Glioblastom - Universitätsklinikum Münster

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Weiterbildung für die Pflege in der Onkologie (DKG)
Kurs 2013/2015
Hausarbeit
Glioblastom
Marc Blom
eingereicht am 08.09.2014
Universitätsklinikum Münster. – Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie
und Pflege in der Onkologie
Inhaltsverzeichnis
1.
Kurzfassung .............................................................................................................. 3
2.
Einleitung ................................................................................................................. 4
3.
Krankheitsursachen ................................................................................................. 6
4.
Anamneseerhebung .................................................................................................. 6
5.
Symptome .................................................................................................................. 7
6.
Diagnostik ................................................................................................................. 8
6.1
Liquordiagnostik ................................................................................................ 8
6.2
Radiologische Diagnostik .................................................................................. 9
6.3
Histologie ........................................................................................................... 9
7.
Präoperative Behandlung ........................................................................................ 9
8.
Allgemeine Empfehlungen zur Glioblastomtherapie ............................................ 10
9.
8.1
Operative Therapie .......................................................................................... 10
8.2
Strahlentherapie............................................................................................... 11
8.3
Chemotherapie (Pharmakotherapie) ............................................................... 13
Rezidivsituation ...................................................................................................... 13
10. Gliomatosis cerebri ................................................................................................. 15
11. Die Rolle der komplementären Methoden in der Behandlung von Hirntumoren15
12. Supportivtherapien ................................................................................................. 16
13. Spezielle klinische Symptome ................................................................................ 17
13.1 Hirndruck ......................................................................................................... 17
13.2 Thrombose ....................................................................................................... 17
13.3 Epileptische Anfälle im Verlauf der Erkrankung ............................................. 18
13.4 Kognitive Veränderungen ................................................................................ 18
13.5 Psychische Veränderungen .............................................................................. 19
14. Lebenssituation nach Therapie.............................................................................. 20
14.1 Nachsorge ........................................................................................................ 20
14.2 Rehabilitation................................................................................................... 20
14.3 Palliativsituationen .......................................................................................... 21
14.4 Sterbephase ...................................................................................................... 22
15. Schlussfolgerung .................................................................................................... 22
16. Literaturverzeichnis................................................................................................ 24
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1:
Inzidenz, Geschlechts- und Altersverteilung höhergradiger Gliome…...5
Tabelle 2:
Überlebensraten 2 und 5 Jahre nach Erstdiagnose eines
primären Hirntumors...............................................................................6
Tabelle 3:
Klinische Symptome bei Diagnosestellung eines zerebralen Glioms...…7
Tabelle 4: ... Tumorlokalisation und deren bedeutsamen klinische Symptome……....19
Abbildungsverzeichnis (s. Anhang 1):
Abbildung 1: Präoperative MRT-Aufnahme eines Glioblastoms
Abbildung 2: Fluoreszenzgestützte operative Resektion bei einem Glioblastom
3
1. Kurzfassung
In der Hausarbeit zum Thema „Glioblastom“ können sich Laien und Interessierte über
diese Erkrankung informieren. In der vorliegenden Arbeit werden in dem ersten Teil
medizinisches Grundwissen aufgeführt, gefolgt von den derzeitigen Therapiesäulen.
Hierbei wird bereits auf die pflegerischen, sozialen sowie neurologischen und psychiatrischen Probleme hingewiesen, welche in dem zweiten Teil der Arbeit genauer
veranschaulicht werden. Insbesondere wird auch auf die für die Familienangehörigen,
Freunde und Bekannte häufig schwierigen Probleme hingewiesen, die oftmals mit den
Pflegenden zusammen gelöst werden müssen.
Somit stellt diese Arbeit einen Überblick zum Thema Patienten mit Glioblastom dar, in
der der Leser sich mit den für diese Erkrankungen typischen klinischen Symptomen
auseinandersetzen kann, um sich dann mit den damit einhergehenden alltäglichen
Schwierigkeiten, krankheitsbedingten Komplikationen und den verbundenen psychosozialen Konfliktsituationen besser auseinandersetzen zu können.
Glioblastom – FWB Pflege in der Onkologie – Marc Blom – August 2014
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2. Einleitung
2010 erkrankten 477.300 Menschen in Deutschland neu an Krebs. Das sind etwa 7.500
Patienten mehr als 2008. Für das Jahr 2014 erwarten die Wissenschaftler rund 500.900
neue Krebserkrankungen. Betrachtet man alle Tumorerkrankte insgesamt, so machen
Menschen mit Hirntumoren nur etwa 2% der Krebspatienten aus [Robert-KochInstitut,1]. Die durchschnittliche Häufigkeit an einem bösartigen, primären Hirntumor
zu erkranken, liegt in Europa bei 3 pro 100.000 pro Jahr in Deutschland bei 8,3 von
100.000 Menschen (Männer: 9,0 von 100.000, Frauen 7,7 von 100.000) [2]. Zu diesen
Tumoren zählen bösartige Tumorarten des ZNS, wie z.B. Glioblastome, anaplastische
Astrozytome, anaplastische Meningeome.
Hirntumoren
gehen
sehr
häufig
von
den
sogenannten
Gliazellen
im
Zentralnervensystem aus, deswegen ist ein viel genutzter Überbegriff „Gliome“. Unter
dem Begriff höhergradige oder maligne Gliome werden die WHO-Grad-III- und -IVTumoren zusammengefasst, d. h. Glioblastome sowie anaplastische Astrozytome,
Oligodendrogliome und Oligoastrozytome. Zu dieser Tumorgruppe gehören 78 % aller
malignen ZNS-Tumoren. Glioblastome machen 15%-20% der intracranialen Tumore
aus, [3], somit sind sie der häufigste hirneigene Tumor des Erwachsenen [4].
Andere Hirntumore enstehen nicht vom glialen Gewebe: Ependymome entspringen vom
Deckgewebe des Nervensystems, die Meningeome sind wiederum Tumoren der
sogenannten Meningen, der Hirn- und Rückenmarkshäute. Weitere Untergruppen von
Hirntumoren können in den Hirnnerven entstehen, dazu zählen zum Beispiel
Schwannome, Neurinome oder Neurofibrome [5,6].
Das Glioblastom kann an mehr als einer Stelle im Gehirn auftreten. Beim Glioblastom
werden eine primäre und eine sekundere Genese unterschieden. Primäre Tumore
enstehen innerhalb von 3 Monaten ohne vorbekannte weniger maligne Vorstufen.
Dagegen entwickeln sich sekundäre Glioblastome aus niedrig maligneren Vorstufen,
vorwiegend Astrozytomen WHO Grad II und III [7].
