibitor Tocilizumab intravenöse Infusion, alle vier Wochen; subkutan: Fertigspritze, einmal wöchentlich rheumatoide Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis IL-1-RezeptorInhibitor Anakinra subkutan: Fertigspritze, einmal täglich rheumatoide Arthritis BLyS-Inhibitor Belimumab intravenöse Infusion, zunächst in Woche 0, 2 und 4, danach alle vier Wochen systemischer Lupus erythematodes PhosphodiesteraseHemmer Apremilast Filmtablette zum Schlucken Psoriasis-Arthritis TNF-alphaBlocker 50 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Medikamentöse Therapie dass sich ihre Beschwerden deutlich gebessert haben – wobei auch hier wieder der rechtzeitige Beginn der Behandlung entscheidend für den Therapieerfolg ist. Lagerung der Substanz, wenn man beispielsweise auf Urlaub fährt, wegfällt. Ebenso entfallen Umstände bei der Selbstverabreichung. Bei welchen Erkrankungen kommen Biologika zum Einsatz? Biologika in Form von Fertigspritzen oder Pens – welche Vorteile bringen sie? Bei: • rheumatoider Arthritis • juveniler idiopathischer Arthritis • Psoriasis • Psoriasis-Arthritis • Morbus Bechterew • chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen • Regenbogenhautentzündung • systemischer Lupus erythematodes u.a. Biologika in Form von Infusionen – wo liegen die Vorteile? Die Infusion wird über eine Vene des Patienten in der Ordination oder an einer Tagesstation vom Facharzt verabreicht. Die Vorteile bei der Verabreichung von Infusionen sind maßgeschneiderte Dosierung, längere Intervalle und direkte Kontrolle durch den verabreichenden Arzt (Pflegepersonal). Nach der Infusion tritt die Wirkung bei den meisten Biologika sehr rasch ein. Schmerzen und Morgensteifigkeit werden reduziert. Auch die Entzündungszeichen im Blut (CRP, Blutsenkung) bessern sich. Wesentlich ist, die Behandlung weiterzuführen, auch wenn sich die Symptome gebessert haben, andernfalls kann sich die Krankheit wieder verschlimmern. Als vorteilhaft empfinden Patienten, dass sie sich um nichts kümmern müssen. Das bedeutet, dass die Sorge um die Die erste Verabreichung der Wirksubstanzen mittels Fertigspritze oder Pen sollte unter Anleitung des behandelnden Arztes erfolgen. Die Substanzen werden beispielsweise als fertige Lösung in einem vordosierten Pen mit inkludierter Nadel ohne weitere Vorbereitungsmaßnahmen verabreicht. Hat der Patient genügend Sicherheit in der eigenständigen Anwendung erlangt, verabreicht er sich den Wirkstoff zu Hause selbst. Dies stellt für viele Patienten einen Vorteil dar, weil sie dadurch unabhängig vom Spital oder vom behandelnden Arzt sind. Wichtig ist allerdings, darauf hinzuweisen, dass der Betroffene zu Hause für eine entsprechende Kühlung der Substanz im Kühlschrank (bei ca. 2–8 °C) sorgen muss. Was bewirken TNF-alpha-Blocker? Ein typisches Beispiel für den oben genannten Wirkmechanismus sind die TNF-alpha-Blocker (Tumor-NekroseFaktor alpha). Die zum Einsatz kommenden Substanzen – Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab und Infliximab – blockieren den körpereigenen, entzündungsauslösenden Botenstoff TNF-alpha. Über diesen Wirkmechanismus hemmen sie damit das weitere Fortschreiten der Gelenkentzündung, wodurch der Gelenkzerstörung Einhalt geboten wird. Die BeBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 51 Medikamentöse Therapie weglichkeit des Gelenks bleibt erhalten. Die Vorteile gegenüber herkömmlichen Basismedikamenten: Viele Patienten sprechen gut und rasch auf TNF-alphaBlocker an, die Entzündung in den Gelenken nimmt ab, zudem wird das Voranschreiten der Knochenveränderungen eingedämmt bzw. gestoppt. Der Patient bemerkt den Behandlungserfolg, indem er weniger Schmerzen verspürt und die Gelenkschwellung abnimmt bzw. im Idealfall ganz verschwindet. Als Nachteil sind die hohen Kosten und ein erhöhtes Infektionsrisiko anzuführen. Wichtig: Vor dem Verabreichen der Substanz muss das Vorliegen einer Infektion, insbesondere von Tuberkulose, ausgeschlossen werden! Welche Bedeutung kommt der B-Zell-Therapie zu? Im Gegensatz zu den TNF-alpha-Blockern, bei denen das Hauptaugenmerk auf der Regulation von Zytokinen liegt, ist diese Therapie auf die B-Zellen oder B-Lymphozyten, einer Unterklasse der weißen Blutkörperchen, ausgerichtet. Eine wichtige Aufgabe der B-Zellen ist es, Antikörper zu bilden. Bei rheumatoider Arthritis werden die B-Zellen jedoch zur „Attacke“ gegen die eigenen Gelenke gerufen. Durch die B-ZellTherapie werden B-Zellen, die auf ihrer Oberfläche ein spezielles Merkmal (CD20) tragen, stark vermindert. Dadurch können die Krankheitsaktivität und die radiologisch nachweisbare Zerstörung der Gelenke verringert werden. Die dabei zum Einsatz kommende Substanz Rituximab wurde ursprünglich 52 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 für die Therapie von bösartigen Erkrankungen des lymphatischen Systems entwickelt. Zellen wie z.B. Plasmazellen, die das Merkmal CD20 nicht tragen, werden nicht eliminiert, wodurch ein Teil der körpereigenen Abwehrkraft erhalten bleibt. Es werden in der Regel zwei Infusionen im Abstand von 14 Tagen verabreicht – wenn sich keine Wirkung zeigt, kommt es zu keinem weiteren Einsatz von Rituximab. Zeigt sich ein positiver Effekt der Therapie, hält dieser zwischen sechs Monaten und einem Jahr an. Meist wird Rituximab mit einem Basistherapeutikum kombiniert. Blockade der Aktivierung der T-Zellen – was bringt das? Wenn ein Patient auf die Therapie mit Basistherapeutika nicht zufriedenstellend anspricht oder diese nicht verträgt, kann Abatacept als Biologikum zum Einsatz kommen. Die Substanz ist für Patienten mit moderater bis schwerer rheumatoider Arthritis (RA) sowie mit juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) zugelassen und wird zumeist zusammen mit Methotrexat angewendet. Seine immunmodulierende Wirkung kommt durch die Blockade der Aktivierung von T-Zellen zustande. Der Wirkstoff hemmt die Aktivierung von T-Lymphozyten (T-Zellen), die bei der Steuerung von ­ Abwehrvorgängen des Immunsystems eine Rolle spielen, und unterdrückt dadurch die Entzündungsvorgänge. Wann kommt ein Interleukin-6-­ Rezeptor-Inhibitor zum Einsatz? Beim IL-6-Rezeptor-Inhibitor handelt es sich um einen humanisierten mono- Medikamentöse Therapie klonalen Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor (IL-6), der die Aktivität von IL-6 – einem anderen wichtigen Auslöser des Entzündungsprozesses – unterdrückt. Die Substanz Tocilizumab, die hier zum Einsatz kommt, ist zur Behandlung von Patienten mit mäßiger bis schwerer aktiver RA bzw. mit polyartikulärer juveniler idiopathischer Arthritis zugelassen, die unzureichend auf eine Therapie mit Basistherapeutika angesprochen haben. Die Wirkweise reduziert die Entzündung der Gelenke und lindert die systemischen Symptome. Der Wirkungseintritt ist in der Regel sehr rasch zu erwarten. Welche weiteren medikamentösen Optionen gibt es? • Eine weitere Therapieoption bei der rheumatoiden Arthritis stellt der IL1-Rezeptor-Inhibitor Anakinra dar. Dieser kommt ebenfalls bei erwachsenen Patienten, die nur unzureichend auf Basistherapeutika ansprechen, zum Einsatz. Die Substanz hemmt den entzündungsfördernden Botenstoff Interleukin-1. Anakinra ist allerdings in seiner Wirksamkeit den anderen Biologika unterlegen und kommt daher nicht primär zur Anwendung. • Bei der Psoriasis-Arthritis sind der Interleukin-12/23-Blocker Ustekinumab sowie der PhosphodiesteraseHemmer Apremilast weitere medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten. Ustekinumab setzt bei den Entzündungsbotenstoffen Interleukin-12 und -23 an und kann dadurch die Entzündungen verringern. Apremilast hemmt das Enzym Phosphodiesterase IV, wodurch ebenfalls die Entzündungsreaktion reduziert wird. • Ein Biologikum, das bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (siehe S. 84), die trotz Standardtherapie eine hohe Krankheitsaktivität aufweisen, eingesetzt wird, ist der so genannte BLyS-Inhibitor Belimumab. Seine Wirkung beruht auf der Bindung an das lösliche humane B-Lymphozyten-Stimulator-Protein BLyS, was zu einer Verkürzung der Lebensdauer von B-Lymphozyten führt. Welche Kontrollen sind bei einer Dauertherapie wesentlich? Um Schäden, die subjektiv nicht merkbar sind, rechtzeitig zu erkennen, sollten folgende Werte regelmäßig kontrolliert werden: Blutbild, Leberwerte, Nierenwerte, CRP und Harn. Einige Präparate oder die Kombination mehrerer Substanzen erfordern noch zusätzliche Kontrolluntersuchungen. Regelmäßige Blutkontrollen sind erforderlich. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 53 BIOSIMILARS: ERGÄNZUNG DER MEDIKAMENTÖSEN OPTIONEN Blick: Auf einen rs Biosimila er Originalerprodukte“ d identisch hm ha ac „N d n • sin nicht mit diese Biologika, aber eit von rh he it und Sic ke m sa irk W so vertrauen • Der nnen Sie eben kö rs ila m si io B iologika! wie der von B senden es für Sie pas delnden d l ah w us A an • Die liegt beim beh ­Arzneimittels Arzt. Sind Biologika und Biosimilars ­dasselbe? Nein, nicht ganz. Biosimilars sind „Nachbauten“ von Biologika: Sie sind ihnen ähnlich, aber nicht identisch. Noch einmal kurz zusammengefasst: Biologika sind Medikamente, die auf biotechnologischem Wege hergestellt werden, d.h. unter Zuhilfenahme lebender Zellen. Die meisten biotechnologisch hergestellten Wirkstoffe bestehen aus Hunderten von Aminosäuren. Diese werden zu „therapeutischen Proteinen“ aufbereitet. Durch ihre komplexe Struktur wirken sie sehr gezielt. So können sie beispielsweise bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen gewisse Entzündungvorgänge und dadurch den Krankheitsmechanismus beeinflussen. 54 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Was sind nun Biosimilars? Seit Kurzem steht eine weitere Medikamentengruppe zur Verfügung, die so genannten „Biosimilars“. Dabei handelt es sich um Nachfolgeprodukte von Original-Biologika, deren Patentschutz abgelaufen ist. Sind Biosimilars also Generika? Nein! Läuft der Patentschutz eines Medikaments ab, darf ein anderer Hersteller den Wirkstoff ebenfalls auf den Markt bringen. Bei synthetischen Arzneimitteln wird das Medikament nachgebaut. Diese „Nachbau-Medikamente“ nennt man Generika. Bei Biologika sind identische Nachbauten nicht möglich. Der Grund liegt Biosimilars im Herstellungsprozess: Dieser ist bei herkömmlichen Arzneimitteln einfach. Daher können von diesen chemisch idente Kopien produziert werden, eben die so genannten Generika. Die Struktur eines Biologikums wird aber sehr stark durch den Herstellungsprozess beeinflusst. Daher können Biologika nicht identisch kopiert werden. Biosimilars sind somit keine „Biologika-Kopien“? Genau! Biosimilars sind biologische Arzneimittel, die einem Biologikum ähnlich sind. Ähnlich bedeutet aber nun einmal nicht identisch. Daher heißen die Nachfolgeprodukte von Biologika „Biosimilars“: „similar“ (englisch) = „ähnlich“. Was bedeutet „ähnlich“ in diesem Zusammenhang? Ein Biosimilar entspricht im Wesentlichen dem Original-Biologikum. Aufgrund der komplexen Struktur und des aufwendigen Herstellungsverfahrens kann es jedoch geringe Unterschiede geben. Das gilt in gewissem Sinne übrigens auch für Biologika: Auch die OriginalBiologika haben – ebenso wie die Biosimilars – ein gewisses Maß an so genannter natürlicher Variabilität. Das heißt, es sind aufgrund des komplexen Herstellungsprozesses gewisse Abweichungen auch bei Biologika möglich. Wichtiger Hinweis: Diese Variabilität hat aber üblicherweise keine Auswirkungen auf Wirksamkeit und Sicherheit der Biologika und Biosimilars! Biosimilars erfordern – genauso wie Biologika – einen aufwendigen Herstellungsprozess. Wird die Wirksamkeit von Biosimilars überprüft? Ja! Die Ähnlichkeit eines Biosimilars zum Original-Biologikum muss in verschiedenen Prüfungen nachgewiesen werden und wird von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA (European Medicines Agency) kontrolliert. Dabei werden u.a. Kriterien wie pharmazeutische Qualität sowie klinische Wirksamkeit und Sicherheit überprüft. Ein von der EMA zugelassenes Biosimilar erfüllt damit alle Anforderungen in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 55 NICHT-MEDIKAMENTÖSE BEHANDLUNG BEI ENTZÜNDLICH- RHEUMATISCHEN ERKRANKUNGEN Blick: Auf einenamentöse dik Nicht-me en Maßnahm sätzlich den haben grund n: ne io at er p • O Gelenks zu fähigkeit des ns tio nk Fu ie Sinn, d zu lindern d Schmerzen un rn se es rb ve : dienen dem e Maßnahmen ch lis ka si hy P • eglichkeit Erhalt der Bew Alltags ältigung des ew B ie d ll so ie: • Ergotherap ittel stehen iverse Hilfsm n, erleichter d zur Verfügung 56 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Wann ist eine Operation sinnvoll? Operationen sind niemals ein Ersatz für eine medikamentöse Therapie, sondern werden dann durchgeführt, wenn alle herkömmlichen Methoden (wie physikalische Therapie, Medikamente, Hilfsmittel etc.) ausgeschöpft sind und trotzdem anhaltende Schmerzen in einem Gelenk bestehen. Operationen können entweder eine vorbeugende oder eine wiederherstellende Maßnahme darstellen. Welche Operationsmethoden gibt es? • Synovektomien: Dabei wird entzündete Gelenkschleimhaut entfernt. Mithilfe Nicht-medikamentöse Therapie dieser chirurgischen Behandlung kann das Fortschreiten der Gelenkzerstörung entscheidend verzögert und in manchen Fällen sogar zum Stillstand gebracht werden. Durch die Möglichkeiten der so genannten Schlüssellochchirurgie mittels Arthroskopie kann der Eingriff vor allem am Knie oder an der Schulter ohne große Schnitte erfolgen. Bei den Handoder Fingergelenken ist eine Arthroskopie jedoch oft nicht möglich, weil Bänder oder Sehnen mitbehandelt werden müssen. Dann kann lediglich eine „offene“ Synovektomie erfolgen, die größere Schnitte notwendig macht. Nach dem Eingriff wächst die Gelenkinnenhaut (Synovia) innerhalb weniger Wochen wieder nach. • Korrekturoperationen bei Gelenkfehlstellungen oder Funktionseinschränkungen (präventive und rekonstruktive Eingriffe) • Gelenkersatz (= Teil- oder Totalendoprothesen) • Arthrodesen, Spondylodesen (= stabilisierende Versteifungsoperation) Was ist eine Radiosynoviorthese? Bei der Radiosynoviorthese wird eine schwach radioaktiv strahlende Flüssigkeit in ein chronisch entzündetes Gelenk injiziert. Dadurch verödet die entzündete Gelenkinnenhaut oberflächlich. Diese Behandlungsform wird jedoch erst dann angewendet, wenn die Basistherapie und die Kortisongabe direkt ins Gelenk nicht ausreichend wirksam waren. Wann ist ein Gelenkersatz notwendig? Ist ein bestimmtes Maß an Zerstörung erreicht, bleibt nur noch der künstliche Gelenkersatz mit Materialien wie Metall, Keramik, Polyethylen oder Silastic. Der Eingriff ist an fast allen Gelenken möglich, etwa an Schulter-, Ellbogen-, Hand-, Finger-, Hüft-, Knie-, oberem Sprunggelenk oder an den Zehengelenken. Am häufigsten wird er beim Hüftund Kniegelenk durchgeführt. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass Kunstgelenke zu einem hohen Prozentsatz Schmerzfreiheit und annähernd normale Beweglichkeit erwarten lassen können. 90–95% der Implantate halten mindestens 15 Jahre, bei sehr aktiven jüngeren Patienten kann es etwas kürzer sein. Bestimmte Materialpaarungen haben einen extrem niedrigen Abrieb, wie z.B. Keramik-Keramik, wodurch auch eine starke Belastung im Rahmen sportlicher Betätigung möglich wird. Was versteht man unter einer ­Versteifungsoperation? Eine operative Gelenkversteifung wird beispielsweise bei einer sehr schweren rheumatischen Erkrankung vorgenommen (oft bei kleineren Gelenken im Bereich der Fuß- und Wirbelgelenke) und dient vor allem der Schmerzlinderung. Die Bewegungsfähigkeit des Gelenks wird unterbunden, die Knochenteile des versteiften Gelenks wachsen zusammen. Welche Operationsmöglichkeiten gibt es? • Bei rheumatoider Arthritis (RA): Je nach Stadium wird die entzündlich veränderte Gelenkkapsel oder Sehnenscheide entfernt (Synovektomie). Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 57 Nicht-medikamentöse Therapie Zerstörte Sehnen werden wiederhergestellt, eine Gelenkteilentfernung (Resektionsarthroplastik) wird vorgenommen, eine Gelenkversteifung (Arthrodese) durchgeführt oder ein künstliches Gelenk eingesetzt. Künstliche Gelenke werden häufig im Bereich von Hüfte, Knie oder Schulter eingesetzt, im Bereich des Ellbogens oder Sprunggelenks eher seltener. Bei kleineren Gelenken wird oft auch eine Versteifungsoperation durchgeführt. Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis kommt es häufig im Bereich des 2. Halswirbelkörpers zu entzündlichen Veränderungen, die im fortgeschrittenen Stadium zu neurologischen Ausfällen führen können. Die beginnende Schädigung des Rückenmarks zeigt sich durch HinterkopfNacken-Schmerzen, eine Schwächung an den Extremitäten und Unsicherheit beim Gehen. Durch eine Versteifungsoperation kann das Rückenmark geschützt und eine weitere Schädigung verhindert werden. • Bei Morbus Bechterew: Im Vordergrund steht lebenslange Gymnastik zur Kräftigung der Rückenstrecker. Wenn der Krankheitsverlauf jedoch so stark fortschreitend ist, dass die Krümmung der Wirbelsäule stark zunimmt, sollte rechtzeitig eine Versteifungsoperation im Bereich der Wirbelsäule durchgeführt werden. Dabei werden Schrauben in die Wirbelkörper eingebracht und untereinander mit Stäben verbunden, um eine Stabilisierung zu erreichen. Diese Implantate sind nur vorübergehend als Stabilisatoren gedacht, bis eine knöcherne 58 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 „Brücke“ entsteht, die das Fortschreiten der Erkrankung stoppt. • Bei Psoriasis-Arthritis: Je nach Stadium wird die entzündlich veränderte Gelenkkapsel oder Sehnenscheide entfernt (Synovektomie), zerstörte Sehnen werden wiederhergestellt, eine Gelenkteilentfernung (Resektionsarthroplastik) wird vorgenommen, eine Gelenkversteifung (Arthrodese) durchgeführt oder ein künstliches Gelenk eingesetzt. Welche physikalischen Maßnahmen gibt es? Physikalische Maßnahmen sind bei allen Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates für den Erhalt der Gelenkbeweglichkeit wichtig. Hierzu zählen: • Bewegungstherapie • Wärme- und Kältetherapie • Massage (manuelle und Reflextherapie) • Elektrotherapie • medizinische Trainingstherapie Warum ist Bewegung so wichtig? Mit Heilgymnastik kann eine Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit, eine Kräftigung der Muskulatur sowie eine Schmerzlinderung erreicht werden. Vorsicht: Bei einem akuten Schub sollte die Heilgymnastik pausiert werden! Wann kommt Wärme, wann Kälte zur Anwendung? Durch die Wärmetherapie sollen Schmerzen gelindert und Muskeln entspannt werden. Warme Wickel, Bäder, Moor-, Fango- oder Schlickpackungen, Nicht-medikamentöse Therapie te Moorpackungen, Kryopacks (Kryo = Kälte) und Kältebäder (15 °C) bis zu Ganzkörpertherapien in Kältekammern mit Temperaturen bis -110 °C. Vorsicht: Nicht angewendet werden darf die Kältetherapie bei Fieber, Nieren- und Blasenleiden, Kälteüberempfindlichkeit sowie bei Gefäßentzündungen! Was bewirken Massagen? Massagen entspannen verhärtete Muskeln, was sich wiederum entlastend auf die Gelenke auswirkt. Zudem fördern Massagen die Durchblutung und regen den Muskeltonus an. Massagen können auch Schwellungen reduzieren. Wichtig ist, dass sie vom Patienten als angenehm empfunden werden. Was ist Elektrotherapie? Kältetherapien, wie z.B. Kryopacks, können bei akuten Entzündungen helfen, Schmerzen zu lindern. Heusäcke oder Paraffin als Wärmeträger (oft bei Arthrose in den Finger- oder Kniegelenken) sowie Bestrahlung mit Infrarotlampen sind Möglichkeiten der Wärmebehandlung. Vorsicht: Bei akuten Entzündungen soll Wärme nicht angewendet werden, da diese die Symptomatik der Erkrankung verschlimmern kann! Die Kältetherapie wirkt entzündungshemmend, schmerzlindernd und bewegungsfördernd. Sie wird bei geschwollenen Gelenken, Schmerzen und akuten Entzündungen angewendet. Die Techniken reichen von Eispackungen über kal- Die Verfahren der Elektrotherapie beinhalten die therapeutische Anwendung von elektrischem Strom in der Medizin. Sie unterscheiden sich sowohl physikalisch als auch biologisch voneinander. Die Hochfrequenztherapie ist eine reine Wärmetherapie mit großer Tiefenwirkung. Mittels spezieller Elektroden wird hochfrequenter Strom durch die Haut geleitet und im Körper in Wärme umgewandelt. Achtung: Für Patienten mit einer Prothese im zu behandelnden Gebiet oder mit einem Herzschrittmacher ist diese Form der Therapie nicht geeignet. Die Niederfrequenztherapie arbeitet im Frequenzbereich bis 1.000 Hertz. Sie dient der Schmerzlinderung, dem Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 59 Nicht-medikamentöse Therapie Muskeltraining und der Durchblutungsförderung. Dadurch können Schmerzmedikamente eingespart oder ein kreislaufschondendes Muskeltraining durchgeführt werden. Achtung: Bei aktiven Entzündungen oder Hautdefekten sollte die Niederfrequenztherapie nicht angewendet werden. Wann ist eine medizinische Trainingstherapie sinnvoll? In chronischen Krankheitsphasen kommt es häufig zu Muskelschwund. Hier ist ein richtig dosiertes, ärztlich überwachtes Ausdauer- und Krafttraining indiziert. Natürlich müssen die biomechanischen Gelenkveränderungen berücksichtigt und Trainingsgeräte sowie Trainingsintensität individuell angepasst werden. Die Effekte zeigen sich jedoch nicht nur in einer besseren körperlichen Leistungsfähigkeit und gesteigertem Wohlbefinden, sondern auch in einer Abnahme der Entzündungsaktivität. Was bewirkt Ergotherapie? Die Ergotherapie versucht, dem erkrankten Menschen trotz einer beeinträchtigenden Erkrankung größtmögliche Selbstständigkeit im Alltag zu ermöglichen. Gemeinsam mit dem Betroffenen werden Hilfsmittel ausprobiert und gegebenenfalls angeschafft. Es wird genau besprochen, wie beispielsweise der Arbeitsplatz gelenkschonend gestaltet werden kann oder welche Übungen bei sportlicher Betätigung weniger belastend sind. Es gibt auch spezielle orthopädische Hilfsmit60 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Bewegungstherapie mit einem Physiotherapeuten wird empfohlen. tel, wie z.B. Gelenkschienen, die helfen, den Alltag besser zu meistern. Ziele sind mehr Selbstständigkeit im täglichen Leben, weniger Schmerzen und eine Schonung des betroffenen Gelenks. Was bedeutet Gelenkschutz? Gelenkschutz bedeutet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ruhe und Belastung. Die Gelenke sollten achsengerade belastet, d.h. nicht verdreht werden, wie es z.B. beim Auswinden eines Tuches der Fall ist. Gelenke sollten auch keiner Vibration ausgesetzt werden: So sollte man beispielsweise nicht mit einem Küchenmixer arbeiten, der starke Vibrationen erzeugen kann. Die Belastung sollte mäßig sein und auf Nicht-medikamentöse Therapie Vibrationen schaden den Gelenken. Überblick: Nicht-medikamentöse Behandlungen Zur Schmerzbehandlung: Thermotherapie, Elektrotherapie, ­Ultraschall, Massagen (je nach Schmerz­ ursache unterschiedliche Auswahl an Therapieverfahren) so viele Gelenke wie möglich verteilt werden – so sollten z.B. Lasten beidhändig getragen, Trinkgefäße mit beiden Händen gehalten werden etc. Welche Hilfen gibt es für den Alltag? Im gut sortierten Fachhandel stehen unterschiedliche Hilfsmittel zur Verfügung, z.B.: • Finger- und Handhalterungsschalen • Knopfloch- und Schwanenhalsschienen • spezielle Messer (der Griff ist 90 Grad von der Klinge weggebogen) und Flaschenöffner • ergonomische Computertastaturen • Computermaus, die die Handgelenke nicht belastet • Handstöcke und Gehstützen Zur Entzündungshemmung: Thermotherapie (Kälte bei akuten, Wärme bei chronischen Entzündungen) Zur Behandlung von Bewegungsstörungen: Heilgymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie Zur Muskelentspannung und Verbesserung der Durchblutung: Heilgymnastik, klassische Massage, ­Wärmetherapie, Kältetherapie Zur Muskelkräftigung: Heilgymnastik, Reizstromtherapie, ­Elektrotherapie Zur Verhütung und Korrektur von Fehlstellungen: Heilgymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 61 REGELMÄSSIGE KONTROLLEN UND ­THERAPIEANPASSUNG Warum ist eine frühzeitige Therapie so wichtig? Beim Auftreten von unklaren Gelenkschmerzen und/oder Gelenkschwellungen, verbunden mit Morgensteifigkeit, sollte zeitnah ein Arzt aufgesucht werden! Denn je früher Patienten mit rheumatoider Arthritis identifiziert werden und mit einer Rheuma-Basistherapie begonnen wird, desto besser kann die Krankheitsaktivität eingedämmt werden. Was kann der Patient selbst beitragen? Patienten können das Fortschreiten der rheumatoiden Arthritis am besten verhindern bzw. verlangsamen, indem sie die empfohlenen medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen konsequent durchführen und die vereinbarten ärztlichen Kontrollen einhalten. Warum sind zu Beginn der Therapie häufige Arztbesuche erforderlich? Wer eine Basistherapie einer rheumatischen Erkrankung beginnt, muss zunächst in kürzeren Intervallen Kontrolltermine wahrnehmen. Dadurch kann der Rheumatologe überprüfen, ob die The­rapie auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist, ob die Behandlungsziele erreicht wurden bzw. ob eventuell Therapieanpassungen notwendig sind. Eines der Hauptziele der Therapie ist die Beschwerdefreiheit des Betroffenen (= Remission). Sollte das Erreichen einer Remission nicht mög62 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 lich sein, soll zumindest ein Zustand mit geringer Krankheitsaktivität erreicht werden. Was versteht man unter dem Begriff „Remission“? Remission bezeichnet das Erreichen eines Zustandes, in dem keine Schwellungen mehr vorhanden sind bzw. nur noch ein Gelenk geschwollen ist und auch keine Schmerzen mehr vorliegen. Dies geht mit dem Wiedererlangen bzw. dem Erhalt der Funktionsfähigkeit der Gelenke einher. Welche Kontrollen sind bei einer Dauertherapie wesentlich? Klinische Kontrollen beim Rheumatologen sind notwendig, um die Effektivität der eingesetzten Basistherapie zu beurteilen. Im Arzt-Patient-Gespräch werden auch die Verträglichkeit der Medikamente und eine eventuelle Änderung oder Ergänzung der bestehenden Therapie erörtert. Außerdem sind Überprüfungen der Blutwerte notwendig, um Nebenwirkungen der Medikamente, welche man selbst nicht immer bemerken würde, zu erkennen. In bestimmten Abständen werden auch entsprechende Röntgenkontrollen durchgeführt. Zudem können auch Begleitmaßnahmen wie Ergotherapie, Hilfsmittelversorgung sowie die berufliche Situation und eventuell die Notwendigkeit einer Rehabilitation besprochen werden. HIGH-TECH SONNENPFLEGE DNA-REPARATURENZYME PLUS NOPAL-KAKTUS ALL-IN-ONE GESICHTSUND LIPPENSOFTGEL ALPIN SPF 30 ✦ kann vor UV-Licht-bedingten Hautschäden schützen ✦ optimal für sonnenempfindliche Haut geeignet ✦ Kälteschutz / Schwitzfest / Parfumfrei / ohne Parabene ✦ im praktischen Pocket-Format UVB + UVA www.ateia.at SPEZIELL ENTWICKELT FÜR ALPINE BEDINGUNGEN ✦ Erhältlich in Ihrer Apotheke. VERSCHLEISSRHEUMATISMUS 64 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Frauen sind von Arthrosen häufiger betroffen als Männer. ARTHROSE Welche Gelenke sind betroffen? Blick: Auf einen Arthrose ische Gelenk­ ativ-rheumat er en eg d ne cheinungen“) • ist ei bnutzungsers A („ ng ku an erkr sterreich rund • b etrifft in Ö Menschen 1,4 Millionen s bei bei Frauen al • tritt häufiger Männern auf em st zwischen d nter • beginnt mei itu r, Lebensjah m 50. und 60. ch na üher (z.B. auch schon fr letzung) der einer Ver o l al nf U m eine Wie kommt es zu Arthrose? Arthrosen sind chronische Gelenkerkrankungen, die aufgrund von Veränderungen des Gelenkknorpels und des darunter liegenden Knochengewebes entstehen. Die Ursache sind Umbauprozesse im Knorpelgewebe und im gelenknahen Knochengewebe. Dabei kommt es zu einer Störung des Gleichgewichts im Knorpelstoffwechsel. Den Verlust von Knorpelgewebe kann der Körper nicht mehr ausgleichen. Die Folge: Schmerzen, Muskelverspannungen, Bewegungseinschränkungen und vereinzelt auch Schwellungen im Bereich der betroffenen Gelenke. Mit der Zeit kann es zu Gelenkverformungen und damit zu einer nicht mehr rückbildungsfähigen Funktionseinschränkung kommen. Ein Trauma (Unfall, Verletzung) kann die Entstehung von Arthrose begünstigen. Oftmals sind Knie- und Hüftgelenke betroffen, da diese stark belastet werden, müssen sie doch einen großen Teil des Körpergewichts tragen. Die verminderte Beweglichkeit und Belastbarkeit infolge einer Arthrose verändern die Haltung und den Gang. Auch die Arthrose der kleinen Fingergelenke (Fingerarthrose), die vor allem die Fingerendgelenke (Heberden-Arthrose), die Fingermittelgelenke (Bouchard-Arthrose) sowie die Daumensattelgelenke (Rhizarthrose) betrifft, kommt sehr häufig vor. Welche Faktoren begünstigen die Entstehung einer Arthrose? • Alter: Fast jeder zweite über 70-Jährige hat Abnutzungserscheinungen an den Gelenken, die sich unterschiedlich stark mit Schmerzen bemerkbar machen können. • Genetik: Es gibt Familien, bei denen die Erkrankung häufiger auftritt. Ursache dafür dürften arthrosespezifische Gene sein. Unterschied zwischen Arthritis und Arthrose • Unter dem Begriff Arthritis werden entzündliche Gelenkleiden zusammengefasst. • Bei der Arthrose liegt eine primär nicht entzündliche Abnutzungserkrankung vor. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 65 Arthrose Veränderungen des Gelenkknorpels können zu Arthrose führen. • Starkes Übergewicht: Mehr Gewicht belastet die Gelenke zusätzlich und fördert somit auch die Entstehung von Abnutzungserscheinungen. Vor allem die Kniegelenke und in geringerem Ausmaß auch die Hüftgelenke sind bei übergewichtigen Menschen häufig von Arthrose betroffen. • Fehlstellungen: Gelenke, die von Geburt an fehlgestellt sind (X-Beine, OBeine), bzw. Personen, die Verletzungen (wie Meniskusschäden) erlitten haben, neigen besonders zur Entwicklung einer Arthrose. Wichtiger Hinweis: Durch ein Ultraschall-Screening von Neugeborenen 66 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 kann eine Fehlstellung der Hüfte festgestellt und so bereits früh behandelt werden, z.B. durch breites Wickeln oder eine so genannte Spreizhose. • Stoffwechselstörungen wie Eisenspeicherkrankheit • Überbelastung: Jahrelange schwere körperliche Arbeit, wie etwa lange Tätigkeiten im Stehen mit zusätzlichem Anheben von schweren Gewichten (schaufeln, hacken etc.) oder Tätigkeiten mit hoher Belastung bestimmter Gelenke bzw. Gelenkregionen (z.B. Kniescheiben bei Fliesenlegern), kann Arthrose fördern. • Extremsport: Fußballer beispielsweise Arthrose leiden besonders häufig an einer Arthrose der Knie, der Hüfte oder auch der Knöchelgelenke, Radsportler an Veränderungen der Kniescheiben bzw. der Kniegelenke, Balletttänzer an Arthrose in den Sprunggelenken. Wie sieht der typische Verlauf aus? Der Verlauf ist unterschiedlich. Vom Erscheinungsbild her unterscheidet man das klinisch stumme Stadium (Arthrose im Röntgenbild ohne Beschwerden), das chronische Stadium (leichte bis starke Schmerzen bei verschiedenen Belastungsniveaus) und das Stadium der akuten (bzw. aktivierten) Arthrose mit Gelenkschwellung, Überwärmung, Ergüssen und Schmerzen. Welche Beschwerden treten auf? Typisch ist der Startschmerz zu Beginn einer Bewegung, der dann nach wenigen Schritten nachlässt. Es kann aber auch zu einem Belastungsschmerz kommen, der sich etwa bei längeren Gehstrecken oder beim Hinuntersteigen von Treppen äußert. Im Ruhezustand oder im Schlaf tritt der Schmerz selten auf. Mit der Zeit kann es zu Gelenkverformungen kommen. Die betroffenen Gelenke sind hart und knöchern, oft knotig verändert, aufgetrieben und „knirschen, reiben oder knacken“ bei bestimmten Bewegungen. Wie erfolgt die Diagnose? Eine erste Verdachtsdiagnose wird mittels Untersuchung von Bewegungseinschränkungen sowie der Funktion, der Bandstabilität und der Gelenkkontur getroffen. Dazu kommen die Abklärung von eventuellen Fehlstellungen (z.B. der Beine) sowie Schmerztests. Wichtig für die Diagnose ist beispielsweise, wann und bei welchen Tätigkeiten der Schmerz auftritt. Welche bildgebenden Verfahren ­werden eingesetzt? • Röntgenuntersuchung: macht u.a. Veränderungen wie Gelenkspaltverschmälerungen, Defekte, Zerstörung von Gelenkknorpel und Knochen sowie Zystenbildung sichtbar • Gelenkpunktion: kommt beim Auftreten einer Gelenkschwellung zum Einsatz. Mittels Punktion wird Gelenkflüssigkeit entnommen und im Labor untersucht. Die Gelenkpunktion nimmt zum einen die schmerzhafte Spannung vom Gelenk, zum anderen ermöglicht die Laboruntersuchung, verschiedene Gelenkerkrankungen voneinander abzugrenzen (bakterielle Infektionen, Kristallablagerungserkrankung u.a.). • Ultraschalluntersuchung: eignet sich zur Beurteilung von Sehnen, Muskeln, Schleimbeutelentzündungen und Gelenkergüssen • Magnetresonanztomografie (MRT) oder Magnetic Resonance Imaging (MRI): kommt zur Beurteilung des Knorpels zum Einsatz Welche Laboruntersuchungen sind sinnvoll? Laborbefunde, die Arthrose nachweisen, gibt es noch nicht. Es können aber laborchemisch Erkrankungen, die Arthrose verursachen oder sich ähnlich wie Arthrose präsentieren können, ausgeschlossen werden. Dazu gehören folgende Laborwerte: Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 67 Arthrose • Rheumafaktor: normal • Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG): normal oder nur leicht erhöht • ACPA: negativ (anti-citrullinierte Peptid-Antikörper, wie z.B. Anti-CCPoder Anti-MCV-Antikörper; werden zur Diagnose des Frühstadiums einer rheumatoiden Arthritis verwendet) Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Bei der Arthrosetherapie geht es darum, Beschwerden zu lindern und ein Fortschreiten der Erkrankung zu verlang­ samen. Trotz des Gelenkverschleißes sollen mithilfe der Therapie die Belastbarkeit und die Beweglichkeit des Gelenks noch für möglichst lange Zeit erhalten bleiben. Sind die Zerstörungen zu groß und die Schmerzen unerträglich, bleibt nur noch der Ersatz des Gelenks. Wichtige Maßnahmen sind: • ausreichende Bewegung ohne Überlastung • Schutz vor Gelenkverletzungen • Verhinderung bzw. Abbau von Übergewicht • medikamentöse Therapie Welche nicht-medikamentösen ­Maßnahmen gibt es? Physikalische Maßnahmen: Elektrotherapie, Ultraschall, Wärme und Kälte sowie Massagen sollten bei Arthrose regelmäßig zur Anwendung kommen. Die Heil- bzw. Krankengymnastik und die Ergotherapie verbessern die Funktionen der erkrankten Gelenke. Zusätzlich kommen Hilfsmittel wie Gummibänder, Bälle, Schienen und Bandagen zum Einsatz. 68 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Die medizinische Trainingstherapie verbessert die Ausdauer und die Muskelkraft durch systematisches Training an speziellen Geräten. Spezielle Hilfsmittel im Alltag unterstützen die Gelenke und verzögern das Fortschreiten der Erkrankung. Eventuell können Schienen, festes Schuhwerk oder das Verwenden eines Stocks die Gelenke entlasten. Besonders hilfreich und wirksam ist auch die Behandlung im Wasser (Aqua­ training). Wie verläuft die medikamentöse Behandlung? Ein wesentliches Ziel der medikamentösen Therapie ist die Schmerzlinderung. Allerdings können Schmerzmittel die der Erkrankung zugrunde liegende Schädigung des Knorpels nicht beein- Arthrose Neben Knie und Hüftgelenk sind auch die kleinen Fingergelenke oftmals von Arthrose betroffen. flussen. Aber erst durch weitgehende Schmerzfreiheit ist es möglich, eine Bewegungstherapie durchzuführen – und Bewegung wiederum ist notwendig. Wie erfolgt die Schmerzlinderung? • „Rheumasalben“: Sie sind zur lokalen Anwendung als entzündungshemmende Salben bzw. Gels erhältlich. Salbenverbände haben den Vorteil, dass der Wirkstoff nicht so schnell in die Haut einzieht, sondern ein ausreichend großer Anteil als „Nachschub“ auf der Haut verbleibt. • Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR): Diese Antirheumatika blockieren Gewebshormone (Prostaglandine), die den Schmerz weiterleiten. Neben der schmerzlindernden besteht auch eine entzündungshemmende Wirkung, die u.a. Schwellungen lindert. NSAR sollten nur nach Absprache mit dem Arzt eingenommen werden. • Systemische Analgetika (z.B. Para­ cetamol) • Kortison: Ist die Gelenkinnenhaut eines einzelnen Gelenks krankhaft stark verändert bzw. entwickelt sich ein entzündlicher Verlauf, so kann über einen kurzen Zeitraum Kortison gezielt ins Gelenk gespritzt werden. Es wirkt stark entzündungshemmend. • Injektion von Hyaluronsäure direkt ins Kniegelenk: Man erhofft sich davon eine schmerzlindernde Wirkung. Denn ein krankes Gelenk kann keine Hyaluronsäure mehr produzieren, die den Abrieb von Knorpelsubstanz reduziert. • Knorpelschutzsubstanzen oder Aufbaupräparate: Hierzu zählen Substanzen wie Glucosamin(-sulfat) oder Chondroitinsulfat, die den Knorpelabbau bremsen sollen. Ihre Wirksamkeit wird kontroversiell gesehen. Wann wird eine Arthroskopie durchgeführt? Diese Maßnahme kommt vor allem bei der Untersuchung und Behandlung von Knie-, Sprung- und Schultergelenk zum Einsatz. Bei dieser speziellen endoskopischen Untersuchung von Gelenken führt man ein Arthroskop – ähnlich einer kleinen Kamera – durch einen kleinen Hautschnitt in einen Gelenkraum ein. Auf diese Weise kann der Arzt die Gelenkstrukturen direkt betrachten. Meistens werden Arthoskopien eingesetzt, um zeitgleich mit der Diagnostik auch Operationen zur Gelenksanierung durchzuführen. Gegenüber den offenen Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 69 Arthrose plastik, mit deren Hilfe die Regeneration von körpereigenem Knorpel angeregt werden soll. Wann wird ein Gelenkersatz erwogen? Bei Hüfte, Knie oder Schulter kann ein Gelenkersatz erwogen werden, wenn die medikamentöse Therapie nicht ausreicht. chirurgischen Verfahren besitzt die minimal-invasive Chirurgie den Vorteil der geringeren Belastung für den Organismus, geringerer Schmerzen nach der Operation, kürzerer Heilungszeiten und dadurch einer schnelleren Wiedereingliederung in die Alltagsaktivitäten. Was passiert bei einer Abrasion? Als Abrasion (lat.: abrasio = Abkratzung) wird in der orthopädischen Medizin ein Verfahren bezeichnet, mit dem organisches Material, z.B. Knochen, mechanisch abgetragen wird. Eine Anwendungsform ist die Abrasionsarthro70 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Bei starken Beschwerden und Behinderungen kann ein künstliches Gelenk Erleichterung schaffen und die Beweglichkeit wiederherstellen. Bei allen großen und mittleren Gelenken (wie Hüfte, Knie, Schulter) ist der Gelenkersatz die erfolgreichste Therapieform, wenn trotz medikamentöser Behandlung weiterhin ständig Schmerzen vorhanden sind und die Funktionalität des Gelenks stark eingeschränkt ist. Nach einem operativen Eingriff sind Bewegungstherapie und physikalische Therapiemaßnahmen wichtige Voraussetzungen für die bestmögliche Funktion des künstlichen Gelenks. Was ist nach der Operation zu beachten? Im Allgemeinen beginnt die Mobilisation bereits am Tag nach der Operation. Dazu gehören Bewegungsübungen und leichte Gymnastik unter therapeutischer Anleitung. Diese Übungen sind sehr wichtig und senken unter anderem das Risiko einer Thrombose. Später folgt eine intensive Krankengymnastik, um den Muskelaufbau zu fördern und die Beweglichkeit der betroffenen Gelenke zu verbessern. Ein spezielles Bewegungsprogramm sollte danach auch zu Hause täglich durchgeführt werden. Das allfällige Ausmaß der sportlichen Betätigung sollte vorab mit der operierenden Stelle geklärt werden. OSTEOPOROSE Blick: Auf einen ose Osteopor reich schen in Öster en M 0 0 .0 0 nkung • Rund 80 r Skeletterkra und“ sind von diese „Knochenschw h lic ch ra p ss (umgang roffen. genannt) bet chendichte niedrige Kno ne ei n he te es qualität. • Es b erte Knochen g in rr ve ne ei und chenmasse ch mehr Kno tli eu d ird w s wird der • E aut, dadurch eb fg au s al ab rechlicher. hstäblich zerb uc b en ch no K mt erhebenbrüche nim ch no K r fü o ik ensjahr. • Das Ris dem 70. Leb ab m le al r vo lich zu, Welche Rolle spielt die Knochen­ masse für unseren Körper? Unser Knochenskelett hat zahlreiche wichtige Aufgaben. So schützt es unter anderem die inneren Organe, reguliert unseren Kalziumhaushalt und trägt uns durchs Leben. Knochen sind lebende „Materie“, sie sind stark durchblutet und ständig wird Knochenmasse auf- und wieder abgebaut. Dazu verfügt der Körper über eigene Zellen: Die Knochenabbauzellen (Osteoklasten) „rüsten“ den Knochen ab, die Knochenaufbauzellen (Osteoblasten) füllen die Vertiefungen im Knochengewebe wieder auf. Beide Prozesse befinden sich normalerweise im Gleichgewicht, welches maßgeblich durch „ruhende“ Knochenzellen, die Osteozyten, mitreguliert wird. Warum nimmt die Knochendichte mit zunehmendem Alter ab? Ein messbarer physiologischer Verlust der Knochendichte setzt etwa ab dem 30. Lebensjahr ein. Der Verlust beträgt rund 0,5–1,0% pro Jahr und kann beim weiblichen Geschlecht mit Eintritt in die Wechseljahre zumindest vorübergehend auf 8–10% pro Jahr ansteigen. Tipp: Viel Bewegung und eine ausgewogene Ernährung (Kalzium, Vitamin D) tragen dazu bei, diesen Prozess langsamer ablaufen zu lassen! Welche Folgen hat Osteoporose? Bei der Osteoporose handelt es sich um eine Skeletterkrankung, die durch niedrige Knochendichte und verringerte Knochenqualität gekennzeichnet ist. Es wird deutlich mehr Knochenmasse abals aufgebaut, dadurch wird der Knochen buchstäblich zerbrechlicher. Das Risiko für Knochenbrüche nimmt erheblich zu. Vor allem im höheren Lebensalter steigt diese Gefahr stark an. Für die Osteoporose typisch sind Brüche der Wirbelkörper, der Hüfte (v.a. der Schenkelhalsregion) sowie des Ober- oder Unterarms. Osteoporotische Knochen­ brüche treten typischerweise durch minimale Krafteinwirkung auf. Kann es zu Verformungen der Wirbelsäule kommen? Ja. Bei Patienten mit osteoporotischen Wirbelkörperbrüchen kann es neben einer erheblichen Abnahme der KörperBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 71 Osteoporose Bei Osteoporose wird deutlich mehr Knochenmasse ab- als aufgebaut. Dadurch wird der Knochen zerbrechlicher. größe zu Verformungen der Wirbelsäule kommen, die zum so genannten „Witwenbuckel“ führen. Warum sind Frauen häufiger betroffen? Die Knochenmasse der Frau ist genetisch bedingt geringer als jene des Mannes. Hinzu kommt, dass mit Eintreten der Menopause immer weniger Östrogen produziert wird. Dieses Hormon hat 72 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 einen knochenschützenden Effekt. Nimmt also das Östrogen ab, wird auch mehr Knochensubstanz ab- als aufgebaut. Aber nicht nur Frauen in den Wechseljahren sind häufiger von Osteoporose betroffen: Untergewichtige Mädchen und Frauen haben ebenfalls ein erhöhtes Osteoporoserisiko, weil zumeist auch eine Störung des weiblichen Hormonhaushalts vorliegt. Osteoporose