Kapitel 8 - Kompakte Räume Ein Vortrag von Philipp Dittrich nach B.v.Querenburg: Mengentheoretische Topologie Inhalt 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 Definition Kompaktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel - das Intervall (0,1) . . . . . . . . . . . . . . . . . Satz - Abgeschlossene Teilmengen quasikompakter Räume Satz - Kompakte Teilmengen v. Hausdorff-Räumen . . . . Satz - Kompaktheit und stetige Abbildungen . . . . . . . Satz von Heine-Borel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 2 3 4 4 Kompakte Räume 8.1 Definition Ein topologischer Raum X heißt quasikompakt, wenn jede offene Überdeckung (Ui )i∈I von X eine endliche Überdeckung (Ui )i∈I 0 ⊂I enthält. Ein topologischer Raum heißt kompakt, wenn er quasikompakt und Hausdorffsch ist. Eine Teilmenge A ⊂ X heißt quasikompakt bzw. kompakt, wenn der entsprechende Unterraum A diese Eigenschaft hat. Beispiel Wie kann man sich nun vorstellen, was es bedeutet, ein (Teil)Raum ist kompakt, und wie überprüft man dies konkret? Betrachten wir dazu ein nicht kompaktes Beispiel: Behauptung Das Intervall (0, 1) ist in R mit der natürlichen Topologie nicht kompakt. Beweis 1 Man betrachte die Überdeckung (( , 1))n∈N . n [ 1 Offensichtlich ist ( , 1) = (0, 1), und genauso offensichtlich gibt es kein n n∈N N [ 1 1 ( , 1) ⊇ (0, 1). Mit anderen Worten, (( , 1))n∈N enthält N ∈ N so dass n n n=1 keine endliche Teilüberdeckung, und damit ist (0, 1) per Def. nicht kompakt. 8.2 Satz Jede abgeschlossene Teilmenge A eines quasikompakten Raumes X ist quasikompakt. Beweis Man bedenke: (Ui )i∈I ist eine offene Überdeckung von A genau dann, [wenn es eine Familie (Vi )i∈I offener Mengen von X mit Ui = Vi ∩ A und A ⊂ Vi gibt. i∈I Ausserdem: Ist [ (Vi )i∈I ein System offener Mengen und A ⊂ X abgeschlossen, so gilt A ⊂ Vi genau dann, wenn (Vi )i∈I zusammen mit X \ A eine ofi∈I fene Überdeckung von X ist. X kann nur dann [ quasikompakt sein, wenn die Quasikompaktheitsbedingung 8.1 sowohl für (Vi ) als auch für X \ A gilt. Auf i∈I diese Weise "vererbt" sich die Quasikompaktheit von den Vi ∪ (X \ A) auf die 2 Ui und damit von X auf A. Eine quasikompakte Teilmenge eines quasikompakten Raumes braucht allerdings nicht notwendigerweise abgeschlossen zu sein. Dies gilt nur unter bestimmten Umständen: 8.3 Satz Eine kompakte Teilmenge K eines Hausdorff-Raumes X ist abgeschlossen. Beweis Da X Hausdorffsch ist, gibt es zu x ∈ X \ K und y ∈ K eine offene Umgebung U (x, y) von y und dazu eine offene Umgebung Vx,y von x mit (HausdorffEigenschaft!) U (x, y) ∩ Vx,y = ∅. Die Familie (U (x, y))y∈K bildet dann eine offene Überdeckung von K. Da K[ kompakt ist, existiert eine endliche Teil\ 0 menge K ⊂ K, so dass K ⊆ U := U (x, y). Ferner ist Vx := Vx,y eine y∈K 0 y∈K 0 offene Umgebung von x. Es gilt Vx ∩ U = ∅, denn: angenommen es gibt ein z in einem Ux0 , so dass z ∈ Ux0 ∩ U . Einsetzen der Definitionen liefert folgende zwei Bedingungen: z ∈ Vx0 ,y ∀y ∈ K 0 und ∃y0 : z ∈ U (x0 , y0 ). Daraus folgt aber z ∈ U (x0 , y0 ) ∩ Vx0 ,y0 und das ist ein Widerspruch zur Wahl der U (x, y) und Vx,y , siehe oben. [ Da Vx offen ist (endlicher Schnitt offener Mengen), ist V := Vx offen. Es x∈X\K ist aber gerade V = X \ K, denn: "⊇": klar, die Vereinigung der offenen Umgebungen aller Punkte einer Menge ist Obermenge dieser Menge. [ [ "⊆": Es ist Vx ∩ U = ∅ ⇒ (Vx ∩ U ) = ∅ ⇒ ( Vx ) ∩ U = ∅ x∈X\K Weiter: K ⊆ U ⇒ [ Vx ∩ K = ∅ x∈X\K ⇒ x∈X\K [ Vx ⊆ X \ K (Beh.) x∈X\K Da V = K C = X \ K offen ist, ist K also abgeschlossen. Bemerkung Die Hausdorff-Eigenschaft von X ist hier wirklich für den Satz und nicht nur für diesen Beweis notwendig. Dazu betrachte man einen topologischen Raum X versehen mit der indiskreten Topologie. Da hier nur X selbst sowie ∅ als offene Mengen definiert sind, sind diese beiden auch die einzigen abgeschlossenen Mengen. Für ein A ⊆ X ist nun A immer quasikompakt, da X und ∅ ja alle möglichen offenen Überdeckungen von A sind, und somit sich selbst als endliche "Teil"Überdeckung enthalten. Andererseits sind nicht alle A ⊆ X abgeschlossen, genau sogar nur solche A, die selbst entweder X oder ∅ sind (s.o.). 