Friedrich-Schiller-Universität Jena Mathematisches Institut Prof. Dr. David J. Green Algebraische Topologie Sommersemester 2006 Ergebnisse über simpliziale Komplexe Inhalt: die n-Sphäre ist triangulierbar (Lemma 3.4); ∆-Komplexe sind Hausdorff (Lemma 3.8). Lemma 3.20 Sei σ = (a0 , . . . , an ) ein n-Simplex im Rm . Sei A der n-dimensionale affine Unterraum A = A(σ) des Rm , der durch σ aufgespannt wird. Für 0 ≤ i ≤ n sei πi : A → R Vorschrift definierte Abbildung: ist P ein Punkt in A mit P = Pndie durch folgende Pn j=0 λj aj und j=0 λj = 1, so ist πi (P ) = λi . Diese Abbildung πi ist wohldefiniert und stetig. Zusatz: Sind σ, τ zwei n-Simplizes, so gibt es einen affinen Isomorphmus h : A(σ) → A(τ ) derart, dass h|σ bzw. h|∂σ ein affin linearer Homöomorphismus σ → τ bzw. ∂σ → ∂τ ist. Beweis. Für das Standard-n-Simplex ∆n ⊆ Rn+1 ist A(∆n ) = {(y0 , . . . , yn ) ∈ Rn+1 | y0 + y1 + · · · + yn = 1} . Pn Sei f : A(∆n ) → A(σ) die stetige Abbildung f (y0 , . . . , yn ) = i=0 yi ai . Nach Definition von A(σ) ist f surjektiv, und wegen Lemma 3.1 Teil 3 ist f auch injektiv. Es ist πi (f (y0 , . . . , yn )) = yi , also ist πi überall definiert und – wegen Injektivität – nirgendwo mehrdeutig. Stetigkeit von πi : durch die stetige Abbildung P 7→ P − a0 reduzieren wir auf den Fall a0 = 0 und A ein Untervektorraum mit Basis a1 , . . . , an . Diese Basis von A ergänzen wir zu einer Basis a1 , . . . , am des Rm , dann ist πi die ite Koordinatenfunktion bezüglich dieser Basis und somit stetig (1 ≤ i ≤ n). Somit ist auch π0 = 1 − π1 − . . . − πn stetig. Zusatz: es ist also (π0 , . . . , πn ) = f −1 . Sei f 0 das f zu τ . Dann ist h = f 0 ◦ f −1 die erwünschte Abbildung. Die Einschränkungen haben die angegebenen Bilder, da f (y0 , . . . , yn ) ∈ σ ⇐⇒ jedes yi ≥ 0; f (y0 , . . . , yn ) ∈ ∂σ ⇐⇒ jedes yi ≥ 0, und mindestens ein yi = 0. Hilfssatz 1 Jedes n-Simplex ist kompakt. Es gibt n-Simplizes in Rn . Für jedes n-Simplex ◦ σ in Rn ist das Innere σ := σ \ ∂σ eine offene Teilmenge des Rn . Beweis. Kompakt, da das Bild der kompakten Menge ∆n unter der stetigen Abbildung f . Ein n-Simplex in Rn ist (a0 , . . . , an ) mit a0 = 0 und ai = ei für i ≥ 1. Für ein ◦ n-Simplex im Rn ist πi auf ganz Rn definiert und stetig. Dann ist σ offen, denn es ist ◦ σ = {P ∈ Rn | πi (P ) > 0 für 0 ≤ i ≤ n} . Definition Ein topologischer Raum Y heißt triangulierbar, wenn es zu einem (endlichen geometrischen) simplizialen Komplex X = |K| homöomorph ist. Lemma 3.4 Für jedes n ≥ 0 ist die n-Sphäre S n triangulierbar. Etwas konkreter gilt: für jedes n ≥ 1 und für ein beliebiges n-Simplex σ gibt es einen Homöomorphismus f : σ → Dn , dessen Einschränkung auf dem Rand ∂σ ein Homöomorphismus ∂σ → S n−1 ist. ◦ Bezeichnung Sei X ⊆ Rn . Ein Punkt x liegt im Inneren X von X, wenn es ein ε > 0 derart gibt, dass B(x, ε) ganz in X liegt. Der (topologischer) Rand ∂X besteht aus allen Punkten, die