Aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Zentrum für Nervenheilkunde der Universität Rostock Direktor: Prof. Dr. med. Thome „Assoziationen zwischen Homozystein und kognitiver Leistung im Rahmen der Altersdepression“ Inauguraldissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock vorgelegt von Savvas Topalidis, geb. am 20.10.1979 in Komotini (GR) aus Drama (GR) Essen, März 2013 urn:nbn:de:gbv:28-diss2014-0146-8 Dekan: Prof. Dr. med. Emil. C. Reisinger 1. Gutachter: Prof. Dr. med. Sabine Herpertz Klinik für Allgemeine Psychiatrie, Universitätsklinik Heidelberg 2. Gutachter: Prof. Dr. med. Dr. phil. Johannes Thome Klinik für Psychiatrie, Universitätsklinik Rostock 3. Gutachter: Prof. Dr. med. Thomas Kallert Klinik für Psychiatrie, Park-Krankenhaus Leipzig Datum der Einreichung: 20. Oktober 2011 Datum der Verteidigung: 12. März 2013 „Während die Menschen, von ihren Leidenschaften besessen töteten und getötet wurden, peitschten und gepeitscht wurden, oder kämpften, um in den Himmel zu gelangen, schwollen und reiften die Getreideähren in Frieden und Stille, sie richteten ihre Köpfe auf und neigten, für die Sense bereit, die Halme zur Erde“. N. Kazantzakis, Griechische Passion (Ο Χριστός ξανασταυρώνεται) Meinem Bruder Jorgo gewidmet Inhaltsverzeichnis Seite 1. Zusammenfassung 6 2. Einleitung 8 3. Stand der Literatur 10 3.1 Depression im Alter 10 3.1.1 Klassifikation der Depression als psychische Erkrankung 3.1.2 Besonderheiten in Ätiologie und Psychopathologie der Altersdepression 3.1.3 Differentialdiagnose, Depression und Demenz 3.2 Kognitive Leistung und Altersdepression 16 3.3 Homozystein 20 3.3.1 Homozystein und sein Metabolismus im ZNS 3.3.2 Homozystein und neuropsychiatrische Erkrankungen im höheren Alter 3.3.3 Homozystein-Hypothese und Depression 3.4 Kognition und Homozystein im Alter 25 4. Material und Methoden 26 4.1 Probandenkollektiv 4.2 Testverfahren 4.2.1 Quantifizierung der depressiven Symptomatik 4.2.2 Neuropsychologische Untersuchung 4.2.3 Messung der Morbidität und Komorbidität 4.3 Homozysteinwertbestimmung 4.4 Statistische Auswertung 5. Ergebnisse 5.1 Gruppenmerkmale im Vergleich 5.2 Homozystein und neurokognitive Leistung in der Altersdepression 33 6. Diskussion 38 7. Literaturverzeichnis 45 8. Anhang 57 11.1 MMST 11.2 DemTect 11.3 TFDD 11.4 HAMD 11.5 MARS-D 11.6 Stroop 11.7 d2 11.8 CIRS-G 9. Danksagung 77 10. Erklärung 77 11. Lebenslauf 78 12. Thesen 81 6 1. Zusammenfassung Hintergrund Kognitive Beeinträchtigung stellt eine häufig berichtete Begleiterscheinung bei Depression im Alter dar. Hohe Homozysteinwerte werden in Verbindung mit kognitiven Defiziten bei neuropsychiatrischen Erkrankungen gebracht. Ziele Die vorliegende Studie untersuchte mögliche Assoziationen zwischen kognitiver Beeinträchtigung und Homozysteinspiegel im Rahmen der Altersdepression. Methoden Die Leistungsfähigkeit von 25 psychisch gesunden Probanden und von 40 Patienten mit diagnostizierter Altersdepression wurde in den Domänen Sprachverarbeitung, Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, Konzentration und Aufmerksamkeit mit dem Stroop- Test und d2-Test beurteilt. Die Bestimmung des Serumhomozysteinspiegels erfolgte mit Hilfe einer Mikroplatten Enzyme Immunoassay. Ergebnisse Die Leistung der depressiven Patienten in den Bereichen Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (p<0,001) und Sprachverarbeitung (p= 0,001) war im Vergleich zu Kontrollen vermindert. Bezogen auf die Gruppe der Depressiven, erzielten Patienten mit hohem Homozysteinspiegel signifikant bessere Ergebnisse in den zwei obengenannten Domänen (p= 0,009 bzw. p=0,006) als Patienten mit Hcy- Spiegel 11,7 µmol/l. Zudem hatten Homozysteinwerte eine signifikante Auswirkung auf die Sprachverarbeitung (p= 0,002) und die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit. (p= 0,002). Schlussfolgerung Diese Ergebnisse legen nahe, dass Homozystein in der Altersdepression, die mit einer Störung der glumatenergen Transmission und des Glutamatstoffwechsels verbunden ist, einen positiven Einfluss auf die Sprachverarbeitung und die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit ausübt. Schlüsselwörter: Serumhomozystein, Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, Sprachverarbeitung, Depression im Alter 7 Summary Background Cognitive dysfunction is a common aspect of the spectrum of symptoms of geriatric depression. High homocysteine levels have been linked to cognitive decline in neuropsychiatric disorders. Objectives The present study investigated possible associations between cognitive impairment observed in geriatric depression and homocysteine levels. Methods Plasma homocysteine was determined with a microplate enzyme immunoassay. The performance of 25 mentally healthy individuals and 40 patients with geriatric depression in information processing, language processing, concentration and attention was assessed with the Stroop test and the d2 test. Results The performance of depressed patients was significantly lower in language processing (P=0.001) and in processing speed (P<0.0001). Depressed patients with high levels of homocysteine performed better than patients with homocysteine concentrations ≤11.7µmol/l in both cognitive domains (P= 0.006 and 0.009 respectively). Moreover, homocysteine level was positively associated with language processing (P=0.002) and processing speed (P=0.002). Conclusions: These findings indicate that under the special circumstances of geriatric depression (perturbation of glutamatergic transmission and glutamate metabolism) homocysteine is positively associated with the performance in language processing and processing speed. Key words: plasma homocysteine, information processing, processing speed, geriatric depression 8 2. Einleitung Die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) geht davon aus, dass bis zum Jahr 2020 die Depression in den industrialisierten Ländern die weltweit führende Krankheitsursache neben den Herz-Gefäß-Erkrankungen sein wird. Durch die höhere Lebenserwartung bedingt, ist die Depression im Senium mit einer Prävalenzrate von 8,8-18,3 % die häufigste psychische Erkrankung (1). Laut entsprechenden Daten aus dem deutschen Versorgungssystem wird zumindest eine häufigere Diagnosestellung mit zunehmendem Lebensalter belegt (2). Dies ist auch kompatibel mit der im Alter ansteigenden Suizidrate, die im Wesentlichen auf Depressionen zurückgeht (3). Im Rahmen der Altersdepression treten oft kognitive Defizite auf, die sich hauptsächlich auf die Domänen Informationsverarbeitung, exekutive Funktionen, visuell-räumliche Funktionen sowie psychomotorische Fertigkeiten beziehen (4) und primär nicht auf den Boden neurodegenerativer Prozessen entstehen (5, 6). Die kognitive Beeinträchtigung bei älteren depressiven Patienten besitzt eine besondere klinische Bedeutung, seitdem sie sowohl mit schwacher oder verzögerter Reaktion auf Antidepressiva als auch mit Rekurrenz der depressiven Symptomatik in Verbindung gebracht worden ist (7). Ein aktuelles neurophysiologisches Modell, das auf Befunde bildgebender, neuropsychologischer und elektrophysiologischer Studien basiert, vertritt die These, dass die - für die kognitive Fähigkeiten verantwortlichen- frontostriatalen Schaltkreise in der Altersdepression betroffen sind (8). Die nicht-essentielle Aminosäure Homocystein (Hcy) soll einen direkten oder zusätzlichen Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit ausüben. Die Theorie, dass ein erhöhter Plasmahomocysteinspiegel als Risikofaktor für kognitive Einbußen in verschiedenen neuropsychiatrischen Erkrankungen fungiert, ergibt sich aus den Beobachtungen einiger Studien, die die Assoziation zwischen kognitiven Defiziten und Hyperhomocysteinämie (HHcy) untersucht haben. (9-13). Ferner wurde ein positiver Zusammenhang zwischen hohen Hcy-Konzentrationen und Nachlassen der kognitiven Fähigkeiten bei gesunden Individuen berichtet (14). Dennoch zeigen nicht alle Studien eine negative Korrelation zwischen Hcy-Spiegel und kognitiver Leistung (15). Im Hinblick auf die Assoziation zwischen Hcy und kognitiver Leistung im Rahmen der Altersdepression ist jedoch bisher nur wenig bekannt. 9 Nach unserer Kenntnis ist die Arbeitsgruppe von Bell u. Mit. (16) die einzige bislang, die mögliche Assoziationen zwischen Homozystein und kognitiver Leistungsfähigkeit bei depressiven Patienten im Alter untersucht hat. Demnach wurde über eine signifikante negative Korrelation zwischen Homozystein-Spiegel und kognitiver Leistung bei einer Gruppe älterer depressiver Patienten berichtet. Allerdings hat die o.g. Studie einerseits demente Patienten von der gesamten Stichprobe der Altersdepressiven nicht ausgeschlossen und andererseits beschränkte sich hierbei die neuropsychologische Untersuchung lediglich auf den Mini Mental Status Test. Zielstellung der vorliegenden Studie: Die dargestellte Literatur macht die Notwendigkeit weitergehender Untersuchungen im Spannungsfeld Homozystein und kognitive Leistung bei der Altersdepression deutlich. Die vorliegende Arbeit will im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchen, neue Ergebnisse auf diesem noch jungen Forschungsgebiet zu liefern. Dabei soll untersucht werden, ob mögliche Assoziationen zwischen Homozystein und Leistungen depressiver Patienten in kognitiven Domänen bestehen, die im Rahmen der Altersdepression insbesondere beeinträchtigt sind, wie die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, Sprachverarbeitung, Aufmerksamkeit und Konzentration. Doch bevor die Beantwortung dieser Frage in den Mittelpunkt rückt, soll zum besseren Verständnis zunächst auf wichtige Grundlagen zur Depression im Alter, kognitiver Leistungsfähigkeit, Homocystein und gemeinsame Wechselwirkungen werden. eingegangen 10 3. Stand der Literatur 1.1 Depression im Alter 3.1.1 Klassifikation der Depression als psychische Erkrankung Eine depressive Episode kann nach den Kriterien des Diagnostic und Statistical Manual of Mental Disorders, "Fourth Edition" (DSM-IV) (17) der American Psychiatric Association diagnostiziert werden, wenn fünf oder mehr der folgenden Symptome während eines zusammenhängenden zweiwöchigen Zeitraums vorgelegt haben und eine Veränderung zur vorherrschenden Stimmungslage darstellen. Die Symptome müssen an fast allen Tagen, sowie die meiste Zeit des Tages vorliegen und können durch die Angaben des Betroffenen, teils aber auch durch Beobachtung Dritter, erhoben werden. Mindestens eins der unten angeführten Symptome besteht dabei entweder in einer depressiven Stimmungslage oder im Verlust von Freude und Interesse. Niedergeschlagene Stimmung, die meiste Zeit des Tages, wie z.B. Angabe des Gefühls von Traurigkeit oder Leere Deutlich herabgesetztes Interesse oder Vergnügen an allen oder beinahe allen Aktivitäten Signifikanter ungewollter Gewichtsverlust oder Gewichtszunahme von mehr als fünf Prozent des Körpergewichts innerhalb eines Monats, oder Zunahme bzw. Abnahme des Appetits Schlafstörungen (Hypersomnia oder Insomnia) Psychomotorische Agitation oder Retardierung (v.a. Fremdbeobachtung) Erschöpfung oder Energieverlust Gefühl der Wertlosigkeit oder übermäßige Schuldgefühle Reduzierte Fähigkeit der Konzentration oder Entscheidungsunfähigkeit Wiederholte Todes- und Suizidgedanken Das Hauptmerkmal der Major Depression nach DSM-IV (296.xx) ist ein klinischer Verlauf mit einer (296.2x) oder mehreren depressiven Episoden (296.3x), die durch o.g. 11 Merkmale charakterisiert sind, und ohne manische, gemischte oder hypomane Episoden in der Vorgeschichte