Die Supernova - Neue Zürcher Zeitung

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FORSCHUNG UND TECHNIK
064/6
Mittwoch.
18.
März 1987
Nr. 64
69
Wie amorpli ist amorphes Silizium?
Nachweis von Sitbmikrokristalliten im Nanometerbereich
Die Grosse Magellansche Wolke mit der am 24. Februar entdeckten Supernova. (Bild ESO)
Die Supernova «1987a»
Ein sterbender Stern in der Grossen Magellanschen Wolke
tr. Am 24. Februar 1987 wurde fast gleichzeitig von Südamerika, Australien und Neuseeland
aus in der Grossen Magellanschen Wolke eine
Supernova entdeckt. Sie erhielt die Bezeichnung
«1987a» und liegt 20 Bogenminuten südwestlich
vom bekannten Tarantelnebel (NGC 2070).
Erstentdecker war der Astronom lan Shelton
von der Universität Toronto, der am Observatorium Las Campanas in Chile tätig ist. Eine Supernova in relativ geringer Entfernung ist ein
von Astronomen seit langem sehnlich erwartetes Ereignis. «1987a» erfüllt diesen Wunsch, ist
doch die Grosse Magellansche Wolke (LMC,
Large Magellanic Cloud) eine der zwei kleinen
Begleitgalaxien der Milchstrasse; sie ist lediglich 165 000 Lichtjahre von uns entfernt. Die
beiden Magellanschen Wolken sind von der
Südhalbkugel aus sichtbar und wurden 1521
vom portugiesischen Seefahrer Ferdinand Magellan erstmals beschrieben. Es sind auffallende
Objekte mit einem Durchmesser von 12 beziehungsweise 4 Grad. Die LMC gehört zu den
unregelmässigen Balkenspiralen und enthält
rund 15 Milliarden Sterne.
Ein seltenes Ereignis
Ein Supernovaausbruch gehört zu den spektakulärsten Himmelserscheinungen, kann doch
die Leuchtkraft des betroffenen, am Ende seiner
Entwicklung stehenden, massereichen Sterns innert weniger Tage um das Milliardenfache ansteigen. Der Energieausstoss liegt zwischen 10'und lO44 Joule, also gleich viel, wie unsere
Sonne in zehn bis hundert Millionen Jahren abstrahlt. Es werden jedes Jahr 20 bis 25 Supernovä beobachtet, doch ereignen sich diese
«Sternexplosionen» in der Regel in weit entfernten Galaxien. Seit der Erfindung des Teleskops konnte noch nie eine Supernova in der
Milchstrasse beobachtet werden.
Das interessanteste Ereignis dieser Art fand
1054 im Sternbild Stier in einer Entfernung von
6300 Lichtjahren statt. Es wurde von chinesischen und japanischen Astronomen beschrieben, in Europa jedoch nicht zur Kenntnis genommen, obwohl diese Supernova mit freiem
Auge am Taghimmel sichtbar war. Daraus entwickelte sich der berühmte Crab-Nebel. eines
der meisterforschten Himmelsobjekte, in dessen
Zentrum sich ein Pulsar befindet. Darauf folgte
1572 die Tychonische Supernova im Sternbild
Cassiopeia, die vom dänischen Astronomen Tycho Brahe untersucht wurde. Johannes Kepler
war der letzte Astronom, der das Glück hatte,
eine galaktische Supernova beobachten zu können, und zwar im Sternbild Ophiuchus. Leider
musste sich die Astronomie damals noch auf
Positions- und Helligkeitsbestimmungen beschränken, Teleskop und Spektrograph gab es
ja noch nicht. Man schätzt, dass in der Milchstrasse pro Jahrtausend 10 bis 25 Supernova
aufleuchten, doch liegen die meisten davon für
uns ungünstig, so dass ihr Licht von interstellaren Staubwolken sehr stark abgeschwächt wird.
