Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik Prof. Dr. Jochen Michaelis Sommersemester 2014 Kapitel 8: Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro 8.1 Von der Geldmengensteuerung zum Inflation targeting • Geldmengensteuerung BuBa bis 1999, SNB bis 2000, „Rest der Welt“ bis Anfang der 90er Ankündigung einer jährlichen Geldmengenwachstumsrate theoretische Basis: Quantitätsgleichung bzw. – theorie (1) 𝑀 ∙ 𝑉 = 𝑃 ∙ 𝑌 mit Velocity 𝑉≡ 𝑃𝑌 𝑀 in Veränderungsraten: (2) 𝑀 + 𝑉 = 𝑃 + 𝑌 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 2 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Spezifikation der BuBa (1998): (3) 𝑀3𝑍𝑖𝑒𝑙 = 𝜋 𝑛𝑜𝑟𝑚𝑖𝑒𝑟𝑡 + 𝑌 𝑃𝑜𝑡 − 𝑉 𝑇𝑟𝑒𝑛𝑑 = 2% + 2,5% − −1% = 5,5% Zielkorridor: 𝑀3𝑍𝑖𝑒𝑙 zwischen 3% und 6% keine sklavische Erfüllung des Geldmengenziels Die unvermeidliche (normierte) Inflationsrate ist nicht null wegen Fehler in der Indexmessung Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sinkt tendenziell! Spezifikation der EZB (2003): Referenzwert für Wachstumsrate von M3: (4) 𝑀3 = 1,5% + 2 − 2,5% − − 0,5 − 1% Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 = 4,5% Prof. Dr. Jochen Michaelis 3 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Hauptproblem der Geldmengenstrategie: Instabilität der Geldnachfrage Einsetzen des Geldmarktgleichgewichts (5) 𝑉 = 𝑃𝑌 𝑀 𝑌 𝑌 𝑀 𝑃 = 𝐿(… ) in die Definition von V: = 𝑀/𝑃 = 𝐿(… ) Eine volatile Geldnachfrage L(…) impliziert eine volatile Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Ist aber V volatil, so kann von Geldmengenänderungen nicht mehr auf Preisänderungen geschlossen werden Geldmenge als Zwischenziel ungeeignet Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre: unstete Entwicklungen auf den Finanzmärkten (Finanzinnovationen, Deregulierung, Disintermediation weg vom Bankensektor) in vielen Ländern wurde die Geldnachfrage instabil diese Länder gingen über zum Inflation targeting Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 4 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro • Inflation targeting Mishkin, Frederic (2004), Why the Federal Reserve Should Adopt Inflation Targeting, in: International Finance 7 (1): 117-127. Neuseeland führt 1990 als erstes Land IT ein. Es folgen Schweden, England, Norwegen, Chile, Schweiz, Israel, …, EZB?, Fed? Grundkonzept des IT geht zurück auf Arbeiten von Lars Svensson in den 90er Jahren Kennzeichen des IT: öffentliche Ankündigung eines numerischen Inflationsziels Abwesenheit anderer nominaler Anker wie Geldmenge oder Wechselkurs zentrale Rolle von Inflationsprognosen (als Zwischenziel) Hohes Maß an Transparenz und öffentlicher Rechtfertigung Unabhängigkeit der ZB Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 5 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Numerisches Inflationsziel ZB kündigt ein numerisches Inflationsziel an, das sie in einem festgelegten Zeitraum erreichen will, z.B. mittelfristig 𝜋 𝑍 = 2%. Häufig wird auch ein Inflationsband angekündigt, z.B. 