3 8.4 Satz Sei X quasikompakt und f : X → Y stetig, dann ist f (X) auch quasikompakt. Beweis Sei (Ui )i∈I eine offene Überdeckung von f (X). Dann ist (f −1 (Ui ))i∈I eine offene Überdeckung von X. Diese enthält wegen der Quasikompaktheit eine endliche Überdeckung (f −1 (Ui ))i∈L , L ⊂ I. (Ui )i∈L ist eine endliche Überdeckung von f (X). 8.5 Satz von Heine-Borel Eine Teilmenge des Rn ist genau dann kompakt, wenn sie beschränkt und abgeschlossen ist. Beweis - Hinrichtung Dass eine kompakte Menge beschränkt ist, sieht man an der offenen Überdeckung (Bn (0))n∈N , Bn (x) := {y | d(x, y) < n}, die Überdeckung durch die offenen Kugeln um den Nullpunkt mit jeweils Radius n. Diese enthält - wegen der Kompaktheit - eine endliche Überdeckung, und eine endlich große Bn (0)-Kugel ist unter anderem nur endlich groß, also beschränkt. Abgeschlossen ist eine kompakte Menge nach 8.3 (da Rn hausdorfsch ist). // Beweis - Rückrichtung Die Umkehrung folgt aus der Tatsache, dass eine beschränkte Menge des Rn Teilmenge eines Würfels W = Wa (0) := {(x1 , . . . , xn ) ∈ Rn | |xi | ≤ a, a ∈ R} ist (und weil abgeschlossen auch kompakt, wenn W kompakt ist - 8.2) und W zu [−a, a]n homöomorph ist. Kompaktheit wird hier mit "genau dann, wenn" übertragen, da ein Homöomorphismus unter anderem immer stetig ist, und stetige Abbildungen - siehe 8.4 - Kompaktheit bewahren. Nun ist also nur noch zu zeigen, dass [−a, a]n tatsächlich auch kompakt ist. [ Sei also X := [0, 1]n ⊂ Ui , und nehmen wir an es existiere keine endliche i∈I Teilüberdeckung. Wir wollen nun eine Folge definieren. Zu x0 ∈ X definiere Ix0 := {i ∈ I|x0 ∈ Ui } ⊂ I. Offensichtlich ist Ix0 6= ∅. Ferner: ∀i ∈ Ix0 ∃i > 0 , so dass Bi (x0 ) ⊂ Ui und Bδ (x0 ) 6⊂ Ui für δ > i . Sprich, man wählt i maximal bzgl i. Das geht, weil man sonst (d.h. wäre i unbeschränkt) eine endliche Teilüberdeckung erhielte, welches nach Vorraussetzung nicht gilt. 1 Nun wähle i0 ∈ Ix0 , so dass i0 > sup{i | i ∈ Ix0 }. Damit ist für x0 ∈ Ui0 2 besagtes Ui0 zumindest nicht das kleinste, sondern sogar "halbwegs groß". Wir wählen x1 ∈ X \ Ui0 . Dazu finden wir wie oben ein Ui1 (3 x1 ). Wir 4 wählen dann x2 ∈ X \ (Ui0 ∪ Ui1 ) und finden dazu ein Ui2 (3 x2 ) und so weiter. Es entsteht eine Folge xk ⊂ X, mit xk ∈ / Ui0 ∪ · · · ∪ Uik−1 ; xk ∈ Uik mit jeweils "nicht zu kleinen" ik , wobei natürlich immer noch die entsprechenden Bik (xk ) ⊂ Uik sind. Diese Uik gibt es übrigens immer, weil man andernfalls wieder eine endliche Teilüberdeckung hätte. Für die hier definierte Folge ( es gilt |{xk | k ∈ N}| = ∞ wegen der Annahme, das keine endliche Teilüberdeckung von X existiert) existiert wegen der Vollständigkeit von Rn und der Beschränktheit von X nach dem Satz von BolzanoWeierstraß eine konvergente Teilfolge xnk → y ∈ Uj . Offensichtlich gibt es ein > 0 s.d. B (y) ⊆ Uj . Wähle nun ein N ∈ N so dass xnk ∈ B 2 (y) ∀nk > N . Sei nun nk > N . Es ist B 2 (xnk ) ⊆ B (y) ⊆ Uj . Ist Unk = Uj , so folgt sup{i | i ∈ Ixnk } ≥ . 2 Ist andernfalls Unk 6= Uj , gilt ebenfalls sup{i | i ∈ Ixnk } ≥ . 2 So oder so gilt sup{i | i ∈ Ixnk } ≥ und damit nk > ∀nk > N . 2 4 Dies ist nun effektiv ein Mindestabstand, der zwischen allen Folgengliedern xnk (mit nk > N ) liegt. Dies ist ein Widerspruch zur Konvergenz, also muss die Annahme falsch gewesen sein. Hieraus folgt die Kompaktheit. 5