6. Kompaktheit

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PD DR. THOMAS TIMMERMANN
6. KOMPAKTHEIT
Für metrische Räume wurde Kompaktheit in der Analysis II bereits ausführlich diskutiert. Für topologische Räume definieren wir sie nun mittels offener Überdeckungen.
Sei (X, τ) ein topologischer Raum. Für V ⊆ P (X) schreiben wir
[
V :=
[
V ∈V
V,
\
V :=
\
V.
V ∈V
Definition 6.1. Sei (X, τ) ein topologischer Raum.
• Eine offene Überdeckung einer Teilmenge Y ⊆ X ist eine Teilmenge U ⊆ τ mit
S
Y ⊆ U . Eine Teilüberdeckung ist dann eine Überdeckung V ⊆ U .
T
• Eine Teilmenge A ⊆ P (X) hat die endliche Durchschnittseigenschaft, falls F 6=
0/ für jede endliche Teilmenge F ⊆ A .
Satz 6.2. Für jeden topologischen Raum (X, τ) sind äquivalent:
(1) Jede offene Überdeckung von X enthält eine endliche Teilüberdeckung.
(2) Ist A eine Menge abgeschlossener Teilmengen von X mit der endlichen DurT
/
schnittseigenschaft, so gilt A 6= 0.
Beweis. (1) ⇒ (2) Ist der Schnitt aller Mengen A ∈ A leer, so bilden deren Komplemente
eine offene Überdeckung und wir finden A1 , . . . , An mit X = Ac1 ∪ · · · ∪ Acn = (A1 ∩ · · · ∩
An )c , Widerspruch.
(2) ⇒ (1) Analog.
Definition 6.3. Ein Raum (X, τ) heißt quasi-kompakt, wenn er die Bedingungen (1) und
(2) erfüllt, und kompakt, falls er zusätzlich Hausdorffsch ist.
Beispiel 6.4. Sei (X, τ) ein topologischer Raum.
(1) Wird die Topologie von einer Metrik erzeugt, so ist X bezüglich der Topologie
kompakt genau dann, wenn X bezüglich der Metrik kompakt ist.
(2) Bezüglich der ko-endlichen Topologie ist X stets kompakt: Ist U eine offene
Überdeckung und U0 ∈ U beliebig, so ist X \U0 endlich.
(3) Sind X und Y kompakt, so auch X ×Y (ÜA). Der wichtige Satz von Tychonoff (s.
nächste Vorlesung) besagt: Produkte unendlich (genauer: beliebig) vieler kompakter Räume sind wieder kompakt sind.
Wir sammeln nun grundlegende Eigenschaften kompakter Räume.
Lemma 6.5. Eine Teilmenge A eines topologischen Raumes (X, τ) ist bezüglich der
Teilraumtopologie τA quasi-kompakt genau dann, wenn jede offene Überdeckung U ⊆ τ
von A eine endliche Teilüberdeckung enthält:
GRUNDLAGEN DER ANALYSIS, TOPOLOGIE UND GEOMETRIE (WWU 2016)
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Beweis. “⇒”: Ist U ⊆ τ eine offene Überdeckung von A, so ist UA := {U ∩ A : U ∈
U } ⊆ τA eine offene Überdeckung und enthält eine endliche Teilüberdeckung.
“⇐”: Ist V ⊆ τA eine offene Überdeckung, so finden wir U ⊆ τ mit V = UA .
Satz 6.6. Sei (X, τX ) quasi-kompakt.
(1) Ist A ⊆ X abgeschlossen, so ist auch A quasi-kompakt.
(2) Ist (Y, τY ) ein topologischer Raum und f : X → Y eine stetige Abbildung, so ist
auch f (X) quasi-kompakt.
Beweis. (1) Ist U ⊆ τX eine Überdeckung von A, so ist U ∪ {X \ A} eine Überdeckung
von X und enthält eine endliche Teilüberdeckung von X. Also enthält U eine endliche
Teilüberdeckung von A.
(2) Ist V ⊆ τY eine offene Überdeckung von f (X), so bilden die Urbilder eine offene
Überdeckung von X. Also finden wir V1 , . . . ,Vn ∈ V mit X ⊆ f −1 (V1 ) ∪ · · · ∪ f −1 (Vn ),
d.h. f (X) ⊆ V1 ∪ · · · ∪Vn .