einhergehen. Episoden einer substanzinduzierten affektiven Störung oder einer affektiven Störung aufgrund eines anderen medizinischen Krankheitsfaktors werden nicht der Diagnose Major Depression zugeordnet. Ebenso dürfen diese Episoden nicht durch eine schizoaffektive Störung besser zu erklären sein und nicht eine Schizophrenie, eine schizophreniforme Störung, eine wahnhafte Störung oder eine nicht näher bezeichnete psychotische Störung überlagern. Sie verursachen eine deutliche klinische Beeinträchtigung oder beeinträchtigen das Agieren in wichtigen Lebensbereichen, beispielsweise im sozialen oder beruflichen Umfeld. Auf der fünften Stelle des Diagnoseschlüssels wird das derzeitige Zustandsbild der depressiven Episode kodiert, wobei der Schweregrad in leicht (296.x1), mittelgradig (296.x2), schwer ohne psychotische Merkmale (296.x3) und schwer mit psychotischen Merkmalen (296.x 4) eingeteilt wird. . In Deutschland gebräuchlich ist das offizielle Klassifikationssystem der WHO, die internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD). Diagnosekriterien für psychische Erkrankung werden hier in Kapitel V beschrieben (18), aktuell in der 10. Revision von 1991/1992. Dabei unterscheidet die ICD-10 bei der Depressiven Störung ebenfalls zwischen einer Einzelnen Episode (F32.xx) oder einem rezidivierenden Verlauf (F32/33.3). Zusätzlich wird das Vorhandensein von somatischen Symptomen, die als „melancholisch“, „vital“ oder „endogenomorph“ bezeichnet werden, an letzter Stelle berücksichtigt. Freudlosigkeit, Hierzu mangelnde gehören Fähigkeit, Symptome angemessen wie Interessenverlust emotional zu und reagieren, frühmorgendliches Erwachen, Morgentief, Appetit-, Gewicht- und Libidoverlust, sowie psychomotorische Hemmung und Agitiertheit. Letztere Symptome der Psychomotorik wiederum zeigen sich als Unfähigkeit stillzusitzen, ständiges Herumlaufen, Zupfen und Ziehen an Haaren, Haut, Kleidern oder anderen rezidivierenden Bein- oder Fußbewegungen (Agitation), wohingegen die Hemmung in Form verlangsamter Sprache, längerer Antwortlatenzen, leiser, monotoner Stimme, Redearmut bis zum Mutismus, verlangsamten Körperbewegungen, zusammengefallener Haltung, starrer Mimik und verminderter Augenmotilität imponiert. . Beiden Klassifikations-Systemen gemein ist die explizite Vergabe von diagnostischen Kriterien (Ein- und Ausschlusskriterien). Das DSM- System ist doch durch eine breitere empirische Absicherung gestützt und berücksichtigt bei der Klassifikation fünf anstelle 12 der in der ICD verwendeten drei Achsen. Da hierdurch eine umfassendere Differenzierung vorgenommen werden kann, scheint vielleicht die Verwendung der DSM-IV in der klinischen und epidemiologisch orientierten Forschung der ICD überlegen. 3.1.2 Besonderheiten in Ätiologie und Psychopathologie der Altersdepression Emil Kraepelin betrachtete depressive Zustände, die im höheren Lebensalter erstmals auftreten, als eigenständige Krankheit außerhalb der von ihm geschaffenen Kategorie des manisch-depressiven Krankseins. Als Besonderheiten der Altersdepression hob er den erworbenen, nichtendogenen Charakter sowie die Häufigkeit von Angst und hypochondrische Befürchtungen hervor (19). Die Sonderstellung der Altersdepression ist in der europäischen wie in der amerikanischen Psychiatrie über viele Jahrzehnte aufrechterhalten worden. Schließlich setzte sich aber die Auffassung durch, dass sich das klinische Bild und der Verlauf der Depression im Alter, zwar nicht kategorial, wohl aber graduell von depressiven Störungen im früheren Lebensabschnitten unterscheidet. In den aktuellen Klassifikationssystemen kommt die Depression im Alter nicht mehr als nosologische Entität vor. Sie teilt sich in den verschiedenen Klassen der affektiven Störungen auf. Die ätiologischen und psychopathologischen Besonderheiten der Depression im Alter haben aber noch immer Gültigkeit (20). Zur Ätiologie: An der Entstehung der Depression im Alter sind genetische Faktoren und Persönlichkeitseigenschaften weniger häufig beteiligt als bei depressiven Störungen jüngerer Menschen (21). Dagegen finden sich häufiger Depressionen im Rahmen von hirnorganischen Veränderungen, z.B. Alzheimer-Demenz, M. Parkinson oder zerebrovaskulären Erkrankungen. Alterstypische psychosoziale Belastungen bestimmen teils ursächlich, teils als Kofaktoren oder Auslöser das Auftreten und den Verlauf depressiver Erkrankungen im Alter. Hier sind der Rückgang der Leistungsfähigkeit sowie der Verlust sozialer Rollen und Kompetenzen zu nennen, wie sie beispielsweise mit der Aufgabe der Berufstätigkeit verbunden sind (22). 13 Körperliche Erkrankungen, jedoch auch Krankheit und Tod naher Bezugspersonen kommen hinzu. Insbesondere kann die Akkumulation solcher Ereignisse in rascher Folge zur Überforderung werden, zumal bisherige Bewältigungsmechanismen und möglichkeiten, etwa das Gespräch mit dem Lebenspartner, wegfallen. Das klassische Bild der «Melancholie» wird im Alter proportional seltener gefunden (23). Subsyndromale Erkrankungsbilder, bei denen lediglich einzelne depressive Symptome auffallen oder Symptome geringerer Ausprägung vorliegen, nehmen dagegen in dieser Patientengruppe zu (24). Diese subsyndromalen depressiven Erscheinungsbilder und die hohe Komorbidität mit körperlichen Erkrankungen führen zu einer polymorphen und oft uncharakteristischen klinischen Symptomatik, welche die Diagnosestellung erschwert. Zur Psychopathologie: Im Senium entwickelt sich keine grundsätzlich andere Art von Depression, jedoch gibt es altersassoziierte pathoplastische Faktoren, die das klinische Erscheinungsbild prägen. Vegetative Störungen, wie Agitiertheit und Schlafstörungen, hypochondrische Befürchtungen und körperliche Angstsymptome treten stärker in den Vordergrund als bei jüngeren depressiven Patienten (25). Ältere Depressive neigen zur Somatisierung und Bagatellisierung ihrer depressiven Gefühle. Ein unklares Schmerzsyndrom kann Ausdruck einer zugrunde liegenden Depression sein, wie körperlich verursachte Schmerzen ihrerseits zu depressiven Verstimmungen führen. Auch das Klagen über kognitive Einschränkungen, eine Minderung des Gedächtnisleistung und des Konzentrationsvermögen kommt häufig vor (26). 3.1.3 Differentialdiagnose, Depression und Demenz Die ätiologischen und psychopathologischen Besonderheiten der Altersdepression führen zu vorhersagbaren differentialdiagnostischen Problemen. Diese Schwierigkeiten sind zum Teil dafür verantwortlich, dass depressive Störungen bei älteren Menschen oft nicht erkannt und nicht behandelt werden (20). Beispielsweise können Trauerreaktionen über viele Monate und Jahre anhalten und in 15% in behandlungsbedürftige Depressionen übergehen. Einige Symptome der Depression wie Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen, innere Unruhe und 14 Interessenverlust werden auch von Trauernden beschrieben, jedoch ohne das Vorhandensein von Hoffnungslosigkeit, herabgesetztem Selbstwertgefühl und Suizidgedanken. Aber auch körperliche Krankheiten und Persönlichkeitsstörungen sind oft schwer zu unterscheiden von affektiven Störungen, bei denen somatische Symptome bestehen. Bei dieser Unterscheidung ist es hilfreich, nach den Kernsymptomen der Depression zu fragen, vor allem nach gedrücktem Affekt, Antriebsdefizit, Anhedonie, und Schuldgefühlen. Um depressiven Verhaltensänderungen von dauerhaften Persönlichkeitsakzentuierungen zu differenzieren, ist eine Fremdanamnese erforderlich (23). Eine sehr wichtige Überschneidung ergibt sich mit organisch bedingten psychischen Störungen. Die bei weitem häufigste Ursache in der älteren Bevölkerung ist die Alzheimer-Krankheit (Tab.1). Im leichtgradigen Stadium mit noch relativ gering ausgeprägter Hirnleistungsstörung beträgt die Komorbidität mit Depression rund 20 %, es liegen aber weit höhere Schätzungen vor (27). Zur Abgrenzung von depressiven Patienten mit kognitiven Leistungseinbußen kann man Gesichtspunkte der Vorgeschichte, der Bewältigung von Alltagsaufgaben, des Verhaltens während der Untersuchung, neuropsychologische Befunde, sowie Ergebnisse der funktionellen Bildgebung und der Liquordiagnostik heranziehen. Depressionen setzen meist relativ plötzlich ein, während Demenzzustände über viele Monate oder sogar Jahre hinweg schleichend beginnen und allmählich fortschreiten. Depressive Patienten sind im täglichen Leben orientiert, während bei Demenzkranken die zeitliche und örtliche Orientierung schon in leichtgradigen Stadien unscharf werden kann. Bei der Schilderung ihrer Beschwerden neigen depressive Patienten zu einer Überbewertung ihrer kognitiven Defizite, während Demenzkranke sie eher bagatellisieren. Die neuropsychologische Untersuchung kann bei depressiven Patienten Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen zu Tage fördern, in der Regel werden aber keine Einschränkungen der Sprache oder der konstruktiven Fähigkeiten beobachtet. Gerade diese finden sich aber in der Regel bei leichtgradig dementen Patienten. Die Wortflüssigkeit ist hier herabgesetzt, die Wortfindung erschwert, das Benennen unsicher und inkorrekt, das Nachzeichnen von geometrischen Figuren und die Verarbeitung von räumlicher Information bereiten Schwierigkeiten (20). 15 Tabelle 1. Abgrenzung der Depression mit Hirnleistungsstörungen („depressive Pseudodemenz“) von der Demenz bei Alzheimer Krankheit Depression Demenz Familienanamnese häufig positiv (Depression) häufig positiv (Demenz) Krankheitsbeginn meist schnell, erkennbar schleichend, unklar Krankheitsverlauf meist keine Chronifizierung chronisch progredient Neurologische Symptomatik meist unauffällig initial häufig Wortfindungsstörungen Orientierung verhältnismäßig intakt meist gestört Merkfähigkeits- und Gedächtnisstörungen leichte Störungen, klingen nach Remission ab regelmäßig, progrediente Verschlechterung Formales Denken Denkhemmung umständlich, weitschweifig Auffassungsstörungen meist keine ausgeprägt Krankheitsgefühl Aggravationstendenz Bagatellisierungstendenz Affekt Tagesschwankungen ( „Morgentief“ ) affektlabil, ratlos Schlafstörungen häufig frühmorgendliches Erwachen häufig Umkehrung des SchlafWach-Rhythmus Libido eher gestört eher ungestört Hygiene eher unauffällig gestört Therapie mit Antidepressiva Besserung der depressiven Symptomatik und der kognitiven Störungen Besserung der depressiver Symptomatik, keine Beeinflussung der kognitiven Störungen Standardisierter Test Alltagsleistung besser als Testleistung Testleistung und Alltagsleistung entsprechen sich 16 Die Messung der regionalen Hirndurchblutung zeigt bei depressiven älteren Patienten eine diffuse Reduktion der Hirnperfusion und des Metabolismus (28). Bei Patienten mit leichtgradiger Alzheimer-Demenz jedoch lässt sich in zwei Dritteln der Fälle ein Defizit der zerebralen Perfusion und des Glucosestoffwechsels im Bereich des Temporal-, des Parietallappens sowie des posterioren Cingulums nachweisen (20, 29). In den letzten Jahren haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Bestimmung des Tau –Proteins im Liquor als Marker des neurodegenerativen Prozesses wesentlich zur Früherkennung der Alzheimer-Krankheit sowie Demenzen anderer Ätiologien beitragen kann. Aus Studien ist bekannt, dass die Tau-Konzentration schon in leichtesten klinischen Krankheitsstadium signifikant erhöht ist, dagegen liegen bei depressiven Patienten die Tau-Werte im normalen Bereich (30, 31). 