Erfolgreiche Konzepte zu Personalschutz und

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Erfolgreiches Konzept zum Schutz der Mitarbeiter
vor MRSA durch Screening, Personalschutz und
Dekolonisierung
Axel Kramer¹ und Nils-Olaf Hübner²
1Institut
für Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsmedizin Greifswald
2 Institut für Medizinische Diagnostik Greifswald
Prävention erfordert Kenntnis der Risiken +
Multibarrierenstrategie + Training + Kontrolle
unser Target
der Dämon MRE
Prävalenz von im Gesundheitswesen erworbenen
Berufskrankheiten durch Infektionen
2002: 1.786 Infektionskrankheiten gemeldet,
davon 27 % als Berufskrankheit anerkannt
 HCV (254), HBV (170), Tuberkulose (125),
HAV (24), KCE (19), AIDS (9)
 Salmonellosen (58) meist als Folge von
Lebensmittelvergiftungen in Kantinen - werden, da
die Mittagspause Freizeit ist, meist nicht als
berufsbedingt anerkannt
Beispiele für nicht als Berufskrankheit
anerkannte Infektionen, weil Kausalität
problematisch bzw. komplette Abheilung
 Virusgrippe
 Norovirusinfektionen
 HSV
2009: 61 Tbk, 51 HCV, 14 HBV, 0 HIV/AIDS, 17
MRSA
MRSA







Seit 2006 17 von 389 MRSA-Fällen als Berufskrankheit
anerkannt, Fälle mit MRSA-Kolonisation wurden abgelehnt.
In vier Fällen bestand infolge der MRSA-bedingten Infektion
langjährige Arbeitsunfähigkeit.
2 durch Screening, 15 durch mikrobiol. Diagnostik wegen
Infektion
Tätigkeit in Pflegeheimen und Krankenhäusern
(Pflegepersonal, Arzt, in 8 Fällen war Indexpatienten
bekannt)
Die häufigsten Infektionsherde kamen im Bereich Hals-,
Nasen-, Ohren (HNO) und Rachen vor, gefolgt von
Hautinfektionen
In drei Fällen handelte es sich um eine Sekundärinfektion
als Folge von durch Traumata verursachten
Hautverletzungen
In einem Fall genetischer Zusammenhang zwischen MRSAinfiziertem Indexpatienten und der Erkrankung des
Beschäftigten
Anerkennungskriterien als BK sind Kontakt zu einem MRSApositiven Patienten oder Tätigkeitsbereiche, bei denen ein
erhöhtes MRSA-Risiko vermutet wird.
Beste Maßnahme: Primär-Prävention!
Primärprävention
Übertragung
Sekundärprävention
Kontamination
Kolonisation
Tertiärprävention
Infektion
Primärprävention
Ziel: Vermeidung einer Übertragung
- Stringente Basishygiene
- Persönliche Hygiene (Verhalten, Wäsche, Nasebohren)
- Händehygiene (Desinfektion, Handschuhe)
- Patientennahe Flächendesinfektion
- Erweiterte Maßnahmen
- Identifizierung von Trägern
- Barrieremaßnahmen (Isolierung)
- Dekolonisierung
- Persönliche Schutzausrüstung
Indikationen für die hygienische
Händedesinfektion
+ vor Betreten von Risikobereichen (z.B. OP, Onkologie,
Neonatologie)
+ nach Ablegen von Handschuhen
Einfluss der Händehygiene in Verwaltungen auf das Infektionsgeschehen
 Analyse des Effekts der Händedesinfektion
auf die Infektionsrate und den daraus
resultierenden Krankenstands
 Analyse der Verträglichkeit und Compliance
 Beitrag zur Aufklärung der Bedeutung der
Händehygiene im Arbeitsalltag
Hübner NO, Hübner C, Wodny M, Kampf G, Kramer A.
Effectiveness of alcohol-based hand disinfectants in a public
administration: impact on health and work performance related
to acute respiratory symptoms and diarrhoea. B MC Infect Dis
2010, 10 p250
Studiendesign
prospektive, kontrollierte, randomisierte Studie
Setting: öffentliche Verwaltung der Stadt Greifswald
Versuchszeitraum: 1 Jahr (Start März)
Randomisierungskriterien:
1. Häufigkeit des Kundenkontakts am Arbeitsplatz
2. Häufigkeit des Umgangs mit Archivmaterialien
 Desinfektionsmittel: Amphisept E, Sterillium
 129 Personen auswertbar




