bichat-leitlinien* zur klinischen behandlung von durch

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BICHAT-LEITLINIEN* ZUR KLINISCHEN BEHANDLUNG VON DURCH BIOTERRORISMUS
VERURSACHTER VIRUS-ENZEPHALITIS
P. Bossi, A. Tegnell, A. Baka, F. Van Loock, J. Hendriks, A. Werner, H. Maidhof, G. Gouvras
„Task Force on Biological and Chemical Agent Threats“, Direktion Öffentliche Gesundheit, Europäische Kommission,
Luxemburg
Korrespondenzautor: P. Bossi, Hôpital de la Pitié-Salpêtrière, Paris, Frankreich, E-Mail: [email protected]
Die meisten der Enzephalitis verursachenden Viren
stammen von Arthropoden, mit Ausnahme der Arenaviren,
die durch Nager übertragen werden. Trotz der spärlichen
Informationen gibt es Hinweise darauf, dass die meisten
dieser mit Enzephalitis in Zusammenhang stehenden Viren
bei einem Bioterrorismus-Angriff in aerosolisierter Form
verwendet werden könnten. Mancherorts ist man der
Ansicht, dass die Viren vom Blut über die Riechbahn ins
ZNS übertragen werden. Ein anderer möglicher
Kontaminationsweg ist die Übertragung durch einen
Vektor, wie z. B. infizierte Stechmücken oder Zecken. Am
wahrscheinlichsten ist, dass für Kampfstoffe Alphaviren
verwendet werden. Der klinische Verlauf der von diesen
Viren verursachten Erkrankungen ist im Allgemeinen nicht
spezifisch, an Hand eines geeigneten diagnostischen
Hilfsmittels ist jedoch eine Differenzierung möglich. Zur
Behandlung dieser Erkrankungen gibt es keine wirksame
medikamentöse Therapie; sie werden vor allem
unterstützend behandelt; zum Schutz gegen einige dieser
Viren kann jedoch geimpft werden.
Einleitung
Die meisten der Viren, die als bioterroristische Wirkstoffe in
Frage kommen und Enzephalitis verursachen, stammen von
Arthropoden, mit Ausnahme der Arenaviren, die durch Nager
übertragen werden (Tabelle 1). Alle bekannten von
Arthropoden stammenden Viren, die Enzephalitis verursachen
können, spielen auch eine Rolle bei der Entstehung von
Zoonosen und halten sich in komplexen Lebenszyklen, an
denen als Wirt ein niederes Wirbeltier und als Vektor ein
niederer Arthropode beteiligt sind. Menschen und Haustiere
können klinisch erkranken, sind jedoch im Allgemeinen
„Sackgassenwirte“, da sie keine als Beitrag zum
Übertragungszyklus ausreichende Virämie entwickeln. Viele
Arboviren, die Enzephalitis verursachen, finden sich bei einer
ganzen Reihe von Wirbeltierwirten, und von manchen ist
bekannt, dass sie von mehr als einem Vektor übertragen
werden. Ihre jeweilige(n) wissenschaftliche Vorgeschichte,
geographische Verteilung, Virologie, Epidemiologie, Vektoren,
Wirbeltierwirte,
Übertragung,
Pathogenese,
klinischen
Symptome, Bekämpfung, Behandlung und Labordiagnose
unterscheiden sich stark und erfordern deshalb getrennte
Beschreibungen.
Der klinische Verlauf der durch diese Viren verursachten
Erkrankungen ist im Allgemeinen nicht spezifisch, mit Hilfe
guter und geeigneter Verfahren zur Labordiagnose ist jedoch
eine Differenzierung möglich. Bei vielen dieser Erkrankungen
verlaufen die meisten Infektionen beim Menschen
asymptomatisch oder führen möglicherweise zu einem
unspezifischen grippeähnlichen Syndrom (Tabelle 2). Die
Symptome können langsam-progredient oder plötzlich mit
Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Unwohlsein und
gelegentlich mit extremer Erschöpfung einsetzen. Die Infektion
kann allerdings zur Enzephalitis mit tödlichem Verlauf oder
bleibenden neurologischen Schäden führen. Im Experiment
wurde nachgewiesen, dass dem Eindringen des Virus ins
zentrale Nervensystem (ZNS) im Allgemeinen eine erste
Virusvermehrung an verschiedenen peripheren Stellen und eine
Virämiephase
vorausgehen.
Zur
Behandlung
dieser
Erkrankungen gibt es keine wirksame medikamentöse Therapie,
sie werden vor allem unterstützend behandelt; zum Schutz
gegen einige dieser Vieren kann geimpft werden.
Enzephalitis-Viren und Bioterrorismus
Zwar liegen kaum Daten vor, doch viele Autoren sind der
Ansicht, dass die meisten dieser mit Enzephalitis in
Zusammenhang stehenden Viren bei einem BioterrorismusAngriff in aerosolisierter Form verwendet werden könnten
(Tabellen 3 und 4). Mancherorts vertritt man die Auffassung,
dass die Viren vom Blut über die Riechbahn ins ZNS übertragen
werden. Ein anderer möglicher Kontaminationsweg ist die
Übertragung durch einen Vektor, wie z. B. infizierte
Stechmücken oder Zecken. Die Verwendung von Alphaviren,
vor allem der Pferdeenzephalitis-Viren, zur Herstellung von
Kampfstoffen wäre am leichtesten. Wir haben uns entschieden,
die Viren, die für biologische Kampfstoffe in Frage kommen,
nach Familien zu beschreiben.
Togaviridae
Bei den Erregern der Östlichen Pferdeenzephalitis (EEE), der
Westlichen Pferdeenzephalitis (WEE) und der Venezolanischen
Pferdeenzephalitis (VEE) handelt es sich um Alphaviren, die bei
Menschen wie bei Pferden Enzephalitis verursachen können.
Alle diese Viren werden durch Stechmückenbisse auf den
Menschen übertragen. Wichtig ist, dass alle diese Viren über
Aerosole übertragbar sind, wie bereits bei Laborunfällen
geschehen. Diese hoch infektiösen Partikel haben zu mehr im
Labor erworbenen Erkrankungen geführt als jedes andere
Arbovirus [1]. Diese Viren würden sich aus folgenden Gründen
gut zur Herstellung von Kampfstoffen eignen: Sie vermehren
sich zu sehr hohen Titern, sie können in einfachen Systemen
leicht manipuliert werden, da sie relativ stabil und durch
Aerosolisierung hoch infektiös für den Menschen sind; es gibt
Stämme, die beim Menschen zu Infektionen führen, die ihn
handlungsunfähig machen oder tödlich verlaufen; es gibt viele
Serotypen, was die Herstellung geeigneter Impfstoffe erschwert
[1]. Bei einigen Viren ist die zur Infektion ausreichende Dosis
bei Inhalation extrem niedrig (eine plaquebildende Einheit bei
VEE, nach historischen Militärangaben), sie ist jedoch für die
einzelnen Viren nicht bekannt. Manche Autoren gehen auch
davon aus, dass diese Viren leicht genetisch modifiziert werden
Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 – http://www.eurosurveillance.org/
1
könnten [1]. Diese Viren führen zwar zu ähnlichen klinischen
Syndromen, die Folgen und die Entwicklung der damit
zusammenhängenden einzelnen Erkrankungen unterscheiden
sich jedoch. Über eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist
nichts bekannt, wenngleich sie theoretisch möglich wäre (z. B.
