4 Unabhängige Zufallsvariablen. Gemeinsame Verteilung Häufig werden mehrere Zufallsvariablen gleichzeitig betrachtet , z.B. Beispiel 4.1. Ein Computersystem bestehe aus n Teilsystemen. Xi sei der Ausfallzeitpunkt des i -ten Systems (i = 1, . . . , n) . Man beschreibe den Ausfallzeitpunkt X des Gesamtsystems bei a) Parallelschaltung ( Ausfall“ ⇐⇒ ” b) Serienschaltung ( Ausfall“ ⇐⇒ ” Lösung : a) X = max(X1 , . . . , Xn ) ; b) X = min(X1 , . . . , Xn ) . Ausfall“ in allen Teilsystemen ) ; ” Ausfall“ in einem Teilsystem ) . ” Modelle für die gemeinsame Beschreibung von ZV. sind besonders einfach bei Unabhängigkeit“ : ” Definition 4.1. Seien (Ω, A, P ) ein W-Raum und Xi : (Ω, A) − (Xi , Bi )- ZV. für i = 1, 2, . . . . Dann heißen X1 , X2 , . . . (stochastisch ) unabhängig (bzgl. P ) , wenn gilt : (∗) P (Xi1 ∈ Bi1 , . . . , Xik ∈ Bik ) = P (Xi1 ∈ Bi1 ) · · · P (Xik ∈ Bik ) für jede endliche Auswahl {i1 , . . . , ik } ⊂ N , Biν ∈ Biν (ν = 1, . . . , k) . Bemerkung 4.1. a) Nach Definition 4.1 genügt die Betrachtung von jeweils endlich vielen ZV., etwa X1 , . . . , Xn . b) Sind alle Xi diskret verteilt , d.h. existieren abzählbare Wertebereiche Xi mit P (Xi ∈ Xi ) = 1 ∀ i = 1, . . . , n , so gilt : X1 , . . . , Xn unabhängig ⇐⇒ P (X1 = x1 , . . . , Xn = xn ) = n Y P (Xi = xi ) i=1 ∀ xi ∈ Xi , i = 1, . . . , n . c) Setzt man die ZV. X1 , . . . , Xn zu X = (X1 , . . . , Xn ) zusammen, so ist X ein (Ω, A) − (X , B)–Zufallsvektor ( vgl. Wahrscheinlichkeitstheorie“ ) , wobei ” X = X1 × · · · × Xn , B := B1 ⊗ · · · ⊗ Bn := kleinste σ-Algebra, die alle Ereignisse B1 × · · · × Bn , Bi ∈ Bi , umfasst . 37 Definition 4.2. a) Die Verteilung PX auf B (im Sinne von Definition 2.2) von X = (X1 , . . . , Xn ) heißt gemeinsame Verteilung der ZV. X1 , . . . , Xn . b) Die Verteilung PXi (auf Bi ) der ZV. Xi heißt i-te Rand-(Marginal-)Verteilung von PX . Es gilt : PXi (Bi ) = P (X1 , . . . , Xn ) ∈ X1 × · · · × Xi−1 × Bi × Xi+1 × · · · × Xn = PX (X1 × · · · × Xi−1 × Bi × Xi+1 × · · · × Xn ), Bi ∈ Bi , d.h. die gemeinsame Verteilung PX = PX1 ,...,Xn bestimmt die Randverteilungen PXi (i = 1, . . . , n) . Beispiel 4.2. n-maliges Ziehen mit Zurücklegen aus einer Urne mit N Kugeln . Sei Xi = Ergebnis der i-ten Ziehung“ (i = 1, . . . , n) . ” Ω = ω = (ω1 , . . . , ωn ) | ωi ∈ {1, . . . , N } = {1, . . . , N }n , A = P(Ω) , Modell : P ({ω}) = N1n ; Hier : Xi (ω) = ωi (i = 1, . . . , n) , (X1 , . . . , Xn )(ω) = (X1 (ω), . . . , Xn (ω)) = (ω1 , . . . , ωn ) = ω ; Bildraum : X = Ω , B = A = P(Ω) , PX = P = diskrete Gleichverteilung auf P(Ω) ; n−1 i-te Randverteilung : PXi ({xi }) = P (Xi = xi ) = NN n = N1 , diskrete Gleichverteilung auf P {1, . . . , N } . Sind die ZV. X1 , . . . , Xn unabhängig ? Ja, denn n Y 1 P (X1 = x1 , . . . , Xn = xn ) = n = P (Xi = xi ) ∀ xi ∈ {1, . . . , N } , i = 1, . . . , n . N i=1 Beim Ziehen ohne Zurücklegen sind die ZV. X1 , . . . , Xn nicht unabhängig ! H Wie lässt sich das gemeinsame Zufallsgeschehen (die gemeinsame Verteilung) von endlich vielen ZV. beschreiben ? Wir beschränken uns auf die beiden folgenden Möglichkeiten : a) Der Bildraum X von X = (X1 , . . . , Xn ) ist abzählbar und B = P(X ) : Dann ist die gemeinsame Verteilung PX = PX1 ,...,Xn festgelegt durch die (diskrete) W-Dichte p(x1 , . . . , xn ) = P (X1 = x1 , . . . , Xn = xn ) , 38 (x1 , . . . , xn ) ∈ X ; b) Bildraum X = Rn und B = Bn = Borel-σ-Algebra in Rn = kleinste σ-Algebra, die alle n-dimensionalen Intervalle (a, b) = (a1 , b1 ) × · · · × (an , bn ) umfasst : Dann ist PX festgelegt durch Angabe der Wahrscheinlichkeiten P X ∈ (a, b) = P X1 ∈ (a1 , b1 ), . . . , Xn ∈ (an , bn ) , ai < bi (i = 1, . . . , n) . Gilt sogar : P X ∈ (a, b) = PX (a, b) = Z b1 ... a1 Z bn f (x1 , . . . , xn ) dx1 . . . dxn , an wobei Rn → R1 eine nicht-negative, Riemann-integrierbare Funktion ist mit Z ∞ fZ : ∞ f (x1 , . . . , xn ) dx1 . . . dxn = 1 , so heißt X = (X1 , . . . , Xn ) absolut-stetig ... −∞ −∞ verteilt mit (gemeinsamer) Dichte f . Beispiel 4.3. a) (Exponentialverteilung im R3 ) ( λ1 λ2 λ3 e−(λ1 x1 +λ2 x2 +λ3 x3 ) , x1 , x2 , x3 > 0 , f (x1 , x2 , x3 ) = 0, sonst . b) (Rechteckverteilung im R2 ) ( f (x1 , x2 ) = 1 (b1 −a1 )(b2 −a2 ) 0, , a1 < x1 < b1 , a2 < x2 < b2 , sonst . Bemerkung 4.2. Die Randverteilungen ergeben sich wie folgt : a) X = (X1 , . . . , Xn ) diskret verteilt mit Dichte p(x1 , . . . , xn ) : X p(x1 , . . . , xi−1 , xi , xi+1 , . . . , xn ) ; pi (xi ) = P (Xi = xi ) = xν (ν6=i) xi fest b) X = (X1 , . . . , Xn ) absolut-stetig verteilt mit Dichte f (x1 , . . . , xn ) : Z ∞ Z ∞ f (x1 , . . . , xn ) dx1 . . . dxi−1 dxi+1 . . . dxn ... fi (xi ) = −∞ −∞ (xi fest) ist Dichte der Randverteilung PXi (absolut-stetig ) . Beispiele 4.3 (Fortsetzung) Die Randverteilungen besitzen Dichten : a) fi (xi ) = λi e−λi xi I(0,∞) (xi ) b) fi (xi ) = 1 I(a ,b ) (xi ) bi − ai i i (i = 1, 2, 3) ; (i = 1, 2) . 