Tuberöse-Sklerose-Komplex- Erkrankung

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FORTBILDUNG | „ARTIKEL DES MONATS“
Tuberöse-Sklerose-KomplexErkrankung
Gerhard Kurlemann, Barbara Fiedler | Klinik für Kinder und Jugendmedizin, Allgemeine Pädiatrie, Bereich Neuropädiatrie, Universitätsklinikum Münster
Epidemiologie
Die tuberöse Hirnsklerose (TS) ist ein autosomal dominantes Erbleiden mit vollständiger Penetranz, wechselnder klinischer Expressivität und großer intrafamiliärer Variabilität. Mit einer Prävalenz von
1:5.800 ist sie die zweithäufigste neurokutane Erkrankung.
Nach der klassischen Beschreibung
durch Bourneville (1880) und Pringle
(1890) wird die tuberöse Sklerose, die ihren
Namen durch den Nachweis knollenförmiger verhärteter Hirnareale bekam, auch
Morbus Bourneville-Pringle genannt; die
Bezeichnung Tuberöse Sclerose Complex
[Touberous Sclerosis Complex (TSC)]im
angloamerikanischen Schrifttum trägt der
Multiorganbeteiligung Rechnung. Zwei
mit TSC assoziierte Gene sind beschrieben:
TSC1 auf Chromosom 9q34 mit dem Genprodukt Hamartin und TSC2 auf Chromosom 16p13 mit dem Genprodukt Tuberin.
Hamartin und Tuberin bilden einen Komplex, der das GTPase-aktivierende Protein Rheb aktiviert; so wird der sogenannte
mTOR-(mammalian Target of Rapamycin)
Signalweg gehemmt. Dieser Zusammenhang erklärt identische klinische Symptome, verursacht durch Defekte in unterschiedlichen Genen. Die Spontanmutationsrate ist mit 60 % hoch. TSC 2 überwiegt
bei den sporadischen Fällen mit 70 %.
In 5 % der Fälle ist neben dem TSC2Gen zusätzlich das benachbarte PKD1Gen für die autosomal dominante polyzystische Nierendegeneration (ADPKD)
betroffen, im Sinne eines Contiguous gene syndrome.
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Hautbefunde bei
tuberöser Sklerose
Die Hautveränderungen bei der TSC
sind wie bei allen neurokutanen Syndromen richtungsweisend für die Diagnose;
sie bestehen aus hypomelanotischen Flecken (white spots), fazialen Angiofibromen, Shagreen-Flecken und fibrotischen
Plaques. Daneben weisen viele Kinder mit
TSC auch immer wieder einzelne Café-aulait-Flecken auf. Die zur Diagnose führenden Hautsymptome werden im Folgenden
ausführlich dargestellt.
„White spots“
Bei den hypomelanotischen Flecken (white
spots) (siehe Bildtafel 1) handelt es sich um
blattförmige oder längsovale Hautbezirke
unterschiedlicher Zahl und Größe, ähnlich dem Eschenblatt (ash leaf spots). Sie
sind angeboren und somit schon bei der
Geburt nachweisbar und dann lebenslang
vorhanden. Sie finden sich überwiegend
am Stamm und den Extremitäten, selten
auch im Gesicht. Handinnenfläche und
Fußsohle sind wie bei NF1 immer frei. Eine Lokalisation im Bereich des behaarten Kopfes, der Augenbrauen und Wimpern führt zur Poliosis, selten finden sich
depigmentierte Flecken in der Iris. Gelegentlich folgt die Verteilung auch Dermatomen. Elektronenoptisch weisen diese
Areale eine normale Zahl an Melanozyten, aber eine reduzierte Anzahl und Größe der Melanosomen innerhalb der Melanozyten auf. Häufig werden sie aber erst
bei entsprechenden Zusatzsymptomen als
richtungsweisender Befund interpretiert.
Dieses Hautmerkmal (> 90 % der Kinder)
ist charakteristisch für die Diagnose der
TSC: Jedes retardierte Kind mit unauffälligem Hautbefund im normalen Licht muss
zusätzlich im Wood-Licht (360 nm Wellenlänge) im abgedunkelten Raum untersucht werden, um die white spots sichtbar
zu machen.