Nach Batzdorf und Malamud [8] werden multifokale von multizentrischen Tumoren
unterschieden. Multifokale Tumore enstehen dabei durch Streuung der Tumorzellen
über vorhandene anatomische Strukturen im Gehirn, wie in der Region der weißen
Hirnsubstanz. Im Gegensatz dazu sind multizentrische Glioblastome getrennte
Tumorherde in unterschiedlichen Hirnlappen oder -hemisphären, z.B. in der rechten
oder/und linken Hirnhemisphäre [2,9].
Glioblastom – FWB Pflege in der Onkologie – Marc Blom – August 2014
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Die meisten Glioblastome enstehen surpra-tentoriell, zumeist ist der Temporal- und
Frontallappen betroffen. Infratentorielle Glioblastome sind bei Erwachsenen sehr selten;
sie kommen bei ca. 1%-2% aller Glioblastompatienten vor [10,11].
Die Inzidenz, Geschlechts- und Altersverteilung höhergradiger Gliome kann
tabellarisch wie folgt dargestellt werden.
Tabelle 1( modifiziert nach Blom)[12,13,22]
Tumorentität
Glioblastom
Anaplastisches Astrozytom
Anaplastisches Oligoastrozytom
Anaplastisches Oligodendrogliom
1
pro 100000 Personen pro Jahr
Inzidenz1
2-5
0,25-0,5
0,06
0,19-0,7
M/W
1,34-1,5
1,09-1,8
0,57-1,3
1,5-3,33
Mittleres Alter
53-62,2
41-45,5
48,2
48,7-50,4
Bei Kindern sind die Glioblastome im Vergleich zu anderen Krebserkrankungen
häufiger als bei Erwachsenen. Sie stellen 7-9% alle ZNS-Tumore im Kindesalter.
Auffällig ist, dass bei Kindern unter 11 Jahren ausschließlich der Hirnstamm und das
Kleinhirn betroffen sind, während bei Kindern über dem 11. Lebensjahr die Tumoren
zumeist im Großhirn lokalisiert sind [14,15].
Für die meisten Erkrankten besteht die Empfehlung der Fachgesellschaften, sich nur in
spezialisierten Zentren behandeln zu lassen. In solchen Zentren arbeiten Fachleute mit
großer Erfahrung aus verschiedenen Arbeitsfeldern. Dazu gehören beispielsweise die
Experten, die sich in der Neuroonkologischen Arbeitsgemeinschaft e.V. (NOA)
innerhalb der Deutschen Krebsgesellschaft organisiert haben und organisierte
Patientenportale (z.B. www.gliomnetzwerk.de und www.hirntumorhilfe.de).
Trotz erheblicher Fortschritte in der Behandlung ist die Prognose höhergradiger Gliome
weiterhin ungünstig. Die medianen Überlebenszeiten schwanken zwischen einem und
3,5 Jahren [16]. Allgemein anerkannte prognostische Indikatoren beim Glioblastom sind
das Patientenalter und der Allgemeinzustand des Patienten (Karnowski-Index), sowie
der Resektionsgrad nach einer operativen Intervention [17]. Eine vollständige Resektion
geht dabei mit einem verlängertem Überleben einher [18,19].
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Die 2-und 5-Jahres Überlebensraten können der folgenden Tabelle entnommen werden.
Tabelle 2: Überlebensraten 2 und 5 Jahre nach Erstdiagnose eines primären
Hirntumors [13]
Tumor
Pliozytrisches
Astrozytom
Diffuses
Astrozytom
Oligodendrogliom
Anaplastisches
Astrozytom
Anaplastisches
Oligodendrogliom
Glioblastom
2-Jahres Überleben
(%)
97
5-Jahres Überleben
(%)
92
61
47
90
79
42
27
65
47
12
5
3. Krankheitsursachen
Risikofaktoren und Ursachen für die Entstehung von Hirntumoren sind überwiegend
unbekannt. Nach derzeitigem Wissensstand führen weder Umweltfaktoren, Ernährungsgewohnheiten, seelische Belastungen, Stress noch elektromagnetische Felder im
Frequenzbereich des Mobilfunks zu einem höheren Hirntumor-Risiko [17,20].
4. Anamneseerhebung
Bei der Anamneseerhebung sind die ersten, durch den Tumor bedingten Symptome und
deren weitere Entwicklung relevant. Die Anamnese kann Risikofaktoren wie
Immunschwäche
oder
differenzialdiagnostisch
chronische
in
Frage
Alkoholkrankheit
kommende,
erfassen,
nichttumoröse
die
für
Raumforderungen
Bedeutung haben. Je nach psychopathologischem Status des Patienten kommt der
Fremdanamnese größeres Gewicht zu. Klinische Verdachtssymptome für eine
intrakranielle Raumforderung sind neu auftretende fokale oder generalisierte
zerebralorganische Krampfanfälle, neurologische Herdsymptome, Persönlichkeitsveränderungen und Zeichen erhöhten Hirndrucks [12].
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5. Symptome
Symptome bzw. Anzeichen, die einen Hirntumor ausgelösen kann, sind sehr vielfältig
und abhängig von der Lokalisation des Tumors [21]. Sie können als einzelnes Symptom
oder auch durch verschiedene klinische Erscheinungsformen auftreten.
Tabelle 3: Klinische Symptome bei Diagnosestellung eines zerebralen Glioms [22]
Symptom
Kopfschmerz
Epilepsie
Mentale Veränderungen
Papillenödem
Hemiparese
Erbrechen
Dysphasie
Bewusstseinsstörung
Sehstörung
Hemihypästhesie
Hirnnervenparese
Häufigkeit (%)
71
54
52
52
43
32
27
25
18
14
11
Wie man der o.g. Tabelle entnehmen kann, ist bei über 70% der Hirntumorpatienten mit
Kopfschmerzen zu rechnen. Auch wenn sich immer wieder typische Zeichen für den
besonderen Kopfschmerz dieser Patientengruppe finden, nämlich morgendliche
Kopfschmerzen mit Übelkeit und Erbrechen, gelingt es im Alltag kaum, diese Art
Kopfschmerzen von alltäglichen Kopfschmerzen wie Spannungskopfschmerzen oder
Migräne zu unterscheiden [23].
Hirndruck an sich tritt eher selten auf [23,24]. Im Falle der Hirndrucksteigerung zumeist
wegen tumorbedingter Liquorabflußstörungen müssen medikamentöse Massnahmen
gegen daß Hirnödem getroffen werden, wie z.B. die intravenöse Gabe von Kortison.
Falls dies nicht oder nur bedingt Wirkung zeigen sollte können auch Analgetika nach
dem WHO-Stufenschema eingesetzt werden [25]. Bei Gabe von zentralen Analgetika,
wie z.B. den Opioiden, ist jedoch Vorsicht geboten, da kognitive Nebenwirkungen,
insbesondere bei kognitiv vorgeschädigten Betroffenen, neu auftreten können und somit
nicht mehr von den tumorbedingten kognitiven Störungen unterschieden werden
können. Desweiteren können auch anamnestisch alle Formen der Bewusstseinsstörung
(Benommenheit bis zum Koma) und eine klinisch manifeste Stauungspapille (Ödem der
Netzhaut des Auges) oder eine weite Augenpupille im Aufnahmestatus auftreten. Auch
Glioblastom – FWB Pflege in der Onkologie – Marc Blom – August 2014
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ist ein verlangsamter Puls als Ausdruck des fortschreitenden Hirndrucks in der Literatur
beschrieben worden [26].