weder im Inneren von X noch im Inneren von Rn \ X liegen. Somit bedeutet x ∈ ∂X, dass jede ε-Umgebung von x Punkte aus X und aus Rn \ X enthält. Betrachtet man ein halboffenes Intervall in R, so sieht man, dass die Randpunkte sowohl in X als auch in seinem Komplement liegen dürfen. Beachten Sie, dass S n−1 = ∂Dn gilt. Hier ist Dn := {x ∈ Rn | kxk2 ≤ 1}, genannt die n-Scheibe oder der n-Ball. Lemma 3.40 Sei X ⊆ Rn eine kompakte, konvexe Teilmenge mit der Eigenschaft, dass es ein P0 ∈ X und ein δ > 0 gibt, so dass der offene Ball B(P0 , δ) ganz in X liegt. Dann gibt es einen Homöomorphismus f : X → Dn , und zwar so, dass die Einschränkung auf dem topologischen Rand ∂X ein Homöomorphismus f |∂X : ∂X → S n−1 ist. Bemerkung Der Fall eines kugelförmigen Afpels mit Stiel zeigt, dass X konvex sein muss: es reicht nicht aus, wenn X um P0 sternförmig ist. Beweis. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit ist P0 der Ursprung O. Sei v ∈ S n−1 . Betrachten wir die Schnittmenge Ov ∩ X, wobei Ov der Strahl von O in der v-Richtung ist. Da X beschränkt ist, ist die Menge Tv := {t ∈ [0, ∞) | tv ∈ X} beschränkt. Da X konvex ist, ist Tv ein Intervall. Da X abgeschlossen ist, ist Tv abgeschlossen: es gibt ein dv mit Tv = [0, dv ]. Wegen B(O, δ) ⊆ X ist dv ≥ δ für alle v. Wir wollen zeigen, dass die Abbildung d : S n−1 → R, v 7→ dv stetig ist. Die Beschränktheit von X bedeutet, dass M := sup{dv | v ∈ S n−1 } existiert. Sei αv ∈ (0, π2 ) der Winkel mit cos α = δ/dv . Sei u ∈ S n−1 mit hu, vi = cos α, d.h. α ist der Winkel zwischen u und v. Sei Q = δu und P = dv v. Dann P, Q liegen in X, und es ist OQ ⊥ QP . Da X konvex ist, liegt die ganze Strecke QP in X. Sei R ein Punkt auf dieser Strecke, und sei β der Winkel zwischen OR und v. Dann cos(α − β) = δ/OR. Dann 1 1 − . dv − OR = δ cos α cos(α − β) Für festes β sieht man von der partiellen Ableitung, dass es sich um eine wachsende Funktion von α handelt. Wegen α ≤ α0 = arccos Mδ ist deshalb 1 1 dv − OR = δ − cos α0 cos(α0 − β) unabhängig von v, und dies strebt nach 0 für β → 0. Das heißt, für jedes ε > 0 gibt es ein β0 > 0 derart, dass dv − OR < ε jedesmal dass der Winkel zwischen v und OR weniger als β0 beträgt. Sind also v, w ∈ S n−1 , so ist |dv − dw | < ε, vorausgesetzt, der Winkel beträgt weniger als β0 . Das heißt, die Abbildung v 7→ dv ist stetig. 2 Sei g : Dn 7→ X die Abbildung g(O) = O und g(λv) = λdv v für v ∈ S n−1 , λ ∈ (0, 1]. Die Beschränktheit bzw. Stetigkeit von d bedeutet, dass g in O bzw. auf Dn \ O stetig ist. Nach Konstruktion ist g bijektiv und somit ein Homöomorphismus. Wegen Stetigkeit ◦ von d liegt g(y) in X falls kyk < 1. Nach Konstruktion liegt λv außerhalb X für alle λ > dv , weshalb g(S n−1 ) ⊆ ∂X. Da Rn \ X offen ist, liegt dagegen ∂X in X, also g(S n−1 ) = ∂X. Wir sind fertig, das gesuchte f ist g −1 . Hilfssatz 2 Ist σ ein n-Simplex im Rn , so stimmt das simpliziale