Fakultät für Physik Universität Wien Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Österreichische Akademie der Wissenschaften Von der klassischen Physik zur Quantenmechanik – eine naturwissenschaftliche Revolution Johannes Kofler Origin Symposium Linz, 2. September 2011 Mechanik (16.–19. Jh.) Lehre von der Bewegung von Körpern durch Kräfte • Antike: Archimedes (Hebelgesetz, Auftrieb) • Um 1590: Galileo Galileis Fallexperimente • 1687: Isaac Newtons „Principia Mathematica“: Newtonsche Gesetze der Bewegung (F = ma) & Gravitationsgesetz Keplersche Gesetze Jedes Teilchen hat stets einen definitiven Ort und eine definitive Geschwindigkeit Determinismus („Laplacescher Dämon“) Stoßgesetze Aerodynamik Isaac Newton (1643–1727) Himmelsmechanik Optik (17.–19. Jh.) Lehre vom Sichtbaren • Erste Linsen in der Antike: Assyrien, Ägypten, Babylon, Griechenland • Erste Mikroskope und Teleskope um 1600 • Johannes Kepler (Mondfinsternis), Willebrord Snellius (Brechung), Christiaan Huygens (Wellen), Isaac Newton (Teilchen, Farbaufspaltung), Thomas Young (Interferenz), Francesco Maria Grimaldi & AugustinJean Fresnel (Beugung) Reflexion Brechung Christiaan Huygens (1629-1695) Beugung Elektrizität & Magnetismus (17.–19. Jh.) Lehre von elektrischen Ladungen und elektrischen und magnetischen Feldern • Antike: Zitteraal, Bernstein („elektron“) • Ab 1650: Otto von Guericke (Elektrisiermaschine), Benjamin Franklin (Blitzableiter), Luigi Galvani (zuckende Froschschenkel), Alessandro Volta (Batterie), Charles Augustin de Coulomb (Kraftgesetz), Hans Christian Oersted & André-Marie Ampère (Strom bewegt Kompassnadel), Michael Faraday (Feldbegriff) • 1864: James Clerk Maxwell: Elektromagnetismus (Licht als Spezialfall), Maxwellsche Gleichungen Elektrische Entladungen Magnetfelder James Clerk Maxwell (1831–1879) Elektrischer Strom Thermodynamik (19. Jh.) Lehre von der Wärme und Umverteilung von Energie • Sadi Carnot: Druck/Temperatur in Wärmekraftmaschinen • Julius Robert Mayer: Energieerhaltung (1. Hauptsatz) • Rudolf Clausius: 2. Hauptsatz (Unmöglichkeit des Perpetuum Mobile) • Um 1880: Ludwig Boltzmann: Entropie, statistische Mechanik (Thermodynamik reduziert auf Mechanik) Exakte Berechnung statistischer Größen, zB. Druck und Temperatur eines Gases; einzelne Teilchenorte und Teilchengeschwindigkeiten sind unbekannt Dampfmaschine Wetter Ludwig Blotzmann (1844–1906) Phasenübergänge Relativitätstheorie (20. Jh.) Theorie über Raum und Zeit und Gravitation • Spezielle Relativitätstheorie (1905): Konstanz der Lichtgeschwindigkeit schnell bewegte Uhren gehen langsamer, schnell bewegte Maßstäbe werden kürzer, schnell bewegte Massen werden schwerer, E = mc2 • Allgemeine Relativitätstheorie (1915): Relativitätsprinzip Gravitation ist keine Kraft sondern die Krümmung von Raum und Zeit durch Materie Global Positioning System Astronomie & Kosmologie Albert Einstein (1879–1955) Teilchenbeschleuniger Klassische Physik Mechanik, Optik, Elektromagnetismus, Thermodynamik und Relativitätstheorie • Objekte haben stets definitive Eigenschaften • Die Welt läuft wie ein Uhrwerk ab (Determinismus und Kausalität) • Die Wahrscheinlichkeiten in der statistischen Physik ergeben sich nur aufgrund von unserer Ignoranz • Im Prinzip ist alles vorherberechenbar (Reduktionismus) Quantenmechanik (20. Jh.) • 1900: Max Planck, Plancksches Strahlungsgesetz (Quantelung der Energieaufnahme/Abgabe) • 1905: Albert Einstein, Erklärung des photoelektrischen Effekts (Lichtquanten) • 1913: Niels Bohr, Bohrsches Atommodell (stabile Bahnen und Quantensprünge) • 1925/26: Werner Heisenberg & Erwin Schrödinger: Quantenmechanik, Schrödinger-Gleichung Geschichte des Lichts Optik Elektromagnetismus Quantentheorie Christiaan Huygens (1629–1695) Isaac Newton (1643–1727) James Clerk Maxwell (1831–1879) Albert Einstein (1879–1955) Wellen Teilchen elektromagnetische Wellen Quanten Der Zufall in der Natur Klassischer Zufall Quantenzufall (zB. Roulette, Wetter) (zB. radioaktiver