Datengewinnung
 Aufnahmefragebogen:
demographische und gesundheitsrelevante Angaben,
berufliches Tätigkeitsfeld  Randomisierung
 Monatliche Befragung:
Durchführung der Händedesinfektion und Ermittlung
der Verträglichkeit, Compliance,
Erkrankungssymptome, Krankenstände
 Abschlussfragebogen:
Evaluation der Studie, Einstellung zur Händehygiene
Einfluss der Händedesinfektion auf jährliche
Gesamtsymptomtage
signifikanter Unterschied zugunsten
der Händedesinfektion über alle Symptome
 für Schnupfen, Fieber und Husten signifikante
Reduktion der Symptomtage
 stärkster Effekt in Monaten mit höchster
saisonaler Inzidenz an Erkältungskrankheiten
 Für Bronchitis und Diarrhoe sign. weniger
Fehltage durch Erkrankung
Anzahl der Erkrankungen
Symptom
Kontrolle
gesund krank
Intervention
gesund
krank
OR
Schnupfen
599
89
526
59
0,70*
Sinusitis
640
5
575
10
2.23
Halsschmerzen
576
68
529
56
0.88
Fieber
625
20
571
14
0.77
Husten
579
66
538
47
0.77*
Bronchitis
640
5
576
9
2.00
Pneumonie
644
1
585
0
1.00
Influenza
642
3
582
3
1.1
Diarrhoe
607
38
576
9
0.25*
* signifikant (χ2- Test, p < 0.05)
Häufigkeit von Fehltagen durch Infektionen
Symptom
Kontrolle
Intervention
OR
gesund
krank
gesund
krank
625
20
571
14
0.77
Sinusitis
643
2
577
8
4.46*
Halsschmerze
n
632
13
570
15
1.28
Fieber
634
11
576
9
0.9
Husten
627
18
571
14
0.85
Bronchitis
643
2
576
9
5.02*
Pneumonie
644
1
585
0
1.0
Influenza
642
3
582
3
1.1
Diarrhoe
637
8
582
1
0.14*
Schnupfen
* signifikcant (χ2- Test, p < 0.05)
RKI empfiehlt MRSA-Screening bei Patient mit 2
Risikofaktoren (Greifswalder Modell 1 Risikofaktor)