3.2 Kognitive Leistung und Altersdepression Vor etwa dreißig Jahren herrschte die Auffassung vor, dass selbst schwere Depressionen nur mit vergleichsweise geringen kognitiven Defiziten einhergehen (32). Nach einer Analyse von Miller wurde diese Ansicht aber zunehmend in Frage gestellt (33). In den darauf folgenden Jahren wurden daher zunehmend systematische neuropsychologische Untersuchungen durchgeführt. Insbesondere in den letzten zehn Jahren wurden die Verfahren verfeinert, um einzelne neuropsychologische Domänen besser zu charakterisieren. Ein eindeutiges Muster kognitiver Defiziten bei Depressionen liegt bisher nicht vor, jedoch gibt es für einzelne kognitive Domänen relativ konsistente Befunde (34, 35). Häufig untersuchte kognitive Domänen sind exekutive Funktionen, Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung. Dazu gehören auch die visuell-räumliche Funktionen sowie psychomotorische Fertigkeiten und Gedächtnisfunktionen (36). Es gilt heutzutage als gesichert, dass es nicht nur ein Gedächtnis gibt, sondern mehrere Subtypen und Domänen des Gedächtnisses, die für bestimmte Teilleistungen verantwortlich sind. So unterscheidet man Kurz- und Langzeitgedächtnis, implizites und explizites Gedächtnis, episodisches und semantisches Gedächtnis sowie verbales und visuell-räumliches Gedächtnis. Zwei große Metaanalysen zeigten übereinstimmend, dass Depressionen mit signifikanten Beeinträchtigungen sowohl des Kurz- als auch des Langzeitgedächtnisses einhergehen (37, 38). Dabei wiesen Patienten vor allem für 17 solche Bedingungen Defizite auf, in denen das zu behaltende Material einer aktiven Prozessierung unterzogen werden musste oder wenn neues Material zu behalten war (39). Die Merkfähigkeit war beim passiven Wiedererkennen besser erhalten als bei der freien Wiedergabe des zu merkenden Materials (40). Aus diesen Studien lässt sich schließen, dass Gedächtnisdefizite bei depressiven Patienten vor allem bei aktiven Leistungen der Einspeicherung, Manipulation oder Wiedergabe nachweisbar sind. Solche aktiven Leistungen werden auch als „effortful processing“, im Gegensatz zum „automatic processing“ bezeichnet (41). Unter dem Begriff „exekutive Funktionen“ werden mehrere Prozesse zusammengefasst, denen eine entscheidende Rolle bei der erfolgreichen Bewältigung komplexer kognitiver Aufgaben zukommt: Diese umfassen insbesondere Planung, strategische Optimierung, Koordination, Inhibition falscher Antworten sowie Überwachung einzelner Subprozesse (42). Exekutive Leistungen werden vor allem unter folgenden Umständen relevant: wenn Routinehandlungen zum Lösen eines Problems nicht ausreichen, wenn die zur Verfügung stehenden mentalen Ressourcen, z. B. Aufmerksamkeit, knapp werden und eine Umverteilung dieser Ressourcen notwendig wird oder wenn ein Feedback für die Verhaltenssteuerung berücksichtigt werden muss (43, 44). Exekutive Funktionen werden häufig als „frontale“ oder „frontalhirntypische“ Leistungen bezeichnet, da sie an die intakte Funktion präfrontaler Strukturen gebunden sind. Dieser Zusammenhang ist schon aus Läsionsstudien bekannt (45). Durch die Weiterentwicklung funktionell-bildgebender Verfahren konnten die neuronalen Grundlagen exekutiver Funktionen immer differenzierter bestimmt werden (46, 47). Die meisten bildgebenden Befunde an Depressiven stammen aus „resting state“ PET und/oder SPECT- Studien und weisen klar auf einen eher diffusen präfrontalen Hypometabolismus hin, der sich unter Besserung der depressiven Symptomatik normalisiert (36). Bei Patienten mit Altersdepression sind besonders häufig bilaterale Hyperdensitäten der weißen Substanz in subkortikalen Strukturen und in ihren frontalen Projektionen, speziell im medialen orbitofrontalen Kortex (48, 49) festzustellen. 18 Diese Hyperdensitäten sind sowohl mit exekutiver Dysfunktion als auch mit einem verlangsamten psychischen Tempo in Verbindung gebracht worden (50). Exekutive Funktionen, Aufmerksamkeitsdefizite, Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung und psychomotorische Funktionen sind konzeptuell und experimentell nicht eindeutig voneinander zu trennen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie als Basisvariablen interpretiert werden können, deren Beeinträchtigung zu einer generellen kognitiven Leistungsminderung führt. Im Fokus des aktuellen Forschungsprojektes steht die Untersuchung des neuropsychologischen Profils von depressiven Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen. Die Ergebnisse der meisten bisherigen Studien fallen divergierend aus: Obwohl schon Caine (51) in Aufmerksamkeitsstörungen das zentrale kognitive Defizit depressiver Patienten sah, wiesen andere Studien primär auf eine Beeinträchtigung der exekutiven Funktionen bei Altersdepressiven hin (52, 53, 54, 55). Darüber hinaus wurden jeweils Defizite in der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (56, 57), in visuell-räumlichen Funktionen (58, 59, 60, 61) und in der Gedächtnisleistung (34, 62) berichtet. Im Gegensatz dazu, konnten Fahlander et. al (63), gefolgt von anderen Autoren (64, 65, 66), keine Unterschiede im neurokognitiven Bereich zwischen depressiven Patienten und gesunden Kontrollen feststellen. Die Tabelle 2 bietet eine Synopsis von ausgewählten und allgemein vergleichbaren Studien mit Bezug auf diese Thematik. Ein allgemeines Problem bei der Beurteilung der unterschiedlichen Studien zu Art und Ausmaß neuropsychologischer Defizite bei depressiven Erkrankungen besteht darin, dass durch die Heterogenität und ständige Weiterentwicklung psychiatrischer Klassifikationssysteme und Diagnoseschemata die Daten verschiedener Studien schwer vergleichbar sind. 19 Tabelle 2. Ausgewählte Gruppenstudien zur kognitiven Leistung älterer Patienten mit Major Depressive Episode Gedächtnis* IVG Aufmerksamkeit¹ exekutive Funktionen² visuoräumliche Funktionen³ Klassifikationssystem Anzahl der Patienten Massman et al, 1992 (59) DSM-III 40 Alexopoulos et al, 2002 (60) RDC 126 Berger et al, 2002 (66) DSM-III-R 9 Nebes et al, 2000 (56) DSM-IV 39 Kindermann et al, 2000 (53) RDC 25 Fischer et al, 2008 (65) DSM-IV 17 Boone et al, 1995 (61) DSM-III-R 73 Lockwood et al, 2002 (55) RDC 40 Lesser at al, 1996 (52) DSM-III-R 60 Beats et al, 1996 (62) DSM-III-R 24 (64) DSM-IV 31 Fahlander et al, 1999 (63) DSM-III-R 9 Palmer et al, 1996 (54) DSM-III-R 22 Sheline et al, 2006 (57) DSM-IV 155 Kuzis et al, 1999 = signifikante Beeinträchtigung depressiver Patienten / = keine Beeinträchtigung depressiver Patienten = in der Untersuchung nicht berücksichtigte Funktionen * Der Begriff „Gedächtnis“ umfasst in dieser Darstellung das episodische, semantische und Arbeitsgedächtnis ¹ Aufmerksamkeitsfunktionen umfassen in dieser Darstellung psychomotorische Geschwindigkeit, selektive und geteilte Aufmerksamkeit, Vigilanz ² exekutive Funktionen umfassen in dieser Darstellung verbale Flüssigkeit, Flexibilität, Problemlösen ³ visuoräumliche Funktionen umfassen in dieser Darstellung visuoperzeptive & räumlich- konstruktive Fertigkeiten IVG = Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit RDC = Research Diagnostic Criteria (67) DSM-III = Diagnostic and Statistical Manual of mental disorders, third edition (68) DSM-III-R = Diagnostic and Statistical Manual of mental disorders, third edition, revised (69) DSM-IV = Diagnostic and Statistical Manual of mental disorders, fourth edition (17) 20 3.3. Homozystein 3.3.1 Homozystein und sein Metabolismus in ZNS Homocystein ist eine Intermediärstoffwechsels nicht-proteinbildende, von schwefelhaltige Aminosäure des Methionin. Die Hcy-Plasma- Konzentration ist ein Indikator des B-Vitamin-Status (B6, B12, Folsäure). Die physiologische Bedeutung des Hcy-Methionin-Kreislaufs liegt in der Bereitstellung von Methylgruppen für zahlreiche biochemische Synthesen. S-Adenosyl-Methionin (SAM) ist Methylgruppendonator für zahlreiche biologische Reaktionen. Zur Verstoffwechselung von Homocystein stehen dem Organismus zwei Stoffwechselwege, die Remethylierung und Transsulfurierung, zur Verfügung. Bei der Remethylierung wird Homocystein in einem Stoffwechselschritt wieder in Methionin umgewandelt. Das dazu notwendige Enzym, die Methioninsynthase (MS), ist Vitamin B12-abhängig und in allen Zellen vorhanden. Es katalysiert diesen Schritt unter Verbrauch des Cosubstrates 5-Methyltetrahydrofolat (5-MTHF). Die MS überträgt dabei eine Methylgruppe von 5-MTHF, das dadurch zu Tetrahydrofolat (THF), der biologisch aktiven Form der Folsäure, wird, auf die Thiolgruppe von Homocystein, wodurch wieder Methionin entsteht. THF selbst wird durch die Serin-HydroxymethlyTransferase, ein Vitamin B6-abhängiges Enzym, zu 5, 10-Methylentetrahydrofolat, das seinerseits durch die Methylentetrahydrofolatreduktase (MTHFR) wieder zu 5-MTHF regeneriert wird. Vor allem in Leber- und Nierenzellen ist die Remethylierung von Homocystein zu Methionin noch über ein weiteres Enzym, die Betain-HomocysteinMethyltransferase (BHMT), möglich. Im Unterschied zur MS überträgt bei diesem Stoffwechselschritt Betain seine Methylgruppe auf Homocystein und wird dadurch selbst in Dimethylglycerin umgewandelt. Die BHMT ist für etwa 10% des Remethylierungsprozesses verantwortlich (70,71). Die zweite Möglichkeit Homocystein abzubauen, ist die Transsulfurierung, auch Transsulfuration genannt. Homocystein gibt dabei seine Sulfhydrylgruppe in einer irreversiblen Transsulfurierung ab. 21 Die Übertragung der Sulfhydrylgruppe ist nicht direkt, sondern nur indirekt über die Bildung des Zwischenproduktes Cystathionin (CYS) möglich. Die Synthese von CYS wird durch die Cystathionin- ß- Synthetase (CBS), die Vitamin B6 als Cofaktor enthält, vermittelt, wobei pro Molekül Homocystein ein Molekül Serin zur Entstehung von CYS nötig ist. Der Abbau von Homocystein setzt also die ständige Bereitstellung von Serin voraus. Im weiteren Verlauf wird CYS in einem von der ebenfalls Vitamin B6abhängigen Cystathionase katalysierten Stoffwechselschritt in Cystein und Homoserin gespalten. Die Schwefelgruppe von Homocystein wurde somit unter Bildung von Cystein von Homocystein auf Serin übertragen. Cystein steht dann für die Proteinbiosynthese zur Verfügung, wird weiter modifiziert, z.B. zu einem Bestandteil von Glutathion, oder zu Pyruvat und Sulfat abgebaut. Homoserin wird weiter zu alphaKetobutyrat umgebaut und so der weiteren Verstoffwechselung zugänglich gemacht (70, 71). Die Abbildung 1 gibt die wichtigsten Schritte des eben beschriebenen Homocysteinstoffwechsels schematisch wider. Die Remethylierung von Hcy ist im Gehirn eine bedeutende Quelle für SAM als Methylgruppendonator. Die Rolle des Folat im Hcy-Metabolismus in ZNS konnte an Patienten, die mit Antifolaten behandelt wurden (Methotrexat) und dadurch bedingt niedrige Spiegel an Folat und SAM im Liquor auftraten, bestätigt werden. Die Behandlung homocystinurischer Patienten mit Betain erniedrigte die Hcy- Konzentrationen in Plasma und Liquor, obwohl Betain für die Hcy-Remethylierung im Gehirn nicht direkt benutzt werden kann. Diese Daten unterstreichen, dass Hcy mittels spezifischer, bidirektionaler zellulärer Rezeptoren vom Blutplasma ins Gehirn und umgekehrt transportiert werden kann. Erhöhungen von Hcy im Liquor laufen parallel mit denen im Serum, wobei die Serumkonzentrationen 20 bis 100fach höher als die Liquorkonzentrationen sind. Eine Erhöhung der Konzentration von Hcy im Gehirn und im Liquor ist bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen beschrieben (73). 