Zerfall, Photon am 50/50-Strahlteiler) Zufall ist nur subjektiv im Prinzip alles vorherberechenbar (deterministisches Chaos) Vorhersage für das Einzelereignis offenbar unmöglich Zufall ist objektiv Heisenbergsche Unschärferelation 1927 durch Werner Heisenberg Teilchen mit Masse m Ort: q Ortsunschärfe: q Impuls: p (= Masse m mal Geschwindigkeit v) Impulsunschärfe: p Klassische Mechanik: q = 0, p = 0 möglich Quantenmechanik: qp h/4. Ort und Impuls eines Teilchens können nicht mehr gleichzeitig beliebig genau festgelegt sein Das Doppelspalt-Experiment Klassische Physik Quantenphysik Teilchen Wellen Quanten (zB. Sandkörner) (zB. Schall, Wasser) (Elektronen, Atome, Moleküle, Photonen, …) Welle-Teilchen-Dualismus Superposition: |linker Spalt + |rechter Spalt Quelle: http://www.blacklightpower.com/theory/DoubleSlit.shtml Makroskopische Superpositionen Möglich? Oder unmöglich? Quantenzustände Superposition: | = | + | Polarisation: horizontal, vertikal Verschränkung (Mehrteilchenzustand): |AB = |AB + |AB Vertikal polarisiert Nichtlinearer Kristall = |AB + |AB Alice Bob Basis: Resultat Basis: Resultat /: /: /: /: /: /: /: /: /: /: /: /: /: /: /: /: B UVLaser A Horizontal polarisiert lokal: zufällig global: perfekte Korrelation „Entanglement“ (Verschränkung) “Maximales Wissen über ein zusammengesetztes System bedeutet nicht notwenigerweise maximales Wissen über alle seine Teile, nicht einmal dann, wenn diese gänzlich voneinander getrennt sind und sich im Moment überhaupt nicht beeinflussen.” (1935) Bei verschränkten Teilchen sind die gemeinsamen Eigenschaften perfekt definiert, die Einzeleigenschaften aber vollkommen unbestimmt Erst bei der Messung manifestieren sich die Einzeleigenschaften Erwin Schrödinger Vollständigkeit der Quantenmechanik EPR 1935 Kann der Wahrscheinlichkeitscharakter (Zufall) der Quantenmechanik auf eine darunterliegende Theorie reduziert werden? Gibt es einen zugrundeliegenden „Mechanismus“ so wie in der statistischen Mechanik? Albert Einstein Statistische Mechanik: Quantenmechanik: ? Boris Podolsky Nathan Rosen Lokaler Realismus Realismus: Objekte haben ihre Eigenschaften definitiv und unabhängig von der Messung Lokalität: Messungen an einem Ort beeinflussen nicht die (gleichzeitigen) Messungen an einem anderen Alice und Bob sind in zwei entfernten Laboratorien, bekommen Teilchen (zB. Würfel) und messen jeweils eine von zwei Größen (zB. Farbe und Parität) Messung 1: Messung 2: Farbe Parität Mögliche Werte: Resultat: Resultat: A1 (Alice), B1 (Bob) A2 (Alice), B2 (Bob) +1 (gerade bzw. rot) –1 (ungerade bzw. schwarz) A1 (B1 + B2) + A2 (B1 – B2) = ±2 A1B1 + A1B2 + A2B1 – A2B2 = ±2 A1B1 + A1B2 + A2B1 – A2B2 ≤ 2 Bob Alice für alle lokal realistischen (= klassischen) Theorien lokaler Realismus begrenzt mögliche Korrelationen Die Bellsche Ungleichung Würfel Photonen. Mit dem Quantenzustand |AB = |AB + |AB kann die linke Seite der Bellschen Ungleichung (1964) A1B1 + A1B2 + A2B1 – A2B2 ≤ 2 gleich 22 2,83 werden. Widerpruch: 2,83 ≤ 2. John S. Bell B2 A2 A1 B1 Fazit: • Quantenmechanik verletzt die Bellsche Ungleichung (erste Experimente in den 1970er Jahren) • Quantenmechanik kann daher nicht auf lokalen Realismus (dh. klassische Physik) reduziert werden • Das EPR-Programm ist unmöglich ? Einstein vs. Bohr Albert Einstein (1879–1955) Niels Bohr (1885–1962) Was ist die Natur? Was kann über die Natur gesagt werden? Eine naturwissenschaftliche Revolution Klassische Physik Quantenphysik Quantisierung Kontinuität Newtonsche und Maxwellsche Gesetze SchrödingerGleichung Definitive Zustände & Lokaler Realismus Superposition & Verschränkung Zufall Determinismus „Makro-Welt“ Isaac Newton (1643–1727) Ludwig Boltzmann (1844–1906) Albert Einstein (1879–1955) „Mikro-Welt“ Niels Bohr (1885–1962) Erwin Schrödinger Werner Heisenberg (1887–1961) (1901–1976) Revolution in der Technik Klassische Physik Quantenphysik (ca. 30% des BIP der USA) Die Wiener Quantengruppe Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!