Gelegentlich präsentieren sich die weißen Flecken als Anhäufung vieler kleiner
hypopigmentierter Makulae, Konfetti ähnelnd, häufiges Merkmal (30 %) des Erwachsenenalters. Einzelne weiße Flecken
werden bei 0,5 % aller gesunden Neugeborenen beobachtet ohne Manifestation einer TSC.
Die „ash leaf spots“ bei der TSC sind
aufgrund des Musters klar von der
Vitiligo zu unterscheiden!
Angiofibrome
Faziale Angiofibrome (siehe Bildtafel 1)
sind rötliche, anfänglich hirsekorngroße
Knötchen, die in der Kleinkindzeit beginnend auftreten. Im weiteren Verlauf nehmen sie an Größe und Ausdehnung zu.
Mit Beginn der Pubertät sind sie schmetterlingsförmig im Wangenbereich, in der
Nasolabialfalte und auf der Nase bei 90 %
aller an TSC Erkrankten voll ausgeprägt,
bei mechanischer Alteration leicht blutend.
Histologisch handelt es sich nicht um Talgdrüsentumoren wie die frühere Bezeichnung Adenoma sebaceum fälschlicherweise suggeriert, sondern um Angiofibrome.
Aufgrund des Verteilungsmusters werden
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die Angiofibrome gerade in ihrem Initialstadium immer wieder mit einer Akne
vulgaris verwechselt und führen zur Fehldiagnose, wenngleich Komedonen histologisch nicht vorhanden sind. Eine Sonderform des Angiofibroms ist eine symmetrische, flächige Rötung im Wangenbereich,
die bei guter Beobachtung dem Vollbild
der Angiofibrome gelegentlich vorausgehen kann; beim Schreien der Kinder
ist dieser „Vorläufer“ der Angiofibrome
deutlicher zu sehen. Bei richtiger Zuordnung haben Angiofibrome diagnostisch
den gleichen hohen Stellenwert wie die
weißen Flecken. Bei starker kosmetischer
Beeinträchtigung kann eine mechanische
Dermabrasio oder eine Entfernung mittels
Laser versucht werden, bleibt sehr häufig
jedoch ohne langfristigen Erfolg.
Fibromatöse Plaques
An der Stirn oder im behaarten Kopf finden sich auch angeboren häufig klein- oder
großflächige fibromatöse Plaques (fore-
Bildtafel 1: Unterschiedliche hypomelanotische Hautflecken bei TSC, mit und
ohne Wood-Licht,Poliosis (weiße Haarsträhne), faziales Angiofibrom in unterschiedlichen Entwicklungsstadien
bei TSC.
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Bildtafel
2: Fibromatöse Plaques
(forehead fibrous plague),
periunguale Fibrome
(Koenen-Tumore) bei
TSC.
head fibrous plague), ebenfalls von roter
Farbe, die selten einmal eine kosmetische
Intervention erfordern (siehe Bildtafel 2).
Pflastersteinnaevi (Shagreen
patches)
Bei ungefähr 50 % der Kinder mit TSC entwickeln sich etwa ab dem 6. Lebensjahr
lumbosakral Pflastersteinnaevi (Shagreen
patches); dabei handelt es sich um lederartige oder orangenhautähnliche Veränderungen von unterschiedlicher Größe mit
histologisch nachweisbarer Bindegewebevermehrung (siehe Bildtafel 3).
Pendelfibrome
Pendelfibrome (Molluscum fibrosum pendulum) treten bei 30 % der Patienten, überwiegend im höheren Alter auf, typischerweise im Schulter- und Nackenbereich (siehe Bildtafel 3).
Koenen-Tumore
Koenen-Tumore sind sub-periunguale Fibrome (siehe Bildtafel 2), im Zehenbereich
häufiger als im Fingerbereich. Sie entwickeln sich bevorzugt im höheren Alter.
Histologisch entsprechen diese den Angiofibromen. Das weibliche Geschlecht
ist bevorzugt betroffen; sie müssen gezielt
gesucht werden. Jeder Patient mit Verdacht
auf TSC – mit Verdacht einer neurokutanen Erkrankung – muss unbekleidet untersucht werden!!
Fibromatöse Hyperplasien
Das Zahnfleisch kann durch fibromatöse
Hyperplasien betroffen sein; mit zunehmendem Alter weisen die Zähne kleine
Zahnschmelzgrübchen (Pits) auf, die nach
der Pubertät bei 100 % der Kinder vorhanden sind (siehe Bildtafel 2).