Neurologische Ausfälle treten bei der Diagnose Glioblastom im Rahmen der
Erstdiagnose häufig auf [22]. Neben dem Taubheitsgefühl (in einer Körperhälfte, an
einzelnen Gliedmaßen), Muskelschwäche und Lähmungserscheinung, Schwindel,
Schwerhörigkeit, Sprachstörung, Schluckstörung, Sensibilitätsstörung (z.B. bezüglich
Hitze, Kälte, Druck oder Berührung), Sehstörung (z.B. verschwommen Sehen,
Gesichtsfeldausfälle) [22] können auch epileptische Anfälle Vorboten der Diagnose
sein. Diese können in Form von einfachen fokalen Anfällen, komplexen fokalen
Anfällen bis hin zu den generalisierten Anfällen in Erscheinung treten. Epileptische
Anfälle sind bei 20–40% der Hirntumorpatienten als Erstsymptom zu verzeichnen. Im
Verlauf leiden etwa 50% unter epileptischen Anfällen [27].
Aufgrund der diversen Möglichkeiten der Lokalisation des Glioblastoms, insbesondere
im Frontal- und Temporallappen, sind psychische Veränderungen bei diesen Patienten
nicht selten. Diese treten in Form von
Persönlichkeitsveränderung (z.B. leichte
Reizbarkeit, erhöhte Ablenkbarkeit), Veränderung der psychischen Gesundheit (Depression, Apathie, Angst), Beeinträchtigung des Gedächtnisses (Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit) und Desorientierung auf [22].
6. Diagnostik
6.1 Liquordiagnostik
Einfach zu erhebende Parameter wie z. B. die Bestimmung eines gliomassoziierten
Proteins im Serum stehen nicht zur Verfügung. Bei der differenzialdiagnostischen
Abgrenzung einer entzündlichen Erkrankung einschließlich Hirnabszess, eines primären
zerebralen
Lymphoms,
eines
zerebral
metastasierenden
Tumors
oder
eines
Keimzelltumors oder zum Nachweis einer Liquoraussaat kann die Liquordiagnostik
wesentliche Hinweise geben. Insbesondere bei steigendem Hirndruck muss entschieden
werden, ob eine Entlastung durch Anlage einer Liquordrainage von Nöten ist. Bei
symptomatischen Anfällen kann ein EEG für die weitere Therapieplanung hilfreich sein
[23].
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6.2 Radiologische Diagnostik
Bei Verdacht auf einen Hirntumor stehen zwei diagnostische Verfahren zur Verfügung.
Neben der Kernspintomographie als Methode der Wahl, kann
auch die
Computertomographie, insbesondere bei Kontraindikationen für die MRT Diagnostik
(Herzschrittmacher, Klaustrophobie, schlechter Allgemeinzustand, Endoprothesen)
eingesetzt werden [28-30].
6.3 Histologie
Die unterschiedlichen Arten der Tumoren des zentralen Nervensystems werden nach
verschiedenen Gesichtspunkten kategorisiert und systematisch geordnet. Die genaue
Klassifikation ist Grundlage für die optimale Wahl der Therapie und die Abschätzung
des Krankheitsverlaufes. Diese Aspekte liegen der WHO-Klassifikation zugrunde, deren
aktuelle Version aus dem Jahre 2007 stammt [5]. Von Seiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden vier verschiedene Tumorgrade unterschieden. Diese
Beurteilung
basiert
auf
neuropathologisch-anatomischen,
histologischen
und
genetischen Tumormerkmalen. Der WHO Grad I entspricht einem langsam
wachsenden, gutartigen Tumor, beim WHO Grad IV handelt es sich dagegen in der
Regel um einen schnell wachsenden, besonders bösartigen Tumor, wie z.B. das
Glioblastom.
Molekularpathologisch
können
Chromosomenveränderungen
im
Tumorgewebe
nachgewiesen werden, die jedoch zum jetzigen Zeitpunkt als prognostischer Marker
angesehen werden, jedoch noch nicht für das Therapieansprechen verwendet werden
können [31-33]. Im Gegensatz dazu, steht mit der Bestimmung der Methylierung der
Promoterregion der O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT-Gens) ein
zweiter molekularer Parameter zur Verfügung, der klinische Bedeutung erlangt hat [34].
7. Präoperative Behandlung
Die Erstellung eines neuroonkologischen Therapiekonzepts setzt eine morphologische
Diagnostik voraus.
Stereotaktische Biopsien führen bei mehr als 90% aller Patienten zu einer sicheren
Diagnose. Sie sind mit Morbiditätsraten von 3-4% und Mortalitätsraten unter 1%
assoziiert [35,36]. Wichtig für die Entscheidungsfindung zum geplanten Eingriff sind
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Art und Ausmaß neurologischer Defizite und die Wahrscheinlichkeit ihrer Besserung
durch den Eingriff. Einschränkungen bestehen hier vor allem für offene Operationen.
Empfehlungen bezüglich Indikation und Kontraindikation sind schwierig, da die
Erhaltung von Funktion und gesunder Struktur neben der Lage des Tumors weitgehend
von der angewandten operativen Technik und der Erfahrung des Operateurs bzw. des
Zentrums abhängig ist. Generell gilt, dass zusätzliche neurologische Defizite zu
vermeiden sind und dass für den Patienten alltäglich zu erbringende Leistungen (z.B.
Gehen, Stehen, Fingerfertigkeit) erhalten bleiben sollen. Der Allgemeinzustand des
Patienten, vor allem Alter und Begleiterkrankungen, kann die Therapiemöglichkeiten
ebenfalls begrenzen [37-39].
8. Allgemeine Empfehlungen zur Glioblastomtherapie
Die aktuelle Standardbehandlung besteht in der möglichst vollständigen Operation,
sowie einer anschließende simultane Radiochemotherapie, gefolgt von einer
Chemotherapie-Erhaltungstherapie. Im Falle des Tumorprogresses kommen eine
erneute operative Intervention, eine erneute simultane Radiochemotherapie oder eine
alleinige
palliative
Radiochemotherapie
oder
andere
Systemtherapien
(z.B.
Angioneogenesehemmer) in Frage [34,41-43a,b].