22 N5, N10-Tetrahydrofolat MTHF-Reduktase N5-Methyltetrahydrofolat Tetrahydrofolat Nahrungsprotein Methionin-Synthase Vitamin B12 Homocystein Methionin Serin Cysthathion-β-Synthase Vitamin B6 Cystathionin R-CH3 R Homoserin Cystein Glutathion Sulfat Abb.1 Darstellung des Hcy- Metabolismus, modifiziert nach Bleich (72) 3.3.2 Homozystein und neuropsychiatrische Erkrankungen im höheren Alter Hyperhomocysteinämie (HHcy) (Plasmakonzentration >11,7 µmol /l) ist in mehreren epidemiologischen Studien mit Erkrankungen des Zentralnervensystems in Verbindung gebracht worden. Sie zeigen eine positive dosisabhängige Beziehung zwischen dem Homocysteinspiegel und dem Risiko, neurodegenerative Erkrankungen zu entwickeln. Bereits seit längerem beschrieben ist die atherogene Wirkung des Homozysteins. Eine Vielzahl von retrospektiven und später auch prospektiven Studien bestätigten den Zusammenhang zwischen erhöhten Homocysteinwerten und vaskulären 23 Gefäßkrankheiten wie KHK (74, 75), periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) (76) und Beinvenenthrombosen (77). Auf die gleiche Weise steigern hohe Hcy-Werte das Risiko für mikro- und makrovaskuläre Erkrankungen im Gehirn. Die Northern Manhattan Studie (78) berichtet, dass eine Konzentration von Gesamt-Hcy > 15µmol/l ein unabhängiger Risikofaktor für eine zerebrale Ischämie darstellt. Nach den Ergebnissen einer anderen kürzlichen Publikation (79), ist HHcy signifikant mit dem Risiko für vaskuläre Demenz assoziiert, während sie bei Patienten mit vaskulärer Demenz als Risikofaktor für subkortikale vaskuläre Enzephalopathie sogar vor den etablierten Risikofaktoren (Rauchen, Hypertonie, Hyperlipidämie) rangiert (80). Darüber hinaus wurde in den Neurowissenschaften ein pathomechanisches Modell entwickelt, das von einer direkten Neurotoxizität des Homocystein ausgeht. Frühe Beobachtungen bei Patienten mit Cystathionin-ß-Synthase(CBS)-Mangel haben bereits darauf hingewiesen, und spätere Untersuchungen bestätigt, dass Hcy im Gehirn neurotoxische Wirkungen besitzt. Tierversuche mit CBS knockout Mäusen (Cbs -/+ oder Cbs -/-) haben gezeigt, dass diese Tiere schwere neurologische Schäden entwickeln, wobei die Hcy-Konzentration im Plasma im Vergleich zu Wildtyp-Mäusen etwa auf das 20 bis 50fache ansteigt. Mäuse mit CBS-Mangel (Cbs -/+ oder Cbs -/-) demonstrieren Veränderungen in der neuronalen Plastizität, erkranken an schwerer Retardierung und sterben frühzeitig. Tiere, die mit einer homocysteinreichen Diät gefüttert werden, akkumulieren diese Verbindung im Wachstumsretadierung, neurale Gehirn, erleiden wie kognitive Dysfunktion und einen gestörten zerebralen Energiestoffwechsel. Hcy ist ein endogener Glutamatrezeptor-Agonist, der N-Methyl- D-aspartat (NMDA) aktiviert. Die Stimulation der NMDA- Rezeptoren durch Hcy steigert den zellulären Calcium- Influx und verursacht Apoptose oder ändert die Signaltransduktion. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass HHcy neurologische Dysfunktionen via oxidativen Stress hervorruft. Dieser Effekt ist über eine vermehrte Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (reactive oxygen species, ROS), oxidative Deaktivierung von NO und Lipidperoxidation erklärbar (73). Auf dieser Grundlage sind die gefundenen Zusammenhänge zwischen Hyperhomocysteinämie und Atrophie bestimmter Hirnregionen (81, 82), Demenz und Morbus Alzheimer (12) sowie verminderten kognitiven Fähigkeiten (83, 84) gut 24 verständlich. Das Vorliegen hoher Hcy-Konzentrationen bei Patienten mit Alzheimer – Demenz (AD) wurde erstmals von Regland u. Mit. (10) berichtet und anschließend von Clarke u. Mit (11) histologisch bestätigt. Ferner wurde bei Demenzpatienten im Liquor erniedrigte Spiegel an SAM und höhere Spiegel an Hcy berichtet (73). Allerdings fehlt noch der Nachweis, dass die Senkung des totalen Homocysteins auch tatsächlich zu einer Senkung der Inzidenz von Demenzen führt. Solche Studien werden zwar propagiert (85), allerdings werden Ergebnisse aufgrund der nötigen langen Beobachtungszeit erst in Zukunft vorliegen. 3.3.3 Homozystein-Hypothese und Depression Erst in jüngster Zeit wurde die Hypothese gestellt, dass ein erhöhter Homozysteinspiegel, z.B. infolge von Defiziten an Folsäure, Vit. B6 oder B12 (86) oder von genetischen Enzymvariationen (87), als kausaler bzw. mitbestimmender Faktor für das Entstehen einer sog. somatogenen Depression gelten kann (88). Dabei soll Hyperhomozysteinämie über Neurotransmitteränderungen und/oder ihre gefäßschädigende Wirkung zur Pathogenese von depressiven Störungen führen. Ein epigenetischer Einfluß des Hcy wird ebenfalls diskutiert (89). Die bisherigen Erkenntnisse aus epidemiologischen und klinischen Studien, die Homocystein und Depression in Verbindung gebracht haben, sind uneinheitlich. Bell u. Mitarb. (16) unterstützten die Rolle des Homozysteins als potentieller Risikofaktor für die Depression im Alter. Bjelland (90) sowie Tolmunen u. Kollegen (91) fanden einen signifikanten Zusammenhang zwischen hohen Konzentrationen von Serum- Homozystein und Depressionsrisiko in der allgemeinen Bevölkerung bzw. in Gruppen von Männern mittleren Alters. Bottiglieri (92) und Almeida u. Mit. (93) teilten sogar die Meinung, dass ein höherer Homozysteinspiegel mit zunehmendem Schweregrad der depressiven Symptomatik einhergehen könnte. Dennoch haben andere Studien die obige These für eine unabhängige Rolle der Hyperhomozysteinämie in der Depression nicht bestätigt: Drei Studien fanden keine Assoziation zwischen Serum - Homozystein und Depression( 94, 95, 96) und eine bevölkerungsbasierte Studie zeigte keinen Zusammenhang zwischen Hcy und Depression, nachdem der Einfluss von anderen 25 Variablen (kardiovaskuläre Risikofaktoren, Behinderung) statistisch korrigiert wurde (97). 3.4 Kognition und Homozystein im Alter Untersuchungen an mehr als 2000 älteren gesunden Probanden der FraminghamKohorte haben ergeben, dass nur bei älteren und nicht bei jüngeren Personen ein Zusammenhang zwischen kognitiver Leistung und Hcy-Spiegel besteht (12). Personen mit erhöhten Hcy-Konzentrationen bei Studienaufnahme entwickelten nach einigen Jahren häufiger eine Demenz als jene mit normalem Hcy-Spiegel zu Studienbeginn. In der Hordaland-Studie, eine Verlaufsstudie über 6 Jahre, bestimmte die Änderung der Hcy-Konzentration über die Beobachtungszeit die Abnahme im „memory score“ (98). Riggs u. Mitarb. (99) fanden bei klinisch gesunden älteren Probanden der „Normative Aging Study“, dass erhöhte Homozysteinspiegel negativ mit der Fähigkeit zum Abzeichnen räumlicher Figuren korreliert waren. Jensen u. Mitarb. (100) bestätigten diesen Zusammenhang und fanden auch eine ebensolche Korrelation mit der Leistungsfähigkeit zu Gedächtnis und Denkvermögen. McCaddon u. Mitarb. (83) zeigten bei gesunden älteren Probanden einen inversen Zusammenhang zwischen der Höhe des Hcy-Spiegels und der konstruktiven Praxis, Morris u. Mitarb. (85) mit der Fähigkeit zum verzögerten Abrufen von verbalem Material. Darüber hinaus wurde ein negativ- linearer Zusammenhang zwischen Hcy-Spiegel und den Ergebnissen bei kognitiven Leistungstests wie dem Mini-Mental-Status Test (14,101) und dem CAMCOG berichtet (102,103). Die Befunde der o.g. Studien sind unter dem Aspekt einer niedrigen Evidenzstärke zu bewerten, da keine Meta-Analysen und CochraneReviews bislang vorliegen. Es wurde berichtet, dass Homocystein mit globaler kognitiver Störung bei Demenzkranken, möglicherweise durch Störung der Langzeitpotenzierung, einhergeht (9). Alkohol-Patienten mit hohen Hcy-Werten wiesen, vor allem in der frühen Entzugsphase, Defizite im Kurzzeitgedächtnis auf (104). Darüber hinaus, stellte eine bevölkerungsbasierte Studie (13), die den Zusammenhang zwischen Hcy und kognitiver Leistung bei mehr als 1000 älteren Nicht-Demenzkranken untersuchte, fest, dass hohe Hcy-Konzentrationen mit niedrigen Scores insbesondere in den Domänen Gedächtnis und psychomotorische Geschwindigkeit in Verbindung stehen. Andererseits wurde bei 26 weiblichen Individuen mit Essstörungen festgestellt, dass mäßig erhöhte Homozysteinwerte mit normaler verbaler Kurz- und Langzeitgedächtnisleistung einhergehen, während normale Homozysteinkonzentrationen mit verminderter Gedächtnisleistung zu assoziieren schienen (15). Auf der Grundlage der obengenannten Beobachtungen, stellen wir in der vorliegenden Arbeit die Hypothese auf, dass Assoziationen zwischen Homozysteinspiegel und kognitiver Leistung bei Patienten mit Altersdepression bestehen. 4. Material und Methoden 4.1 Probandenkollektiv Untersucht wurden 65 Studienteilnehmer in den Jahren 2006-2008. Dabei handelte es sich um 40 Patienten über sechzig Jahren mit derzeitiger Depressiver Episode, die in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Rostock stationär behandelt wurden. Das Alter der Patienten bei der Erstmanifestation der depressiven Störung betrug über sechzig Jahre. Fünfundzwanzig Kontrollpersonen, die weder eine Anamnese einer affektiven oder psychotischen Störung aufwiesen noch eine aktuelle psychiatrische Symptomatik zeigten, wurden außerdem untersucht. Zur Teilnahme waren folgende Einschluss- bzw. Ausschlusskriterien Voraussetzung: Die Diagnose einer depressiven Episode (Major Depression) entsprechend der DSMIV- Kriterien musste vorliegen. Hierzu wurde ein diagnostisches Interview (SKID- I) durchgeführt (105). Ausgeschlossen wurden Patienten mit Demenzverdacht. Zu diesem Zweck wurden der Mini-Mental-Status-Test (MMST), der Demenz- Nachweistest (DemTect) und die Testbatterie zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung (TFDD) eingesetzt. Der MMST (106) stellt, mittels eines Fragebogens mit Handlungsaufgaben, ein Screening- Instrument zur Erfassung kognitiver Störungen bei älteren Personen dar. Der DemTect (107) ist ein psychometrischer Test zum Demenz- Screening, der aus insgesamt drei Gedächtnistests für Wörter und Zahlen, einer Zahlenumwandlungsaufgabe und einer verbalen Flüssigkeitsaufgabe besteht. Die TFDD (108) ist ein Kurztest für die 27 Demenzdiagnostik, zur Abgrenzung von depressiven Syndromen und besteht aus einem Demenz- und einem Depressionsteil. Eine Punktzahl 35 Punkten im Demenzteil der TFDD, eine DemTect - Punktzahl < 9 Punkte sowie ein MMST –Score< 24 Punkte weist auf eine Demenz hin. Durch diese umfassende Diagnostik konnten auch sehr milde Demenzformen detektiert und ausgeschlossen werden. Zu den Ausschlusskriterien gehörten auch - mit Ausnahme von Persönlichkeitsstörungen - andere psychische Erkrankungen, wie Alkohol-/Drogensucht, degenerative neurologische Erkrankungen (z.B. Parkinson, Huntington), aktuelle oder instabile körperliche Erkrankungen, stabile somatische Erkrankungen oder Behinderungen (Z.n. Schädel-Hirn-Trauma, Syphilis), die einen negativen Einfluss auf die kognitiven Funktionen haben könnten. Testpersonen, die unter jeglicher Substitution von Vitaminpräparaten standen, wurden von der Studie ausgeschlossen. Alle Patienten erhielten psychotrope Medikation zum Zeitpunkt der neuropsychologischen Untersuchung und Bestimmung der Hcy- Werte. Neun Patienten wurden mit Selektiven Serotonin- Wiederaufnahmehemmern, 27 mit Selektiven Serotonin -/ NoradrenalinWiederaufnahmehemmern, 18 mit Mirtazapin and fünf mit trizyklischen Antidepressiva behandelt. Zwölf Patienten bekamen atypische Antipsychotika und ein Patient Lorazepam. Die antidepressive Therapie erfolgte entweder als Kombinationstherapie zweier Antidepressiva bzw. eines Antidepressivums mit einem atypischen Neuroleptikum oder als Monotherapie mit einem Antidepressivum. Tabelle 3 bietet eine Übersicht über die medikamentöse Behandlung der Patienten während der Studiendurchführung. Die Kontrollpersonen erhielten weder eine Medikation noch litten sie unter einer chronischen oder akuten Erkrankung, die ihre kognitive Funktionen in irgendeiner Weise beeinträchtigen konnte. Ein – und Ausschlusskriterien wurden durch eine sorgfältige internistische, psychiatrische, neurologische, laborchemische sowie bildgebende Diagnostik (CCT oder MRT) überprüft. 