Harmatome
Zahlreiche ophthalmologische Veränderungen werden in der Literatur in Zusammenhang mit TSC beschrieben. Am häufigsten treten oft schon während der ersten
Lebensjahre leicht erhabene maulbeerartige Harmatome überwiegend nahe der Papille auf mit der Neigung zur Verkalkung.
Diese retinalen Veränderungen sind in der
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Regel nicht progredient und führen nicht
zur Visusminderung (siehe Bildtafel 4).
Rhabdomyome
Kardiale Rhabdomyome (siehe Bildtafel 5)
sind die häufigsten intrakardialen Tumore
im Kindesalter. Sie weisen eine große Assoziation zur TSC auf und finden sich bei
50 % der Kinder mit TSC. Sie lassen sich
bereits pränatal durch Ultraschall beim Feten nachweisen und können solitär, multipel oder diffus infiltrierend auftreten.
Nur selten führen sie zu Obstruktionen
des Ausflusstraktes des Herzens, die ein
kardiochirurgisches Eingreifen erforderlich machen. Einmal nachgewiesen, vergrößern sie sich nicht, sondern werden in
der Regel im Verlauf der Kindheit kleiner
und lassen sich im Erwachsenenalter oft
nicht mehr nachweisen. Kardiale Rhabdomyome können Ursache von Herzrhythmusstörungen bevorzugt im Erwachsenenalter sein. Jedes intrauterin nachgewiesene Rhabdomyom ist zunächst immer Erstsymptom einer TSC, jetzt sollten
bereits die Eltern auf TSC-Merkmale befragt oder untersucht werden (autosomal
dominanter Erbgang!).
Bildtafel 3: Plastersteinnaevi (Shagreen patches), Pendelfibrome (Molluscum fibrosum pendulum) bei TSC.
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Angiomyolipome
Etwa 80 % der betroffenen Kinder mit TSC
haben eine Nierenbeteiligung in Form von
Zysten oder Angiomyolipomen (siehe Bildtafel 6) mit Manifestation in unterschiedlichen Altersphasen. Während die Nierenzysten früh im Verlauf der Erkrankung
auftreten, zeigen sich Angiomyolipome in
der Regel erst nach dem 10. Lebensjahr. Allein der Nachweis von Nierenzysten – typischerweise multipel und bilateral – und
Angiomyolipomen muss den Verdacht auf
eine TSC lenken. Beide Veränderungen
können durch Nierenvergrößerung und
durch ihre Komplikationen klinisch symptomatisch werden, in der Regel sind sie im
Kindesalter aber harmlos und klinisch inapparent. Das Angiomyolipom ist ein gutartiger Tumor der Niere, der bei Ruptur ins
Nierenbeckenkelchsystem zur Hämaturie führt, bei Blutung unter die Nierenkapsel zu heftigen Flankenschmerzen bis hin
zum akuten Abdomen. Eine ausgeprägte
Bildtafel 4: Maulbeerartige Hamartome der Retina bei TSC; Beteiligung
der Knochen bei TSC.
Bildtafel 5: Kardiale Rhabdomyome
bei TSC: Ultraschallbild des Herzens
und Makropräparat mit zahlreichen
Rhabdomyomen.
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renale Zystenbildung kann einen renalen
Hochdruck, selten auch mal ein Nierenversagen bedingen. Eine solitäre Nierenzyste oder ein solitäres Angiomyolipom
ist nur selten Teil einer TSC. Beim Contiguous gene syndrome (TSC2 und PKD1)
Tab. 1: Symptomhäufigkeit bei TSC
Symptomhäufigkeit bei TSC
Weiße Hautflecken („ash leaf
spots“)
> 90 %
Retinale Hamartome
87 %
Zerebrale Tuber –
„transmatle sign“
90 %
Angiofibrom
80 %
Angiomyolipom/Nierenzysten
75 %
Kardiale Rhabdomyome
60 %
Shagreen-Fleck
30 %
Sub-periunguale Fibrome –
Koenen-Tumore
20 %
Riesenzellastrozytom
15 %
Poliosis
selten
Leiomyomatose der Lunge –
nur Frauen
60 %
kann eine Nierenbeteiligung früher und
in der klinischen Ausprägung stärker verlaufen. Eine Indikation zur Nephrektomie
stellen die renalen Veränderungen bei TSC
nicht mehr dar, da sie nur ganz selten zu
einem Nierenkarzinom entarten. Die Sonographie ermöglicht eine regelmäßige
nichtinvasive Verlaufskontrolle der Nieren,
bei Größenveränderungen ist ein Durchbruch der Nierenkapsel als Hinweis auf eine Malignisierung zu werten. In Kenntnis
der Diagnose TSC kann bei einer Nieren-
beteiligung im Bedarfsfall (blutiger Urin
und akutes Abdomen) eine selektive radiologische Intervention erfolgen. Im Erwachsenenalter besteht bei fast allen Patienten
mit TSC eine Nierenbeteiligung.