39 Bemerkung 4.3. Die Unabhängigkeit der X1 , . . . , Xn ergibt sich aus der Produktform der gemeinsamen Dichte , d.h. a) falls X = (X1 , . . . , Xn ) diskret verteilt ist mit Dichte p(x1 , . . . , xn ) = n Y pi (xi ) , pi i-te Randdichte , i=1 bzw. b) falls X = (X1 , . . . , Xn ) absolut-stetig verteilt ist mit Dichte f (x1 , . . . , xn ) = n Y fi (xi ) , fi i-te Randdichte , i=1 so sind die ZV. X1 , . . . , Xn unabhängig . Definition 4.3. Seien (Ω, A, P ) ein W-Raum und X = (X1 , . . . , Xn ) : Ω → Rn eine n-dimensionale ZV. Die durch F (x1 , . . . , xn ) := P (X1 ≤ x1 , . . . , Xn ≤ xn ) , definierte Abbildung X1 , . . . , Xn . F : Rn → [0, 1] heißt (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn , (gemeinsame ) VF. der ZV. Analog zu den Sätzen 2.2/2.3 besitzt die gemeinsame VF. folgende Eigenschaften : Satz 4.1. Sei F (gemeinsame ) VF. der n-dimensionalen ZV. (X1 , . . . , Xn ) auf (Ω, A, P ) . Dann gilt : a) F ist monoton wachsend in jeder Komponente xi (i = 1, . . . , n) ; b) F ist rechtsstetig in jeder Komponente xi (i = 1, . . . , n) ; c) lim xi →−∞ (∃ i) F (x1 , . . . , xn ) = 0 , lim xi →+∞ (∀ i) F (x1 , . . . , xn ) = 1 ; d) Ist X = (X1 , . . . , Xn ) absolut-stetig verteilt mit Dichte f (x1 , . . . , xn ) , so gilt in jedem Stetigkeitspunkt x von f : f (x) = f (x1 , . . . , xn ) = ∂n F (x1 , . . . , xn ) ; ∂x1 . . . ∂xn e) PX ist durch F eindeutig festgelegt. 40 Bemerkung 4.3 (Fortsetzung) Die Unabhängigkeit der X1 , . . . , Xn ergibt sich ebenfalls aus der Produktform von F , d.h. aus F (x1 , . . . , xn ) = n Y i=1 Fi (xi ) ∀ (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn , Fi i-te Rand-VF. Beispiel 4.1 (Fortsetzung) Die Ausfallzeitpunkte der n Teilsysteme seien unabhängig , identisch Exp(λ)-verteilt . Dann besitzt der Ausfallzeitpunkt X des Gesamtsystems die folgende Dichte : a) Parallelschaltung , d.h. X = max (X1 , . . . , Xn ) : F (x) = P (X ≤ x) = P (X1 ≤ x, . . . , Xn ≤ x) ( n Y (1 − e−λx )n , x > 0 , P (Xi ≤ x) = = 0, sonst . i=1 Ableitung : F ′ (x) = ( nλ e−λx (1 − e−λx )n−1 , x > 0 , 0, x < 0, d.h. X ist absolut-stetig verteilt mit Dichte f der Form : f (x) = nλ e−λx (1 − e−λx )n−1 I(0,∞) (x) ; Erwarteter Ausfallzeitpunkt (über partielle Integration ) : EX = Z 0 n ∞ x nλ e−λx (1 − e−λx )n−1 dx = 1X1 ; λ k=1 k b) Serienschaltung , d.h. X = min (X1 , . . . , Xn ) : F (x) = P ( = n ∪ {Xi ≤ x} = 1 − P n ∩ {Xi > x} i=1 i=1 1 − (e 0, −λx n ) =1−e −nλx , x > 0, sonst . Also ist X = min (X1 , . . . , Xn ) Exp(nλ)-verteilt mit Dichte f (x) = nλ e−nλx I(0,∞) (x) . Erwarteter Ausfallzeitpunkt : EX = 1 . nλ 41 Bemerkung 4.4. Das obige Beispiel zeigt, dass das Minimum