"Lautlose Krankheit mit schweren Folgen" aus der SZ/BZ

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Mittwoch, 19. August 2009
Sindelfingen/Böblingen: In der Klinik für Kardiologie geben die Mediziner alles dafür, den Blutdruck ihrer Patienten zu senken/ SZ/BZ-Serie „Gesund werden, gesund bleiben“ (5)
Lautlose Krankheit mit schweren Folgen
Von unserer Mitarbeiterin
Marie Kaspar
Fast jeder kennt die Leistungswerte
(PS) seines Autos. Viele schmeißen
mit den Auflösungswerten (Pixeln)
ihrer Digitalkameras nur so um sich.
Aber Hand aufs Herz: Wer kennt seine eigenen Blutdruckwerte? Die Ärzte in der Klinik für Kardiologie am Sindelfinger Krankenhaus plädieren für
mehr Eigenverantwortung.
chdruck
Heute: Blutho
Der Blutdruck bezeichnet den Druck,
mit dem das Blut durch die Arterien
strömt. Er wird durch zwei Kennzahlen,
den oberen und den unteren Wert, bestimmt. „Bei einem optimalen Blutdruck
bewegt sich der obere Wert im Bereich
120 und der untere im Bereich 80. Wird
der Druck in den Gefäßen auf Dauer zu
groß, sprich in Ruhephasen ab einem
Wert von 140 zu 90, spricht man von Hypertonie oder Bluthochdruck“, sagt
Dr. Horst Nebelsieck, der geschäftsführende Chefarzt der Kardiologie am Sindelfinger Krankenhaus.
Symptome des Bluthochdrucks seien,
sofern überhaupt vorhanden, sehr unspezifisch. So können Kopfschmerzen,
Schwindel oder Abgeschlagenheit ein
Hinweis sein. Aber auch Nervosität oder
Nasenbluten sind manchmal Alarmzeichen. „Häufig klagen Betroffene auch
über Herzklopfen, Brustschmerzen oder
Atemnot bei Belastungen wie dem Treppensteigen. Ein typisches Symptom für
Bluthochdruck kann auch morgendlicher
Kopfschmerz sein“, sagt der Chefarzt.
15 bis 20 Millionen Betroffene
Als Faktoren, die die Krankheit begünstigen, gelten Bewegungsmangel,
Übergewicht, übermäßiger Salz- und Al-
Nichts zu merken, bedeutet nicht, nichts zu haben: Bluthochdruck schleicht sich oft schmerzlos ein. Da hilft nur, regelmäßig seine Werte überprüfen zu lassen. Wer das schleifen lässt,
macht ein schlechtes Geschäft.
Bild: z
koholkonsum, genetische Veranlagung
und vor allen Dingen Stress. „In Deutschland sind Schätzungen zufolge 15 bis 20
Millionen Menschen von Bluthochdruck
betroffen, aber nur ein Bruchteil derer
weiß um die Krankheit oder ist
deshalb in medizinischer
Behandlung“, sagt Dr. Nebelsieck.
Manfred Guse ist da
um Längen voraus. Der 70-Jährige ist
seit 15 Jahren Bluthochdruckpatient und
bei Dr. Horst Nebelsieck in Behandlung.
Bei der Arbeit brach Manfred Guse der
Kreislauf wegen Bluthochdruck zusammen, seither hat er sein Leben neu strukturiert und achtet deutlich mehr auf seinen Körper. „Der Stress im Beruf war
die Hauptursache. Nachdem ich da kürzer getreten bin und medikamentös perfekt eingestellt wurde, waren und sind
alle Werte wieder im grünen Bereich“,
freut sich der Böblinger.
Ein Musterpatient
Bei Bluthochdruck hilft nur, konsequent die verschriebenen Tabletten einzunehmen.
Bild: z
Heute geht er einmal im Jahr zum
Check-up. Da fallen EKG, BelastungsEKG, Echokardiographie und Blutwertetest an. Heute ernährt sich der 70-Jährige
bewusst und nimmt konsequent zweimal täglich seine blutdrucksenkenden Mittel ein. „In 15 Jahren
kann ich an einer Hand abzählen, wie oft ich die Tabletten
vergessen
habe“, so Manfred
Guse.
