4 PD Dr. med. Radu Tutuian Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin Fachbereich Gastroenterologie, Inselspital Bern [email protected] Abklärungs-Algorithmus von Sodbrennen Impedanz-ph-Metrie zusätzlich zu Protonenpumpenhemmern Protonenpumpenhemmern (PPI) gehören heute dank geringer Nebenwirkungen zur bevorzugten Testbehandlung an Patienten mit typischen Refluxbeschwerden. Dauern die Symptome an trotz PPI, sollte eine Impedanz-ph-Metrie zur Abklärung zwischen saurem und nichtsaurem Reflux vorgenommen werden. Und bei Patienten mit langjährigen Beschwerden, insbesondere solchen über 50 Jahre, sollte eine obere Panendoskopie erwogen werden. Klassifikationssystem der Refluxösophagitis vor, welches bis heute angewendet wird. Refluxösophagitis als objektivierbare Ursache des Sodbrennens bürgerte sich langsam ein. pH-Metrie zur Symptomabklärung Grad I Erosion(en) nicht konfluierend Grad II Längskonfluierende Erosionen Grad III Erosionen über ganze Zirkumferenz Grad IV Chronische Veränderungen (Ulcus) mit Narbenbildung (Fibrose, Stenose), «Endobrachyösophagus» «Zylinder­ zellnarben» Savary-Miller Klassifikation der Refluxösophagitis S odbrennen, das brennende Gefühl hinter dem Brustbein, das nach einer üppigen Mahlzeit vom Oberbauch heraufsteigt, kennt fast jede dritte oder vierte Person oder hat schon davon gehört. Sodbrennen ist das bekannteste Symptom der gastro-ösophagealen Refluxkrankheit (GERD). Die Einschränkung der Lebensqualität von Personen mit nächtlichem Sodbrennen ist vergleichbar mit derjenigen von Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz. Beinahe jede 10. Person leidet täglich unter Sodbrennen, fast doppelt so viele Personen, wie an Blutzucker (Diabetes) erkranken. Auch wenn die meisten Patienten dieses Symptom mit der Bemerkung «man hat sich halt überessen» beiseite schieben, ersuchen viele Patienten mit häufigem Sodbrennen ärztlichen Rat. Eine erhöhte Anzahl Refluxepisoden bzw. eine verzögerte Beseitigung der Säure aus der Speiseröhre kann Verätzungen der Speiseröhre (Refluxösophagitis) hervorrufen. Wenige Jahre nach der Einführung der Magenspiegelung (Gastroskopie) in der klinischen Praxis anfangs des 20. Jahrhunderts galt die Refluxösophagitis als das Hauptzeichen der gastro-ösophagealen Refluxkrankheit. Savary und Miller stellten in den 1970er Jahren ein In den 1990er Jahren vermehrten sich die Berichte von Patienten mit Sodbrennen und normaler oberer Panendoskopie, was den Begriff der nicht-erosiven Refluxkrankheit schuf. Messungen der Säureexposition des distalen Teils der Speiseröhre (intra-ösophageale pH-Metrie) erhärteten diese Entität. Dabei fixierte man säuremessende Sensoren an dünnen (2 – 3 mm dicken) Kathetern und platzierte sie über die Nase in den distalen Ösophagus für 24 Stunden. Als physiologisches Kriterium für die gastro-ösophageale Refluxkrankheit galt, wenn während einer übermässig langen Zeit von mehr als 4,2% des Tages der intra-ösophageale pH-Wert unter 4 lag. Somit konnte man die Diagnose der nicht-erosiven Refluxkrankheit (d.h. bei abnormaler Säureexposition des distalen Ösophagus trotz endoskopisch unauffälliger Ösophagusschleimhaut) objektivieren. Die intra-ösophageale pH-Metrie erlaubt auch eine Beurteilung der Assoziation von Symptomen mit gastro-ösophagealen Refluxepisoden. Eine positive Symptomassoziation (d.h. mindestens 50% der Symptome sind den Refluxepisoden vorangegangen) ermöglicht des Weiteren die Unterscheidung von Patienten mit einem hypersensitiven Ösophagus (Patienten mit einer normalen Endoskopie, normalen Säureexposition des distalen Ösophagus und einer positiven Symptomassoziation) von Patienten mit funktionellem Sodbrennen (normale Endoskopie, normale Säureexposition und negative Symptomassoziation). Neue technologische Entwicklungen gestatten intra-ösophageale pH-Messungen mittels Kapsel-pH-Metrie. Dabei wird die pH-Kapsel während einer Endoskopie im distalen Ösophagus befestigt («ge- Abklärungs-Algorithmus von Sodbrennen pierced»), von wo sie über die nächsten 48 – 96 Stunden pH-Daten an