von n unabhängig , identisch verteilten (i.i.d.) ZV. mit einer Exp(λ)-Verteilung eine Exp(nλ)-Verteilung besitzt . Es gilt sogar allgemeiner : Xi unabhängig, Exp(λi )-verteilt (i = 1, 2, . . . , n) =⇒ X = min (X1 , . . . , Xn ) ist Exp(λ1 + · · · + λn )-verteilt . Eine weitere, sogar charakteristische, Eigenschaft der Exp(λ)-Verteilung ist deren Gedächtnislosigkeit“ (bzw. Nichtalterungseigenschaft“). Ein diskretes Analogon zur ” ” Exponentialverteilung bildet hierbei noch die geometrische Verteilung. Satz 4.2. a) X sei absolut-stetig verteilt auf (Ω, A, P ) mit P (X > 0) = 1 und Dichte f (x) = λe−λx I(0,∞) (x) (λ > 0, fest ) . =⇒ P (X ≥ x + y | X ≥ x) = P (X ≥ y) ∀ x, y ≥ 0 ; b) X sei diskret verteilt auf (Ω, A, P ) mit P (X ∈ N0 ) = 1 und Dichte p(i) = pq i , i ∈ N0 (0 < p < 1, q = 1 − p, fest ) =⇒ P (X = i + j | X ≥ i) = P (X = j) ∀ i, j ∈ N0 . Bemerkung 4.5. a) Falls X absolut-stetig verteilt ist mit P (X > 0) = 1 , so gilt auch die Umkehrung in Satz 4.2 a) : Charakterisierung der Exponentialverteilung ; b) Falls X diskret verteilt ist mit P (X ∈ N0 ) = 1 und P (X = 0) =: p < 1 , so gilt auch die Umkehrung in Satz 4.2 b): Charakterisierung der geometrischen Verteilung . Die Unabhängigkeit von Zufallsvariablen bleibt unter ( messbaren“) Transformationen ” erhalten : Satz 4.3. Seien X1 , . . . , Xn unabhängige, reelle ZV. auf (Ω, A, P ) und h1 , . . . , hn 1 messbare“ reelle Funktionen , d.h. h−1 ∀ B ∈ B1 , i = 1, . . . , n . Dann i (B) ∈ B ” gilt : Y1 := h1 (X1 ), . . . , Yn := hn (Xn ) sind unabhängige, reelle ZV. Beispiel 4.4. (X1 , . . . , Xn ) unabhängige, reelle ZV. =⇒ X1k , . . . , Xnk unabhängige, reelle ZV. (k ∈ N, fest) ; b) sX1 , . . . , sXn unabhängige, reelle ZV. (s > 0, fest) ; unabhängige, reelle ZV. (t ∈ R, fest) . a) c) etX1 , . . . , etXn 42 Das Zufallsgeschehen eines (n-dimensionalen) Zufallsvektors unter einer n-dimensionalen Transformation verändert sich wie folgt : Seien X = (X1 , . . . , Xn ) eine n-dimensionale ZV. auf (Ω, A, P ) und h : Rn → Rn messbar“, d.h. h−1 (B) ∈ Bn ∀ B ∈ Bn , wobei Bn = kleinste σ-Algebra in Rn , ” die alle n-dimensionalen Intervalle umfasst . Frage : Wie sieht die (gemeinsame) Verteilung aus von Y = h(X) = h1 (X1 , . . . , Xn ), . . . , hn (X1 , . . . , Xn ) ? Antwort : a) Seien X1 , . . . , Xn diskret verteilt ∀ i = 1, . . . , n =⇒ X = (X1 , . . . , Xn ) ist diskret verteilt und es genügt, die Wahrscheinlichkeitsdichte zu bestimmen : P (Y1 = y1 . . . , Yn = yn ) = P (h1 (X) = y1 , . . . , hn (X) = yn ) = P y = (y1 , . . . , yn ) ∈ h(X ) , X ” n ∩ {X ∈ h−1 ({y })} , i i i=1 Träger“ von PX , d.h. PX (X ) = P (X ∈ X ) = 1 . Beispiel 4.5. a) X = (X1 , X2 ) besitze folgende gemeinsame Verteilung : pX (0, 1) = 1 1 1 , pX (0, 3) = , pX (1, 2) = . 