8.1 Operative Therapie
Ziel der operativen Therapie ist eine vollständige Tumorentfernung, da eine
vollständige Resektion mit einem verlängerten Überleben einhergeht [21,40,41]. Der zu
entfernender Tumor wird im präoperative MRT als Areal der Kontrastmittelaufnahme in
der T1-gewichteten MRT-Aufnahme definiert (s. Abbildung 1, Anhang 1). Für die
intraoperative Tumorlokalisation können Neuronavigation, Ultraschalldiagnostik, MRT
und fluoreszenzgestützte Verfahren nützlich sein. Der Nutzen der fluoreszenzgestützten
Resektion mit 5-Aminolävulinsäure (ALA) hat sich bestätigt, sodass dies in die
neurochirurgische OP-Technik vielfach aufgenommen wurde (fluoreszenzgestützte
Resektion) (s. Abbildung 2, Anhang 1) [40].
Sinn des Eingriffes ist die Beseitigung der druckbedingten klinischen Symptome.
Weitere Faktoren, welche die Indikationsstellung zur offenen Resektion beeinflussen,
sind Alter und klinischer Zustand des Patienten. Generell geht man bei der
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Indikationsstellung von einer oberen Altersgrenze von 70 Jahren und einem KarnowskiIndex von 70 aus. Bei sehr gutem klinischem Zustand können auch Patienten über 70
Jahre von dem Eingriff profitieren.
Zur Bestimmung und Dokumentation des Ergebnisses der operativen Resektion sowie
zum Nachweis möglicher postoperativer Frühkomplikationen ist innerhalb der ersten 72
Stunden ein postoperatives MRT ohne und mit Kontrastmittel anzustreben. Wenn die
MRT nicht verfügbar ist oder Kontraindikationen vorliegen, sollte zumindest eine CT
ohne und mit Kontrastmittel erfolgen.
8.2 Strahlentherapie
Indikation und Durchführung der Strahlentherapie richten sich nach der histologischen
Gradierung (WHO-Klassifikation) und nach Prognoseparametern wie Alter, KarnofskyIndex und Radikalität der Operation [44,45].
Die Strahlentherapie (RT) gehört sowohl nach kompletter Resektion als auch nach
Teilresektion
als
adjuvante oder
additive Therapie
für alle
Patienten zur
Standardbehandlung maligner Gliome. Im Vergleich zur alleinigen Operation wird
durch die kombinierte neurochirurgische und strahlentherapeutische Behandlung bei
Glioblastomen eine Verlängerung der medianen Überlebenszeit von vier bis fünf
Monaten auf neun bis zwölf Monate erreicht. Mit den Ergebnissen der EORTC-Studie
26981–22981 [46], die die alleinige Strahlentherapie mit der Kombination aus Strahlentherapie und begleitender und erhaltender (adjuvanter) Chemotherapie mit Temozolomid bei Patienten bis zu 70 Jahren mit Karnofsky-Index von mindestens 60 verglich,
wurde ein neuer Standard für die Primärtherapie des Glioblastoms definiert [47].
Aktuelle
Strategien
für
die
Primärtherapie
konzentrieren
sich
auf
neue
Dosierungsschemata für Temozolomid [48] oder darauf, Temozolomid mit anderen
Substanzen, u. a. Nitrosoharnstoffen [49] zu kombinieren. Temozolomid verlängerte die
mediane Überlebenszeit von 12,1 Monate auf 14,6 Monate und erhöhte die 2-JahresÜberlebensrate von 10% auf 26% [50,51] Vor allem Patienten mit Glioblastomen, die
eine Methylierung des O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT)-Gens
aufweisen, profitierten von der zusätzlichen Chemotherapie mit Temozolomid. In dieser
Gruppe betrug die 2-Jahres-Überlebensrate 46% [52]. Auch bei Patienten mit
nichtresektablen Tumoren führt die Radiochemotherapie mit Temozolomid bei
Patienten mit Methylierung des MGMT-Promotors zu einer Verlängerung der
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Überlebenszeit im Vergleich zu Patienten ohne MGMT-Promoter-Methylierung (104
vs. 28 Wochen) [54].
Die dreidimensionale (3D-)Bestrahlung basiert auf den Daten der Computer- (CT) und
Kernspintomographie (MRT). Bei nicht-resezierten malignen Gliomen entspricht das
Tumorvolumen in der Regel dem Kontrastmittel-aufnehmenden Areal. Bei operierten
Patienten wird in der Zielvolumendefinition der präoperative Ausgangsbefund
berücksichtigt. Die Gesamtdosis beträgt 60 Gy in 2-Gy-Einzeldosis, 5 x pro Woche
[50]. Korrelationen zwischen den Tumorveränderungen in der MRT und den
stereotaktischen
Biopsien
haben
gezeigt,
dass
die
Ausdehnung
der
Kontrastmittelaufnahme mit der Tumorausdehnung nicht immer identisch ist.
Tumorzellen befinden sich häufig auch in der sogenannten Ödemzone und sogar
darüber hinausgehend in den benachbarten hirnisointensen Bereichen. Unter diesem
Gesichtspunkt ist, insbesondere bei diffus wachsenden Gliomen mit kaum oder nicht
nachweisbarer Blut-Tumor-Schranken-Störung, eine Erweiterung des Zielvolumens auf
den Kontrastmittel-aufnehmenden Bereich plus „Ödemzone“ plus 1,5–2 cm
Sicherheitsabstand sinnvoll [50].
Bei Patienten mit eingeschränkter Prognose (Karnofsky-Index < 70 und/oder Alter > 70
Jahre) ist eine Hypofraktionierung mit erhöhten Einzeldosen (Gesamtdosis 42 Gy,
Einzeldosis 3 Gy, 5 x pro Woche) sinnvoll [54]. Bei diesen Patienten verlängert die
Strahlentherapie ohne relevante Beeinträchtigung der Lebensqualität die mediane
Überlebenszeit gegenüber alleiniger supportiver Therapie deutlich. [55].
Dosiseskalationen über eine Tumordosis von 60 Gy hinaus haben keine Verbesserung
der
lokalen
Tumorkontrollraten
erbracht.
Die
Effizienz
eines
zusätzlichen
Tumorboostes nach Strahlentherapie in Form einer stereotaktischen Einzeitbestrahlung
oder einer Brachytherapieist bisher nicht belegt und mit einer höherensymptomatischen
Radionekroserate belastet. Neuere Methoden der fokussierten Strahlentherapie, z. B.
stereotaktische Strahlentherapie, Radiochirurgie, intensitätsmodulierte Radiotherapie
(IMRT) oder bildgeführte Strahlentherapie (Image-guided radiotherapy) erlauben eine
Dosiseskalation bzw. bessere Normalgewebeschonung gegenüber konventioneller
dreidimensionaler Strahlentherapie. Ein Überlebensvorteil bei Einsatz dieser Methoden
wurde bisher nicht belegt [56].
Glioblastom – FWB Pflege in der Onkologie – Marc Blom – August 2014
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8.3 Chemotherapie (Pharmakotherapie)
Der Stellenwert der Chemotherapie bei der Therapie maligner Gliome ist abhängig von
der Tumorentität und dem Alter sowie dem Gesamtzustand des Patienten. Temozolomid
hat aufgrund seiner besseren Verträglichkeit und oralen Verfügbarkeit. In den letzten
Jahren die älteren Nitroseharnstoffprotokolle eher in die Rezidivtherapie verdrängt.