28 Tabelle 3. Medikamentöse Behandlung der altersdepressiven Patienten zum Zeitpunkt der Studiendurchführung Pharmaka (Wirkstoff) Anzahl der Patienten (n) Mirtazapin / SSRI / SSNRI / TCAs 11 Mirtazapin + SSRI/ SSNRI 19 SSRI + Atypische Neuroleptika* 5 SSNRI + Atypische Neuroleptika* 4 Mirtazapin + SSRI + Lorazepam 1 Selektive Serotonin- Wiederaufnahmehemmer SSNRI: Selektive Serotonin -/ Noradrenalin- Wiederaufnahmehemmer TCAs: Trizyklische Antidepressiva * Quetiapin / Olanzapin 29 4.2. Testverfahren 4.2.1 Quantifizierung der depressiven Symptomatik Zur Beschreibung und Quantifizierung der depressiven Symptomatik wurden folgende klinisch etablierte Verfahren angewendet: - Hamilton Depression Rating Scale (HAMD), (109): Es handelt sich um eine klinische Fremdbeurteilungsskala zum Schweregrad der Depression und besteht aus 21 Fragen. - Motor Agitation and Retardation Scale (MARS), deutsche Version (MARS-D) (110): Dieser Test dient der Messung von Änderungen der Motorik in Form von Agitation und Retardierung bei depressiven Patienten. Er umfasst 19 Items, die in fünf Domänen aufgeteilt werden: Körperhaltung, Extremitätenbewegung, Mimik, Augenbewegungen und Stimmmodulation. - Depressionsteil der TFDD: ermöglicht die Selbst- und Fremdbeurteilung auf einer Depressionsskala mit 11 Stufen. 4.2.2 Neuropsychologische Untersuchung Alle Studienteilnehmer wurden umfangreich neuropsychologisch getestet. Dabei wurden spezifische neuropsychologische Tests eingesetzt, die wichtige kognitive Domänen im Rahmen der Altersdepression untersuchten. Farbe-Wort-Interferenztest (FWIT oder Stroop-Test): Als objektiver und zuverlässiger, mehrdimensionaler Leistungstest misst der FarbeWort-Interferenztest (111) elementare Fähigkeiten der Informationsverarbeitung (Auswahl, Codierung und Decodierung) im optisch-verbalen Funktionsbereich. Mit dem Test werden Verarbeitungsgeschwindigkeiten der „Senso-Konzepto-Motorik“ erfasst (Wahrnehmung, begriffliche Umsetzung und verbale Wiedergabe von Reizen durch das Lesen bzw. Benennen). Mittels des Farbe-Wort-Inkongruenzprinzips nach 30 J.R. Stroop wird zudem die Stressbelastung und damit die konzentrative Beanspruchung variiert. Die mit dem Test messbaren kognitiven Leistungsfunktionen sind: Nomination (Geschwindigkeit der Namenfindung, Benennung), Selektivität (konzentrativer Widerstand gegenüber dominierenden Reaktionstendenzen oder Interferenzneigung), Alertness (Grundgeschwindigkeit der Informationsverarbeitung) sowie - unter bestimmten Voraussetzungen - die Lesegeschwindigkeit. Die Auswertung liefert ein dreidimensionales Leistungsprofil. Sprachverarbeitung (language processing): Durch die erste Variable des Farbe-Wort-Interferenztests, das sogenannte „Farbwörterlesen“(FWL) wurde die Sprachverarbeitung der Probanden beurteilt. Die Teilnehmer sollten in schwarzer Farbe gedruckte Wörter lesen. Gemessen wurde die Zeit in Sekunden, die zur Bewältigung der Aufgabe benötigt wurde. Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (processing speed): Die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung wurde mit Hilfe der zweiten Variable des Stroop-Tests, des sog. „Farbstrichebenennens“ (FSB), bestimmt. Aufgabe war diesmal das Benennen der Farben von Farbstrichen (grün, blau, gelb oder rot). Die Zeit (in s) zur Aufgabebewältigung wurde gemessen. Aufmerksamkeit: Die dritte Variable des Stroop-Tests, der sog. „Interferenzversuch“ (INT), diente zur Vermittlung der selektiven Aufmerksamkeit der Probanden unter Interferenzbedingungen. Die Farbe von farbig gedruckten Farbwörtern bei Farbe-WortInkongruenz (z.B. das Wort „grün“ in gelber Farbe gedruckt) war zu benennen. Die Zeit (in s) dafür wurde bestimmt. Aufmerksamkeit –Belastung -Test (d2-Test) Der d2-Test (112) ist eines der meistbenutzten psychologischen Testverfahren im deutschsprachigen Raum. Der Test misst das Tempo und die Sorgfalt des Arbeitsverhaltens bei der Unterscheidung ähnlicher visueller Reize („d“ und „p“ mit 1 – 4 Querstrichen). Die Testleistung setzt sich aus der Kombination von selektiver 31 Aufmerksamkeit und Konzentrationsleistung bzw. zeitlich begrenzter Daueraufmerksamkeit zusammen. Ebenso sind motorische Fertigkeiten und die visuellmotorische Koordination von Bedeutung. Der Proband hat unter Zeitdruck auf einem Testblatt mit 14 Testzeilen mit jeweils 47 Zeichen stets diejenigen Buchstaben „d” durchzustreichen, die neben dem Buchstaben zusätzlich genau zwei Striche aufweisen. Konzentration: Für die Messung der Konzentrationsleistung wurde der Konzentrationsleistungswert (KL) ermittelt. Der KL resultiert aus der Subtraktion der Verwechslungsfehler von der addierten Menge der Gesamttrefferzahl. In seinem Testmanual weist Brickenkamp (112) Validierungsprobleme bezüglich „echter“ Konzentrationsleistung, die z.B. von Oehlschlägel und Moosbrugger (113) geäußert wurden, entschieden zurück. Auf diese Problematik soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen werden, da sie für die eigene Problemstellung nicht von Bedeutung war. Es sei darauf hingewiesen, dass aus der Validitätsdiskussion der Konzentrationsleistungswert (KL) als neuer zusätzlicher Parameter hervorgegangen ist, der als entscheidende Leistungsvariable verstanden wird. 4.2.3 Messung der Morbidität und Komorbidität Die von Linn (114) konzipierte Cumulative Illness Rating Scale (CIRS) und von Miller (115) für geriatrische Patienten modifizierte CIRS-G wurde entwickelt, um alle komorbiden Erkrankungen eines Patienten umfassend abzubilden. Dazu werden 13 somatische Organsysteme und zusätzlich das System Psychische Störungen auf einer Skala von 0 bis 4 bewertet (0 = keine Erkrankung, 1 = milde oder überstandene signifikante Erkrankung, 2 = mäßige Funktionsstörung oder Erkrankung, Basistherapie erforderlich, 3 = schwere, chronische Funktionsstörungen/ Beeinträchtigungen, nicht behandel- oder beherrschbare chronische Erkrankung, 4 = sehr schwere Erkrankung, sofortige Therapie erforderlich, schwere Funktionsstörung des Organsystems, Organversagen). 32 Die Erhebung der Anamnese, die körperliche Untersuchung sowie verfügbare laborchemische Untersuchungen aller Probanden waren zum Ausfüllen der Skala erforderlich. Der Gesamtscore ergab sich aus der Addition der Subscores des jeweiligen Organsystems mit Ausnahme des Systems Psychische Störungen. 4.3 Einen Homozysteinwertbestimmung Tag nach der neuropsychologischen Untersuchung wurden allen Studienteilnehmern venöse Blutproben im nüchternen Zustand entnommen. Die EDTASerumröhrchen wurden direkt auf Eis gelegt und innerhalb einer Stunde ins Labor gebracht, wo das Serum bei –80 Grad Celsius gelagert. Die Bestimmung des Serumhomozysteinspiegels erfolgte mit Hilfe des Bio-Rad Mikroplatten Enzyme Immunoassay Homocystein Tests (Hersteller des Kits: Bio-Rad Laboratories, Inc., Hercules, CA 94547, USA). Nach umfassender Aufklärung über die Studie, die darin angewendeten Verfahren, verbundene Risiken sowie die anonymisierte Datenspeicherung, unterzeichneten die Patienten eine Einverständniserklärung. Das Studienprotokoll wurde von der Ethikkomitee der Universität Rostock genehmigt und nach den Richtlinien der Deklaration von Helsinki durchgeführt. 4.4 Statistische Auswertung Alle statistischen Berechnungen wurden mit SPSS 16.0 für Windows (SPSS, Chicago IL) durchgeführt. Zunächst wurden alle erhobenen Variablen auf Normalverteilung anhand des Kolmogorov-Smirnov- Tests in den jeweiligen Stichproben überprüft. Der statistische Vergleich der demographischen Merkmalen zwischen den beiden Gruppen erfolgte mithilfe des parametrischen T-Tests oder des parameterfreien Mann- Whitney U-Tests und Kruskal- Wallis- Tests für quantitative Variablen und des ²-Tests für qualitative Variablen. Zur Signifikanzuntersuchung der Interaktion zwischen den Variablen wurde ferner eine Kovarianzanalyse durchgeführt. Die depressiven Patienten wurden nach ihrer Serumhomozysteinwerten in zwei Gruppen unterteilt: in die Gruppe mit normalen (≤11.7µmol/l) und in die Gruppe mit erhöhten Homozysteinwerten (>11.7µmol/l). 33 Der o.g. Referenzbereich des Serumhomozysteins, der von Ubbink und Mitarbeitern (116) vorgeschlagen wurde, basiert auf einem mathematischen Prädiktionsmodell. Mögliche Assoziationen zwischen Homozysteinspiegel und kognitiver Leistung wurden mittels einer multiplen linearen Regressionsanalyse untersucht. Für die Durchführung der Regressionsanalyse wurde eine Methode ausgewählt, die die unabhängigen Merkmale nacheinander nach dem Verhältnis ihrer partiellen Korrelationskoeffizienten zu dem abhängigen Merkmal in die Gleichung aufnahm. Ein p-Wert, kleiner als 0,05, war als Kriterium der statistischen Signifikanz zu betrachten. 5. Ergebnisse 5.1. Gruppenmerkmale im Vergleich Erste Ergebnisse aus dem statistischen Vergleich der Gruppenmerkmale zeigten, dass die depressiven Patienten älter waren (T= -2.059, p= 0,044) und über ein niedrigeres Bildungsniveau (T=-2.792, p=0,005) verfügten als die gesunde Probanden, was sich als problematisch für den Gruppenvergleich darstellte. Um den Einfluss dieser demographischen Gruppenunterschiede auf die kognitive Leistung zu beseitigen, wurden 25 Patienten von der Gesamtgruppe der Depressiven in folgender Weise ausgewählt: Für jeden einzelnen gesunden Probanden wurde ein Patient mit dem gleichen oder fast gleichen Alter und Ausbildungsdauer ausgesucht. Das Auswahlverfahren war unabhängig und zufällig gegenüber den Ergebnissen der neuropsychologischen Untersuchung. Die Unterschiede in der kognitiven Leistung und im Schweregrad der depressiven Symptomatik zwischen der neugebildeten Subgruppe der Patienten und dem Rest der depressiven Patienten wiesen keine statistische Signifikanz auf (Sprachverarbeitung: T=0.635, p=0.529, Geschwindigkeit der Informations-verarbeitung: T=0.427, p= 0.672, Konzentration: T=-1.259, p= 0.216, Aufmerksamkeit: T=1.610, p=0.116, Hamilton Depression Skala : T=-1.036, p= 0.3) (Tabelle 4). Die Subgruppe der Patienten und die Kontrollgruppe waren hinsichtlich Alter (T=0.258, P=0.79), Bildung (T=-1.453, P=0.146), Geschlecht (Exakter Test nach Fisher P=1.000) und Anzahl der Individuen mit hohen Homozysteinkonzentrationen (>11.7µmol/l) (Exakter Test nach Fisher P=0.252) homogen zusammengesetzt. 34 Erwartungsgemäß ergaben sich aus der statistischen Analyse Unterschiede zwischen gesunden Probanden und Patienten mit Depressiver Episode in Bezug auf die depressive Symptomatik, so wie diese jeweils durch die Hamilton Depression Skala (T=-6.074, p< 0,001), den Depressionsteil der TFDD (T=-6.081, p< 0,001) und die Motor Agitation und Retardation Skala (T= -6.401, p< 0,001) gemessen wurde. Homozystein: Keine Unterschiede dagegen wurden zwischen gesunden Teilnehmern und depressiven Patienten hinsichtlich der Homozysteinkonzentration (T=-1.359, p= 0,174) festgestellt, obwohl die Homozysteinwerte neigten, höher bei den Depressiven zu sein (Tab. 4). Signifikante Unterschiede im Hinblick auf den Homozysteinspiegel konnte man zwischen männlichen und weiblichen Probanden weder bei den Patienten noch bei den gesunden Kontrollen erkennen (Kontrollgruppe: T=0.524, P=0.605, Depressive Gesamtgruppe (n=40) T=-0.897, P=0.370, Depressive Subgruppe (n=25): T=-0.605, P=0.551). Kognition: Wie man der Tabelle 4 entnehmen kann, erbrachten die Patienten mit Depression im Vergleich zu gesunden Probanden eine schlechtere Leistung in den kognitiven Domänen der Sprachverarbeitung (T=-3.323, p= 0,001) und der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (T=-3.715, p<0,001), die den Aufgaben „Farbwörterlesen“ bzw. „Farbstrichebenennen“ entsprachen. Die kognitive Leistung zwischen den beiden Gruppen im Bereich Konzentration (d2-Test) und Aufmerksamkeit (Stroop - Interferenzversuch) zeigte jedoch keine Unterschiede (T= -1.197, p=0.238 bzw. T=1.413 p= 0,164). 