Ein Supernovaausbruch ist die Endphase der
Entwicklung massereicher Sterne, deren nukleare Energiereserven in der Form von Wasserstoff und Helium weitgehend aufgebraucht
sind. Der gravitationellen Kontraktion steht
nunmehr kein Strahlungsdruck entgegen; der
vorwiegend aus mittelschweren Elementen der
Eisengruppe bestehende Zentralbereich des
Sterns kollabiert zur Atomkerndichte und entartet zum Neutronenstern oder zum Schwarzen
Loch. Beim schlagartigen Abschluss des Implosionsvorgangs entstehen Schockwellen, welche
die äusseren Schichten des Sterns mit einer Geschwindigkeit von 5000 bis 20 000 km/s in den
interstellaren Raum hinausschleudern: es entsteht eine sich rasch ausdehnende Gaswolke.
Supernova des Typs II
gibt zwei Erscheinungsformen von Supernovä; sie werden als Typ I und Typ II klassifiziert. Typ I wird bei Sternen relativ geringer
Masse beobachtet, die sich vorwiegend in ejliptischen Galaxien und in den Kernen von Spiralnebeln befinden. Typ II ereignet sich bei massereichen, jüngeren Sternen und führt zu einem
zehn- bis hundertmal geringeren Energieausstoss. Die Unterscheidung erfolgt anhand von
Spektrum und Lichtkurve. Bei der Explosion
entstehen durch Neutronenaufnahme und negativen Betazerfall alle Elemente, die im Periodensystem oberhalb des Eisens liegen. Sie gelangen in interstellare Gas- und Staubwolken,
bei deren Kollaps neue Sterne entstehen können. Das gesamte Inventar des Sonnensystems
an Schwermetallen stammt von Sternen, die vor
vielen Jahrmilliarden explodierten und deren
Materie teilweise «rezykliert» wurde.
Zufällig wurde die LMC im Februar mehrmals mit hochauflösenden Instrumenten photographie«. Es zeigte sich, dass die Supernova als
Objekt der 6. Grössenklasse am 23. Februar um
09:00 Weltzeit erkannt werden konnte. Auf einer acht Stunden früher aufgenommenen Platte
war der Vorgängerstern noch unverändert. Der
Ausbruch muss also in der dazwischenliegenden
Zeit begonnen haben. Innert 48 Stunden erhöhte sich die Helligkeit auf Grösse 4,5; am
28. Februar wurde das Maximum von 4,3 erreicht. Anfänglich leuchtete das Objekt stark
blau; nach einer Woche sank der Ultraviolettanteil erheblich ab, parallel dazu stieg die Intensität der roten und infraroten Strahlung. Dies ist
auf die expansionsbedingte Abkühlung der ausgestossenen Gaswolke zurückzuführen.
In den ersten Spektren wurden die Balmerlinien des Wasserstoffs nachgewiesen, mit einer
Blauverschiebung in Absorption und einer Rotverschiebung in Emission. Die Expansionsgeschwindigkeit betmg anfänglich 17 400 km/s,
fiel aber innert zweier Wochen auf 10 000 km/s.
Aus diesen Spektren wurde geschlossen, dass es
sich bei «1987a» um eine Supernova des
Typs II handelt. Den Spektren überlagert waren
enge Absorptionslinien des Kalziums, Natriums
und Kaliums, die von mindestens zwölf zwischen dem Objekt und uns liegenden, bisher
nicht bekannten intergalaktischen und galaktischen Gaswolken herrühren. Neben sichtbarem
Licht emittiert «1987a» auch Ultraviolett-, Radio- und Röntgenstrahlung. Auf Grund älterer
Aufnahmen weiss man, dass es sich beim explodierten Stern um das Objekt Senduleak 69 202
oder einen Begleitstern handelt, einen Superriesen mit 30 bis 50 Sonnenmassen. Er erscheint
Es
tr. Die Struktur nichtkristalliner Festkörper
ist seit Jahrzehnten ein kontroverses Thema.
Zwei Modelle mit unzähligen Varianten stehen
zur Diskussion: eine völlig ungeordnete Struktur einerseits, sehr kleine kristalline Bereiche
mit dazwischenliegenden ungeordneten Zonen
anderseits. Alle denkbaren physikalischen Verfahren wurden zur Klärung dieses Problems
beigezogen, doch ein echter Konsens liess sich
nicht erreichen. Immerhin waren alle bisherigen
Versuche zum Nachweis kristalliner Zonen im
Bereich von 30 nm und darunter erfolglos. Aus
diesem Grund wurden in den letzten Jahren
zwei verschiedene Modelle weitgehend akzeptiert: ein kontinuierliches, ungeordnetes Netzwerk von Atomen für amorphe Halbleiter sowie
eine sich ständig verändernde, aber dichte
Raumpackung für metallische Gläser.