chronische Pflegebedürftigkeit
liegender Katheter (z. B. Harnblase, PEG-Sonde)
Dialysepflichtigkeit
Hautulcus/Gangrän/chronische Wunden/tiefe
Weichteilinfektion
Beatmung bzw. Kanülenträger
PAP
im Ausland dialysierte, chirurgisch behandelte
oder > 24 h hospitalisierte bzw. mit Drainage oder
Katheter versorgte Patienten (außer Dänemark,
Niederlande, Slovenien)
Verlegung aus Krankenhäusern/Einrichtungen mit
wahrscheinlichem endemischen MRSAVorkommen
stationäre Aufenthalte des Patienten innerhalb
der letzten 3 Monate in anderen Krankenhäusern
(sofern kein Negativtest)
Patienten aus Ländern mit hoher MRSA-Prävalenz
Wiederaufnahme mit bekannter MRSA-Anamnese
Beschäftigte in Schweinemastanlagen
Greifswalder Modell: + Komplettscreening in
Risikobereichen
 Chirurgische und internistische
Intensivtherapiestationen
 Weaningstation
 Stroke Unit
 Hautklinik
 Transplantation
Greifswalder Modell: Screening
von Kontaktpatienten mit potentiellem MRSAKontakt
 Sofern Patient Kontakt zu MRSA-Träger
hatte (> 4 h), wird dieser routinemäßig
gescreent, um Übertragung
auszuschließen
Abnahme der nosokomialen
Reduktion der nosokomialen MRSA
Übertragung in der UMG
0,5
22
0,45
20
0,4
18
0,35
16
0,3
14
0,25
12
0,2
10
2008
2009
2010
2011
Gesamtinzidenzdichte der
nosokomialen Fälle
MRSA Tage assoziierte nosokomiale
MRSA-Rate
Inzidenzdichte nosok.
Fälle (nosok. MRSA/
1000 P)
MRSA Tage assoziierte
nosokomiale MRSA-Rate
(nosok. MRSA-Fälle/ 1000
stat. MRSA-P)
Sekundärprävention
Ziel: Erkennung von Trägern + Dekolonisierung
 Personalscreening
 Angepasst an epidemiologische Situation
 Screening der Nase erfasst primären Kolonisationsort
Sekundärprävention: Strategien
Variante 1: Niemals screenen („Bei uns gibt es kein
MRSA!“)
 Fehlendes Risikomanagement für Patienten und
Personal
 Abzulehnen! Nicht konform mit KRINKO!
Variante 2: Regelmäßiges Screening ohne Anlass
 In allen oder ausgewählten Bereichen
 Guter Überblick über Epidmiologie
 Relativ aufwendig
Variante 3: Anlassbezogenes Screening
 z.B. nach Behandlung zu MRSA-Patient oder bei
Ausbruch
 Gezielte Risikoreduktion aber keine system. Übersicht
Sekundärprävention: Situationsabhängiges Vorgehen
Beispiel: Neonatologische ITS
 Wenige Patienten mit MRSA
 Hohes Risiko für Patienten
 Intensiver Kontakt – viele Übertragungsmöglichkeiten
 Engmaschige Surveillance der Patienten
 Screening der MA bei Einstellung bei/nach MRSA Fall
Beispiel: Dialysepraxis
 Viele Patienten mit MRSA
 Mäßiges Risiko
 Begrenzter Kontakt – wenig Übertragungsmöglichkeiten
 Surveillance der MRSA-Epidemiologie der Patienten
 Screening nur bei Bedarf (Einstellung/Ausbruch etc.) +
ggf. jährlich (Erfolgskontrolle der
Greifswalder Modell: Mitarbeiterscreening
 Mitarbeiter, die MRSA-Träger ungeschützt
pflegerisch oder ärztlich betreut haben,
werden nach Entlassung des Patienten
auf
MRSA-Trägertum
überprüft.
Bei
MRSA-Nachweis
bis
zur
Sanierung
Einsatzbeschränkungen
 + Screening Personal vor Neueinstellung
 + ScreeningStudenten/Schüler vor
klinischem Praktikum
Wirkung von Primär- + Sekundärprävention
 Seit Einführung des Greifswalder MRSA-Managements
nur vereinzele Nachweise beim Personal!
Ein wirksames MRSA-Management aus Basishygiene +
früher Erkennung, Isolierung und Dekolonisierung senkt die
Übertragungswahrscheinlichkeit auf das Personal!
Tertiärprävention: Dekolonisierung
 Immer als Bündel lt. KRINKO

+
+
+
Nase
Rachen
Haut
Umgebung
 Umgebung: Desinfektion (z.B. alkoholbasiert)
 Rachen/Haut: Antiseptik! (Erreger wird so reduziert,
dass normale Flora hochwächst)
 Nase:
 aktuell keine klinisch geprüfte antiseptische Alternative
 Mupirocin Mittel der Wahl. Cave: Antibiotikum!
 Mögliche antiseptische Alternativen: Octenidin,
Polihexanid
MRSA-Sanierung im Vestibulum nasi

