Hoher Bedarf für neue Therapiekonzepte

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Pharma Report
Glioblastom
Hoher Bedarf für neue Therapiekonzepte
© Springer Verlag GmbH
Die Prognose von Patienten mit Glioblastom ist schlecht: Zwei Jahre nach der Neudiagnose leben
nur noch 9 % der Betroffenen. Trotz intensiver Forschung und Entwicklung konnten nur sehr geringe
Fortschritte hinsichtlich einer Verbesserung der Überlebensraten erreicht werden.
Impressum
„Das Glioblastom – Pathophysiologie
und antiangiogene Therapie“
Pressegespräch, Frankfurt/Main, 17. Juli 2013
Rationaler Ansatz
für die Therapie des Glioblastoms
Interview
Berichterstattung:
Dr. Silke Wedekind, Frankfurt/Main
Corporate Publishing (verantwortlich):
Ulrike Hafner,
Dr. Michael Brysch, Dr. Katharina Finis,
Dr. Friederike Holthausen, Sabine Jost,
Ann Köbler, Dr. Claudia Krekeler,
Inge Kunzenbacher, Dr. Christine Leist,
Dr. Sabine Lohrengel, Dr. Ulrike Maronde,
Dr. Annemarie Musch, Dr. Monika Prinoth,
Yvonne Schönfelder, Dr. Petra Stawinski,
François Werner, Teresa Windelen
Report in „Der Onkologe“
Band 19, Heft 10, Oktober 2013
Mit freundlicher Unterstützung der
Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
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Das Glioblastom ist der häufigste,
maligne primäre Hirntumor des
Erwachsenenalters. Trotz intensiver Anstrengungen, eine effektive
Methode zur Behandlung dieser
Tumoren zu finden, ist die Prognose für die Betroffenen nach wie vor
sehr schlecht: Das 2-Jahres-Überleben liegt bei 9 %, das 5-JahresÜberleben bei 3 % [1]. Glioblastome sind hochmaligne Tumoren
mit invasivem Wachstumsmuster
und werden von der World Health
Organization (WHO) als Grad-IV
eingestuft.
Neurologischer
­Symptomenkomplex
Ein Glioblastom kann bei Männern
und Frauen in jedem Lebensalter
auftreten, betrifft aber in erster Linie Erwachsene ab dem 50. Lebensjahr mit dann stetig steigendem
­Risiko, wie Prof. Dr. Michael Weller,
Zürich, Schweiz, berichtete [1, 2].
Die häufigsten Zeichen für einen
Hirntumor, und damit auch für ein
Glioblastom, sind Kopfschmerzen,
kognitive Störungen sowie neurologische Ausfälle (Tabelle 1) [3]. Daneben gebe es zahlreiche weitere
neurologische Symptome, wie z. B.
Bewusstseins- und Augenbewegungsstörungen, Gedächtnisverlust, Persönlichkeits- und Sprachveränderungen sowie Verwirrtheit
und Orientierungslosigkeit, die jedoch nicht spezifisch für das Glioblastom sind. „Nicht selten werden
Glioblastome bei älteren Menschen
erst sehr spät diagnostiziert, weil
die Symptome als Zeichen einer demenziellen Störung fehlgedeutet
werden“, so Weller.
Keine der gegenwärtig verfügbaren Optionen zur Behandlung des Glioblastoms ist kurativ, und nahezu alle Patienten versterben an ihrer Erkrankung [1]. Bei
der Therapie werden daher folgende Ziele verfolgt:
F S ymptomkontrolle,
F Erhalt der Körperfunktionen
und der Lebensqualität,
F Verlängerung des progressionsfreien Intervalls,
F Verlängerung des Überlebens.
Ein wichtiges weiteres Ziel im Therapieverlauf ist es, den Bedarf
für Begleittherapeutika, wie z. B.
Anti­epileptika und Glucocorticoide, zu reduzieren, da diese einen
maßgeblichen Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten ausüben können. „Der Erhalt der Lebensqualität spielt beim Glioblastom auch deshalb eine noch größere Rolle als bei anderen Tumoren, weil die Krankheit schwerwiegende Ausfallerscheinungen und
Symptome verursacht“, betonte
Weller.