Innere bzw. der simpliziale Rand von σ mit dem topologischen Inneren bzw. mit dem toplogischen Rand überein. Beweis. Nach Hilfssatz 1 ist das Komplement von σ offen, und das simpliziale Innere liegt im topologischen Inneren. Somit liegt der topologische Rand im simplizialen Rand. Anderseits ist jeder Punkt y im simplizialen Rand der Punkt, wo der Strahl vom Schwerpunkt σ̂ in der Richtung von y das Simplex σ verlässt. Somit liegt y auch im topologischen Rand. Beweis von Lemma 3.4. Aufgrund des Zusatzes zu Lemma 3.20 sowie des Hilfssatzes 1 reicht es, den Fall σ ⊆ Rn zu betrachten. Nach Hilfssatz 2 ist dann der simpliziale Rand ∂σ auch der topologische Rand. Wir können also Lemma 3.40 anwenden. ∆-Komplexe sind Hausdorff Hilfssatz 3 Sei σ ein n-Simplex (n ≥ 1). Seien U1 , U2 zwei disjunkte, offene Teilemgen ◦ von ∂σ; und seien P3 , P4 zwei verschiedene Punkte in σ. Dann gibt es paarweis disjunkte offene Teilmengen V1 , V2 , V3 , V4 ⊆ σ mit folgenden Eigenschaften: Vi ∩∂σ = Ui für i = 1, 2; ◦ und für i = 3, 4 ist Pi ∈ Vi ⊆ σ. Beweis. Nach Lemma 3.4 dürfen wir σ bzw. ∂σ durch Dn bzw. S n−1 ersetzen. Wähle ein ε > 0 mit kP3 − P4 k > 2ε und kPi k < 1 − 2ε für i = 3, 4. Für i = 3, 4 nehmen wir dann Vi = B(Pi , ε); und für i = 1, 2 setzen wir Vi = {λv | λ ∈ (1 − ε, 1], kvk = 1 und v ∈ Ui }. Lemma 3.8 Jeder ∆-Komplex ist Hausdorff. Beweis. Seien P1 , P2 zwei verschiedene Punkte im ∆-Komplex X. Dann gibt es für i = ◦ 1, 2 ein ni -Simplex σi : ∆ni → X mit Pi ∈ σi (∆ni ): ni , σi sind eindeutig durch Pi bestimmt. O.B.d.A. ist n1 ≤ n2 . Um den Fall eines unendlichen Komplexes nicht auszuschließen, konstruieren wir disjunkte offene Mengen U1 , U2 ⊆ X mit Pi ∈ Ui , indem wir per Induktion ◦ über n den Schnitt Ui ∩ σ(∆n ) für jedes n-Simplex σ in X angeben. • Fall n < n1 : ◦ Ui ∩ σ(∆n ) = ∅ für i = 1, 2. • Fall n = n1 : ◦ ◦ U1 ∩ σ1 (∆n ) = σ1 (V1 ) für ein V1 ⊆ ∆n offen in ∆n . Für die restlichen n-Simplizes ◦ ist U1 ∩ σ(∆n ) = ∅. 3 ◦ Ist n2 > n1 , dann U2 ∩ σ(∆n ) = ∅ für jedes n-Simplex. Ist n2 = n1 aber σ2 6= σ1 , dann verfahren wir wie für U1 , σ1 . Ist σ2 = σ1 , so wählen wir nach Hilfssatz 3 ◦ ◦ Ui ∩ σ1 (∆n ) = σ1 (Vi ) für disjunkte Teilmengen Vi ⊆ ∆n mit Vi ⊆ ∆n offen. Auf jedem Fall sind U1 , U2 bisher disjunkt, und σ −1 (Ui ) ist offen in ∆n für jedes n-Simplex σ. • Fall n1 < n < n2 : ◦ Wir setzen U2 ∩ σ(∆n ) = ∅. Jetzt betrachten wir U1 . Sei σ : ∆n → X ein n-Simplex. Für jede Seite τ von σ ist U1 ∩Bild(τ ) bereits definiert. Das heißt, W1 = ∂σ∩σ −1 (U1 ) ist bereits konstruiert. Nach Hilfssatz 3 finden wir ein offenes V1 ⊆ ∆n mit V1 ∩∂σ = W1 . Also setzen wir U1 ∩ Bild(σ) = σ(V1 ). • Fall n1 < n2 = n: Wir erweitern U1 wie im Fall n1 < n < n2 , und U2 wie im Fall n = n1 = n2 : Wegen Hilfssatz 3 geht das ohne Kollisionen. • Fall n > n2 : Wir erweitern U1 , U2 wie U1 im Fall n1 < n < n2 ; wieder geht es ohne Überschneidungen, wegen Hilfsatz 3. 4