Unter
der
Chemotherapie
sind
regelmäßige,
in
der
Regel
wöchentliche
Blutbildkontrollen erforderlich. Temozolomid wird in der Regel gut vertragen. Da es
aber selten zu schweren Leberschädigungen kommen kann, werden regelmäßige
Kontrollen der Leberwerte empfohlen. Bei Verdacht auf die seltene Temozolomidinduzierte Alveolitis soll die Medikamentengabe unterbrochen, bei Sicherung der
Diagnose
definitiv
abgesetzt
werden.
Vor
allem
nach
Anwendung
von
Nitrosoharnstoffen (ACNU, BCNU, CCNU) kann es zu Leuko- und Thrombopenien
kommen, die je nach Behandlungsprotokoll eine Dosisreduktion oder einen Wechsel
des Therapieschemas nötig machen. Insbesondere die Behandlung mit BCNU birgt das
Risiko der Entwicklung von Lungenfibrosen. In zahlreichen Indikationen wurden die
Nitrosoharnstoffe durch Temozolomid verdrängt. In klinischer Erprobung befinden sich
derzeit verschiedene antiangiogene Substanzen. Lediglich Bevacizumab, ein Antikörper
gegen VEGF, besitzt eine Zulassung für verschiedene Tumoren, einschließlich des
rezidivierten Glioblastoms in den USA, Kanada und u.a. der Schweiz. Zur
Überwachung der Chemotherapie sollte eine Dokumentation per Chemotherapiepass
erfolgen, in dem die Ergebnisse der wöchentlichen Blutbildkontrollen und besondere
Vorkommnisse eingetragen werden [49,50-52,57].
9. Rezidivsituation
Bei der Beurteilung, ob ein Rezidiv oder eine Progression nach Primärtherapie vorliegt,
vor allem in der ersten MRT nach Strahlentherapie, sollte die Möglichkeit der
Pseudoprogression berücksichtigt werden. Die „Response Assessment in NeuroOncology working group“ hat Kriterien abgestimmt, die helfen, diese Unterscheidung
vorzunehmen, und bietet gleichzeitig einen Konsens für die Beurteilung der Progression
unter antiangiogener Therapie. Die Pseudoprogression, eine scheinbare Größenzunahme
des Tumors bei Vergrößerung des kontrastmittelaufnehmenden Areals, kann ein
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differenzialdiagnostisches Problem vor allem bei der ersten Kontrolluntersuchung
maligner Gliome nach der Strahlentherapie sein [59].
Bei Nachweis des Rezidivs stehen – mit Ausnahme der Strahlentherapie – prinzipiell
die gleichen Behandlungsoptionen wie in der Primärtherapie zur Verfügung und sind
offen zu prüfen. Angesichts der begrenzten Lebenserwartung und des oftmals
beeinträchtigten klinischen Zustandes des Patienten müssen diese Therapien jedoch
noch strenger als in der Primärsituation unter dem Blickwinkel des erwarteten
Zugewinns an Lebenszeit und Erhalts der Lebensqualität hin betrachtet werden. In
Abhängigkeit vom klinischen Zustand des Patienten sollten zunächst lokale
Therapieoptionen geprüft werden, welche bei umschriebenen, nicht aber bei diffusen
Rezidiven in Frage kommen. Hier ist als erstes die operative Resektion zu nennen,
deren Indikation mit der gleichen Zielsetzung wie in der Primärsituation gestellt werden
sollte. Ergänzend zur operativen Resektion kann eine Implantation von Carmustinwafern (Gliadel®) durchgeführt werden. Im Rezidiv sollte grundsätzlich eine
Reoperation in Betracht gezogen werden. Sie erscheint bei etwa 30% der Patienten
sinnvoll, insbesondere bei ausgeprägter Raumforderung, nicht-eloquenter Lokalisation
und längerem Intervall zur Erstoperation. Zudem kommt wie für die anaplastischen
Gliome ausgeführt eine zweite Strahlentherapie in Frage, am ehesten in Form einer
stereotaktischen
hypofraktionierten
Strahlentherapie
[59]
oder
bildgeführten
Strahlentherapie.
Im Rezidiv ist auch der Wert der Chemotherapie belegt. Mit Temozolomid wurden ein
mittleres progressionsfreies Intervall von etwa 11 Wochen und ein progressionsfreies
Überleben nach 6 Monaten von 21% erzielt [60]. Möglicherweise lässt sich dieses
Ergebnis durch Dosisintensivierung [61] oder die Kombination mit anderen Substanzen
verbessern. Die interstitielle Chemotherapie mit BCNU (Gliadel) zeigte in einer
randomisierten Studie nur einen marginalen Effekt und wird deshalb nicht als
Rezidivtherapie außerhalb klinischer Studien empfohlen [62].
Bei Fehlen klinischer Hinweise auf Progression oder Rezidiv werden im ersten Jahr
MRT-, bei Kontraindikation CT-Kontrollen-, in mindestens 3-monatigen Abständen
empfohlen, bei längerem Verlauf ohne Zeichen der Progression oder des Rezidivs
können diese Abstände verlängert werden.
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10. Gliomatosis cerebri
Die Gliomatosis cerebri ist ein seltener primärer Hirntumor, der in der WHOKlassifikation 2000 in die Gruppe der glialen Tumoren unbekannten Ursprungs
eingeordnet ist. Er ist durch eine diffuse Infiltration neoplastischer, astro- oder
oligodendroglial differenzierter Zellen in das umliegende Gewebe charakterisiert.
Seit der Erstbeschreibung 1938 durch Nevin sind bislang nur etwa 300 Fälle in der
Weltliteratur veröffentlicht worden. Die Erkrankung tritt meist um das vierte
Lebensjahrzehnt auf, manifestiert sich in Einzelfällen aber auch im Kindes- oder
Seniorenalter. Ohne spezifische Therapie liegt die mediane Überlebenszeit bei elf
Monaten, wobei allerdings eine erhebliche Variabilität mit einem Überleben bis zu 16
Jahren im Einzelfall beschrieben wurde [63] Inwieweit durch eine Radio- und/oder
Chemotherapie die Prognose verbessert wird, ist bislang nicht ausreichend prospektiv
untersucht worden, allerdings gibt es in der Literatur zunehmend Hinweise auf eine
gewisse Wirksamkeit beider Therapiemodalitäten.