VEE über den Nasen-Rachen-Raum).
Östliche Pferdeenzephalitis (EEE)
Das EEE-Virus wurde erstmals in den 30er Jahren
nachgewiesen und tritt derzeit in einzelnen Herden entlang der
Ostküste, der Golfküste und an einigen landesinneren Orten im
Mittleren Westen der USA auf. In den USA kamen kleine
Ausbrüche der Erkrankung beim Menschen vor, beim Pferd
dagegen sind Epizootien während des Sommers und des
Herbstes an der Tagesordnung. Als natürliches Reservoir des
Virus dienen in Sümpfen lebende Vögel. Unter den Vögeln
wird die Krankheit durch die Stechmücke Culiseta melaneura
und auf Pferde und den Menschen durch Spezies des Genus
Aedes übertragen. Normalerweise geht den beim Menschen
auftretenden Fällen ein Ausbruch bei Pferden voraus.
Die Inkubationszeit beträgt 4 bis 15 Tage nach dem Biss einer
infizierten Stechmücke. Die Symptome reichen von leichter
grippeähnlicher Krankheit bis zur Enzephalitis, zum Koma und
zum Tod. Die Symptomatik beginnt mit plötzlich einsetzendem
hohen Fieber, Schüttelfrost, Erbrechen, allgemeinen
Muskelschmerzen und zunehmend starken Kopfschmerzen.
Das Fieber kann bis zu 11 Tage anhalten, bevor die
neurologische Erkrankung einsetzt. Bei Kindern tritt häufig ein
gesichts- oder periorbitales Ödem auf. Danach stellen sich
schwere Symptome ein wie z. B. Verwirrung, Benommenheit,
Delirium,
Stupor,
Orientierungslosigkeit,
Dysphasie,
motorische Schwäche, Ataxie, Myoklonus und Paralyse des
Kopfnervs, Krampfanfälle und Koma und schließlich der Tod.
Schätzungen zufolge entwickelte einer von 23 infizierten
Patienten neurologische Symptome, wie z. B. Enzephalitis [2].
Trotz der Entwicklung einer raschen und neutralisierenden
humoralen Reaktion wird das Virus nicht aus dem ZNS getilgt,
und die progressive Neuronenzerstörung und Entzündung
schreitet fort [1]. Die EEE ist die schwerste der arboviralen
Enzephalitiden mit 50 bis 70 % Todesfällen, vor allem bei
Kleinkindern und älteren Menschen. Bei Überlebenden treten
häufig neurologische Schäden auf, die eine ständige stationäre
Pflege erfordern (Krampfanfälle, spastische Lähmung und
Schädelneuropathien).
Über
die
Mortalitätsund
Morbiditätsraten auf Grund von Aerosolisierung des EEEVirus liegen keine Erkenntnisse vor.
Bei Laboruntersuchungen wurden erhöhte ASAT-Werte,
Lymphopenie und eine frühe Leukopenie, gefolgt von einer
Leukozytose festgestellt. Häufig wird in der GehirnRückenmarks-Flüssigkeit eine lymphozytische Pleozytose
nachgewiesen. Die Isolation des Virus (Rachen, Serum,
Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit), Blutuntersuchungen und
PCR können zur endgültigen Diagnose beitragen.
Es gibt keine spezifische Behandlung. Zwar sind Antiseren
erhältlich, sie nützen jedoch wenig, wenn die Enzephalitis
bereits eingesetzt hat. Für den Menschen gibt es keinen
zugelassenen Impfstoff. Es ist zwar ein Prüfpräparat
vorhanden, dieses löst jedoch kaum eine Immunantwort aus.
Um einen signifikanten Schutz zu erzielen, müssen mehrfache
Immunisierungen durchgeführt werden.
Westliche Pferdeenzephalitis (WEE)
Die WEE wurde erstmals 1930 in Kalifornien aus dem Gehirn
eines mit Enzephalitis infizierten Pferdes isoliert und ist nach
wie vor eine wichtige Ursache für Enzephalitis bei Pferden und
Menschen in Nordamerika, vor allem in den westlichen Teilen
der USA und Kanadas. Die Seroprävalenzrate bei Menschen,
2
die in oder nahe an endemischen WEE-Gebieten leben, beträgt
etwa 100 % [1]. Dies weist darauf hin, dass die meisten Fälle
beim Menschen asymptomatisch verlaufen. Beim Menschen
treten Fälle dieser Erkrankung normalerweise im Juni oder Juli
auf. Wie bereits erwähnt, verlaufen diese durch Stechmücken
übertragenen Infektionen asymptomatisch oder als leichte,
unspezifische Krankheit. Die Inkubationszeit beträgt 5 bis
10 Tage. Die WEE ist weniger neuroinvasiv als die EEE,
Anzeichen und Symptome sind jedoch die gleichen wie die bei
der EEE festgestellten.
Bei Patienten mit klinisch erkennbarer Krankheit treten
normalerweise
plötzliches
Fieber,
Unwohlsein
und
Kopfschmerzen auf, gefolgt von Schwindel, Erbrechen und
Appetitlosigkeit. Danach verstärken sich die Symptome und es
treten Veränderungen der geistigen Verfassung, Benommenheit,
Schwäche, Meningismus und Delirium auf, die bis zum Koma
fortschreiten können. Kinder (vor allem Kinder unter
12 Monaten) sind stärker betroffen als Erwachsene und können
bleibende Schäden davontragen, wie es bei 5 bis 30 % der
jungen Patienten der Fall ist. Der Anteil an Enzephalitis-Fällen
je Infektion wurde auf 1/1.150 bei Erwachsenen, 1/58 bei
Kindern und 1/1 bei Säuglingen geschätzt [3]. Die
Mortalitätsrate liegt bei insgesamt etwa 3 %. Eine völlige
Genesung kann Monate bis Jahre dauern. Laboruntersuchungen
ergeben die gleichen Befunde wie bei der EEE. Virusisolation
oder Blutuntersuchungen führen zur endgültigen Diagnose. Wie
bei der EEE gibt es auch hier keine spezifische Behandlung. Ein
Impfstoff ist als Prüfpräparat vorhanden, er löst jedoch kaum
eine Immunantwort aus. Für den Menschen gibt es keinen
zugelassenen Impfstoff.
Venezolanische Pferdeenzephalitis (VEE)
Die VEE ist ein großes Problem für die Gesundheit von Mensch
und Tier in Zentral- und Südamerika. Gelegentlich können
große regionale Epizootien und Epidemien auftreten, bei denen
tausende Pferde und Menschen infiziert werden. Aus
historischen Militärangaben geht hervor, dass das Virus von den
USA, dem Vereinigten Königreich und der Sowjetunion
eingehend auf seine Eignung als Kampfstoff untersucht wurde.