Empfohlene Vorsorgeuntersuchungen Knochendichtemessung: • zum ersten Mal – je nachdem, welche Risikofaktoren vorliegen (mit Arzt abstimmen!) – zwischen dem 50. und 65. Lebensjahr durchführen lassen • bei Frauen ohne Risikofaktoren für Frakturen das erste Mal mit 65 Jahren • bei Frauen mit Risikofaktoren schon früher • bei Männern ohne Risikofaktoren erste Messung mit dem 70. Lebensjahr • bei Männern mit Risikofaktoren unabhängig vom Alter Röntgen-, CT- oder MRT-Untersuchungen: stellen bei starken Veränderungen der Wirbelsäule wichtige Diagnosemöglichkeiten dar Welche Risikofaktoren begünstigen Osteoporose? •G eschlecht: Frauen erkranken häufiger. •G enetik •F ortgeschrittenes Lebensalter: Mit jeder Dekade (60, 70, 80 Jahre etc.) steigt das Risiko für neue Knochenbrüche. •K nochenbrüche: Vorangegangene Knochenbrüche erhöhen das Risiko für weitere Knochenbrüche. •E rhebliche Bewegungseinschränkung (etwa durch Bettlägerigkeit) •V orerkrankungen: z.B. Schilddrüsenüberfunktion, rheumatoide Arthritis, Diabetes Typ 1, aber auch Typ 2, Nie- ren- bzw. Leberleiden, COPD, Hormonstörungen, Darmleiden wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Zöliakie • Mangel des Hormons Testosteron beim Mann • Verkürzte Bildung des Hormons Östrogen bei der Frau: z.B. durch späte erste Regelblutung (nach dem 16. Lebensjahr), frühe Menopause (vor dem 45. Lebensjahr) oder häufige Zyklus­ störungen • Ungesunder Lebenswandel: Bewegungsmangel, langjähriges Rauchen, zu viel Alkohol, Mangelernährung mit zu wenig Kalzium, zu wenig Vitamin D und Eiweiß, z.B. bei Magersucht • Untergewicht bzw. sehr schlanke Statur (Body-Mass-Index < 18) • Medikamente: Manche Medikamente können den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen. So reduziert z.B. Kortison die Kalziumaufnahme in den Knochen, wenn es länger als drei Monate eingenommen wird. Dasselbe gilt für Glitazone (für Diabetiker). Was sind die ersten Anzeichen? Osteoporose macht sich zu Beginn u.a. durch chronische Rückenschmerzen, Verlust an Körpergröße, zunehmende ­ Rundrückenbildung, vermehrte Faltenbildung am Rücken sowie Brüche vor allem im Bereich der Unterarme, Rippen und Hüften (keine Sport- oder Verkehrsunfälle) bemerkbar. Diese Beschwerden treten zumeist nach dem 70. Lebensjahr auf. Wie wird behandelt? Die Basis jeder Osteoporosebehandlung ist die ausreichende Zufuhr von Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 73 Osteoporose Reich an Kalzium sind zum Beispiel Spinat und Brokkoli. Kalzium (1.000–1.500 mg täglich) und Vitamin D (800 Einheiten täglich), deren Dosierung vom Arzt festgelegt wird. Was ist bei der Ernährung zu beachten? Wichtige Kalziumlieferanten sind Milch und Milchprodukte, aber auch Spinat, Brokkoli, Haselnüsse sowie ­kalziumreiches Mineralwasser. Es sollte jedoch unbedingt die gesamte Kalzium­ zufuhr berücksichtigt werden, da mittlerweile gut gesichert ist, dass ein Zuviel an Kalzium, insbesondere wenn es über Medikamente verabreicht wird, dem Organismus auch Schaden zufügen kann. Negativen Einfluss auf den Kalziumspiegel können Alkohol in großen Mengen sowie übermäßiger Rauchgenuss haben. Tipp: Kalzium sollte mit reichlich Wasser eingenommen werden! 74 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Das Knochenvitamin D wird in bedeutendem Maße nur durch Sonnenlicht gebildet. Daher sollte man mindestens 30 Minuten täglich im Freien verbringen. Ein geringerer Anteil kann auch mit der Nahrung aufgenommen werden. Reichlich Vitamin D enthalten beispielsweise fetter Fisch sowie Eigelb. Wichtiger Hinweis: In der Kindheit und Jugend werden die Knochen aufgebaut, der Bedarf an Kalzium und Vitamin D ist daher in diesem Alter besonders hoch! Warum ist Bewegung wichtig? Die zweite wichtige Säule der Behandlung stellt regelmäßige Bewegung dar. Risikopatienten sollten mit Unterstützung eines Therapeuten spezielle Übungen zur Muskel- und Knochenstärkung durchführen. Mithilfe einer gezielten Schmerztherapie ist auch für Osteoporosepatienten Bewegung wieder möglich und nötig. Osteoporose Welche Medikamente helfen bei Osteoporose? Als drittes Standbein der Behandlung können medikamentöse Wirkstoffklassen zum Einsatz kommen, um das Risiko für einen Bruch zu senken, den Verlust an Knochenmasse zu minimieren bzw. den Knochenaufbau und somit die Knochenstabilität wieder zu fördern. Diese ­Medikamente sollten in jedem Fall entsprechend der ärztlichen Vorgabe eingenommen werden, da sonst die Gefahr für Knochenbrüche wieder zunimmt. 1. Knochenabbauhemmende Substanzen Dies sind Stoffe, die in erster Linie den Knochenabbau hemmen. Sie erhöhen die Knochendichte in allen Skelettregionen und reduzieren bei kontinuierlicher Einnahme die Häufigkeit von Frakturen. Zu dieser Substanzklasse gehören: • Bisphosphonate: bremsen die Aktivierung jener Zellen (Osteoklasten), die am Knochenabbau beteiligt sind. Sie können als Tablette einmal täglich, einmal wöchentlich oder einmal monatlich eingenommen werden; weiters stehen sie als Dreimonatsspritze oder Kurzinfusion – einmal im Jahr verabreicht – zur Verfügung. Bisphosphonate führen zu einer Verbesserung der Knochenstabilität durch eine verstärkte Mineralisation des Knochengewebes. • Denosumab: zählt zu den so genannten Biologika und führt, ähnlich wie die Bisphosphonate, zu einer erhöhten Knochenstabilität durch eine Zunahme der Mineralisation. Die Verabreichung erfolgt in halbjährlichen Abständen als Injektion in die Unterhaut. • Selektive Ö(E)strogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM): wirken ebenfalls durch Hemmung der Osteoklasten. Sie können allerdings das Knochenbruchrisiko am Schenkelhals nicht vermindern. 2. Zweifach wirksame Substanz • Strontiumranelat: vermindert das Knochenbruchrisiko durch Förderung des Knochenaufbaus und Hemmung des Knochenabbaus 3. Knochenaufbaufördernde Substanz Diese Substanz kommt bei Hochrisikopatienten, die besonders frakturgefährdet sind, zum Einsatz, wenn eine Behandlung mit Bisphosphonaten nicht ausreicht. • Parathormon PTH-Analogon 1–34 ­(Teriparatid): stimuliert die Knochen aufbauenden Zellen und führt somit zu einer „echten“ Knochenneubildung. Die Verabreichung erfolgt einmal täglich, bevorzugt in die Bauchhaut. Die Behandlungsdauer ist auf zwei Jahre ­ begrenzt. Danach wird der erzielte ­ ­Knochenaufbau mit knochenabbauhemmenden Medikamenten konsolidiert. Bei Osteoporose wird der Knochen porös und dadurch brüchig. WEICHTEIL­ RHEUMATISMUS Hierzu gehören die Fibromyalgie sowie die Polymyalgia rheumatica (PMR). 76 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 FIBROMYALGIE Blick: Auf einen lgie Fibromya erzen im it Schm rkrankung m t entzündlich E he sc ni o hr ch • c pparat, die ni uft Bewegungsa rlä ve nd re ie orm u.a. und nicht def sehr vielfältig, des werden sind d ch un es r B tu la ie D ku • zen der Mus treten Schmer auf. Bindegewebes annt; Wissen­ n sind unbek törung der he ac rs U ie D • von einer S schafter gehen eitung aus. b Schmerzverar ie Therapie cht heilbar. D einen ni t is it he nk n jedoch • Die Kra en Betroffene ermöglicht d til. ss aktiven Leben Welche Symptome gibt es? Bei Fibromyalgie weisen die Patienten sowohl körperliche als auch psychische Symptome auf; sie fühlen sich krank, abgeschlagen und müde. Typische Kennzeichen sind so genannte Ganzkörperschmerzen, die über mindestens drei Monate anhalten: Der Patient klagt über großflächige (Muskel-)Schmerzen von Kopf bis Fuß, vor allem an der Wirbelsäule, an Armen und Beinen, aber auch Schlaflosigkeit, Angststörungen, Erschöpfung, chronische Müdigkeit und Depression können auftreten. Diese Beschwerden sind unterschiedlich stark ausgeprägt und treten häufig bereits nach minimalen körperlichen Belastungen auf. Häufig werden die Schmerzen durch Stress, Kälte oder körperliche Belastung verstärkt, es kann zu einem subjektiv wahrgenommenen Anschwellen der Ex­ tremitäten und zu brennenden Hautschmerzen kommen. Weiters werden reduzierte Leistungsfähigkeit, trockene Augen oder Mund, Reizdarmsyndrom, Kopfschmerzen, Beklemmungsgefühle, Kälteempfindlichkeit, Migräne oder Herzbeschwerden angegeben. Welche Folgen hat die Erkrankung? Fibromyalgie ist nicht nur mit einem enormen Leidensdruck für die Patienten verbunden, sondern kann in vielen Fällen auch zu sozialen Beeinträchtigungen führen, wie z.B. zum Verlust des Arbeitsplatzes, zu Problemen in der Partnerschaft und sozialem Rückzug. Wer ist betroffen? In Österreich dürften weit über 100.000 Personen an dieser Erkrankung leiden. Frauen sind von Fibromyalgie siebenmal häufiger betroffen als Männer. Zumeist beginnt die Krankheit eher schleichend im Alter von etwa 35 Jahren und erreicht im Klimakterium ihren Höhepunkt. Selten sind auch Kinder betroffen. Eine „sekundäre Fibromyalgie“ kann auch als Folge einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung wie der chronischen Polyarthritis oder bei systemischem Lupus auftreten. Mit welchen Methoden wird die Erkrankung diagnostiziert? Zunächst müssen andere Krankheitsbilder ausgeschlossen werden, denn hinter Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 77 Fibromyalgie den Symptomen können sich auch andere Erkrankungen verbergen. Daher wird eine rheumatologische Untersuchung des gesamten Bewegungsapparates durchgeführt, es werden Labor- und Röntgenbefunde erstellt, auch um entzündliche Rheumaformen oder Schilddrüsenstörungen auszuschließen. Sind diese Befunde unauffällig, kommt das FibromyalgieSyndrom als Diagnose infrage. Wichtige Diagnosehilfen können druckempfindliche Punkte am Körper sein. Der Arzt drückt mit dem Daumen auf bestimmte Stellen, die über den ganzen Körper verteilt sind. Diese so genannten „Tender Points“ im Nacken, oberhalb der Schulterblätter, bei den Schlüsselbeinen, in der Kreuzbeingegend, an den äußeren Oberschenkeln (unterhalb des Beckenknochens) und an weiteren Stellen sind allerdings nicht beweisend. Wie wird Fibromyalgie behandelt? Die Fibromyalgie ist nicht heilbar. Wichtigstes Behandlungsziel ist, den Patienten zu einem aktiven Lebensstil zu motiTrainingstherapie ist ein wichtiger Teil der Behandlung. 78 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 vieren und dadurch seine sozialen und beruflichen Funktionen zu erhalten. Jede Therapie muss individuell an die jeweilige Krankheitsaktivität angepasst werden. Grundsätzlich bedarf die Behandlung großer persönlicher Zuwendung und ist meist sehr zeitintensiv. Als therapeutische Maßnahmen stehen – nach erstellter Diagnose –Psychotherapie, Entspannungstraining sowie eine individuell angepasste, abgestufte Trainingstherapie, die den Patienten nicht überfordert, an erster Stelle. Als medikamentöse Begleittherapie können Antidepressiva, Antiepileptika und andere Substanzen zum Einsatz kommen. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es noch? Da Schmerzmittel nur beschränkt einsetzbar sind, setzen Experten bei der Fibromyalgie unter anderem auf folgende („multimodale“) Methoden: • physikalische Therapie, Verhaltensund Bewegungstherapie sowie aktive Techniken zur Schmerzkontrolle Fibromyalgie • Wärmebehandlungen mit lokalen Packungen, Ultraschall oder Heilbäder wirken muskelentspannend und schmerzlindernd. • Lymphdrainagen und Akupunktmassagen vermindern lokale Stauungen und reduzieren Schmerzen. • Behandlungen in Infrarotwärmekabinen, aber auch in der Kältekammer können zu sehr guten Ergebnissen führen. • Spezielle Formen der Elektrotherapie können Schmerzen lindern. rapie werden Akupunktur, traditionelle chinesische Medizin (TCM), Osteopathie, Kraniosakraltherapie, Homöopathie, Neuraltherapie, manuelle Medizin und sogar Dauermagnetfelder eingesetzt. Es wird ein Ausgleich im Gesamt­ energiehaushalt des Körpers und damit eine Schmerzlinderung angestrebt. Warum ist psychische Betreuung notwendig? Bewegung ist ein wichtiger Teil des Rehabilitationsprogramms, allerdings unter Aufsicht und in Maßen, damit es zu keinem Rückfall kommt. • Ein Herz-Kreislauf-Training (Ergometer, Nordic Walking, Crosstrainer) wirkt leistungsfördernd. • Zusätzlich ist Heilgymnastik zur Muskelstärkung und Haltungsverbesserung notwendig. Einzelheilgymnastik und Kleingruppen haben sich sehr bewährt. • Unterwassergymnastik ist für ihre ausgezeichnete Wirkung auf Schmerz und Psyche bekannt. • Tipp: Die Kombination von Heilgymnastik und Unterwassergymnastik ist äußerst sinnvoll, wobei jedes Training immer ganz behutsam begonnen werden sollte. • Auch Körperselbstwahrnehmungsprogramme haben sehr gute Erfolge erzielt. Die Patienten lernen hierbei, mit ihrem Körper und ihrer Energie besser umzugehen. Generell ist auf ein Gleichgewicht zwischen Aktivität und Erholungsphasen zu achten. Die psychotherapeutische Therapie zielt auf eine Veränderung von Einstellungen und Verhaltensmustern ab. Patienten mit Fibromyalgie neigen dazu, vieles als Katastrophe zu sehen und sich dadurch selbst sehr unter Stress zu setzen. Da Stress bei der Entstehung der Krankheit eine Schlüsselrolle spielen kann, wird den Betroffenen empfohlen, mit einem Therapeuten an der Bewältigung von Problemsituationen zu arbeiten. Oftmals ist es wichtig, die Familienmitglieder in die Therapie einzubeziehen. Auch Selbsthilfegruppen können hilfreich sein. Tipp: Zusätzlich wirken sich bei Stress Entspannungsübungen wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training und andere Entspannungstechniken positiv aus. Welche komplementären Heilmethoden können helfen? Als Ergänzung zur „klassischen“ The- Besprechen Sie komplementäre Maßnahmen immer mit Ihrem behandelnden Arzt! Wie wichtig ist Bewegung? Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 79 POLYMYALGIA RHEUMATICA (PMR) Blick: Auf einen tica ia rheuma ­ lg a y m ly o P Immun ität des ner Überaktiv gegen den ei nd ru g uf A s • et sich diese systems richt . er eigenen Körp nkheits­ en: akuter Kra ch ei nz en K e zen • Typisch ftige Schmer latur beginn und he und Becken­gürtelmusku rte in der Schul t werden! gut behandel • Kann sehr t von großer e Diagnose is der g iti ze üh fr ie it • D amit rasch m Bedeutung, d Behandlung begonnen en entsprechend . nn ka en d wer Wer ist von PMR betroffen? Die Polymyalgia rheumatica (PMR; griech./lat.: „rheumatischer Vielmuskelschmerz“) ist eine relativ häufige entzündliche Erkrankung, die meist nach dem 50. Lebensjahr auftritt. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Jährlich erkranken in Österreich zwischen 2.000 und 4.000 Personen. Welche Symptome treten auf? Typische Symptome sind starke Schmerzen in der Schultermuskulatur auf beiden Seiten. Teilweise ist das Heben der Arme kaum möglich. Auch Beschwerden im Beckengürtel- und Oberschenkelbereich treten auf. Die Handkraft kann verringert sein. In der Nacht und 80 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 am frühen Morgen sind die Schmerzen oftmals besonders stark. Die Oberarme und Oberschenkel sind häufig deutlich druckempfindlich. Morgens fühlen sich Arme und Beine steif an, die Beweglichkeit bessert sich im Tagesverlauf. Verantwortlich für die Beschwerden ist eine Entzündung der Schleimbeutel vor allem im Bereich von Schulter- und Hüftgelenken, die im Ultraschall sichtbar wird. Je nach Entzündungsaktivität kommt es zu Gewichtsabnahme, erhöhter Körpertemperatur und allgemeinem Krankheitsgefühl. Was ist eine Riesenzellarteriitis (GCA)? In etwa 10% der Fälle besteht gleichzei- Polymyalgia rheumatica tig mit der PMR auch eine Riesenzellarteriitis, vor allem der Temporalarterie im Bereich der Schläfe (Morbus Horton). Es sind die großen Arterien des Blutkreislaufs betroffen, meist im Versorgungsbereich der äußeren Halsschlagader (Arteria carotis externa) oberhalb der Aorta. Die Riesenzellarteriitis gehört zur Gruppe der Gefäßentzündungen. Betroffen sind großteils Frauen über 50 Jahren, der Häufigkeitsgipfel liegt um das 70. Lebensjahr. Was passiert bei der Riesenzell­ arteriitis? Die anhaltende Entzündungsaktivität hat eine Verengung der betroffenen Gefäße zur Folge bis hin zum Verschluss, wodurch schwere Schäden entstehen können. Das kann beispielsweise zu ­ Schmerzen beim Kauen führen. Ohne Behandlung kann daher auch eine Schädigung des Auges drohen, im schlimmsten Fall die Erblindung. Es stehen jedoch Therapien zur Verfügung, durch die bei fast allen Patienten Beschwerdefreiheit erreicht und gehalten werden kann. Auch hier gilt: Je früher die Krankheit erkannt und mit der Behandlung begonnen wird, desto geringer ist die Gefahr, dass dauerhafte Schäden entstehen. gemeiner Schwäche. Die weiteren Beschwerden sind unterschiedlich – je nachdem, welcher Gefäßbereich betroffen ist. Die Arteriitis temporalis Horton beispielsweise verursacht pochende, einseitige Kopfschmerzen im Bereich der Schläfen. Bei manchen Patienten kommt es zu Sehstörungen (Doppelbilder), Augenbewegungsschmerzen oder einer Sehminderung. Wie diagnostiziert der Arzt eine PMR? Legen die Symptome den Verdacht nahe, dass es sich um eine PMR handelt, müssen bei der Diagnosestellung zunächst andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, die ähnliche Beschwerden her- Welche Beschwerden verursacht die Riesenzellarteriitis? Patienten mit Riesenzellarteriitis leiden unter einem allgemeinen Krankheitsgefühl. Sie fühlen sich „grippig“, eventuell verbunden mit Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Appetitlosigkeit und all- Manchmal treten bei Riesenzellarteriitis auch Sehstörungen auf. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 81 Polymyalgia rheumatica Häufig beginnt eine PMR mit starken Nacken- und ­Oberarmschmerzen. vorrufen. Bestimmte Kriterien werden dann zur Bestätigung der Diagnose Polymyalgia rheumatica herangezogen. So sind beispielsweise bei den Laborbefunden die Blutsenkung und andere Entzündungsparameter zumeist stark bis sehr stark erhöht. Typisch für die PMR ist auch das Fehlen von Laborwerten, die eine Schädigung der Muskulatur anzeigen (z.B. keine Erhöhung der so genannten Kreatinkinase). Reduktion der Medikamentendosis bis hin zu einer minimalen Erhaltungsdosis. Grundsätzlich kann von einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von etwa einem Jahr ausgegangen werden. Liegt neben der PMR auch eine Riesenzellarteriitis vor, sind höhere Medikamentendosierungen erforderlich, um die Entzündungen zu verringern und Dauerschädigungen zu verhindern. Wie wird die PMR behandelt? Bei rheumatischen Erkrankungen kommen Glukokortikoide – das sind natürliche Hormone, die in der Nebennierenrinde des Menschen produziert werden – zum Einsatz, vor allem aufgrund ihres stark entzündungshemmenden Effekts. Sie unterdrücken die Entzündungen wirksam und schnell; dadurch lässt auch der Schmerz, der durch die Entzündung entsteht, rasch nach. Die PMR kann mit Glukokortikoiden (Kortison) ausgezeichnet behandelt werden. Charakteristisch für die PMR ist das beinahe unmittelbare Ansprechen des Patienten auf die Behandlung. Die Wirkung der Therapie wird über die Kontrolle der Symptome und der Entzündungsparameter überprüft. Dementsprechend erfolgt auch eine langsame 82 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Wie wirken Glukokortikoide? SLE Systemischer Lupus erythematodes ist eine Autoimmunerkrankung (Kollagenose), die u.a. zu Entzündungen der inneren Organe und der Gelenke führen kann. SYSTEMISCHER LUPUS ERYTHEMATODES Blick: Auf einen cher Systemismatodes the Lupus ery ng ku oimmunerkran • ist eine Aut bweise • verläuft schu der Haut, der ntzündungen s und der • kann mit E Nervensystem ­Gelenke, des e einhergehen nd ­inneren Organ nkung aufgru hielt die Erkra er en am N im ungen • Den Hautveränder n der typischen rbungen sehe na er V en und ng tu ö : R us : p ht lu ic Ges “ (lat. olfsausschlag aus wie ein „W : rot). es d o ythemat er . ch rie g lf; Wo treten tbeteiligungen ren au H en er hw • Solche sc der viel besse ute aufgrund r sehr allerdings he eiten nur meh hk lic g ö sm ng Behandlu selten auf. aber in Wirklichkeit nichts zu tun. Wenn lediglich die Haut betroffen ist, lautet die Diagnose „chronisch diskoider Lupus erythematodes“ (CDLE) oder „subakut kutaner Lupus erythematodes“ (SCLE). Wer erkrankt an SLE? Der systemische Lupus erythematodes ist mit ca. 50 Betroffenen unter 100.000 Menschen selten. Die Patienten sind überwiegend junge Frauen im Alter von 15 bis 40 Jahren (Verhältnis weiblich : männlich = 10 : 1). Bei Kindern tritt SLE vorwiegend zwischen dem 11. und 15. Lebensjahr auf. Auch hier sind Mädchen deutlich häufiger betroffen als Jungen. Aus diesem Grund vermutet man, dass die weiblichen Hormone (Östrogene) Einfluss auf die Krankheitsentstehung haben. Welche Ursachen hat der systemische Lupus erythematodes? Was versteht man unter dem Begriff „Systemischer Lupus erythematodes“? „Systemisch“ im Krankheitsnamen steht dafür, dass innere Organe von der Erkrankung betroffen sind. Der systemische Lupus erythematodes wird dem rheumatischen Formenkreis und den Kollagenosen (früher: „Bindegewebserkrankungen“) zugeordnet. Mit dem Kollagen, also der Bindegewebsgrundsubstanz unseres Körpers, hat die Krankheit 84 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Die genauen Ursachen von SLE sind bisher nicht bekannt. Fest steht, dass im Blut Antikörper gegen Zellbestandteile, häufig gegen den Zellkern, gebildet werden. Diese so genannten Autoantikörper heften sich an körpereigenes, gesundes Gewebe an und lösen dort Entzündungen aus. In weiterer Folge lagern sich Gebilde aus Autoantikörpern und Zelltrümmern sowie Immunzellen an den Wänden kleiner Blutgefäße ab. Dadurch kommt es zu Entzündungen in verschiedenen Organen. Vorwiegend sind die Systemischer Lupus erythematodes Typisch, aber nicht immer vorhanden: ­schmetterlingsförmige Rötung des Gesichts Blutgefäße der Haut, der Nieren sowie der Gelenke betroffen. Eine Häufung der Erkrankung in manchen Familien deutet auf eine genetische Veranlagung hin. Wissenschafter vermuten einen erblichen Fehler des programmierten Zelltods bestimmter Immunzellen. Das Risiko, die Erkrankung an eigene Kinder weiterzugeben, wird dennoch als gering eingestuft. Auch verschiedene Umweltfaktoren könnten als Auslöser bei der Entstehung von SLE eine Rolle spielen, z.B. Infektionen mit Viren oder Bakterien, intensive Sonneneinstrahlung, extremer Klimawechsel, große psychische Belastungen sowie hormonelle Umstellungen, wie sie etwa in Pubertät, Schwangerschaft und Wechseljahren auftreten. Eine extrem seltene Sonderform der Erkrankung stellt der so genannte medikamenteninduzierte Lupus erythematodes dar: Bei bestimmten Personen können einige Medikamente (z.B. Anti­ epileptika, Blutdruckmedikamente, Antibiotika, Hormone) SLE auslösen. Die Beschwerden verschwinden zumeist nach Absetzen des entsprechenden Medikaments wieder zur Gänze. Was sind die Anzeichen eines SLE? Ein systemischer Lupus erythematodes macht sich durch viele verschiedene Symptome bemerkbar. Ein bekanntes, aber nicht immer vorhandenes Anzeichen für die Erkrankung ist eine schmetterlingsförmige Rötung (Erythem) des Gesichts (auf beiden Wangen sowie über dem Nasenrücken), die bei Sonnenbestrahlung stärker ausgeprägt ist. Weitere Symptome sind Gelenkschmerzen, Durchblutungsstörungen der Finger und Organbeteiligungen (z.B. Nierenent­ zündung, Rippenfellentzündung oder Herzbeutelentzündung). Die meisten ­ Betroffenen fühlen sich müde und abgeschlagen, viele leiden unter Fieber, Schwächegefühl und Gewichtsverlust. Die Lymphknoten sind zumeist vergrößert. Welche Organe betroffen sind und wie stark die Symptome auftreten, ist individuell sehr unterschiedlich. In sehr seltenen Fällen greift der SLE auf die Nerven über, dadurch kommt es Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 85 Systemischer Lupus erythematodes zu Taubheitsgefühl, Schmerzen sowie erhöhter Empfindlichkeit und herabgesetztem Temperaturempfinden. Diese Gefühlsstörungen treten meist beidseitig an Händen und Füßen auf. Auch Kopfschmerzen, epileptische Anfälle, Sehstörungen, Verwirrtheit und Depressionen können beim systemischen Lupus erythematodes auftreten. Kommt es zu bleibenden Gelenkschäden? Im Gegensatz zu anderen rheumatischen Erkrankungen verursacht SLE meist keine bleibenden, im Röntgenbild erkennbaren Schädigungen der Gelenke. Wie erfolgt die Diagnose? Die Diagnose, ob ein systemischer Lupus erythematodes vorliegt, wird anhand der Anamnese, einer eingehenden klinischen Untersuchung sowie mithilfe von bildgebenden Verfahren und Labortests gestellt. Hilfreich ist dabei die Bestimmung der vom Immunsystem gegen Teile des eigenen Körpers gebildeten Abwehrstoffe (Autoantikörper). Wichtiger Hinweis: Die Feststellung der Krankheit (Diagnose), die Behandlung und die Betreuung gehören unbedingt in die Hand von Spezialisten (auf SLE spezialisierte Fachärzte für Innere Medizin und Rheumatologie); reine Hautformen werden von spezialisierten Hautärzten betreut. Die enge Zusammenarbeit zwischen Spezialisten und Hausarzt ist bei SLE besonders wichtig. Wie wird SLE behandelt? Auch wenn ein systemischer Lupus erythematodes nicht heilbar ist, so ist die 86 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Erkrankung doch gut behandelbar. Ziel der Behandlung ist es, die Abwehrreaktion des Körpers zu beruhigen (Immunmodulation). Dabei kommen verschiedene Medikamentengruppen zum Einsatz. Zunächst gilt es, die Beschwerden mit Rheumaschmerzmitteln zu lindern. Welche Therapie zum Einsatz kommt, wird anhand der Schwere der Erkrankung und der befallenen Organe von einem Spezialisten (Rheumatologen) festgelegt. Welche Medikamente kommen zum Einsatz? Für die Behandlung des Lupus erythematodes werden folgende Medikamente eingesetzt: • Schmerzmittel • Antimalariamittel (z.B. Chloroquin, Hydroxychloroquin) • Kortison • Immunsuppressiva (Medikamente, die die Aktivität des überaktiven Immunsystems abschwächen, z.B. Azathioprin, Ciclosporin A, MycophenolatMofetil) • Biologika (Belimumab) • Zytostatika (z.B. Methotrexat, Cyclophosphamid) Mithilfe dieser Medikamente sollen die Entzündung und die überschießende Aktivität des Immunsystems eingedämmt werden. Mit Antimalariamitteln erzielt man bei Lupus erythematodes besonders gute Erfolge bezüglich Hauterscheinungen und Gelenkproblemen. Immunsuppressiva und Zytostatika werden bei schwereren Krankheitsverläufen eingesetzt. Systemischer Lupus erythematodes Welche Nebenwirkungen können auftreten? Wie bei allen Medikamenten kann es auch bei der Basistherapie des systemischen Lupus erythematodes zu Nebenwirkungen kommen. Diese sind individuell verschieden. Daher sind regelmäßige Blutuntersuchungen unerlässlich. Was sollten Betroffene noch beachten? • Sonnenlicht und UV-Licht können den Krankheitsverlauf verstärken. Daher sollten Betroffene direkte Sonneneinstrahlung meiden und stets Sonnenschutzmittel verwenden. Vor allem sollten sie kein Solarium (Bräunungsstudio) aufsuchen! • SLE-Patienten weisen ein erhöhtes Risiko für Arteriosklerose („Gefäßverkalkung“) auf, daher muss Nikotinkonsum vermieden werden! • Verhütungsmittel und Schwangerschaft (unbedingt rechtzeitig!) mit einem auf Lupus erythematodes spezialisierten Rheumatologen besprechen. • Impfungen (z.B. Grippeschutzimpfung) sollten SLE-Patienten vorab mit ihrem behandelnden Arzt besprechen. • Bewegung und Sport sind empfehlenswert, da Bewegung die Funktion des Immunsystems und der Psyche unterstützt. • Zudem sollten Betroffene versuchen, das Leben trotz der Erkrankung positiv zu sehen. Denn das Immunsystem arbeitet besser, wenn man sich psychisch gut fühlt. Hier kann beispielsweise der Austausch mit anderen Betroffenen im Rahmen einer Selbsthilfegruppe hilfreich sein. In spezialisierten Zentren gibt es psychologische Beratungsprogramme zur Krankheitsbewältigung (Coping). SLE und Kinderwunsch Ein Kinderwunsch wirft für Frauen, die an SLE erkrankt sind, viele Fragen auf. Grundsätzlich ist nicht ausgeschlossen, dass von Lupus erythematodes betroffene Frauen schwanger werden können. Bei schwerer Krankheitsaktivität oder Nierenbeteiligung sollte allerdings aufgrund der zu hohen Risiken für Mutter und Kind ein günstigerer Zeitpunkt für eine Schwangerschaft abgewartet werden. Ein Kinderwunsch sollte eingehend mit dem b­ ehandelnden Rheumatologen in Zusammenarbeit mit dem Frauenarzt besprochen werden. Bei SLE-Patienten besteht ein erhöhtes Risiko für Arteriosklerose. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 87 SCHMERZ: URSACHE UND THERAPIE Schmerzen sollten unbedingt rasch abgeklärt werden! 