11. Die Rolle der komplementären Methoden in der
Behandlung von Hirntumoren
Gerade bei unheilbaren Erkrankungen besteht oft der Wunsch der Betroffenen und
Angehörigen selbst etwas gegen die Erkrankung zu unternehmen und nichts unversucht
zu lassen. Somit setzen Patienten häufig Hoffnungen in Naturheilmittel, pflanzliche
Medikamente, Homöopathie und andere sanfte Methoden. Typische Beispiele für
komplementäre
Methoden
sind:
Kräuterpräparate,
Homöopathie,
Ernährungs-
umstellung, Chinesische Medizin, Qigong, Akupunktur, Akupressur, Hyperthermie,
Ayurveda, chinesische Medizin und schamanische Mittel. Viele dieser Verfahren
werden begleitend oder ergänzend zur Standardtherapie angewendet, jedoch fehlt in
vielen Fällen der wissenschaftliche Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit.
Unter der Vorstellung einer allgemeinen Immunstimulation werden z. B. Mistel- und
Thymusextrakte oder Eigenblut-Zytokine gegeben. Darüber hinaus werden häufig
hochdosiert Vitamine und Spurenelemente verabreicht (z. B. Vitamin- A- und –D
Abkömmlinge, aber auch Vitamin C und E sowie Selen). Studien, welche die
Wirksamkeit dieser Substanzen belegen, gibt es bislang allerdings nicht. Die
Behandelnden, die täglich mit dem Patienten zu tun haben, werden häufig mit der Frage
Glioblastom – FWB Pflege in der Onkologie – Marc Blom – August 2014
16
konfrontiert ob, solche komplementären Maßnahmen Wirkung zeigen. Hier ist es
wesentlich diese Informationen in gemeinsamen interdisziplinären Gesprächen zu
klären,
ob
diese
Therapieformen
eventuelle
Wechselwirkungen
mit
der
Standardtherapie entwickeln oder bereits aufgrund der Unkenntnis bisher unklare
Nebenwirkungen nun erklärbar sind.
Das Extrakt der indischen Weihrauchpflanze Boswellia serrata (Handelsname H15) ist
ein Beispiel für ein Präparat der Komplementärmedizin mit antiphlogistischer Wirkung.
Die in diesem Extrakt enthaltenen Boswellia- Säuren hemmen die 5-Lipoxygenase und
sind dadurch wirksam. H15 wird häufig mit dem Ziel eingesetzt, Steroide einsparen zu
können [64].
12. Supportivtherapien
Diese Art der Therapie richtet sich nicht direkt gegen das Tumorwachstum, sondern
behandelt Beschwerden und Symptome die entweder durch das Tumorleiden oder durch
die Behandlung entstehen.
Typische Indikationen für eine supportive Therapie sind tumorspezifische Symptome
(Hirndruck, Kopfschmerz, Anfälle), im Zusammenhang mit der Tumorbehandlung
stehende Komplikationen (Erbrechen, Schmerzen, Infekte, Thrombosen, Blutbildveränderungen) oder psychische Probleme.
In weit fortgeschrittenem Erkrankungsstadium decken sich definitionsgemäß supportive
und palliative Therapiemaßnahmen. Die Erhaltung von Lebensqualität sollte jedoch bei
Erkrankungen mit raschem Verlauf immer im Vordergrund der therapeutischen
Überlegungen stehen [65a].
Vermeiden von epileptischen Anfällen, Therapie des chronischen Hirnödems,
Vermeiden von Übelkeit und Erbrechen und Thromboseprophylaxe, Schmerzbehandlung, Therapie des Psychosyndroms, Hilfsmittel bei Bettlägerigkeit.
Glioblastom – FWB Pflege in der Onkologie – Marc Blom – August 2014
17
13. Spezielle klinische Symptome
13.1 Hirndruck
Bei primär erhöhtem Hirndruck mit Einklemmungsgefahr als Manifestation eines
Gliomleidens sind Sofortmaßnahmen der Hirndrucktherapie angezeigt. Diese bestehen
in der Gabe hoher Dosen von Kortikosteroiden und ggf. Osmotherapeutika. Wegen der
erheblichen Nebenwirkungen bei chronischer Behandlung mit Kortikosteroiden ist die
Indikation zu einer Fortführung der Kortikosteroidtherapie immer wieder kritisch zu
prüfen. Bei Beseitigung der Raumforderung und Rückbildung des Hirnödems ist ein
Ausschleichen der Steroide innerhalb der ersten Wochen nach Operation anzustreben.
Im Rahmen einer sich eventuell anschließenden Strahlentherapie wird die
Kortikosteroidtherapie, falls nach Maßgabe der Radioonkologie erforderlich, in
niedrigerer Dosierung wieder aufgenommen.
Bei fehlendem raschem Ansprechen kann ggf. auch eine Notoperation zur
Dekompression
notwendig
werden.
Ob
solche
Maßnahmen
bei
bekannter
Gliomerkrankung im Verlauf nach bereits erfolgter spezifischer Tumortherapie indiziert
sind, hängt von der individuellen Konstellation und von der weiteren Verfügbarkeit
tumorspezifischer Therapiekonzepte über die Krisenintervention hinaus ab.
13.2 Thrombose
Etwa 20 % der Hirntumorpatienten erleiden venöse Thrombosen oder daraus
resultierende Lungenembolien im Verlauf ihrer Erkrankung [65]. Begünstigende
Faktoren sind die Lähmungen der Hirntumorpatienten und die daraus resultierende
eingeschränkte Mobilität, aber auch Auswirkungen des Hirntumors auf das
Gerinnungssystem. Hinzu kommen die Thrombose fördernden Effekte mancher
Therapien,
wie
zum
Beispiel
die
der
Kortisonpräparate.
Deshalb
erfolgen
prophylaktische Maßnahmen wie Heparingabe [66] oft großzügig und sind selbst in
fortgeschritteneren Krankheitsphasen noch sinnvoll. Bei Patienten mit Gliomen besteht
postoperativ eine erhöhte Thromboemboliegefahr, die höher einzuschätzen ist als das
postoperative Risiko bei anderen Erkrankungen [67].
Glioblastom – FWB Pflege in der Onkologie – Marc Blom – August 2014
18
13.3 Epileptische Anfälle im Verlauf der Erkrankung
Eine vorausschauende Kommunikation mit Betroffenen und Angehörigen ist hier von
wesentlicher Bedeutung, damit die Patienten von der Situation epileptischer Anfälle
nicht
überrumpelt
werden.
Patienten
wie
Angehörige
sollten
daher
über
Sofortmaßnahmen bei epileptischen Anfällen informiert werden. Vor allem muss über
die Gefahrlosigkeit epileptischer Anfälle gesprochen werden, um Panik zu vermeiden,
da der Anblick epileptischer Anfälle eine große Belastung für Angehörige bedeutet. Aus
medizinischer Sicht sollte wegen des hohen Wiederholungsrisikos eine Therapie der
epileptischen Anfälle bereits nach dem ersten Anfall erfolgen [68a,b].