Kürzlich beobachten Mitarbeiter der AT&T
Bell Laboratories in amorphem Silizium Submikrokristallite im Grössenbereich von etwa 3 nm,
welche die obigen Modelle in Frage stellen.
Diese Submikrokristallite sind zu klein, um bei
der konventionellen Röntgen- und Elektronenbeugung diskrete Diffraktionsmuster zu ergeben. Man ging darum von hochauflösenden,
durchstrahlungs-elektronenmikroskopischen
Bildern aus, die als optische Beugungsgitter verwendet wurden (Nature 325. 121 [1987]). Dabei
wurden zur Abbildung nur die ersten Reflexe
des Siliziums verwendet. Die so erhaltenen Bilder stellen getreue Abbildungen des untersuchten Kristallgitters dar; Reflexe höherer Ordnung müssen vermieden werden, weil sich die
Linsenfehler des Objektivs dann stark bemerkbar machen. Unter Umständen werden die Phasenfehler so gross, dass die Bilder mehr instrumentelle Artefakte als brauchbare Abbildungen
des Kristallgitters darstellen.
Erschwerend bei der Untersuchung von Submikrokristalliten ist auch die Tatsache, dass die
elektronenmikroskopische Abbildung eine zweidimensionale Projektion dreidimensionaler Ob-
auf früheren Platten als Objekt der
12. Grössenklasse; durch den Supernovaausbruch erhöhte
sich die Helligkeit um einen Faktor zweitausend.
Neutrinos und Schwercwellen
Von besonderer Bedeutung sind fünf Neutrinoimpulse, die am 23. Februar am italienischsowjetischen Neutrinoobseryatorium im Montblanc nachgewiesen wurden -und zweifellos Von
«1987a» stammen. Die Energie dieser Neutrinos liegt oberhalb von 7 MeV. Neutrinos sind
ein wichtiger Bestandteil der theoretischen Supernovamodelle und sind entscheiden
für das
d
Verhalten der ausgestossenen Gaswolke.
In den kommenden Wochen und Monaten
wird es von grösstem Interesse sein, sowohl die
Entwicklung dieser Wolke wie das Schicksal des
Kerns zu verfolgen. Dank der extremen Helligkeit einer Supernova wird es auch möglich, die
in der Sichtlinie befindliche intergalaktische
Materie spektroskopisch zu untersuchen. Bisher
fehlen genaue Häufigkeitsmessungen von seltenen Isotopen wie Lithium 7, das über die frühe
stellare Nukleosynthese Auskunft gibt. Ausserdem ist das Verhältnis zwischen Kohlenstoff 13
und Kohlenstoff 12 für die chemische Evolution
von Galaxien von Bedeutung. Mit der Strahlung
von «1987a» dürfte es möglich werden, die bisher auf die unmittelbare Umgebung der Sonne
beschränkten Isotopenmessungen bis zur Grossen Magellanschen Wolke auszudehnen.
Beim Ausbruch der neuen Supernova war
leider weltweit kein einziger supraleitender Gravitalionswellendetektor in Betrieb. Die Implosion eines stellaren Kerns sollte nämlich auf
Grund der Relativitätstheorie starke Schwerewellen auslösen. Immerhin wurde das Ereignis
von zwei weniger empfindlichen, mechanischen
Detektoren registriert; die Auswertung dieser
Daten steht noch aus. Die Supernova «1987a»
wird weiterhin weltweit mit Grossteleskopen
und unter Einsatz jedes verfügbaren astronomischen Satelliten untersucht. Im September 1987
soll am Hauptquartier der ESO (European
Southern Observatory) in Garching bei München ein spezieller «Workshop» zur Interpretation der dabei erhaltenen Daten durchgeführt
werden.