𝜋 𝑍 = 2% ± 1% bzw.: 𝑚𝑖𝑛 𝜋𝑡 − 𝜋 𝑍 2 + 𝜆 𝑦𝑡 − 𝑦 2 Striktes IT bei 𝜆 = 0, flexibles IT bei 𝜆 > 0 Numerisches Inflationsziel ersetzte oftmals eine unklare Zielbeschreibung (Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Regierung, hohes Wachstum, Beschäftigung, Stabilität des Finanzsektors etc.) Formulierung eines "Ankers" für die Erwartungsbildung der Marktteilnehmer Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 6 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Die Rolle der Inflationsprognose Wirkungsverzögerungen: Geldpolitik wirkt erst nach ein bis zwei Jahren auf 𝜋𝑡 und 𝑦𝑡 ZB sollte den Zinssatz so setzen, dass die prognostizierte Inflation der Zielinflation entspricht (inflation forecast targeting) Handlungsanweisung für die Geldpolitik: wenn prognostizierte Inflationsrate größer als Zielinflationsrate, dann muss Geldpolitik restriktiv agieren (z.B. Zinsen erhöhen) wenn Inflationsprognose kleiner als Zielinflation, dann expansive Geldpolitik Wenn IT glaubwürdig, sollte 𝐸𝑡 𝜋𝑡+𝑛 − 𝜋 𝑍 nicht auf News reagieren Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 7 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro ZB erstellt Inflationsprognose anhand von strukturellen Makromodellen einer Volkswirtschaft oder anhand von zeitreihenanalytischen Prognosemodellen Bedingte Prognose: Inflationsverlauf für den Fall, dass der Zinssatz einem vorherbestimmten Pfad folgt o konstante Zinsen o impliziter Pfad bspw. aus Zinsstruktur (Problem: Kommunikation schwierig) Unbedingte Prognose: Inflationsverlauf für den Fall, dass Zinssatz endogen zu jedem Prognosezeitpunkt bestimmt wird Zustandekommen der Inflationsprognose muss nachvollziehbar sein, hoher Kommunikations- und Informationsbedarf (Transparenz); in GB: vierteljährlicher Inflation Report Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 8 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Beispiel Schweden Inflationsprognose vom April 2014 Quelle: Schwedische Zentralbank, Current forecasts for the repo rate, inflation and GDP (09.04.2014) Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 9 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Beispiel Bank of England Inflationsprognose vom Mai 2014 Quelle: Bank of England, Inflation Report May 2014 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 10 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Transparenz und Rechtfertigung Der Erfolg von IT hängt davon ab, ob Inflationserwartungen verankert sind, also 𝐸𝑡 𝜋𝑡+𝑛 − 𝜋 𝑍 klein bleibt. In einem nie dagewesenen Ausmaß versuchen ZB mit den Märkten zu kommunizieren Regelmäßige Berichte zur Inflationsentwicklung Veröffentlichung von Prognosen Pressekonferenzen, Interviews, Reden, Forschung Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen (gute Idee?) Bis in die 80er Jahre waren ZB völlig intransparent (Ausnahme: BuBa) Rechtfertigung: EZB-Präsident vor EU-Parlament Fed-Chairman vor dem US Kongress BoE-Gouverneur schreibt Brief an Regierung, wenn 𝜋 𝑇 verfehlt Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 11 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 12 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Vorteil des IT: perfekte Absorption von Nachfrageschocks Stabilisierung der Inflation gap stabilisiert gleichzeitig die Output gap, Blanchard und Gali (2005): „divine coincidence“ aber: Kostenkanal der Geldpolitik (Ravenna und Walsh 2006) Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 13 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Problem des IT: prozyklische Reaktion auf Angebotsschocks Stabilisierung der Inflation gap wird erkauft mit höherer Variabilität der Output gap Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 14 