Mit MRSA kolonisiertes Personal mit Octenisan-Waschung
+ Oct-Nasensalbe + Octenisept-Mundspülung (n = 107)
Sanierungsrate 98 %, davon in 68 % im ersten Zyklus
Hübner NO, Kramer A. et al. GMS Krankenhaushyg
Interdiszip 2009; 4(2):Doc04

Bei Patienten mit antiseptischer Waschung
(Undecylenamidopropyl-trimoniummethosulfat +
Phenoxyethanol, nasal Turixin) Sanierungsrate nach 1.
Zyklus 71 %, nach 2. Zyklus 91 %, nach 3. Zyklus 94 %
Kampf G, Kramer A. Ann Clin Microbiol Antimicrob 2004; 3:
1-6

Durch Chlorhexidin (RCT, n=114) kein besseres Ergebnis
als mit Plazebo
Wendt C, Schinke S, Württemberger M, et al. Infect Control
Hosp Epidemiol 2007 ; 28(9) : 1036-43.

Bei nasaler Applikation von Mupirocin, Mundspülung und
Körperwäsche mit Chlorhexidin, vaginal Chlorhexidin oder
Povidon-Iod und oral Vancomycin, Cotrimoxazol oder
weiteren indiv. angepassten Antibiotika zur intestinalen
und urogenitalen Sanierung in prospektiver
Kohortenstudie Sanierungsrate 87 %
Buehlmann M, Frei R, Fenner L, et al. Infect Control Hosp
Epidemiol 2008; 29(6): 510-6.
Fazit
 Regelungen zum Umgang mit MRSA bei Personal sind
Teil des klinischen und arbeitsmedizinischen
Risikomanagements
 Ein wirksames MRSA-Management ist der beste Weg,
MRSA beim Personal primär zu vermeiden
 Das Screening muss an die Situation der Einrichtung
angepasst werden (ärztliche Risikoanalyse)
 MRSA-positive MA sind mit hoher Wahrscheinlichkeit
dekolonisierbar (>90%) :
 Dekolonisierung ist immer ein Bündel!
Prävention
Prävention ist die Kunst der Abwägung zwischen
gesundem Menschenverstand und leidvoller Erfahrung
vorausschauender Weitsicht und komplizierter oder banaler
Evidenz
Ethik und Politik
Selbstverständlichem und Unerwarteten.
Prävention ist die Balance von Verantwortung Vernunft
Bequemlichkeit Kosten
für die niemand freiwillig die Verantwortung übernimmt.
Prävention ist die Herausforderung
größeres Unheil mit kleineren Anstrengungen zu verhüten
anstatt unter seinen Folgen zu leiden und diese mit
ungleich höherem Aufwand bewältigen.
Leider ist Prävention keine gewinnbringende Aktie.
Für Prävention gibt es keinen Königsweg
das macht sie schwierig.
Prävention hat eine qualvolle Latenz mit in ungewisser
Ferne liegendem Nutzen
das erfordert Überzeugung Geduld mühevolle Analysen
Mut den glücklichen Zufall.
Prävention ist selten spektakulär
ohne leidenschaftliche Liebe erstickt ihre Vision im
vergeblichen Versuch.
Ihre vielfältigen Wege Umwege Ungewissheit
provozieren den Meinungsstreit
Notwendiges von Unnötigem zu trennen
scheinbar Aufwand zu opfern um Leben zu bewahren.
Solange das Bemühen nicht durch den Anspruch der
Macht eitle Selbstdarstellung umsichgreifende Inkompetenz
gefährdet ist
hat es seine Chance.
Der Zeitpunkt
wann die neuen Hürden des Fortschritts übersprungen
werden müssen
darf nicht verpasst werden.
Axel Kramer
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