PSYCHOSOZIALE BERATUNG im autonomen Frauenzentrum INFOBLATT Nr. 2 Wir unterstützen in der Beratung Frauen, die von sexueller, körperlicher oder seelischer Gewalt betroffen waren darin, wieder die Kontrolle und Handlungsfreiheit über/für das eigene Leben zu gewinnen. Viele Frauen machen sich große Vorwürfe, dass sie sich in Gefahr begeben oder sich nicht heftig genug gewehrt haben. Das sind genau die Argumente, die der Täter vorbringt, um die Frau zu beschuldigen oder die Tat zu rechtfertigen. Die Frau kann ihr eigenes Verhalten erst fair beurteilen, wenn sie genau versteht, dass nichts, was sie hätte tun können, den Täter in irgendeiner Weise von der Verantwortung für das Verbrechen freispricht. Oft ist eine Anzeige aufgrund von Verjährung nicht mehr möglich, bzw. es geht der Frau in erster Linie darum, über das Erlebte erstmals zu sprechen, um einen Prozess der Integrierung und Bewältigung zu beschreiten. Damit passiert dann oft auch der erste Schritt heraus, aus dem Zyklus der Gewalt. Psychosoziale Beratung im Falle der Prozessbegleitung Wenn die Frau sich entscheidet das Erlebte anzuzeigen, unterstützen wir sie im Rahmen der Prozessbegleitung, das heißt wir begleiten sie zur Polizei, zur AnwältIn und zum Gericht. Neben der Unsicherheit bezgl. der rechtlichen Fragen, werden Frauen oft auch von anderen Ängsten oder Zweifeln bedrängt: · es "nicht auszuhalten" über das Erlebte in allen Details zu sprechen · sie würden wichtige Einzelheiten vergessen · von den Erinnerungen überflutet zu werden und die Gefühle von Demütigung, Erniedrigung und Scham noch einmal erleben zu müssen · die Angst davor, die Kontrolle über ihre Gedanken und Gefühle zu verlieren · die Angst vor intimen und darum oft äußerst peinlichen Fragen TRAUMA durch Ü sexuelle Ü körperliche Ü seelische GEWALT Uns geht es in der Beratung darum, diese Ängste ernst zu nehmen, während wir die Betroffene behutsam auf den Gerichtsprozess vorzubereiten. Für den Inhalt verantwortlich: Susanne Wiesmayr, Sozialpädagogin, Supervisorin Claudia Hofer, Sozialarbeiterin, Psychosoziale Beraterinnen im Autonomen Frauenzentrum Linz Das autonome Frauenzentrum ist eine von den Bundesministerien anerkannte & geförderte Familienberatungsstelle sowie Frauennotruf & Beratungsstelle www. f r a u e n z e n t r u m . a t ÜBER DEN UMGANG MIT TRAUMATISIERTEN FRAUEN nach sexuellen oder körperlicher Gewalterfahrungen Im Folgenden finden Sie Informationen zu dem Begriff Trauma, zu Symptomen der Traumatisierung und zu unserem Beratungsansatz bei betroffenen Frauen. Sexuelle Gewalt im weitesten Sinn umfasst alle Handlungen sexueller Art, die dem Opfer, gegen deren/dessen Willen aufgezwungen werden und die dadurch in ihrer Würde verletzt werden. Die Handlungen reichen von sexueller Belästigung (z.B. unerwünschte Berührungen, aufgedrängte Küsse, obszöne Bemerkungen oder ungewollte Umarmungen), über sexuelle Nötigung - bis zur Vergewaltigung. Jeder Übergriff ist eine Herabwürdigung und Erniedrigung der Betroffenen. AUSLÖSER Als Trauma bezeichnet man in der Psychologie eine Verletzung der Psyche durch eine Einwirkung von außen. Die zugefügte Verletzung kann sowohl körperlicher, als auch seelischer Natur sein. Zu einer Traumatisierung kommt es jedoch in beiden Fällen erst dann, wenn das Ereignis die psychischen Belastungsgrenzen des/der Betroffenen übersteigt und nicht adäquat verarbeitet werden kann. Beispiele für Erlebnisse, die Traumata auslösen können, sind Gewalt, Krieg, Folter, Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, körperliche