5.2 Homozystein und neurokognitive Leistung in der Altersdepression Depresssive Patienten mit hohen Hcy-Werten (>11.7µmol/l) und jene mit HcyKonzentrationen ≤11.7µmol/l unterschieden sich betreffend der Bildung nicht (T=0.098, p=0.922). Bezogen auf die Subgruppe der Depressiven, waren Patienten mit hohen Hcy-Werten älter als Patienten mit niedrigen Hcy-Konzentrationen (T=-2.158, p=0.037). Die Kovarianzanalyse, die als unabhängige Variable die Scores der Sprachverarbeitung oder der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, als 35 Tabelle 4. Übersicht über die demographischen, klinischen und neuropsychologischen Merkmale und Homozysteinwerten (Mittelwert und Standardabweichung) der psychisch gesunden Probanden, der Gruppe der Patienten mit Altersdepression und der Subgruppe der depressiven Patienten, die in der Vergleichsanalyse hinzugefügt wurden ‡ Kontrollgruppe Depressive Depressive Gesamtgruppe Subgruppe n=25 n=40 n=25 Mittelwert (SD) Mittelwert (SD) Mittelwert (SD) Alter(Jahre) 69.44 (5.14) 72.50 (6.21) * 69.84 (5.80) Bildung (Jahre) 12.64 (1.82) 11.88 (2.20) * 11.25 (2.15) 9/16 8/32 8/17 DemTect 15.68 (1.82) 14.05 (2.36) 14.16 (2.61) MMST 26.68 (1.63) 26.68 (1.62) 26.68 (1.63) Depression 3.00 (2.12) 12.98 (2.91) 12.40 (2.68)* Demenz 43.96 (3.52) 42.50 (3.26) 42.28 (3.14) Hamilton Depression Skala 2.08 (1.66) 18.12 (6.56) 17.12 (5.37)* MARS-D 19.08 (0.40) 30.50 (6.57) 29.16 (5.77)* Gesamtscore 6.12 (2.35) 5.82 (2.33) 5.88 (2.35) Herzerkrankungen Score 0.48 (0.71) 0.82 (0.71) 0.72 (0.79) Vaskuläre Erkrankungen Score 1.40 (0.65) 1.55 (0.60) 1.60 (0.65) 11.32 (4.87) 14.02 (6.47) 13.30 (5.48) 8 21 13 132.84 (23.02) 118.62 (30.52) 122.64 (35.88) Demographische Merkmale Geschlecht (m/ w) Klinisch-diagnostische Daten TFDD CIRS –G Skala Homozystein (µmol/l) Anzahl der Probanden mit Hcy-Wert >11.7µmol/l Neurokognitives Assessment D2 Konzentrationsleistung Stroop - Farbwörterlesen (sec) 34.56 (4.93) 43.18 (8.36) 42.52 (8.24)* Stroop - Farbstrichebenennen (sec) 41.80 (5.33) 52.65 (10.02) 52.12 (9.79)* Stroop –Aufmerksamkeit ( sec) 97.56 (10.64) 103.32 (17.39) 105.75 (14.78) MMST: Mini Mental Status Test TFDD: Testbatterie zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung MARS-D: Motor Agitation and Retardation Scale, deutsche Version CIRS-G: Cumulative Illness Rating Scale for Geriatrics ‡ Depressive Subgruppe: Die Gruppe der depressiven Patienten, die aus der Gesamtgruppe für den Vergleich zwischen Patienten mit Altersdepression und gesunden Probanden hinsichtlich der kognitiven Leistungsfähigkeit ausgewählt wurden, sofern signifikante Unterschiede in den Merkmalen „Alter“ und „Bildung“ zwischen der depressiven Gesamtgruppe und der Kontrollen vorliegen *p≤0.05 im Vergleich zur Kontrollgruppe 36 Faktor die Hcy-Konzentration und als Kovariable das Alter enthielt, konnte keine Wechselwirkung zwischen Alter und Hcy erkennen lassen (Eta-Quadrat = 0.680, p=0.383 bzw. Eta-Quadrat =0.752, p=0.258). Insgesamt erzielten Patienten mit hohem Homozysteinspiegel signifikant bessere Ergebnisse sowohl in der Sprachverarbeitung (T=2.904, p= 0,005) als auch in der Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung (T=2.737, p= 0,005) als Patienten mit einem Hcy- Spiegel 11,7 µmol/l. Hingegen tendierten Individuen der Kontrollgruppe mit hohen Hcy-Konzentrationen schlechtere Leistungen im Vergleich zu dem Rest der gesunden Probanden in den o.g. Domänen zu zeigen (T= -2,313, p= 0,030 bzw. T= -1,888, p= 0,089). Die Scores der depressiven Patienten in den zwei o.g. kognitiven Domänen wurden getrennt und als abhängige Parameter in ein multiples lineares Regressionsmodell einbezogen, das Alter, Geschlecht, Bildung, Hcy-Spiegel und Schweregrad der depressiven Symptomatik (Hamilton Depression Skala) als unabhängige Variablen enthielt. Dabei übte ausschließlich der Homozysteinspiegel einen signifikanten Einfluss auf die Sprachverarbeitung (df =5, Signifikanz des Modells p= 0,025, standardisierter Regressionskoeffizient= -0,526, p=0,002) und die Informationsverarbeitungs- geschwindigkeit (df =5, Signifikanz des Modells p= 0,032, standardisierter Regressionskoeffizient = -0,514, p= 0,002) aus. Hcy korreliert invers mit der Zeit, die zur Bewältigung der Aufgaben benötigt wurde (Abb.1, 2). Demzufolge war der Effekt der Homozysteinkonzentration auf die beiden kognitiven Domänen positiv. Eine gleiche Analyse in der Kontrollgruppe zeigte keine signifikante Auswirkung des HcySpiegels auf die o.g. kognitiven Bereichen (p> 0,05). 37 Stroop FWL (sec) 60 50 40 30 R-Quadrat linear = 0,197 5,00 10,00 15,00 20,00 25,00 30,00 Homocystein i. S (µmol/l) Abb. 2 Grafische Darstellung der Korrelation zwischen Serumhomocysteinspiegel und Sprachverarbeitung in der depressiven Gruppe. Je niedriger die Scores in der Zeit-Achse, desto höher die Leistung in der Domäne Sprachverarbeitung. 80 Stroop FSB (sec) 70 60 50 40 R-Quadrat linear = 0,198 30 5,00 10,00 15,00 20,00 25,00 30,00 Homocystein i.S (µmol/l) Abb. 3 Grafische Darstellung der Korrelation zwischen Serumhomocysteinspiegel und Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit in der depressiven Gruppe. Niedrigere Scores in der Zeit-Achse sprechen für eine höhere Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit. 38 6. Diskussion Die vorliegende Studie untersuchte mögliche Assoziationen zwischen Homozystein und Leistungsfähigkeit in kognitiven Domänen, bei denen Unterschiede zwischen psychisch gesunden Teilnehmern und Patienten mit diagnostizierter Altersdepression festgestellt wurden. Anhand der Ergebnisse dieser Studie, kann festgestellt werden, dass Patienten mit Altersdepression eine verminderte Leistung in den Bereichen Sprachverarbeitung und Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit im Vergleich zu psychisch gesunden Testpersonen besitzen. Die Befunde zwischen Studien, die eine umfassende Beurteilung der kognitiven Funktionen sowie eine Kontrollgruppe von psychisch gesunden Probanden enthielten, befinden sich nicht in vollem Einklang (106), was möglicherweise auf methodische Aspekte, wie Variationen im Alter, Schweregrad der depressiven Symptomatik, Umfang der Stichprobe usw. zurückzuführen ist. Unsere Beobachtungen befinden sich in allgemeiner Übereinstimmung sowohl mit Schlussfolgerungen von Hart u. Mit. (117) und Kramer-Ginsberg u. Mit. (118), die Defizite in der Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung bei altersdepressiven Patienten entdeckten, als auch mit Angaben von Almeida und Mitarbeitern (93), die zeigten, dass Altersdepression im Wesentlichen durch verlangsamte Informationsverarbeitung charakterisiert ist. Zu unserer Überraschung ergaben sich in unserer Stichprobe keine Unterschiede im Aufgabenbereich Konzentration (d2-Test) und Aufmerksamkeit (Stroop- Interferenzversuch). Bei einer kontrollierten Vergleichsstudie von Lockwood und Mit (55), wobei die Aufmerksamkeit und die exekutiven Funktionen mittels einer breiten neuropsychologischen Diagnostik bei Patienten mit einer Majoren Depressiven Episode untersucht wurden, zeigte sich hingegen eine verminderte Aufmerksamkeitsleistung bei der depressiven Gruppe. Beats und Mit. (62) deuteten ebenfalls im Rahmen ihrer Vergleichsstudie darauf hin, dass selektive Aufmerksamkeit bzw. Konzentration bei Individuen mit Altersdepression nachlässt. Dennoch stimmen unsere Ergebnisse mit den Beobachtungen von Butters u. Mit. (58) überein, die keine signifikanten Differenzen zwischen gesunden Individuen und altersdepressiven Patienten in der exekutiven Domäne erkennen konnten, die durch den Stroop- Test beurteilt wurde. In der vorliegenden Studie wiesen die 39 Vergleichsgruppen keine signifikanten Unterschiede im Bezug auf den Homozysteinspiegel auf, obwohl die Hcy- Werte der depressiven Patienten höher als die der Kontrollpersonen waren. Dieses Ergebnis scheint im Widerspruch zu früheren Befunden (93, 119, 120) zu stehen. Doch diese Diskrepanz kann durch Differenzen in den Charakteristika der Stichprobe erklärt werden. Die derzeitige Stichprobe wurde sorgfältig überprüft, so dass sehr milde Demenzen und klinische Eigenschaften, die in Zusammenhang mit erhöhten Hcy- Werten stehen (121), ausgeschlossen wurden, während die Rotterdam Studie (119) sowie Almeida u. Mit. (93) Patienten mit beginnenden Demenzen nicht ausgeschlossen haben. In der Rotterdamer Langzeitstudie (119), in deren Rahmen die Assoziation zwischen Serumhomozystein und kognitiver Beeinträchtigung bei insgesamt 702 älteren Probanden untersucht wurde, ist lediglich das Mini Mental Status Test (MMST<26 P.) als Screeningverfahren für leichte kognitive Beeinträchtigung bzw. Demenz angewendet, während in der vorliegenden Arbeit gleich mehrere und sensitivere Verfahren (MMST, Demenzteil der TFDD und DemTect) zum Ausschluss einer beginnenden demenziellen Symptomatik Einsatz finden. Eine weitere mögliche Interpretation für die Diskrepanz bietet die vaskuläre Komorbidität. Als kardiovaskuläre Komorbiditäten gingen KHK, Zustand nach Myokardinfarkt, Zustand nach zerebrovaskulärem Insult, transitorische zerebrale Ischämie, arterielle Verschlusskrankheit, Vorhofflimmern und arterielle Hypertonie in die Studie ein. Laut Nilsson (122) weisen hohe Konzentrationen von Serumhomozystein bei älteren Patienten mit psychischen Erkrankungen eher auf das Vorliegen vaskulärer Komorbiditäten und weniger auf die konkrete klinisch- psychiatrische Diagnose hin. In unserer Stichprobe zeigte die Erfassung der vaskulären und kardialen Komorbidität bei den Probanden mit Hilfe der CIRS-G keine Unterschiede zwischen den Gruppen (Tab. 4). Dieses Merkmal der aktuellen Stichprobe kann das Fehlen von Unterschieden im Hinblick auf die Hcy- Konzentration zwischen den Gruppen erklären. Die Assoziation zwischen Homozystein und kognitiver Leistung bei älteren depressiven Patienten offenbart einen positiven Einfluss des erhöhten Hcy- Spiegels auf die Sprachverarbeitung und die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit. Die obige These bildet auf den ersten Blick einen Widerspruch zu Befunden, die besagen, dass erhöhte Hcy- Werte mit einer verminderten globalen kognitiven Leistung bei älteren dementen (16,123, 124) und nicht dementen Patienten (125) sowie während des 40 Alkoholentzugs (126) einhergehen. Diesen Widerspruch könnte man auf die breite Variabilität der angewendeten neurokognitiven Tests und der untersuchten kognitiven Dömanen in den verschiedenen Studien zurückführen. Während Prins und Mit. in einer großen holländischen Populationsstudie die kognitive Leistung von älteren gesunden Probanden mittels Tests, wie das Letter-Digit Substitution Test, eine verkürzte Version des Stroop-Tests oder das Paper-and-Pencil Memory Scanning Test beurteilten (125), versuchten Wilhelm und Mit. bei Patienten in einer Alkoholentzugsphase kognitive Defizite mit Hilfe vom Cerebraler Insuffizienz-Test (c.I. Test) aufzuspüren (126). Darüber hinaus können -als Beispiel- die Beobachtungen von Bell und Mit. (16), die eine begleitende Demenzerkrankung in ihrer Population von Altersdepressiven nicht ausgeschlossen haben, aufgrund von Merkmalunterschieden in den Stichproben, mit unseren Befunden nicht