„Ein
absoluter
Musterpatient. Und
leider oftmals die
Ausnahme“,
sagt
Dr. Nebelsieck. Bis auf wenige Fälle, in denen eine
konkrete organische Ursache für den Bluthochdruck ausgemacht
und behandelt werden kann, müssen
die meisten Patienten ähnlich wie bei
Diabetes ihr Leben lang die Medika-
Informationen zur Klinik
Das Interview: Dr. Horst Nebelsieck von der Klinik für Kardiologie
14 Ärzte und
12 000 Patienten
„Auch mancher 20- oder 30Jährige hat Bluthochdruck.“
Die Klinik für Kardiologie ist im
Sindelfinger Krankenhaus angesiedelt. Das Leistungsspektrum umfasst
Koronare Herzkrankheit, Herzklappenfehler, Herzrhythmusstörungen,
Herzkatheterdiagnostik, interventionelle Kardiologie und die Implantation von Herzschrittmachern. Im Jahr
behandelt das 19-köpfige Ärzteteam
4000 Patienten stationär. Die Klinik
hat 60 Betten. Zum Ärzteteam gehören: geschäftsführender Chefarzt Dr.
Horst Nebelsieck, Chefarzt Dr. Wolfgang Rupp, die Oberärzte Dr. Andreas Spieß, Dr. Krum Petrov und Dr. Ulrich Pfeilsticker sowie zwölf Assistenzärzte. Die Klinik verfügt über
zwei voll ausgestattete Herzkatheterlabore.
Die Sprechstunden:
Die Sprechstunden der Kardiologie
sind Dienstag- und Donnerstagnachmittag von 13.30 bis 16 Uhr und Freitagvormittag von 10 bis 13 Uhr. Alle
Sprechstunden finden nur nach Vereinbarung unter den folgenden Nummern statt: Anmeldung für die ambulante Sprechstunde unter Telefon
0 70 31 / 98 123 22. Anmeldung für die
stationäre Sprechstunde unter Telefon 0 70 31 / 98 119 32.
–mk –
Von unserer Mitarbeiterin
Marie Kaspar
Bei bis zu 20 Millionen Menschen in
Deutschland fließt das Blut im Hochdruck durch den Körper. Nur wenige
wissen um ihre Krankheit. Dr. Horst
Nebelsieck rät, regelmäßig zu Haus-,
Betriebs- oder Schularzt zu gehen.
Wer muss auf seinen Blutdruck achten
und wie wirkt sich Sport aus? Die SZ/BZ
hat mit Dr. Horst Nebelsieck, dem geschäftsführenden Chefarzt der Kardiologie am Sindelfinger Krankenhaus, gesprochen.
Ist Bluthochdruck eine reine Alterserkrankung?
Dr. Horst Nebelsieck (Bild: z): „Absolut nicht. In Deutschland haben nahezu 50
Prozent aller Menschen über 70 Jahren
erhöhte Blutdruckwerte, was auch daran liegt, dass die
Elastizität der Gefäße
nachlässt und so der
Druck nicht mehr ausreichend abgefedert
wird. Es gibt auch genügend 20 oder 30-Jährige, die von der Krankheit betroffen sind,
aber nie auf die Idee kommen, sich einmal
durchchecken zu lassen.“
Wie erkennt man selber Bluthochdruck?
Dr. Horst Nebelsieck: „Oftmals gar nicht
oder erst sehr spät, da die Symptome sehr
unspezifisch sind und sich nur sehr schleichend einstellen. Daher kann ich jedem nur
empfehlen, regelmäßig zum Haus-, Betriebsoder auch Schularzt zu gehen, bevor Folgeerkrankungen entstehen. Um ganz sicher zu
gehen, kann im Verdachtsfall eine sehr
exakte, ambulante automatische 24-Stunden-Messung veranlasst werden.“
Stimmt es, dass gerade die Morgenstunden
gefährlich sind?