Folgerung 6.7. Ist X quasi-kompakt und ∼ eine Äquivalenzrelation auf X, so ist auch
X/∼ quasi-kompakt.
Umgekehrt zu (1) ist jede kompakte Teilmenge eines Hausdorff-Raumes abgeschlossen.
Um das zu zeigen, benötigen wir folgende Trennungseigenschaft.
Satz 6.8. Sei X Hausdorffsch und seien A, B ⊆ X kompakt. Dann existieren disjunkte
offene Mengen U und V mit A ⊆ U und B ⊆ V .
Beweis. Fall B = {x}: Wähle für jedes a ∈ A offene Umgebungen Ua von a und Va
/ wähle a1 , . . . , an ∈ A mit A ⊆ Ua1 ∪ · · · ∪ Uan =: U und setze
von x mit Ua ∩ Va = 0,
V := Va1 ∩ · · · ∩Van .
Allgemeiner Fall: Wähle für jedes b ∈ B offene Umgebungen Ub von A und Vb von {b},
wähle b1 , . . . , bn ∈ B mit B ⊆ Vb1 ∪ · · · ∪Vbn =: V und setze U := Ub1 ∩ · · · ∩Ubn .
Folgerung 6.9. Ist X Hausdorffsch und A ⊆ X kompakt, so ist A abgeschlossen.
/
Beweis. Für jedes x ∈ X \A finden wir eine offene Umgebung V von x mit V ∩A = 0.
Folgerung 6.10. Sei f : X → Y eine stetige Bijektion topologischer Räume, X quasikompakt und Y Hausdorffsch. Dann ist f ein Homöomorphismus.
Beweis. Zeigen: f −1 ist stetig. Ist A ⊆ X abgeschlossen, so auch quasi-kompakt, also
( f −1 )−1 (A) = f (A) quasi-kompakt, also abgeschlossen in Y .
Wir wollen nun Kompaktheit mit Netzen und Teilnetzen charakterisieren. In metrischen
Räumen ist Kompaktheit äquivalent dazu, dass jede Folge einen Häufungspunkt beziehungsweise eine konvergente Teilfolge besitzt. Teilnetze sind etwas umständlich.
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PD DR. THOMAS TIMMERMANN
Definition 6.11. Ein Punkt x ∈ X heißt Häufungspunkt von (xλ )λ , wenn gilt:
∀Umgebung U von x∀λ ∈ Λ∃λ0 ≥ λ : xλ0 ∈ U.
(3)
zu jeder Umgebung U von x und jedem λ ∈ Λ ein λ0 ≥ λ mit xλ0 ∈ U existiert.
Nun können wir Quasi-Kompaktheit mit Netzen charakterisieren:
Satz 6.12. Ein topologischer Raum X ist genau dann quasi-kompakt, wenn jedes Netz
in X einen Häufungspunkt besitzt.
Beweis. “⇒”: Angenommen, (xλ )λ hat keinen Häufungspunkt. Dann finden wir für
jedes x ∈ X eine offene Umgebung Ux und ein λx mit xλ 6∈ Ux für alle λ ≥ λx . Da
S
x∈X Ux = X, existieren x1 , . . . , xn ∈ X mit Ux1 ∪ · · · ∪Uxn = X. Wähle λ ≥ λx1 , . . . , λxn .
Dann folgt xλ 6∈ Uxi für alle i, also xλ 6∈ X, Widerspruch.
“⇐”: Sei U eine offene Überdeckung von X und Λ die Menge aller endlichen TeilmenS
gen von U , gerichtet durch Inklusion. Angenommen, F 6= X für jedes F ∈ Λ. Wähle
S
S
xF ∈ X \ F für jedes F ∈ Λ. Sei x ein Häufungspunkt von (xF )F . Da U = X, existiert ein U ∈ U mit x ∈ U. Dann finden wir zu U und F = {U} ein F 0 ∈ Λ mit U ∈ F 0
S
und xF 0 ∈ U, im Widerspruch zur Wahl xF 0 ∈ X \ F 0 ⊆ X \U.
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