Der Einsatz von Antikonvulsiva nach der Biopsie oder Operation eines supratentoriellen
Glioms wird national und international unterschiedlich gehandhabt. Tritt postoperativ
kein Krampfanfall auf, so ist der Versuch des Ausschleichens der antikonvulsiven
Medikation spätestens nach 3 Monaten zu empfehlen. Fortlaufende Krampfanfälle
machen in der Regel eine dauerhafte Antikonvulsivatherapie erforderlich [69]. Zu den
wichtigsten Medikamenten zählen Carbamazepin, Valproinsäure und Phenytoin,
Levetiracetam, Gabapentin, Lamotrigin und Topiramat.
13.4 Kognitive Veränderungen
Kognitive Veränderungen haben den größtmöglichen Einfluss auf die Lebensqualität
und werden in ihrer Bedeutung unterschätzt. Sie ergeben sich sowohl durch den Tumor
selbst, als auch durch Nebenwirkungen der Behandlung. So führen sowohl
Strahlentherapie als auch Chemotherapie, Antikonvulsiva, Kortisonpräparate oder
Schmerzmedikamente
(z.B.
aus
der
Gruppe
der
Opioide)
zu
kognitiven
Nebenwirkungen. Auch Infekte oder Stoffwechselentgleisungen, aber auch Zustände
nach
epileptischen
Beeinträchtigungen.
Anfällen
Es
ist
(postiktale
im
Alltag
Zustände)
schwer,
den
führen
Grund
zu
für
kognitiven
kognitive
Beeinträchtigungen auszumachen. Abhängig von der Tumorlokalisation kommt es zu
unterschiedlich gearteten kognitiven Einschränkungen.
Glioblastom – FWB Pflege in der Onkologie – Marc Blom – August 2014
19
Tabelle 4: Tumorlokalisation und deren bedeutsamen klinische Symptome [22]
Lokalisaton
Frontalpol
Medialer Frontallappen
Frontales Augenfeld
Gyrus praecentralis
Parietallappen
Gyrus angularis
Lateraler Frontallappen (Area44)
Gyrus supramarginalis (Area 39)
Temporallappen
Hypothalamus/Hypophyse
Thalamus
Mittelhirn
Pons
Klinische Symptome
Kritikminderung, Gedächtnisstörungen, Apathie,
verringerte Aufmerksamkeitsspanne, vermehrte
Ablenkbarkeit, Primitivreflexe
Gangapraxie, Urininkontinenz
Horizontale Blickparese zur Gegenseite,
sakkadierte Blickfolge, epileptische Anfälle
Fokal-motorische (Jackson-)Anfälle,
Hemiparese
Fokal-sensible Anfälle, Hemihypästhesie,
Anosognosie, Hemineglect, kontralaterale
Quadrantenanopsie
Gerstmann-Syndrom (Agraphie, Dyskalkulie,
Fingeragnosie, Rechts-Links-Störung)
Broca-Aphasie
Wernicke-Aphasie
Fokale epileptische Anfälle
Bitemporale Gesichtsfelddefekte, Visusstörung,
Endokrinophatie (selten)
Déjerine-Roussy-Syndrom, Hemiparese,
homonyme Hemianopsie
Parinaud-Syndrom, Pupillenstörungen,
Doppelbilder, Ptosis, Hydrozephalus,
Hemiparese, akinetischer Mutismus, ParkinsonSyndrom (selten)
Hirnnervenläsion Nn. V-VIII, Hemiparese,
zerebelläre Ataxie, Locked-in-Syndrom
13.5 Psychische Veränderungen
Psychische Belastungszeichen sind schwer von der „organischen“ Störung durch den
Tumor oder die Therapien zu unterscheiden. Jedoch sind Angst und Depression bei
dieser Krankheitsgruppe häufig. Statistiken zeigen interessanterweise, dass diese
Symptome hier aber nicht häufiger sind als bei anderen chronisch neurologisch
Erkrankten. Betroffene erleben Verluste körperlicher Fähigkeiten, psychische
Veränderungen, soziale Veränderungen durch Einschränkungen im Lebensvollzug und
Kontakten. Verständlicherweise bedeutet dies eine erhebliche psychische Belastung
[70].
Glioblastom – FWB Pflege in der Onkologie – Marc Blom – August 2014
20
14. Lebenssituation nach Therapie
14.1 Nachsorge
Die weiteren klinischen Nachkontrollen hängen vom Malignitätsgrad und von der
gewählten postoperativen Therapie ab und sollten interdisziplinär festgelegt werden
Eine eindeutige Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Fachdisziplinen sowie die
Definition des zentralen Ansprechpartners für Patienten und Angehörige im weiteren
Verlauf der Erkrankung ist empfehlenswert. Der Bedarf für Rehabilitation,
psychoonkologische Betreuung und Hilfsmittel sollte möglichst früh geprüft werden.
Gleichwertig neben den Maßnahmen der Symptomkontrolle steht die intensive
psychosoziale Unterstützung sowohl der Patienten als auch der pflegenden
Angehörigen. Dazu gehören die Organisation der häuslichen Versorgung, die
Hilfsmittelversorgung, das Einbinden palliativmedizinisch spezialisierter Ärzte,
Pflegedienste und Hospizhelfer, falls erforderlich, und ggf. die Einweisung auf eine
Palliativstation oder in ein stationäres Hospiz.
Die Häufigkeit psychosozialer Belastung und von Störungen, die sich nicht auf die
Patienten beschränken, sondern auch nahe Angehörige regelhaft mit einbeziehen,
erfordert die psychosoziale und ggf. neuropsychologische und psychiatrische
Diagnostik aller Patienten bei Diagnosestellung sowie bei Veränderung im Verlauf. Bei
Feststellung behandlungsbedürftiger psychischer Komorbidität ist eine qualifizierte und
angemessene psychotherapeutische und ggf. medikamentöse anxiolytische und
antidepressive Behandlung indiziert. Die psychosoziale Diagnostik und Unterstützung
von Patienten und Angehörigen ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Behandlung aller
Patienten.
14.2 Rehabilitation
Während und vor allem nach Abschluss der tumorspezifischen Therapie eines Glioms
ist die Indikation zu einer Rehabilitation zu prüfen. Art und Ausmaß der
Rehabilitationsmaßnahmen hängen nicht nur vom neurologischen Zustand, sondern
auch von Alter und Lebenssituation des Patienten und dem zu erwartenden biologischen
Verhalten des Tumors ab. Je nach Rehabilitationsbedürftigkeit kommt eine stationäre,
teilstationäre oder ambulante Rehabilitation im Anschluss an die Primärbehandlung in
Frage. Dabei stehen zunächst Rehabilitationsmaßnahmen im Vordergrund, die auf die
Glioblastom – FWB Pflege in der Onkologie – Marc Blom – August 2014
21
Verbesserung der neurologischen und neuropsychologischen Defizite abzielen. Durch
Lähmungen, Koordinationsstörungen kommt es bei den meisten Betroffenen früher oder
später zu Immobilität mit Abhängigkeit von Anderen und Pflegebedürftigkeit. Eine
Studie von Huang et al. zeigt, dass Betroffene mit Hirntumor ebenso von Rehabilitationsmaßnahmen profitieren wie Patienten mit traumatischer Hirnschädigung. [71].