Dr. Horst Nebelsieck: „Ja, circa eine Stunde vor dem Aufstehen steigt der Druck in
den Gefäßen hormonell gesteuert messbar
an. Der Körper beginnt, sich so für die Aktivität am Tag einzustellen. Akute Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall
treten daher häufig morgens auf.“
Sport und Bluthochdruck: Verträgt sich
das?
Dr. Horst Nebelsieck: „Absolut, ein gut
eingestellter Bluthochdruckpatient darf und
soll sogar Sport treiben. Gemäßigter Ausdauersport beispielsweise wirkt regulierend
auf den Kreislauf. Nur exzessiver Kraftsport
geht nicht. Bei Gewichthebern wurden im
Wettkampf schon Spitzenwerte von über
350 gemessen, dass das nicht hilfreich ist,
kann sich wohl jeder denken.“
mente einnehmen, um den Blutdruck zu
regulieren.
„Da die Betroffenen oftmals keine
Schmerzen und kaum Symptome aufweisen, ist der Leidensdruck äußerst gering. Viele gehen erst gar nicht zum Arzt
oder setzen die verschriebenen Blutdrucksenker nach kurzer Zeit wieder ab,
weil es ihnen augenscheinlich besser
geht“, so der Chefarzt. Dabei seien die
Medikamente heutzutage sehr effektiv
und gut verträglich und können schwerwiegende Folgeerkrankungen verhindern.
Sich selbst Druck machen
Von denen kann Dr. Nebelsieck ein
Lied singen: „Zwischen dem Beginn des
Bluthochdrucks und dem Auftreten von
hochdruckbedingten Folgeerkrankungen können oft Jahrzehnte liegen. Aber
wenn die Patienten dann zu uns in die
Klinik kommen, liegen häufig schon
massive Gefäß-, Herz- oder Nierenschädigungen vor, bis hin zu lebensgefährlichen Komplikationen, wie Herzinfarkt,
Schlaganfall oder Nierenversagen“.
Durch die jahrelange Überbelastung
entwickele der Betroffene nicht selten
eine chronische Herzschwäche, wodurch
sich auch der Blutdruck scheinbar wieder normalisiere. Dr Nebelsieck: „Ein
schlechtes Geschäft auf Kosten der eigenen Gesundheit. Dabei wäre es so einfach, Bluthochdruck zu erkennen und zu
behandeln, indem man regelmäßig seine
Werte überprüfen lässt. Man muss sich
eben nur selbst etwas Druck machen.“
Bild: Bilderbox
M
SZ/BZ-Serie „Gesund werden, gesund bleiben“
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Ohne Gesundheit
ist alles nichts. 2001
belegten Studien des
Forschungsinstituts
Allensbach, dass 50
Prozent der Deutschen bei dem Wörtchen Glück spontan
an Gesundheit dachten. Je älter der
Mensch, desto mehr
setzt er sich mit seiner Gesundheit auseinander. Wichtigster Ansprechpartner
sind da die Ärzte.
Welche Fachrichtungen decken die
Krankenhäuser Sindelfingen und Böblingen ab? Wie verläuft die Behandlung, wie erkennt der
Laie, dass er betroffen ist, und was kann
er selbst tun? Antworten finden Sie in der SZ/BZ-Sommerserie von August bis Ende September.
Mittwochs und freitags informiert die SZ/
BZ mit Lesegeschichten, Interviews und
Informationskästen über die Kliniken an
den Krankenhäusern Sindelfingen und
Böblingen. Zur Serie bietet die SZ/BZ
Abonnements unter den Mottos „Zehn
Wochen lesen, fünf Wochen sparen“ und
„Vier Wochen lesen, zwei Wochen sparen“
an. Sie können diese unter Telefon
0 70 31 / 862 252 oder unter www.szbz.de
im Internet bestellen.
In der nächsten Folge geht es um Diabetes bei Kindern. Oberarzt Dr. Lutz
Feldhahn behandelt die Zuckerkrankheit
in der Kinderklinik in Böblingen bei jungen Patienten.
– fs –
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