88 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Schmerz: Ursache und Therapie Blick: Auf einenrzen Schme t mit einem Arz edingt rasch b un en llt o s • werden! besprochen Abklärung urch ärztliche • Denn nur d se und htige Diagno können die ric . unden werden Therapie gef der Schmerz eiterer Folge w in erden. nn ka o • S t gemildert w es d in m zu er beseitigt od Wie erfolgt die ärztliche Abklärung? An erster Stelle stehen eine gründliche Untersuchung, klinische Befunde, bildgebende Verfahren (Sonografie, Magnet­ resonanztomografie) und Labor, wobei vor allem Entzündungswerte erhoben werden. Oft haben Betroffene Schwierigkeiten, ihren Schmerz zu beschreiben. Hier kann die Selbsteinschätzung mithilfe einer Schmerzskala helfen: Auf einer Skala kann der Patient seinen aktuellen Schmerz als Punkt markieren – dies hilft auch dem Arzt, die Intensität einzuschätzen. Wie werden Schmerzen behandelt? Nach den heutigen Standards wird die medikamentöse Schmerzbehandlung von chronischen Schmerzen nach den Regeln der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführt. Als Basistherapie (Stufe 1) werden so genannte nicht-opioide Analgetika eingesetzt (Paracetamol, Metamizol, NSAR, COX-2-Hemmer); als Stufe 2, wenn die Stufe-1-Medikation nicht ausreicht oder nicht vertragen wird, erfolgt eine Kombination mit schwach wirksamen Opioiden. Erst nach Ausschöpfung auch dieser Möglichkeit kommen starke Opioide zum Einsatz (Stufe 3). Stufe 1: Was sind nicht-opioide Analgetika? Nicht-opioide Analgetika sind schmerzstillende Arzneimittel (= Analgetika), die ihre Wirkung durch Unterdrückung von Schmerz auslösenden biochemischen Prozessen entfalten. Im Idealfall unterdrücken sie die Schmerzempfindung, ohne das Bewusstsein, die sensorische Wahrnehmung und andere wichtige Funktionen des Zentralnervensystems zu beeinflussen. Substanzen wie Metamizol oder Paracetamol finden bei leichten bis mäßig starken Schmerzen Anwendung. Viele nicht-opioide Analgetika Zur Schmerzabklärung Die Beantwortung folgender Fragen ist eine gute Grundlage für das Arztgespräch: • Wo und wann treten Schmerzen auf? • Wie stark sind sie? • Kommt es zu Steifigkeit oder Bewegungseinschränkungen? • Treten die Schmerzen gemeinsam mit Schwellungen auf? • Sind die Schmerzen auch von Schwäche, Angst oder Müdigkeit begleitet? Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 89 Schmerz: Ursache und Therapie haben auch eine fiebersenkende Wirkung. Einige Substanzen aus der Gruppe der nicht-opioiden Analgetika wirken zusätzlich entzündungshemmend, diese Arzneigruppe wird auch nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) genannt. Dazu gehören beispielsweise die Substanzgruppen Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Dexibuprofen, Diclofenac und Coxibe. Sie gelten aufgrund ihrer entzündungshemmenden Eigenschaft auch als Mittel der Wahl bei Rheumaschmerzen. Wie wirken NSAR? NSAR – nicht-steroidale Antirheumatika – sind klassische Schmerzmittel. Sie wirken entzündungshemmend und schmerzstillend. Der komplexe Name besagt nichts anderes, als dass es sich um Substanzen handelt, die nichts mit Kortison zu tun haben (= nicht-steroidal). Die Wirkung von NSAR tritt oft schon innerhalb von Stunden ein. Sie können als Tablette, Zäpfchen, Spritze Gemeinsam mit NSAR sollte ein ­Magenschutzpräparat eingenommen werden. 90 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 oder teilweise auch als Gel verabreicht werden. Auch Präparate in Retard-Form – das heißt, die Wirkung setzt mit Zeitverzögerung ein – sind erhältlich. Die Wahl des geeigneten Mittels sollte in jedem Fall mit dem behandelnden Arzt abgestimmt werden! Gibt es Nebenwirkungen von NSAR? Je länger die Behandlungsdauer und je höher die Dosis, umso eher können unerwünschte Effekte auftreten. Vor allem die Schleimhaut des Magen-DarmTrakts wird zur Zielscheibe dieser Nebenwirkungen. Insbesondere bei älteren Patienten können NSAR zudem die Nierenfunktion beeinträchtigen und zu einer Wasseransammlung in den Beinen (Ödeme) oder zu hohem Blutdruck führen. Besonders gefährdet sind Patienten, die • älter als 65 Jahre sind, • in der Vergangenheit bereits einmal ein Magengeschwür oder ein Zwölffingerdarmgeschwür (Ulkus) hatten oder Schmerz: Ursache und Therapie • neben den NSAR zusätzlich Kortison erhalten oder • blutverdünnende Medikamente einnehmen. Was ist bei der Einnahme von NSAR zu beachten? • Periodische Blutkontrollen in Bezug auf die Leber- und Nierenwerte sind wesentlich. • Die Einnahme von zwei verschiedenen NSAR erhöht das Risiko von Nebenwirkungen massiv. • Es sollte gemeinsam mit NSAR ein Magenschutzpräparat eingenommen werden. Unter einer medikamentösen ­Rheumatherapie sollten regelmäßig Blutkontrollen durchgeführt werden. Was bedeutet Magenschutz im Zusammenhang mit NSAR? Wie bereits erwähnt, gehört das Angreifen der Magenschleimhaut zu einer der wesentlichen Nebenwirkungen der NSAR. Daher sollte (v.a. bei den zuvor beschriebenen Risikopatienten) eine „Magenschutztherapie“ zum Einsatz kommen. Drei Wirkprinzipien stehen dabei zur Verfügung: • Protonenpumpenhemmer (PPI): reduzieren die Magensäure und verhindern so Defekte an der Magenschleimhaut • Prostaglandine (Pg): schützen die Magenschleimhaut • H2-Blocker: können in höheren Dosierungen verwendet werden, wenn PPI oder Pg kontraindiziert sind Wie wirken COX-2-Hemmer? Diese Substanzgruppe steht dafür, dass sie zwar die Wirkung, nicht jedoch die unerwünschten Nebenwirkungen der NSAR im Bereich des Magen- und Zwölffingerdarms hat. Die verbesserte Magen-Darm-Verträglichkeit der Coxibe beruht auf der unterschiedlichen Hemmung der beiden CyclooxygenaseEnzyme (COX-1 und COX-2). Wie die nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) hemmen auch die Coxibe die Bildung der körpereigenen Prostaglandin-Schmerzbotenstoffe (über eine COX-2-Hemmung). COX-2 wird vor allem bei Entzündungsprozessen im geschädigten Gewebe aktiviert. COX-1, für den Schutz der Magenschleimhaut vor Magensäure verantwortlich, wird allerdings nicht gehemmt. Coxibe lassen also die Wirksamkeit des schützenden COX-1-Enzyms unberührt, während sie gezielt die Funktion des Enzyms COX-2 unterdrücken. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 91 Schmerz: Ursache und Therapie Gibt es Nebenwirkungen bei COX-2-Hemmern? Leider sind auch selektive COX-2-Hemmer nicht völlig frei von Nebenwirkungen. Aufgrund des Wirkprinzips kann zwar die Rate an Magen-Zwölffingerdarm-Nebenwirkungen deutlich gesenkt werden. Wie bei allen anderen NSAR ist allerdings bei bekannter Herz-, Kreislauf- oder Nierenerkrankung besondere Vorsicht geboten, vor allem dann, wenn sie über mehrere Wochen täglich eingenommen werden. Der Einsatz von COX-2-Hemmern hat jedoch durchaus seine Berechtigung, nämlich bei Patientengruppen mit einem Risiko für das Auftreten von MagenZwölff ingerdarm-Nebenwirkungen durch ein NSAR. Stufe 2 und Stufe 3: Wann werden Opioide angewendet? Laut nationalen und internationalen Empfehlungen werden Opioide in der Behandlung rheumatischer Schmerzen dann eingesetzt, wenn diese mit anderen Maßnahmen nicht zufriedenstellend behandelt werden können bzw. wenn ­ aufgrund der Nebenwirkungen ein Absetzen der bisherigen Medikation erforderlich ist. Auch hier wird im Wesentlichen laut WHO-Stufenplan vorgegangen, wonach zunächst schwache Opioide, wie z.B. Tramadol oder Dihydrocodein, zum Einsatz kommen. Auch schwache Opioide können allerdings – vorwiegend während der Einstellphase – Nebenwirkungen wie Brechreiz und Verstopfung verursachen. Mithilfe einer begleitenden Behandlung mit Quellstoffen bzw. Medikamenten gegen Übelkeit und Erbre92 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 chen (Antiemetika) kann jedoch gut gegengesteuert werden. Wird auch mit dieser Kombination keine Schmerzfreiheit erzielt, werden schwache Opioide durch starke Opioide (Oxycodon, Hydromorphon, Buprenorphin, Fentanyl) ersetzt (Stufe 3). Wie groß ist die Suchtgefahr bei Opioiden? Bei sachgemäßer Anwendung ist die Sorge vor einer möglichen Suchtentstehung unbegründet. Werden auch Antidepressiva in der Schmerzbehandlung eingesetzt? Antidepressiva können bei Patienten mit Fibromyalgie einen wichtigen Beitrag zur Schmerzfreiheit leisten, indem sie einerseits die Stimmungslage verbessern und andererseits das Schmerzempfinden beeinflussen. Was bringen physikalische Behandlungen? Die Anwendung von physikalischen Therapiemaßnahmen bei Schmerzpatienten hat eine lange Tradition. Wichtig bei der Therapiezusammenstellung ist, auf die jeweiligen Probleme des einzelnen Patienten einzugehen und Behandlungsmöglichkeiten zu kombinieren. Welche weiteren nichtmedikamentösen Maßnahmen kommen zum Einsatz? Ein fixer Bestandteil der nicht-medikamentösen Schmerztherapie ist die Elek­ trotherapie. Konstante Galvanisation, Iontophorese, Impulsgalvanisation, Schwellstrom und diadynamische Ströme Schmerz: Ursache und Therapie sind nur einige Stromformen, die aufgrund ihrer durchblutungsfördernden, schmerzlindernden und muskelentspannenden Wirkung zum Einsatz kommen. Zu den Impulsgalvanisationen zählt auch TENS: Die „transkutane elektrische Nervenstimulation“ ist eine Therapieform, mit deren Hilfe man akute und chronische Schmerzen mit Strom unterschiedlicher Frequenz behandeln kann. Im Wesentlichen wirkt TENS nach dem Prinzip der Gegenirritation von Schmerzreizen und durch eine Erhöhung der körpereigenen Endorphine. Es gibt auch kleine, tragbare TENS-Geräte, die Patienten selbstständig zu Hause – nach Einschulung durch den Arzt oder Therapeuten – verwenden können. Massagen können helfen, Verspannungen zu lösen. Wie lange dauert eine TENS-Sitzung? Eine Sitzung dauert normalerweise etwa 20–50 Minuten. Da die schmerzlindernde Wirkung meist nur wenige Stunden anhält, muss die Behandlung mehrmals täglich wiederholt werden (zwei- bis viermal). Bei chronischen Schmerzen hingegen wird TENS oft jahrelang eingesetzt, z.B. in Heimbehandlung. Nach Ansicht von Experten eignet sich TENS sehr gut als Begleittherapie, um Beschwerden unmittelbar und für kurze Zeit zu lindern. Wichtiger Hinweis: Folgende Personengruppen dürfen TENS erst nach Rücksprache mit ihrem Arzt anwenden: • Menschen mit einem Herzschrittmacher oder einem anderen implantierten elektrischen Gerät • wenn eine Thrombose vorliegt • Schwangere Wie kann Massage bei Schmerzen helfen? Mit Massage wird über das Lösen von Verspannungen und durch den Abtransport von Schmerz erzeugenden Substanzen (z.B. Milchsäure) ein schmerzlindernder Effekt erzeugt. Die ausgeprägte psychische Wirkung durch die Be„hand“lung und Zuwendung darf dabei nicht unterschätzt werden. Als Spezialmassagen sind die Bindegewebsmassage, die manuelle Lymphdrainage, die Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 93 Schmerz: Ursache und Therapie Fußreflexzonenmassage und die Periostmassage zu erwähnen. Was bringt Wärme- bzw. ­Kältetherapie? Über die Anwendung von Wärme kommt es zur Durchblutungssteigerung und Muskelentspannung im Behandlungsareal und damit zur Schmerzlinderung. Wärme kann in Form von Packungen (z.B. Fango, Moor oder Munari), Wickeln, Bädern und Heißluft (Sauna) verabreicht werden. Zu den Wärmetherapien zählen auch die Ultraschalltherapie und die Hochfrequenztherapie. Kältetherapie, sei es in Form von Eispackungen oder als Kaltluft in Kältekammern, ist eine weit verbreitete, unterstützende Therapieform bei rheumatischen, insbesondere bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen. Kältetherapie ist für einzelne Gelenke und Körperteile lokal anwendbar. Sie wird jedoch auch als Ganzkörpertherapie eingesetzt. Die Behandlung einzelner Körperpartien ­erfolgt durch Kältebeutel mit ca. minus 10 °C. Bei der Behandlung mit Kältebeuteln muss darauf geachtet werden, dass die Kälte trocken über ein Leinentuch auf die Haut übertragen wird, um Schädigungen der Hautoberfläche zu vermeiden. Inwiefern kann Akupunktur die Rheumatherapie unterstützen? Akupunktur wird in erster Linie ergänzend zur Schmerzlinderung eingesetzt. Bei der Akupunktur werden gewisse Schmerzpunkte am Körper mithilfe von Akupunkturnadeln aktiviert. Diese Punkte liegen auf bestimmten Linien auf 94 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 der Haut – den so genannten Meridianen – und entfalten bei mechanischer Reizung bestimmte Wirkungen im Körper. Manche Patienten sprechen auf eine Therapie mit Akupunktur gut an. Wichtiger Hinweis: Akupunktur kann zwar chronische Schmerzen lindern, den Verlauf der Erkrankung aber nicht beeinflussen. Wie wichtig ist Bewegung in der Schmerztherapie? Einen wichtigen Bestandteil der Schmerztherapie bildet sowohl die passive als auch die aktive Bewegung. Dies beinhaltet auch jede noch so kleine Bewegung im Zuge der alltäglichen Verrichtungen. Spezielle physiotherapeutische Krankengymnastik bekämpft nicht nur Symptome wie beispielsweise die Morgensteifigkeit, sondern vermindert zusätzlich auch die Angst vor dem Schmerz. Warum sollten Schmerzpatienten auch psychologische Beratung in Anspruch nehmen? Eine psychologische Betreuung kann Patienten mit chronischen Schmerzen helfen, die oft belastenden Folgen derartiger Erkrankungen, wie soziale Isolation und Hoffnungslosigkeit, zu vermeiden. Eine derartige fachmännische Beratung sollte daher ebenfalls einen festen Platz im therapeutischen Konzept einnehmen. Zusätzlich kann dadurch auch die Motivation für die langfristigen, mitunter unangenehmen Therapien erhöht und damit ihr Erfolg verbessert werden. Selbsttest Selbsttest zu entzündlichem Rheuma 1. Haben Sie zwei oder mehr Gelenkschwellungen an Ihren Fingergrund- oder Fingermittelgelenken bzw. Zehengrund- oder Zehenmittelgelenken? ja nein 2. Leiden Sie seit mehr als sechs Wochen unter Gelenkschmerzen, die nicht von einer Verletzung herrühren? ja nein 3. Sind Ihre Hände morgens so steif, dass Sie länger als eine Stunde Probleme haben, eine Faust zu machen? ja nein 4. Verstärken sich Ihre Gelenkschmerzen, wenn Sie sich bewegen? ja nein 5. Haben Sie Schmerzen beim Stufensteigen bzw. Treppabgehen? ja nein 6. Können Sie in Gelenknähe oder bei Knochenvorsprüngen unter der Haut liegende Knötchen ertasten? ja nein 7. Haben Sie Beschwerden in Gelenkregionen auf beiden Körperseiten (beide Hände, beide Schultergelenke, beide Fußgelenke etc.) schon über einen Zeitraum von sechs Wochen? ja nein 8.Hat Sie in der letzten Zeit einmal ein Arzt nach einer Blutuntersuchung darauf hingewiesen, dass Ihre Entzündungswerte im Blut erhöht sind? ja nein 9. Haben Sie Schmerzen beim Händedruck? ja nein 10. Leiden ein Elternteil oder nahe Verwandte an entzündlichem Rheuma (Veranlagung als Ursache)? ja nein Wenn Sie Frage 1 mit „ja“ beantwortet oder von den restlichen Fragen mehr als drei mit „ja“ beantwortet haben, sollten Sie umgehend einen Spezialisten (Rheumatologen) aufsuchen. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 95 HILFE AUS DER APOTHEKE Mögliche Ergänzungen zur Basistherapie 96 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 SELBSTMEDIKATION ALS EVENTUELLE ERGÄNZUNG ZUR BASISTHERAPIE Blick: Auf einen ikation d Selbstme len keinen Präparate stel pie • Rezeptfreie etablierte Rheumathera Ersatz für eine dar! ch e sollte nur na • Die Einnahm mit dem Arzt erfolgen. Rücksprache Gelenkmerzen und ologisch ch S e nd te al mat • Anh müssen rheu schwellungen en! Nur so kann frühzeitig d abgeklärt wer gestellt und mit der se no g ia n Therapie eine D en spezifische d en ch re p ts en den. begonnen wer Selbstmedikation – was heißt das genau? Oft wollen Betroffene zusätzlich zu den vom Arzt verordneten Präparaten etwas tun, um ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Hier kommen oftmals rezeptfreie, also nicht verschreibungspflichtige Präparate aus der Apotheke zum Einsatz. Diese sind selbst zu bezahlen. Es liegt in der Entscheidung des Patienten, den Nutzen dieser Produkte abzuwägen. Wichtiger Hinweis: Auf jeden Fall sollten Sie die Einnahme vorher mit Ihrem Arzt besprechen und sich auch vom Apotheker beraten lassen! Wie sinnvoll ist eine zusätzliche Schmerztherapie? Als Zusatztherapie bei akuten Schmerzen im Sinne der Selbstmedikation können – im Akutfall und nur kurzfristig! – rezeptfreie schmerzstillende Mittel eingesetzt werden. Dies ist aber unbedingt vorher mit dem Arzt zu besprechen, u.a. um mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneien abzuklären. Rezeptfreie Schmerzmittel sollten nicht länger als zwei Tage eingenommen werden. Zu den bewährten Substanzen zählen u.a.: • Acetylsalicylsäure • Paracetamol • Ibuprofen Diese wirken schmerzlindernd, teilweise entzündungshemmend und fiebersenkend. Welchen weiteren Stoffen wird ein positiver Effekt bei rheumatischen Beschwerden zugesprochen? In der Apotheke sind rezeptfreie Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel oder diätetische Lebensmittel in Tablettenoder Kapselform erhältlich, die unterstützend bei Entzündungen zum Einsatz kommen. So wird z.B. Omega-3-Fettsäuren zugesprochen, dass sie bei rheumatischen Beschwerden zur Linderung beitragen können. Diese Präparate könBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 97 Hilfe aus der Apotheke Omega-3-Fettsäuren können regulierend in Entzündungsprozesse eingreifen. nen ergänzend zu einer vom Arzt verordneten medikamentösen Therapie eingesetzt werden. Vor der Einnahme sollten Sie jedoch in jedem Fall Ihren Arzt über die Absicht dieser zusätzlichen Therapie informieren. Was können Omega-3-Fettsäuren bewirken? Bestimmte Fettsäuren kann der menschliche Organismus nicht selbst produzieren, sie müssen mit der Nahrung zuge98 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 führt werden. Dazu zählen auch die so genannten Omega-3-Fettsäuren. Dabei handelt es sich um essenzielle Fettsäuren, die lebenswichtig sind, weil sie für die verschiedensten Zellfunktionen von grundlegender Bedeutung sind. Gerade im Hinblick auf rheumatische Erkrankungen geht man davon aus, dass Omega-3-Fettsäuren regulierend in den Entzündungsprozess eingreifen können. Aufgenommen werden Omega-3-Fettsäuren, wie erwähnt, über die Nahrung. Stark bei Gelenksbeschwerden. GCB.ALP-MOK150702 Die Urkraft der Grünlippmuschel für Sie. Alpinamed® Mobilitätskapseln Forte lindern Gelenksbeschwerden durch Abnützung oder rheumatische Entzündung mit einem Lipidextrakt aus der Neuseeländischen Grünlippmuschel. Für mehr Beweglichkeit und Gelenkigkeit im Alltag. Jetzt neu in der 60-Stück-Vorteilspackung. Erhältlich in Ihrer Apotheke. Diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. Tipp: Mobilisieren und kräftigen Sie Ihre Gelenke mit einfachen Übungen. 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Homöopathische Arzneien zielen also auf die Wiedergewinnung von natürlicher Reaktion und Eigenregulation des Körpers ab. Wie alle anderen rezeptfreien Präparate sollten homöopathische Mittel jedoch nur als Ergänzung, keineswegs als Ersatz für Basistherapeutika eingesetzt werden! Wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit sind auch hier nicht vorhanden. Gibt es Hilfe aus der Natur gegen rheumatische Beschwerden? Auch manche Erzeugnisse aus Naturstoffen können eine gewisse positive Wirkung haben. Dazu gehören so genannte Phytopharmaka, also standardisierte Arzneimittel, die aus Pflanzen hergestellt werden. Es handelt sich dabei um Pflanzen und Pflanzenteile, die durch Trocknen lagerfähig gemacht wurden, oder um Extrakte, die zu Tabletten, Kapseln etc. weiterverarbeitet wurden. Um einen therapeutischen Effekt zu erzielen, ist – wie bei allen Arzneimitteln – eine exakte Dosierung erforderlich. Bei Unterdosierung tritt keine Wirkung ein, bei extremer Überdosierung können unerwünschte Erscheinungen auftreten. 100 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 HOMÖOPATHIE gebracht. chen s i t a m u e h r i Be n Beschwerde HOMBew_150804_Prg auf den HOMÖOPATHISCHE ARZNEIMITTEL DER DR. PEITHNER KG: Wirken punktgenau. Mit der Erfahrung von Millionen behandelter Menschen. Ihr Apotheker berät Sie gerne über unser umfangreiches Sortiment mit den Produktlinien von: l DHU l Heel l Dr. Peithner KG www.peithner.at Homöopathie dient zur Anregung der körpereigenen Regulation. Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker. Hilfe aus der Apotheke Lassen Sie sich daher ausführlich in der Apotheke beraten und besprechen Sie die Einnahme von Zusatzpräparaten immer mit Ihrem behandelnden Arzt! Welche Pflanzen stehen speziell für rheumatische Beschwerden zur Verfügung? Für die zusätzliche Behandlung von chronischen Gelenkbeschwerden werden Extrakte aus der Teufelskralle (Harpagophytum procumbens), der Katzenkralle (Uncaria tomentosa) oder des Weihrauchharzes eingesetzt. Entsprechende Präparate stehen in der Apotheke zur Verfügung. Auch Extrakten der Pappel- und Weidenrinde sowie der Brenn- nessel wird eine hemmende Wirkung auf das Immunsystem zugesprochen, was die Beschwerden unter Umständen lindern kann. Die Anwendung beruht zumeist lediglich auf Erfahrungswerten und ist nicht durch Studien belegt. So wird beispielsweise die Teufelskralle in Afrika seit Jahrhunderten zur Linderung von Schmerzen und Entzündungen eingesetzt. Bei uns sind Extrakte der Teufelskralle als so genannte „traditionell pflanzliche Arzneimittel“ rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Gibt es Salben, die Linderung verschaffen können? Einige schmerzlindernde Inhaltsstoffe, wie z.B. Ibuprofen oder Diclofenac, sind auch in Form von Salben verfügbar. Sie können die Schmerzen verringern und wirken darüber hinaus entzündungshemmend. Einige Pflanzenwirkstoffe (z.B. Beinwell, Arnika) kommen ebenfalls in Salbenform zum Einsatz. Zur äußerlichen Anwendung haben sich zudem bei manchen Betroffenen u.a. auch Cayennepfeffer, Eukalyptusöl sowie Fichten- oder Kiefernadelöl bewährt. Wichtiger Hinweis: Teufelskralle 102 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Pflanzenpräparate sowie andere rezeptfreie Produkte stellen keinen Ersatz für eine Basistherapie dar, sondern lediglich eine mögliche Ergänzung. Die Einnahme sollte jedenfalls in Absprache mit dem Arzt erfolgen. Von einer Eigentherapie mit Produkten aus dem Internet wird dringend abgeraten! QUALITÄT AUS IHRER APOTHEKE Das pflanzliche Schmerzmittel Wirkt schmerzstillend und leicht entzündungshemmend bei Nacken- und Rückenschmerzen rheumatischen Beschwerden Morgensteifigkeit Ö S T E R R E I C H I S C H E RHEUM ALIGA empfiehlt Teufelskr a www.rheu lle maliga.at Dr. Böhm® Teufelskralle Filmtabletten sind gut verträglich und können über mehrere Monate eingenommen werden. Die Wirkung setzt schon nach wenigen Tagen ein und steigert sich in weiterer Folge. Dr. Böhm®: Qualität, die Vertrauen schafft. Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker. Die Anwendung dieses traditionellen pflanzlichen Arzneimittels in den genannten Anwendungsgebieten beruht ausschließlich auf langjähriger Verwendung. Zum Teufel mit dem Schmerz! Hilfe aus der Apotheke Schmerzmittel zur topischen Anwendung (= über die Haut) Wirkstoff Erläuterung Diclofenac Gehört als „Essigsäure-Abkömmling“ zur Gruppe der so genannten CyclooxygenaseHemmstoffe, also zu jenen Schmerzmitteln, die keine Opiat-Abkömmlinge sind. Besitzt neben der schmerzstillenden auch eine sehr gute entzündungshemmende Wirkung und kommt daher als eines der so genannten nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen häufig zum Einsatz. Ibuprofen, Ketoprofen Beide Wirkstoffe sind Propionsäure-Abkömmlinge und gehören ebenfalls zu den Cyclooxygenase-Hemmern und damit zu den NSAR. Werden zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung sowie bei Fieber eingesetzt. Diethylamin­ salicylat, Hydroxyethylsalicylat Gehören zu den Salicylaten und sind damit ebenfalls NSAR. Kommen zur lokalen Therapie von Entzündungen und Schmerzen zum Einsatz. Durchblutungsfördernde topische Mittel Inhaltsstoff Erläuterung Capsaicinoide Scharfstoffe aus Paprika oder Cayennepfeffer. Aufgetragen auf die Haut, regen sie die Durchblutung an und erzeugen so eine örtliche Erwärmung. Manche Anwender berichten von einem angenehmen Effekt bei schmerzenden Gelenken. Benzylnicotinat Arzneistoff aus der Gruppe der Nikotinsäureester; steigert ebenfalls die Durchblutung in dem Areal, auf das er aufgetragen wird. Ätherische Öle (Campher, Eukalyptus, Salbei, Lavendel, Pfefferminzöl, Rosmarinöl u.a.) Da es bei rheumatischen Erkrankungen aufgrund der Schmerzen häufig zu Muskel­ verspannungen kommt, können ätherische Öle, die entspannend und entkrampfend auf die Muskeln wirken, angewendet werden. Das Schmerz-Gel mit der bewährten ➏ -fach Wirkung! ➊ schmerzstillend ➋ entzündungshemmend ➌ durchblutungsfördernd Wirkstoff Diethylaminsalicylat, Heparin-Natrium, Menthol. Quelle: Fachinformation, Stand: 07/2012. 104 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 DOLPT08151 Hilfe aus der Apotheke Darreichungsform Für die topische Anwendung stehen Salben, Pflaster und Gele zur Verfügung. Ibuprofen steht als Salbe oder Gel, Ketoprofen als Gel oder Spray zur äußeren Anwendung zur Verfügung. Stehen als Gel oder Salbe zur Verfügung. Darreichungsform Kommt als Salbe zum Einsatz. Achtung: Nur auf unverletzte Haut und nicht auf Schleimhäute auftragen! Danach gründlich Hände waschen! als Creme erhältlich Als Badezusatz, zum Einreiben, als Massageöl oder Kompresse einsetzbar. Achtung: Ätherische Öle können Nebenwirkungen haben! Verwenden Sie nicht zu viel und lassen Sie sich vom spezialisierten Apotheker beraten! Schwangere sollten besonders vorsichtig sein. Hautverträglichkeit am besten vorab auf einer kleinen Stelle testen. Bei Sportverletzungen, Verstauchungen, Prellungen, Zerrungen, Quetschungen und Blutergüssen. ➍ abschwellend ➎ heilungsbeschleunigend ➏ sofort kühlend Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkung informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 105 Hilfe aus der Apotheke Einfache Schmerzmittel zur oralen Einnahme (= zum Schlucken) Wirkstoff Erläuterung Paracetamol Nicht-opioides Schmerzmittel; verringert Schmerzen, hat aber im Gegensatz zu den NSAR keine entzündungshemmende Wirkung. NSAR zur oralen Einnahme (= zum Schlucken) Wirkstoff Erläuterung Diclofenac siehe topische Anwendung Acetylsalicylsäure Ebenfalls ein NSAR; wirkt schmerzstillend, fiebersenkend und entzündungshemmend. Abkömmling der Salicylsäure, die ursprünglich aus dem Saft der Weidenrinde gewonnen wurde, mittlerweile jedoch chemisch im Labor hergestellt wird. Ibuprofen siehe topische Anwendung Dexibuprofen, Naproxen NSAR mit schmerz- und entzündungshemmender Wirkung Chondroprotektiva: „Knorpel aufbauende“ Substanzen (Wirksamkeit nicht wissenschaftlich bewiesen) Inhaltsstoff Erläuterung Chondroitinsulfat Gehört zur Gruppe der Glykosaminoglykane. Ist ein natürlicher Bestandteil der Proteoglykane, die zusammen mit den Kollagenfasern die Gelenkknorpelstruktur bilden. Kann bei Arthrosen eingenommen werden, da ihm ein schmerzlindernder und entzündungshemmender Effekt zugesprochen wird. Glucosamin Wirkstoff aus der Gruppe der Aminozucker. Kann bei Arthrosen eingenommen werden, da ihm ein schützender bzw. aufbauender Effekt auf die Knorpelsubstanz zugesprochen wird. Hagebuttenextrakt Die Hagebutte enthält einen entzündungshemmenden Bestandteil, ein so genanntes Galaktolipid. Dieser Stoff ist hitzeempfindlich, in Hagebuttentee oder -marmelade ist er daher nicht mehr enthalten. Für Fertigpräparate aus der Apotheke werden die Früchte einer bestimmten Hagebutten-Unterart besonders schonend aufbereitet, um möglichst viel des wirksamen Inhaltsstoffes zu erhalten. In dieser Form wird der Hagebutte ein entzündungshemmender Effekt zugesprochen. 