Es kann in einer ziemlich wirksamen Form aerosolisiert werden;
dabei werden 100 % der exponierten Menschen so infiziert, dass
sie die gleichen klinischen Symptome aufweisen wie bei der
natürlichen Infektion.
In der Natur können Stechmücken viele verschiedene Stämme
der VEE auf den Menschen übertragen und somit zur
Erkrankung beitragen. Eine große Epizootie, die 1969 in
Südamerika begann, erreichte Texas 1971; dabei verendeten
200 000 Pferde, und mehrere Tausend Menschen wurden
infiziert. Im Herbst 1995 brach in Venezuela und Kolumbien
eine VEE-Epidemie aus, bei der schätzungsweise
90 000 Menschen infiziert wurden. Die Infektion beim
Menschen ist nicht so stark wie bei EEE und WEE, und sie führt
selten zum Tod.
Die Inkubationszeit beträgt 28 Stunden bis 6 Tage [1]. Die
Patienten klagen normalerweise über ständige und häufig
schwächende Kopfschmerzen, die bis zu sechs Monaten
andauern können. Außerdem können hohes Fieber, Lichtscheu,
Myalgie,
Halsschmerzen,
erythematöser
Rachen,
Konjunktivalinjektion, Erbrechen, Durchfall und Unwohlsein
auftreten, was sich darstellt wie eine grippeähnliche Krankheit.
Das Auftreten von Enzephalitis beschränkt sich normalerweise
auf Kinder: Schätzungsweise entwickeln weniger als 0,5 % der
Erwachsenen, aber 4 % der Kinder eine Enzephalitis [4]. Zu den
möglichen Symptomen zählen Lethargie, Benommenheit,
Verwirrung, Krampfanfälle, Ataxie, Lähmung und Koma.
Üblicherweise genesen die Patienten neurologisch vollständig in
etwa ein bis zwei Wochen. Die Laborbefunde entsprechen
Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 –http://www.eurosurveillance.org/
denen bei EEE und WEE. In den ersten drei Tagen kann das
VEE-Virus entweder aus dem Serum oder dem
Nasenrachenraum isoliert werden. Behandelt wird nur
symptomatisch. Eine spezifische Diagnose kann durch
verschiedene Blutuntersuchungen vorgenommen werden.
Für Pferde sind wirksame VEE-Virus-Impfstoffe vorhanden.
Für den Menschen gibt es einen abgeschwächten LebendImpfstoff (TC-83 und C-84) sowie einen Tot-Impfstoff (C-84)
– jedoch haben beide zahlreiche Nebenwirkungen [1]. Im Fall
einer absichtlichen Freisetzung von aerosolisierten VEE-Viren
würde nur der abgeschwächte Lebend-Impfstoff nützen (1).
Flaviviridae
Die Ausbrüche der West-Nile-Enzephalitis in den USA und
Israel in jüngerer Zeit machen auf die mögliche Gefahr
aufmerksam, die von der durch kleine umhüllte RNA-Viren
(Mitglieder der Familie Flaviviridae, Genus Flaviviren)
verursachten Arbovirus-Enzephalitis ausgehen [5].
Zu dieser Familie gehören viele Viren, die mit Enzephalitis in
Zusammenhang stehen. Das Virus der Japanischen Enzephalitis
(JE) ist nach wie vor das am weitesten verbreitete Virus dieser
Familie, das jährlich mit zahlreichen Fällen von Enzephalitis in
Zusammenhang steht. Über die Verwendung dieser Viren zur
Herstellung von Kampfstoffen gibt es nur hypothetische
Annahmen, dennoch ist sie theoretisch möglich. Zur
Behandlung oder Prophylaxe von Infektionen durch Mitglieder
der Flaviviridae gibt es keine spezifische antivirale Therapie,
dagegen ist ein zugelassener Humanimpfstoff gegen die JE
erhältlich [6].
Japanische Enzephalitis (JE)
Das JE-Virus ist in ganz Asien weit verbreitet, vor allem in
landwirtschaftlich genutzten Gebieten. Es handelt sich dabei
um den weltweit wichtigsten Verursacher der arboviralen
Enzephalitis, auf den jährlich 50 000 Erkrankungen und
15 000 Todesfälle zurückgehen [5].
In den letzten Jahren hat sich das JE-Virus geographisch weiter
ausgebreitet und zu bestätigten Ausbrüchen in den
Pazifikregionen geführt. In gemäßigten Klimazonen treten
Epidemien im Sommer und im Herbst auf, die Infektion ist
jedoch enzootisch und tritt in vielen tropischen Gebieten
Asiens während des ganzen Jahres auf. Das Virus hält sich in
einem Zyklus, zu dem Stechmücken und Wasservögel zählen,
die in ländlichen Regionen und Regionen mit Schweinehaltung
leben. Hausschweine sind die wichtigsten Vemehrungswirte
des JE-Virus, auf den Menschen übertragen wird es jedoch
durch Culex-Steckmücken.
Beim Menschen beträgt die Inkubationszeit 5 bis 14 Tage. Die
meisten Infektionen verlaufen asymptomatisch oder mit
leichten Symptomen. Eine schwerere Krankheit setzt
normalerweise abrupt ein mit Fieber, Schüttelfrost,
Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Die Symptome gehen
im Allgemeinen innerhalb von 5 bis 7 Tagen zurück, ohne dass
das ZNS betroffen ist. Bei akuter Enzephalitis kann es zu
Verwirrtheit, Unruhe, Lähmung, Krampfanfällen, Koma und
zum Tod kommen. Die Letalität beträgt bei den meisten
Ausbrüchen weniger als 10 %, ist jedoch bei Kindern höher
(bis zu 30 %). In bis zu 30 % der Fälle treten bei den genesenen
Patienten neurologische und psychiatrische Folgeschäden auf
[5]. Für diese Erkrankung gibt es keine spezifische
Behandlung.
In Japan, China, Korea, Taiwan und Thailand wird ein in
Mäusen hergestellter, mit Formalin inaktivierter Impfstoff
verwendet, der sich als wirksam erwiesen hat. In Europa ist
dieser Impfstoff in einigen Ländern für Personen erhältlich, die
planen, vier Wochen oder länger in ländliche Gebiete
endemischer Länder zu reisen.
West-Nile-Virus-Enzephalitis (WNV)
Das WNV wurde erstmals 1937 im West-Nil-Bezirk von
Uganda im Blut einer von Fieber befallenen Frau isoliert [7]. Es
ist hauptsächlich in Afrika, dem Mittleren Osten, Westasien und
Südeuropa verbreitet. Die ersten dokumentierten Epidemien
traten zwischen 1951 und 1954 sowie im Jahr 1957 in Israel auf.
