Übersicht Schmerz Prozeß der Chronifizierung Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Psychologische Mechanismen Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke -5-8 Millionen Betroffene -Übergang akuter in chronischer Schmerz („transition“) relevante Mechanismen: - die klass. und die operante Konditionierung - iatrogene Mechanismen Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Begünstigende Faktoren: 1. 2. 3. Depressive Stimmungslage Ungünstige Formen der emotionalen, kognitiven und verhaltensbezogenen Schmerzverarbeitung Chronische Stressoren im beruflichen und privaten Alltag Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Zu 1.) Emotionale Stimmung: Patienten mit BSP und radikulären Schmerzen sowie dep. Stimmungslage => 80% profitieren nicht von OP, sondern entwickeln chron. Schmerzen (Hasenbring et al) b) Bei unspezifischen Rückenschmerzen dep. Stimmung signifikanter Risikofaktor (Cherkin) c) Übersicht Turk: Vielzahl prospektiver Studien (Untersuchung der Intensivierung chron. Rückenschmerzen erst im Verlauf) => dep. Stimmung signifikanter Risikofaktor a) Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Depressive Stimmung häufig Folge von: - - anhaltender Belastung beruflich und privat chronischer mentaler/körperlicher Überforderung lebensverändernde Ereignisse bereits bestehende Schmerzen bzw. ungünstige Schmerzbewältigung Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Auswirkungen der Depression: - - - - Erhöhte Muskelaktivität => sowohl rein muskulärer Schmerz sowie radikulärer Schmerz (erhöhter intradiskaler Druck mit Verschiebung von diskalem Gewebe) Passivität und Rückzug => Atrophie der Muskulatur, bei Belastung schneller schmerzhaft. Negative Emotion + dysfunktionale Kognitionen=> erschwert positive Bewältigung des Schmerzes Weiterer Faktor: Angst, bisher kaum untersucht Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Zu 2.) Kognitionen: - - „fear-avoidance-beliefs“: Megakognitionen mit Verhaltenskonsequenz („arbeiten verschlimmert Schmerz“) Schmerzbezogene Selbstverbalisation: Katastrophisieren(„Ich halte es nicht aus“) (stärkster Prädiktor bei akutem Schmerz, Burton) - Hilf- und Hoffnungslosigkeit („das wird nichts mehr“) (relevanter Prädiktor bei mehreren Schmerzepisoden) - Bagatellisieren (stellen sich nicht adäquat auf S. ein und entwickeln keine Bewältigungstrategien) Neg. kognitive Schemata verhindern Neukalibrierung von Schmerzen Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke - - Pat. mit akuten Schmerzen > Katastrophisieren war stärkster Prädiktor (Burton) Pat. mit akutem BSP und mehreren Schmerzepisoden in der Vorgeschichte > Hilf/Hoffnungslosigkeit war stärkster Prädiktor (Hasenbring) Bei chron. Schmerzen > stärkster Prädiktor „fear-avoidance-beliefs“ (Pfingsten) „Durchhalteappelle“ („Reiß dich zusammen“) weiterer Risikofaktor (Hasenbring) „To be too tough“ (Arntz u. Peters) Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Zu 3.) Verhalten: -Vermeidungsverhalten: kurzfristige Konsequenzen: Aufmerksamkeit, Zuwendung, Vermeidung unangenehmer Tätigkeiten, Schmerzreduktion langfristige Konsequenzen: Aufrechterhaltung depressiver Zustände Vermeidung körperlicher und sozialer Aktivitäten => relevanter Risikofaktor für Chronifizierung (Hasenbring) -Tendenz Schmerzen stark nonverbal zu signalisieren => begünstigt Entwicklung chron. Schmerzen -wenig einfordern sozialer Unterstützung => chron. Schmerzen > operante Verstärkung führt zu Aufrechterhaltung des chron. Schmerzes (Fordyce) Cave: au Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Iatrogen (Systemfaktoren): Studie King`s College (Kouyanou 1997): Behandlungsverläufe von 125 Patienten, es ergaben sich 4 Problembereiche iatrogener Faktoren: a) b) c) d) Überdiagnostik (27% mehr als 1 CT oder MRT innerhalb kurzer Zeit; bei Gesunden 85% Befunde, aber keine Schmerzen) Informationsmängel (Beispiel Bettruhe) Fehler bei Medikation Vernachlässigung psychosozialer Faktoren (Somatisierungsbedürfnis von Arzt und Patient) Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Pither: Stichprobe an 89 Patienten, in 87% führten mind. 2 therapeutische Empfehlungen zu Verschlechterung In 17 von 39 Studien Verschlechterung durch Bettruhe Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke „Yellow flags“ (Kandall) Leitlinie zur Rückenschmerzbehandlung (Neuseeland): hat auch für andere Schmerzsyndrome Gültigkeit umfasst Emotion, Kognition, Verhalten, Umfeld, Merkmale des Krankheitsverlaufs Wichtigster Risikofaktor: vorhergehende Schmerzphasen Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Identifikation von Risikofaktoren: -Fear avoidance-beliefs-Questionnaire (FABQ, Pfingsten) -Screening psychosozialer Risikofaktoren bei akuten Rücken-/Beinschmerzen (SPR-AR, Hasenbring): beeinhaltet: BDI, Kieler Schmerzinventar, Fragebogen „Belastungen ,Ressourcen“ Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Bestimmung des Ausmaßes der Chronifizierung: Diagnoseunabhängiges Klassifikationsmodell nach Gerbershagen (1986): Stadium I Stadium II Stadium III 4-6 Punkte 7-8 Punkte 9-12 Punkte www.drk-schmerz-zentrum.de Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Schmerzentstehung und Schmerzverarbeitung Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Chronifizierung unter Berücksichtigung der biologischen Ebene Zentrale Sensitivierung: - geänderte Wahrnehmung Schmerzreiz, auch wenn kein organischer Reiz mehr vorhanden ist - „wind up“ = gesteigerte zentrale Sensitivierung unabhängig von peripherer Sensitivierung bei Blockade myelinisierter Fasern Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Langzeitpotenzierung (Aktivierung von NK1(=Neurokinin)-Rezeptoren) hippokampaler Strukturen (Lernen und Gedächtnis) = NMDAAntagonist (z.B. Memantine) wirkt bei Hyperpathie Spinale Sensitivierung: - Translokation von Proteinkinase C (zytosolisch zu membranständig) und NMDA-Rezeptorphosphorylierung löst Ausschüttung von Glutamat und Aspartat) - Wechselwirkung zwischen Glutamat und Substanz P (analgetisch) Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Neuronale Plastizität (strukturell): Änderung synaptischer Übertragungsvorgänge Aktivierung induzierbarer Transkriptionsfaktoren (iTF) → Wirkung auf Zielgene → Umgestaltung zentraler Strukturen endogene Opioide, Glutamat und GABA↑ Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Schmerzchronifizierung Neuroplastische Veränderungen • Normale Nervenzellen • Erkrankte Nervenzellen • „Schmerzzellen“ • Starker Schmerz: • Kurzfristiger Entladungsanstieg • Einlagerung von Ionenkanälen und Rezeptoren • Erhöhte Reaktionsbereitschaft • Aktion aufgrund eines Reizes • Hohe Entladung ohne Reiz • Chronifizierter Schmerz Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke 28 Seite 8 0070_BGLSchoen.ppt © Schön Klinik Verwaltung GmbH Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke Zusammenfassung: Biologische Faktoren der Schmerzchronifizierung Schmerzgedächtnis/Neuroplastizität: Wiederholte Schmerzreize führen zu einer anhaltenden Veränderung von Nervenzellen im peripheren und zentralen Schmerzverarbeitungssystem im Sinne einer Sensibilisierung Veichtshöchheim, 13.11.2010 Oliver Jerke