Insbesondere fühlen sich die Patienten auch nach erfolgreicher Rehabilitation im Leben
deutlich eingeschränkt, insbesondere weil die Mobilität wie vor dem Ausbruch der
Erkrankung zumeist deutlich eingeschränkt ist: Bei präoperativen Anfällen und
postoperativer Anfallsfreiheit wird das Autofahren in Deutschland in der Regel
frühestens ein Jahr nach der Operation wieder gestattet. Die Erlaubnis zum Führen von
Fahrzeugen der Gruppe 2, u.a. LKW und Personenbeförderung, kann meist nicht wieder
erteilt werden [72].
14.3 Palliativsituationen
Die
Betroffenen
leiden
neben
körperlichen
Symptomen
an
Persönlichkeits-
veränderungen und daraus folgend Änderungen ihrer Rolle in der Gesellschaft, Familie,
Partnerschaften und Freundschaften. Das (familiäre) Umfeld ist dadurch ganz erheblich
belastet und bedarf unserer Unterstützung, Anleitung und besonderen Fürsorge.
Aufgrund der oft zeitlich sehr kurz aufgetretenen Symptome und der oft damit
verbundenen Hilflosigkeit des Patienten und seiner Angehörigen erschwert dies dann
die Möglichkeit, die Diagnose mitzuteilen und eine Vorsorgeplanung zu beginnen. Ein
Aufschub
der
Diagnosemitteilung
gefährdet
die
Autonomie
der
Patienten
Kortisonpräparate bieten oft die Chance, durch die „Ausschwemmung“ des Ödems
kurzfristig die kognitive Situation soweit zu verbessern, dass eine Diagnosemitteilung
und Vorsorgeplanung mit dem Patienten möglich wird [73].
Eine frühzeitige palliative Mitbetreuung erscheint gerade bei der häufig schlechten
Prognose und geringen Heilungschancen der Hirntumorpatienten besonders wichtig
[74], insbesondere, da die Patienten häufig durch die Entscheidungsfähigkeit
einschränkenden Symptomen belastet sind [75]. Die Patienten haben nicht nur viele
schwierig behandelbare Symptome wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen,
Hirndruck oder epileptische Anfälle, sondern leiden außerdem an deutlichen kognitiven,
sprachlichen, emotionalen Einbußen sowie möglicherweise auch gleichzeitig an
erheblichen Lähmungen und Koordinationsstörungen. Gerade bei kognitiv-sprachlichen
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22
Barrieren, die eine Symptomerfassung deutlich erschweren, müssen oft andere Wege
der Symptomerfassung, wie etwa die Beurteilung des körpersprachlichen Ausdrucks
wählen.
14.4 Sterbephase
Laut Bausewein et al. [74] sind die Hauptsymptome in der Sterbephase Schläfrigkeit
(84%),
Schmerz (33%), „Todesrasseln“ (18%), epileptische Anfälle (9%), Unruhe
(9%). 85% der untersuchten Patienten starben ruhig. In den restlichen 15% wurden
Symptome nicht ausreichend behandelt. Die angegebenen Zahlen ermutigen, dass es mit
palliativen Maßnahmen der Symptombehandlung gelingen sollte, ein ruhiges Sterben zu
ermöglichen. Es gilt einfühlsam das zu beobachten, was Betroffene uns im alltäglichen
Dialog an (körpersprachlichen, emotionalen) Reaktionen zeigen und was wir daraus
über ihren aktuellen Willen in Erfahrung bringen können, auch wenn sie auf der
sprachlichen Ebene nicht mehr mit uns kommunizieren können. Im juristischen
Vokabular wird diese Kategorie an Willensentscheidungen natürlicher Wille genannt.
Sie ist unscharf, schwer zu interpretieren, aber aktuell. Sie muss mitberücksichtigt und
mit dem mutmaßlichen Willen korreliert werden, damit eine möglichst gute und
aktuelle
Entscheidung
resultieren
kann.
Patientenverfügungen
und
Vorsorge-
vollmachten können hilfreich sein, da sie den mutmaßlichen Willen verdeutlichen
helfen [75].
15. Schlussfolgerung
Im Laufe des zweijährigen Weiterbildugskurses „Pflege in der Onkologie“ bekommt
jeder Weiterbildungsteilnehmer die Aufgabe gestellt eine Hausarbeit zu einem von ihm
frei wählbaren Thema zu schreiben. Diese Hausarbeit ist Teil der Abschlussprüfung und
wird innerhalb des Kurses im theoretischen Teil der Weiterbildung vorgestellt. Ich habe
das Thema Glioblastom gewählt, da dieses Krankheitsbild einen Behandlungsschwerpunkt unserer Abteilung darstellt.
Angehörige von Menschen mit Hirntumoren sind extrem belastet, zudem sie oft dem
fortschreitendem Verfall zu schauen müssen. Angehörige müssen letztendlich oft stellvertretend entscheiden, wenn Patienten ihre Entscheidung nicht mehr verständlich
mitteilen können. Dies stellt eine weitere Herausforderung für die Angehörigen dar. Ihre
Glioblastom – FWB Pflege in der Onkologie – Marc Blom – August 2014
23
eigenen Wünsche müssen sie dann manches Mal zurück stellen, um für die Erkrankten
möglichst gute Stellvertreter sein zu können. Gerade in diesem Spannungsfeld arbeiten
wir Pflegenden, sei es auf der Station oder in der Ambulanz, als Vermittlungsstelle und
wichtiges Bindeglied zwischen den einzelnen Berufsgruppen und dem Patienten sowie
den Angehörigen. Für mich ist es eine Herausforderung diesem Krankheitsbild und all
seinen Facetten im täglichen Stationsgeschehen neu zu begegnen.
Danken möchte ich allen Kollegen sowie meiner Familie, die mich vor und während der
Erstellung der Arbeit unterstützt und motiviert haben.
Glioblastom – FWB Pflege in der Onkologie – Marc Blom – August 2014
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Anhang 1:
Abbildung 1: Präoperative MRT-Aufnahme eines Glioblastoms. Die MRT
(Kernspintomographie) als Areal der Kontrastmittelaufnahme in der T1Wichtung definiert
Abbildung 2: Fluoreszenzgestützte operative Resektion bei einem Glioblastom:
intraoperative Markierung des Primärtumors (Glioblastom) mit 5Aminolävulinsäure (ALA, roter Bezirk) (Bildgenehmigung von Prof.
Dieter Woischneck, Chefarzt der Neurochirurgie am Klinikum Landshut
(Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilian-Unibversität
München Großhadern), eine Patientengenehmigung lag vor.
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