verglichen werden. Die o.g. Diskrepanz könnte aber auch durch die Unterschiede in neurobiochemischen Veränderungen, die sich in jedem neuropsychiatrischem Störungsbild manifestieren, erklärbar sein. In jüngster Zeit ist der Verlauf der Major Depression eng mit Störungen der glutamatergen Neurotransmission im Zentralnervensystem assoziiert worden (127, 128). N-Methy-D-Aspartat (NMDA)- Rezeptoren gehören zu den ionotropen Glutamatrezeptoren und sind heteromultimere membranständige Proteine. Man unterscheidet die Untereinheiten NR1, NR2A bis 2D und NR3. Sie spielen eine wichtige Rolle in der synaptischen Entwicklung und Plastizität. In einer jüngsten Übersichtsarbeit (128), die sich mit der Rolle des NMDA-Rezeptors sowie den mit ihm zusammenhängenden möglichen therapeutischen Implikationen im Rahmen der Majoren depressiven Episode befasste, scheint, dass Konzentrationsveränderungen der NMDA- Rezeptor- Untereinheiten NR1, NR2A, NR2B und ihres verankerten Proteins PSD-95 bei Individuen mit Major Depression zur Modifikation der spezifischen Eigenschaften der (NR1/NR2)-NMDA- Rezeptoren führen, wie ihrer Bindungsaffinität für Agonisten und Antagonisten und ihrer Leitfähigkeit (129,130). Armendia u. Mit. untersuchten in einem Tiermodell die Eigenschaften der NMDA-Rezeptoren in der zentralen und lateralen Amygdala und konnten mittels Echtzeit-PCR und Western-Blot nachweisen, dass Konzentrationsveränderungen der Untereinheit NR2B des NMDARezeptors mit einer langsamerer Kinetik und einer geringeren Affinität zu NMDAAgonisten einhergeht (129). Zur ähnlichen Schlussfolgerungen gelangten Prybylowski 41 und Mit. , die in Primärkulturen zererebellärer Rattenzellen die Assoziation zwischen Verfügbarkeit der NMDA-Rezeptor-Untereinheiten und deren funktionellen Expression in der Synapse erforschten. Ferner, aktuelle Ergebnisse aus präklinischen und klinischen Studien weisen darauf hin, dass manche Antagonisten am NMDA-Rezeptor eine antidepressive Wirkung entfalten können (128). Darüber hinaus wird zunehmend berichtet, dass eine Major Depression mit Störungen des Glutamat-Metabolismus im engen Zusammenhang stehen könnte. Mit Hilfe der Protonenspektroskopie haben Hasler u. Kollegen (131) eine deutliche Verminderung der Glutamat/Glutamin- Konzentration in präfrontalen Hirnregionen bei erwachsenen Patienten mit Major Depression im Vergleich zu gesunden Probanden festgestellt. Dieses Ergebnis ist kompatibel mit histopathologischen post mortem Befunden in der gleichen Hirnregion. Auer u. Mit (132) sowie Pfleiderer u. Mit. (133) haben reduzierte Konzentrationen von Glutamat sowohl im vorderen cingulären Kortex als auch in der parietalen weißen Substanz bei Depressiven gefunden, während Michael u. Mit. in dorsolateralen präfrontalen Hirnbereichen (134) und in der Amygdala/ Hippocampus (135) zu ähnlichen Erkenntnissen gelangten. Die Unterschiede hinsichtlich der Glutamatkonzentration zwischen depressiven Patienten und gesunden Kontrollen bei allen o.g. Studien waren nicht durch Drogeneinfluss bedingt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in unserer Studie eine Dysregulation der glutamatergen Transmission via NMDA-Rezeptoren und eine verminderte Glutamat/Glutamin-Konzentration bei depressiven Individuen vorliegen, könnte Homocystein substituieren Glutamat an den NAMD- Rezeptoren der exzitatorischen Synapse und somit Defizite in der Sprachverarbeitung und in der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit mildern. Es ist außerdem bemerkenswert, dass hohe Hcy- Werte mit besserer Leistung im verbalen Kurz- und Langzeitgedächtnis bei weiblichen Individuen mit Anorexia nervosa und Bulimia nervosa in Verbindung gebracht wurden (136). Eine signifikante Reduzierung der Glutamat/GlutaminKonzentration wurde ebenfalls bei anorektischen Patienten beobachtet (137). An dieser Stelle soll betont werden, dass die dargelegte Schlussfolgerung betreffend der Assoziation zwischen Homozystein und Sprachverarbeitung bzw. Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, mit aller Vorsicht formuliert wird und keinen kausalen Einfluss des Homozysteins auf die kognitive Fähigkeiten bei der 42 Altersdepression etabliert, vor allem angesichts des Fehlens von Unterschieden in der Hcy- Konzentration zwischen der Gruppe der gesunden Probanden und der depressiven Patienten. Darüber hinaus ist von Bedeutung, dass die Definition von hohen HcyWerten nach Ubbick u. Mit., die mit einem zunehmenden Risiko für vorzeitige kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert wurde (116), deutlich breiter angelegt ist im Vergleich zu den Hcy-Konzentrationen, die üblicherweise als Hyperhomozysteinämie in der Literatur charakterisiert werden (138). Ubbink et al. gelang es mittels einer stückweisen linearen Regression bei Vitamin B-Substitutionsstudien, ein valides mathematisches Prädiktionsmodell zur Definition von Hcy-Referenzwerten zu entwickeln. Diesem Modell zufolge kann man voraussehen, dass Hcy-SerumKonzentrationen eine Normalverteilung mit einem 95% Referenzbereich (MW±2 s) von 4,9-11,7 µmol/L annähern werden, sofern eine Verbesserung des Vitaminstatus bei der Studienpopulation erfolgt (116). Die Ergebnisse der derzeitigen Studie deuten auf einen Zusammenhang zwischen Hcy und kognitiven Funktionen ausschließlich bei altersdepressiven Patienten und nicht bei älteren gesunden Individuen hin. Sie sind auf der gleichen Linie mit Beobachtungen von Kalmijn und Kollegen (119), die in einer repräsentativen Bevölkerungsstudie von 702 gesunden Probanden (Alter 55 J.) keine Assoziation zwischen erhöhten Homozysteinwerten und nachfolgender kognitiver Beeinträchtigung fanden. Ferner fanden Almeida und Mit. (93), nach Kontrolle ihrer Ergebnisse für Alter, Folsäure- und Vitamin B12-Konzentrationen, dass Serumhomozystein in keinem Zusammenhang mit der kognitiven Leistung bei 262 selbständig lebenden über 70-jährigen Frauen stand. Außerdem wurde im Rahmen neurochemicher Studien keine Veränderung der NMDARezeptoreigenschaften bei gesunden erwachsenen Probanden beobachtet (127, 128) die möglicherweise mit einer positiven Wirkung von Hcy auf die o.g. kognitiven Funktionen einhergehen könnte. Eine mögliche Einschränkung dieser Studie ergibt sich durch den störenden Effekt der Pharmakotherapie, der unsere Ergebnisse beeinflussen haben könnte, da die Patienten sich zum Zeitpunkt der neuropsychologischen Untersuchung und der HcyProbenentnahme unter medikamentöser Behandlung befanden. Die Psychopharmakotherapie der in unserer Arbeit eingeschlossenen Patienten bestand –wie oben detailliert aufgeführt- aus Antidepressiva (SSRI, SSNRI, Trizyklika, Mirtazapin) 43 und/oder atypischen Neuroleptika. (Quetiapin oder Olanzapin). Die aktuellen Ergebnisse der Grundlageforschung hinsichtlich eines möglichen Einflusses von Antidepressiva auf die kognitive Leistung sind inkonsistent. Hierbei scheinen Trizyklische Substanzen vor allem bei Langzeitanwendung eher einen negativen Einfluss auf neurokognitive Prozesse zu haben; in vielen Studien wurde beobachtet, dass manche Trizyklika, möglicherweise aufgrund ihrer anticholinergen Wirkung, langfristig ein Risiko für Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen aufweisen bzw. vorliegende kognitive Beeinträchtigungen verstärken könnten (139). Bei Einnahme von SSRI oder SSNRI wurde eine Verbesserung bestimmter kognitiver Funktionen, wie der Aufmerksamkeit, des Arbeitsgedächtnisses oder exekutiver Funktionen beschrieben; dies sei in Verbindung mit möglichen „neurotrophen“ Eigenschaften von Serotonin gebracht worden, die Synapsebildungen im Gehirn fördern könnte (140, 141, 142). Bezüglich der Wirkung von Mirtazapin auf die Kognition, liegen nur wenige Daten vor; es wird eher von einer neuroprotektiven Rolle dieses Antidepressivums ausgegangen (143). Den atypischen Neuroleptika wird insgesamt ein positiver Einfluss auf die neurokognitiven Funktionen zugeschrieben. Mehrere kontrollierte Studien konnten nachweisen, dass die Atypika entweder zu einer signifikanten Besserung der kognitiven Leistung oder zumindest zu einer deutlichen Progredienzverzögerung kognitiver Defiziten führen können (144-148). Die Wirkmechanismen sind bis heute jedoch nicht hinreichend geklärt. Laut Erklärungshypothesen könnte der neurokognitive Effekt der Atypika entweder auf einem direkten 5HT1A-Agonismus oder möglicherweise indirekt auf einem synergistischen D2- und 5HT2A-Antagoniscmus beruhen (146-148). Ferner, wird auf der molekulargenetischen Ebene eine neuroprotektive Funktion mancher Atypika postuliert (145). Nichtsdestoweniger haben mehrere Studien den Beweis dafür geliefert, dass Defizite in allen kognitiven Bereichen im Rahmen der Altersdepression auch nach Ansprechen auf die antidepressive Therapie und sogar Remission der affektiven Symptomatik weiterbestehen (149, 150, 151). Um jeden Einfluss der Medikation auszuschließen, wurde in der vorliegenden Studie die Gesamtgruppe der depressiven Patienten in sechs Subgruppen nach den Medikamenten, die sie einnahmen, und nach der Kombination dieser Pharmaka eingeteilt. Die Subgruppen unterschieden sich hinsichtlich des Alters (Kruskal-Wallis-Test: P=0.801), der Bildung (Kruskal-Wallis-Test: P=0.453) und des 44 Hcy-Spiegels (Kruskal-Wallis-Test: P=0.755) nicht. Keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen wurden bezüglich der Sprachverarbeitung (Kruskal-WallisTest:P=0,970), der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (Kruskal-Wallis-Test: P=0,981) der Aufmerksamkeit (Kruskal-Wallis-Test: P = 0,888) und Konzentration (Kruskal-Wallis-Test: P=0,955) gefunden. Dementsprechend kann eine Verfälschung der Studienergebnisse durch Medikation faktisch ausgeschlossen werden. Allerdings stellen die relativ kleine Stichprobegröße und die begrenzte Erhebung kognitiver Funktionen potentielle Limitationen der Studie dar. Eine andere mögliche Einschränkung der Arbeit könnte sich auf die Zeitspanne zwischen Hcy –Probenentnahme und neuropsychologischer Untersuchung beziehen. Dennoch bleibt die Hcy- Konzentration im Serum verhältnismäßig konstant für mindestens einen Monat (152) und in der vorliegenden Studie betrug das entsprechende Intervall lediglich 1 Tag. Daher ist eine solche Beeinflussung der Ergebnisse nicht anzunehmen. Fazit: Die vorliegende Arbeit liefert einen ersten Hinweis dafür, dass eine Assoziation zwischen Hcy und Sprachverarbeitung sowie Informationsverarbeitungs- geschwindigkeit im Rahmen der Altersdepression besteht. Jedoch sind noch weitere Untersuchungen in dieser Richtung erforderlich. Mittels einer umfassenderen neuropsychologischen Beurteilung und zusätzlicher Anwendung moderner funktioneller Bildgebungsverfahren (u.a. Protonen-Magnet-Resonanz-Spektroskopie), die eine exakte Erfassung cerebraler Glutamatkonzentrationen bei depressiven Patienten ermöglichen, könnte die Rolle des Homocysteins hinsichtlich der Abmilderung kognitiver Defizite im Störungsbild der geriatrischen Depression weiter untersucht werden. Auf diese Weise würde ein wichtiger Beitrag zur Lösung des Rätsels um das Zusammenspiel von Hcy und Kognition bei Altersdepressiven geleistet werden und somit potentielle psychopharmakologische Perspektiven eröffnet werden. 45 7. Literaturverzeichnis 1. 