Sonographisch finden sich benigne zystische Veränderungen auch in anderen intraabdominellen Organen wie Pankreas,
Milz und Leber, die wie die Nierenveränderungen regelmäßig sonographisch verlaufskontrolliert werden sollten.
Leiomyomatose
Lungenveränderungen in Form der Leiomyomatose (LAM) (siehe Bildtafel 7) im
Rahmen einer TSC treten fast ausschließlich bei Frauen ab dem Alter von 30 – 35
Jahren auf. Dann spricht man von einer
TSC-assoziierten LAM (TSC-associated
LAM) mit einer somatischen Mutation
im TSC2-Gen in den Zellen der glatten
Muskulatur der Lunge. Das nahezu ausschließliche Auftreten beim weiblichen
Geschlecht im gebärfähigen Alter lässt an
eine kausale Bedeutung weiblicher Hormone für die Ausbildung dieser Organmanifestation denken. Methode der Wahl zur
Diagnostik ist die Spiral-CT der Lunge.
Knöcherne Veränderungen in Form
von Knochenzysten der Phalangen, Metacarpalia und Metatarsalia sowie sklerosierende Veränderungen der langen Röhrenknochen sind seltene, eher unspezifische
Tab. 2: Diagnostische Kriterien für TSC
Sichere Symptome
Unsichere Symptome
1 Kriterium für die Diagnose TS
ausreichend
Mindestens 2 Kriterien für die Diagnose TS
erforderlich
Angiofibrome, sub-/periunguale Fibrome
(Koenen-Tumore), fibröse Plaques der Stirn
Zerebrale Anfälle, bes. BNS-Epilepsie
Kortikale Tuber
„Ash leaf spots“, weiße Flecken
Subependymale Verkalkungen
Shagreen-Flecken
Multiple retinale Hamartome
Rhabdomyome des Herzens
Multilokuläre bilaterale Zysten und Angiomyolipome der Nieren
Bildtafel 6: Nierenbeteiligung bei TSC
in Form von Nierenzysten und Angiomyolipomen – hier dargestellt mittels MRT.
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Lymphangiomatose der Lunge
Grübchenförmige Zahnschmelzdefekte
Nachweis von Symptomen bei einem
Familienmitglied
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Bildtafel 7: Leimyomatose der Lunge bei
TSC im HR-CT der Lungen koronar.
Veränderungen bei TSC (siehe Bildtafel 4). Zusammenfassung der Symptome siehe Tab. 1)
Klinische Symptome
Die wichtigsten klinischen Symptome der TSC sind die zentralnervösen Symptome, im Vordergrund stehen zerebrale
Anfälle und eine psychomentale Retardierung unterschiedlichen Ausmaßes. Zerebrale Anfälle bzw. eine manifeste Epilepsie kann sich bereits intrauterin oder im frühen Säuglingsalter manifestieren, kann aber auch in jeder anderen Altersphase auftreten. Besonders häufig ist das altersgebundene
West-Syndrom (Blitz-Nick-Salaam-Anfälle), in der Phase der
Kortikalisation (5. – 7. Lebensmonat). Häufig ist die Epilepsie
im Rahmen einer TSC therapieschwierig bis therapieresistent. Gerade beim West-Syndrom im Rahmen einer TSC ist
das Antiepileptikum Vigabatrin – ein irreversibler Hemmer
der GABA-Transferase – trotz der Gefahr einer Gesichtsfeldeinschränkung Mittel der 1. Wahl zur Therapie. Die Initialdosierung beträgt 100 mg/kg KG Vigabatrin, dessen Therapieeffekt in der Regel schon nach 1 Woche beurteilbar ist,
zügig kann dann weiter auf 150 mg/kg KG aufdosiert werden.