106 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Hilfe aus der Apotheke Darreichungsform Steht als Tablette sowie als Granulat (direkt auf die Zunge geben und schlucken) zur Verfügung. Darreichungsform als Tablette oder Weichkapsel verfügbar als Tablette oder Brausetablette (in Wasser auflösen und dann trinken) verfügbar Es stehen Tabletten, Kapseln und Granulate (zum Auflösen in Wasser) zur Verfügung, als Tablette verfügbar Darreichungsform als Kapseln in der Apotheke erhältlich als Kapsel sowie als Salbe erhältlich als Trinkgranulat und als Kapsel erhältlich Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 107 KAPITEL 7 BEWEGUNG & SPORT Ideal sind Sportarten, die die Gelenke wenig belasten. Bewegung & Sport Blick: Auf einen ung Beweg , um atiker wichtig • ist für Rheum eit der Gelenke hk die Beweglic zu erhalten h lic g bestmö tlastet Muskulatur en • Eine starke elenke. zudem die G lls vermieden sollte ebenfa ht . ic ew g er b • Ü uziert werden rhanden, red vo lls fa ., zw b Welche Vorteile bringt regelmäßige Bewegung? Regelmäßige Bewegung ist gerade bei Rheumatikern ein entscheidender Faktor im Kampf gegen Schmerzen und die Steifigkeit der Gelenke. Es kommt nicht darauf an, sportliche Höchstleistungen zu erzielen, sondern die Muskulatur auf schonende Weise zu kräftigen. Denn körperliche Bewegung kann die Gelenkschmerzen lindern, die Beweglichkeit fördern und die Muskelkraft erhöhen. Außerdem hilft die körperliche Betätigung beim Abnehmen, denn bedenken Sie: Jedes Kilogramm Übergewicht belastet Ihre Gelenke unnötig und verschlimmert Ihre Beschwerden! Wichtiger Hinweis: Vor jeder Ausübung einer neuen Sportart sollte Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden! Welche Sportarten sind für die Gelenke wenig belastend? Als geeignete Sportarten etwa bei Arthrosen der Hüft-, Knie- oder Sprunggelenke gelten: • Radfahren (starke Steigungen wegen des erhöhten Drucks auf Knie- und Hüftgelenk vermeiden!) •S chwimmen (bei Beschwerden der Halswirbelsäule besser Rückenschwimmen oder Kraulen als Brustschwimmen!) • Aquagymnastik • Nordic Walking • Gymnastik Tipp: Viele Rheumakranke führen Gymnastikübungen auch gerne in der Gruppe unter Anleitung eines Trainers durch, da man dabei hilfreiche Bewegungsabläufe genau einstudiert, Fehlhaltungen rasch korrigiert werden und die Motivation oft viel größer ist. Welche weiteren Bewegungsarten werden empfohlen? • Feldenkrais-Methode: Bewegungslernmethode, bei der die individuelle Verbesserung der Bewegungsqualität und der persönliche Bewegungslernprozess im Mittelpunkt stehen • Pilates: sanftes, aber sehr effizientes Training, das den ganzen Körper beansprucht. Die Muskeln werden so trainiert, dass aus den von Rheuma geplagten Muskelknoten lang gestreckte, geschmeidige Muskelstränge werden. Sport trotz Schmerzen – ja oder nein? Generell sollten Sie Ihr Sport- bzw. Bewegungsprogramm mit Ihrem Arzt besprechen. Dies gilt besonders, wenn Sie unter Schmerzen leiden. Ein langsamer Einstieg ist auf jeden Fall anzuraten. So können auch ältere Menschen oder Ungeübte das Bewegungsprogramm finden, das ihrem Körper gut tut und gleichzeiBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 109 Bewegung & Sport tig Spaß macht. Viele Rheumakranke berichten davon, dass nur die ersten paar Schritte (Walking, Jogging) oder Schläge (Tennis, Tischtennis, Golf) sehr unangenehm bis schmerzhaft sind, die Schmerzen aber nach einer kurzen „Warmlaufphase“ wieder verschwinden. Sollte man auf Krafttraining verzichten? Nein! Krafttraining ist das Pendant zum Ausdauertraining und zielt darauf ab, die Muskeln gesund und kräftig zu erhalten. Gerade bei einer rheumatischen Erkrankung kommt einem gesunden Muskelsystem eine sehr bedeutende Rolle zu: Die Aktivitäten des täglichen Lebens werden Ihnen dadurch leichter fallen und auch das Verletzungsrisiko wird durch funktionales Krafttraining – Stichwort: Sturzprophylaxe – deutlich gesenkt. Welche Sportarten sollte man lieber nicht ausüben? Alle Sportarten, bei denen die Gelenke heftigen Belastungen durch Stöße ausgesetzt sind, sind für Rheumakranke nur sehr bedingt empfehlenswert (Basketball, Volleyball). Jedoch gibt es hier keine generellen Richtlinien. Finden Sie für sich selbst heraus, welche Sportart Ihnen liegt oder welche Sie schon vor der Erkrankung ausgeübt haben, und besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob und welche Gefahren für Sie bestehen könnten. Tipps für das Krafttraining: • Trainieren Sie die großen Muskelpartien des Körpers wie Beine, Brust, Rücken und Schultern. Geeignet sind leichte Hanteln, Gymnastikstäbe und elastische Bänder (z.B. Thera-Band®). Optimal sind Krafttrainingsgeräte, da diese eine physiologische Gelenkführung gewährleisten und so die Verletzungsgefahr minimieren. • „Über-Kopf-Übungen“, also Übungen, bei denen Sie Gewichte höher als bis zu den Schultern heben, sollten nur unter therapeutischer Anleitung erfolgen. • Absolvieren Sie das Krafttraining zunächst nur ein- bis zweimal pro Woche. Später können Sie auf dreimal pro Woche steigern. • Trainieren Sie ruhig und kontrolliert. Konzentrieren Sie sich auf den beanspruchten Muskel und vermeiden Sie dabei Ablenkung (Radio, TV, Plauderei). • Überfordern Sie sich nicht! Beginnen Sie mit leichten Gewichten – 0,5 kg bis maximal 2,5 kg, abhängig von der jeweiligen Übung – und steigern Sie das Gewicht dann langsam. Pro Übung sollten Sie 2–3 Sätze mit etwa 15 Wiederholungen anstreben. Selbsttest Selbsttest zu degenerativem Rheuma – Arthrose 1. Sind Sie älter als 40 Jahre? ja nein 2. Sind Sie übergewichtig? ja nein 3. S ind in Ihrer Familie Fälle von Gelenkerkrankungen, Fehlhaltungen oder Arthrose bekannt? ja nein 4. H aben Sie einen Beruf, bei dem Sie oft schwer tragen müssen oder ­hauptsächlich kniende Tätigkeiten ausführen? ja nein 5. Bewegen Sie sich täglich weniger als 30 Minuten? ja nein 6. L eiden Sie unter „Anlaufschmerzen“, Druckschmerzen oder plötzlichem Bewegungsausfall? ja nein 7. H aben Sie das Gefühl, Ihre Gelenke reiben bei Bewegung aneinander oder „krachen“? ja nein 8. S chmerzen die Knie- oder Hüftgelenke bei den ersten Schritten und „gehen sie sich dann ein“? ja nein 9. Treten Ihre Beschwerden auch in Ruhephasen – sprich, ohne Bewegung – auf? ja nein 10. Hatten Sie bereits Gelenkverstauchungen oder Prellungen? ja nein Wenn Sie mehr als drei Fragen mit „ja“ beantwortet haben, sollten Sie umgehend einen Spezialisten (Rheumatologen) aufsuchen. Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 111 KAPITEL 7 IMPFUNGEN Personen mit chronischen entzündlichrheumatischen Erkrankungen weisen ein erhöhtes Infektionsrisiko auf. Daher sind Impfungen für Rheumapatienten besonders sinnvoll. 112 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Blick: Auf einenen bei Impfung roffenen Bet RheumaBasistherapie aeiner Rheum n hem Impfpla • Vor Beginn hi Österreic sc ut la ührt ef ie g d ch en ur sollt rungen d ie is un m Im empfohlenen nten sind Rheumapatie n en d , en d wer e Personen. ger als ander lli fä an ns io kt infe llten keine istherapie so as B r ne ei durch­ • Während dimpfstoffen en eb L it m Impfungen en. geführt werd behandelnllten mit dem so . en ng fu p chen werden • Alle Im en abgespro g lo o at um he den R Warum sollten sich Rheuma-­ Betroffene impfen lassen? Zum einen, weil aufgrund der Erkrankung ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Zum anderen senken auch viele der Basistherapeutika, die dabei zum Einsatz kommen, die körpereigene Immunabwehr. Das heißt, Infektionen sind leichter möglich, da die Abwehrkräfte weniger aktiv sind. Daher sind Impfungen – gerade vor Beginn einer Basistherapie – besonders empfehlenswert! Wann sollte geimpft werden? Wurde gerade eine entzündlich-rheumatische Erkrankung diagnostiziert, sollten Sie Ihren Impfstatus mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen. Dieser wird Ihnen sagen, welche Impfungen noch vor Beginn der Basistherapie aufgefrischt bzw. neu vorgenommen werden sollten. Falls Sie bereits auf eine Basistherapie eingestellt wurden, sollten Sie im Idealfall erst in „stabilen Krankheitsphasen“, also wenn nach Möglichkeit keine aktiven Entzündungsprozesse vorliegen, geimpft werden. Auch hierzu berät Sie Ihr Arzt gerne. Welche Impfungen sollten NICHT während einer Basistherapie durchgeführt werden? Von „Lebendimpfungen“, d.h. Impfungen gegen Mumps, Masern, Röteln, Windpocken (Feuchtblattern) und Gürtelrose, Kinderlähmung (oral), Typhus (oral), Gelbfieber und Rotavirus (Durchfallviren), wird im Allgemeinen wähBewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 113 Impfungen rend einer Basistherapie abgeraten. Denn bei einem Lebendimpfstoff macht der Körper nach der Impfung eine schwache Infektion durch, erkrankt aber nicht ernsthaft. Ist das Immunsystem jedoch durch immundämpfende Medikamente geschwächt, besteht das Risiko, dass die normalerweise harmlosen, abgeschwächten Erreger des Impfstoffes zu einer schweren Infektion führen. Welche Impfungen sind empfehlenswert? Alle Impfungen des Österreichischen Impfplans sind auch für Rheumapatienten empfohlen, dies gilt insbesondere für die Influenza. Eine Impfung gegen Pneumokokken (Lungenentzündung), 114 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 die für die Allgemeinbevölkerung ab dem 50. Lebensjahr Sinn macht, sollte bei rheumatischen Erkrankungen unabhängig vom Lebensalter erfolgen. Sprechen Sie jedoch jede Impfung vorab mit Ihrem behandelnden Rheumatologen ab. Was ist bei Reiseimpfungen zu beachten? Impfungen mit Totimpfstoffen (der Großteil aller Reiseimpfungen) sind möglich, jene mit Lebendimpfstoffen, wie Gelbfieber oder die orale Typhusimpfung, jedoch nicht. Erkundigen Sie sich rechtzeitig über Impfempfehlungen für Ihr Reiseziel und besprechen Sie eventuell nötige Impfungen unbedingt vorab mit Ihrem Rheumatologen! Impfungen Impfkalender aller empfohlenen Impfungen für Erwachsene 18.– 80. 30. 40. 50. 60. 65. 70. 75. 20. Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre usw. Alter p Impfung s Diphtherie (DIP) Tetanus (TET) Pertussis (PEA) Poliomyelitis (IPV) alle 10 Jahre auffrischen Humane ­Papillomaviren (HPV) gegebenenfalls nachholen } Mumps Masern (MMR) Röteln gegebenenfalls nachholen FSME alle 5 Jahre auffrischen Pneumokokken alle 3 Jahre auffrischen siehe Empfehlung S. 114 Herpes Zoster (HZV) Influenza (IV) n kostenfrei alle 5 Jahre auffrischen einmalige Gabe IV jährlich n nicht kostenfrei Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 115 Impfungen Impfungen bei Kindern, die mit Immunsuppressiva behandelt werden Diphtherie/Tetanus/Keuchhustenempfohlen Kinderlähmung (Polio), Schluckimpfung (in Europa nicht mehr in Verwendung) nicht erlaubt Kinderlähmung, inaktivierte Poliovakzine empfohlen Masern/Mumps/Röteln nicht erlaubt Haemophilus influenzae B empfohlen Pneumokokkenempfohlen* Influenza (Grippe) empfohlen Tuberkulose (BCG) (seit vielen Jahren nicht mehr Teil des Österreichischen Kinderimpfplans) nicht erlaubt Hepatitis B empfohlen Meningokokken (alle derzeit verfügbaren Impfstoffe) erlaubt * im Gegensatz zu gesunden Kindern unabhängig vom Alter Was ist bei Kindern, die an Rheuma erkranken, bei Impfungen zu ­beachten? Kinder, die an juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) erkranken, weisen ebenfalls ein erhöhtes Infektionsrisiko bzw. das Risiko von Infektionskomplikationen auf. Das empfohlene Impfprogramm für Kinder bei ihnen durchzuführen ist daher besonders anzuraten. Eine Einschränkung besteht allerdings für 116 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 ­inder, die mit Immunsuppressiva K (Medikamente, die das Immunsystem ­ „herunterfahren“) oder höheren Kortisondosen behandelt werden müssen. Bei ihnen dürfen Impfungen mit Lebend­ impfstoffen nicht durchgeführt werden. Mehr dazu siehe Kasten. Für nähere Informationen sprechen Sie mit dem behandelnden Arzt Ihres Kindes! Euro 4,95 GESUNDHEITSRATGEBER gig U n ab häng ig uterus b nExperte t geprüf Diabetes bladder Una än verstehen Euro 4,95 ig g b Una hän G E S U N D H E I T S R AT G E B E R h Gynäkologie 4. aktualisie Neuaufl rte age verstehen clitoris B • Zuckerkrank – was bedeutet das? • Aktuelle Therapiemöglichkeiten • Diabetes im Alter • Neue Richtlinien in der Ernährung ÄN GIG U Teil 1 • Blasenprobleme • Scheideninfektionen • Wechselbeschwerden Euro 4,95 N AB HÄNG IG G E S U N D H E I T S R AT G E B E R B b U ig N AB HÄNG IG • Vorsorge – (s)ein leidiges Thema • Sexuelle Gesundheit ist kein Luxus • Kommt auch ER in den Wechsel? • Prostataerkrankungen Una gig U verstehen ig nExperte t geprüf GIG Männergesundheit g än ÄN nExperte t geprüf b Una hän UNA häng IG h G H B UNA HÄN Euro 4,95 G E S U N D H E I T S R AT G E B E R ab UNA nExperteft geprü n IG H B UNA HÄN vagina G Bewegungsapparat verstehen • Gelenke: Aufbau und Funktion • So hält Sport gesund • Was tun bei Verletzungen und Schmerzen? • Rheuma und Arthrose Bücherserie „Gesundheit verstehen“ Auch wenn sich Ärzte alle Mühe geben, ihren Patienten gute und verständliche Erklärungen zu liefern, bleiben dennoch nach dem Gespräch oft noch viele Fragen offen. er geber d e in t a R e i D ten Si l a h r e e Seri heke. pot Ihrer A Die Bücherserie „Gesundheit verstehen“ bietet Patienten zum Nachlesen zu Hause von hochkarätigen Experten gut verständlich aufbereitete, zusätzliche Informationen rund um ihre Krankheit und wertvolle Tipps für die Bewältigung des Alltags. Selbsthilfegruppen Ansprechpartner in sozialen Fragen: • Bundessozialamt 1010 Wien, Babenbergerstraße 5 Tel.: 05 99 88 [email protected] www.sozialministeriumservice.at/ • Bundesministerium für Finanzen 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b Bürgerservice: Tel.: 0810 001 228 www.bmf.gv.at • Fonds Soziales Wien Pflege und Betreuung 1030 Wien, Guglgasse 7-9 Tel.: 01/24 5 24 [email protected] www.pflege.fsw.at • Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) 1010 Wien, Stubenring 1 Tel.: 01/711 00-0 BürgerInnenservice Tel.: 0800/20 16 11 (kostenfrei aus ganz Österreich) www.bmask.gv.at Selbsthilfegruppen: • Österreichische Rheumaliga (ÖRL) Gertraud Schaffer (Präsidentin) 5762 Maria Alm, Dorfstraße 4 Tel.: 0699/155 41 679 www.rheumaliga.at • Österreichische Vereinigung Morbus Bechterew (ÖVMB) Ing. Paul Pocek (Präsident) 1020 Wien, Obere Augartenstraße 26-28 Tel.: 01/332 28 10 www.bechterew.at • PSO Austria (Selbsthilfeverein der PsoriatikerInnen Österreichs) Gabriele Schranz (Vereinsobfrau) 1020 Wien, Obere Augartenstraße 26-28/1.18 Tel.: 0664/731 11 991 [email protected] • Rheumalis (SHG für Eltern rheumaerkrankter Kinder und Jugendlicher) Karin Formanek (Leiterin) Tel.: 0699/197 48 811 www.rheumalis.org Weitere Links: www.rheumatologie.at www.rheuma-online.at www.netdoktor.at 118 Bewegungsapparat & Rheuma verstehen 2015 Wir danken folgenden Firmen für die freundliche Unterstützung: www.mobiflex.at Bei jeder Hetz GELENKIG JETZT! 675_MOB_0715 JETZT NEU! ® Mobiflex CARE Gut für die Gelenke* Gut für die Knorpelfunktion* Mobiflex Classic mit nativem Kollagen, *Vitamin C und Mangan. Mobiflex® Care mit Soja- und Avocadoöl-Extrakt, nativem Kollagen, *Vitamin C und Mangan. ® Exklusiv in Ihrer Apotheke erhältlich.