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SCHULDGEFÜEHLE 0= Keine 1= Selbstvorwürfe, glaubt Mitmenschen enttäuscht zu haben 2= Schuldgefühle oder Grübeln über frühere Fehler und “Sünden” 3= Jetzige Krankheit wird als Strafe bewertet, Versündigungswahn 4= Anklagende oder bedrohende akustische oder optische Halluzinationen hallucinations 3. SUIZID 0= Keiner 1= Lebensüberdruss 2= Todeswunsch, denkt an den eigenen Tod 3= Suizidgedanken oder entsprechendes Verhalten 4= Suizidversuche (jeder entsprechender Versuch = 4) 4. EINSCHLAFSTÖRUNG 0= Keine 1= Gelegentliche Einschlafstörung (mehr als ½ Stunde) 2= Regelmäßige Einschlafstörung 5. DURCHSCHLAFSTÖRUNG 0= Keine 1= Patient klagt über unruhigen oder gestörten Schlaf 2= Nächtliches Aufwachen bzw. Aufstehen (falls nicht nur zur Harn- oder Stuhlernährung). 65 6. SCHLAFSTÖRUNGEN AM MORGEN 0= Keine 1= Vorzeitiges Erwachen, aber nochmaliges Einschlafen 2= Vorzeitiges Erwachen ohne nochmaliges Einschlafen 7. ARBEIT UND SONSTIGE TÄTIGKEITEN 0= Keine Beeinträchtigung 1= Hält sich für leistungsunfähig, erschöpft oder schlapp bei seinen Tätigkeiten (Arbeit oder Hobbies) 2= Verlust des Interesses an seinen Tätigkeiten (Arbeit oder Hobbies), muss sich dazu zwingen. Sagt das selbst lässt es durch Lustlosigkeit, Entscheidungslosigkeit und sprunghafte Entschlussänderungen erkennen. 3= Wendet weniger Zeit für seine Tätigkeiten auf oder leistet weniger. Bei stationärer Behandlung Ziffer 3 ankreuzen, wenn der Patient weniger als 3 Stunden an Tätigkeiten teilnimmt. Ausgenommen Hausarbeiten auf der Station 4= Hat wegen der jetziger Krankheit mit der Arbeit aufgehört. 8. DEPRESSIVE HEMMUNG (Verlangsamung von Denken und Sprache, Konzentrationsschwäche, reduzierte Motorik) 0= Sprache und Denken normal 1= Geringe Verlangsamung bei der Exploration 2= Deutliche Verlangsamung bei der Exploration 3= Exploration schwierig 4= Ausgeprägter Stupor 9. ERREGUNG 0= Keine 1= Zappeligkeit 2= Spielen mit den Fingern, Haaren usw. 3= Hin- und Herlaufen, nicht still sitzen können 4= Händeringen, Nägelbeißen, Haareraufen, Lippenbeißen usw. 10. ANGST- Psychisch 0= Keine Schwierigkeit 1= Subjektive Spannung und Reizbarkeit 2= Sorgt sich um Nichtigkeiten 3= Besorgte Grundhaltung, die sich im Gesichtsausdruck und in der Sprechweise äußert 4= Ängste werden spontan vorgebracht 66 11. ANGST- Somatisch Körperliche Begleiterscheinigungen der Angst wie: Gastrointestinale (Mundtrockenheit, Winde, Verdauungsstörungen, Durchfall, Krämpfe, Aufstoßen)- Kardiovasculäre (Herzklopfen, Kopfschmerzen) -Respiratorische (Hyperventilation, Seufzen)- Pollakisurie - Schwitzen 0= Keine 1= Geringe 2= Mäßige 3= Starke 4= Extreme (Patient ist handlungsunfähig) 12. KÖRPERLICHE SYMPTOME- gastrointestinale 0= keine 1= Appetitmangel, isst aber ohne Zuspruch, Schweregefühle im Abdomen 2= Muss zum Essen angehalten werden. Verlangt oder benötigt Abführmittel oder andere Magen-Darmpräparate 13. KÖRPERLICHE SYMPTOME- allgemeine 0= Keine 1= Schweregefühl in Gliedern, Rücken oder Kopf, Rücken-, Kopf- oder Muskelschmerzen, Verlust der Tatkraft, Erschöpfbarkeit 2= Bei jeder deutlichen Ausprägung eines Symptoms 2 ankreuzen 14. GENITALSYMPTOME wie etwa: Lidoverlust, Menstruationsstörungen etc. 0= Keine 1= Geringe 2= Starke 15. HYPOCHONDRIE 0= Keine 1= Verstärkte Selbstbeobachtung (auf den Körper bezogen) 2= Ganz in Anspruch genommen durch Sorgen um die eigene Gesundheit 3= Zahlreiche Klagen, verlangt Hilfe etc. 4= Hypochondrische Wahnvorstellungen 16. GEWICHTSVERLUST (entweder a oder b ankreuzen) a. Aus Anamnese 0= Kein Gewichtsverlust 1= Gewichtsverlust wahrscheinlich im Zusammenhang mit jetziger Krankheit 2= Sicherer Gewichtsverlust laut Patient b. Nach wöchentlichen Wiegen in der Klinik, wenn Gewichtsverlust 0= weniger als 0,5 Kg/Woche 1= mehr als 0,5 Kg/Woche, 2= mehr als 1Kg/Woche 67 17. KRANKHEITSEINSICHT 0= Patient erkennt, dass er depressiv und krank ist 1= Räumt Krankheit ein, führt sie aber auf schlechte Ernährung, Klima, Überarbeitung, Virus etc. zurück 2= Leugnet Krankheit ab 18. TAGESSCHWANKUNGEN a. Geben Sie an, ob die Symptome schlimmer am Morgen oder am Abend sind. Sofern KEINE Tagesschwankungen auftreten, ist 0 anzukreuzen. 0= Keine 1= Symptome schlimmer am Morgen 2= Symptome schlimmer am Abend b. Wenn es Schwankungen gibt, geben Sie die Stärke der SCWANKUNGEN an. Falls es KEINE gibt, kreuzen Sie 0 an. 0= Keine 1= Gering 2= Stark 19. DEPERSONALISATION, DEREALISATION (wie etwa: Unwirklichkeitsgefühle, nihilistische Ideen) 0= Keine 1= Gering 2= Mäßig 3= Stark 4= Extrem 20. PARANOIDE SYMPTOME 0= Keine 1= Misstrauisch 2= Beziehungsideen 3= Beziehungs- und Verfolgungswahn 21. ZWANGSSYMPTOME 1= Keine 2= Gering 3= Stark Total Score ______________ Bitte prüfen Sie, ob Sie alle Feststellungen beantwortet haben! 68 8.5 MARS-D 69 70 8.6 Stroop 71 72 8.7 d2 73 74 75 76 8.8 CIRS-G * * Eine deutsche Version des CIRS-G stand während der Datenerhebung nicht zur Verfügung 77 9. Danksagung Für die Überlassung des Themas und für die unermüdliche und zeitaufwändige Unterstützung möchte ich Frau Prof. Dr. Herpertz danken. Besonderer Dank gilt Herrn Dr. Alexopoulos für die Betreuung und die Hilfe sowohl bei der statistischen Bearbeitung als auch bei dem Verfassen der Dissertation. Schließlich möchte ich mich herzlich bei meinem Bruder Jorgo für die wichtige Unterstützung in schwierigen Zeiten bedanken. 10. Selbständigkeitserklärung Ich erkläre an Eides statt, dass ich die der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock zur Promotionsprüfung vorgelegte Arbeit mit dem Titel „Assoziationen zwischen Homozystein und kognitiver Leistung im Rahmen der Altersdepression“ in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Rostock unter Anleitung und Betreuung durch Fr. Prof. Dr. Herpertz selbstständig erstellt und bei der Abfassung nur die angegebenen Hilfsmittel angewendet habe. Alle benutzten fremden Quellen wurden als solche kenntlich gemacht. Ich habe die Dissertation in keinem anderen Prüfungsverfahren als Prüfungsleistung vorgelegt. Ich habe den angestrebten Doktorgrad noch nicht erworben und bin nicht in einem früheren Promotionsverfahren für den angestrebten Doktorgrad endgültig gescheitert. Die Promotionsordnung der Universität Rostock ist mir bekannt. Essen, März 2013 S. Topalidis 78 11. Lebenslauf PERSÖNLICHE DATEN Name SAVVAS TOPALIDIS Adresse Carmerstr. 41, 45147 Essen Telefon (0201) 56271766 Email Familienstand Nationalität Geburtsdatum, Ort [email protected] ledig griechisch 20.10.1979, Komotini, Griechenland SCHULBILDUNG 1991-1997: Einheitliche Schule (Lyzeum und Gymnasium), Drama, Griechenland, Abschluss mit der Gesamtnote „Sehr gut“ STUDIUM 1999-2004: Studium an der Medizinischen Fakultät, Universität Rostock 2004-2005: Auslandsstudium im Rahmen des Erasmus Programms an der Medizinischen Fakultät der Karls-Universität, Prag, Tschechische Republik 2005-2008: Fortsetzung und Abschluss des Studiums an der Medizinischen Fakultät, Universität Rostock 79 FAMULATUREN 02/2004 – 03/2004: Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Aristoteles Universität, Thessaloniki 07/2005 – 08/2005: Klinik für Chirurgie, Kreiskrankenhaus Drama, Griechenland 08/2005 – 09/2005: Allgemeinmedizinische Praxis, Dr.med. Kimiskidis, Drama, Griechenland 02/2006 – 03/2006: Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Universität Rostock PRAKTISCHES JAHR 08/2006 – 12/2006: Klinik und Poliklinik für Chirurgie, Universität Buenos Aires, Argentinien 12/2006 – 03/2007: Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Universität Buenos Aires (UBA), Argentinien 03/2007 – 06/2007: Klinik für Innere Medizin, Zentrale Notaufnahme, Klinikum Süd, Rostock BERUF Seit April 2009: Tätigkeit als Ass.-Arzt in LVR-Klinikum Essen, Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie der Universität Duisburg-Essen 4/2009 - 2/2010: Offene Psychotherapiestation für Jugendliche 3/2010 - 3/2011: Geschlossene Akut- und Diagnostikstation 4/2011 - 12/2011: Tagesklinik für Kinder und Jugendliche, Standort Essen-Altenessen 1 /2012 – 6/2012: Mitkonzeptualisierung und Tätigkeit, Tagesklinik „Ruhrwende“, Mülheim an der Ruhr 07/2012- heute: Allgemeine kinder- und jugendpsychiatrische Ambulanz Wickenburg, Heilpädagogisch-psychiatrische Ambulanz für geistig behinderte Kinder und Jugendliche, Standort Franz-Sales, Essen-Huttrop Sonstige Tätigkeiten 2009-2010: Anorexie-Psychoedukationsgruppe für Eltern 2010-2012: ADHS-Elterntraining 2012-heute: Aufsuchende Schulsprechstunde in der Nelli-Neumann-Schule, Essen Seit 12/2012: Autismus-Sprechstunde 80 PROMOTION März 2013: PUBLIKATION Promotionsthema: „Assoziationen zwischen Homozystein und kognitiver Leistung im Rahmen der Altersdepression“ Alexopoulos P, Topalidis S, Irmisch G, Prehn K, Jung SU, Poppe K, Sebb H, Perneczky R, Kurz A, Bleich S, Herpertz SC. Homocysteine and cognitive function in geriatric depression. Neuropsychobiology. 2010;61(2):97-104 81 12 Thesen 1. Kognitive Einbußen stellen eine häufige Begleiterscheinung bei Depressionen im Senium dar. Hinsichtlich der Beeinträchtigung einzelner kognitiver Domänen im Rahmen der Altersdepression, wie der exekutiven Funktionen, der Aufmerksamkeit oder der Informationsverarbeitung, liegen konsistente Befunde vor. 2. Hyperhomozysteinämie wird als Risikofaktor für kognitive Defizite bei verschiedenen neuropsychiatrischen Erkrankungen diskutiert. Über Assoziationen zwischen hohen Plasma-Homozystein-Konzentrationen und kognitiver Leistung in der Altersdepression ist jedoch nur wenig bekannt. 3. In der vorliegenden Arbeit werden mögliche Zusammenhänge zwischen Homozystein-Spiegel und kognitiver Leistung in den Domänen Sprachverarbeitung, Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, Konzentration und Aufmerksamkeit bei 40 älteren depressiven Patienten und 25 psychisch gesunden Probanden untersucht. 4. Die über 60-jährigen Patienten mit diagnostizierter Major Depression fallen im Vergleich zu Kontrollen durch eine signifikant verminderte Leistungsfähigkeit in den kognitiven Domänen der Sprachverarbeitung und der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit auf. Die kognitive Leistung zwischen den beiden Gruppen im Bereich Konzentration und Aufmerksamkeit zeigt hingegen keine Unterschiede. 5. Innerhalb der depressiven Gruppe erzielen Patienten mit hohem HomozysteinSpiegel signifikant bessere Ergebnisse in den Domänen der Sprachverarbeitung und der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit als Patienten mit HomozysteinSpiegel 11,7 µmol/l. 6. Darüber hinaus haben Homozysteinwerte in der depressiven Gruppe eine signifikante Auswirkung auf die Sprachverarbeitung und die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit. In der Gruppe der gesunden Probanden wird jedoch kein Einfluss vom Homozysteinspiegel auf die o.g. kognitiven Bereiche festgestellt. 7. Die Ergebnisse deuten ausschließlich bei altersdepressiven Patienten und nicht bei älteren gesunden Individuen auf einen Zusammenhang zwischen Homozystein und kognitiven Funktionen hin. Es wird hierbei nahegelegt, dass Homozystein in der Altersdepression, die mit einer Störung der glumatenergen Transmission und des Glutamatstoffwechsels verbunden ist, einen positiven Effekt auf die Sprachverarbeitung und die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit ausübt. 82 8. Potentielle Limitationen der Studie stellen die relativ kleine Stichprobengröße und die begrenzte Erhebung kognitiver Funktionen dar. 9. Perspektivisch wäre es wünschenswert, die Rolle des Homozysteins hinsichtlich der Abmilderung kognitiver Defizite im Störungsbild der geriatrischen Depression weiter zu untersuchen. Dies kann mittels einer umfassenderen neuropsychologischen Beurteilung und einer zusätzlichen Anwendung moderner funktioneller Bildgebungsverfahren, die eine exakte Erfassung zerebraler Glutamatkonzentrationen bei depressiven Patienten ermöglichen, erfolgen.