3 6 2 Was ist die gemeinsame Verteilung von Y1 = X1 + X2 , Y2 = X1 − X2 ? Lösung : (0, 1) 7→ (1, −1) , (0, 3) 7→ (3, −3) , (1, 2) 7→ (3, −1) pY (1, −1) = =⇒ 1 1 1 , pY (3, −3) = , pY (1, 2) = . 3 6 2 b) Sei (X1 , . . . , Xn ) absolut-stetig verteilt mit (gemeinsamer) Dichte f = f (x1 , . . . , xn ) . Dann gilt der folgende Transformationssatz : 43 Satz 4.4. X = (X1 , . . . , Xn ) sei absolut-stetig verteilt auf (Ω, A, P ) mit Dichte f = f (x1 , . . . , xn ) , x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn . Ferner gelte : (i) h : Rn → Rn ist injektiv mit Umkehrabbildung u : W → Rn , wobei W := h(Rn ) offen ; (ii) h ist ein Diffeomorphismus , d.h. h und u besitzen stetige partielle Ableitungen. Bezeichne J = J(y) die Jacobi-Matrix der Umkehrabbilung u , also ∂u1 ∂u1 · · · ∂yn ∂y. 1 .. .. J(y) = . , y ∈ W . ∂un n · · · ∂u ∂y1 ∂yn Dann ist Y = (Y1 , . . . , Yn ) = h(X) absolut-stetig verteilt mit (gemeinsamer ) Dichte ( |detJ(y)| f (u1 (y), . . . , un (y)) , y ∈ W , g(y) = g(y1 , . . . , yn ) = 0, sonst . Beispiel 4.6. X = (X1 , X2 ) sei absolut-stetig verteilt mit gemeinsamer Dichte f = f (x1 , x2 ) und Randdichten f1 = f1 (x1 ) , f2 = f2 (x2 ) . Man bestimme die gemeinsame Verteilung von Y1 = X1 + X2 , Y2 = X2 : Umkehrabbildung : X1 = Y1 − Y2 , X2 = Y2 , also u1 (y) = y1 − y2 , u2 (y) = y2 , y = (y1 , y2 ) ∈ R2 ; h, u bijektiv , stetig partiell differenzierbar ; ! 1 −1 | det J(Y )| = det = 1 , y ∈ R2 0 1 =⇒ Dichte : g(y1 , y2 ) = f (y1 − y2 , y2 ) , (y1 , y2 ) ∈ R2 . Als Dichte der Randverteilung von Y1 = X1 + X2 erhält man sofort : Z ∞ f (y1 − y2 , y2 ) dy2 , y1 ∈ R1 . g1 (y1 ) = −∞ Sind X1 , X2 sogar unabhängig , etwa f (x1 , x2 ) = f1 (x1 )f2 (x2 ) , (x1 , x2 ) ∈ R2 , so ergibt sich speziell : Z ∞ g1 (y1 ) = f1 (y1 − y2 )f2 (y2 ) dy2 . −∞ 44 Z.B. : X1 , X2 i.i.d. , Exp(λ)- verteilt Dichte von X1 − X2 : g̃1 (y1 ) = λ 2 =⇒ e−λ | y1 | , y1 ∈ R1 (Laplace-Verteilung ; Bezeichnung : D(λ)-Verteilung ) . Definition 4.4. X1 , . . . , Xn seien unabhängige, reelle ZV. auf (Ω, A, P ) . Die Verteilung PX1 +···+Xn der Summe X1 + · · · + Xn heißt Faltung von PX1 , . . . , PXn , geschrieben PX1 ∗ · · · ∗ PXn . Bemerkung 4.6. Die Herleitung in Beispiel 4.6 zeigt , dass die Faltung zweier unabhängiger, absolut-stetig