Auch im Rhonedelta Frankreichs brach 1962 eine Epidemie aus,
ebenso 1996 in Rumänien; die größte dokumentierte Epidemie
fand jedoch 1974 in Südafrika statt.
Die jüngsten Ausbrüche der WNV-Enzephalitis in den USA
werfen wichtige Fragen über die Verbreitung, Bekämpfung und
Pathogenese dieses Virus auf. Darüber, wie dieses Virus in die
USA gelangte, gibt es viele Theorien: eingeführte exotische
Vögel, Containerschiffe, Stechmücken in Flugzeugen,
Flüchtlinge aus Europa oder Afrika, Bioterrorismus. Am
wahrscheinlichsten ist die Theorie, dass infizierte Vögel aus
Israel das Virus eingeschleppt haben [7-12]. Die WNVEnzephalitis wird vor allem durch Stechmücken der Spezies
Culex übertragen, kann jedoch auch durch Spezies wie Aedes,
Anopheles und andere übertragen werden. Die meisten mit
WNV infizierten Patienten weisen entweder keine Symptome
auf oder haben eine leichte grippeähnliche Erkrankung, die drei
bis vier Tage dauert. Bei manchen stellt sich eine tödliche
Enzephalitis oder Meningoenzephalitis ein [13]. Normalerweise
ist die Erkrankung bei älteren Patienten mit z. B. Bluthochdruck,
Diabetes Mellitus, ischämischer Herzkrankheit, Nierenversagen,
obstruktiver Lungenerkrankung, Malignom, Organtransplantation und allgemein geschwächter Immunabwehr (wie z. B.
durch Chemotherapie) in der Anamnese symptomatisch [14].
Die Inkubationszeit beträgt 3 bis 14 Tage. Als Symptome
können Fieber, Schüttelfrost, Erschöpfung, veränderte geistige
Verfassung, Kopfschmerzen, Schwäche, Exanthema, Schwindel,
Erbrechen, Myalgie, Lichtscheu, Bauchschmerzen, Durchfall
und Husten auftreten [14,15]. Zu den neurologischen
Symptomen
zählen
Meningitis,
Enzephalitis
und
Meningoenzephalitis [14,15].
Die Laborbefunde sind unspezifisch; dazu zählen können ein
leicht verminderter Natriumgehalt des Blutes, der
möglicherweise auf eine unangemessene Sekretion des
antidiuretischen Hormons zurückzuführen ist, leicht erhöhte
Werte für Leberenzyme sowie eine Leukozytenzahl im
Normbereich. Oft wird in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit
eine Lymphozytose festgestellt, mit der ein leichter Anstieg der
Proteinwerte und normale Glukosewerte einhergehen [14,15].
CT- und MRI-Tomographie des Gehirns ergeben einen
unspezifischen Befund [14]. Die Inzidenz schwerer
neuroinvasiver Erkrankungen sowie die Mortalitätsrate steigen
mit dem Alter [13]. Bei Patienten mit Enzephalitits oder
Meningoenzephalitis liegt die Mortalitätsrate bei etwa 12 bis
14 % [13,14]. Von den überlebenden Patienten tragen mehr als
50 % neurologische Folgeschäden davon [15].
Die Diagnose kann über die Reverse Transkriptase-PCR (RTPCR), immunhistochemische und serologische Untersuchungen
oder über ELISA an Proben von Serum, Gehirn-RückenmarksFlüssigkeit und Hirngewebe erfolgen [11].
Bei Enzephalitis erfolgt nur eine symptomatische Behandlung.
Ribavirin ist nicht wirksam und wurde mit ungünstigen
Ergebnissen (Tod) bei Enzephalitispatienten in Verbindung
gebracht [14]. Gegen die WNV-Enzephalitis gibt es keinen
Impfstoff, es wird jedoch daran geforscht und die Wissenschaft
hofft, in ein paar Jahren einen neuen Impfstoff gefunden zu
haben.
St-Louis-Enzephalitis (SLE)
Bei der SLE handelt es sich um die am weitesten verbreitete
durch Stechmücken übertragene Krankheit beim Menschen in
Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 – http://www.eurosurveillance.org/
3
den USA. Seit 1964 traten 4 437 bestätigte Fälle von SLE auf,
das sind durchschnittlich 193 Fälle jährlich (Bereich 4 – 1967).
Das SLE-Virus hält sich im Spätsommer oder Frühherbst in
einem
Stechmücke-Vogel-Stechmücke-Zyklus,
mit
periodischer Vermehrung durch im Umfeld menschlicher
Siedlungen lebende Vögel und Culex-Stechmücken.
Beim Menschen beträgt die Inkubationszeit 5 bis 15 Tage.
Weniger
als
1%
der
SLE-Virusinfektionen
sind
symptomatisch, wobei der Schweregrad von einfachen
Kopfschmerzen mit Fieber bis zur Meningoenzephalitis reicht.
Die Erkrankung setzt mit Fieber und Kopfschmerzen ein, in
manchen
Fällen
gefolgt
von
Enzephalitis
oder
Meningoenzephalitis [16]. Bei Patienten, die diese
neurologischen Erkrankungen entwickeln, beträgt die Letalität
zwischen 3 und 30 %. Bei Kindern verläuft die Krankheit
normalerweise in leichterer Form als bei Erwachsenen; von den
Kindern, die daran erkranken, entwickeln jedoch viele eine
Enzephalitis. Bei älteren Menschen besteht die größte Gefahr,
dass sie schwer erkranken und sterben. Die Diagnose wird
durch Blutuntersuchungen oder RT-PCR bestätigt. Für SLE
gibt es keine spezifische Behandlung und keinen Impfstoff.
Zeckenenzephalitis (TBE)(RSSE) Russische Frühjahrs-Sommer-Enzephalitis und
Zentraleuropäische Zeckenenzephalitis (ZEE)
Bei der Zeckenenzephalitis handelt es sich um eine
Virusinfektion des ZNS, die durch Bisse bestimmter
Vektorzecken oder gelegentlich durch den Verzehr nicht
pasteurisierter Milcherzeugnisse virämisch infizierter Kühe,
Ziegen oder Schafe übertragen wird [17,18]. Sie wird
verursacht durch zwei eng verwandte Flaviviren, die sich
biologisch unterscheiden. Der östliche Subtyp verursacht die
RSSE und wird durch Ixodes persulcatus übertragen. Der
westliche Subtyp wird durch Ixodes ricinus übertragen und mit
der ZEE in Verbindung gebracht. Die Zeckenenzephalitis ist
weit verbreitet in Österreich, Estland, Lettland, der
Tschechischen Republik, der Slowakei, Deutschland, Ungarn,
Polen, der Schweiz, Russland, der Ukraine, Weißrussland und
Slowenien. Weniger häufig kommt sie vor in Bulgarien,
Rumänien, Dänemark, Frankreich, den Alandinseln und den
benachbarten finnischen und schwedischen Küsten.