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jekte darstellt. In einer solchen Projektion ist es
fast unmöglich, viele einander überlagerte submikrokristalline Bereiche von einer wirklich ungeordneten Struktur zu unterscheiden. Selbst
wenn die erwähnten instrumentellen Probleme
überwunden werden, lässt sich ein eindeutiger
Entscheid über die tatsächlich vorhandene
Struktur kaum fällen. Bei AT&T wurden
1000 nm dicke Filme aus amorphem Silizium
untersucht, die durch lonenätzen teilweise auf
10 nm reduziert wurden. Sie wurden durch Aufdampfen auf ein sauberes, kristallines Siliziumsubstrat gewonnen. Es ist bekannt, dass ein solches Substrat den Ordnungszustand eines darauf abgeschiedenene amorphen Films erheblich
verbessert.
Für diese Untersuchungen wurde ein Elektronenmikroskop der Firma JEOL mit dem ausserordentlich hohen Auflösungsvermögen von
0,15 bis 0,17 nm eingesetzt. Kleine Ausschnitte
der mit diesem Instrument erhaltenen Bilder
dienten als Beugungsgitter für einen Laserstrahl; so wurden zahlreiche, aus diskreten
Bragg-Reflexen bestehende optische Beugungs-
diagramme gefunden, die Bereiche des untersuchten Siliziumfilms von 5 nm Durchmesser
darstellen. Somit war es erwiesen, dass die untersuchte Probe aus gegeneinander leicht verdrehten Submikrokristalliten mit einem Durchmesser von einigen Nanometern bestand. Dies
liess sich durch holographische Bildrekonstruktion auf der Basis der optisch filtrierten Beugungsdiagramme bestätigen. Der vermeintlich
amorphe Siliziumfilm bestand demnach fast
vollständig aus einem Mosaik hochgradig geordneter Submikrokristallite. Die ungeordneten
Zwischenräume umfassen einen Volumenanteil
von weniger als Prozent. Elektronenspinresonanzmessungen ergaben zudem, dass dies nicht
nur in einer Entfernung von einigen hundert
Nanometern vom kristallinen Substrat gilt, sondern für den ganzen, 1000 nm messenden Quer1
schnitt des Siliziumfilms.
Quasar mit einer
Rotverschiebung von 4,01
tr. Die am weitesten entfernten teleskopisch
nachweisbaren Objekte sind die sogenannten
Quasare, das heisst Galaxien mit einem hochaktiven Kern. Auf Grund ihrer extremen Helligkeit
sind sie noch in Entfernungen von mehreren
Milliarden Lichtjahren sichtbar. Weil ihr Licht
so lange unterwegs war, vermitteln uns Quasare
Information über frühe Entwicklungsphasen
des Universums und über die intergalaktische
Materie, die auf dem Weg durchquert wurde.
Quasare werden auf Grund der Rotverschiebung
ihrer Spektrallinien gekennzeichnet. Diese
durch den Dopplereffekt bewirkte Rotverschiebung ist um so grosser, je weiter entfernt das
Objekt ist und je schneller es sich von uns entfernt. Der bisherige «Rekordhalter» war ein
1985 entdeckter Quasar, der eine Rotverschiebung von 3,80 aufwies.
Mit dem in Australien aufgestellten britischen Schmidt-Teleskop gelang es nun Astronomen der Universität Cambridge einen Quasar
mit einer Rotverschiebung von 4,01 nachzuweisen. Es wurden Platten in fünf Spektralbändern
zwischen Violett und Infrarot aufgenommen.
Die spektralen Charakteristiken von Quasaren
ermöglichen eine relativ einfache Unterscheidung von schwachen Sternen unserer Galaxis,
die auf dem breiten Sichtfeld der Schmidt-Kamera (30 Grad im Quadrat) in grosser Zahl vorhanden sind.
Auf Grund seiner Himmelskoordinaten erhielt der neue Quasar die Bezeichnung 0046293: er liegt in unmittelbarer Nähe von drei bereits bekannten, ebenfalls sehr weit entfernten
Quasaren und gehört zur 19. Grössenklasse. Ein
mit dem Anglo- Australian Telescope aufgenommenes Spektrum umfasst Kohlenstoff-, Sauerstoff- und Siliziumlinien; auf dieser Basis wurde
die erwähnte Rotverschiebung von 4,01 berechnet. Sie entspricht einer Entfernung von 16 bis
20 Milliarden Lichtjahren. Der Quasar 0046-293
muss also innert der ersten Milliarde Jahre nach
dem Urknall entstanden sein.
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Neue Zürcher Zeitung vom 18.03.1987
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