verteilter ZV. X und Y mit Dichten f = f (x) und g = g(y) die folgende Dichte besitzt (Dichte von Z = X + Y ) : Z ∞ Z ∞ g(z − x)f (x) dx , z ∈ R1 . f (z − y)g(y) dy = h(z) = −∞ −∞ Beispiel 4.7. ( n -dimensionale Normalverteilung ) Die Funktion f : Rn → R1 mit f (x1 , . . . , xn ) := 1 2 2 e−(x1 +···+xn )/2 n/2 (2π) ist W-Dichte einer n-dimensionalen ZV. X = (X1 , . . . , Xn ) , denn f1 : R1 → R1 mit 1 2 f1 (x1 ) = √ e−x1 /2 , 2π x1 ∈ R1 , ist Dichte der N (0, 1)-Verteilung (vgl. Beispiel 2.5), d.h. f (x1 , . . . , xn ) = n Y (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn , f1 (xi ) , i=1 ist (gemeinsame ) Dichte von n i.i.d., N (0, 1)-verteilten ZV. X1 , . . . , Xn . Frage : Wie sieht die Dichte von Y = BX + a aus (a ∈ Rn , B ∈ Rn×n regulär) ? Antwort : y = h(x) = Bx + a ist injektiv , da B regulär , W = h(Rn ) = Rn offen ; x = u(y) = B −1 (y − a) , y ∈ Rn ; | det J| = | det B −1 | = 1/| det B| ; Setzt man Σ := BB ⊤ , so gilt : x21 + · · · + x2n = x⊤ x = (y − a)⊤ (B −1 )⊤ B −1 (y − a) = (y − a)⊤ Σ−1 (y − a) , | det B| = | det Σ|1/2 , also Dichte von Y : g(y) = 1 (2π)n/2 | det Σ|1/2 1 e− 2 (y−a) 45 ⊤ Σ−1 (y−a) , y ∈ Rn . Definition 4.5. Ein Zufallsvektor Y mit obiger Dichte g heißt (n -dimensional ) normalverteilt mit Parametern“ a, Σ ; Schreibweise : PY = N (a, Σ) . ” Erwartungswerte (von reellen Transformationen mehrerer ZV.) X = (X1 , . . . , Xn ) sei eine n-dimensionale ZV. auf (Ω, A, P ) und h : Rn → R1 sei messbar“, d.h. h−1 (B) ∈ Bn ∀ B ∈ B1 . ” Satz 4.5. Sei X diskret verteilt mit Dichte p(x1 , . . . , xn ) oder absolut-stetig verteilt mit Dichte f (x1 , . . . , xn ) . Dann gilt : X X ... h(x1 , . . . , xn ) p(x1 , . . . , xn ) , X diskret , x x n 1 Z ∞ Z ∞ Eh(X) = h(x1 , . . . , xn ) f (x1 , . . . , xn ) dx1 . . . dxn , X absolut-stetig , ... −∞ −∞ falls die n-fache Summe bzw. das n-dimensionale Integral absolut konvergieren . Erwartungswerte (von Produkten unabhängiger ZV.) Satz 4.6. X, Y seien unabhängige, reelle ZV. auf (Ω, A, P ) mit existierenden EW. EX, EY . Dann gilt : E(XY ) existiert und E(XY ) = EX · EY . Varianzen, Kovarianzen Seien X, Y reelle ZV. auf (Ω, A, P ) mit E(X 2 ) < ∞ , E(Y 2 ) < ∞ . Dann gilt : V ar(X + Y ) existiert und V ar(X + Y ) = V ar(X) + V ar(Y ) + 2 E(X − EX)(Y − EY ) . Definition 4.6. Seien X, Y reelle ZV. auf (Ω, A, P ) mit existierenden zweiten Momenten . Dann heißt Cov(X, Y ) := E(X − EX)(Y − EY ) die Kovarianz von X und Y . Falls Cov(X, Y ) = 0 , so heißen X und Y unkorreliert . Bemerkung 4.7. a) V ar(X + Y ) = V ar(X) + V ar(Y ) + 2 Cov(X, Y ) ; 46 Allgemein : V ar n X i=1 n XX X Xi = V ar(Xi ) + 2 Cov(Xi , Xj ) , i=1 i<j falls alle zweiten Momente existieren . b) X, Y unabhängig mit existierenden zweiten Momenten =⇒ Cov(X, Y ) = 0 , also X, Y unkorreliert ; Allgemein : X1 , . . . , Xn unabhängig mit existierenden zweiten Momenten n n X X =⇒ V ar Xi = V ar(Xi ) ; i=1 c) i=1 Rechenregeln : X, Y, Z reelle ZV. mit existierenden zweiten Momenten ; a, b, c ∈ R1 =⇒ 1) Cov(X, Y ) = Cov(Y, X) , Cov(X, X) = V ar(X) ; 2) Cov(aX, bY ) = ab Cov(X, Y ) ; 3) Cov(X, Y + Z) = Cov(X, Y ) + Cov(X, Z) , speziell : Cov(X, Y + c) = Cov(X, Y ) ; 4) Cov(X, Y ) = E(XY ) − (EX)(EY ) Beispiel 4.8. ” Verschiebungssatz“. n aus N = R + S Kugeln gezogen : X = Anzahl gezogener roter Kugeln“ ; V ar(X) = ? ” a) Ziehen mit Zurücklegen : ( 1 , im i-ten Zug rot“ , ” Seien Xi = 0 , sonst ; =⇒ =⇒ X1 , . . . , Xn i.i.d., B(1, p)-verteilt (p = V ar(X) = V ar n X i=1 R ) N Xi = n V ar(X1 ) = np(1 − p) . b) Ziehen ohne Zurücklegen : Xi wie in a), aber abhängig ; V ar(X) = V ar n X i=1 Xi = n X V ar(Xi ) + i=1 X Cov(Xi , Xj ) . i6=j Hier : EXi = p , V ar(Xi ) = p(1 − p) (wie in a)), aber i6=j EXi Xj = 1 · P (Xi = 1) + 0 = R(R−1) N (N −1) 47 =⇒ Cov(Xi , Xj ) V ar(X) i6=j = R(R−1) N (N −1) = −R) R N −R − n(n − 1) NR(N nN 2 (N −1) N R R . . . = nN , 1− N 1 − Nn−1 −1 = − R 2 N −R) = − NR(N 2 (N −1) und d.h. kleinere Varianz beim Ziehen ohne Zurücklegen . Für Abschätzungen von Momenten ist die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung von großer Bedeutung : Satz 4.7. Seien X, Y reelle ZV. auf (Ω, A, P ) mit existierenden zweiten Momenten . Dann gilt : a) {E(XY )}2 b) ≤ E(X 2 ) E(Y 2 ) ; =“ gilt genau dann , wenn a, b ∈ R existieren mit a2 + b2 > 0 und ” P (aX + bY = 0) = 1 , d.h. , wenn X und Y mit Wahrscheinlichkeit 1 linear abhängig sind . 1 Beispiel 4.9. Sei P (X = xi , Y = yi ) = (i = 1, . . . , n) n n n n 2 1X 2 1X 2 1X 2 2 2 xi yi , EX = x , EY = y =⇒ {E(XY )} = n i=1 n i=1 i n i=1 i n n n X X 2 X 2 yi2 (vgl. Lineare Algebra ) . xi xi yi ≤ =⇒ i=1 i=1 i=1 Bemerkung 4.8. a) Mit zentrierten ZV. X ′ = X − EX, Y ′ = Y − EY : p p V ar(X) V ar(Y ) ; |Cov(X, Y )| ≤ Y − EY X − EX b) Für standardisierte ZV. X ∗ = p , Y∗ = p : V ar(X) V ar(Y ) |Cov(X ∗ , Y ∗ )| ≤ 1 . Definition 4.7. Seien X, Y reelle ZV. auf (Ω, A, P ) mit existierenden , positiven Varianzen . Dann heißt Cov(X, Y ) Korr(X, Y ) := ρ(X, Y ) := p = Cov(X ∗ , Y ∗ ) V ar(X) V ar(Y ) der Korrelationskoeffizient von X und Y . 