Gelegentlich treten auch in anderen Teilen Schwedens Fälle der
Zeckenenzephalitis auf. Die RSSE tritt in China, Korea, Japan
und in westlichen Gebieten Russlands auf. Die Gefahr, daran
zu erkranken, ist von April bis August am größten, wenn
Ixodes ricinus am aktivsten ist. Die Anzeichen und Symptome
der RSSE und der ZEE sind praktisch gleich, der Schweregrad
der Symptome ist jedoch bei der RSSE höher.
Die Inkubationszeit beträgt 7 bis 14 Tage. Die Infektion stellt
sich gewöhnlich als leichte grippeähnliche Erkrankung dar oder
als aseptische Meningitis. Die Zeckenenzephalitis verläuft
typischerweise in zwei Phasen [19]. Zu Beginn treten Fieber,
Myalgie und starke Kopfschmerzen auf, die bis zu einer Woche
andauern können. Nach einer symptomfreien Phase von etwa 13 Tagen (bis zu 3 Wochen) treten bei einem Drittel bis einem
Viertel der Patienten mit Symptomen verschiedene Anzeichen
dafür auf, dass das ZNS betroffen ist: Steifheit, vorübergehende
Lähmung der Gliedmaßen, Schultern oder in selteneren Fällen
der Atemmuskulatur, was zu Meningoenzephalitis, Meningitis
mit oder ohne Myelitis führt. Die Genesung von einer schweren
Erkrankung geht allgemein langsam vonstatten, und 20 % der
Patienten tragen bleibende Lähmungen, bleibende motorische
Schwächen,
Koordinationsstörungen,
Kopfschmerzen,
Hörschwächen oder geringfügigere neuropsychiatrische Folgen
davon. Bei der RSSE kommt es zur schweren Infektion mit
einer Mortalitätsrate von bis zu 25 %, während die
Mortalitätsrate bei der ZEE bei etwa 4 % liegt.
4
Häufig treten Leukopenie, Thrombozytopenie, ein Anstieg der
Blutkörperchensenkung (BKS), ein Anstieg des C-reaktiven
Proteins (CRP) sowie Pleozytose in der Gehirn-RückenmarksFlüssigkeit auf [19]. Die Diagnose wird bestätigt durch
Blutuntersuchungen oder RT-PCR [20].
Australische Enzephalitis:
Murray-Valley-Enzephalitis (MVE) und Kunjin-VirusEnzephalitis
Die MVE und die Kunjin-Virus-Enzephalitis sind potenziell
tödliche, durch Stechmücken übertragene Krankheiten, die in
Papua Neuguinea und in der Nordhälfte Australiens endemisch
sind. Die meisten Fälle werden zwischen Februar und April
gemeldet. Die meisten Infektionen (99 %) verlaufen
asymptomatisch [21]. Die meisten klinischen Fälle treten bei
Kindern oder Menschen auf, die erst kurz zuvor in einem
endemischen Gebiet angekommen sind. Der Mensch infiziert
sich normalerweise durch einen Stechmückenbiss. Nach
Exposition gegenüber Aerosolen infektiöser Lösungen wurden
drei Fälle von Infektionen mit dem MVE-Virus im Labor
gemeldet. Die Inkubationszeit beträgt normalerweise 5-15 Tage.
Die Erkrankung setzt abrupt mit hohem Fieber und
Kopfschmerzen ein. Danach treten bei manchen Patienten
Nackensteifheit und neurologische Symptome auf, darunter
Stupor, Koma, spastische Quadriplegie, Krampfanfälle und
Lähmung. Die Mortalitätsrate bei Patienten mit neurologischen
Symptomen ist mit bis zu 60 % sehr hoch, und bei bis zu 40 %
der Überlebenden treten neurologische Schäden auf, darunter
Paraplegie, Beeinträchtigungen beim Gehen und kognitive
Störungen [21]. Die Diagnose wird durch Blutuntersuchungen
bestätigt. Für diese Erkrankung gibt es weder eine spezifische
Behandlung noch einen Impfstoff.
Powassan-Enzephalitis (POW)
Beim POW-Virus handelt es sich um ein in den USA und
Kanada vorkommendes Arbovirus, das durch Zecken übertragen
wird [22]. Man vermutet außerdem, dass die Erkrankung durch
den Verzehr von roher Milch infizierter Tiere übertragen wird.
Es wurden zwei im Labor erfolgte Infektionen nach Exposition
gegenüber Aerosolen infektiöser Lösungen gemeldet. Vor
kurzem wurde ein Powassan-ähnliches Virus in der Hirschzecke
Ixodes scapularis isoliert. Seine Verwandtschaft mit POW und
die Möglichkeit, dass es beim Menschen zu Erkrankung führen
kann, wurde noch nicht vollständig untersucht.
Das POW-Virus ist eine seltene Ursache akuter viraler
Enzaphalitis – bisher wurde in der Literatur von weniger als 50
Fällen berichtet [22,23]. Wie die meisten anderen von
Arthropoden stammenden Viren, die mit Enzephalitis in
Verbindung gebracht werden, verursacht das POW-Virus
normalerweise überhaupt keine Symptome oder nur eine leichte
klinische Erkrankung. Die Inkubationszeit beträgt 7 bis 34 Tage
[23]. Die Erkrankung setzt abrupt ein mit Fieber,
Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Schwindel, Erbrechen,
Nackensteifheit und Lethargie. Im weiteren Verlauf treten
neurologische Symptome auf mit Atemschwierigkeiten, Zittern,
Krampfanfällen, Koma, spastischer Lähmung, aseptischer
Meningitis und in manchen Fällen dem Tod. Auch eine
Halbseitenlähmung ist häufig [23]. Die Mortalitätsrate liegt bei
10-15% [22]. In 50 % der Fälle von POW-Enzephalitis treten
erhebliche langfristige neurologische Folgeschäden auf [22-24].
Die Diagnose wird bestätigt durch Blutuntersuchung (ELISA)
und RT-PCR [24]. Es gibt weder eine spezifische Behandlung
noch einen Impfstoff.
Rocio-Virus
Dieses Virus wurde in Sao Paulo 1978 erstmals identifiziert als
Erreger einer Enzephalitis-Epidemie beim Menschen: Etwa
Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 –http://www.eurosurveillance.org/
1 000 Personen wurden infiziert [25]. Die Krankheit wird durch
Stechmücken übertragen. Wilde Vögel sind der natürliche Wirt
und das Reservoir des Virus. Die Erkrankung ist kaum
beschrieben worden. Sie setzt mit Fieber, Kopfschmerzen,
Erbrechen und Bindehautentzündung ein. Im weiteren Verlauf
treten neurologische Symptome und Muskelschwäche auf.
Etwa ein Drittel der Patienten fällt ins Koma; ein Drittel stirbt
und etwa 20 % tragen neurologische Folgeschäden davon. Die
Diagnose erfolgt durch Blutuntersuchung.