Multimodale Therapie
Die Behandlung des Glioblastoms hat sich in den vergangenen Jahrzehnten schrittweise
fortentwickelt, wobei jeder Fortschritt einen inkrementellen Zugewinn an Überlebenszeit mit sich
gebracht hat: „Pro Dekade wurde
ein Plus von etwa einem Monat
erreicht“, ergänzte der Neurologe [4, 5]. Gegenwärtig wird in der
Primärtherapie des neu diagnostizierten Glioblastoms ein multimodaler Behandlungsansatz verfolgt:
Kombiniert wird die chirurgische
Resektion mit dem Ziel der möglichst maximalen Entfernung des
Primärtumors mit einer Radiotherapie sowie mit systemisch verabreichtem Temozolomid (Abb. 1)
[4]. Trotz der Verbesserungen der
Tabelle 1 Niedriggradige Gliome und hochgradige oder maligne Gliome
verursachen fokale (z. B. Hemiparese) und generalisierte (z. B. Kopfschmerzen)
neurologische Symptome
betroffene Patienten (%)
Symptom
niedriggradiges Gliom
malignes Gliom
Kopfschmerz
40
50
epileptischer Anfall
65–95
12–25
Hemiparese
5–15
30–50
Bewusstseinsstörungen
10
40–60
modifiziert nach [3]
Abb. 1 Aktuelle Behandlungsstrategie bei Patienten mit Glioblastom:
Strahlentherapie mit gleichzeitiger sowie adjuvanter Temozolomid-Gabe
Strahlentherapie mit
gleichzeitiger systemischer
Temozolomid-Therapie*
R
0
6
adjuvante Temozolomid-Therapie
10
14
18
22
26
30 Wochen
alleinige Strahlentherapie
Temozolomid: täglich 75 mg/m2 Körperoberfläche per oral für 6 Wochen, dann 150–200 mg/m2 Körperoberfläche per oral an Tag 1–5 eines 28-tägigen Zyklus für insgesamt 6 Zyklen
fokale Strahlentherapie täglich – 30 × 200 cGy (Gesamtdosis: 60 Gy)
*Pneumocystis-carinii-Pneumonie-Prophylaxe bei Patienten in der Phase mit gleichzeitiger Stahlentherapie und
Temozolomid-Behandlung; R=Randomisierung
modifiziert nach [4]
Pharma Report
Behandlungsergebnisse, die sich
für Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom insbesondere durch die Zugabe des Alkylans
ergeben haben, ist der Bedarf an
neuen, wirksameren Therapieoptionen nach wie vor hoch.
Patienten mit Glioblastom benötigen außerdem eine umfangreiche supportive Therapie, z. B.
Antiepileptika gegen die Krampfanfälle und Steroide zur Behandlung vom tumorbedingten Hirnödem. Insbesondere die Glucocorticoid-Dauertherapie kann die
Patienten jedoch enorm belasten
und ihre Lebensqualität deutlich
beeinträchtigen.
Neue Behandlungskonzepte
Hauptkennzeichen des Glioblastoms ist die massive Vermehrung
von Blutgefäßen, die den Tumor
mit Sauerstoff und Glukose versorgen. Die Bildung dieser Gefäße wird hauptsächlich durch die
tumorspezifische Ausschüttung
von VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) hervorgerufen
[6]. Diese Beobachtung legt die
Vermutung nahe, dass eine AntiVEGF-Therapie bei dieser Erkrankung eine antitumorale Aktivität
zeigen könnte. Dementsprechend
befinden sich derzeit verschiedene antiangiogene Wirkstoffe in
der klinischen Prüfung.
Gleichzeitig gibt es verschiedene
Entwicklungen, für die prognostische und prädiktive Biomarker
eine Rolle spielen. So wurde die
MGMT (O6-Methylguanin-Methyltransferase)-Methylierung beim
Glioblastom als unabhängiger prädiktiver Faktor etabliert: Patienten
mit methyliertem MGMT-Promotor
haben generell eine bessere Prognose als diejenigen mit unmethyliertem Promotor. MGMT ist ein Reparaturenzym, das durch Alkylanzien verursachte Schäden an der
DNA rückgängig macht. So kann
es den Zelltod verhindern. Die Aktivität des MGMT-DNA-Reparaturgens wird durch die Methylierung
des MGMT-Promotors – der Region, die für die Steuerung der Expression des Gens verantwortlich
ist – herabgesetzt, wodurch die
Reparatur der beschädigten DNA
beeinträchtigt wird.
Literatur
1.Preusser M et al.,
Ann Neurol 2011, 70:9–21
2.Ohgaki H, Kleihues P,
Cancer Sci 2009, 100:2235–2241
3.DeAngelis LM,
N Engl J Med 2001, 344:114–123
4.Stupp R et al.,
N Engl J Med 2005, 352:987–996
5.Walker MD et al.,
J Neurosurg 1978, 49:333–343
6.Merrill MJ, Oldfield EH,
J Neurosurg 2005, 103:853–868
Rationaler Ansatz für die Therapie des Glioblastoms
Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Wick, Abteilung Neuroonkologie an der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg
Herr Professor Wick, wie schätzen Sie die Entwicklung der
Versorgung des neu diagnostizierten Glioblastoms ein?