Die Prognose der Epilepsie bei TSC ist weniger günstig; gelegentlich ist ein epilepsiechirurgischer Eingriff erfolgreich.
Für die Gesamtentwicklungsprognose der Kinder ist die
Epilepsie von fundamentaler Bedeutung: Die mentale Prognose ist umso besser, je früher es gelingt, die Epilepsie erfolgreich zu behandeln, sei es medikamentös oder epilepsiechirurgisch, was nochmals unterstreicht, an eine mögliche
epilepsiechirurgische Therapieoption früh im Therapieplan
zu denken.
Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern mit TSC sind nicht
selten; 20 % der Kinder mit TSC sind autistisch bzw. zeigen
autismusnahe Verhaltensbesonderheiten. Mitbedingt durch
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Bildtafel 8: Kortikale Tuber in T1- und T2-Wichtung mit klassischen transmatle signs
und subependymalen Knötchen bei TSC.
die oft therapieschwierige Epilepsie ist ein
hoher Prozentsatz der Kinder mit TSC in
ihrer psychomentalen Entwicklung beeinträchtigt und bedarf einer multiprofessionellen Betreuung, wozu sich die speziellen
TSC-Zentren besonders eignen.
Pathologisch-anatomisch lassen sich
bei Kindern mit TSC charakteristische angeborene intrazerebrale Veränderungen
nachweisen (Bildtafel 8): Bei den bildgebenden Verfahren dominiert die kraniale MRT, die cCT ist zum Nachweis intra-
360
kranieller Verkalkungen sinnvoll. Die
Veränderungen variieren in ihrer Lokalisation und Größe; an der Hirnoberfläche bzw. in der grauen Substanz präsentieren sie sich als kortikale oberflächennahe
Tubera mit schweifähnlicher Ausdünnung
(transmantle sign) zum Ventrikel hin, die
in der Erstbeschreibung durch Bourneville und Pringle der Krankheit den Namen
„tuberöse Sklerose“ gaben, in der Tiefe des
Hirnes periventrikulär als subependymale Knoten.
Bei Neugeborenen zeigen sich die Veränderungen als Gyri, die im Vergleich zur
angrenzenden (unmyelinisierten) weißen
Substanz hyperintens auf T1-gewichteten
und hypointens auf T2-gewichteten MRTAufnahmen sind. Mit zunehmender Hirnreifung ändert sich das Erscheinungsbild:
Bei älteren Kindern ist das Zentrum der
Tubera hypointens auf T1-gewichteten Aufnahmen und hyperintens auf T2-gewichteten cMRT-Aufnahmen im Vergleich zu
weißer Substanz. Im reifen Hirn sind Tubera trotz möglicher Isointensität auf T1gewichteten Aufnahmen praktisch immer
hyperintens auf T2-gewichteten Aufnahmen. Die Fluid Attenuation Inversion Recovery (FLAIR)-Technik kann hilfreich sein,
wenn es darum geht, nicht nur zu klären,
ob Tubera vorhanden sind, sondern um
die Gesamtzahl aller vorhandenen Tubera
zu bestimmen. Tubera können in etwa 5 %
der Fälle Kontrastmittel aufnehmen. Eine
neoplastische Degeneration ist extrem selten. Die kortikalen Tubera sind gewöhnlich größer als die subependymalen Knoten
und grenzen sich durch ihre blassere Färbung gegen das umliegende Hirngewebe
ab. Histologisch sind die Veränderungen
gleich. Die Tubera können Riesenaxone
enthalten und lassen als Ausdruck der kortikalen Aufbaustörung die typische Hirnrindenarchitektur vermissen. Die Gliose
und gestörte Myelinisation innerhalb der
Tubera können sich auf die tieferen Hirnregionen ausdehnen. Die subependymalen
Knoten sind typischerweise um die Seitenventrikel lokalisiert, in der striothalamischen Falte zwischen dem Nucleus caudatus und dem Thalamus. Subependymale
Knoten sind primär gutartige Hamartome
aus mehrkernigen Riesenastrozyten und
großen Spindelzellen, sie sind scharf begrenzt und können sich bei entsprechender Größe in das Ventrikellumen vorwölben. Sie verkalken in der Regel früh.