Louping-ill-Virus
Dieses Virus wurde in Schottland identifiziert. Es wird durch
die Schafzecke Ixodes ricinus übertragen. Bisher wurden
weniger als 50 Fälle der Schottischen Schafenzephalitis beim
Menschen verzeichnet [26]. Es wurden Fälle gemeldet, in
denen sich Menschen im Labor nach Aerosolisierung infizierter
Lösungen infiziert haben [26,27]. Zu den klinischen
Merkmalen zählt eine grippeähnliche Erkrankung, eine
Zweiphasenenzephalitis,
eine
poliomyelitisähnliche
Erkrankung und hämorrhagisches Fieber [26].
Bunyaviridae
La-Crosse-Enzephalitis (LAC)
Bei der LAC handelt es sich um die am weitesten verbreitete
Arbovireninfektion bei Kindern in den USA, vor allem bei
Kindern unter 16 Jahren, mit etwa 75 Fällen jährlich [28,29].
Das Jamestown-Canyon-, Trivittatus- und Cache-Valley-Virus
sind mit dem LAC-Virus verwandt, verursachen jedoch selten
Enzephalitis.
Das LAC-Virus ist ein Zoonoseerreger, der zwischen der
Stechmücke Aedes triseriatus und Wirbeltieren als
Vermehrungswirte (kleine Tiere) in Hartholzwäldern zirkuliert
[28]. Das Virus hält sich über den Winter durch
Transovarialübertragung in Stechmückeneiern. Ein infiziertes
Stechmückenweibchen legt Eier, die das Virus bereits in sich
tragen, und die aus diesen Eiern hervorgehenden Stechmücken
können das Virus auf Erdhörnchen und auf den Menschen
übertragen.
Nach einer Inkubationszeit von 3-7 Tagen stellt sich die LACEnzephalitis anfangs wie die anderen durch Arthropoden
übertragenen
Viruserkrankungen
als
nichtspezifische
Sommererkrankung mit Fieber, Frösteln, Kopfschmerzen,
Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen dar, die 1-4 Tage
andauern. In seltenen Fällen treten Exanthema auf. Schwer
erkranken vor allem Kinder zwischen 6 Monaten und 15 Jahren
(Enzephalitis, Meningitis, Meningoenzephalitis), wobei
Symptome
wie
Benommenheit,
Bewusstseinstrübung,
Krampfanfälle, Sprachversagen, schlechte Koordination, Koma
und fokale motorische Lähmung auftreten [30]. Die Krankheit
dauert selten länger als 10-14 Tage. Zu den neurologischen
Defekten bei mehr als 10 % der Fälle zählen AbduzensLähmung,
Halbseitenschwäche,
Sprechprobleme,
Sprachstörungen,
schlechtes
Kurzzeitgedächtnis
und
Gleichgewichtsprobleme. Die Mortalitätsrate liegt bei
Enzephalitis-Patienten bei unter 1 %. Die Gesamtblutzellenzahl
liegt normalerweise in der Norm. Es kann zu vermindertem
Natriumgehalt des Blutes kommen [30]. Die Untersuchung der
Hirnflüssigkeit ergibt normale Glukosewerte, einen leicht
erhöhten Proteinwert und eine Polymorphonukleose gefolgt
von Lymphozytose. CT oder MRI-Tomografie bleiben
unspezifisch. Die Diagnose kann mit spezifischen
Blutuntersuchungen oder PCR [31,32] bestätigt werden. Es gibt
weder eine spezifische Behandlung noch einen Impfstoff.
Toskana-Virus (TOS)
Das TOS-Virus ist in Italien weit verbreitet, es tritt jedoch vor
allem in der Provinz Siena auf. Das Virus wird von Sandfliegen
auf den Menschen übertragen. Das klinische Bild ist
normalerweise ähnlich wie bei den übrigen bereits
beschriebenen Virusinfektionen. Zu den klinischen Merkmalen
zählt die aseptische Meningitis und die Meningoenzephalitis, die
den ganzen Sommer über auftreten. Die Enzephalitis-Rate ist
gering, und normalerweise verläuft die Krankheit günstig [3335].
Rift-Valley-Fieber
Das Rift-Valley-Fieber tritt normalerweise in Ost- und
Südafrika auf, das Virus kommt jedoch auch in den meisten
Ländern südlich der Sahara und in Madagaskar vor, in jüngerer
Zeit ist es sogar bis in die arabische Halbinsel gelangt. Es
handelt sich um eine Zoonose, die Nutztiere befällt (Rinder,
Büffel, Schafe, Ziegen, Kamele) und gelegentlich auch den
Menschen [36]. Stechmücken (normalerweise Aedes - aber auch
viele andere Stechmückenspezies) übertragen das Virus.
Menschen können sich bei der Handhabung von Blut oder
Körperflüssigkeiten infizierter Tiere infizieren. Von einer
Infektion durch Aerosolisierung wurde bei Laborpersonal
berichtet,
das
mit
Virenkulturen
oder
anderen
Untersuchungsproben arbeitete, die das Virus enthielten.
Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 6 Tage. Zu den ersten
klinischen Symptomen zählt ein biphasisches Fieber, wobei die
erste Episode etwa 4 Tage andauert. Nach ein oder zwei
fieberfreien Tagen dauert dann die zweite Fieberspitze weitere 2
bis 4 Tage. Normalerweise verläuft die Krankheit leicht und
geht einher mit Fieber und Leberanomalien. In schweren Fällen
können Blutungen, Enzephalitis und Netzhautentzündung
auftreten [37]. Weniger als 1 % der Patienten entwickeln 2 bis 4
Tage nach Einsetzen der Erkrankung ein hämorrhagisches
Fiebersyndrom. Es treten die gleichen klinischen Merkmale auf,
wie bei anderen VHF-Syndromen (Nasenbluten, Bluterbrechen,
Teerstuhl und gastrointestinale Blutung). Die Patienten genesen
normalerweise innerhalb von 2 Tagen bis zu einer Woche nach
Einsetzen der Erkrankung. Üblicherweise kommt es zwischen
einer und drei Wochen nach Einsetzen der Krankheit zu
Netzhautentzündung und Meningoenzephalitis. In 1-10 % der
Fälle können die Patienten das Sehvermögen verlieren, wenn die
Makula verletzt ist. Die Mortalitätsrate bei Patienten mit RiftValley-Fieber liegt bei etwa 1 %; davon betroffen waren bisher
vor allem Patienten, die das hämorrhagische Syndrom
entwickeln [37].
Häufig treten eine verminderte Thrombozytenzahl und ein
verminderter Leukozytengehalt, Eiweißausscheidung im Harn,
erhöhte Leberenzymwerte und Gelbsucht auf [38]. Zur Diagnose
dient die Virusisolierung, Antigenbestimmung durch ELISA, die
IgM-Antikörperbestimmung durch ELISA und RT-PCR [38]. Es
gibt keine spezifische Behandlung. Zur Behandlung wird nur ein
einziges antivirales Medikament, Ribavirin, empfohlen [39-41].
Es gibt keinen zugelassenen Impfstoff, wenngleich in den USA
ein Prüfpräparat zur Verwendung bei Laborpersonal und beim
Militär zur Verfügung steht.