und seelische Misshandlung, aber auch Unfälle, Katastrophen oder Krankheiten. Auch emotionale Vernachlässigung, Verwahrlosung (besonders bei Kindern), soziale Ausgrenzung oder das Miterleben von Gewalt an anderen, kann Traumatisierung zur Folge haben. FOLGEN Ein psychisches Trauma hat oft schwerwiegende Folgen, von Leid- und Angstzuständen bis zu schweren psychischen Störungen. In der medizinischen Diagnose unterscheidet man zwischen akuten Belastungsstörungen, die unmittelbar nach dem Ereignis eintreten und nur kurzfristig andauern - und dem PTBS (posttraumatisches Belastungssyndrom) das erst mit größerem zeitlichen Abstand eintritt und chronische Formen annehmen kann. HÄUFIGKEIT Traumatisierende Ereignisse können jeden Menschen zu jedem Zeitpunkt treffen! Frauen wie Männer. Epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass ungefähr ein Drittel der Bevölkerung einmal im Leben mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert ist. Laut einer deutschen Studie aus dem Jahr 2004 für die EU-Mitgliedstaaten, kann davon ausgegangen werden, dass jede zweite bis dritte Frau körperliche Übergriffe und jede siebte Frau seit dem 16. Lebensjahr sexuelle Gewalt durch bekannte oder unbekannte Personen erlitten. Etwa jede vierte Frau, die in Partnerschaft lebt(e), erfuhr Gewalt durch ihren Beziehungspartner. AUSWIRKUNGEN und SYMPTOME von TRAUMATISIERUNG Die gesundheitlichen Auswirkungen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen sind vielfältig: Körperlich: Verletzungen, dauerhafte Behinderungen Psychosomatisch: z.B. Magen-Darm-Störungen, chronische Schmerzen Psychisch: z.B. Ängste, Depressionen, Ess-Störungen, PTSD (emotionale Taubheit, inneres Erstarren, Übererregung) Symptome für eine mögliche Re-Traumatisierung (z.B. eine PTBS) · Flashbacks blitzartiges Wiedererinnern von Teilen des Traumas, meist ausgelöst durch einen Trigger/Auslösereiz (Geräusche, Gerüche ) · Albträume · Panikattacken · Zwanghaftes Erinnern · Depressionen Symptome, die auf Vermeidung einer möglichen Re-Traumatisierung schließen lassen · Vermeiden von Triggern (z.B. bestimmte Orte, Situationen ) · Emotionale Empfindungslosigkeit (innerlich tot fühlen) · Alkohol -, Drogen -, Medikamentenmissbrauch · Ess-Störungen · Selbstverletzendes Verhalten · Dissoziative Phänomene (man hat das Gefühl, völlig neben sich zu stehen; Amnesien, schwere Identitätsstörung) Körperliche Symptome einer eventuell vorhandenen Traumatisierung · Herzrasen, Atemnot, Beklemmungen · Unruhe, Schlaflosigkeit · Übersteigerte Wachsamkeit · Konzentrationsschwierigkeiten · Schmerzzustände ohne medizinische Befunde · Taubheits-, Starreempfindungen · Sexuelle Dysfunktion WARUM FRAUEN OFT SO LANGE SCHWEIGEN Ca. 80 % der Übergriffe werden von Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder vom eigenen Partner ausgeübt und die betroffenen Frauen werden durch Drohungen und Einschüchterungen zum Schweigen gebracht. Auch die Angst vor weiteren Gewalthandlungen führen zum Schweigen. (Es ist erwiesen, dass in Trennungszeiten die meisten Misshandlungen und sogar Tötungen vorkommen.) Auch die Angst davor, als nicht glaubwürdig oder sogar als mitschuldig an der Tat angesehen zu werden, ist ein Grund weshalb Frauen schweigen. Sexuelle Gewalt im sozialen Nahraum bedeutet fast immer auch psychische, physische und ökonomische Gewalt. Drohungen und Einschüchterungen, die damit einhergehenden Zukuntfsängste, sowie die damit verbundene Scham, machen den Schritt in die Beratung oft für lange Zeit unmöglich.