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 15 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro EZB seit 1999: Zwei-Säulen Strategie Geldmengenziel der Bundesbank + Inflation targeting = Zwei-Säulen Strategie Quantifizierung von Preisstabilität („below, but close to 2% in the medium run“) Zwei Säulen: ökonomische Analyse und monetäre Analyse Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 16 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Konsequenzen der Finanzkrise (Debatten) • Soll Preisstabilität weiterhin das primäre Ziel der Geldpolitik sein? • Sollen Finanzmarktaufsicht und Bankenregulierung Aufgaben der ZB sein? (Interessenkonflikte?) • Wie kann der Ausstieg aus den geldpolitischen Sondermaßnahmen aussehen, die während der Krise (ab Mai 2010) ergriffen wurden? • Bedeuten die Käufe von Staatsschuldpapieren am Sekundärmarkt eine verbotene Geldfinanzierung von Staatsausgaben? • Geraten die ZB in politische Abhängigkeiten? Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 17 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro 8.2 Die Taylor-Regel Taylor, John B. (1993): Discretion versus Policy Rules in Practise, Carnegie-Rochester Conference Series on Public Policy 39: 195-214. einschlägige Lehrbücher, z.B. GHM Kapitel 17 Bundesbank (bis 1999): Geldmengenstrategie = Steuerung des Geldmengenaggregats M3 Instrument der Geldpolitik: Geldmenge Endogene Variable, die Gleichgewicht auf Geldmarkt sichert: Zinssatz Europäische Zentralbank (ab 1999), Federal Reserve Bank USA, Bank of England: Inflation Targeting = Formulierung eines Inflationsziels Instrument der Geldpolitik: Zinssatz für Wertpapierpensionsgeschäfte Endogene Variable, die Gleichgewicht auf dem Geldmarkt sichert: Geldmenge Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 18 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Geldpolitik wird heute über Variation des Zinssatzes wahrgenommen Quelle: EZB, Fed (2014) Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 19 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro • Der kurzfristige Nominalzins 𝑖𝑡 ist die geldpolitische Steuerungsgröße • Für gegebene Inflationserwartungen bestimmt der Nominalzins den Realzins und damit auch die aggregierte Güternachfrage • ⇒ Operationalisierung: Was ist das "richtige" Niveau von 𝑖𝑡 ? • Hierzu schlägt die Literatur eine Instrumentenregel vor. Die bekannteste ist die sog. Taylor-Regel nach Taylor (1993). • Taylor zeigt, dass eine einfache Regel die Zinssetzung der Federal Reserve (Fed) zwischen Mitte der 1980er Jahre und 1992 gut replizieren kann (1) 𝑖𝑡 = 𝜋𝑡 + 0,5 𝑦𝑡 − 𝑦𝑡 + 0,5 𝜋𝑡 − 𝜋 𝑍 + 𝑟 ∗ 𝑟 ∗ ist Gleichgewichtsrealzins, 𝑦𝑡 der Potenzialoutput und 𝜋 𝑍 die Zielinflation Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 20 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Zinssatz für Tagesgeld sei eine Funktion der Inflationslücke und der Outputlücke Inflationslücke = aktuelle, tatsächliche Inflationsrate minus Inflationsziel Outputlücke = aktuelles reales BIP minus langfr. Produktionspotenzial Politikanweisung: Ist die tatsächliche Inflation größer als die Zielinflation, so muss der Nominalzins erhöht werden (vice versa) Liegt der tatsächliche Output unter dem Potenzialoutput (negative Output-Lücke), so ist der Nominalzins zu senken (vice versa) Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 