Arenaviridae
Lymphozytäre Choriomeningitis (LCM)
Es handelt sich dabei um eine durch Nager übertragene
Virusinfektion, die in Europa, Nord- und Südamerika,
Australien und Japan vorkommt. Der Mensch infiziert sich
durch Einatmen aerosolisierter Partikel von infizierten Nagern,
durch Verzehr von Lebensmitteln, die mit dem Virus
kontaminiert sind, durch Kontamination von Schleimhäuten mit
infizierten Körperflüssigkeiten oder durch direkte Exposition
von Schnitten oder Abschürfungen gegenüber virusinfizierten
Produkten. Bisher wurden viele Fälle von Infektionen im Labor
gemeldet. Auch die vertikale Übertragung von einer infizierten
Mutter auf den Foetus ist möglich und die Exposition um den
Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 – http://www.eurosurveillance.org/
5
Geburtszeitraum herum führt zu spontaner Fehlgeburt,
primärem Hydrozephalus, Entzündung von Aderhaut und
Netzhaut sowie Geistesschwäche [42].
Die Inkubationszeit beträgt zwischen 8 und 13 Tagen [43]. Die
meisten Patienten weisen keine oder nur unspezifische
Symptome auf. Die Erkrankung setzt ein mit biphasischem
Fieber, Unwohlsein, Appetitlosigkeit, Myalgie, retroorbitalen
Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen,
Halsschmerzen, Husten, Gelenkschmerzen (normalerweise der
Hände), Brustschmerzen, Testikular- und Parotisschmerzen,
Lymphknotenerkrankung, Haarausfall und makulopapulösen
Exanthema. Dies kann bis zu einer Woche andauern. Nach ein
paar Tagen der vorübergehenden Besserung beginnt die zweite
Phase der Krankheit mit dem Auftreten neurologischer
Symptome, die auf eine Enzephalitis, Meningoenzephalitis
oder Meningitis schließen lassen. Hydrozephalus akutus, Akute
Myelitis und Myokarditis wurden bereits beobachtet. In der
ersten Phase der Krankheit treten normalerweise Leukopenie,
Thrombozytopenie und leicht erhöhte Leberenzymwerte auf
[43]. In der zweiten Phase sind in der Gehirn-RückenmarksFlüssigkeit erhöhte Proteinwerte, erhöhte Zellzahlen und
niedrige Glukosewerte festzustellen.
Bei Patienten mit neurologischen Störungen liegt die
Mortalitätsrate bei unter 1 %. Bei Patienten mit Enzephalitis ist
die Gefahr, dass sie neurologische Dauerschäden davontragen,
sehr hoch. Die Diagnose wird bestätigt durch spezifische
Blutuntersuchungen und PCR oder durch Isolierung des Virus
aus der Gehirn-Rückmarks-Flüssigkeit. Es gibt keine
spezifische Behandlung, wenngleich Ribavirin in vitro wirksam
ist.
Machupo- und Junin-Viren
Diese beiden Viren stehen normalerweise in Zusammenhang
mit einem schweren hämorrhagischen Fiebersyndrom. Die
Viren kommen in Südamerika vor, vor allem in einem
begrenzten
landwirtschaftlich
genutzten
Gebiet
der
argentinischen Pampas (Junin) und in den abgelegenen
Savannen der Provinz Beni in Bolivien (Machupo) [20]. Jedes
der Viren ist mit einem oder mehreren eng verwandten
Nagerspezies verbunden. Diese Nager sind chronisch infiziert,
sie entwickeln jedoch keine Krankheit. Der Mensch infiziert
sich normalerweise durch Exposition gegenüber Urin oder
Körperabsonderungen infizierter Nager, entweder durch
Einatmen kontaminierten Staubs, durch Verzehr kontaminierter
Lebensmittel oder durch direkten Kontakt von verletzter Haut
mit Nagerexkrement. Die Übertragung auf den Menschen
erfolgt üblicherweise durch Aerosolisierung getrockneter
Ausscheidungen, vor allem Urin in der Umwelt [19]. Diese
hämorrhagischen Fieber wurden gelegentlich von Mensch zu
Mensch übertragen, zum Beispiel im Umfeld der
Gesundheitsfürsorge und bei Intimkontakten. In diesen Fällen
geht man davon aus, dass der direkte Kontakt mit infizierten
Körperausscheidungen ein wichtigerer Übertragungsweg ist als
eine Exposition gegenüber Aerosol [20]. Nach einer
Inkubationszeit von 10 bis 14 Tagen (Bereich 5 bis 18 Tage)
entwickeln die meisten Patienten entweder gar keine
Symptome oder eine leichte grippeähnliche Erkrankung.
Normalerweise setzt die Krankheit schleichend mit Fieber und
allgemeinem Unwohlsein während 2 bis 4 Tagen ein, in
schwereren Fällen treten früh Schwäche, retroorbitale
Schmerzen, Gelenk- und Lendenschmerzen, Myalgie,
Kopfschmerzen, Rachenschleimhautentzündung, Husten und
Konjunktivalinjektion auf [19,20]. In der schwersten Form der
Krankheit können die Patienten extrem erschöpft sein,
Bauchschmerzen haben, Ödeme im Gesicht und Nacken,
Hämorrhagie
(Konjunktivalhämorrhagien,
Schleimhautblutungen,
Teerstuhl,
Blutstuhl,
Vaginalblutungen,
6
Bluterbrechen), Enzephalitis, das Syndrom der blutenden
Kapillaren und Schock. Auch Blutungsneigung und
neurologische Anzeichen sind weit verbreitet. Dazu können
Delirium, Verwirrtheit, Enzephalitis, Krämpfe und Koma
zählen.
Ebenso
treten
auf:
Konjunktivalinjektion,
Gesichtsrötung,
fleckförmiges
bzw.
bläschenförmiges
Gaumenenanthem und punktuelle Hautblutung, generalisierte
Lymphknotenerkrankung und orthostatische Hypotonie. Typisch
sind Lymphopenie, Leukopenie und Thrombozytopenie. Die
Sterblichkeitsrate bei Junin- und Machupo-Fieber ist mit 1016 % sehr hoch [18].
Paramyxoviridae
Hendra-Virus
Dieses Virus (früher: equines Morbillivirus) kommt bei Pferden
in Australien vor. Man nimmt an, dass als natürliches Reservoir
Fledermäuse des Genus Pteropus dienen. Normalerweise wird
diese Krankheit auf den Menschen durch direkte Exposition
gegenüber Geweben oder Ausscheidungen von infizierten
Pferden übertragen. Bislang wurden nur drei Fälle von HendraViruserkrankung beim Menschen gemeldet, einer der
Betroffenen erlitt eine Enzephalitis [44]. Bei diesem Patienten
traten die ersten Zeichen der Enzephalitis drei Monate nach
Kontakt mit einem infizierten Pferd auf, und er starb daran.