einen externen Empfänger sendet. Diese Methode wird nicht nur von Patienten besser toleriert (keine transnasalen Sonden) sondern erlaubt auch längere Messungsperioden (bis zu 4 Tagen). Sodbrennen trotz PPI-Therapie Die Einführung potenter magensäurehemmender Medi­ka­ mente (Histamin-H2-Rezeptorblocker – H2RA und spä­ter Protonenpumpenhemmer – PPI) brachten weitere Ände­ run­gen im Abklärungsalgorithmus von Patienten mit Sod­ brennen. Die hohe Effizienz der PPIs, kombiniert mit ihrem nebenwirkungsarmen Profil, machte diese Klasse von Medikamenten zur bevorzugten Testbehandlung an Patienten mit typischen Refluxbeschwerden. Der Hausarzt behandelt Patienten mit Sodbrennen oft mit PPIs und interpretiert dann eine Besserung der Beschwerden innert 1 – 2 Wochen als positiven diagnostischen Test für das Vorliegen einer gastro-ösophagealen Refluxkrankheit. Problematisch erweisen sich jedoch die 30 bis 50% der Patienten mit Sodbrennen, die trotz PPI-Therapie weiterhin Symptome aufweisen. Bei diesen Patienten stellt sich die Frage, ob die Beschwerden unabhängig von Reflux (also durch funktionelles Sodbrennen) oder durch persistierenden (nicht-) sauren Volumenreflux bedingt sind. Aussagekräftige Impedanz-Metrie Patienten unter PPI-Therapie bilden wenig bis gar keine Magensäure, sodass die konventionelle pH-Metrie wenig aussagekräftig ist. Eine neue Entwicklung zur Messung der Flüssigkeit, die aus dem Magen in die Speiseröhre zurückläuft, basiert auf elektrischen Widerstandsmessungen in der Speiseröhre (Impedanz-Metrie). Kombiniert mit pHElektroden kann die kombinierte Impedanz-pH-Metrie gastro-ösophageale Refluxepisoden unabhängig von deren Säuregehalt identifizieren und hat sich deshalb in den letzten Jahren zur Methode der Wahl für die Abklärung von Patienten mit persistierenden Refluxbeschwerden unter PPI etabliert. Die kombinierte Impedanz-pH-Metrie erlaubt zwischen drei Arten von Patienten zu unterscheiden, nämlich: Patienten, deren Symptome mit saurem Reflux (d.h.. ungenügende Magensäurehemmung), Patienten, deren Symptome mit nicht-saurem Reflux (d.h. ausreichende Säurehemmung, aber schlechter Verschlussmechanismus) und Patienten, deren Symptome unabhängig von Reflux (d.h. funktionelle Symptome) sind. Diese Unterscheidung zwischen Patienten, die von einer Antireflux-Operation profitieren könnten (Patienten mit. persistierendem saurem oder nicht-saurem Reflux) und Patienten, bei denen eine Antireflux-Operation keine Besserungsaussichten mit- 5 Endoskopie Normale Endoskopie Refluxösophagitis pH-metrie Abnormale 24-h pH-Metrie Normale 24-h pH-Metrie Sx Assoz. Positive Symptomassoziation Negative Symptomassoziation Hypersensitiver Oesophagus Funktionelle Symptome Diagnose Erosive Oesophagitis Nicht-erosive Refluxkrankheit (NERD) Spektrum der Refluxkrankheit Refluxsymptome Behandlung PPI Erfolg (Bestätigt Dx) Persistierte Beschwerden Assoziation Symptome – Reflux? Symptome assozierz mit saurem Reflux Symptome assozierz mit nichtsaurem Reflux Symptome unabhängig von Reflux Abklärungsalgorithmus von Refluxbeschwerden in der Praxis bringen würden (Patienten, deren Symptome unabhängig von Refluxepisoden auftreten) ist kritisch. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass bei Patienten mit häufigen, langjährigen Beschwerden eine obere Panendoskopie erwogen werden sollte, selbst wenn eine empirische Therapie mit PPI von Patienten und Hausärzten als erster diagnostischer Schritt in der Abklärung von Sodbrennen bevorzugt wird. Dies insbesondere bei Patienten, die älter als 50 Jahre sind und/oder Alarmsymptome (Dysphagie, Anämie, positiver Hämoccult, rasch-progrediente Beschwerden) haben. Der nächste Schritt bei Patienten mit normaler Endoskopie und persistierenden Beschwerden trotz säurehemmender Therapie wäre eine 24 Stunden Impedanz-pH-Metrie, um abzuklären, ob diese Symptome mit Refluxepiso­den assoziiert sind oder nicht, beziehungsweise ob eine Kapsel-pH-Metrie nach Absetzen der PPI-Therapie indiziert ist, um eine Refluxkrankheit als Ursache der Beschwerden auszuschliessen.