48 Bemerkung 4.9. ρ(X, Y ) ist ein Maß für die lineare Abhängigkeit“ zwischen X ” und Y . Nach Satz 4.7 und Bemerkung 4.8 gilt |ρ(X, Y )| ≤ 1 und =“ genau ” dann , wenn X und Y mit Wahrscheinlichkeit 1 linear abhängig sind . Bedingte Verteilungen und bedingter Erwartungswert unter {Y = y} , falls Y absolut-stetig verteilt ist Man beachte : P (Y = y) = 0 , also eine Definition wie in Definition 3.2 ist nicht möglich ! Ansatz : Sei (X, Y ) absolut-stetig verteilt mit gemeinsamer Dichte f = f (x, y) und Randdichten f1 = f1 (x) , f2 = f2 (y) . Dann gilt : P (X ∈ [x, x + ∆x] | Y ∈ [y, y + ∆y]) = ∆x,∆y klein ≈ P (X ∈ [x, x + ∆x], Y ∈ [y, y + ∆y] P (Y ∈ [y, y + ∆y]) f (x, y) f (x, y) ∆x∆y = ∆x =: fX | Y =y (x) ∆x . f2 (y) ∆y f2 (y) Ferner : fX | Y =y (x) definiert bei festem y mit f2 (y) > 0 eine W-Dichte , denn es gilt : fX | Y =y (x) ≥ 0 ∀ x und Z ∞ Z ∞ 1 fX | Y =y (x) dx = f (x, y) dx = 1 . f2 (y) −∞ −∞ Definition 4.8. Sei (X, Y ) absolut-stetig verteilte ZV. auf (Ω, A, P ) mit gemeinsamer Dichte fX,Y = fX,Y (x, y) und Randdichten fX = fX (x) , fY = fY (y) . a) Dann heißt fX,Y (x, y) , falls f (y) > 0 , Y fY (y) fX | Y =y (x) := 0, sonst , bedingte Dichte von X unter Y = y . b) Existiert der EW. Eh(X, Y ) einer reellwertigen ZV. h(X, Y ) , so heißt Z ∞ E[h(X, Y ) | Y = y] := h(x, y) fX | Y =y (x) dx −∞ bedingter EW. von h(X, Y ) unter Y = y . 49 Wie im diskreten Fall , d.h., wenn P (Y = y) > 0 , so gilt auch hier der Satz vom iterierten Erwartungswert : Satz 4.8. Sei (X, Y ) absolut-stetig verteilte ZV. auf (Ω, A, P ) mit Dichte f = f (x, y) und Randdichten fX = fX (x) , fY = fY (y) . Existiert der EW. E h(X, Y ) einer reellwertigen ZV. h(X, Y ) , so folgt : Z ∞ E h(X, Y ) = E[h(X, Y ) | Y = y] fY (y) dy . −∞ Unter Unabhängigkeit der ZV. X und Y ergibt sich speziell : Satz 4.9. Unter den Voraussetzungen von Satz 4.8 gelte zusätzlich , dass X und Y unabhängig sind , d.h. (o.E. ) , dass f (x, y) = fX (x)fY (y) ∀ x, y . Dann folgt : a) fX | Y =y (x) = fX (x) ∀ y; b) E[h(X, Y ) | Y = y] = E[h(X, y)] Beispiel 4.10. ∀ y. Laplace-Verteilung D(λ) a) X besitze eine Exp(λ)-Verteilung, U eine R(0, 1)-Verteilung und X, Y unabhängig. Setzt man ( X , falls 0 < U ≤ 21 , Z= −X , falls 12 < U < 1 , seien so hat Z die Dichte f (z) = λ −λ | z | e , z ∈ R; 2 b) X, Y seien i.i.d. Exp(λ) -verteilt =⇒ Z := X − Y ist D(λ)-verteilt . Bemerkung 4.10. Als Spezialfall von Satz 4.8 ergibt sich die Formel von der totalen Wahrscheinlichkeit : Z P (X ∈ B) = P (X ∈ B | Y = y) fY (y) dy . 50