Nipah-Virus
Dieses Virus kommt vor allem in Malaysia im gleichen
Fledermausreservoir vor wie das Hendra-Virus. Es verursacht
eine leichte Erkrankung bei Schweinen [45]; die Krankheit wird
auf den Menschen durch engen Kontakt mit Schweinen
übertragen. Die Inkubationszeit beträgt 5 bis 14 Tage. Bei
Einsetzen der Krankheit leiden die Patienten 3-14 Tage an
Fieber und Kopfschmerzen, danach kann sich eine Enzephalitis
entwickeln. Die Mortalitätsrate liegt bei etwa 40 %. Patienten,
die eine akute Enzephalitis überleben, leiden danach an
wiederkehrender neurologischer Erkrankung (rezidivierende
Enzephalitis), die auf eine anhaltende Nipah-Virus-Infektion im
ZNS zurückgeführt wird [44,46]. Die Diagnose wird mit
Blutuntersuchungen und PCR bestätigt. Es gibt weder eine
spezifische Behandlung noch einen Impfstoff.
Außer für die weiter verbreiteten Enzephalitis-Syndrome
liegen zwar kaum Informationen vor, doch könnten die
meisten dieser mit Enzephalitis in Zusammenhang stehenden
Viren in aerosolisierter Form bei einem bioterroristischen
Angriff verwendet werden, was sich bereits bei den
zahlreichen Infektionen mit diesen Krankheiten in Labors
bestätigt hat. Auf eine absichtliche Freisetzung könnte ein
klinisch passender, anhand von Laboruntersuchungen
bestätigter Fall von Infektion bei einem Patienten hinweisen,
der weder in endemische Gebiete gereist ist noch mit den
Erregern arbeitet.
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Entscheidung der Kommission vom 19. März 2002.
Falldefinitionen für die Meldung übertragbarer Krankheiten
an das Gemeinschaftsnetz gemäß der Entscheidung
Nr. 2119/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. ABl. L 86 vom
3.4.2002; 44-62
Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 – http://www.eurosurveillance.org/
7
47. Entscheidung zur Änderung der Entscheidung
Nr. 2119/98/EG des Europäischen Parlaments und der
Entscheidung 2000/96/EG des Rates hinsichtlich der in
diesen Entscheidungen aufgeführten übertragbaren
Krankheiten und zur Änderung der Entscheidung
2002/253/EG hinsichtlich der Festlegung von
Falldefinitionen für übertragbare Krankheiten. Amtsblatt der
Europäischen Union. ABl. L 184 vom 23.7.2003; 35-9
* BICHAT, die Taskforce der Europäischen Kommission zur
Bedrohung durch biologische und chemische Stoffe, hat diese
Leitlinien erstellt, die den nationalen Behörden als Grundlage
für die Ausarbeitung eigener Anleitungen dienen, aber auch
von Klinikern, Allgemeinmedizinern und Fachärzten direkt
genutzt werden können, wenn sie mit Infektionen durch
8
Erreger konfrontiert sind, die aus der absichtlichen Freisetzung
biologischer Stoffe stammen könnten. Siehe hierzu Bossi P.,
Van Loock F., Tegnell A., Gouvras G. Bichat clinical
guidelines for bioterrorist agents. Euro Surveill. 2004; 9(12)
Anmerkung der Redaktion: Diese klinischen Leitlinien
wurden von der Taskforce und von je zwei von den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union ernannten Experten
überprüft. Die Überprüfung wurde Ende Februar 2003
abgeschlossen. Die überprüften Leitlinien wurden dem
Ausschuss für Gesundheitssicherheit vorgelegt, der sie im
April 2003 annahm und ihrer Veröffentlichung in einer
Zeitschrift mit hoher Auflage zustimmte, um ein möglichst
breites Publikum zu erreichen. Bei der redaktionellen
Bearbeitung durch Eurosurveillance wurde der Inhalt dieser
Leitlinien
weiter
verbessert.
Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 –http://www.eurosurveillance.org/
SANCO-2005-00056-00-00-DE-TRA-00.DOC
TABELLE 1
Enzephalitisviren, die bei einem bioterroristischen Angriff verwendet werden könnten
Familie
Genus
Togaviridae
Alphavirus
Flaviviridae
Flavivirus
Bunyaviridae
Bunyavirus
Arenaviridae
Arenavirus
Spezies/Erreger der
Östlichen Pferdeenzephalitis
Westlichen Pferdeenzephalitis
Venezuelanische Pferdeenzephalitis
St-Louis-Enzephalitis
Australischen-Enzephalitis
(Murray-Valley- und KunjinEnzephalitis,
West-Nile-Virus
Japanische Enzephalitis
Dengue-Enzephalitis
Zeckenenzephalitis =
(Zentraleuropäische und russische
Frühjahr-Sommer-Enzephalitis)
Powassan-Enzephalitis
Rocio-Virus
Louping ill-Virus
La Crosse-Enzephalitis
Rift-Valley-Fieber
Toskana-Virus
Lymphozytäre Choriomeningitis
Machupo-Virus
Junin-Virus
Paramyxoviridae
Hendra-Virus
Sonstige
Herpesvirus simiae
TABELLE 2
Zusammenfassung der klinischen und biologischen Beschreibung der viralen Enzephalitis
Klinische Beschreibung
· Die meisten Infektionen beim Menschen verlaufen asymptomatisch oder als unspezifisches grippeähnliches Syndrom.
· Sie können schleichend oder plötzlich einsetzen mit Fieber, Kopfschmerzen, Myalgie, Unwohlsein und gelegentlich mit
extremer Erschöpfung.
· Die Infektion kann zu Enzephalitis mit tödlichem Ausgang oder bleibenden neurologischen Schäden führen.
· Nur bei einem kleinen Teil der infizierten Menschen schreitet die Krankheit bis zur regelrechten Enzephalitis fort.
TABELLE 3
Falldefinitionen von Verdachtsfällen und bestätigten Fällen
Falldefinition
•
•
•
Möglich:
Wahrscheinlich:
Bestätigt:
Nicht zutreffend
Ein klinisch passender Fall mit epidemiologischer Verbindung
Ein klinisch passender Fall bestätigt durch Laboruntersuchungen
Quelle: [46,47]
Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 – http://www.eurosurveillance.org/
9
TABELLE 4
Falldefinition einer absichtlichen Freisetzung einer viralen Enzephalitis
Verdacht auf absichtliche Freisetzung
Ein ungewöhnliches Cluster klinischer Enzephalitisfälle in einem Gebiet bzw. während einer Jahreszeit
o in dem/der das Virus nicht endemisch ist,
o wenn die Enzephalitis nicht zu der natürlichen Jahreszeit festgestellt wird,
o ohne dass die Betroffenen in endemische Gebiete gereist wären,
o ohne dass die Betroffenen im Labor exponiert worden wären,
o wenn die Fälle zeitlich und örtlich miteinander verbunden sind, insbesondere geographisch
zusammenhängende Gruppen von Erkrankungen in einer bestimmten Windrichtung
Quelle: [46,47]
10
Eurosurveillance – 2004 Vol 9 Issue 12 –http://www.eurosurveillance.org/
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