Lymphknoten-Tuberkulose - Ruhr

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Zahnmedizin
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Seltene Infektionserkrankungen der Kopf-Hals-Region
Lymphknoten-Tuberkulose
In dieser Rubrik stellen Kliniker Fälle vor,
die diagnostische Schwierigkeiten aufgeworfen haben. Die Falldarstellungen
sollen Ihren differentialdiagnostischen
Blick schulen.
Martin Kunkel, Torsten E. Reichert
Fotos: Kunkel
Abbildung 1:
Äußerer Aspekt der
derben Schwellung
kraniozervikal rechts.
Dieser Befund war
über mehrere Monate
langsam progredient.
zeigte korrespondierend säurefeste Stäbchen. In der nachfolgenden kulturellen Anzüchtung ergab sich schließlich der Nachweis von Mykobakterium tuberculosis. Der
Patient erhielt daraufhin umgehend eine
antibiotische Dreifachkombination zur systemischen Therapie der Tuberkulose.
Diskussion
Kasuistik
Bei einem 30-jährigen pakistanischen Patienten bestand eine über Monate langsam
progrediente Schwellung der rechten Halsseite. Subjektiv hatte der Patient zwar eine
knotige Verdickung bemerkt, Schmerzen
seien aber nicht aufgetreten. Erst zuletzt
habe ein gewisses Spannungsgefühl bestanden. Klinisch lag eine deutliche, die
seitliche Halskontur vorwölbende Raumforderung der rechten Regio colli lateralis vor
(Abb. 1). Die Haut war nicht gerötet, die
Konsistenz der gegenüber der Halsmuskulatur kaum verschiebbaren Läsion war sehr
derb. An potentiellen dentogenen Infektionsursachen lagen ein kariös zerstörter
Molar und ein nach palatinal gekippter,
parodontal stark geschädigter Prämolar im
Oberkiefer vor. Sonographisch zeigte sich
ein ausgedehntes kraniozervikales Lymphknotenkonglomerat (Abb. 2) mit inhomogener Binnenstruktur und zusätzlich zahlreiche weitere vergrößerte Lymphknoten
der ipsilateralen Halsseite. Trotz fehlender
klinischer und laborchemischer Entzündungszeichen war eine zentrale Einschmelzungszone zu vermuten.
Es erfolgte eine chirurgische Revision, um
Material zur histologischen und mikrobiologischen Diagnostik zu gewinnen. Intraoperativ lag eine deutliche Umgebungsinfiltrazm 94, Nr. 1, 1. 1. 2004, (40)
tion vor, das Lymphknotenkonglomerat
war sowohl zur Muskulatur als auch zur
Subcutis flächig adhärent. Unter Schonung
des N. accessorius wurde eine Lymphknotenbiopsie gewonnen und weiteres Material zur mikrobiologischen Untersuchung
gegeben. Der zentrale Anteil wurde drainiert.
In der histopathologischen Aufarbeitung
zeigten sich ausgedehnte Granulome mit
zentralen käsigen Nekrosen, umgeben von
einem Lymphozytenwall mit Epitheloidzellen und histiozytären Riesenzellen vom
Langhans-Typ (Abb. 3). Der morphologische Befund sprach damit in erster Linie für
eine Tuberkulose. Die Direktmikroskopie
Die Tuberkulose ist weltweit nach wie vor
eine der führenden Infektionserkrankungen. In den westlichen Industrieländern hat
die Tuberkulose – mit der wachsenden
Anzahl immunkompromittierter Patienten
(zum Beispiel durch HIV-Erkrankungen)
und auch durch die vermehrte Migration –
seit rund 20 Jahren wieder an Bedeutung
gewonnen. Bei einer jährlichen Inzidenz
von zirka 14/100 000 in Deutschland treten
etwa 85 Prozent der Tuberkuloseinfektionen in der Lunge auf [Geldmacher et al.
2002]. Die übrigen Manifestationen betreffen etwa zur Hälfte Lymphknoten und hier
zu einem erheblichen Anteil die Kopf-HalsRegion [Awad und Al-Serhani 2001]. Morphologisch und hinsichtlich des Färbeverhaltens in der Ziehl-Neelsen Färbung unter-
Abbildung 2:
Sonographische
Darstellung des
Lymphknotenkonglomerats. Die Binnenstruktur ist inhomogen, ein zentraler
LK-Bezirk erscheint
eingeschmolzen (★)
41
scheiden sich die klassischen Tuberkuloseerreger nicht wesentlich von atypischen
Mykobakterien. Für den definitiven Nachweis ist der kulturelle Befund daher bisher
der anerkannte Goldstandard, es ist aber zu
erwarten, dass moderne molekularbiologische Methoden des Direktnachweises mittels PCR in Zukunft an Bedeutung gewinnen [Jäckel und Sattler 2001]. Die zervikale
Lymphknoten-Tuberkulose stellt nur selten
die Erstinfektion dar, sondern entsteht zu
über 90 Prozent als so genannte „postprimäre Erkrankung”. Das heißt, es handelt
sich um die Reaktivierung einer zurückliegenden, zumeist pulmonalen Infektion und
damit um eine systemische Erkrankung. Die
Therapie hat demzufolge primär als systemische Therapie zu erfolgen.
Fazit für die Praxis
■ Die Tuberkulose ist weiterhin ein
klinisch relevantes Krankheitsbild mit
derzeit wieder zunehmender Bedeutung.
■ Bereits die Erkrankung ist meldepflichtig. Bei einer offenen Tuberkulose
kann eine Umgebungsuntersuchung
(Praxispersonal!) notwendig werden.
■ Chronische Lymphknotenschwellungen, insbesondere ohne adäquate Ursache, sollten an spezifische oder neoplastische Ursachen denken lassen.
und Gewebeentnahme primär
zum Ausschluss einer malignen
Erkrankung.
Auf zahnheilkundlichem Fachgebiet werden diese Patienten
zumeist zum Ausschluss entzündlicher Ursachen einer
bestehenden Halsschwellung
vorgestellt. Fehlen adäquate
Ursachen einer unspezifischen
Lymphadenitis, ist eine zügige
histologische/mikrobiologische
Diagnosesicherung anzustreben. Der aktuelle Fall zeigt
allerdings, dass auch ganz
Abbildung 3: Die histologische Abbildung zeigt einen
unabhängig von vorhandenen
Ausschnitt aus dem Randwall eines Granuloms. Die Nekropotentiellen Ursachen, wie
sezone ist umgeben von einem Lymphozytenwall mit Epitheunspezifischen Entzündungen
loidzellen und mehrkernigen histiozytären Riesenzellen vom
Langhans-Typ ( ➞ ).
(hier kariös zerstörte beziehungsweise parodontal geAuch unter Einsatz moderner bildgebender
schädigte Zähne), systemische ErkrankunVerfahren bleibt die diagnostische Abgrengen zusätzlich vorliegen können.
zung gegenüber unspezifischen LymphPD Dr. Dr. Martin Kunkel
adenitiden und vor allem gegenüber
Prof. Dr. Dr. Torsten E. Reichert
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
malignen Lymphomen oder Metastasen
Johannes-Gutenberg-Universität
schwierig. Der langwierige Verlauf ohne
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richtungsweisende lokale Symptomatik
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und auch die möglichen Allgemeinsymptome wie subfebrile Temperaturen oder
Leser
Nachtschweiß erlauben keine diagnostiservice
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Differentialdiagnosen. Im vorliegenden Fall
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erfolgte daher die chirurgische Exploration
zm 94, Nr. 1, 1. 1. 2004, (41)
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