Wick: In den letzten Jahren haben sich vor allem die neurochirurgischen Operationstechniken weiterentwickelt, sodass heute immer mehr Patienten gut und sicher operiert
werden können. Darüber hinaus ist die Planung für die
Strahlentherapie sorgfältiger geworden, und ihre Nebenwirkungen haben sich im Verlauf der letzten 10 bis 15 Jahre
deutlich verringert. Ein enormer Fortschritt wurde schließlich durch die Einführung von Temozolomid in die Glioblastom-Therapie erreicht. Für Patienten mit
neu diagnostizierter Erkrankung, die jünger als 70 Jahre sind, ist nach der chirurgischen Resektion des Tumors eine Radiotherapie mit systemisch verabreichtem Temozolomid heute der allgemein akzeptierte Therapiestandard. Fortschritte für die Versorgung von Patienten mit Glioblastom hat meiner Ansicht
nach auch gebracht, dass das Interesse für die Erkrankung in den Therapiezentren gewachsen ist und dass die Betroffenen deshalb länger und intensiver behandelt und versorgt werden. Noch vor zehn Jahren wurden die Patienten nach
der Diagnose und Primärtherapie oft ausschließlich der hausärztlichen Weiterbetreuung überlassen. Heute bleiben sie länger in einem spezialisierten Zentrum und werden dementsprechend auch besser versorgt. Wenn es möglich ist,
erhalten die Patienten zudem häufiger Zweit- und Drittlinientherapien.
das Glioblastom letztendlich eine Gehirnerkrankung ist, dass also im gesamten
Gehirn verteilt einzelne Tumorzellen vorliegen. Dieses Reservoir an Tumorzellen lässt sich operativ oder strahlentherapeutisch nicht erreichen, sondern nur
systemisch. Zurzeit fokussieren wir uns jedoch noch immer zu stark auf die lokale Therapie. Die Vorstellung, dass dem Tumor das entspricht, was man mithilfe der bildgebenden Diagnostik darstellen kann, halte ich für naiv. Dass es lange
keine Innovationen in der Therapie gegeben hat, liegt auch an den spezifischen
Eigenschaften von Hirntumorzellen. Selbst in der Petrischale widersetzen sie
sich der Auslösung des programmierten Zelltods. Das ist außergewöhnlich, in
der Onkologie gibt es nur sehr wenige Tumoren, die sich so verhalten. Schließlich gibt es noch unverstandene Interaktionen zwischen dem Wirts- und dem
Tumorgewebe, die eine Entwicklung neuer Therapiestrategien erschweren.
Warum gab es in der Therapie des neu diagnostizierten Glioblastoms so lange
­keine Innovationen?
Wick: Dafür gibt es meiner Ansicht nach verschiedene Gründe. Der wichtigste Grund ist, dass das Glioblastom nicht sehr häufig ist, was dazu führt, dass der
Tumor an vielen unterschiedlichen Zentren und von zahlreichen Ärzten behandelt wird, zwischen denen oft kein Austausch stattfindet. Die Behandlungen werden also oft sehr isoliert gemacht. Dazu kommt, dass es sich um einen
schnell infiltrierend und diffus wachsenden, äußerst aggressiven und zudem
extrem heterogenen und komplexen Tumor handelt. Wie wir z. B. wissen, weist
das Glioblastom durchschnittlich 70 unterschiedliche Mutationen auf und ist also ein hochgradig veränderter Tumor, der zudem innerhalb der einzelnen Kompartimente noch unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Wichtig ist auch, dass
Welche Bedeutung hat die Tumorangiogenese bei neu diagnostiziertem
­Glioblastom?
Wick: Das Glioblastom ist ein angiogener Tumor. Die Bildung und Ausreifung
neuer Blutgefäße wird durch ein komplexes Zusammenspiel angiogener Faktoren gesteuert, zu denen auch VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) gehört. Glioblastom-Tumoren überexprimieren VEGF und weisen eine mikrovaskuläre Proliferation sowie ein desorganisiertes Gefäßsystem auf, was zu einem
unzureichenden Blutfluss und zu Bereichen mit Hypoxie führt. Hohe VEGFSpiegel sind beim Glioblastom mit einer schlechten Prognose verknüpft. Aus
diesem Grund ist die Inhibition von VEGF ein rationaler Ansatz für die Therapie
des Glioblastoms. Zur Behandlung des neu diagnostizierten Glioblastoms befinden sich verschiedene antiangiogene Substanzen in der klinischen Prüfung.
Wie wichtig ist die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens für die
­Patienten?
Wick: Das Überleben ohne Fortschreiten der Tumorerkrankung ist für die Patienten eine Zeit, in der sie weniger unter Symptomen leiden, die die Lebensqualität beeinträchtigen. Wie bedeutsam das ist, lässt sich daran erkennen, dass
ca. 50 % der Patienten mit Glioblastom, die noch im erwerbsfähigen Alter sind,
in der progressionsfreien Zeit nach der Primärtherapie weiterhin ihrer Arbeit
nachgehen können.
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