Bei 5 – 15 % der TS-Patienten entwickeln
sich subependymale Riesenzellastrozytome (SEGA) (siehe Bildtafel 9). Dabei
handelt es sich um langsam wachsende
Tumoren, die sich in der Regel aus subependymalen Knoten des Nucleus caudatus
in der Nähe des Foramen Monroi entwi-
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ckeln, durch ihre Wachstumstendenz können sie den Seitenventrikel komprimieren
oder bei Obstruktion des Foramen Monroi zum Verschlusshydrozephalus mit der
Notwendigkeit einer therapeutischen Intervention führen. In 10 % der Fälle lassen
sich kortikale Tubera auch im Kleinhirn
nachweisen. Nach heutigen Untersuchungen besteht kein direkter Zusammenhang
zwischen der Schwere einer Epilepsie, der
mentalen Retardierung und dem Nachweis
zerebraler Veränderungen bei Kindern mit
TSC. So weisen 13 % der Patienten mit TSC
keine intrazerebralen Veränderungen auf
und haben dennoch eine Epilepsie oder ei-
ne mentale Retardierung. Autismus und
Grad der Behinderung korrelieren nicht
mit der Anzahl der kortikalen Tubera.
Weniger typische und seltene ZNSManifestationen sind supratentorielle
Parenchymzysten und zerebrale Aneurysmen. Zum Zeitablauf der Symptomenmanifestation siehe Tab. 3.
Diagnostik
Die Diagnose der TSC erfolgt oft nicht
aufgrund eines einzelnen Befundes, sondern setzt sich aus der Kombination der
oben im Detail aufgeführten Symptome
zusammen (Tab. 2). Aufgrund der erheb-
Bildtafel 9: Unterschiedliche Befunde bei Riesenzellatrozytom (SEGA) bei
TSC.
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Tab. 3: Altersabhängiges Auftreten der
einzelnen Merkmale bei TSC
Merkmal
Alter bei Auftreten
Weiße Hautflecken
(„ash leaf spots“)
Geburt
Kardiale Rabdomyome
Geburt
Rote Stirnplaques
Geburt
Kortikale Tuber
Geburt
Poliosis
Geburt
Shagreen-Fleck
Vorschul- Schulalter
Angiofibrom
Vorschul- Schulalter
Sub-/periunguale
Fibrome (KoenenTumore)
Adoleszenz – Erwachsenenalter
Angiomyolipom der
Nieren/Nierenzysten
Schulalter – Adoleszenz
Leiomyomatose der
Lunge
Erwachsenenalter/
Frauen
lichen klinischen Variabilität kann die Diagnose erschwert sein. Vielfach führt gerade im Kindesalter der erste zerebrale Anfall zur Abklärung zum Kinderarzt, der
dann aufgrund der typischen frühen kutanen Merkmale die diagnostischen Weichen stellen muss. Die Identifizierung eines der kutanen Merkmale bei TSC sollte stets zu einer gründlichen Befunderhebung führen, die fast immer weitere Symptome zutage fördert.
Die Diagnose TSC hat nicht nur therapeutische Konsequenzen, sondern erfordert auch immer eine genetische Beratung
der Familie, insbesondere bei oft schwer
mehrfach behinderten Kindern. Dazu
müssen beide Elternteile und bereits vorhandene Geschwister wegen der oft erheblichen intrafamiliären Variabilität äußerst
sorgfältig untersucht werden.
Diese Untersuchung sollte beinhalten:
◾ Hautinspektion im Wood-Licht,
◾ Untersuchung der Zähne,
◾ Augenhintergrundinspektion,
◾ gezielte Inspektion der Finger- und Zehennägel,
◾ Ultraschall des Herzens und des Abdomens und
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◾ zerebrale Bildgebung (cMRT).
Bei fehlendem innerfamiliärem Nachweis
TSC-spezifischer Merkmale liegt das Wiederholungsrisiko bei 2 %, ansonsten bei autosomal dominantem Erbgang bei 50 %.
Auf der Basis der molekulargenetischen
Befunde eröffnet die Zulassung von Everolimus mit einer Beeinflussung des mTORPathways zur Behandlung des wachsenden
Riesenzellastrozytoms neue zielorientierte
Behandlungsmöglichkeiten: Nicht nur das
Riesenzellastrozytom lässt sich im Wachstum aufhalten, sondern auch das Angiomyolipom und das Angiofibrom werden in
ihrem Wachstum gehemmt. Erste Berichte
lassen auch einen positiven Einfluss auf die
oft therapieschwierige Epilepsie vermuten.
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Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Gerhard Kurlemann
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