21 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro • Die Regel (1) kann die Zinssetzung der meisten Zentralbanken gut nachbilden. • Umformen ergibt: (2) 𝑖𝑡 = −0,5𝜋 𝑍 + 𝑟 ∗ + 1,5𝜋𝑡 + 0,5 𝑦𝑡 − 𝑦𝑡 +1,5𝜋 𝑍 − 1,5𝜋 𝑍 • In der allgemeinen Form lautet die Taylor-Regel: (3) 𝑖𝑡 = 𝛼 + 1 + 𝜃𝜋 𝜋𝑡 − 𝜋 𝑍 + 𝜃𝑦 𝑦𝑡 − 𝑦𝑡 mit 𝛼 = 𝑟 ∗ + 𝜋 𝑍 als gleichgewichtiger Nominalzins, wenn Output und Inflation auf ihren Zielwerten liegen. • Taylor hat 𝑟 ∗ = 2% und 𝜋 𝑍 = 2% angenommen Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 22 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Quelle: Taylor (1993) Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 23 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Quelle: Abb. 17.1 Gischer, Menkhoff, Herz , S. 327 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 24 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro 8.3 Grundzüge eines Neu-Keynesianischen Makromodells Romer, David (2000): Keynesian Macroeconomics without the LM curve, Journal of Economic Perspectives 14 (2): 149-169; erweiterte Fassung: http://elsa.berkeley.edu/users/dromer/papers/ISMP%20Text%20Graphs%202013.pdf Wenn die Geldpolitik einer Taylor-Regel folgt, wie reagiert sie auf Nachfrage- und Angebotsschocks? Die Nachfrage nach Gütern ist beschrieben durch folgende IS-Kurve: (4) 𝑦𝑡 = 𝑦 − 𝑎 𝑟𝑡 − 𝑟 ∗ + 𝑢𝑡 mit 𝑢𝑡 als Nachfrageschock, z.B. Anstieg der Staatskäufe oder Reduktion der Exporte. Der Parameter 𝑎 > 0 misst die Zinssensitivität der Güternachfrage (Konsum, Investitionen) Wenn 𝑟𝑡 = 𝑟 ∗ und 𝑢𝑡 = 0, dann 𝑦𝑡 = 𝑦 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 25 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Fisher-Gleichung: (5) 𝑟𝑡 = 𝑖𝑡 − 𝐸𝑡 𝜋𝑡+1 Die Angebotsseite wird beschrieben durch die Phillips-Kurve PC: (6) 𝜋𝑡 = 𝐸𝑡−1 𝜋𝑡 + 𝜅 𝑦𝑡 − 𝑦 + 𝑒𝑡 mit 𝑒𝑡 als Angebotsschock und 𝐸𝑡−1 𝜋𝑡 als Inflationserwartung für die heutige Periode, Erwartungsbildung in Periode 𝑡 − 1 wenn die Outputlücke steigt, steigen die Grenzkosten der Unternehmen (für 𝜅 > 0) und die Firmen erhöhen die Preise Wir nehmen adaptive Erwartungen an. Dies vereinfacht die Analyse (im Vergleich zu rationalen Erwartungen), ohne dass das Modell an Aussagekraft verliert (7) 𝐸𝑡−1 𝜋𝑡 = 𝜋𝑡−1 𝐸𝑡 𝜋𝑡+1 = 𝜋𝑡 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 26 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Zusammenfassung Modell mit fünf Gleichungen 𝑦𝑡 = 𝑦 − 𝑎 𝑟𝑡 − 𝑟 ∗ + 𝑢𝑡 𝑟𝑡 = 𝑖𝑡 − 𝐸𝑡 𝜋𝑡+1 𝜋𝑡 = 𝐸𝑡−1 𝜋𝑡 + 𝜅 𝑦𝑡 − 𝑦 + 𝑒𝑡 𝐸𝑡−1 𝜋𝑡 = 𝜋𝑡−1 𝑖𝑡 = 𝑟 ∗ + 𝜋 𝑍 + 1 + 𝜃𝜋 𝜋𝑡 − 𝜋 𝑍 + 𝜃𝑦 𝑦𝑡 − 𝑦𝑡 IS-Kurve (Güternachfrage) Fisher-Gleichung PC-Kurve (Güterangebot) adaptive Erwartungen Taylor-Regel Reduktion auf drei Gleichungen 𝑦𝑡 = 𝑦 − 𝑎 𝑖𝑡 − 𝜋𝑡 − 𝑟 ∗ + 𝑢𝑡 𝜋𝑡 = 𝜋𝑡−1 + 𝜅 𝑦𝑡 − 𝑦 + 𝑒𝑡 𝑖𝑡 = 𝑟 ∗ + 𝜋 𝑍 + 1 + 𝜃𝜋 𝜋𝑡 − 𝜋 𝑍 + 𝜃𝑦 𝑦𝑡 − 𝑦𝑡 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 27 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Die Reaktion auf Schocks Um Fluktuationen zu untersuchen, reduzieren wir das Modell auf ein Gleichungssystem in 𝑦𝑡 und 𝜋𝑡 , indem wir 𝑖𝑡 ersetzen. • Die dynamische AS-Kurve (8) 𝜋𝑡 = 𝜋𝑡−1 + 𝜅 𝑦𝑡 − 𝑦 + 𝑒𝑡 Die Kurve hat eine positive Steigung. Lageparameter sind 𝑦, 𝜋𝑡−1 und 𝑒𝑡 . • Die dynamische AD-Kurve 𝑎𝜃𝜋 1 (9) 𝑦𝑡 = 𝑦 − 1+𝑎𝜃 𝜋𝑡 − 𝜋 𝑍 + 1+𝑎𝜃 𝑢𝑡 𝑦 𝑦 Die Steigung ist negativ. Wenn 𝜋𝑡 steigt, muss die ZB 𝑖𝑡 erhöhen. Dies erhöht den Realzins und dämpft 𝑦𝑡 . Lageparameter sind 𝑦, 𝜋 𝑍 und 𝑢𝑡 . Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 28 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro • Wichtiger Unterschied zur statischen AD-Kurve: Die Kurve gilt für eine gegebene geldpolitische Regel, nicht nur für ein gegebenes Geldangebot. • Das Gleichgewicht wird durch die dynamische AD- und die dynamische AS-Kurve beschrieben. Ihr Schnittpunkt bestimmt 𝑦𝑡 und 𝜋𝑡 . • Die Dynamik entsteht durch die Abhängigkeit der Variablen in 𝑡 von 𝜋𝑡−1. Wir können also die Anpassung der Variablen über die Zeit und deren Persistenz studieren. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 29 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Analytische Lösung Weitere Vereinfachung: 𝜃𝑦 = 0 und 𝑦 = 0 und 𝜋 𝑍 = 0 Angebotsschock: 𝑒𝑡 ≠ 0 und 𝑢𝑡 = 0 (10) (11) 𝜋𝑡 = 𝜋𝑡−1 + 𝜅𝑦𝑡 + 𝑒𝑡 𝑦𝑡 = −𝑎𝜃𝜋 𝜋𝑡 AS AD Einsetzen von (11) in (10) ergibt: 1 1 (12) 𝜋𝑡 = 1+𝜅𝑎𝜃 𝜋𝑡−1 + 1+𝜅𝑎𝜃 𝑒𝑡 𝜋 Der Koeffizient vor 𝜋𝑡−1 ist 𝜋 1 1+𝜅𝑎𝜃𝜋 Diff-gleichung erster Ordnung <1 Nach einem Schock kehrt die Inflation also wieder zum Steady state zurück. Je höher 𝜃𝜋 , desto geringer ist die Persistenz der Inflation. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 30 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Wir betrachten die Reaktion auf einen einmaligen Angebotsschock 𝑒0 = 1, ausgehend vom Steady state mit 𝜋𝑡−1 = 0 In 𝑡 = 0 gilt: 1 𝜋0 = 1+𝜅𝑎𝜃 −𝑎𝜃 1+𝜃 𝑖0 = 𝑟 ∗ + 1+𝜅𝑎𝜃𝜋 𝑦0 = 1+𝜅𝑎𝜃𝜋 𝜋 𝜋 𝜋 • In 𝑡 = 1 gilt: 1 𝜋1 = 1+𝜅𝑎𝜃 𝜋0 = 𝜋 𝑦1 = −𝑎𝜃𝜋 𝜋1 = 1 1+𝜅𝑎𝜃𝜋 2 −𝑎𝜃𝜋 1+𝜅𝑎𝜃𝜋 2 𝑖1 = 𝑟 ∗ + 1+𝜃𝜋 1+𝜅𝑎𝜃𝜋 2 • In 𝑡 = 2 gilt: … Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 31 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Zeitpfade der einzelnen Variablen Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 32 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Anpassungspfad im 𝜋𝑡 -𝑦𝑡 -Diagramm Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 33 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro • Nach einem kontraktiven Angebotsschock entsteht Inflationsdruck. Die ZB reagiert durch eine Zinserhöhung, um damit den Output zu reduzieren und die Ökonomie zu stabilisieren. • Je höher 𝜃𝜋 , desto geringer die Schwankungen der Inflation und desto höher die Schwankungen des Outputs. • Je steiler die Phillips-Kurve, desto geringer sind die Konjunkturschwankungen Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 34 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Nachfrageschock: 𝑢𝑡 ≠ 0 und 𝑒𝑡 = 0 (13) 𝜋𝑡 = 𝜋𝑡−1 + 𝜅𝑦𝑡 AS (14) 𝑦𝑡 = −𝑎𝜃𝜋 𝜋𝑡 + 𝑢𝑡 AD Einsetzen: 1 𝜋 1+𝜅𝑎𝜃𝜋 𝑡−1 (15) 𝜋𝑡 = (16) 𝑦𝑡 = − + 𝑎𝜃𝜋 𝜋 1+𝜅𝑎𝜃𝜋 𝑡−1 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 𝜅 𝑢 1+𝜅𝑎𝜃𝜋 𝑡 + 1 𝑢 1+𝜅𝑎𝜃𝜋 𝑡 Prof. Dr. Jochen Michaelis 35 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Zeitpfade der einzelnen Variablen Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 36 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Anpassungspfad im 𝜋𝑡 -𝑦𝑡 -Diagramm Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 37 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro • Nach einem expansiven Nachfrageschock entsteht Inflationsdruck und eine positive Outputlücke. Die ZB reagiert durch eine Zinserhöhung, um damit die Inflation und den Output zu reduzieren und die Ökonomie zu stabilisieren. • Je höher 𝜃𝜋 , desto geringer die Schwankungen der Inflation und desto höher die Schwankungen des Outputs. • Je steiler die Phillips-Kurve, desto geringer sind die Konjunkturschwankungen Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 38 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Das Taylor-Prinzip • Die Taylor-Regel lautete (für 𝜋 𝑍 = 𝑦 = 0) 𝑖𝑡 = 𝑟 ∗ + 1 + 𝜃𝜋 𝜋𝑡 + 𝜃𝑦 𝑦𝑡 • In Taylors (1993) Vorschlag ist 1 + 𝜃𝜋 = 1,5. Das Taylor-Prinzip verlangt 𝜃𝜋 > 0 • Für 𝜃𝜋 < 0 lautet die AD-Kurve 𝑎𝜃𝜋 1 𝑦𝑡 = − 1+𝑎𝜃 𝜋𝑡 + 1+𝑎𝜃 𝑢𝑡 𝑦 𝑦 Die Kurve hat eine positive Steigung! Dies führt zu Instabilität. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 39 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro • Um die Inflation nach einem expansiven Nachfrageschock (kontraktiven Angebotsschock) zu stabilisieren, verlangt das Modell einen Anstieg des Realzinses 𝑟𝑡 = 𝑖𝑡 − 𝜋𝑡 Damit 𝑟𝑡 steigt, muss 𝑖𝑡 stärker steigen als 𝜋𝑡 . Dies ist nur dann der Fall, wenn die ZB stärker als 1:1 auf die Inflation reagiert, also für 1 + 𝜃𝜋 > 1. • Fazit: Nur wenn 𝜃𝜋 > 0 wirkt die Geldpolitik stabilisierend. Wenn das Taylor-Prinzip nicht gilt, verstärkt die Geldpolitik die bereits vorhandenen Fluktuationen in der Ökonomie. . Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 40 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Hypothese von Clarida, Galì und Gertler (2000): Die Fed ist für die hohen Inflationsraten in den 1970er Jahren direkt verantwortlich, weil sie das Taylor-Prinzip nicht beachtet hat: 1960-1978 (pre-Volcker): 𝜃𝜋 = −0,14 < 0 nach 1979 (Volcker-Greenspan-Bernanke) : 𝜃𝜋 = 0,72 > 0 Probleme und Erweiterungen Was ist die richtige Inflationsrate (CPI?, BIP-Deflator?, Vermögenspreise?) Was ist die Zielinflation? Was ist der gleichgewichtige Realzins? Real time data anstelle revidierter makroökonomischer Daten (z.B. Output gap) . Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 41 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Häufiger Vorschlag: Erweiterung um Vermögenspreise 𝑠𝑡 𝑖𝑡 = 𝑟 ∗ + 𝜋 𝑍 + 1 + 𝜃𝜋 𝜋𝑡 − 𝜋 𝑍 + 𝜃𝑦 𝑦𝑡 − 𝑦𝑡 + 𝜃𝑠 (𝑠𝑡 − 𝑠 𝑍 ) Vorteil: ZB könnte Zinssatz rechtzeitig anheben, um Vermögenspreisblasen und damit Krisen zu verhindern. Aber: Was ist 𝑠 𝑍 ? Außerdem: starke Zinsreaktion erforderlich! Würde 𝑦𝑡 in die Rezession drücken. Nicht praktikabel! Aktuelle Literatur: Käfer, Benjamin (2014): The Taylor Rule and Financial Stability: A Literature Review with Application for the Eurozone, MAGKS-Discussion Paper 30-2014, erscheint in: Review of Economics . Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 42 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Die Rolle von Zinsträgheit Zinsentscheidungen häufig in Höhe von 25 Basispunkten. Zinssenkungs- und Zinserhöhungsphasen erstrecken sich über Quartale. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 43 Kapitel 8 – Taylor-Regel und Neu-Keynesianische Makro Taylor-Regel mit Zinsträgheit 𝑖𝑡 = 𝑟 ∗ + 𝜋 𝑍 + 1 + 𝜃𝜋 𝜋𝑡 − 𝜋 𝑍 + 𝜃𝑦 𝑦𝑡 − 𝑦𝑡 + 𝜃𝑖 𝑖𝑡−1 Woher kommt die Zinsträgheit? Steuerung von Inflationserwartungen durch eine rückwärtsgerichtete Politik? Sorge um Bankenstabilität? Persistente Schocks? Informationsprobleme? Kostenkanal der Geldpolitik Zinssatz als Teil der Grenzkosten und damit Teil der Phillips-Kurve Geldpolitik verschiebt jetzt AD und PC simultan Konsequenzen für geldpolitische Reaktion: Ravenna und Walsh (JME, 2006), Michaelis und Palek (2014). Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 44